eJournals Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis 6/1

Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis
ktw
expert verlag Tübingen
91
2021
61

Neubau eines Systembehälters unter besonders schwierigen Rahmenbedingungen

91
2021
Werner Pfahler
Nach mehr als 100 Jahren Betriebszeit steht der Neubau / Sanierung des Trinkwasserbehälters „Hohe Halde“ in Stuttgart Rohracker an. Auf Grundlage der Zustandsanalyse fiel die Wahl unter Berücksichtigung des Istzustandes und der Rahmenbedingungen auf einen Neubau. Nach Untersuchung möglicher Standorte war ein freistehender „Edelstahlbehälter“ vorgesehen. Im Zuge des Genehmigungsverfahrens stellte sich dies jedoch als sehr schwierig dar, so dass schlussendlich ein erdverlegter Röhrenbehälter, bestehend aus drei Röhren zur Ausführung kommt.
ktw610127
6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 127 Neubau eines Systembehälters unter besonders schwierigen Rahmenbedingungen Werner Pfahler Netze BW Wasser GmbH Stuttgart Zusammenfassung Nach mehr als 100 Jahren Betriebszeit steht der Neubau / Sanierung des Trinkwasserbehälters „Hohe Halde“ in Stuttgart Rohracker an. Auf Grundlage der Zustandsanalyse fiel die Wahl unter Berücksichtigung des Istzustandes und der Rahmenbedingungen auf einen Neubau. Nach Untersuchung möglicher Standorte war ein freistehender „Edelstahlbehälter“ vorgesehen. Im Zuge des Genehmigungsverfahrens stellte sich dies jedoch als sehr schwierig dar, so dass schlussendlich ein erdverlegter Röhrenbehälter, bestehend aus drei Röhren zur Ausführung kommt. 1. Istzustand Der bestehende Trinkwasserbehälter Baujahr 1909 hat nur eine Wasserkammer und entspricht nicht mehr dem Stand der Technik Das Speichervolumen mit 240m³ ist deutlich zu klein. Die Anlage hat topografisch bedingt, keine Zufahrt und ist nur durch einenFußweg zu erreichen. Im Normalbetrieb und bei Störungen ist eine schnelle Reaktion vor Ort nicht möglich. Zudem liegt die Anlage am Ende der langgestreckten Zone, was sich ungünstig im Normalbetrieb und bei Störungen auswirkt. Lageplan bestehender Trinkwasserbehälter “Hohe Halde” in schwierig zugänglichem Gelände 1.1 Zustandsanlyse Bereits im Jahre 2010 wurde als Grundlage für die weitere Planung eine detailierte Zustandsanlyse durchgeführt. Die Wände bestehen aus Stampfbeton, die Decke aus Stahlbeton. Der Rohrkeller ist sehr beengt, die Hydraulik entspricht nicht mehr dem Stand der Technik. Eine Sanierung bzw. Erweiterung ist nach eingehender Prüfung nicht wirtschaftlich. 2. Variantenuntersuchung Als erster Schritt bei der Entscheidung für eine Variante bzw. bei der Neubauplanung, sei auf die Wichtigkeit des Betriebskonzeptes bzw. Anlagenmanagementes hingewiesen. Hier werden die Weichen für eine wirtschaftliche und nachhaltige Lösung gestellt, bzw. fallen Entscheidungen für evtl. Fehlinvestitionen. Bezüglich eines Neubaues wurden bedingt durch die sehr steile Topographie 6 mögliche Varianten als Standort ermittelt. Unter Abwägung der Punkte Versorgungssicherheit, Anfahrbarkeit, Realisierbarkeit, Wirtschaftlichkeit, Notversorgung während der Bauzeit, Berücksichtigung Bestand sowie Schutzgebiete und Biotope fiel die Wahl schlussendlich auf Variante 5. Neubau eines Systembehälters unter besonders schwierigen Rahmenbedingungen 128 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Bewertungsmatrix der untersuchten Varianten Mit dieser Variante können auch Defizite der Hochzone Rohracker behoben warden. Lageplan der untersuchten Varianten Da sämtliche Standorte im Landschaftsschutzgebiet liegen wurde eine Eingriffs- und Ausgleichsuntersuchung sowie eine faunistische und artenschutzrechtliche Untersuchung durchgeführt. 3. Neubau (Variante 5) Auf Grundlage des Betriebskonzeptes wurde das erforderliche Volumen für die Variante 5 auf Grundlage des DVGW Arbeitsblattes W 300-1 mit 500 m³ ermittelt. Maßgeblich war hierbei die Vorhaltung der Feuerlöschmenge. 3.1 Edelstahlbehälter Bedingt durch die Lage und Form des noch zu erwerbenden Grundstückes, sowie die direkt angrenzende Bebauung fiel die Art der Ausführung auf zwei freistehende Edelstahlbehälter mit je 250 m³. Vor allem die sehr enge Zuwegung, die kurze Bauzeit sowie die geringe Erdmassenbewegungen waren letztendlich die maßgeblichen Kriterien für diese Art der Bauweise. Die beiden Edelstahlbehälter wären durch ein freistehendes Gebäude mit entsprechendem Objektschutz umhaust worden. Lageplan Edelstahlbehälter Im Zuge des Genehmigungsverfahrens waren die Einwände der Anwohner und des Bezirksbeirates so groß, das nach mehreren Abstimmungsterminen schlussendlich diese Art des Neubaues verworfen werden musste. Unter anderem war die befrüchtete Verschattung ein Thema. Hierzu wurde extra ein Verschattungsmodell erstellt. Modell Verschattung Edelstahlbehälter 3.2 Röhrenbehälter Ein konventionell erstellter Stahlbetonbehälter scheidet wegen der sehr engen Zufahrt aus. Klar war, dass es ein Systembehälter auf Grundlage des DVGW Merkblattes W 300-6 (System- und Fertigteilbehälter) werden wird. Nach Abwägung der möglichen Ausführungen fiel die Wahl auf einen Röhrenbehälter. Für die Umsetzung mussten zwei weitere Grundstücke erworben warden. Nach mehreren schwierigen Verhandlungen konnten diese beiden angrenzenden Grundstücke erworben werden. Um das erforderliche Speichervolumen von 500 m³ zu bekommen, müssen drei Röhren mit jeweils unterschiedlichen Inhalten erstellt werden. Neubau eines Systembehälters unter besonders schwierigen Rahmenbedingungen 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 129 Lageplan Röhrenbehälter mit drei Röhren Die Röhren aus PE sind dabei erdangedeckt und mit mechanischem Schutz versehen. Bei den Röhren handelt es sich um ein zweischaliges System. Der Zwischenraum ist durch Überbzw. Unterdruck online “Lecküberwacht”. Somit können eventuelle Undichtigkeiten sofort erkannt werden. Bei dieser Bauweise sind natürlich größere Erdmassenbewegungen erforderlich als bei den ursprünglich geplanten Edelstahlbehältern. Es musste auch eine größere Menge an Erdmassen (Verdrängung) abgefahren werden. Die Schwierigkeit bei dem Röhrenbehälter besteht darin, die 3,50 m im Durchmesser grossen Röhren über die engen Wege an den Verlegeort zu bekommen. Um dies auch bei der Ausführung sicherzustellen, wurden im Zuge der Ausschreibung und Vergabe mehrere vor Ort Begehungen durchgeführt. 4. Leitungsbau / Hydraulik Zulauf zum Trinkwasserbehälter bleibt die bestehende Zuleitung der Hochzone Rohracker. Der Vordruck wird durch eine Turbine abgespannt und der damit erzeugte überschüssige Strom ins Netz eingespeist. Das bestehende Reduzierventil für die Hochzone (derzeit noch in einem Schacht untergebracht) wird in den Rohkeller des Neubaues integriert. Die Entnhameleitung DN 200 wurde bereits im Herbst 2019 im Spülbohrverfahren im Steilhang errichtet. Um eine Verkeimung dieser Leitung zu vermeiden, wird diese Leitung provisorisch, parallel zur bestehenden Hochzonenversorgung eingebunden. Nach Fertigstellung des Neubaues wird diese Entnahmeleitung auf die Niederzone Rohracker umgestellt. Die dazu erforderlichen Armaturen wurden bereits verbaut. Entnahmeleitung (bereits ausgeführt) Nach Inbetriebnahme des Neubaues wird der alte Trinkwasserbehälter außer Betrieb genommen. Die Zuleitung dient nach Einbau einer Druckreduzierung als Ersatzversorgung. 5. Bau Mit derm Bau des Röhrenbehälters wurde im Herbst 2020 begonnen. Die Fertigstellung ist bis Ende 2021 vorgesehen. Spatenstich im Oktober 2020 unter Einhaltung der Corona - Hygienevorschriften