eJournals Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis 6/1

Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis
ktw
expert verlag Tübingen
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2021
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Bemessung des Speicherinhaltes unter Berücksichtigung von Ausfallszenarien und Spitzenabgaben in Zeiten des Klimawandels

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2021
Paul Eckert
Michael Hiller
Aufgrund des notwendigen Rückbaus eines über 100 Jahre alten Trinkwasserspeicherbehälters war es notwendig einen neuen Behälter mit einem für den zukünftigen Bedarf angemessenen Volumen zu planen. Maßgebend für das ermittelte nutzbare Speichervolumen war der Wasserbedarf an Spitzentagen, eine geplante zweitägige Revision des größten Wasserwerks sowie ein Großrohrbruch. Aus den vorliegenden Betriebsdaten wurden Modellkurven des Tagesganges erstellt, welche für die Simulation der unterschiedlichen Szenarien herangezogen wurden. Der neue Speicherbehälter wird ein nutzbares Speichervolumen von 7.500 m³ sowie ein Gesamtvolumen von 12.000 m³ besitzen. Das nutzbare Speichervolumen der gesamten Behältergruppe wird gegenüber der heutigen Situation auf 75.000 m³ reduziert wird. Auch bei den Rekordwasserabgaben von 220.000 m³/Tag Sommer 2019 erwies sich die gewählte Dimensionierung als ausreichend. Basierend auf einem numerischen Strömungsmodell wurde eine rechteckige Geometrie des Behälters mit einer senkrechten Eindüsung gewählt, so dass die mittlere Verweilzeit des Wassers 36 Stunden beträgt.
ktw610123
6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 123 Bemessung des Speicherinhaltes unter Berücksichtigung von Ausfallszenarien und Spitzenabgaben in Zeiten des Klimawandels Paul Eckert Stadtwerke Düsseldorf AG, Düsseldorf Michael Hiller hydrograv GmbH, Dresden Zusammenfassung Aufgrund des notwendigen Rückbaus eines über 100 Jahre alten Trinkwasserspeicherbehälters war es notwendig einen neuen Behälter mit einem für den zukünftigen Bedarf angemessenen Volumen zu planen. Maßgebend für das ermittelte nutzbare Speichervolumen war der Wasserbedarf an Spitzentagen, eine geplante zweitägige Revision des größten Wasserwerks sowie ein Großrohrbruch. Aus den vorliegenden Betriebsdaten wurden Modellkurven des Tagesganges erstellt, welche für die Simulation der unterschiedlichen Szenarien herangezogen wurden. Der neue Speicherbehälter wird ein nutzbares Speichervolumen von 7.500 m³ sowie ein Gesamtvolumen von 12.000 m³ besitzen. Das nutzbare Speichervolumen der gesamten Behältergruppe wird gegenüber der heutigen Situation auf 75.000 m³ reduziert wird. Auch bei den Rekordwasserabgaben von 220.000 m³/ Tag Sommer 2019 erwies sich die gewählte Dimensionierung als ausreichend. Basierend auf einem numerischen Strömungsmodell wurde eine rechteckige Geometrie des Behälters mit einer senkrechten Eindüsung gewählt, so dass die mittlere Verweilzeit des Wassers 36 Stunden beträgt. 1. Einführung Aktuell betreiben die Stadtwerke Düsseldorf AG (SWD) eine Trinkwasserspeicheranlage mit insgesamt drei Hochbehältern. Basierend auf einer Bauzustandsanalyse wurde die Notwendigkeit erkannt, den Behälter 3 aus dem Jahre 1912 zu erneuern. Im Rahmen der Grundlagenplanung wurde zunächst das notwendige Speichervolumen des neu zu bauenden Hochbehälters ermittelt. Hierbei war gemäß der W 300-1 [1] der Speicherbedarf zur Abdeckung von Stundenspitzen maßgeblich sowie eine Risikobetrachtung von Ausfallszenarien im Versorgungsgebiet. Im Zuge der Entwurfsplanung wurden unterschiedliche Behältergeometrien mittels eines numerischen Strömungsmodells betrachtet. Darüber hinaus wurde das Strömungsmodell auch dazu genutzt eine optimale Eindüsung während der Befüllphase zu ermitteln. 2. Struktur der Trinkwasserversorgung der Stadtwerke Düsseldorf AG Die SWD versorgen aktuell die Städte Düsseldorf, Neuss, Mettmann und Erkrath mit rund 55 Mio. m³ Trinkwasser im Jahr. Seit Beginn der zentralen Trinkwasserversorgung basierend auf Rheinuferfiltrat im Jahr 1870 war der Betrieb eines Trink-wasserspeichers zentrales Element zur Abdeckung von Verbrauchsspitzen sowie zur Stabilisierung des Versorgungsdruckes im Versorgungsgebiet. Im Zuge des Anstiegs des Wasserbedarfs wurde über die Jahre mit dem Bau von insgesamt vier weiteren Behältern die nutzbare Speicherkapazität auf 82.000 m³ erhöht. Die Hochbehälteranlage “Auf der Hardt” befindet sich rund 60 m höher als das Düsseldorfer Stadtgebiet und wirkt somit überwiegend als Gegenbehälter (Abb. 1). Für die höher gelegenen Düsseldorfer Stadtteile sowie für die Städte Mettmann und Erkrath fungiert die Anlage als Durchlaufbehälter. Abbildung 1: Versorgungsgebiet der SWD Bemessung des Speicherinhaltes unter Berücksichtigung von Ausfallszenarien und Spitzenabgaben in Zeiten des Klimawandels 124 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 3. Dimensionierung des neuen Speicherbehälters Da basierend auf einer Bauzustandsanalyse der 1912 errichtete Behälter 3 nicht mehr saniert werden konnte, entschieden sich die SWD für einen Neubau an gleicher Stelle. Die W 300-1 fordert zur Bestimmung des Nutzvolumens die angestrebte Versorgungssicherheit und Betriebsreserven zu betrachten. Richtigerweise wird mittlerweile so ein Systemverständnis unter Einbeziehung von Risikobetrachtungen eingefordert anstelle eines vorgegebenen Verhältnisses zwischen Wasserbedarf und Speichervolumen. Die tägliche Spitzenabgabe erreichte in den letzten Jahren an den außergewöhnlich heißen Sommertagen Werte über 200.000 m³/ Tag (Abb.2). Abbildung 2: Tägliche Spitzenabgabe Um an Tagen mit Spitzenabgaben über 200.000 m³/ Tag die stündlichen Spitzenabgaben in den Morgen- und Abendstunden abzusichern, ist im Laufe des Tages ein Abfluss aus der Hochbehälteranlage von bis zu 25.000 m³ notwendig. Für die Ermittlung des nutzbaren Speichervolumens wurde weiterhin eine Betriebsreserve von 12.000 m³ angesetzt, die einen ungeplanten, zeitlich begrenzten Ausfall eines Wasserwerkes oder einen Großrohrbruch kompensiert. Final wurde auch die geplante, zweitägige Revision des größten Wasserwerks bei gleichzeitigem Volllastbetrieb der anderen beiden Wasserwerke betrachtet. Hierzu wurde basierend auf dem bekannten stündlichen Wasserbedarf der Behältergang mit unterschiedlichen Behältervolumen simuliert (Abb. 3). Aus dieser Simulationsrechnung wurde ermittelt, dass der neu zu bauende Behälter ein nutzbares Speichervolumen von 7.500 m³ aufweisen muss, um einen solchen Ausfall zu überbrücken. Zusammen mit den bestehenden beiden Behältern stehen dann rund 45.000 m³ zur Verfügung. Dieses Speichervolumen wird sich zukünftig dann auf drei Behälter aufteilen. Die vorhandenen Behälter 4 und 5 bestehen jeweils aus zwei Kammern. Der neue Behälter 6 wird mit nur noch einer Kammer errichtet, da dann mit insgesamt fünf Kammern eine ausreichende Unterteilung der gesamten Anlage für notwendige Außerbetriebnahmen zur Begehung und Reinigung vorliegt. Abbildung 3: Simulation der Behälterganglinie 4. Modellierung der Behälterdurchströmung Nach der Festlegung des notwendigen Speichervolumens wurde im Zuge der Entwurfsplanung untersucht, ob der Behälter in einer rechteckigen oder runden Bauweise ausgeführt werden soll. Mittels eines numerischen Strömungsmodells wurden jeweils für beide Geometrien die Strömungsbahnen und aufgeprägten Geschwindigkeiten simuliert. Ziel war es, zu erkennen inwieweit der Behälter während der Befüll- und Entleerungsphase optimal durchströmt wird, so dass keine Bereiche mit hohen Aufenthaltszeiten entstehen. Die numerische Simulation wurde mit der Software AN- SYS CFX durchgeführt [2]. Die Geometrie des Behälters, der ein Gesamtvolumen von 12.000 m³ aufweist, wurde für beide Varianten in dem Berechnungsgitter dreidimensional abgebildet. Die Anordnung der geplanten Betonstützen wurde hierbei berücksichtigt. Durch die getreue Abbildung der Tagesganglinie und dem sich ständig ändernden Wasserspiegel, müssen Strömungsberechnungen transient durchgeführt werden. Zur Berücksichtigung der Wasserspiegeländerung wird das zur Simulation nötige Berechnungsgitter zu jedem Zeitpunkt kontinuierlich angepasst. Die wesentlichen Randbedingungen für die Simulation sind die Zu- und Abflussmengen sowie der Anfangswasserspiegel. Für beide Behälterformen wurde während einer Befüll- und Entleerungsperiode eine gute Durchmischung nachgewiesen. Es wurde jeweils eine senkrechte Eindüsung angenommen, die zu einer Ausprägung von zwei Strömungswalzen führte. Diese blieben auch während der folgenden Entleerung in Ihrer Grundstruktur erhalten. Da in dem zur Verfügung stehenden Baufeld sich der rechteckige Behälter besser einpasst, wurde diese Behälterform im Rahmen der Ausführungsplanung weiter verfolgt. In einer folgenden Modellrechnung wurde für die rechteckige Bauform die Auswirkung der Einströmungsrichtung untersucht. Basierend auf früheren Studien an Trinkwasserbehältern ist eine Einströmgeschwindigkeit von ca. 1 m/ s anzustreben [3]. Eine ungehinderte Ein- Bemessung des Speicherinhaltes unter Berücksichtigung von Ausfallszenarien und Spitzenabgaben in Zeiten des Klimawandels 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 125 strömung mit diesem Energieeintrag wurde im 45 Grad sowie 90 Grad Winkel zur Behälterwand simuliert. Abbildung 4 zeigt die Strömungsstruktur für die senkrechte Eindüsung während der Befüllphase. Es entstehen zwei ähnlich große Wirbel mit geringeren Geschwindigkeiten in Ihren Zentren. Diese Bereiche werden in der Entleerungsphase in Richtung des Auslaufs bewegt, so dass diese spätestens in der folgenden Befüllung von der Dynamik der Walze erfasst werden. Abbildung 4: Stromlinien und Fließgeschwindigkeit bei einer senkrechten Eindüsung Bei schräger Zuströmung ergibt sich ein großer Wirbel, der einen Großteil der Grundfläche einnimmt. Links vom Zuflussstrahl, der durch den großen Wirbel zusätzlich umgelenkt wird, bildet sich in der Ecke ein kleinerer Wirbel (Abb. 5). Grundsätzlich ergab auch diese Anordnung einen guten Wasseraustausch. Allerdings ist der Anteil von Bereichen mit geringer Bewegung während der Füllphase hier etwas ausgeprägter. Abbildung 5: Stromlinien und Fließgeschwindigkeit bei einer schrägen Eindüsung Aus diesem Grund kommt die senkrechte Eindüsung zur Ausführung. Die mittlere Verweilzeit des Wassers beträgt bei der Berücksichtigung des häufigsten Wasserbedarfs im Düsseldorfer Versorgungsgebiet und der hieraus resultierenden Behälterganglinie 36 Stunden in dem neu zu bauenden Behälter. Zur Bestimmung des Wasseralters wurde neben der numerischen Modellierung auch verschiedene analytische Berechnungen durchgeführt [2]. 5. Literaturverzeichnis [1] DVW W 300-1 “Trinkwasserbehälter - Planung und Bau” [2] Untersuchungen des geplanten Trinkwasserspeichers Düsseldorf-Gerresheim mit CFD-Simulation; hydrograv GmbH, Dresden. - Interner Bericht an die Stadtwerke Düsseldorf AG, Juli 2020 [3] Schuber,J und Maier, D. (1976) Untersuchungen über denWasseraustausch in Trinkwasserbehältern, gwfwasser/ abwasser 117(7).