Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis
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Einfluss kalklösender Kohlensäure auf das Langzeitverhalten von zementgebundenen Beschichtungen in trinkwassertechnischen Anlagen
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Wolfram Kämpfer
Michael Berndt
Hilaria Schuler
Im Allgemeinen kann davon ausgegangen werden, dass Wässer in trinkwassertechnischen Anlagen nach DIN 4030-1 als nicht betonangreifend gelten. Bei kalkarmen, calcitlösenden oder weichen Rohwässern, bei Änderungen im Kalk-Kohlensäue-Gleichgewicht (KKG) in speziellen Behandlungsstufen der Trinkwasseraufbereitung aber auch bei „kritischen“ Mischwässern in der Trinkwasserspeicherung kann es zu einer hydrolytischen Auslaugung und Entfestigung von
mineralische Beschichtungen kommen. Unter fortschreitender Auslaugung/ hydrolytischer Korrosion wird hierbei verstanden, dass Portlandit kontinuierlich aus dem Zementstein gelöst wird und es im weiteren Verlauf zu einer Decalcinierung der festigkeitsbildenden CSH-Phasen kommt. Parallel dazu laufen verschiedene Austauschreaktionen zwischen Wasserinhaltsstoffen und Zementsteinphasen ab, in deren Folge leicht lösliche Reaktionsprodukte herausgelöst werden.
Typische Schadensbilder hierfür sind fortschreitende Erweichungen, eine erhöhte offene Porosität, Materialabtrag in Form von Absandungen und eine deutliche Zunahme der Oberflächenrauigkeit.
Die Anforderungen an mineralische Beschichtungen nach DVGW W 300-4:2014 bezüglich der Hydrolysebeständigkeit wurden für den Anwendungsbereich der Trinkwasserbehälter mit einer neuen Expositionsklasse XTWB deskriptiv geregelt. Dem Konzept der Betonnormen DIN 1045-2 und DIN EN 206-1 folgend, sind im DVGW W 300-4 für die Expositionsklasse XTWB entsprechende Grenzwerte für die Zusammensetzung und die Festmörtelkennwerte festgelegt, die im Regelfall eine ausreichende Gebrauchstauglichkeit entsprechend der zu erwartenden chemisch-korrosiven Beanspruchungen
über den geplanten Nutzungszeitraum sichern. Für die Materialkennwerte sind Prüfverfahren festgelegt, mit denen die Leistungsmerkmale nachzuweisen sind. Der relevante Materialkennwert zur Charakterisierung des Auslaugwiderstandes wird in der Gesamt- und Kapillarporosität gesehen. Mineralische Beschichtungen mit einer Gesamtporosität von kleiner als 10 Vol.-% gelten als ausreichend dicht und langfristig widerstandsfähig gegenüber Auslaugprozessen.
Die Einteilung des chemischen Angriffsgrades entsprechend DIN 4030 ist in Trinkwassertechnischen Anlagen nur bedingt möglich, da die in dieser Norm aufgeführten Grenzwerte für die Expositionsklasse XA streng genommen nur für stagnierende/ stehende Wässer gelten. In trinkwassertechnischen Anlagen sind jedoch in der Regel große Durchsatzmengen mit
erhöhten Strömungsgeschwindigkeiten vorhanden. Daher reichen die zur Beschreibung von Schädigungsprozessen, von Transport- und Diffusions-/Abtrags-Prozessen vorliegenden Prüf- und Nachweiskonzepte insbesondere bei „kritischen Wässern“ nicht aus. Die Auslaugung durch weiche Wässer, der Angriff durch kalklösende Kohlensäure und die hydrolytische Korrosion stellen die drei wesentlichen Formen des chemischen Angriffs in trinkwassertechnischen Anlagen dar. Ein einheitliches Prüf- und Nachweisverfahren der Hydrolysebeständigkeit von mineralischen Beschichtungen existiert derzeit nicht. Im Rahmen eines Industrieprojektes wurde eine Versuchsanlage zur Bestimmung des Widerstandes von mineralischen Beschichtungen gegenüber kalklösender Kohlensäure entwickelt. Zielstellung war der Ermittlung von Schädigungsverläufen bei unterschiedlichen Materialparametern und Angriffsszenarien in Zeitraffer-Untersuchungen sowie die Approximation der Ergebnisse auf lange Beanspruchungszeiträume.
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6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 45 Einfluss kalklösender Kohlensäure auf das Langzeitverhalten von zementgebundenen Beschichtungen in trinkwassertechnischen Anlagen Wolfram Kämpfer Materialforschungs- und -prüfantalt an der Bauhaus-Universität Weimar (MFPA) Coudraystraße 9 D-99423 Weimar Michael Berndt Materialforschungs- und -prüfantalt an der Bauhaus-Universität Weimar (MFPA) Coudraystraße 9 D-99423 Weimar Hilaria Schuler Bauhaus-Universität Weimar Coudraystraße 11 D-99423 Weimar Zusammenfassung Im Allgemeinen kann davon ausgegangen werden, dass Wässer in trinkwassertechnischen Anlagen nach DIN 4030-1 als nicht betonangreifend gelten. Bei kalkarmen, calcitlösenden oder weichen Rohwässern, bei Änderungen im Kalk- Kohlensäue-Gleichgewicht (KKG) in speziellen Behandlungsstufen der Trinkwasseraufbereitung aber auch bei „kritischen“ Mischwässern in der Trinkwasserspeicherung kann es zu einer hydrolytischen Auslaugung und Entfestigung von mineralische Beschichtungen kommen. Unter fortschreitender Auslaugung/ hydrolytischer Korrosion wird hierbei verstanden, dass Portlandit kontinuierlich aus dem Zementstein gelöst wird und es im weiteren Verlauf zu einer Decalcinierung der festigkeitsbildenden CSH-Phasen kommt. Parallel dazu laufen verschiedene Austauschreaktionen zwischen Wasserinhaltsstoffen und Zementsteinphasen ab, in deren Folge leicht lösliche Reaktionsprodukte herausgelöst werden. Typische Schadensbilder hierfür sind fortschreitende Erweichungen, eine erhöhte offene Porosität, Materialabtrag in Form von Absandungen und eine deutliche Zunahme der Oberflächenrauigkeit. Die Anforderungen an mineralische Beschichtungen nach DVGW W 300-4: 2014 bezüglich der Hydrolysebeständigkeit wurden für den Anwendungsbereich der Trinkwasserbehälter mit einer neuen Expositionsklasse X TWB deskriptiv geregelt. Dem Konzept der Betonnormen DIN 1045-2 und DIN EN 206-1 folgend, sind im DVGW W 300-4 für die Expositionsklasse X TWB entsprechende Grenzwerte für die Zusammensetzung und die Festmörtelkennwerte festgelegt, die im Regelfall eine ausreichende Gebrauchstauglichkeit entsprechend der zu erwartenden chemisch-korrosiven Beanspruchungen über den geplanten Nutzungszeitraum sichern. Für die Materialkennwerte sind Prüfverfahren festgelegt, mit denen die Leistungsmerkmale nachzuweisen sind. Der relevante Materialkennwert zur Charakterisierung des Auslaugwiderstandes wird in der Gesamt- und Kapillarporosität gesehen. Mineralische Beschichtungen mit einer Gesamtporosität von kleiner als 10 Vol.-% gelten als ausreichend dicht und langfristig widerstandsfähig gegenüber Auslaugprozessen. Die Einteilung des chemischen Angriffsgrades entsprechend DIN 4030 ist in trinkwassertechnischen Anlagen nur bedingt möglich, da die in dieser Norm aufgeführten Grenzwerte für die Expositionsklasse XA streng genommen nur für stagnierende/ stehende Wässer gelten. In trinkwassertechnischen Anlagen sind jedoch in der Regel große Durchsatzmengen mit erhöhten Strömungsgeschwindigkeiten vorhanden. Daher reichen die zur Beschreibung von Schädigungsprozessen, von Transport- und Diffusions-/ Abtrags-Prozessen vorliegenden Prüf- und Nachweiskonzepte insbesondere bei „kritischen Wässern“ nicht aus. Die Auslaugung durch weiche Wässer, der Angriff durch kalklösende Kohlensäure und die hydrolytische Korrosion stellen die drei wesentlichen Formen des chemischen Angriffs in trinkwassertechnischen Anlagen dar. Ein einheitliches Prüf- und Nachweisverfahren der Hydrolysebeständigkeit von mineralischen Beschichtungen existiert derzeit nicht. Im Rahmen eines Industrieprojektes wurde eine Versuchsanlage zur Bestimmung des Widerstandes von mineralischen Beschichtungen gegenüber kalklösender Kohlensäure entwickelt. Zielstellung war der Ermittlung von Schä- Einfluss kalklösender Kohlensäure auf das Langzeitverhalten von zementgebundenen Beschichtungen in trinkwassertechnischen Anlagen 46 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 digungsverläufen bei unterschiedlichen Materialparametern und Angriffsszenarien in Zeitraffer-Untersuchungen sowie die Approximation der Ergebnisse auf lange Beanspruchungszeiträume. 1. Angriff durch kalklösende Kohlensäure und Auslaugung durch weiche Wässer Grundsätzliche Angriffsszenarien in wassertechnischen Anlagen stellen nachfolgende Beanspruchungen dar: • Kohlendioxidhaltige Wässer (i.d.R. Grundwässer) • Mineralstoffarme Wässer (i.d.R. Oberflächenwässer) • Weiche Wässer ≤ 5 °dH • Chlorid- und sulfathaltige Wässer (TWA) • Kritische Mischwässer mit SI <-1,5 • Mineralsaure Wässer bei pH ≤ 6,5 (TWA) • Wässer außerhalb des KKG. Der Angriff durch kalklösender Kohlensäure ist damit nur eine Form der Angriffsszenarien in wassertechnischen Anlagen. Löst sich CO 2 in Wasser, reagieren ca. 0,7 % mit den Wassermolekülen zu Kohlensäure H 2 CO 3 . Diese Kohlensäure dissoziiert in zwei Stufen unter Bildung sowohl von Hydrogencarbonat (HCO 3 - ) als auch von Carbonat (CO 3 2- ). Die Kohlensäure kann in verschiedenen Formen auftreten. Bild 1: Erscheinungsformen der Kohlensäure in wässrigen Lösungen [Schuler; 2019] Durch kalklösende Kohlensäure werden aus dem Zementstein karbonatische Bestandteile gelöst. Hierbei spielt der Angriffsgrad, bestimmt durch das Verhältnis der Kohlensäurespezies CO 2(aq) , HCO 3 - und CO 3 2eine entscheidende Rolle. Ist keine freie, überschüssige Kohlensäure vorhanden, befindet sich das Wasser im Kalk- Kohlesäure-Gleichgewicht (KKG). Bei Änderungen der Temperatur, des Drucks und/ oder des pH-Wertes verschiebt sich dieses Gleichgewicht. Bei pH-Werten > 10 liegt überwiegend CO 3 2vor, bei pH-Werten < 6 überwiegt in Wasser gelöstes CO 2 . Bei pH-Werten um 8,2 liegt die Kohlensäure ausschließlich als HCO 3 vor. Im Bild 2 ist die Verteilung der Kohlensäurespezies in Abhängigkeit vom pH-Wert dargestellt. Darüber hinaus zeigt die Grafik die pH-Wert-abhängige Entwicklung des Sättigungsindex bezüglich Calcit, modelliert am Beispiel eines harten Wassers. Ausschlaggebend für das Reaktionsverhalten bezüglich kalklösender Kohlensäure ist der Sättigungindex (SI) des Wassers bezüglich Calcit. Der Mechanismus des Angriffs kalklösender Kohlensäure kann am Beispiel eines kalklösenden Wassers (SI<0) veranschaulicht werden. Bild 2: Wassereigenschaften in Bezug auf des Kalk- Kohlensäure-Gleichgewicht (KKG) [Schuler; 2019] Auf der wasserberührten Bauteiloberfläche mischt sich dieses Wasser mit der hoch alkalischen Porenlösung des Zementsteins. Durch die pH-Wert-Erhöhung verschiebt sich das Gleichgewicht in Richtung des CO 3 2- . Die Folge ist eine Abnahme des pH-Werts der Porenlösung unter fortschreitender Aufzehrung von Portlandit. Bild 3: Anteile der Kohlensäurespezies an der Gesamtkohlensäure in Abhängigkeit vom pH-Wert sowie der Sättigungsindex für Calcit, berechnet für ein hartes Wasser [Schwotzer; 2008] Bei weiterer Einwirkung (SI<0) auf die neutralisierte Randzone der mineralischen Beschichtung erfolgt ein Angriff auf alle Zementsteinphasen. Die Zersetzung des Zementsteins, die in der Randzone begonnen hat, kann in größere Tiefe voranschreiten. Als Reaktionsprodukt bleibt ein amorphes Silikat-Gel auf der Oberfläche zurück, welches die Korrosionsgeschwindigkeit im weiteren Verlauf reduziert. [Schwotzer; 2008] Einfluss kalklösender Kohlensäure auf das Langzeitverhalten von zementgebundenen Beschichtungen in trinkwassertechnischen Anlagen 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 47 Eine vereinfachte Bewertung der Betonaggressivität eines Wassers kann aus den beiden in der Trinkwasseranalyse ermittelten Kennwerten pH-Wert und Carbonathärte erfolgen. Da die hydrolytische Auslaugung noch von weiteren Faktoren bestimmt wird, ist hierbei ein Übergangsbereich zwischen aggressiven/ nichtaggressiven Wässern zu berücksichtigen. Bild 4: Bewertung der Betonaggressivität eines Wassers aus dem pH-Wert und der Carbonathärte [Peters; 2008] Eine weitere Form der hydrolytischen Auslaugung stellt der Austrag von Bestandteilen der Porenlösung des Zementsteins durch weiche Wässer (≤ 5 °dH) dar. Infolge der geringen Ionenstärke stellt sich hierbei ein Konzentrationsgefälle zwischen Wasser und Feststoff ein. Die Diffusion der gelösten Ionen führt zu einer Lösung von Ionen aus den Festphasen des Zementsteins. Durch die Ca-Auslaugung kommt es zu einer kontinuierlichen Verringerung des Ca/ Si-Verhältnis, einer Veränderung der chemischen Zusammensetzung der Festphasen und zu einer deutlichen Vergrößerung des Porenraumes. [Schwotzer; 2008] 2. Grenzwerte für kalklösende Kohlensäure In den Betonnormen DIN 1045-2 und DIN EN 206-1 wird der Angriffsgrad kalklösender Grundwässer entsprechend DIN 4030 in Abhängigkeit von der Konzentration in die Expositionsklassen XA1 bis XA3 eingeteilt (schwacher bis starker chemischer Angriff). So erfordert beispielsweise ein Wasser mit einem Gehalt kalklösender Kohlensäure von 25 mg/ l ein Beton der Zusammensetzung entsprechend Expositionsklasse XA1. Dieser Beton würde dementsprechend eine Festigkeitsklasse ≥ C30/ 37 und einen w/ z-Wert ≤ 0,6 erfordern. Bild 5: Angriffsgrade und Grenzwerte für betonangreifende Stoffe nach DIN 1045-2/ DIN EN 206-1 in Verbindung mit DIN 4030 In der Praxis hat sich jedoch gezeigt, dass diese für Betone geltenden Angriffsgrade und Grenzwerte nicht unmittelbar auf mineralische Beschichtungen und den Anwendungsfall trinkwassertechnischer Anlagen angewandt werden können. So sind Schadensfälle bekannt, bei denen mineralische Beschichtungen gemäß DVGW W 300-4 bzw. DVGW W 300- 5 nach relativ kurzer Betriebsdauer markante Schadensbilder auf den wasserberührten Bauteiloberflächen aufwiesen. Bild 6: Beispiel für die hydrolytische Auslaugung einer mineralischen Beschichtung im Wandbereich eines Hochbehälters nach 12jähriger Betriebsdauer Bild 7: Beispiel für die hydrolytische Auslaugung einer mineralischen Beschichtung im Wandbereich eines Filterbeckens einer TWA nach 38jähriger Betriebsdauer Einfluss kalklösender Kohlensäure auf das Langzeitverhalten von zementgebundenen Beschichtungen in trinkwassertechnischen Anlagen 48 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Bild 8: Beispiel für die hydrolytische Auslaugung einer mineralischen Beschichtung im Wandbereich einer Ozonreaktionskammer einer TWA nach 3jähriger Betriebsdauer Bild 9: Beispiel für die hydrolytische Auslaugung in Verbindung mit einem mikrobiellen Befall einer mineralischen Beschichtung im Wandbereich eines Hochbehälters nach 8jähriger Betriebsdauer 3. Performance-orientierte Simulation der hydrolytischen Auslaugung durch kalklösende Kohlensäure Bei den Prüf- und Bewertungsgrundsätzen für mineralische Beschichtungen unter chemischem Angriff ist grundsätzlich zwischen einer deskriptiven Herangehensweise unter Zugrundelegung von normativen Anforderungen für die Expositionsklasse X TWB nach DVGW W 300-4 und einer performance-orientierten Herangehensweise zu unterscheiden. Die performance-orientierte Simulation wird immer dann erforderlich sein, wenn die Beanspruchungen außerhalb des DVGW-Regelwerkes liegen. Zielstellung von performance-orientierten Simulationen ist die Nachstellung von Echtzeitabläufen unter Zeitrafferbedingungen bei Beachtung von realen Schädigungsmechanismen. Eine Verschärfung der Einwirkungsseite darf hierbei keinesfalls zu einem grundsätzlich anderen Schadensmechanismus führen. Im Rahmen von Industrieaufträgen wurde hierzu eine Versuchseinrichtung entwickelt, mit der die Wechselwirkungen zwischen mineralischen Beschichtungen und kalklösenden Wässern bei unterschiedlichen Expositionen untersucht werden können. Zielstellung hierbei ist es, Abschätzungen hinsichtlich der Langzeitbeständigkeit von mineralischen Beschichtungen zu treffen. Ausgangspunkt für das Prüfkonzept waren die Untersuchungen von Grube, Locher und Sprung aus den 1970er und 1980er Jahren, mit denen die Betonkorrosion von Bohrpfählen in stark CO 2 -haltigen Böden simuliert wurden. Die Versuchseinrichtung wird hierbei mit einem geschlossenen Wasserkreislauf betrieben, wobei die Einstellung der Prüflösung im Bereich der Vorkonditionierung und die Einlagerung der Prüfprismen in einem separaten Prüfraum erfolgt. Die beiden Bereiche sind durch einen kontinuierlichen Wasseraustausch miteinander verbunden. Die Versuchseinrichtung ist nach außen thermisch isoliert. Bild 10: Prüfeinrichtung für die Bestimmung der Schädigungstiefe bei Angriff aus kalklösender Kohlensäure [Locher; 1975] Im Bereich der Vorkonditionierung ist eine in sich geschlossene Referenzlagerung von Prismen integriert. Das erforderliche Volumen an Prüflösung ergibt sich aus dem jeweiligen Prüfkörpervolumen. Die Einlagerungstemperatur als die relevante Einstellgröße der Löslichkeit von CO 2 ist entsprechend der geforderten Exposition festzulegen. Für die Temperierung werden ein Durchlaufkühler und eine Kühlspirale eingesetzt. Bild 11: Vergleich von Grenzwerten für die Expositionsklassen bei Grund- und Trinkwasser mit den Prüfbedingungen der Einlagerung in der Versuchseinrichtung Die Einstellung der CO 2 -Konzentration und der Kalklösekapazität erfolgt über den pH-Wert und die Tempe- Einfluss kalklösender Kohlensäure auf das Langzeitverhalten von zementgebundenen Beschichtungen in trinkwassertechnischen Anlagen 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 49 ratur. Der erforderliche pH-Wert wird in Abhängigkeit von der einzustellenden CO 2 -Konzentration berechnet und muss bei in Abhängigkeit von der Temperatur festgelegt werden. Die pH-Werterfassung erfolgt mittels pH-Elektrode im Bereich der Einlagerung, sowie in einer pH-Wertkontrolleinheit mit integrierter Ansteuerung für die CO 2 - Dosierung, die wiederum eine konstante CO 2 -Konzentration und Kalklösekapazität über den gesamten Prüfzeitraum sichert. Die CO 2 -Zufuhr erfolgt über eine Gasleitung, die in einen CO 2 -Diffusionsreaktor/ Flipper mündet, so das CO 2 -Blasen im Bereich der Vorkonditionierung sichtbar nach oben aufsteigen. Ein Wasserwechsel erfolgt mindestens wöchentlich. In Abhängigkeit vom Ergebnis der Bestimmung der Calcitlösekapazität ist ein ggf. kürzerer Wasserwechsel vorzusehen. Ein kontinuierlicher Wasseraustausch wird dadurch gewährleistet, dass Wasser aus der Vorkonditionierung kontinuierlich in den Prüfbereich gepumpt wird. Ein Schlauch zwischen den beiden Kammern (kommunizierende Gefäße) nivelliert den Wasserstand beider Gefäße aus. Eine schematische Darstellung der eingesetzten Prüfeinrichtung zeigt das nachfolgende Bild. Bild 12: Versuchsaufbau für die Simulation der hydrolytischen Auslaugung von mineralischen Beschichtungen bei Angriff kalklösender Kohlensäure Die Mörtelprismen lagern über 6 Monate in den Becken (offenes System/ Durchlaufverfahren), in welche temperiertes Wasser mit einem kalklösenden Kohlensäuregehalt von 50 mg/ l bis maximal 110 mg/ l Wasser eingeleitet wird. Der Anteil an gelösten CO 2 von 110 mg/ l Wasser entspricht bei einem pH-Wert von 6,6 einer Kalklösekapazität von 250 mg/ l CaCO 3 . Als Wasserumlauf wird 5,0 l/ h je Lagerbecken angesetzt, was einem Durchsatz von täglich vier Wasserwechseln entspricht. An den Prüfkörpern werden nachfolgende Kennwertebestimmung/ Parameter ermittelt. Bild 13: Prüfablauf und relevante Kennwerte für den Nachweis der Beständigkeit von zementgebundenen Beschichtungen gegenüber kalklösender Kohlensäure Um zu gewährleisten, dass die zugeführte Menge an CO 2 dem Soll-Wert abhängig von pH-Wert und Temperatur entspricht, ist es erforderlich, die pH-Sonde regelmäßig zu kalibrieren. Die Kalibrierung erfolgt wöchentlich mit Hilfe einer auf die Einlagerungstemperatur temperierten Kalibrierlösung. Die Calcitlösekapazität wird mit Hilfe eines Schnelltests unter Verwendung von Calciumcarbonat-Pulver und Salzsäure überprüft, um abzuschätzen, wann das Wasser im Behälter gesättigt ist und ein Wasserwechsel erforderlich wird. Zur Abschätzung der Langzeitbeständigkeit von mineralischen Instandsetzungsmörteln werden nachfolgende relevante Parameter und Kennwerte • Masseänderung • Volumenänderung (3D-Digitalisierung/ Geometrievermessung)) • Augenscheinliche Veränderungen (Absanden, Verfärbung, Kantenabstumpfung, Erweichungen) • Biegezug-/ Druckfestigkeit • Dynamischer E-Modul • Schädigungstiefe (Indikatortest an Bruchflächen/ Stereo-Auflichtmikroskopie an Anschliffen) nach dem im Bild 13 dargestellten Ablauf erfasst und ausgewertet. Visuell sichtbare Veränderungen bei den Zeitrafferuntersuchungen beginnen in der Regel durch das Lösen der Zementschlämme in der äußeren Randzone, danach beginnen örtlich begrenzte Absandungen, die im weiteren Verlauf abschnittsweise und dann großflächig erfolgen sowie parallel dazu der Materialabtrag in den Kantenbereichen mit sich deutlich ausbildenden Kantenabrundungen. Je nach Materialzusammensetzung ist der Schädigungsverlauf an markanten Verfärbungen an der Oberfläche der Prüfkörper sichtbar. Mit der 3D-Digitalisierung (3D-Scan) der Prüfkörper ist es möglich, kleinste Abtragungen an den Oberflächen hochortsauflösend zu quantifizieren. Zum Einsatz kommt hierbei ein 3D-Scanner ATOS Core 200, der mit einer Stereokamera ausgestattet ist und in Kombination mit einem Weißlicht-LED-Projektor die Objektgeometrien in allen drei Dimensionen erfassen. Durch fest fixierte Messpunkte auf der Prüfkörperoberfläche kann das Einfluss kalklösender Kohlensäure auf das Langzeitverhalten von zementgebundenen Beschichtungen in trinkwassertechnischen Anlagen 50 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Messsystem eine Wiedererkennung der Positionierung vornehmen und so die 3D-Messungen nach unterschiedlichen Einlagerungszeiten wiederholen. Das Messsystem arbeitet mit einer Auflösegenauigkeit von ± 0,05 mm. Bild 14: Vergleich der Volumina eines Prüfkörpers (Instandsetzungsmörtel) nach 0 Tagen Einlagerung und nach 178 Tagen Einlagerung in kalklösender Kohlensäure bei 250 mg CO 2 / l Bild 15: Vergleich der Volumina eines Referenzprüfkörpers (Mörtelprisma nach DIN EN 196-1) nach 0 Tagen Einlagerung und nach 178 Tagen Einlagerung in kalklösender Kohlensäure bei 250 mg CO 2 / l Der Nachweis der Schädigungstiefe erfolgt an den Bruchflächen im Prismenquerschnitt der Stirnflächen mittels Stereo-Auflichtmikroskop STEMI 2000. Die Bruchflächen werden vor den Untersuchungen mittels Triphenylmethan-Farbstoff besprüht. Es bilden sich scharfe Kanten zwischen ungeschädigtem/ geschädigtem Mörtelgefüge aus. Die Nachweise zu den 3D-Volumenänderungen mittels Weißlicht-Scanner sowie zur Schädigungstiefe mittels Stereo-Auflichtmikroskopie erfolgen jeweils am Prüfmörtel und zur Validierung/ Vergleichmessung an einem Referenzmörtel nach DIN EN 196-1. Bild 16: Bestimmung der Schädigungstiefe an einer Bruchfläche eines Instandsetzungsmörtels nach 178 Tagen Einlagerung in kalklösender Kohlensäure bei 250 mg CO 2 / l Bild 17: Bestimmung der Schädigungstiefe an einer Bruchfläche des Referenzmörtels nach DIN EN 196-1 nach 178 Tagen Einlagerung in kalklösender Kohlensäure bei 250 mg CO 2 / l 4. Bewertung der Beständigkeit von Instandsetzungsmörteln gegenüber kalklösender Kohlensäure Wasserberührte Bauteiloberflächen in trinkwassertechnischen Anlagen unterliegen in den Roh- und Reinwasserbereichen sowie in den einzelnen Verfahrensstufen der Trinkwasseraufbereitung unterschiedlichen chemisch-abrasiven Beanspruchungen. In allen Bereichen kommt es zu unterschiedlich schnell ablaufenden hydrolytischen Auslaugungen. Die Geschwindigkeit der Schädigung der Bauteiloberflächen hängt stark von der Zusammensetzung des Wassers (Gehalt an Erdalkalien/ Mineralstoffgehalt und dem Anteil an freier überschüssiger Kohlensäure), den Strömungsverhältnissen und dem Feststoffanteil ab. Relevante Bereiche, in denen es zu einer erhöhten Beanspruchung durch kalklösende Kohlesäure kommen kann, sind die Gewinnung/ Verteilung von Rohwasser, verschiedene Verfahrensstufen in der Trinkwasseraufbereitung sowie die Speicherung/ Verteilung von „kritischen“ Mischwässern im Reinwasserbereich. Zusätzliche chemische Beanspruchungen auf mineralische Beschichtungen gehen von Kondensaten (demineralisierte Wässer) in der Trinkwasserspeicherung aus. Einfluss kalklösender Kohlensäure auf das Langzeitverhalten von zementgebundenen Beschichtungen in trinkwassertechnischen Anlagen 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 51 Kohlensäure kann chemisch im Wasser in unterschiedlichen Formen vorliegen. Für den chemischen Angriff auf wasserberührte Bauteiloberflächen ist der Gehalt an freier, überschüssiger Kohlensäure entscheidend. Dieser Anteil unterliegt entsprechend der regionalen und geologischen Herkunft sowie den jeweiligen Betriebsbedingungen (Temperatur- und Druckverhältnisse) entsprechenden Schwankungen. Ist das Wasser nicht im Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht (KKG) und ist der pH- Wert kleiner als der Gleichgewichts-pH-Wert liegt mehr freie Kohlensäure vor als zugehörige Kohlensäure. Diese freie, überschüssige Kohlensäure führt zu einer beschleunigten hydrolytischen Auslaugung der wasserberührten Bauteiloberflächen. Die technologischen Maßnahmen für die Expositionsklasse X TWB und die deskriptiven Vorgaben nach DVGW W 300-4 und DVGW W 300-5 haben dazu geführt, dass mineralische Beschichtungen bei den in der Trinkwasserspeicherung auftretenden Bedingungen im Allgemeinen eine ausreichende Gebrauchstauglichkeit über den geplanten Nutzungszeitraum aufweisen. Die hydrolytische Auslaugung durch mineralstoffarme oder kohlendioxidhaltige Wässer stellt verglichen mit einem Säureangriff in abwassertechnischen Anlagen einen vergleichsweise schwachen chemischen Angriff dar. Die hydrolytische Auslaugung auf wasserberührten Bauteiloberflächen verläuft analog zum chemischen Angriff in drei Reaktionsphasen ab, einem zunächst linearen, reaktionskontrollierten Prozess, danach einem weitgehend diffusionskontrollierten, nichtlinearen Prozess mit Ausbildung einer Diffusionsbarriere und schließlich einem linearen, diffusionskontrollierten Prozess. Die Geschwindigkeit der Auslaugung wird insbesondere durch die Strömungsgeschwindigkeit und die abrasive Beanspruchung auf der Bauteiloberfläche bestimmt. Bei „kritischen“ Wässern kann dieser Auslaug- und Abtragprozess über lange Zeiträume jedoch zu tiefergehenden Schädigungen der mineralischen Beschichtungen führen. Bei Vorliegen entsprechender Expositionen sollte daher die Gebrauchstauglichkeit eines Instandsetzungsmörtels mittels performance-orientierter Prüf- und Bewertungsverfahren nachgewiesen werden. Die beschriebene Versuchsanlage zum Nachweis der Langzeitbeständigkeit bietet die Möglichkeit, Echtzeitabläufe in Zeitrafferuntersuchungen nachzustellen. Im Ergebnis können Nutzungsdauern unter verschiedenen Belastungssituationen auch für Langzeitbeanspruchungen approximiert werden. 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Kolloquium Betonbauwerke in der Trinkwasserspeicherung, TAE 2014, Tagungsbuch, pp. 153 - 162 [6] [Kämpfer; 2017] Kämpfer, W., Berndt, M.: Zementgebundene Hochleistungsmörtel als anwendungsspezifische Schutzmaßnahme bei stark chemischem Angriff, 5. Kolloquium „Erhaltung von Bauwerken“, Technische Akademie Esslingen 2017 [7] [Locher; 1975] Locher, F.W.; Sprung, S.: Die Beständigkeit von Beton gegenüber kalklösender Kohlensäure, beton 25, 1975, Heft 7 [8] [Schuler; 2019] Beständigkeit von Instandsetzungsmörteln gegenüber kritischen Wässern mit erhöhtem Anteil an kalklösender Kohlensäure am Beispiel trinkwassertechnischer Anlagen, Abschlussarbeit Bachelor of Engineering, HTWK Leipzig, 2019 [9] [Schwotzer; 2008] Schwotzer, M.: Zur Wechselwirkung zementgebundener Werkstoffe mit Wässern unterschiedlicher Zusammensetzung am Beispiel von Trinkwasserbehälterbeschichtungen, Dissertation Universität Karlsruhe (TH), 2008