eJournals Kolloquium Straßenbau in der Praxis 4/1

Kolloquium Straßenbau in der Praxis
kstr
expert Verlag Tübingen
0217
2025
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Radwegebau mal anders – Entsiegelung und CO2-Entlastung mit rein mineralischen Konzepten umsetzen

0217
2025
Guido Schilling
In einem vergleichenden Blick zu den häufig üblichen gebundenen Bauweisen wird dargestellt, dass – im richtigen Nutzungsrahmen und bei richtiger baulicher Umsetzung – sich Radwege vor allem außerorts oder in Parks und Grünanlagen (also im freizeit-orientierten Bereich) erfolgreich mit ungebundenen, rein mineralischen Decken realisieren lassen. Die Standards für geeignete Aufbauten und Materialanforderungen wurden und werden, insbesondere für befahrbare Flächen, angehoben. Wichtig dabei bleibt zum einen die Wertschätzung für natürliche Bauweisen, damit man die einzugehenden Kompromisse (z. B. Witterungsabhängigkeiten) abwägen und entscheiden kann, zum anderen ein professionelles Konzept bezüglich Baus und Unterhalt. Neben einer deutlich günstigeren CO2-Bilanz gegenüber Asphalt- oder Betonwegen leisten die sog. „Wassergebundenen Decken“ einen Beitrag zur Entsiegelung und beeinflussen das Mikroklima positiv, wenn sie qualitätsorientiert gebaut werden. Die Möglichkeiten und Anforderungen des Wegeaufbaus werden im Grundsatz gemäß den FLL-Empfehlungen beschrieben. Welche Details weiterhin bezüglich Schichtenfolge, Gesteinskörnungen, Profilierung und Einbau zu berücksichtigen sind, wird aus Sicht und Erfahrung des Autors erläutert, ebenso Aspekte zur Instandhaltung der Wege. Weiterhin wird ein Blick auf das rein subjektive Argument des „Fahrerlebnisses“ geworfen, welches heutzutage an Bedeutung gewinnt. Schließlich die wirtschaftliche Komponente: ein mineralischer Wegekörper ist günstiger in der Herstellung als gebundene Bauweisen. Der Unterhalt lässt sich gut managen, wenn Bauart und Nutzungsintensität aufeinander abgestimmt sind.
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4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 391 Radwegebau mal anders - Entsiegelung und CO 2 -Entlastung mit rein mineralischen Konzepten umsetzen Dipl.-Ing. (FH) Guido Schilling HanseGrand Klimabaustoffe GmbH & Co. KG, Selsingen Zusammenfassung In einem vergleichenden Blick zu den häufig üblichen gebundenen Bauweisen wird dargestellt, dass - im richtigen Nutzungsrahmen und bei richtiger baulicher Umsetzung - sich Radwege vor allem außerorts oder in Parks und Grünanlagen (also im freizeit-orientierten Bereich) erfolgreich mit ungebundenen, rein mineralischen Decken realisieren lassen. Die Standards für geeignete Auf bauten und Materialanforderungen wurden und werden, insbesondere für befahrbare Flächen, angehoben. Wichtig dabei bleibt zum einen die Wertschätzung für natürliche Bauweisen, damit man die einzugehenden Kompromisse (z. B. Witterungsabhängigkeiten) abwägen und entscheiden kann, zum anderen ein professionelles Konzept bezüglich Baus und Unterhalt. Neben einer deutlich günstigeren CO 2 -Bilanz gegenüber Asphalt- oder Betonwegen leisten die sog. „Wassergebundenen Decken“ einen Beitrag zur Entsiegelung und beeinflussen das Mikroklima positiv, wenn sie qualitätsorientiert gebaut werden. Die Möglichkeiten und Anforderungen des Wegeauf baus werden im Grundsatz gemäß den FLL-Empfehlungen beschrieben. Welche Details weiterhin bezüglich Schichtenfolge, Gesteinskörnungen, Profilierung und Einbau zu berücksichtigen sind, wird aus Sicht und Erfahrung des Autors erläutert, ebenso Aspekte zur Instandhaltung der Wege. Weiterhin wird ein Blick auf das rein subjektive Argument des „Fahrerlebnisses“ geworfen, welches heutzutage an Bedeutung gewinnt. Schließlich die wirtschaftliche Komponente: ein mineralischer Wegekörper ist günstiger in der Herstellung als gebundene Bauweisen. Der Unterhalt lässt sich gut managen, wenn Bauart und Nutzungsintensität aufeinander abgestimmt sind. 1. Einführung „Deutschland wird Fahrradland“ (Zitat „Zeit Online“) - ein Trend, der sich auch in der verstärkten Wahrnehmung und Bewertung von Radweg-Qualitäten widerspiegelt. Beispiel: ADFC Bewertungskatalog Folge: verstärkte Planung und Umsetzung von örtlichen und überregionalen Radwegen durch Länder, Landkreise und Kommunen Beispiel Baden-Württemberg: Bedarfsplan für 2000 km neue Wege bis 2040 Beispiel Bayern: „Radoffensive Klimaland Bayern“ als Förderprogramm, Erstobjekt b. Erlangen: 6 km „naturnaher Ausbau“ / ungebundene Bauweise Bezüglich der baulichen Gestaltung gilt häufig immer noch: Asphalt oder Beton sind das Mittel der Wahl, da einfach in Bau und Unterhalt, sowie abrollfreundliche und witterungsstabile Oberfläche. Ungebundene Bauweisen wie die „DoB“ bzw. „Wassergebundene Wegedecke“ fristen in vielen Regionen ein Stiefkind-Dasein. Dies ist fachlich richtig für stark befahrene innerstädtische Radwege (wie z. B. die Würzburger Teststrecke von 2009), da hier täglich - auch im Winter - eine andauernde Befahrung durch Pendler etc. gegeben ist. Ebenfalls für Radschnellwege, die v. a. einen zweckgebundenen und ganzjährigen Radverkehr sicherstellen müssen. Für viele andere Radwege jedoch, die vor allem dem Freizeitzweck dienen, erscheinen viele der Vorbehalte gegen rein mineralische Bauweisen nicht mehr zeitgemäß, unter anderem weil 1. Asphalt- und Betondecken einen deutlich höheren CO 2 -Ausstoß bedeuten 2. Mittlerweile höhere Standards bei Mineraldecken planbar und umsetzbar sind als noch vor 15-20 Jahren 3. Gut gebaute „Naturradwege“ ein naturverbundenes Radfahr-Erlebnis vermitteln können, anders als Asphalt 392 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 Radwegebau mal anders - Entsiegelung und CO 2 -Entlastung mit rein mineralischen Konzepten umsetzen 2. Der ökologische Fußabdruck 2.1 Gegenüberstellung CO 2 -Bilanz der Materialien Asphalt/ Beton/ Wassergebundene Decke u. a. anhand vorliegender Zertifikate 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 393 Radwegebau mal anders - Entsiegelung und CO 2 -Entlastung mit rein mineralischen Konzepten umsetzen Langfristig gedacht: Argument Unabhängigkeit von Zementen und Erdölprodukt Bitumen 2.2 Wasser-/ Lufthaushalt/ Mikroklima als Argumente für offenporige Bauweisen Effektive Versickerungsleistung bei Einsatz qualifizierter Baustoffe Wasserspeicherleistung und Wiederverdunstung Vorteile Verdunstungskühle, Abflussverzögerung bei Starkregen Luftaustausch: wichtig für Baumwurzeln Wurzelauf brüche werden vermieden! WGD: Geringere Verdichtungsanforderungen (80 bzw. 100 MN/ m2) als bei Asphalt/ Beton, dadurch geringere Bodenverdichtung (Auf bau muss nicht frostsicher sein) 2.3 Instandhaltung und Rückbau 100 % inerte Baustoffe bei WGD, keine Entsorgungsauflagen Regionale Verfügbarkeit Bearbeitbarkeit und Pflege - mit dem richtigen Equipment 2.4 Umbau bestehender schadhafter Asphaltwege Nutzung des gefrästen Asphalts als Tragschicht, darüber WGD Beispiel: Gutachten zu Radweg Itzstedt 3. Mineraldecken für Radwege planen und bauen 3.1 Grundlegende Regelwerke: ZTV SoB-StB, ZTV LW-StB, DIN 18315, vor allem: FLL-Fachbericht „Wassergebundene Wegedecken“ FLL-Empfehlungen im Moment in Überarbeitung. Ausrichtung auf stärker befahrene Flächen ist vorgesehen. Anforderungen werden genauer für Fahrwege definiert. 394 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 Radwegebau mal anders - Entsiegelung und CO 2 -Entlastung mit rein mineralischen Konzepten umsetzen Erläuterung zum Längsgefälle bei mineralischen Wegedecken, max. Fließlängen gemäß FLL 3.2 2-Schicht-Aufbau und 3-Schicht-Aufbau Schichtdicken und Verdichtungswerte, geforderte Wasserdurchlässigkeit und Scherfestigkeit, Funktion und Körnung der Deckschicht - Empfehlung für Körnung 0/ 11 und 0/ 8 Funktion der Dynamischen Schicht als Speicher und „Deckschichtversorger“ - Empfehlung für Körnung 0/ 16 und 0/ 22 Quer- oder Dachprofilausbildung; - Empfehlung 3-5 % Querneigung 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 395 Radwegebau mal anders - Entsiegelung und CO 2 -Entlastung mit rein mineralischen Konzepten umsetzen 3.3 Materialeigenschaften bei Wassergebundenen Deckschichten Anforderungen an die Gesteinskörnungen gemäß FLL: Frostwiderstand, Körnungsverteilung als Empfehlung. Die „ideale“ Sieblinie - abhängig von verschiedenen Faktoren wie Gesteinsart, Kornform, Härte, Mischung und Lieferzustand als Kriterien Exkurs: Einsatz von sog. „natürlichen Bindemitteln“ Beispiel: Psyllium-Binder zur Erhöhung der Schicht-Stabilität Exkurs: Einsatz von Ersatzbaustoffen bei ungebundenen Decken Beispiel: ZIM-Forschungsprojekt Radweg Lüneburg Erfolgreiche Versuche mit RC-Material in Wegemischungen 3.4 Der richtige Einbau Gemisch-Homogenität und Erdfeuchte, Planum und Verdichtungsarten, Einbau per Hand oder mit Fertiger/ Gräder, Reifeprozess/ „Wetterwechsel“ nötig, damit gewünschtes Korngefüge entstehen kann. 3.5 Pflege/ Instandhaltung: „wenig, aber regelmäßig“ Thema Stoffeinträge und Laubbeseitigung Vernässung bzw. Überlastung und resultierende Schadstellen (Hinweis Selbstregeneration bei funktionierendem Korngefüge) Nachprofilierung/ Abschleppen/ langfristige Instandhaltung 3.6 Ausschreibung: was ist zu beachten? Schrittweiser Auf bau eines technisch korrekten und produktneutralen Ausschreibungstext-Beispiels für Radwege mit Wassergebundener Wegedecke 3.7 Richtkosten 4. Das „Fahrerlebnis“ als subjektives Kriterium Subjektive Eindrücke spielen heute aufgrund der florierenden Bewertungsszene im Internet eine deutlich stärkere Rolle in der öffentlichen Wahrnehmung. Persönl. Erfahrung: Radwege in der Landschaft mit einem natürlichen und leicht körnigen Wegebelag werden großteils wertgeschätzt. (Ausnahme: Rennradnutzung mit schmaler Bereifung) Beispiel: Bericht Insel Fehmarn Grundsätzlich lässt sich festhalten: Abrollen und Fahrgeräusch gelten als angenehm, wenn der Belag eben und nicht zu grob gekörnt ist. Erfahrung: Ideal scheint der Bereich 0/ 5-0/ 11 mm. Wichtig ist: Korngemisch und Querprofil müssen passen, um bei Nässe nicht stärker aufzuweichen (abgestimmter Stützkornanteil). Einschränkung 1: Frost-Tauwechsel-Phasen/ können die Befahrbarkeit beeinträchtigen Einschränkung 2: Schneeräumen/ nur eingeschränkt möglich im Vgl. zu Asphalt/ Beton Im Bewusstsein der einzugehenden Kompromisse können Radwege in ungebundener, rein mineralischer Bauweise somit erfolgreich und wirtschaftlich sinnvoll umgesetzt werden, wenn die Bauart zur vorgesehenen Beanspruchung passt.