eJournals Kolloquium Straßenbau in der Praxis 4/1

Kolloquium Straßenbau in der Praxis
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expert Verlag Tübingen
0217
2025
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Wie GreenAI-Bauprozesssteuerung und automatisierte CO2-Bilanzierung die CO2-Emissionen senken

0217
2025
Marcus Müller
Sven Gohl
Klaus Groll
Jörg Leukel
Ökologische Nachhaltigkeit ist im Straßenbau ein zentrales Thema sowohl für öffentliche Auftraggeber als auch für Bauunternehmen geworden. Öffentliche Ausschreibungen werden zunehmend über nachhaltige Zuschlagskriterien entschieden. Für Bauunternehmen ist es daher notwendig, über effektive Werkzeuge zur Planung, Steuerung und Dokumentation von nachhaltigen Bauprozessen verfügen zu können. Das Forschungsprojekt „KInaStra – KI für den nachhaltigen Straßenbau“ leistet dazu zwei Beiträge. Auf Basis von maschinellem Lernen wird ein Vorhersagemodell bereitgestellt, das zur Planungs- und Ausführungszeit eine emissionsminimale Mischguttemperatur vorschlägt, ohne dabei die Einbau- und Verdichtungsqualität zu mindern. Bauleitung und Mischwerkspersonal erhalten so eine Entscheidungsunterstützung für CO2-minimale Baustellen. Ferner wird ein Verfahren aufgezeigt, das aus Daten der Bauprozesssteuerung automatisch eine baubegleitende CO2-Bilanz erzeugt und dadurch Dokumentationsaufwände wesentlich reduziert. Das Vorhersagemodell und das vorgeschlagene CO2-Rechenmodell wurden anhand von Fallstudien (vergangene, reale Baustellen) evaluiert. Dabei zeigt sich, dass das in KInaStra umgesetzte Vorhersagemodell auf Basis von maschinellem Lernen das Abkühlverhalten von Asphaltmischgut mit hoher Genauigkeit vorhersagen kann. Das entwickelte CO2-Rechenmodell zeigt in den Fallstudien Werte, die mit der internationalen Fachliteratur im Einklang stehen.
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4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 381 Wie GreenAI-Bauprozesssteuerung und automatisierte CO 2 -Bilanzierung die CO 2 -Emissionen senken Dr. Marcus Müller Smart Site Solutions GmbH, Nürtingen Sven Gohl Makadamlabor Schwaben GmbH, Sindelfingen Klaus Groll REIF Bauunternehmung GmbH & Co. KG, Rastatt PD Dr. Jörg Leukel Universität Hohenheim, Stuttgart Zusammenfassung Ökologische Nachhaltigkeit ist im Straßenbau ein zentrales Thema sowohl für öffentliche Auftraggeber als auch für Bauunternehmen geworden. Öffentliche Ausschreibungen werden zunehmend über nachhaltige Zuschlagskriterien entschieden. Für Bauunternehmen ist es daher notwendig, über effektive Werkzeuge zur Planung, Steuerung und Dokumentation von nachhaltigen Bauprozessen verfügen zu können. Das Forschungsprojekt „KInaStra - KI für den nachhaltigen Straßenbau“ leistet dazu zwei Beiträge. Auf Basis von maschinellem Lernen wird ein Vorhersagemodell bereitgestellt, das zur Planungs- und Ausführungszeit eine emissionsminimale Mischguttemperatur vorschlägt, ohne dabei die Einbau- und Verdichtungsqualität zu mindern. Bauleitung und Mischwerkspersonal erhalten so eine Entscheidungsunterstützung für CO 2 -minimale Baustellen. Ferner wird ein Verfahren aufgezeigt, das aus Daten der Bauprozesssteuerung automatisch eine baubegleitende CO 2 -Bilanz erzeugt und dadurch Dokumentationsaufwände wesentlich reduziert. Das Vorhersagemodell und das vorgeschlagene CO 2 -Rechenmodell wurden anhand von Fallstudien (vergangene, reale Baustellen) evaluiert. Dabei zeigt sich, dass das in KInaStra umgesetzte Vorhersagemodell auf Basis von maschinellem Lernen das Abkühlverhalten von Asphaltmischgut mit hoher Genauigkeit vorhersagen kann. Das entwickelte CO 2 -Rechenmodell zeigt in den Fallstudien Werte, die mit der internationalen Fachliteratur im Einklang stehen. 1. Einführung Treibhausgase (THG) stellen im wissenschaftlichen Konsens die Hauptursache des anthropogenen Klimawandels dar [1]. Die meisten Länder verpflichteten sich daher, die anthropogenen THG-Emissionen bis 2050 auf netto Null zu reduzieren [2]. Auch die Straßenbauindustrie ist gefordert, ihren Beitrag zu diesen Klimazielen zu leisten. Die im Straßenbau dominierenden öffentlichen Auftraggeber sind durch nationale (u. a. Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung, UVPG) und internationale (z. B. dem Green Public Procurement der European Commission) Regelungen zunehmend dazu angehalten, Nachhaltigkeitskriterien in Ausschreibung und in die Angebotsbewertung aufzunehmen. In Deutschland sind bei öffentlichen Auftraggebern bereits entsprechende Initiativen erfolgt, so z. B. in Baden-Württemberg [3] oder Bayern [4]. International laufen ebenfalls entsprechende Vorhaben, wie z. B. „Net Zero Highways“ (National Highways, UK). Auch die Bauwirtschaft bzw. ihre Verbände reagieren national und international mit Positionspapieren und Lösungsvorschlägen [5, 6, 7]. Bislang spielen digitale Technologien für die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen im Straßenbau nur eine untergeordnete Rolle. Die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten konzentrieren sich aktuell auf das Baumaterial (u. a. Erhöhung des Recycling-Anteils, temperaturabgesenkte Asphalte), die Baumaschinen (insb. Elektrifizierung von Baumaschinen) und das Produkt „Straße“, wie u. a. solaraktive oder NO x -reduzierende Beläge. Aktuelle Studien deuten jedoch darauf hin, dass mittels einer digitalen Echtzeitsteuerung von Bauprozessen die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen unterstützt werden kann [8,-9]. Die hierzu erforderlichen datentechnischen Voraussetzungen sind bereits weitgehend gegeben (Stichworte: Straßenbau 4.0 und Building Information Modeling), so dass der nächste Innnovationsschritt in der Entwicklung intelligenter, datengetriebener Steuerungsverfahren zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele im Straßenbau liegt. Im Weiteren wird zunächst der Stand der Forschung im Bereich der Ermittlung von CO 2 -Emissionen im Straßenbau sowie bei der Nutzung von maschinellem Lernen in Straßenbauprozessen ausgeführt. Anschließend werden die beiden Lösungsvorschläge (1) automatisierte CO 2 - Bilanzierung und (2) GreenAI-Bauprozesssteuerung beschrieben und evaluiert. Die Ergebnisse werden abschließend diskutiert und zusammengefasst. 382 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 Wie GreenAI-Bauprozesssteuerung und automatisierte CO 2 -Bilanzierung die CO 2 -Emissionen senken 2. Stand der Forschung 2.1 CO 2 -Bilanzierung Studien zu THG-Emissionen im Straßenbau nutzen häufig Lebenszyklusanalysen, um die Rohstoffproduktion, den Straßenbau, die Nutzungs- und Unterhaltungsphase sowie den Rückbau (End of Life) zu untersuchen. Metastudien zur Anwendung der LCA im Straßenbau zeigen, dass die Mehrzahl der Arbeiten die Materialgewinnung und die Bauphase betrachten [10]. Werden nur die beiden Phasen betrachtet, so verteilen sich die Emissionen über die Studien hinweg zu 80 % auf die Rohstoffproduktion und zu 20 % auf die Bauphase. Werden zusätzlich die Lebenszyklusphasen Nutzung und Unterhalt betrachtet, so umfassen diese beiden Phasen 40-50 % der Gesamt- CO 2 -Emissionen; Materialgewinnung und die Bauphase somit zusammen nur noch 50-60 %. Forschungsprojekte zur Bestimmung von THG-Emissionen im Straßenbau konzentrieren sich auf einzelne Straßenklassen (z. B. Bundesautobahn im Projekt „Ökobilanz für die Herstellung und Nutzung eines Autobahnabschnitts“ der TU München) oder Unterschiede in den CO 2 -Emissionen verschiedener Baumaterialien (Asphalt, Beton) oder Herstellungsweisen (z. B. temperaturabgesenkter Asphalt im Projekt „PLANET: Energetische und ökologische Bilanz der Auf bereitung von Niedertemperaturasphalten“). Dabei werden häufig sogenannte Normkilometer betrachtet und auf bestehende Umweltdatenbanken (u. a. ÖKOBAUDAT, GaBi-Datenbanken, GreenDelta oder EcoInvent) zurückgegriffen. In Deutschland werden bislang keine Regelwerke zu Produktkategorisierung und Umweltproduktdeklarationen im Straßenbau angewendet. Existierende Studien im Bereich Nachhaltigkeit im Straßenbau behandeln meist nur Teilausschnitte des Themengebiets und die vorhandenen Datenbanken müssen für eine Anwendung im Straßenbau erweitert und/ oder modifiziert werden (s. dazu auch BASt-Projekt „Literaturstudie zur Nachhaltigkeit im Straßenbau“). 2.2 Maschinelles Lernen in Straßenbauprozessen Derzeit liegen im Vergleich zu anderen Anwendungsdomänen nur sehr wenige Forschungsergebnisse zur Anwendung von maschinellem Lernen in Straßenbauprozessen vor. Bisherige Studien konzentrieren sich auf die Vorhersage von physikalischen Größen und hier i. W. auf die Vorhersage von Verdichtungsgraden. Nur wenige Arbeiten nutzen maschinelles Lernen zur Vorhersage von Variablen in der Produktion und dem Transport von Asphalt oder im Bereich der Prozesssteuerung, z. B. Zeiten [11]. Festzustellen ist eine große Bandbreite von Eingangsvariablen und dazu eingesetzter Sensoren. Als Verfahren werden überwiegend Künstliche Neuronale Netze angewendet, obwohl deren höhere Leistung (in Bezug auf die Vorhersagegüte) noch nicht eindeutig belegt ist. In Bezug auf die in der Machine-Learning-Forschung genutzten Metriken zur Bestimmung der Vorhersagegüte ist zu konstatieren, dass in den Arbeiten zum maschinellen Lernen im Straßenbau nur selten einheitslose Leistungsmetriken Anwendung finden, was eine übergreifende Vergleichbarkeit wesentlich erschwert [11]. Die den Studien zugrundeliegende Daten werden häufige nicht oder nur auf Nachfrage zur Verfügung gestellt. Insgesamt ist die Datenverfügbarkeit im Vergleich zu anderen Disziplinen sehr gering. Ebenfalls fehlt eine in anderen Forschungsdisziplinen übliche, öffentlich zugängliche Forschungsdatenbank, welche die verwendeten Daten transparent macht. Dies erschwert eine Nachprüf barkeit der Ergebnisse [11]. 3. Lösungsvorschläge 3.1 Automatisierte CO 2 -Bilanzierung Die Phasen der Lebenszyklusanalyse im Straßenbau werden in Herstellung, Errichtung, Nutzung und Entsorgung unterteilt. Der vorliegende Vorschlag für eine automatisierte CO 2 -Bilanzierung bis auf die Phase der Nutzung alle Phasen des Lebenszyklus einer Straße. Fokussiert wird dabei auf die Materialherstellung, den Transport des Materials vom Mischwerk auf die Baustelle und den eigentlichen Einbau des Asphalts auf der Baustelle mittels Baugeräte (s. Abb. 1). Abb. 1: Phasen der Lebenszyklusanalyse im Straßenbau 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 383 Wie GreenAI-Bauprozesssteuerung und automatisierte CO 2 -Bilanzierung die CO 2 -Emissionen senken Es wurde ein CO 2 -Berechnungsmodell entwickelt, das die in Abb. 2 dargestellten Einflussgrößen auf die CO 2 - Emissionen im Straßenbau umfasst. Abb. 2: Einflussgrößen auf die CO 2 -Emissionen im Straßenbau Der Teil Produktion (Lebenszyklusphasen A1-A3) umfasst ein detailliertes Modell zur Berechnung von CO 2 -Emissionen im Rahmen der Materialherstellung. Dabei werden Emissionen aus den Vorprodukten (Bitumen, Additive, Gesteine und Asphaltgranulat), die Zusammensetzung des Asphalts gemäß den Angaben aus der Erstprüfung, die Transportentfernungen und die Transportmittel (u. a. Lkw, Schiff) für den Antransport von Gesteinskörnungen, Bindemitteln und Zusätzen berücksichtigt. Ferner werden der an der Mischanlage verwendete Brennstoff sowie die anlagenspezifische technische Ausstattung (u. a. Art der Lagerung) in die Berechnung aufgenommen. Daraus wird ein Emissionswert in kg CO 2 e je Tonne Asphalt für die Materialproduktion bis Ausgang Werkstor berechnet. Für den Transport und den Einbau werden die Art der Lkw (Schadstoffklasse bzw. Antriebsart), die Tonnenkilometer und die Verbräuche ebenfalls in kg CO 2 e je Tonne Asphalt berechnet. Ähnlich erfolgt dies beim Einbau über die Art und Anzahl der Einbaugeräte, deren Verbräuche und Einsatzdauern. Auch dies resultiert in kg CO 2 e je Tonne Asphalt. Alle Werte werden individuell und als Gesamtsumme ausgewiesen. Zur Planungszeit kann das CO 2 -Berechnungsmodell genutzt werden, um Planemissionen zu berechnen. Dies ist bspw. für schattenpreisbasierte Ausschreibungen von Relevanz. Für die automatisierte CO 2 -Bilanzierung werden Werte aus der Bauprozesssteuerung (Tonnage, Lkw, gefahrene Kilometer, Einsatzzeiten, Baugeräte etc.) herangezogen und in das CO 2 -Berechnungsmodell überführt. Dies kann im Nachgang zur Baustelle erfolgen oder auch fortlaufend während der Bauausführung als automatisierte Live- CO 2 -Bilanzierung mit kontinuierlichem Abgleich von geplanter und tatsächlich realisierter Emission (s. Abb. 3). Abb. 3: Live- CO 2 -Bilanzierung mit kontinuierlichem Abgleich von geplanter und tatsächlich realisierter Emission 384 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 3.2 GreenAI-Bauprozesssteuerung Die GreenAI-Bauprozesssteuerung zielt darauf ab, während des Einbaus der Bauleitung sowie dem Personal auf der Mischanlage eine Entscheidungsunterstützung an die Hand zu geben, mit derer sie im laufenden Prozess CO 2 -Einsparpotenziale erkennen und heben können. Wichtigster Einflussparameter - der gleichzeitig noch während der Bauausführung bzw. Materialproduktion beeinflusst werden kann, ist die Produktionstemperatur des Asphaltmischguts (grobe Faustformel: Pro 10- °C Temperaturreduktion wird ca. 1kg CO 2 e/ Tonne Asphalt weniger emittiert). Eine zu niedrige Produktionstemperatur darf jedoch nicht dazu führen, dass auf der Baustelle die Zeit für eine qualitativ hochwertige Verdichtung nicht mehr ausreicht. Ziel ist es also, eine Vorhersage zu treffen, wie weit die Produktionstemperatur gesenkt werden kann, sodass das Zeitfenster für eine qualitativ hochwertige Verdichtung noch ausreicht. Die Vorhersage basiert auf maschinellem Lernen (ML). Zum Auf bau des Modells wurden entlang der Prozesskette Temperaturdaten (Beladetemperatur, Entladetemperatur, Oberflächentemperatur hinter der Bohle, Oberflächentemperatur bei jeder Walzüberrollung, sowie teilweise Temperaturen in der Schichtmitte) gesammelt, die als Trainings- und Testdaten in die Gestaltung einflossen. Berücksichtigt wurden dabei Eingangsgrößen (sog. Features), die von Domänenexperten ausgewählt und über Sensoren bzw. Webservices gesammelt wurden. Das ML-Modell lernt Beziehungen zwischen den Eingangsgrößen (Input) und der zu prognostizierenden Temperatur (Output). So können aus Daten früherer Baustellen Prognosen für die aktuelle Baustelle gestellt werden (s. Abb. 4). Abb. 4: Lernen der Beziehung zwischen Features (Input) & Temperatur (Output) Die hier vorgeschlagene GreenAI-Bauprozesssteuerung nutzt das ML-Vorhersagemodell, um mit aktuellen Werten aus der Bauprozesssteuerung und dem vorherrschenden Wetter das Abkühlverhalten für die Baustelle vorherzusagen, auf dem die GreenAI-Bauprozesssteuerung gerade eingesetzt wird. Dem Mischanlagenpersonal werden Echtzeitempfehlungen über eine optimale Zieltemperatur der Beladung gegeben. Liegt die tatsächliche Beladetemperatur über der optimalen Zieltemperatur, bestehen CO 2 -Einspaarpotenziale; die Beladetemperatur kann reduziert werden (Beispiel in Abb. 5). Liegt die tatsächliche Beladetemperatur darunter, wird mit dem Material ein zu kurzes Zeitfenster für eine qualitativ hochwertige Verdichtung erzeugt; die Beladetemperatur sollte erhöht werden. Abb. 5: Abkühlverhalten vom Asphaltmischwerk bis abgewalzte Schicht (Beispiel einer Landstraße) Sämtliche Daten aus der GreenAI-Bauprozesssteuerung werden der automatisierten CO 2 -Bilanzierung bereitgestellt (s. Abb. 6). Abb. 6: Beziehung zwischen Temperaturmessung (Trainingsdaten), Green-AI-Bauprozesssteuerung und automatisierter CO 2 -Bilanzierung 4. Evaluation 4.1 Automatisierte CO 2 -Bilanzierung Das der automatisierten CO 2 -Bilanzierung zugrundeliegende Rechenmodell wurde auf 54 Einbautage von sechs bereits abgeschlossenen Asphaltbaustellen (2x Autobahn, 2x Bundesstraße, 1x Landstraße und 1x Kreisstraße) der beteiligten Projektpartner angewendet. Dabei wurden in einer manuellen Nachbilanzierung die Emissionen für Produktion, Transport und Einbau in kg CO 2 e je Tonne Asphalt zur Planungszeit und nach Ausführung der Baustelle berechnet und verglichen [12, 13]. Zur Validierung des CO 2 -Rechenmodells wurden die resultierenden Emissionsanteile von Produktion sowie Transport und Einbau mit den Anteilen verglichen, die in der internationalen Fachliteratur veröffentlicht wurden. Ein Vergleich konnte nur über die Emissionsanteile erfolgen, da in der Literatur nur selten über absolute Emissionswerte berichtet wird. Abb. 7 zeigt die Werte in der Literatur im Vergleich zu den KInaStra-Werten. Wie GreenAI-Bauprozesssteuerung und automatisierte CO 2 -Bilanzierung die CO 2 -Emissionen senken 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 385 Abb. 7: Vergleich der CO 2 -Emissionsanteile von KInaStra mit den Werten aus der Literatur Es konnte somit gezeigt werden, dass über das KInaStra- Rechenmodell berechneten CO 2 -Emissionswerte einem Vergleich mit anderen Rechenmodellen standhalten und diese weiter konkretisieren. 4.2 GreenAI-Bauprozesssteuerung Das entwickelte ML-Vorhersagemodell wurde anhand einer bereits abgeschlossenen Baustelle (s. Abb. 8) evaluiert. Dazu wurden 4.777 Temperaturmessungen im Verhältnis 70: 30 auf Trainings- (3.344) und Testdaten (1.433) aufgeteilt. Mit den Trainingsdaten erlernte das ML-Modell die Zusammenhänge zwischen Input- und Output- Größen. Landstraße Zeitraum 30.04.-03.05.2024 Länge 1,55-km Ø Einbaubreite 4,5-m Mischgut 2.261 t AC 11 DN 50/ 70 TA Baugeräte 1 Fertiger, 2 Walzen Messungen 4.777 (davon 70 % für Training) Ø Überrollungstemp. 101,8 °C Abb. 8: Eigenschaften der Evaluationsbaustelle Die aus dem Trainingsdatensatz erlernten Zusammenhänge wurden auf den Testdatensatz angewendet. Die Für jeden Datenpunkt aus dem Testdatensatz wurde zunächst eine Temperaturprognose aus dem ML-Modell erstellt. Diese Prognose wurde dann der real gemessenen Temperatur im Testdatensatz gegenübergestellt. Abb. 9 zeigt das Streudiagramm, bei dem jeder der 1.433 Punkte den prognostizierten Wert auf der Y-Achse und den tatsächlich gemessenen Wert auf der X-Achse anzeigt. Je weiter die Punkte von der roten Geraden vertikal entfernt sind, desto größer ist der Prognosefehler des ML-Modells. Es zeigte sich bereits bei einer ersten Auswertung der Prognoseergebnisse, dass für 80-% der Prognosen der absolute Fehler weniger als 5 °C betragen hat. Abb. 9: Streudiagramm zur Visualisierung der Prognosegüte des KInaStra-ML-Modells Neben einer grafischen Darstellung haben sich in der KI-/ ML-Forschung verschiedene Metriken etabliert, um die Prognosegüte eines Modells zu bewerten. Abb. 10 stellt die vier gängigsten Metriken dar und weist deren Wert für die Vorhersagen bei der KInaStra- Evaluationsbaustelle aus. Wie GreenAI-Bauprozesssteuerung und automatisierte CO 2 -Bilanzierung die CO 2 -Emissionen senken 386 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 Abb. 10: Metriken der Prognosegüte des KInaStra-ML-Modells Es konnte somit gezeigt werden, dass das KInaStra-ML- Modell im Durchschnitt einen absoluten Prognosefehler von 3,4 °C aufweist. Mit einem R²-Wert von 0,88 erklärt das KInaStra-ML-Modell 88 % der Varianz der Asphalttemperatur. Somit bildet das Modell den Zusammenhang zwischen Input- und Output-Variablen sehr gut ab. Dies spricht zugleich für eine hohe Prognosegüte. 5. Zusammenfassung, Diskussion und Ausblick Das Forschungsprojekt KInaStra verbindet erstmalig Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und Nachhaltigkeitsbetrachtungen im Straßenbau im Rahmen der Echtzeitprozesssteuerung. Es konnte gezeigt werden, dass das entwickelte CO 2 -Berechnungsmodell ähnliche Ergebnisse erzeugt, wie sie in verschiedenen (Meta-)Studien erhoben wurden. Das KInaStra-ML-Modell weist eine sehr hohe Prognosegüte auf und eignet sich somit als Grundlage für eine GreenAI-Echtzeit-Bauprozesssteuerung. Entgegen den Erwartungen erwies sich die Erhebung von Trainingsdaten auf Baustellen als besonders herausfordernd. Die lückenlose Dokumentation der Temperaturen entlang der Lieferkette stellt hohe Anforderungen an die Organisation der Baustellen und an die eingesetzte Technik. Hierin liegt auch eine Limitation des KInaStra-ML- Modells, das zukünftig mit noch mehr Baustellendaten trainiert und evaluiert werden muss. Für Bauunternehmen zeigen die Ergebnisse, dass mit den heute bereits eingesetzten Werkzeugen für die Bauprozesssteuerung/ Bauprozessoptimierung zukünftig auch Nachhaltigkeitsziele besser erreicht werden können. Außerdem können zukünftige Dokumentationsanforderungen mit einer automatisierten, sensordatengestützten CO 2 -Bilanzierung einfacher und aufwandsärmer erfüllt werden. Der zunehmenden Nutzung von Nachhaltigkeitskriterien in den Ausschreibungen kann mit eine CO 2 - Planbilanz ebenfalls begegnet werden. Insgesamt weist die Bauindustrie jedoch noch einen geringen Durchdringungsgrad von digitalen Werkzeugen und lückenlosen Temperatursensoren auf, sodass die Potenziale einer automatisierten CO 2 -Bilanzierung sowie einer GreenAI-Bauprozesssteuerung derzeit nur bei wenigen Bauunternehmen vollständig gehoben werden können. Dies impliziert, dass für eine nachhaltige (und digitale) Zukunft des Straßenbaus noch mehr in digitale Werkzeuge und in eine entsprechende Qualifizierung von Mitarbeitenden investiert werden muss. Öffentliche Auftraggeber können dies dadurch unterstützen, dass alternative Zuschlagskriterien (Digitalisierung und Nachhaltigkeit) verstärkt genutzt werden und so gestaltet sind, dass sie eine tatsächliche und effiziente Lenkungswirkung entfalten. Literatur [1] Oreskes, N. (2004). The scientific consensus on climate change. Science, 306(5702), 1686-1686. [2] IPCC, 2018: Global Warming of 1.5°C. Cambridge University Press, Cambridge, UK and New York, NY, USA. [3] Hermann, W., Chakar, T., Klinger, H., Schmidt, V. und Klumbach, S. (2022). Der Weg zu einer ressourcen- und klimaschonenden Straßeninfrastruktur in Baden-Württemberg. Straße und Autobahn. Nr. 05, S. 401-407. Wie GreenAI-Bauprozesssteuerung und automatisierte CO 2 -Bilanzierung die CO 2 -Emissionen senken 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 387 [4] Bayerisches Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr (2024). Handbuch für die Vergabe und Durchführung von Bauleistungen durch Behörden des Freistaates Bayern - Stand August 2024. [5] Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V. (2024). Klimaverträglich bauen mit einem Schattenpreis für CO 2 -Emissionen. Berlin. [6] EAPA - European Asphalt Pavement Association (2024). Towards Net Zero - A Decarbonisation Roadmap for the Asphalt Industry. Brüssel. [7] NAPA - National Asphalt Pavement Association (2022). The Road Forward - A Vision for Net Zero Carbon Emissions for the Asphalt Pavement Industry. [8] Shahnavaz, F. und Akhavian, R. (2022). Automated Estimation of Construction Equipment Emission Using Inertial Sensors and Machine Learning Models. Sustainability, Bd. 14, Nr. 2750. [9] Arifuzzaman, M., Gul, M. A., Khan, K. und Hossain, S. M. Z. (2021). Application of Artificial Intelligence (AI) for Sustainable Highway and Road System. Symmetry. Bd. 13, Nr. 60. [10] Liu, N., Wang, Y., Bai, Q., Wang, P. S. and Xue, S. (2022). Road life-cycle carbon dioxide emissions and emission reduction technologies: A review. Journal of Traffic and Transportation Engineering. Bd. 9, Nr. 4. S. 532-555. [11] Leukel, J., Scheurer, L. und Sugumaran, V. (2024). Machine learning models for predicting physical properties in asphalt road construction: A systematic review. Construction and Building Materials. Bd. 440. [12] Meisch, L. (2024): Möglichkeiten der CO 2 -Reduzierung im nachhaltigen Asphaltstraßenbau, Bachelorarbeit im Rahmen des Projekts KInaStra. [13] Schreyer, E. (2024): Reduzierung und Verfolgung von CO 2 -Emissionen bei Asphaltbaustellen, Masterarbeit im Rahmen des Projekts KInaStra. Acknowledgement: Die hier veröffentlichten Ergebnisse wurden im Rahmen des Forschungsprojekts KInaStra - Künstliche Intelligenz für den nachhaltigen Straßenbau ( https: / / www.kinastra.de ) erarbeitet. KInaStra wurde gefördert durch das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg im Rahmen des Programms InvestBW. Wie GreenAI-Bauprozesssteuerung und automatisierte CO 2 -Bilanzierung die CO 2 -Emissionen senken