Kolloquium Straßenbau in der Praxis
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expert Verlag Tübingen
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Digitalisierung & Automation im Straßenbau – ein Blick von heute in die Zukunft: Forschung, Entwicklung, Systeme, Projekte
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Andreas Velten
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4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 463 Digitalisierung & Automation im Straßenbau - ein Blick von heute in die Zukunft: Forschung, Entwicklung, Systeme, Projekte Andreas Velten, MBA MOBA Mobile Automation, Limburg 1. Mit Digitalisierung und Automation in die Zukunft Fachkräftemangel, deutliche Steigerungen der Rohstoffbzw. Materialpreise und eine Abkühlung der Baukonjunktur sind ernste, wirtschaftliche Risiken für Straßenbauunternehmen. Die seit Kurzem unsichere politische Lage mit einem vorläufigen Haushalt machen die Situation nicht besser. Die gestiegenen Baukosten und die bange Frage, ob es genügend Ausschreibungen geben wird, machen die Angebotskalkulation zu einem „scharfen Ritt“. Meldungen über Auftragsmangel haben bei Straßenbauern zuletzt wieder zugenommen, selbst wenn die Lage deutlich besser ist als im Hochbau. Personalkosten und Materialpreise können Straßenbauunternehmen nur schwerlich aus eigener Kraft senken. Dennoch ist es entscheidend, dass sie sich in diesen Zeiten gut aufstellen, um sie erfolgreich zu meistern. Welche Unterstützung kann die Digitalisierung und Automation dabei schon heute leisten und wo geht die Reise in Zukunft hin? 2. Baumaterialpreise & Fachkräftemangel: Wirtschaftliches Risiko für Straßenbauunternehmen Asphaltbauer weisen zunehmend darauf hin, dass es ohne eigene Mischgutherstellung sehr schwierig geworden ist, ausreichend Aufträge zu erhalten. Auch wenn Mischgut- und Bitumenpreise im Vergleich zum Vorjahr nachgegeben haben, sind die Preissteigerungen im Vergleich zu Anfang 2021 enorm. Im Oktober 2024 hat der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) einen Anstieg in diesen 3,75 Jahren von 45,4 % bei Asphalt und sogar 53,8 % bei Bitumen veröffentlicht [1]. Nicht verwunderlich, dass da der Beschaffungspreisvorteil einer eigenen Mischanlage oder einer Beteiligung ausschlagend für die Auftragsvergabe wird. Aktuell ist der Fachkräftemangel in aller Munde. Auch die Baubranche leidet massiv darunter. Knapp ein Drittel aller Bauunternehmen machen laut einer Umfrage des ifo Institutes den Mangel an qualifizierten Fachkräften für Behinderungen ihrer Bautätigkeit verantwortlich [2]. Nicht nur der fehlende Nachwuchs macht Straßenbauunternehmen Sorge, sondern auch der demografische Wandel ist ein Thema. Viele der „alten Hasen“ werden in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen und Lücken hinterlassen, die nicht alle wiederaufgefüllt werden können. Sowohl die gestiegenen Preise als auch der Mangel an qualifizierten Mitarbeitern stellen für die Straßenbauunternehmen ein wirtschaftliches Risiko dar: Wird das eigene Angebot bei der Ausschreibung nicht berücksichtigt, weil der Preis zu hoch kalkuliert ist, oder kann ein Auftrag nicht angenommen werden, weil die notwendige personelle Kapazität nicht vorhanden ist, fehlt am Ende des Tages das Geld in der Kasse… Wie kann also der Bauunternehmer diesen Herausforderungen begegnen? 3. Stand der Technik: Technologien, die die Bauproduktion vereinfachen und Kosten senken Abb. 1: Beim Asphaltdeckeneinbau bieten sich zahlreiche Möglichkeiten, Arbeitsschritte zumindest teilweise zu automatisieren und so Kosten einzusparen. 3.1 Ebenheit Beginnen wir von oben, mit der Decke, dem Arbeitsschritt mit den höchsten Materialkosten. Die Automation der Nivellierung beim Asphalteinbau, insbesondere wenn ein Leitdraht verwendet wird, ist heute als Standard zu bezeichnen. Mittels Ultraschalls wird der Draht berührungslos abgetastet und die Bohle auf Basis dieses Höhensignals automatisch gesteuert. Die Vorteile liegen auf der Hand, und es erscheint nicht vorstellbar, hier ohne automatische Nivellierung einzubauen. Es bleibt das Risiko einer Beschädigung des Leitdrahtes, insbesondere wenn dann nochmals der Vermesser benötigt wird. Beim Einbau ohne Leitdraht ist die berührungslose Abtastung des Untergrunds oder einer Zwangsreferenz, wie z. B. ein Bord- oder Rinnstein, auch absolut Stand der Technik, erfreut sich jedoch weniger Anwendungsbeliebtheit. Bei einer Zwangsreferenz besteht immer das Risiko, dass Unebenheiten in der Referenz auf die Decke durchkopiert werden und es dann im Anschluss zu Ebenheitsabzügen kommt. Wird der Untergrund als Referenz verwendet, entfallen die Arbeitszeit und die Kosten für einen Leitdraht. Mit dem sogenannten Big Sonic-Ski kann dann der Unter- 464 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 Digitalisierung & Automation im Straßenbau - ein Blick von heute in die Zukunft: Forschung, Entwicklung, Systeme, Projekte grund auf einer Länge von 9 oder 13 Metern drei- oder vierfach abgetastet werden. Im Sinne eines virtuellen Lineals werden dann mögliche Unebenheiten ausgeglichen. Besonders bei einem mehrschichtigen Einbau werden auf diese Weise sehr gute Ebenheitsergebnisse erzielt, auch wenn direkt auf der gefrästen Oberfläche eingebaut wird. Ein Kritikpunkt an dem System ist der Zeitaufwand für die mitunter tägliche Montage und Demontage der bis zu 13 Meter langen Mechanik, nebst Kabeln, Sensoren und Transport. Dieses wurde mit der 2022 vorgestellten und neu gedachten Nivellierungsautomatik Super-Ski durch die Verschmelzung von Mechanik und Sensorik gelöst. Auf bau und Abbau beschränken sich auf das Einhängen bzw. Aushängen von nur drei 9,5 kg schweren (bzw. leichten) Mess-Elementen. Eine Verkabelung dieser Elemente ist nicht mehr erforderlich, und der Transport ist leicht mit 1 - 2 Personen möglich. Das neue Produktdesign der Sensorelemente macht jetzt Messungen möglich, die gleichmäßig über die gesamte Messlänge von rund 10 Metern (abhängig vom Fertiger) verteilt sind. Dadurch werden auch größere Hindernisse, Fräskanten oder Fahrbahnübergangskonstruktionen korrekt erkannt. Nur wenige Anwendereingriffe sind im laufenden Einbaubetrieb notwendig, es kann ohne großen Aufwand oder Umbauten automatisch weiter eingebaut werden, mit verbesserter Ebenheit im Ergebnis. Ein klarer Vorteil. Abb. 2: Die Nivellierungsautomatik Super-Ski tastet mittels Ultraschalls den Untergrund ab. Die Elemente lassen sich im Handumdrehen ein- und aushängen und verkürzen so die Rüstzeit enorm. Das Schichtdickenmesssystem PAVE-TM ist im hinteren Sensor integriert. 3.2 Einbaustärke Neben der Ebenheit ist die Schichtstärke wichtiges Merkmal eines erfolgreichen Einbaus. Zuviel oder zu wenig Stärke kosten jeden Straßenbauer wertvolles Geld. Bei einem „zu wenig“ drohen Abzüge, bei einem „zu viel“ bleibt der Unternehmer spätestens ab 105 % auf den Materialmehrkosten sitzen. Zur Vermeidung beider Risiken überprüft die Kolonne die tatsächliche Einbaustärke nach der Vorverdichtung durch die Bohle in der Regel mit einer Einstecklanze oder auch mit dem Zollstock. Bei beiden Vorgehensweisen handelt es sich um reine Routinetätigkeiten, die sich gut für eine Automatisierung eignen. Insbesondere deshalb, weil diese manuellen Überprüfungen gerne auch „übersehen“ werden. In Zeiten, in denen weiterhin Fachkräfte fehlen werden, wäre eine solche Automatisierung der Ermittlung der tatsächlichen Schichtdicke und ein Wegfall der manuellen Kontrolle von Vorteil für Straßenbauer. Denn qualifizierte Mitarbeiter stehen dann für anspruchsvollere Aufgaben, die gegebenenfalls auch nicht automatisiert werden können, zur Verfügung. Seit einigen Jahren bietet auch die MOBA bereits eine kontinuierliche Schichtdickenmessung während des Einbaus an. Der Preis für das System, der im Vergleich zum Nutzen beim Einbauer recht hoch lag, stand einer größeren Verbreitung im Wege. Daher wurde an einer kostengünstigeren Lösung geforscht und entwickelt. Mittlerweile wurde das Schichtdickenmesssystem der MOBA in die automatische Asphaltnivellierung Super-Ski integriert. So konnten die Kosten sprich der Verkaufspreis des Systems - gesenkt werden, die Lösung wurde für den Markt nun wirtschaftlich interessant. Nach der erfolgreichen Erprobung sind erste Schichtdickenmesssysteme im Markt im Einsatz. 3.3 Mischguttemperatur Temperaturabgesenkter Asphalt (Niedrigtemperaturasphalt) dürfte im Asphaltstraßenbau ab dem kommenden Jahr ein Thema werden. Dann wird der Einbauprozess noch zeitkritischer, eine Sicherheit für das richtige Verdichtungsfenster und der Nachweis der optimalen Einbautemperatur noch wichtiger. Eine Überwachung der Mischguttemperatur von der Anlieferung durch den LKW, über den Transport durch den Fertiger vom Kübel, über die Schnecke bis hinter die Bohle ist Grundvoraussetzung für ein optimales Einbauergebnis. Die gesamte Einbaumannschaft einschließlich dem Walzenfahrer sieht so rechtzeitig die Beschaffenheit des Mischguts. Der Einbau kann so optimal gesteuert werden: Thermische Entmischungen können direkt erkannt, die Maschineneinstellungen zum richtigen Zeitpunkt optimiert und Gegenmaßnahmen umgehend ergriffen werden. 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 465 Digitalisierung & Automation im Straßenbau - ein Blick von heute in die Zukunft: Forschung, Entwicklung, Systeme, Projekte Abb. 3: Dank einer Darstellung der Einbautemperaturen in Echtzeit kann das Fertigerteam bspw. thermische Entmischungen rechtzeitig erkennen und direkt zu reagieren. Ein Schritt weiter ist die Einbindung der Transportlogistik. Damit kann die Beschaffenheit des angelieferten Mischguts noch eher erkannt und gleichzeitig eine lückenlose Nachvollziehbarkeit geschaffen werden. Wenn dann bei der Endprüfung Bohrkerne Schwachstellen aufzeigen, kann anhand der aufgezeichneten Daten genau nachvollzogen werden, wo die Mängel entstanden sind. Auch weitere Einflussfaktoren wie das Wetter, Außentemperatur, Windverhältnisse oder Temperatur des Untergrunds haben einen Einfluss auf das Einbauergebnis. MOBA bietet hier mit dem System PAVE-IR eine passende, herstellerunabhängige Lösung. Die neue Generation des Sensors ist noch robuster und schmutzresistenter geworden als sein Vorgänger. Der MTPA-Sensor kann mehr Messungen in kürzerer Zeit vornehmen und basiert nach wie vor auf Infrarotmessungen. Diese Aufzeichnung der Asphalttemperatur hat in der Praxis bereits sehr zufriedenstellende Rückmeldungen gebracht. Der Sensor kann neben der Temperaturmessung der Asphaltdecke auch wertvolle Dienste im Arbeitsschutz leisten. Sich im Gefahrenbereich der Maschine auf haltende Personen werden erkannt. Abb. 4: Der neue MTPA-Sensor des Temperaturmesssystems arbeitet mit Infrarotmessungen. 3.4 Verdichtung Ein letzter Faktor für den erfolgreichen Einbau einer Asphaltdecke ist die Endverdichtung durch Walzen. Auch hier finden sich Optimierungspotentiale und Ansatzmöglichkeiten, die die Arbeit vereinfachen. Alle Vorarbeit kann durch eine Überverdichtung in der Mitte oder Unterverdichtung in den Randbereichen zunichte gemacht werden oder wenn die Walze zu früh auf noch zu heißes oder zu spät auf bereits zu kaltes Material fährt. Eine Anzeige der Materialtemperatur in der Walze, wenn diese bereits auf dem Material steht, ist zu spät. Der richtige Verdichtungszeitpunkt kann nur dann durch den Fahrer abgeschätzt werden, wenn er die Temperatur schon vor der Überfahrt angezeigt bekommt. Dann kann die Walze im richtigen Temperaturfenster mit der Endverdichtung beginnen. Eine flächendeckende Verdichtungskontrolle (FDVK) wie das MCA-3000-System von MOBA bieten hier wertvolle Informationen. Es zeigt dem Fahrer die Temperatur, die Anzahl der Überfahrten und die Steifigkeit des Materials an. Dafür wird der Verdichtungsfortschritt gemessen, angezeigt und festgehalten, anhand dessen der Fahrer in Echtzeit sieht, ob bei der aktuellen Überfahrt noch eine Verdichtung erzielt wird. Auch das von MOBA PAVE- IR erfasste Temperaturprofil kann eingebunden werden. Entscheidender Vorteil ist dabei die Vernetzung der Walzenkolonne. Denn mit der zusätzlichen Information über die Verdichtungsleistung der gesamten Flotte ergibt sich ein Gesamtbild, auf dessen Basis das Straßenbauprojekt optimal abgeschlossen werden kann. 4. Ausblick: Was ist technologisch noch möglich Beim Asphalteinbau sind die Ebenheit und die Schichtstärke entscheidende Faktoren für den Erfolg. Dabei stehen sie in einer Wechselwirkung. Die zu jeder Zeit optimale Stärke führt, je nach Untergrund, zu einer suboptimalen Ebenheit - und vice versa. Dieses Problem wurde erkannt die Spezialisten suchen nach praxistauglichen Methodiken und Ansätzen für eine Regelung. Die Entwickler der MOBA arbeiten an einem Ansatz, der sowohl perfekte Ebenheit als auch optimale Schichtdicke automatisch aufeinander abstimmt. Dabei werden auch Kooperationen mit Forschungsgruppen genutzt. Im Projekt QUAST wurde nachgewiesen, dass in der Walzenüberfahrt die tatsächliche Verdichtung gemessen werden kann. Die Walze fungiert dann nicht mehr rein als abschließendes Verdichtungswerkzeug, sondern vermisst als Messinstrument das Einbauergebnis und gleicht die Messwerte mit den vorgegebenen Referenzwerten ab. Dabei werden alle Stationen des Einbauprozesses (Mischanlage, Transport-LKW, Beschicker und Fertiger bis hin zu Splittstreuer und Walze) in einen Regelkreis integriert und bei notwendigen Korrekturen direkt in Echtzeit angesprochen. Bisher hat der Ansatz noch keine finale Marktreife, aber für die Zukunft des 466 4. Kolloquium Straßenbau in der Praxis - Februar 2025 Digitalisierung & Automation im Straßenbau - ein Blick von heute in die Zukunft: Forschung, Entwicklung, Systeme, Projekte Asphalteinbaus ergeben sich hieraus perspektivisch interessante Möglichkeiten. Neueste Forschungsprojekte befassen sich gar mit dem autonomen Asphalteinbau. Im Rahmen des Forschungsprojektes InfraROB, an dem auch die MOBA beteiligt ist, werden zukunftweisende Technologien für die Automatisierung des Asphaltfertigers entwickelt. Ein Testeinbau unter realen Baustellenbedingungen hat gezeigt, dass der autonome Straßenbau nicht nur unter Idealbedingungen, sondern auch in der Praxis funktioniert. Damit ist der erste Schritt getan, um autonome Technologien in Bauprojekte zu integrieren. Ein Fertiger ohne Asphaltkolonne - was wie Sciencefiction klingt, hat seine Wurzeln im harten Baualltag. Gerade auf Asphaltbaustellen im fließenden Verkehr bietet beispielsweise der Platz neben der Bohle aus Sicht der Arbeitssicherheit großes Potential: Nicht wenige Arbeitsunfälle passieren, weil Einbaupersonal mit dem Verkehr kollidiert. Möglich wird der autonome Asphalteinbau durch die Automatisierung verschiedener Bereiche: Der Nivellierungs-Sensor Super-SKI sowie das Advanced Levelling sorgen mithilfe des Schichtdickensensors für eine konstante Schichtstärke ohne manuellen Eingriff. Der Line- Reader, der eine aufgesprühte Linie auf dem Untergrund detektiert, und der Edge-Tracker, der eine Asphaltkante erkennt, werden vom MOBA-Controller zur autonomen Steuerung der Einbaubreite und der Lenkung des Fertigers verwendet. Die Steuerung der Lenkung wird zusätzlich redundant über die GNSS-Lenkung überwacht. Außerdem werden Lidar-Scanner und Kameras mit Objekterkennung zur Umfeldüberwachung eingesetzt, um Personen im Gefahrenbereich zu erkennen und über das Moba CAN-Light visuell und akustisch zu warnen. Diese neuesten Entwicklungsbemühungen geben einen Vorgeschmack und Ausblick auf das, was uns die Zukunft im Asphalteinbau noch bringen wird. Der Vortrag ist somit ein Blick auf die aktuellen Herausforderungen, denen sich Straßenbauunternehmen stellen müssen, ein Blick auf bereits bekannte und neue Technologien, die im Baustellenalltag bereits zum Einsatz kommen und eine Vorausschau auf das, was in Zukunft auf Straßenbaustellen möglich ist, um „weiter mit vorne dabei zu sein“. Literatur [1] Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V.: Trotz leichter Preisberuhigung bei einzelnen Produkten seit---Die Deutsche Bauindustrie [2] Allgmeine Bauzeitung, 08.11.2024: Bautätigkeitsbarrieren 2024: Auftrags- und Fachkräftemangel bremsen am meisten
