eJournals Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis 6/1

Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis
ktw
expert verlag Tübingen
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2021
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Realkalisierungsvermögen und Beständigkeit von mineralischen Beschichtungen

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2021
Melanie Merkel
Wolfgang Breit
Die realkalisierende Wirkung von mineralischen Mörteln ist aus der Instandsetzung von carbonatisierten Betonen im Hochbau bekannt. Die Anwendungsgrenzen beziehen sich dabei entsprechend der DAfStb-Richtlinie „Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen“ [1] auf die Verwendung eines Portlandzement basierten Instandsetzungsmaterials (CEM I) sowie darauf, dass die mittlere Carbonatisierungstiefe um nicht mehr als 20 mm hinter die Bewehrung vorgedrungen ist. Bei der Instandsetzung von Trinkwasserbehältern sind zudem besondere Randbedingungen sowohl aus hygienischer als auch technischer Sicht zu beachten. Nach DVGW-Arbeitsblatt W 300-3 [2] werden zementgebundene Beschichtungen nach ihrer Fähigkeit einen ausgelaugten oder carbonatisierten Beton zu realkalisieren unterschieden. Die Interaktion zwischen dem Alkalitätsdepot des Instandsetzungsmörtels bei gleichzeitiger Auslaugungsbelastung, die Fähigkeit des Untergrundbetons Alkalien aufzunehmen sowie der Einfluss der Umgebungsbedingungen auf die Realkalisierung sind bisher nicht ausreichend bekannt. In einem vom Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches e. V. (DVGW) geförderten Forschungsvorhaben (W201835) wurden die vorgenannten Fragestellungen systematisch untersucht und ermöglichen als Ergebnis der Untersuchungen eine detailliertere Beschreibung der Realkalisierung [2].
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6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 65 Realkalisierungsvermögen und Beständigkeit von mineralischen Beschichtungen Dr.-Ing. Melanie Merkel bsm² Breit ∙ Schuler ∙ Merkel Beratende Ingenieure PartGmbB, Kaiserslautern Univ.-Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Breit Technische Universität Kaiserslautern bsm² Breit ∙ Schuler ∙ Merkel Beratende Ingenieure PartGmbB, Kaiserslautern Zusammenfassung Die realkalisierende Wirkung von mineralischen Mörteln ist aus der Instandsetzung von carbonatisierten Betonen im Hochbau bekannt. Die Anwendungsgrenzen beziehen sich dabei entsprechend der DAfStb-Richtlinie „Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen“ [1] auf die Verwendung eines Portlandzement basierten Instandsetzungsmaterials (CEM I) sowie darauf, dass die mittlere Carbonatisierungstiefe um nicht mehr als 20 mm hinter die Bewehrung vorgedrungen ist. Bei der Instandsetzung von Trinkwasserbehältern sind zudem besondere Randbedingungen sowohl aus hygienischer als auch technischer Sicht zu beachten. Nach DVGW-Arbeitsblatt W 300-3 [2] werden zementgebundene Beschichtungen nach ihrer Fähigkeit einen ausgelaugten oder carbonatisierten Beton zu realkalisieren unterschieden. Die Interaktion zwischen dem Alkalitätsdepot des Instandsetzungsmörtels bei gleichzeitiger Auslaugungsbelastung, die Fähigkeit des Untergrundbetons Alkalien aufzunehmen sowie der Einfluss der Umgebungsbedingungen auf die Realkalisierung sind bisher nicht ausreichend bekannt. In einem vom Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches e. V. (DVGW) geförderten Forschungsvorhaben (W201835) wurden die vorgenannten Fragestellungen systematisch untersucht und ermöglichen als Ergebnis der Untersuchungen eine detailliertere Beschreibung der Realkalisierung [2]. 1. Allgemeines Im Rahmen eines vom Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches e. V. (DVGW) geförderten Forschungsvorhabens (W201835) wurde an der Technischen Universität Kaiserslautern in Kooperation mit der RWTH Aachen University das Realkalisierungsvermögen von ausgelaugten und carbonatisierten Betonuntergründen untersucht. In diesem Zusammenhang wurde auch der Widerstand von mineralischen Beschichtungen gegenüber Auslaugungsprozessen bewertet. In zwei Forschungsschwerpunkten wurden das Realkalisierungspotenzial von mineralischen Beschichtungen und deren Beständigkeit experimentell untersucht, ausgewertet und hinsichtlich der Verwertung in der Praxis bewertet. Die Untersuchungsmethodik konzentrierte sich dabei nach einer grundlegenden Charakterisierungsphase von marktgängigen Instandsetzungsmörteln, die sich an den Anforderungen des DVGW-Arbeitsblattes W 300-5 [3] messen mussten, auf die Alkalienabgabe bzw. Auslaugung von Bestandteilen in Kontakt mit demineralisiertem Wasser und die dadurch erzeugten materialtechnischen Veränderungen. Nach Abschluss der Versuche zur Alkalienabgabe folgte die Betrachtung des Realkalisierungspotenzials von ausgewählten Mörteln an ausgelaugten und carbonatisierten Betonen sowie die Bewertung der Beständigkeit der Realkalisierung. 2. Versuche und Ergebnisse zum Auslaugungswiderstand 2.1 Auswahl und Charakterisierung der Mörtel Für die Untersuchungen wurden insgesamt zehn verschiedene marktgängige Mörtel in Abstimmung mit der Deutschen Bauchemie e.V. (DBC), Frankfurt ausgewählt. Die ausgewählten Mörtel entsprechen den Vorgaben des DVGW-Arbeitsblattes W 300-5 [3] und den hygienischen Anforderungen nach DVGW-Arbeitsblatt W 347 [4] und W 270 [5]. Zur Abschätzung der Materialeigenschaften und späteren Unterscheidung des Auslaugungswiderstandes wurden die Mörtel neben ihren mechanischen Kenngrößen im Wesentlichen auf ihre Porositätsstruktur hin untersucht. Die wichtigsten Ergebnisse sind in Tabelle 1 zusammenfassend dargestellt. Da bei der Instandsetzung von Trinkwasserbehältern die Oberfläche des Mörtels in unterschiedlichen Varianten bearbeitet wird, wurden bei den Untersuchungen u. a. Realkalisierungsvermögen und Beständigkeit von mineralischen Beschichtungen 66 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 geglättete (O) und geschnittene (G) Oberflächen unterschieden. Tabelle 1: Übersicht und Eigenschaften der untersuchten Instandsetzungsmörtel Bez. Zement-art Typ gemäß W 300-5 Anwendung Porosität 90 d [Vol.-%] M1 CEM III Typ 1 Bodenmörtel 6,9 M2 CEM I Typ 2 Nassspritzmörtel 6,1 M3 CEM I Typ 1 Nassspritzmörtel 7,0 M4 CEM I Typ 1 Nassspritzmörtel 5,2 M5 k.A. Typ 1 Nassspritzmörtel 2,8 M6 CEM I Typ 1 Nassspritzmörtel 5,5 M7 CEM II/ A-LL Typ 1 Trockenspritzmörtel 6,3 M8 CEM I Typ 1 Nassspritzmörtel 4,5 M9 CEM I Typ 3 Nassspritzmörtel 18,1 M10 CEM Typ 4 mineralische Dichtungsschlämme 7,4 k.A.: keine Angabe Typ 1: ohne Betonzusatzmittel und ohne kunststoffhaltige Zusätze Typ 2: mit Betonzusatzmittel nach DIN EN 934-2 [6] bis max. 5 %/ z und ohne kunststoffhaltige Zusätze Typ 3: ggf. mit Betonzusatzmittel nach DIN EN 934-2 und mit kunststoffhaltigen Zusätzen bis insgesamt max. 10 %/ z Typ 4: ggf. mit Betonzusatzmittel nach DIN EN 934-2 und mit kunststoffhaltigen Zusätzen mit insgesamt mehr als 10 %/ z bis max. 25 %/ z 2.2 Prüfbedingungen In einer eigens entwickelten Auslaugungsanlage (vgl. [7] und [8]) wurden die Instandsetzungsmaterialien über einen Prüfzeitraum von sechs Monaten unter kontrollierten Versuchsbedingungen ausgelaugt. Die zeitliche Änderung der Alkalienabgabe, die Verschiebung des Alkalitätsprofils in Abhängigkeit von den wichtigsten Werkstoffparametern konnten dabei gezielt untersucht werden. Während der Auslaugung wurden die freigesetzten, für die Realkalisierung des Untergrundbetons zur Verfügung stehenden Alkalien über die Zeit anhand der Veränderung der Leitfähigkeit gemessen. Die Erfassung der Veränderung des Alkalitätsprofils über die Probenkörpertiefe erfolgte zerstörend mit Hilfe der Phenolphthaleinprüfung, wie sie auch für die Ermittlung der Carbonatisierungstiefe verwendet wird (DIN EN 14630 [9]). Beide Messungen, insbesondere in Kombination, geben wichtige Informationen zum Ablauf und der Geschwindigkeit des Alkalientransports aus dem untersuchten Instandsetzungsmörtel. Zur Bestimmung der Veränderungen in der Gefügezusammensetzung wurden Kernspinresonanzmessungen (NMR), Rasterelektronenmikroskopieuntersuchungen (REM) und energiedispersive Röntgen-Mikroanalytische Scans (EDX) durchgeführt. Die Porositätsveränderungen wurden anhand der Quecksilberdruckporosimetrie nach DIN 66133 [10] überprüft (DIN 66133 wurde zurückgezogen und 2019 durch DIN ISO 15901-1 [11] ersetzt). 2.3 Ergebnisse der Untersuchungsreihen 2.3.1Veränderung des optischen Erscheinungsbildes Die sechsmonatige Lagerung in demineralisiertem Wasser führte zu optisch feststellbaren Veränderungen des Erscheinungsbildes an der Oberfläche. Durch die Belastung mit demineralisiertem Wasser zersetzte sich die Zementsteinmatrix bis hin zum vollständigen Freiliegen der Gesteinskörnung. Die sukzessiven Auflösungsprozesse beginnen dabei ab dem Zeitpunkt der Einlagerung. Zunächst konnten farbliche Veränderungen der Oberfläche beobachtet werden. Die anfänglich zementgraue Oberfläche zeigte nach wenigen Wochen flächige, gelbliche bzw. bräunliche Farbveränderungen. Danach folgte die vollständige Auflösung des Zementsteins bis die Gesteinskörnung erst in Teilbereichen und im weiteren zeitlichen Verlauf z. T. vollflächig freigelegt wurde. Die bräunlich, gelblichen Farbveränderungen waren nach sechs Monaten Auslaugung gut zu erkennen (vgl. Bild 1, links). Nicht bei allen untersuchten mineralischen Beschichtungen zeigte sich die zuvor beschriebene Veränderung des Zementsteins. Eine sukzessive Zerstörung der Zementsteinmatrix war bei Mörtel M5 (keine Angabe zum Bindemittel, Typ 1 nach DVGW-Arbeitsblatt W 300-5) nicht ersichtlich. Auch nach sechs Monaten Auslaugung konnten augenscheinlich keine Veränderungen der Oberfläche beobachtet werden (vgl. Bild 1, rechts). Bei den Mörteln M9 (CEM I, Typ 3) und M10 (CEM I, Typ 4) war eine bräunlich, gelbliche Veränderung des Zementsteins zwar festzustellen, ein Zementsteinabtrag, verbunden mit dem Freilegen von Gesteinskörnung, fand jedoch nicht statt. Bild 1: Veränderung des optischen Erscheinungsbildes Realkalisierungsvermögen und Beständigkeit von mineralischen Beschichtungen 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 67 nach sechsmonatiger Auslaugungsbelastung, links: Mörtel M3 (Typ 1, CEM I, geschnittene Oberfläche (G)), rechts: Mörtel M5 (Typ 1, keine Angabe zum Bindemittel, Oberfläche geglättet (O)) 2.3.2 Verschiebung der Alkalitätsgrenze Bei der Betrachtung der mittleren Auslaugungstiefe nach sechs Monaten (vgl. Bild 2) wies der Mörtel M10-O (CEM I, Typ 4, geglättet (O)) die geringste Auslaugungstiefe mit 0,06 mm auf. Bei Mörtel M9-O (CEM I, Typ 3, geglättet (O)) lag eine mittlere Auslaugungstiefe von 0,18 mm nach sechs Monaten vor. Anhand der Messwerte der Zementsteinzerstörung und Auslaugungstiefe ist abzuleiten, dass durch die Zugabe von Kunststoffzusätzen erwartungsgemäß ein positiver Einfluss auf den Widerstand gegen die Auslaugungsbelastung ausgeübt werden kann. Zwar konnte in diesen Fällen auch eine oberflächliche Veränderung des Zementsteingefüges visuell erfasst werden, eine tiefgehende Zementsteinzerstörung lag jedoch nicht vor. Ein Vergleich zwischen Typ 1 und Typ 2 Mörteln ergab, dass der Mörtel M3-O (CEM I, Typ 1, geglättet (O)) mit 0,47 mm die geringsten Auslaugungstiefen nach sechs Monaten aufwies. Bei der Betrachtung unter dem Auflichtmikroskop konnten im oberflächennahen Bereich freiliegende, faserartige Strukturen detektiert werden, die anhand der energiedispersiven Röntgenspektroskopie (EDX) als Kunststofffasern identifiziert wurden. Entsprechend den Vorgaben des Materialherstellers ist der Mörtel nach DVGW-Arbeitsblatt W 300-5 als Typ 1 einzuordnen, der mit Fasern modifiziert ist. Vergleichsweise hohe Auslaugungstiefen von > 1,0 mm im Mittel sind bei den Mörteln M1-G (CEM III, Typ 1, geschnitten (G)) und M7-G (CEM II/ A-LL, Typ 1, geschnitten (G)) aufgetreten. Bei dem Mörtel M1-G war ein ausgeprägter Porenraum im Bruchquerschnitt des oberflächennahen Randbereichs ersichtlich. Somit konnte eine partielle Auslaugung im Bereich der Porenräume stattfinden. Der Mörtel M1 wurde händisch verarbeitet. Bei Mörtel M7-G fand eine tiefer gehende Zerstörung des Zementsteins statt. Ein vollständiges Herauslösen der Zementsteinmatrix im oberflächennahen Bereich mit freiliegender Gesteinskörnung konnte für diesen Mörteltyp festgestellt werden. Wie bereits beschrieben, wurde bei Mörtel M5 (Typ 1, keine Angabe zum Bindemittel) kein Abtrag des Zementsteins festgestellt. Dennoch wurde nach sechsmonatiger Auslaugung eine Verschiebung der Alkalitätsgrenze festgestellt. Aus dem Versuchsergebnis lässt sich ableiten, dass auch ohne optische Veränderung eine Auslaugung in Form einer Alkalienabgabe bei diesem Mörtel möglich ist. Der untersuchte Variationsparameter der Oberflächenbearbeitung geglättete (O) und geschnittene (G) Oberfläche ergab, dass ein Glätten nicht nur eine zementreiche, ebene und dichte Oberfläche ergibt, sondern aufgrund der Bearbeitung einen höheren Widerstand gegenüber den Auslaugungsprozessen bietet. Die Oberflächenbearbeitung stellt somit einen wichtigen Einflussbzw. Ausführungsparameter gegenüber hydrolytischen Veränderungen dar. Bild 2: Darstellung der mittleren Auslaugungstiefe und Zementsteinauflösung nach zwei, vier und sechs Monaten Versuchsdauer in der Auslaugungsanlage (O: geglättet, G: geschnitten, U: Unterseite Probe) 2.3.3 Veränderung der Porosiät Im Rahmen der Charakterisierungsphase wurden die Porosität und die Porenradienverteilung der Mörtel zum Zeitpunkt > 28 d und > 90 d bestimmt. Der > 90 d-Wert wird bei der Bewertung als Bezugswert angesetzt. Nach einer Auslaugungsdauer von sechs Monaten wurden mit Hilfe der Quecksilberdruckporosimetrie nach DIN 66133 (DIN 66133 wurde zurückgezogen und 2019 durch DIN ISO 15901-1 ersetzt) die Porenkennwerte bestimmt und mit den Referenzwerten verglichen (vgl. Bild 3). Der Mörtel M5 (keine Angabe zum Bindemittel, Typ 1) wies die größte Veränderung in Bezug auf die Porositätszunahme auf. Hierbei ist zu beachten, dass kein Abtrag aufgrund der Belastung mit demineralisiertem Wasser entstanden war. Alle anderen Mörteloberflächen wiesen Auflösungserscheinungen und einen Abtrag der Zementsteinmatrix auf. Mögliche Porositätsveränderungen in dem bereits abgetragenen Bereich können somit für diese Mörtel nicht in die Bewertung mit aufgenommen werden. In Bezug auf die Porositätsveränderung konnte bei Mörtel M9 (CEM I, Typ 3) ein auffälliges Verhalten festgestellt werden. Anstatt der erwarteten Porositätserhöhung trat bei beiden Oberflächenvariationen (geglättet (O) und geschnitten (G)) eine zum Teil deutliche Reduktion der Porosität auf. Da der Mörtel einen deutlich höheren Polymeranteil aufweist, kann die Wasserlagerung eine Nachhydratation oder eine chemische Wechselwirkung (z. B. Quellen) zur Folge haben. Ein deutlicher Abtrag des Zementsteins bzw. eine Zementsteinzerstörung infolge der Auslaugung ist bei allen drei M9-Mörtelvariationen nicht festzustellen. Bei allen anderen Mörteln ist eine Porositätsveränderung von ≤ 1,5 Vol.-% zu verzeichnen. Realkalisierungsvermögen und Beständigkeit von mineralischen Beschichtungen 68 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Bild 3: Veränderung der Porosität nach sechsmonatiger Auslaugung in demineralisiertem Wasser (O: geglättet, G: geschnitten, U: Unterseite Probe) 2.3.4 Alkalienabgabe und Veränderungen des Alkalitätsdepots Anhand der Messerergebnisse der kontinuierlich aufgezeichneten Leitfähigkeit konnte eine Beschreibung der Alkalienabgabe aus den untersuchten Mörteln erfolgen. Insbesondere zu Beginn der Einlagerung in „kalkarmem Wasser“ kam es zu einem vergleichsweise schnellen Anstieg der Leitfähigkeit, folglich auch zu einer erhöhten Freisetzung von Alkalien. Geglättete Oberflächen (O) weisen aufgrund des höheren Zementanteils an der Oberfläche eine größere Verfügbarkeit von Alkalien auf und führen zu einem schnelleren Anstieg der Leitfähigkeit des Eluats als bei geschnitten Proben (G), bei denen die zementleimreiche Randschicht entfernt wurde und somit die übliche Zusammensetzung des Mörtels darstellt. In Abhängigkeit von der Zeit zeigte sich, dass die Summe der maximalen Leitfähigkeit pro Wasserwechselzyklus bei einer geglätteten Oberfläche höher ist als bei einer geschnittenen (vgl. Bild 4, Mörtel M3, CEM I, Typ 1, geglättet (O), geschnitten (G)). Eine weiterführende Differenzierung zwischen Typ 1 und Typ 2 ist anhand der Ergebnisverläufe nicht möglich (CEM I, Typ 1: M3, M4, CEM I, Typ 2: M6). Der Typ 3 Mörtel (CEM I, Typ 3: M9) wies zunächst ein vergleichbares Alkalienabgabeverhalten in den ersten 50 Tagen der Versuchsführung auf. Anschließend war nicht wie bei den Typ 1 und Typ 2 Mörteln ein weiterhin linearer Messwerteverlauf zu beobachten, sondern die kumulierten Verläufe flachten mit zunehmender Versuchsdauer deutlich ab. Bei dem Typ 4 Mörtel (CEM I, Typ 4: M10) war in den ersten 20 Tagen ein vergleichbares Alkalienabgabeverhalten zu beobachten. Anschließend war eine deutliche Abflachung des Messwerteverlaufs ersichtlich. Nach 80 Tagen war die weitere Alkalienabgabe ins Eluat vernachlässigbar klein. Auch die Zementart beeinflusst den Alkalientransport erwartungsgemäß maßgeblich. Ein Hochofenzement (CEM III) weist einen geringeren Alkalienpuffer auf als ein Portlandzement (CEM I). Die Summe der maximalen Leitfähigkeiten pro Wasserwechselzyklus ist bei dem CEM III-Mörtel (Typ 1, M1) somit geringer als bei einem CEM I-Mörtel. Der Mörtel M5 (keine Angabe zum Bindemittel, Typ 1) wies eine deutlich geringere Alkalienabgabe über den gesamten Prüfzeitraum auf. Bild 4: Erhöhung der Leitfähigkeit in demineralisiertem Wasser in Abhängigkeit von der Auslaugungsdauer und vom Material 2.4 Schlussfolgerungen zur Auslaugung mineralischer Beschichtungen Die Alkalienabgabe und damit verbundene Auslaugung der alkalischen Bestandteile des Porengefüges sowie der Zementsteinphasen von mineralischen Werkstoffen folgt bei einem ungestörten Lösungsprozess einem dreigeteilten Mechanismus (vgl. Bild 5). Im ersten Stadium werden die oberflächennahen alkalischen Anteile (u. a. Calcium-, Natrium-, Kalium- und Hydroxidionen) aus dem Porensystem der Zementsteinmatrix gelöst. Dabei findet zunächst vergleichbar zum Säureangriff [12] ein reaktionskontrollierter Prozess statt. Nach Boos [13] stabilisiert sich der pH-Wert der Porenlösung von ca. 12,5 solange wie Calciumhydroxid in der Zementsteinmatrix verfügbar ist. Erst nach vollständigem Herauslösen des Calciumhydroxids findet eine pH-Wert Absenkung statt und die Zementsteinphasen beginnen zu zerfallen [14]. Die Freisetzung und das Lösung der Alkalien können anhand der Veränderung der Leitfähigkeit beschrieben werden. Anfänglich wirkt als dominierende Einflussgröße der „wash-off-Effekt“, der einen erhöhten Lösungsprozess direkt in der Kontaktzone zwischen Werkstoff und Wasser bewirkt. Der Mechanismus ist in den ersten Tagen des Versuchsablaufs am größten. Danach nimmt die Alkalienverfügbarkeit an der Oberfläche ab. Unterschiede im Ergebnisverlauf ergeben sich z. B. durch die Zementart. Das Alkaliendepot eines CEM I, CEM II/ A-LL und CEM III Zements ist in den ersten Tagen der Alkalienabgabe vergleichbar. M5 (keine Angaben zum Bindemittel) weist hingegen bereits in den ersten Tagen der Alkalienabgabe einen niedrigeren Alkalienpuffer Realkalisierungsvermögen und Beständigkeit von mineralischen Beschichtungen 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 69 auf. Eine Ableitung bzw. ein Zusammenhang dieses Verhaltens zum z. B. C/ S-Verhältnis, Gesamtcalciumgehalt oder zur Porosität des Instandsetzungsmörtels konnte aus den Versuchsergebnissen nicht abgeleitet werden. Nachdem die löslichen Anteile in das Eluat abgegeben wurden, beginnen die Zementsteinphasen zu zerfallen. Im zweiten Stadium geht das Calcium der Zementsteinphasen in Lösung und es verbleiben lediglich amorphe und wasserhaltige Hydroxidgele (Silizium-, Aluminium- und Eisenhydroxidgele) auf der Werkstoffoberfläche. Das Zementsteingefüge wird in diesem Stadium poröser und ein braun-gelblich verändertes Zementsteingefüge erscheint auf der Werkstoffoberfläche. Die durch die Auslaugung angegriffene Oberfläche wirkte bei allen Mörteln unter Betrachtung des Rasterelektronenmikroskops porös und aufgelöst. Eine Grenze zwischen der aufgelösten und intakten Gefügestruktur konnte messtechnisch nicht erfasst werden. Der Übergang wirkte fließend. In der Oberflächenrandzone waren keine Portlanditkristalle im Porenraum oder im Phasengrenzbereich zwischen Gesteinskörnung und Zementstein nachweisbar. Der Abbau bzw. die Zerstörung der Zementsteinphasen führte dazu, dass schwerlösliche, amorphe und wasserhaltige Hydroxidgele gebildet und so die Anteile an Al 2 O 3 , Fe 2 O 3 und SiO 2 im Vergleich zu CaO erhöht wurden. In diesem Stadium ist ein diffusionskontrollierter Transportmechanismus maßgebend. Die Eigenschaften und die Gefügestruktur des Zementsteins spiegeln sich im Widerstand gegenüber der Auslaugungsbelastung wider. Zusätzlich beeinflussen die Durchlässigkeit (Permeabilität), die Porosität, die Gewundenheit der Poren (Tortuosität) sowie der Gesamtalkalienpuffer die Lösung der Alkalien maßgeblich. Bezüglich des Alkalienpuffers zeigten die Untersuchungen vergleichbare Ergebnisse für die eingesetzten CEM I und CEM II/ A-LL Zemente. Im Gegensatz dazu konnte für den verwendeten CEM III Zement erwartungsgemäß nur ein geringerer Gesamtalkalienpuffer ermittelt werden. Der Mörtel M5 (Bindemittel nicht bekannt) zeigte in den Versuchen die geringste Alkalienverfügbarkeit, wobei zu beachten ist, dass eine geringe Kapillar- und Gesamtporosität vorliegt. Im letzten Stadium wird die Zementsteinmatrix vollständig aufgelöst, sodass die Gesteinskörnung oberflächennah freiliegt. Aus den Versuchsergebnissen geht hervor, dass bestimmte Zemente eine auslaugbare (pH-Wert Erniedrigung infolge der Alkalienabgabe) und trotzdem weiterhin stabile Zementsteinmatrix aufweisen. Gegenüber einem lösenden Angriff an der Oberfläche können Typ 3-Mörtel oder Typ 4-Mörtel ohne Absandungserscheinungen länger bestehen. Bei der Verwendung von Kunststofffasern ist zu beachten, dass diese gegenüber den zuvor beschriebenen Prozessen korrosionsbeständig sind. Somit verbleiben freiliegende Kunststofffasern so lange an der Oberfläche bis sie aus der Zementsteinmatrix vollständig herausgelöst werden. Die Abgrenzung zwischen dem zweiten und dritten Stadium (Beginn bis zur vollständigen Zersetzung des Zementsteins) folgt zeitlich dicht aufeinander. Nur geringe Übergangsbereiche konnten zwischen intakter Gefügestruktur, Auflösung des Zementsteins bis hin zum vollständigen Abtrag, ausgemacht werden. Eine vorauslaufende tiefgehende Auslaugung des Zementsteins und damit verbundene pH-Wert-Erniedrigung besteht nicht. Zum Teil ist direkt nach dem abgetragenen Zementstein ein pH-Wert oberhalb des Phenolphthaleinumschlagpunktes festzustellen. Weitere Ergebnisse sind in [15] dargestellt. Bild 5: oben: dreistufiger Auslaugungsmechanismus in demineralisiertem Wasser, unten: Prozessverlauf aus [12] In Bezug auf die Realkalisierung mineralischer Werkstoffe ist zu beachten, dass eine Auflösung der Zementsteinphasen im Kontaktbereich zwischen Altbeton und Instandsetzungsmörtel nicht zu erwarten ist. Eine Auslaugung bis hin zur vollständigen Zerstörung der Zemensteinmatrix ist für trinkwasserzugelassene Mörtel ausschließlich in oberflächennahen Bereichen zu erwarten. Nicht nur eine dichte Gefügestruktur ist in Bezug auf den Auslaugungswiderstand wichtig, sondern auch ein ausgeprägter Porenraum (Verdichtungsporen, Luftporen) können zu einer partiellen, tiefergehenden Auslaugung führen. In Bezug auf das Realkalisierungspotenzial können sich daher lokale Fehlstellen negativ auswirken. 3. Versuche und Ergebnisse zum Realkalisierungsvermögen 3.1 Auswahl und Charakterisierung der Mörtel und Betone Die Instandsetzungsmörtel M1, M4, M6, M5, M9 und M10 wurden für die weiteren Untersuchungen zum Realkalisierungsvermögen (vgl. Tabelle 1) ausgewählt. Realkalisierungsvermögen und Beständigkeit von mineralischen Beschichtungen 70 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Als Untergrundbetone wurden die in Tabelle 2 aufgelisteten Betonzusammensetzungen verwendet. Der Beton B1 soll einen Altbeton simulieren und mit einem w/ z- Wert von 0,8 weist dieser das größte Kapillarporenvolumen und folglich den größten Transportraum auf. Bei den Untersuchungen wird der Beton B1 zur Ableitung der grundlegenden Realkalisierungsprozesse verwendet. Bei dem Beton B2 wurden verschiedene Zementarten variiert, um einen möglichen Einfluss der Zementart abschätzen zu können. Beton B3 ist entsprechend seiner Zusammensetzung in Expositionsklasse X TWB nach DVGW- Arbeitsblatt W 300-1 [3] einzuordnen und erfüllt somit die grundlegenden Anforderungen des Regelwerks. Weitere Informationen zu den verwendeten Werkstoffen sind in [15] dargestellt. Tabelle 2: Übersicht der verwendeten Betonzusammen -setzungen Bez. Zementart w/ z- Wert Zementgehalt [kg/ m³] B1 CEM I 32,5 R 0,8 240 B2_I CEM I 32,5 R 0,7 260 B2_II CEM II/ A-LL 32,5 R 0,7 260 B2_III CEM III/ A 32,5 R 0,7 260 B3 CEM I 32,5 R 0,5 320 3.2 Herstellung und Lagerung Die Untergrundbetone wurden an der Forschungsstelle Kaiserslautern als Balken mit den Maßen 40 x 150 x 600 mm³ hergestellt, nach zwei Tagen ausgeschalt und bis zur Herstellung der Verbundprobekörper unter zwei unterschiedlichen Bedingungen für die Dauer eines Jahres gelagert: - Lagerung A: 5 Tage feucht (20 ± 2) °C, danach in demineralisiertem Wasser (20 ± 2) °C mit wöchentlichem Wasserwechsel - Lagerung C: 5 Tage feucht (20 ± 2) °C, danach bei 1 %iger CO 2 -Konzentration in einer Klimakammer bei (20 ± 2) °C und (50 ± 5) % r.F. (relativer Luftfeuchte) Zwei verschiedene Schädigungsprozesse wurden für den Verlust bzw. Abfall der Alkalität erwartet. Der Schädigungsprozess infolge Auslaugung wird als Lagerung A gekennzeichnet, die den Anwendungsfall eines Altbetons in einem Trinkwasserbehälter simulieren sollte. Die Lagerung C steht für den Schädigungsprozess infolge Carbonatisierung des Altbetons, die für den Untersuchungsschwerpunkt zur Ableitung der Realkalisierungsprozesse dienen sollte, da in der Projektlaufzeit nur eine begrenzte Auslaugung in die Tiefe zu erwarten war. Vor der Mörtelapplikation wurde die Beschichtungsoberseite der Untergrundbetone mittels Druckluftstrahlen mit festem Strahlmittel vorbereitet, damit zum einen minderfeste Bestandteile der Oberfläche entfernt und zum anderen durch eine ausreichende Rauigkeit ein guter Haftverbund zwischen Untergrund und Instandsetzungsmörtel gewährleistet werden konnte. Der Untergrund wurde vor dem Mörtelauftrag ausreichend mit Wasser vorgenässt, damit zum Zeitpunkt des Aufbringens der Beton „mattfeucht“ war. Um den Einfluss zwischen händisch verarbeitetem und gespritztem Mörtel zu untersuchen, wurde der Mörtel M6 sowohl händisch als auch vom Hersteller gespritzt hergestellt. Die Mörtel M1, M4, M5, M9 und M10 wurden ausschließlich händisch unter Verwendung einer systemabhängigen Haftbrücke verwendet (gleiches Grundmaterial jedoch ohne Größtkorn). Alle Mörtel mit Ausnahme der mineralischen Dichtungsschlämme M10 wurden in einer Dicke von ca. 20 mm aufgebracht und an der Oberfläche geglättet. Die Verbundprobekörper wurden unter feuchten Tüchern ein bis drei Tage je nach Versuchsreihe nachbehandelt, im Anschluss ausgeschalt, in Prismen mit den Maßen 40 mm x 150 mm x H (Breite x Länge x Höhe: ergibt sich aus der Applikation der Beschichtung (20 mm) und der Höhe des Untergrundbetons) geschnitten und unter Laborbedingungen bei (20 ± 2) °C und (60 ± 5) % r.F. gelagert. Danach erfolgte die Lagerung unter den unten aufgeführten Umgebungsbedingungen. Die zwischengeschaltete Laborlagerung war notwendig, um das Versiegeln der Seitenflächen und der Unterseite mit Epoxidharz zu ermöglichen. Ein ausschließlich einseitiger Kontakt mit dem umgebenden Medium, wie es auch bei Trinkwasserbehältern der Fall ist, sollte hierdurch für die weiteren Untersuchungen gewährleistet werden. Insgesamt wurden fünf verschiedene Versuchsschwerpunkte unterschieden, um die Einflussfaktoren auf die Geschwindigkeit und die dabei stattfindenden grundlegenden Prozesse der Realkalisierung untersuchen zu können. - Umgebungsbedingungen (Leitungswasser, 60 % r.F., 80 % r.F. und 100 % r.F.) - Nachbehandlungszeit (ein bis drei Tage) - Vorschädigung des Untergrundbetons (carbonatisiert und ausgelaugt) - Betonzusammensetzung des Untergrundbetons (siehe Tabelle 2) - Applikation verschiedener Instandsetzungsmörtel 3.3 Ergebnisse der durchgeführten Untersuchungen 3.3.1 Allgemeines Das grundliegende Prinzip der Realkalisierung von carbonatisiertem Beton durch den Auftrag eines alkalischen Mörtels beruht auf dem Transport von Alkalien. Infolge des starken Konzentrationsunterschieds von mindestens zwei Zehnerpotenzen im pH Wert zwischen dem carbonatisierten Beton (pH < 10) und der aufgebrachten Mörtelschicht (pH > 12) kommt es zu Transportvorgängen gelöster Alkalien [16]. Der Transport vornehmlich der Realkalisierungsvermögen und Beständigkeit von mineralischen Beschichtungen 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 71 Calcium-Ionen, sowie von Natrium- und Kalium-Ionen bewirken eine Erhöhung der Alkalität [17], [18]. Ein ausreichender Feuchtegehalt ist jedoch Voraussetzung für den Alkalientransport. Grundsätzlich sind nach [19] gelöste Alkalihydroxide ursächlich für die hohe Alkalität der Porenlösung mineralischer Werkstoffe. Aufgrund des Überschusses an abspaltbarem Calciumoxid in den stark basischen Hydratationsprodukten des Zementes (Calciumhydroxid, Calciumsilikathydrat) besitzt der Zementstein einen viel größeren Vorrat an Alkalität. Erst nach Verbrauch des alkalischen Puffers kann der pH-Wert der Porenlösung auf unter 12 absinken. Geprüft wurde die Realkalisierung des Betons und der tiefenabhängige Realkalisierungsfortschritt mit Hilfe der Phenolphthaleinprüfung nach DIN EN 14630, wie in Bild 6 dargestellt. Dazu wurde der Mörtel an der Oberfläche mittels Säge eingeschnitten und im Anschluss gebrochen. Nicht alle Proben waren vollständig über den gesamten Querschnitt carbonatisiert, sodass z. T. noch eine Restalkalität im Betonuntergrund vorhanden war. Bild 6: Prinzipskizze der Realkalisierung Die Geschwindigkeit der Realkalisierung hängt von einer Reihe von Einflussfaktoren ab, die im Folgenden anhand der Versuchsergebnisse diskutiert werden. 3.3.2 Einfluss der Feuchtigkeit In Bild 7 und Bild 8 sind die Messergebnisse der Versuchsreihe dargestellt, in der die Lagerung variiert wurde (Lagerung in Leitungswasser, 60 % r. F., 80 % r. F. und 100 % r. F.). Der zu beschichtende Betonuntergrund war in dieser Versuchsreihe vollständig carbonatisiert (zuvor über die Phenolphthaleinprüfung ermittelt). Die Nachbehandlungszeit der Verbundprobekörper betrug einen Tag und die Einlagerung in die vorgenannten Umgebungsbedingungen fand im Alter von drei Tagen statt. Verwendet wurde der Beton B1 in Kombination mit den Mörteln M1, M4, M5 und M6. Zur Veranschaulichung der Messwerteverläufe wurden Regressionslinien hinterlegt. Zunächst wird auf die erzielten Ergebnisse der Lagerung in Leitungswasser eingegangen. Die Realkalisierungstiefe nimmt in Abhängigkeit von der Lagerungszeit bei allen Mörteln zu (Bild 7, links). Bei allen Mörteln war ein vergleichbarer Messwerteverlauf ersichtlich. Eine Unterscheidung ergibt sich durch die bestehende Anfangsrealkalisierung (erste Messung der Realkalisierungstiefe vor Lagerung bei unterschiedlichen Umgebungsbedingungen, dargestellt als gefüllte Marker). Bei 100 % r. F. fand eine Zunahme der Realkalisierungstiefe in Abhängigkeit von der Zeit bei allen Mörteln statt. Bei den Mörteln M1 und M4 war die gemessene, maximale Realkalisierungstiefe nach einer Versuchsdauer von > 50 Tagen geringer als die Realkalisierungstiefe der Proben in Leitungswasser bei gleicher Versuchsdauer. Bei Mörtel M5 konnte kein messbarer Unterschied zwischen der Lagerung in Leitungswasser und bei 100 % r. F. beobachtet werden. Bei 60 % r. F. und 80 % r. F. stehen die anfängliche Feuchtigkeit aus dem Vornässen, die Mörtelfeuchtigkeit (Applikation und Nachbehandlung) und die Luftfeuchtigkeit zur Verfügung. An dem Messwerteverlauf zeigte sich, dass nach der anfänglichen Kontaktrealkalisierung kein nennenswerter Realkalisierungsfortschritt zu verzeichnen ist (Bild 8). Die Anfangsrealkalisierung der Betonrandzone resultiert aus der Applikation und Nachbehandlung und wird im Folgenden als „Kontaktrealkalisierung“ bezeichnet. Bei 80 % r. F. blieb die Realkalisierungstiefe anschließend konstant. Bei 60 % r. F. war sogar mit zunehmender Prüfzeit ein Rückgang der Realkalisierungstiefe zu verzeichnen. Bild 7: Mittlerer Realkalisierungsfortschritt in Abhängigkeit von den Lagerungsbedingungen, Beton B1, links: Lagerung in Leitungswasser, rechts: Lagerung bei 100 % r. F. Bild 8: Mittlerer Realkalisierungsfortschritt in Abhängigkeit von den Lagerungsbedingungen, Beton B1, links: Lagerung bei 80 % r. F., rechts: Lagerung bei 60 % r. F. Realkalisierungsvermögen und Beständigkeit von mineralischen Beschichtungen 72 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Der Zusammenhang zwischen hoher Luftfeuchtigkeit und großen Realkalisierungstiefen lässt sich anhand der Sorptionsisotherme erklären. Diese verläuft bei hygroskopisch porösen Baustoffen S-förmig und nimmt erst ab Luftfeuchtigkeiten von über 95 % r. F. stark zu [20]. Somit kann bei hohen Luftfeuchtigkeiten zunehmend die Kapillarleitung als primärer Transportprozess ablaufen und dementsprechend werden Alkalien aus dem Mörtel zusammen mit der Feuchtigkeit in den Beton transportiert. Außerdem kommt es bei hohen Luftfeuchtigkeiten zur Entstehung eines Sorbatfilms an den Porenoberflächen des Gefüges. Da dieser proportional zur relativen Luftfeuchtigkeit ansteigt, werden mit zunehmender Luftfeuchtigkeit auch mehr Alkalien mittransportiert. Darüber hinaus nimmt die Mobilität der Wassermoleküle mit anwachsendem Sorbatfilm kontinuierlich zu [21]. Demzufolge ist dieser Transportprozess in den wassergesättigten Poren bei den in Leitungswasser und in 100 % r. F. gelagerten Probekörpern der Vorherrschende. Ein Alkalientransport infolge einer Permeation kann in Leitungswasser weitgehend ausgeschlossen werden, da der Transportprozess ausschließlich in oberflächennahen Bereichen stattfindet. Aufgrund der Dichte und Schichtstärke des Mörtels kann der Einfluss an der Verbundfuge zum Betonuntergrund ebenfalls als vernachlässigbar eingestuft werden. Bei geringen relativen Luftfeuchtigkeiten findet ausschließlich eine Dampfdiffusion (im Bereich der Kapillarkondensation) statt. Ein nennenswerter Alkalientransport hingegen ist nur in der flüssigen Phase zu erwarten. Bei geringen relativen Luftfeuchtigkeiten erreicht der Sorbatfilm nicht die nötige Schichtdicke für eine ausreichende Mobilität der Calcium- und Hydroxidionen. Zudem nimmt der Feuchtegradient bei sinkender relativer Luftfeuchte ab, weshalb die Geschwindigkeit des Wasserdampftransports im Allgemeinen abnimmt. Durch die Vorlagerung der Betonuntergründe bei 1 %iger CO 2 -Konzentration in der Klimakammer und bei (50 ± 5) % relativer Luftfeuchtigkeit, zu Erzielung von carbonatisierten Betonquerschnitten, tritt als zusätzlicher Effekt durch das Vornässen und die Mörtelapplikation ein kapillares Saugen auf. Grundsätzlich nimmt die kapillare Saugfähigkeit des Zementsteins mit steigendem Feuchtigkeitsgehalt stark ab und erreicht nahe an 100 % r. F. vernachlässigbar kleine Werte. Kapillar saugen können grundsätzlich nur leere Poren. Feine Poren füllen sich bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von 50 % bereits durch Kapillarkondensation [22]. Auch die zuvor in demineralisiertem Wasser gelagerten, ausgelaugten Betonuntergründe weisen eine kapillare Saugfähigkeit des Zementsteins auf, da der Untergrund vor Beginn des Mörtelauftrags unter Laborbedingungen oberflächlich abtrocknen konnte. Bei der Instandsetzung eines Trinkwasserbehälters ist je nach vorherrschenden Feuchtebedingungen und bestehender Austrocknungsdauer des Untergrunds ein kapillares Saugen des Untergrunds möglich bzw. abgeschwächt möglich. 3.3.3 Einfluss des Untergrunds (Wasserzementwert und Zementart) In Bild 9 sind die Messergebnisse der Versuchsreihe dargestellt, in der carbonatisierte Betonuntergründe unterschiedlicher Zusammensetzungen untersucht wurden. Die Lagerung fand für alle Verbundprobekörper in Leitungswasser statt. Die Nachbehandlungszeit der Verbundprobekörper dieser Messreihen betrug drei Tage, die Einlagerung fand im Alter von 14 Tagen statt. Verwendet wurden die Betone B1, B2 und B3 in Kombination mit den Mörteln M4 und M6. Zur Veranschaulichung der Messwerteverläufe sind Regressionskurven hinterlegt. Der Beton B1 weist den höchsten w/ z-Wert auf und verfügt über die größte Kapillarporosität. Der Beton B3 wurde mit dem niedrigsten w/ z-Wert hergestellt. Demzufolge weist er die kleinste Kapillarporosität auf und es ist grundsätzlich von einem kleineren Transportraum für mögliche Realkalisierungsprozesse auszugehen. Entsprechend zeigten die Messergebnisse, dass der Beton B1 erwartungsgemäß den größten Realkalisierungsfortschritt (in mm) aufweist und mit Verringerung des w/ z- Wertes des Untergrundbetons auch die tiefenabhängige Realkalisierung abnimmt. Aufgrund der geringen Carbonatisierungstiefen bei Beton B3 war eine vollständige Realkalisierung bereits nach wenigen Wochen erreicht (2 mm bis 3 mm). Bild 9: Mittlerer Realkalisierungsfortschritt in Abhängigkeit vom Betonuntergrund, links: Mörtel M6, rechts: Mörtel M4 Entsprechend dem zugrundeliegenden Schädigungsmechanismus muss zusätzlich unterschieden werden, wie sich der Porenraum verändert. Bei einer Auslaugung wird die Porosität und somit auch der Transportraum erweitert. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass ein zuvor ausgelaugter Untergrund im Hinblick auf den Transportraum ein höheres Realkalisierungspotenzial aufweist. Zu beachten ist, dass bei einer Instandsetzung bereits durch die Untergrundvorbereitung der aufgeweichte, ausgelaugte Bereich ggf. abgetragen wird. Die Untersuchungen zeigten, dass auch bei den ausgelaugten Betonuntergründen eine Realkalisierung möglich ist. Da jedoch eine Auslaugungstiefe von nur ca. 2 mm Realkalisierungsvermögen und Beständigkeit von mineralischen Beschichtungen 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 73 erreicht wurde, war der Untergrund bereits zum ersten Prüfzeitpunkt (vier Tage nach Herstellung) aufgrund der Kontaktrealkalisierung vollständig realkalisiert. Eine tiefgehende Auslaugung war innerhalb des angesetzten Versuchszeitraums nicht realisierbar (vgl. [23]). Schadensfälle, die eine tiefgehende Auslaugung über die Betonrandzone hinaus aufweisen, sind nicht bekannt. Die Zementart übt ebenfalls einen Einfluss auf das Realkalisierungspotenzial auf. Ein CEM III-Zement zeigte deutlich geringere Realkalisierungstiefen als ein CEM I-Zement. Ein CEM I-Zement führt zu einem höheren zeitabhängigen Realkalisierungsfortschritt als ein CEM II/ A-LL-Zement. 3.3.4 Einfluss des Instandsetzungsmörtels Der Einfluss des Instandsetzungsmörtels bei carbonatisierten Betonuntergründen (Beton B1) ist in Bild 10 anhand von drei Versuchsreihen dargestellt. Die Lagerung fand für alle Versuchsreihen in Leitungswasser statt. Die Nachbehandlungszeit der Verbundprobekörper der Versuchsreihen 1 und 5 betrug drei Tage, die Einlagerung in Leitungswasser fand im Alter von 14 Tagen statt. Bei der Versuchsreihe 2 wurden nach einer Nachbehandlungszeit von vier Tagen die Verbundprobekörper im Alter von zehn Tagen in Leitungswasser eingelagert. Mörtel M10 (Typ 4, vgl. Bild 10 unten) zeigte in den Versuchsreihen die geringste Anfangsrealkalisierung und den geringsten Realkalisierungsfortschritt. Bei Mörtel M9 (Typ 3) ist im Gegensatz zu Mörtel M10 eine höhere Anfangsrealkalisierung festzustellen, die jedoch geringer ausfällt als bei den Mörteln M4 (Typ 1) und M6 (Typ 2). Der weitere Funktionsverlauf des Mörtels M9 über den ersten Messwert hinaus ist vergleichbar mit denen der Mörtel M4 und M6. Bei Betrachtung der Typ 1 und Typ 2 Mörtel ist bei Mörtel M5 der Realkalisierungsfortschritt vergleichsweise gering (vgl. Bild 10, rechts). Bei den Mörteln M1, M4 und M6 ist in den ersten 50 Tagen ein vergleichbarer Verlauf der Messergebnisse zu beobachten. In der Versuchsreihe 2 zeigte der Mörtel M4 eine zum Zeitpunkt der Einlagerung in Leitungswasser tiefere Realkalisierungsfront. Verarbeitungsbedingte Einflüsse können hierbei eine Rolle spielen. Der zeitabhängige Messwerteverlauf ist bei den untersuchten drei Mörteln (M1, M4, M6) vergleichbar. Die Unterschiede der Messreihen und damit auch die Ergebnisse ergeben sich durch die Länge der Nachbehandlung und Zeitpunkt der Einlagerung, Bild 10: Mittlerer Realkalisierungsfortschritt in Abhängigkeit vom untersuchten Instandsetzungsmörtel, Untergrundbeton B1 bei unterschiedlichen Versuchsreihen Unter Berücksichtigung der möglichen Alkalienabgabe der Mörtel ist zu beachten, dass im Allgemeinen die Porenlösung im Zementstein einen Sättigungswert von etwa 20 mmol/ L beibehält, solange ein C/ S-Verhältnis von > 1,5 besteht und damit freies Portlandit vorhanden ist [24]. Eine Verringerung der Alkalität unterhalb des Phenolphthaleinumschlagpunktes ist unter Abwesenheit von Calciumcarbonat erst unterhalb von einem C/ S-Verhältnis von ~ 1 zu erwarten. Da der Alkalientransport innerhalb des Porenraums stattfindet und freies Portlandit in den carbonatisierten oder ausgelaugten Untergrund eindringt, findet ein vergleichbarer Realkalisierungsfortschritt unabhängig vom verwendeten Zement statt, solange im Mörtel ein C/ S-Verhältnis > 1,5 besteht. Bindemittel, die einen geringen Anteil an Calciumhydroxid (kleines C/ S-Verhältnis) aufweisen, zeigen dagegen einen vergleichsweise geringen Realkalisierungsfortschritt auch bei für die Realkalisierung optimalen Feuchtebedingungen. Verarbeitungsbedingt können entgegen der Werte aus der Grundcharakterisierung (vgl. Tabelle 1) veränderte Porositäten vorliegen. Hohlstellen oder Fehlstellen, die bei der Applikation auftreten, können eine Realkalisierung beeinträchtigen (vgl. Bild 11, links). Eine unzureichende Untergrundvorbereitung, die erst durch das Brechen des Probekörpers festgestellt werden konnte, vermindert erwartungsgemäß nicht nur den Haftverbund zwischen Mörtel und Beton, sondern beeinträchtigt auch das Realkalisierungspotenzial. Die durchgeführten Untersuchun- Realkalisierungsvermögen und Beständigkeit von mineralischen Beschichtungen 74 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 gen zeigten, dass eine Realkalisierung nur bei direktem Kontakt mit dem alkalischen Instandsetzungsmörtel möglich ist. Einen Einfluss der Applikationsart (händisch verarbeiteter oder gespritzter Mörtel) auf das Realkalisierungsverhalten konnte nicht festgestellt werden. Bild 11: Links: am Rand liegende Fehlstelle zwischen Instandsetzungsmörtel und Betonuntergrund, rechts: Trennfuge zwischen Instandsetzungsmörtel und Betonuntergrund 3.3.5 Beständigkeit der Realkalisierung Anhand zusätzlicher Untersuchungen wurde die Beständigkeit der Realkalisierung bei Reduzierung des Feuchteangebots geprüft. Verbundprobekörper aus dem Beton B1 (carbonatisiert) und den Mörteln M1, M4 und M6 wurden zunächst für 35 Tage in Leitungswasser und unter 100 % r. F. gelagert. Danach erfolgte die Lagerung unter reduzierten Feuchtebedingungen bei 60 % r. F. für 112 Tage. Wie in Bild 12 dargestellt, liegt bei der Lagerung in Leitungswasser eine Realkalisierungstiefe von ca. 6 mm und bei 100 % r. F. zwischen 2,0 mm und 3,5 mm nach 35 Tagen vor. Aufgrund des anschließenden verringerten Feuchteangebots ist ein stetiger Rückgang der zuvor festgestellten Realkalisierungstiefe zu beobachten. Nach 112 Tagen ist visuell mittels Phenolphthaleinprüfung keine Realkalisierung mehr im Altbeton nachzuweisen. Unter dem Auflichtmikroskop ist ausschließlich in direktem Kontakt mit dem Mörtel eine Realkalisierung ersichtlich, die im Mittel 0,2 mm beträgt. Eine Abhängigkeit von der Mörtelzusammensetzung hinsichtlich des Rückgangs der Realkalisierung konnte anhand der Messergebnisse nicht festgestellt werden. Aus welchem Grund die Realkalisierung aufgrund der Lagerung nicht mehr nachweisbar ist, muss in nachfolgenden Untersuchungen noch geklärt werden. Möglicherweise führt ein geringer Alkalienpuffer der Realkalisierungsfront an den freigelegten Bruchstellen zu einer sofortigen Carbonatisierung. Bild 12: Mittlere Realkalisierungstiefe bei Reduzierung des Feuchteangebots, links: Rückgang der Realkalisierung nach 35 Tagen Lagerung in Leitungswasser und anschließend unter 60 % r. F., rechts: Rückgang der Realkalisierung nach 35 Tagen Lagerung unter 100 % r. F. und anschließend unter 60 % r. F. 3.3.6 Überprüfung der Alkalität Zur Abschätzung der vorliegenden Alkalität des Untergrundbetons wurden an ausgewählten Verbundprobekörpern Prüfungen mit unterschiedlichen Indikatoren durchgeführt. Die in Bild 13 dargestellte Probe B2 CEM II M4 wies vor Beginn der Realkalisierungsversuche eine Carbonatisierungstiefe von ca. 15 mm im Mittel auf. Nach 70 Tagen Wasserlagerung kann mittels Phenolphthaleinprüfung eine vollständige Realkalisierung dieses Bereiches festgestellt werden. Die Prüfung mit Thymolphthalein zeigt, dass der pH-Wert der „realkalisierten“ Front kleiner ist als der Umschlagpunkt des Indikators (pH-Wert 10 [25]). Erst in einer Tiefe von ca. 15 mm ist ein Farbumschlag zu beobachten (Restalkalität des Betons). Kresolpurpur ist im realkalisierten Bereich vollständig umgeschlagen und Bromthymolblau zeigt einen hellblauen Farbumschlag, was auf einen pH-Wert nahe des Umschlagpunktes von Phenolphthalein und Bromthymolblau bei ca. pH-Wert 8 schließen lässt (vgl. Bild 13, Bild 14). Realkalisierungsvermögen und Beständigkeit von mineralischen Beschichtungen 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 75 Bild 13: Prüfung der Realkalisierungstiefe anhand unterschiedlicher Indikatoren, Beton B2 CEM II K und Mörtel M4 nach 70 Tagen Wasserlagerung Bild 14: Umschlagbereiche der verwendeten Indikatoren 3.4 Schlussfolgerungen zur Beschreibung des Realkalisierungsvermögens Aufgrund des Konzentrationsgefälles zwischen hochalkalischem Instandsetzungsmörtel und ausgelaugtem bzw. carbonatisiertem Beton findet ein Transport von gelösten Calcium- und Hydroxid-Ionen in Richtung der geringeren Konzentration statt. Der Transport der Alkalien bewirkt eine Erhöhung der Alkalität. Für die Bewertung der zugrundeliegenden Realkalisierungsprozesse ist die Realkalisierung bei Applikation (Kontaktrealkalisierung) und die diffusionsgesteuerte Realkalisierung zu unterscheiden. Unter der Kontaktrealkalisierung ist die Anfangsrealkalisierung der Betonrandzone zu verstehen, die insbesondere durch die anfängliche Feuchtigkeit aus dem Vornässen, der Mörtelfeuchtigkeit (Applikation und Nachbehandlung) beeinflusst wird. Die tatsächlichen Umgebungsbedingungen, wie beispielsweise die Luftfeuchtigkeit, spielen in diesem Stadium eine untergeordnete Rolle. Die Dauer ist abhängig von der Erhärtungsgeschwindigkeit des Mörtels sowie vom Zeitpunkt und der Art der Nachbehandlung. Maßgebend für die Tiefe der Kontaktrealkalisierung ist die Alkalität des Frischmörtels und die Erhärtungsgeschwindigkeit. Nach der Hydratation des mineralischen Werkstoffs stellt sich eine Ausgleichsfeuchte des Mörtels in Abhängigkeit von der relativen Luftfeuchtigkeit ein. Der maßgebende Einfluss während der diffusionsgesteuerten Realkalisierung ist das Feuchteangebot. Erst die Entstehung eines Sorbatfilms an der Porenoberfläche ermöglicht einen Alkalientransport und dementsprechend kann eine nennenswerte tiefenabhängige Realkalisierung erst ab etwa 95 % relativer Luftfeuchtigkeit ablaufen. Eine kleinere relative Luftfeuchtigkeit führt zu keiner signifikanten Erhöhung des Realkalisierungsfortschrittes. Nach der Hydratation des Mörtels ist bei zu geringen Luftfeuchtigkeiten zum Teil mit einem Rückgang der anfänglichen Kontaktrealkalisierung zu rechnen. Der Verlauf der Realkalisierung bei einer relativen Luftfeuchtigkeit > 95 % entspricht einer Wurzel-Zeit- Funktion (vgl. Bild 15). Bei kleineren relativen Luftfeuchtigkeiten kann kein effektives Fortschreiten der Realkalisierung in die Tiefe festgestellt werden. Bild 15: Ableitung des Wurzel-Zeit Gesetzes für Beton B1 und B2 bei Anwendung verschiedener Mörtelsysteme und Zementarten Die zur Verfügung stehende Feuchtigkeit ist nicht nur für einen tiefenabhängigen Alkalientransport relevant, sondern auch für die Beständigkeit des realkalisierten Bereiches. Die Untersuchungsergebnisse zeigten, dass bei Reduzierung des Feuchteangebots auf 60 % relative Luftfeuchtigkeit nach wenigen Wochen ein fast vollständiger Rückgang der Realkalisierung, welcher mittels Phenolphthalein als Indikator geprüft wurde, zu verzeichnen ist. Dank Die Autoren danken dem Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW) für die Förderung und Un- Realkalisierungsvermögen und Beständigkeit von mineralischen Beschichtungen 76 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 terstützung des Forschungsprojektes (W5-01-14) sowie den Mitgliedern des Projektbegleitenden Ausschusses für die wertvollen Hinweise und anregenden Diskussionen. 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(2020) [3] DVGW-Arbeitsblatt W 300: 2014-10 Trinkwasserbehälter; Teil 1: Planung und Bau; Teil 2: Betrieb und Instandhaltung; Teil 3: Instandsetzung und Verbesserung; Teil 4: Werkstoffe, Auskleidungs- und Beschichtungssysteme, Grundsätze und Qualitätssicherung auf der Baustelle; Teil 5: Werkstoffe, Auskleidungs- und Beschichtungssysteme, Anforderungen und Prüfung [4] DVGW-Arbeitsblatt W 347: 2006-05 Hygienische Anforderungen an zementgebundene Werkstoffe im Trinkwasserbereich - Prüfung und Bewertung [5] DVGW-Arbeitsblatt W 270: 2007-11 Vermehrung von Mikroorganismen auf Werkstoffen für den Trinkwasserbereich - Prüfung und Bewertung [6] DIN EN 934-2: 2012-08 Zusatzmittel für Beton, Mörtel und Einpressmörtel - Teil 2: Betonzusatzmittel - Definitionen, Anforderungen, Konformität, Kennzeichnung und Beschriftung [7] Schulte Holthausen, R.; Merkel, M.; Raupach, M.; Breit, W.: Auslaugung und Realkalisierung von mineralischen Beschichtungen in Trinkwasserbehältern. 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