eJournals Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis 6/1

Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis
ktw
expert verlag Tübingen
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2021
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Instandsetzung mit besonderen Herausforderungen am Beispiel des Wasserwerks Schierstein

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2021
Helmut Richter
Melanie Merkel
Wolfgang Breit
Im Rahmen der Instandsetzungsarbeiten des Wasserwerks Wiesbaden-Schierstein wurden nach der Untergrundvorbereitung der Wandflächen bräunliche Verfärbungen an der Betonoberfläche festgestellt. In diesen Bereichen lag, wie im weiteren Verlauf der Maßnahme festgestellt wurde, eine fortgeschrittene Bewehrungskorrosion vor. Anhand einer Zustandsanalyse wurde abgeschätzt, welche Schadensmechanismen ursächlich für die Korrosionserscheinungen waren. Anhand der im Folgenden beschriebenen Ergebnisse der Zustandsanalyse soll die Relevanz einer dichten Betonrandzone hervorgehoben werden. Kiesnester, Fehlstellen in der Gefügematrix des Betons und Hohllagen führen zu Transportwegen für Schadstoffe und Wasser und können aufgrund der dauerhaften Wassersättigung zu einer lokalen Auslaugung dieser Bereiche und daraus resultierenden Werkstoffveränderungen führen.
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6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 225 Instandsetzung mit besonderen Herausforderungen am Beispiel des Wasserwerks Schierstein Dipl.-Ing. Helmut Richter Technik / Planung und Bau, Hessenwasser GmbH & Co. KG, Gross-Gerau Dr.-Ing. Melanie Merkel bsm² Breit ∙ Schuler ∙ Merkel Beratende Ingenieure PartGmbB, Kaiserslautern Univ.-Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Breit Technische Universität Kaiserslautern, Fachgebiet Werkstoffe im Bauwesen, bsm² Breit ∙ Schuler ∙ Merkel Beratende Ingenieure PartGmbB, Kaiserslautern Zusammenfassung Im Rahmen der Instandsetzungsarbeiten des Wasserwerks Wiesbaden-Schierstein wurden nach der Untergrundvorbereitung der Wandflächen bräunliche Verfärbungen an der Betonoberfläche festgestellt. In diesen Bereichen lag, wie im weiteren Verlauf der Maßnahme festgestellt wurde, eine fortgeschrittene Bewehrungskorrosion vor. Anhand einer Zustandsanalyse wurde abgeschätzt, welche Schadensmechanismen ursächlich für die Korrosionserscheinungen waren. Anhand der im Folgenden beschriebenen Ergebnisse der Zustandsanalyse soll die Relevanz einer dichten Betonrandzone hervorgehoben werden. Kiesnester, Fehlstellen in der Gefügematrix des Betons und Hohllagen führen zu Transportwegen für Schadstoffe und Wasser und können aufgrund der dauerhaften Wassersättigung zu einer lokalen Auslaugung dieser Bereiche und daraus resultierenden Werkstoffveränderungen führen. 1. Allgemeines 1.1 Historie Bereits im Jahr 1904 wurden die ersten Brunnen zur Grundwassergewinnung im Wasserwerk Wiesbaden- Schierstein angelegt. Zwanzig Jahre später begann die Infiltration von Rheinwasser, da das lokal verfügbare Grundwasser aus Schierstein und aus den Stollen im Taunus nicht mehr ausreichte, um Wiesbaden zu versorgen. Das geförderte Wasser wurde vor der Abgabe ins Netz über großflächige Langsamsandfilter (LSF) geführt. Seit 1961 wurde das Rheinwasser vor der Versickerung im Rheinwasseraufbereitungswerk (RAW) aufbereitet und Ende der 1970ger Jahre ging eine neue Grundwasseraufbereitungsanlage (GAA) mit dem sogenannten „Refifloc“-Filtrationsverfahren in Betrieb. Die GAA, mit zwei Straßen je drei Refifloc-Filterkammern aus Beton wurde den LSF vorgeschaltet. Bild 1: Luftaufnahme des Wasserwerkstandortes Wiesbaden-Schierstein (vorne rechts die GAA, hinten links das RAW, dazwischen im Grünland die Infiltrationsanlagen und Förderbrunnen) Aufgrund dieser, mittlerweile sehr aufwändigen Betriebsweise des Wasserwerks wurden bereits in den 1990ger Jahren erste Überlegungen zur Neukonzeption angestellt. Nach der Beteiligung der ESWE Versorgungs AG an der Hessenwasser GmbH & Co. KG im Jahre 2004 wurden die Planungen auch im Licht der gewandelten Rahmenbedingungen wieder aufgenommen und auf der Grundlage umfangreicher Untersuchungen und Variantenbetrachtungen konkretisiert. In einem ersten Schritt Instandsetzung mit besonderen Herausforderungen am Beispiel des Wasserwerks Schierstein 226 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 ersetzten ab 2012 zwei neu errichtete Horizontalfilterbrunnen die bis dahin 42 betriebenen Vertikalbrunnen. Hierdurch konnte unter anderem der Energiebedarf in der Wassergewinnung um 75 % reduziert werden. Ab 2016 wurde der Betrieb des RAW eingestellt. Durch den Wegfall der Infiltration reduzierte sich das aus dem Aquifer gewinnbare Dargebot sowie damit einhergehend die ins Netz eingespeiste Trinkwassermenge. Ebenso veränderte sich die Rohwasserqualität. Die Fehlmenge wird seitdem durch den Bezug von einem benachbarten Wasserversorger über eine neu errichtete Verbundleitung DN 500 kompensiert. Auf die Qualitätsveränderungen im Rohwasser und auf die ohnehin anstehende Modernisierungserfordernis sollte mit der Ertüchtigung und Optimierung der aufwändig zu betreibenden GAA reagiert werden. Um hier zu einer optimalen Lösung zu kommen, wurde ein Ingenieurwettbewerb ausgelobt, mit dem Ziel, ein auf die neue Situation angepasstes Aufbereitungsverfahren zu entwickeln, welches den Bestand möglichst integriert und einen kosten- und insbesondere energieoptimierten Betrieb ermöglicht. Im Ergebnis wurde einer Variante der Vorzug gegeben, die ein modernes vierstufiges Aufbereitungsverfahren mit Durchströmung im freien Gefälle innerhalb der bestehenden Gebäudekubatur vorsah. Das Herzstück des neuen Aufbereitungskonzepts sollte aus Sandfiltern (SF) zur Enteisenung/ Entmanganung und Aktivkohlefiltern (AKF) zur Adsorption von organischen Stoffen bestehen. Vor der Filtration sollte das Rohwasser aus den beiden Horizontalfilterbrunnen über Riesler geleitet und auf diese Weise mit natürlicher Luft belüftet werden. Weiterhin war vorgesehen, das Wasser nach den beiden Filtrationsstufen ebenso mit natürlicher Luft zu entsäuern und anschließend mit UV-Strahlung zu desinfizieren. Das so aufbereitete Wasser würde somit vollständig den Anforderungen der Trinkwasserverordnung und des DVGW Regelwerks entsprechen. Der Betrieb der großflächigen, alten LSF sollte nach vollständiger Inbetriebnahme der neuen Technik eingestellt werden. 1.2 Ausgangslage Die in den weiteren Planungsphasen konkretisierte Vorzugsvariante sah vor, die in der GAA bestehenden zwei Straßen je drei Aufstromfilter des Refifloc-Verfahrens zu drei SF und zwei AKF umzubauen. Ein Filter sollte als Reserve für einen späteren, dritten AKF dienen. Die sechs geschlossenen Filterkammern aus Beton haben je eine Grundfläche von je 5,00 m x 5,25 m und eine Höhe von 6,40 m. Dem energetisch optimierten, hydraulischen Konzept des neuen Verfahrens lag dabei zugrunde, dass die Filter zukünftig als überstaute Filter (Druckfilter) zu betreiben waren. Der Umbau sollte in zwei Bauabschnitten erfolgen: Zunächst war die Straße 2 zu den drei SF bei vollem Betrieb der Straße 1 umzubauen. Nachdem die drei SF dann ihre volle Aufbereitungsleistung erreicht hätten, sollte im 2. Bauabschnitt die Straße 1 zu den beiden AKF umgebaut werden. Somit konnte die erforderliche, unterbrechungsfreie Versorgung mit Trinkwasser vom Standort Wiesbaden-Schierstein aus gewährleistet werden. Da für den geplanten Umbau das Entfernen aller in die Baukonstruktion integrierten Einbauten innerhalb der Filterkammern erforderlich war, musste auch aus statischer Sicht ein detailliertes Umbaukonzept erstellt werden. Die bestehende Konstruktion musste an diversen Stellen unter Berücksichtigung angepasster Lastansätze erneut nachgewiesen werden. Insbesondere wurde mit dem statischen Konzept überprüft, ob die vorhandene Konstruktion die neue Belastung aus dem Druckfilterbetrieb zulässt. Im Ergebnis wurde festgestellt, dass die Konstruktion, diese Lasten nur mit Hilfe von Unterstützungsmaßnahmen im darunterliegenden Trinkwasserbehälter aufnehmen kann [1]. Eine weitere Herausforderung stellte die Planung der erforderlichen Wanddurchführungen dar. Um das regelwerkkonforme Fitrationsverfahren zu realisieren und die gemäß der arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen erforderliche Zugänglichkeit sicherzustellen, mussten große Öffnungen in den Stahlbetonwänden hergestellt werden. Mit Hilfe von speziellen Konstruktionen wurden hierbei die strengen Vorgaben des Tragwerksplaners umgesetzt. Allerdings konnten die hieraus resultierenden sehr kleinen Ringspalte später nur sehr schwierig vergossen werden. Als dritte Aufgabe waren die oben offenen Filterzwischenwände der einzelnen Straße bis zur Decke zu verschließen, um den unabhängigen Betrieb der Druckfilter zu gewährleisten. Herausforderung war dabei, dass die neu erstellten Wanderhöhungen luft- und wasserdicht an die bestehenden Wände und Decken anzuschließen waren. Innerhalb der Filterkammern waren somit diverse Stahlbetonarbeiten im trinkwasserrelevanten Bereich und damit u. a. unter Berücksichtigung der DVGW-Regelwerksreihe W 300 auszuführen. Weiterhin war abzusehen, dass auch die vorhandenen Betonoberflächen innerhalb der Filterkammern nach 40 Betriebsjahren instand zu setzen waren. Diese Einschätzung wurde durch entsprechende Bauzustandsanalysen bestätigt. Die daraus resultierende Instandsetzungsplanung sah ein klassisches Vorgehen mit Untergrundvorbehandlung und Auftrag eines mineralischen Mörtels vor. Nach Planung, Ausschreibung und Vergabe der Gesamtmaßnahme begannen im Herbst 2017 die Rückbauarbeiten mit der Entfernung aller Stahlbeton-Einbauteile der Filterstraße 2. Durch drei zuvor hergestellte Wandöffnungen von knapp 1 m x 1 m, welche später mittels Drucktür den Zugang zu den Filterkammern gewährleisten, wurden die zerteilten Konstruktionen herausmanövriert. Nach vollständiger Entkernung und Herstellung neuer sowie dem Verschließen nicht mehr benötigter Öffnungen in Sohle und Wänden der Filterkammern starteten die Betoninstandsetzungsarbeiten im April 2018. Instandsetzung mit besonderen Herausforderungen am Beispiel des Wasserwerks Schierstein 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 227 Bild 2: Zerteilen der Filterzulaufrinne in transportable Einheiten 1.3 Problemstellung Nach dem Druckluftstrahlen mit festem Strahlmittel zeigten sich im Bereich der Wände bräunliche Verfärbungen an den Betonoberflächen, die auf flächige Korrosionsaktivitäten hindeuteten (vgl. Bild 3). Daraufhin wurden die auffälligen Bereiche bis zur Bewehrung freigestemmt und wie erwartet, wurde dort fortgeschrittene Bewehrungskorrosion festgestellt (vgl. Bild 4). Die Boden- und Deckenbereiche der Filterkammern zeigten keine derartigen auffälligen Veränderungen an den Oberflächen. Bild 3: Bräunliche Verfärbungen an der Betonoberfläche nach dem Strahlen, Filterkammer Bild 4: Bis zur Bewehrung geöffnete Schadstellen, Filterkammer Zunächst konnte nicht eingeschätzt werden, welcher Schadensmechanismus zu der vorliegenden Bewehrungskorrosion geführt hat und wie die Instandsetzung der betroffenen Flächen aussehen kann. Anhand von labortechnischen Untersuchungen sollten daher die Ursachen und das Ausmaß der Bewehrungskorrosion abgeschätzt werden. Darauf basierend wurden im Rahmen einer gutachterlichen Stellungnahme verschiedene Instandsetzungsmöglichkeiten aufgezeigt. 2. Ergebnisse der Untersuchungen 2.1 Inaugenscheinnahme Zum Zeitpunkt der Begehung war in den korrosionsauffälligen Flächen der Beton bereits bis zur Bewehrungslage entfernt worden. Die Gefügestruktur der Betonrandzone oberhalb der Korrosionserscheinungen konnte somit nicht mehr untersucht werden. Die freigelegten Bereiche zeigten in allen Kammern vergleichbare Korrosionserscheinungen der Bewehrung (vgl. Bilder 5 bis 7). Zum Teil ist ein flächiger Abtrag der Bewehrung erkennbar ohne tiefgehende Querschnittsverluste. Örtlich begrenzt liegt ein muldenförmiger Abtrag der Bewehrung bis hin zum vollständigen Querschnittsverlust vor (vgl. Bilder 5 und 6). Entlang des Boden/ Wand-Anschlusses der Filterkammer führt konzentriert im Fußpunkt eine muldenförmige Korrosion zu einem vollständigen Querschnittsverlust der Bewehrung (vgl. Bilder 6 und 7). In den Übergangsbereichen zwischen freiliegender und einbetonierter, korrodierter Bewehrung waren Kiesnester und Fehlstellen im Betongefüge ersichtlich. Auch in Bereichen außerhalb der Bewehrung sind punktuell Kiesnester und Fehlstellen im Beton detektiert worden. Instandsetzung mit besonderen Herausforderungen am Beispiel des Wasserwerks Schierstein 228 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Bild 5: Übersicht freigestemmte Wandbereiche, Refiltrationskammer Bild 6: Freigelegter Wandbereich, Übergang Boden/ Wandanschluss Bild 7: Freigelegter Wandbereich, flächige Schadstelle In Absprache mit Hessenwasser wurden folgende Untersuchungen zur Ermittlung der Korrosionsursache vorgeschlagen: - Untersuchung der Gefügestruktur des Betons - Ermittlung des Korrosionszustands der Bewehrung - Ermittlung der Alkalitätsgrenze - Stichpunktartige Ermittlung der Chloridkonzentration im Beton 2.2 Gefügestruktur des Betons Die Betrachtung der Gefügestruktur des Betons unter dem Auflichtmikroskop ergab, dass sowohl an der korrodierten als auch an der intakten Bewehrung Hohlstellen vorlagen, so dass bereichsweise kein vollflächiger Verbund zwischen Bewehrung und Beton vorhanden ist (vgl. Bilder 8 und 9). Über die gesamte Mantelfläche der aus dem Bauwerk entnommenen Bohrkernproben waren verteilt Poren im Betongefüge ersichtlich, wobei insbesondere an der Bewehrung Hohlstellen in Form von Kiesnestern vorgefunden wurden. Bild 8: Abwicklung der Mantelfläche (am Bauwerk entnommene Bohrkernprobe) Bild 9: Auflichtmikroskopie der Gefügestruktur des Betons im Bereich der Bewehrung (am Bauwerk entnommene Bohrkernprobe) 2.3 Alkalitätsgrenze im Bereich der Bewehrung Die Auslaugtiefe kann an frischen Bruchstellen ermittelt werden. Nach dem Aufschlagen der Messstelle wird diese mit einem Indikator (Phenolphthaleinlösung) besprüht. Der Indikator schlägt ab einem pH-Wert von ca. 9 aufwärts in eine violette Färbung um. Der ausgelaugte Bereich bleibt farblos. Anhand des Farbumschlags kann die Tiefe der Auslaugfront mithilfe einer Schieblehre oder sonstigem geeigneten Messmittel, analog zur Ermittlung der Carbonatisierungstiefe, bestimmt werden. Die normgemäße Prüfung der Carbonatisierungstiefe erfolgt nach DIN EN 14630 [2] und kann hier äquivalent angewendet werden. Instandsetzung mit besonderen Herausforderungen am Beispiel des Wasserwerks Schierstein 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 229 Gemäß DVGW-Arbeitsblatt W 300-3 [3] wird die Alkalitätsgrenze als Bereich zwischen hoher und niedriger Alkalität des Betons definiert, welche mit dem Phenolphthaleintest ermittelt wird. Bild 10 zeigt exemplarisch das Ergebnis einer Phenolphthaleinprüfung an einer Bohrkernprobe. Sowohl die Bewehrung als auch die Kontaktfläche des umgebenden Betons wurde vorsichtig entfernt und mit dem Indikator besprüht. Es zeigte sich, dass in Bereichen der Bewehrungskorrosion ein Abfall der Alkalität unterhalb des Umschlagpunktes im Kontaktbereich des Betons vorlag. Zudem wurde festgestellt, dass Kiesnester und unzureichend in den Beton eingebettete Bewehrungsstähle im Bereich der geringen Alkalität vorlagen. Bild 10: Phenolpthaleinprüfung an der Bewehrungsunterseite sowie der Bruchfläche 2.4 Korrosionszustand der Bewehrung Die Korrosionserscheinungen lassen darauf schließen, dass im Wesentlichen Muldenkorrosion vorliegt. In Teilbereichen wurde daneben auch Lochkorrosion festgestellt. Bei der Unterscheidung zwischen Loch- und Muldenkorrosion spielt das Verhältnis von Korrosionstiefe zu Durchmesser des korrodierten Bereiches eine entscheidende Rolle. Bei der Lochkorrosion ist die Tiefe der Korrosionsstelle größer als ihr Durchmesser und außerhalb liegt kein Flächenabtrag vor, falls passivzerstörende Stoffe, beispielsweise Chloride, einwirken [4]. Bei der Muldenkorrosion dagegen ist der Durchmesser der Mulde größer als ihre Tiefe. Außerhalb der Mulde kann ein begrenzter Flächenabtrag stattfinden. In welcher Intensität die Korrosion stattfindet, hängt im Wesentlichen von den vorliegenden Potentialdifferenzen, dem Verhältnis von Kathodenzu Anodenfläche und der Summe der Widerstände im Korrosionselement ab. Bei der Begutachtung des Bewehrungsstahls unter dem Auflichtmikroskop zeigte sich, dass im Bereich der Rippen örtlich begrenzt Lochkorrosion ersichtlich ist (vgl. Bild 11). Die sonst flächigen Korrosionserscheinungen weisen allerdings überwiegend auf Muldenkorrosion hin. Bild 11: Bauseits entnommener Bewehrungsstahl 2.5 Chloridgehalt im Bereich der korrodierten Bewehrung Eindringende Chloride führen in Stahlbetonbauteilen ab einem bestimmten Chloridgehalt im Beton zur Zerstörung der schützenden Passivoxidschicht des Bewehrungsstahls. Als Folge der Depassivierung der Bewehrung kann ein aktiver Korrosionsprozess mit den bekannten, unerwünschten Folgen der Eisenauflösung und der damit verbundenen Volumenvergrößerung der Korrosionsprodukte grundsätzlich beginnen. Der Grenzwert der Chloridbelastung im Beton auf Höhe der Bewehrung bei dem der Stahl depassiviert und somit der aktive Korrosionsprozess initiiert wird, wird in diesem Zusammenhang als „kritischer korrosionsauslösender Chloridgehalt“ bezeichnet [5]. Die DAfStb-Richtlinie „Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen (RiLi SIB)“ [6] enthält einen Schwellenwert für den Chloridgehalt in Höhe von 0,5 M.-%, bezogen auf den Zementgehalt. In der Richtlinie heißt es, dass „zur Beurteilung der erforderlichen Maßnahmen ein sachkundiger Planer einzuschalten ist“, wenn der Chloridgehalt in der Betondeckung bzw. im Bereich der Bewehrungslage einen Wert von 0,5 M.-%, bezogen auf die Zementmasse, überschreitet. Dieser Schwellenwert ist nicht zwingend mit einem aktiven Korrosionsprozess verbunden. Daher ist eine Bewertung des tatsächlichen Korrosionszustands bzw. der Korrosionsbedingungen durch einen sachkundigen Planer vorzunehmen. In Tabelle 1 sind die ermittelten Chloridgehalte an der Bewehrung unter Berücksichtigung des Verhältnisses von Zement zu Gesteinskörnung mit einem Faktor von gerundet 1: 7 angegeben (Annahme: Rohdichte 2.400 kg/ m³ und Zementgehalt 350 kg/ m³). Anfänglich wurden an den Bohrkernproben direkt am Bewehrungsstahl Proben entnommen. Aufgrund streuender Chloridgehalte, die nicht in Bezug zu der Größenordnung der Chloridanalysen des Wassers gebracht werden konnten, wurden zusätzliche Vergleichsmessungen durchgeführt. Instandsetzung mit besonderen Herausforderungen am Beispiel des Wasserwerks Schierstein 230 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Die Chloridgehalte der Bohrkernproben BK 1, BK 2, BK 3 und BK 3-2 liegen unterhalb des oben beschriebenen Schwellenwertes von 0,5 M.-%/ z. Nur in Verbindung mit der pH-Wert-Erniedrigung am Bewehrungsstahl und den vorgefundenen Chloridgehalten sind die erheblichen Korrosionsschäden erklärbar. Die Chloridgehalte der Bohrkernproben BK 1-2, BK 4, BK 4-2 und der Probe P 3 liegen oberhalb des Schwellenwertes von 0,5 M.-%/ z. Zu beachten ist, dass sich im Bereich von Kiesnestern und Hohlstellen das Verhältnis von Gesteinskörnung zu Zement deutlich verändern kann. So führt beispielsweise eine Verringerung der Rohdichte auf ca. 2.000 kg/ m³ und Erhöhung des Bindemittelgehalts auf 400 kg/ m³ zu einem Multiplikator von 5. Geht man davon aus, dass durch die Verdichtung des Betons direkt am Bewehrungsstahl eine bindemittelreichere Zone entsteht, so wird sich der gewählte Multiplikator von 7 für eine intakte Betonzusammensetzung ebenfalls zu einem kleineren Wert verschieben. Die für die Bewertung maßgebende Rohdichte und der Zementgehalt sind im vorliegenden Fall anhand der vorhandenen Proben nicht belegbar. Dementsprechend sollten die in Tabelle 1 ausgewiesenen Chloridgehalte, denen ein Umrechnungsfaktor von 1: 7 zugrunde liegt, mit der entsprechenden Vorsicht bewertet werden. Tabelle 1: Chloridgehalte im Bereich der Bewehrung Probe Messung Cl-Gehalt bez. auf den Zementgehalt 1) [M.-%] BK 1 - 0,35 BK 1-2 Vergleichsmessung 0,84 BK 2 Vergleichsmessung < 0,07 BK 3 - 0,28 BK 3-2 Vergleichsmessung 0,35 BK 4 - 1,40 BK 4-2 Vergleichsmessung 1,05 P 3 Vergleichsmessung 0,70 1) bezogen auf einen angenommenen Zementgehalt von 350 kg/ m³ und eine Rohdichte von 2.400 kg/ m³ 2.6 Zusammenfassung der möglichen Schadensursachen Bei der Betrachtung der möglichen Schadensursachen zeigte sich, dass eine Wechselwirkung von unterschiedlichen Faktoren zu berücksichtigen ist. Die Dauerhaftigkeit von Stahlbetonbauwerken ist insbesondere von den Eigenschaften der Betonrandzone bzw. der Betondeckung abhängig. Diese schützt die Bewehrung vor Korrosion und muss deshalb eine ausreichende Dicke und eine entsprechend der festgelegten Expositionsklasse möglichst hohe Dichtigkeit aufweisen, damit ein Transport von Schadstoffen an die Bewehrung erschwert bzw. verhindert wird. Betontechnologisch muss demnach der systembedingten Porosität des Betons durch gezielte Wahl bei der Betonzusammensetzung und ausführungstechnisch gute Verarbeitung entgegengewirkt werden. Grundsätzlich muss die Porosität des Zementsteins als auch der Porendurchmesser so klein wie möglich gehalten werden. Ein möglichst niedriger w/ z-Wert, ein ausreichend hoher Zementgehalt, eine gute Verdichtung und eine ausreichende Nachbehandlung sind dabei von besonderer Bedeutung und z. T. in den deskriptiven Konzepten der Betonherstellung hinterlegt. Im DVGW-Arbeitsblatt W 300-1 [3] werden u. a. aus den vorgenannten Gründen für die Expositionsklasse X TWB der maximale w/ z-Wert auf 0,5 begrenzt und ein minimaler Zementgehalt von 320 kg/ m 3 gefordert. Eine dichte und porenarme Oberfläche ist von besonderer Bedeutung, da hohe hygienische Anforderungen gestellt werden. Die an den Filterkammerwänden vorliegende, hohlraumreiche Gefügestruktur mit Kiesnestern entspricht nicht den Vorgaben des Regelwerks. Insbesondere an der Bewehrung waren ein fehlender vollflächiger Haftverbund sowie Kiesnester und Fehlstellen zwischen den Längsstäben zu erkennen. Ursächlich für die Entstehung von Kiesnestern im Bereich der Bewehrung können Entmischungen und/ oder unzureichendes oder falsches (Rüttelflasche in Kontakt mit der Bewehrung) Verdichten des Frischbetons sein. Die Fehlstellen im Betongefüge werden als Transportwege des Wassers genutzt, welches die alkalischen Bestandteile in diesen Bereichen löst und letztendlich im Laufe der Zeit zu einer pH-Wert-Erniedrigung führt. Damit sind die Voraussetzungen geschaffen, die schützende Passivschicht des Bewehrungsstahls lokal oder flächig zu zerstören bzw. aufzulösen. Die damit verbundene Auslaugung des Zementsteins kann somit durch das Eindringen von Wasser in das Porensystem oder in Kiesnester und Fehlstellen ausgelöst werden. Das Wasser wird dabei in das Innere des Werkstoffs transportiert und löst zunächst die Alkalihydroxide und das Calciumhydroxid aus dem Porensystem. Aufgrund der Diffusionsprozesse werden die gelösten Alkalien von dort abtransportiert. Nach vollständigem Herauslösen folgt eine pH-Wert-Absenkung und die Zementsteinphasen beginnen nacheinander zu zerfallen. Ein kontinuierlicher hydrostatischer Druckwechsel infolge von wiederholter Befüllung und Leerung der Kammern fand im vorliegenden Fall nur in sehr geringem Umfang statt und ist daher bei der Ursachenermittlung nicht zu berücksichtigen. Die Kammern wurden ausschließlich zu Reinigungszwecken entleert. Inwieweit die z. T. hohen Strömungsgeschwindigkeiten in Bezug auf die lokalen Auslaugprozesse eine Rolle spielen, konnte nicht abschließend geklärt werden. Die Bestimmung der Alkalitätsgrenze mittels Phenolphthalein als Indikator zeigte, dass in Bereichen der Bewehrungskorrosion ein Abfall der Alkalität unter- Instandsetzung mit besonderen Herausforderungen am Beispiel des Wasserwerks Schierstein 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 231 halb des Umschlagpunktes im Kontaktbereich des Betons zu verzeichnen war. Die intakte Bewehrung ohne Anzeichen von Korrosion liegt in Bereichen oberhalb des Phenolphthaleinumschlagpunktes und die Passivoxidschicht scheint dementsprechend noch intakt zu sein. Die vorgefundenen Korrosionserscheinungen und die Ausbildung der Korrosionsprodukte deuten im Wesentlichen auf eine Muldenkorrosion hin, die vermutlich infolge der pH-Wert-Erniedrigung und Zerstörung der Passivoxidschicht aufgrund der Auslaugung des Zementsteins entstanden sein kann. Zusätzlich ist in Teilbereichen der Bewehrung Lochkorrosion zu erkennen. Bei den Chloridanalysen im Bereich der Bewehrung ist zu beachten, dass die Wirksamkeit der Chloride im hohen Maße vom pH-Wert der Porenlösung im Zementstein beeinflusst wird. Im Bereich der korrodierten Bewehrung war keine ausreichende Alkalität mehr zu verzeichnen und freie Chloride in geringen Konzentrationen können bereits korrosionsaktiv sein. Der Schwellenwert von 0,5 M.-%/ z bezogen auf den Zementgehalt nach RiLi-SIB kann demnach nicht als korrosionsauslösender Chloridgehalt in Bereichen mit geringer Alkalität angesetzt werden. Die ermittelten Chloridgehalte unterhalb des Schwellenwertes sind in einem Betongefüge mit ausreichend hohem pH-Wert nicht korrosionsauslösend jedoch im vorliegenden Fall aufgrund der örtlich begrenzten geringen Alkalität deutlich korrosionsfördernd. Die ausgewiesenen Chloridgehalte mit einem Umrechnungsfaktor von 1: 7 sollten mit der entsprechenden Vorsicht bewertet werden. Ein Chloridgehalt von 1,40 M.-%/ z ist unter Zugrundelegung der zur Verfügung gestellten Wasseranalyse nicht nachvollziehbar. Zudem kann i. d. R. ein ständiger Betrieb der Kammern und eine somit vorausgesetzte dauerhafte Wassersättigung zu keiner Aufkonzentration der Chloridionen in dieser Größenordnung führen. Ungeachtet dessen liegt auch bei der Betrachtung des Chloridgehalts bezogen auf die Einwaage in Verbindung mit der pH-Wert-Erniedrigung am Bewehrungsstahl ein korrosionsfördernder Gehalt an Chloriden vor. Abschließend ist im vorliegenden Fall auch der Chloridgehalt der Ausgangsstoffe relevant. Bspw. darf der Chloridgehalt von Gesteinskörnungen einen oberen Grenzwert von 0,04 M.-% (Stahlbeton) und von Zement von 0,10 M.-% nicht überschreiten. Für Stahlbeton ist ein Gesamtchloridgehalt von 0,40 M.-% bezogen auf den Zementgehalt erlaubt. Die Kombination aus dem Chloridgehalt der Ausgangsstoffe des Betons, dem Chloridgehalt des Wassers, der hohlraumreichen Gefügestruktur und der lokalen Auslaugung können zu den vorgefundenen Korrosionserscheinungen und z. T. deutlichen Querschnittsverlusten geführt haben. Nach dem Feststoffstrahlen wurden im Bereich der Wände der Filterkammern bräunliche Verfärbungen an den Betonoberflächen festgestellt. Diese Erscheinung kann darauf zurückgeführt werden, dass sich die Korrosionsprodukte nicht ausschließlich am Be-wehrungsstahl in Form von „Rost“ bildeten, sondern aufgrund von Diffusionsprozessen, ausgelöst durch die Konzentrationsunterschiede, von der Stahloberfläche in Richtung Betonoberfläche bewegen. Die Korrosionsprodukte haben darüber hinaus in den vorhandenen Hohlräumen des Betongefüges ausreichenden Expansionsraum vorgefunden, so dass es nicht zu einer Rissbildung infolge der Volumenvergrößerung der Korrosionsprodukte gekommen ist. 3. Instandsetzungsvarianten 3.1 Allgemeines Anhand des Erscheinungsbildes der Betonoberflächen nach dem Feststoffstrahlen im Vergleich zu den daraufhin angelegten Öffnungsstellen bis zur Bewehrung zeigte sich im Rahmen der Untersuchungen, dass eine Abhängigkeit zwischen der Bewehrungskorrosion und den visuell erkennbaren Verfärbungen der Oberfläche bestand. Alle Öffnungsstellen zeigten fortgeschrittene Bewehrungskorrosion bis hin zum lokalen vollständigen Querschnittsverlust. Obwohl ein Zusammenhang zwischen visueller Veränderung und Bewehrungskorrosion bestand, konnte nicht vollständig ausgeschlossen werden, dass eine ggf. standsicherheitsrelevante, fortgeschrittene Bewehrungskorrosion in Teilbereichen vorlag oder auch Bereiche ohne ausreichende Alkalität ohne sichtbare Auffälligkeit vorhanden waren. Die vorgefundenen Kiesnester und Hohlstellen an der Bewehrung wiesen auf Entmischungen und eine unzureichende bzw. falsche Verdichtung des Frischbetons bei der Herstellung der Filterkammern hin. Es bestand keine Möglichkeit flächig und zerstörungsfrei die relevanten Bereiche der Bewehrung zu detektieren, an denen eine Auslaugung des Zementsteins und eine damit verbundene pH-Wert-Erniedrigung stattgefunden hat. Zudem liegen im Bereich der Bewehrung Chloridgehalte vor, die einzeln betrachtet zwar nicht korrosionsauslösend, aber beim Verbleib in Bereichen geringer Alkalität korrosionsfördernd sind. 3.2 Zulagebewehrung und flächige Reprofilierung Eine Möglichkeit der Instandsetzung bestand darin, eine Zulagebewehrung in die bestehende Wand zu verankern und mit Spritzbeton einzubetten. Die statisch relevante Bewehrung wäre somit nicht mehr die bestehende, sondern die neu eingebettete Zulagebewehrung. Mit dem Tragwerksplaner war abzustimmen, inwieweit die bestehende Bewehrung trotz nicht vollständig abschätzbarem Schädigungsgrad anrechenbar und wie viel Zulagebewehrung erforderlich ist. Der Zeit- und Kostenaufwand des Betonabtrags entfällt. Die Reduzierung des nutzbaren Volumens bzw. der Filterfläche war zu prüfen. Instandsetzung mit besonderen Herausforderungen am Beispiel des Wasserwerks Schierstein 232 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 3.3 Vollflächiger Abtrag Aus den bereits zuvor genannten Gründen, konnte nicht ausgeschlossen werden, dass weitere korrosionsaktive bzw. standsicherheitsrelevante Bereiche verbleiben. Um die Dauerhaftigkeit der Kammern zu gewährleisten, bestand des Weiteren die Möglichkeit, den Beton vollflächig bis auf die Bewehrung mit Höchstdruckwasserstrahlen (HDW) abzutragen und mit einem trinkwasserzugelassenen Spritzmörtelbzw. Beton zu reprofilieren. Sofern dabei die bestehende Druckzone geschwächt werden würde, müsste in Abstimmung mit dem Tragwerksplaner ein Abstützungskonzept erarbeitet werden. Dem Tragwerksplaner obliegt ebenfalls die Abschätzung einer erforderlichen Zulagebewehrung in Abhängigkeit von den vorliegenden Querschnittsverlusten. 3.4 Örtlich begrenzte Schadstelleninstandsetzung Bei einer örtlich begrenzten Schadstelleninstandsetzung sollte der Beton im Übergangsbereich zwischen Boden- und Wandanschluss bis hinter die erste Bewehrungslage vollflächig an allen Wänden abgetragen werden. Der Tragwerksplaner müsste nach dem Freilegen der Bewehrung den Restquerschnitt im Hinblick auf die Standsicherheit beurteilen und ggf. eine Zulagebewehrung vorsehen. Die bereits hergestellten Öffnungsstellen müssten soweit erweitert werden bis keine Bewehrungskorrosion mehr ersichtlich ist. Die Reprofilierung der Schadstellen könnte entweder mit einem für den Trinkwasserbereich zugelassenen Instandsetzungsmörtel nach DVGW-Arbeitsblatt W 300 [3] oder Spritzbeton gemäß DIN EN 14487 [7] und DIN 18551 [8] erfolgen. An allen Wandflächen sollte im Anschluss an die Schadstelleninstandsetzung eine zementgebundene Beschichtung aufgebracht werden, welche die Anforderungen des DVGW- Arbeitsblatts W 300 [3] erfüllt. Die Instandsetzung der ausschließlich visuell auffälligen Flächen birgt die Gefahr, dass nicht alle für die Standsicherheit relevanten Bereiche geöffnet und von einem Tragwerksplaner beurteilt werden können. Bisher nicht ersichtliche Bewehrungskorrosion mit vergleichbaren Querschnittsverlusten kann aufgrund der Vielzahl von Kiesnestern und Poren nicht ausgeschlossen werden. Zudem sind die Chloride weiterhin im Bereich der Bewehrung korrosionsaktiv. Dementsprechend wurde seitens der Sachverständigen empfohlen die Ausarbeitung des Instandsetzungskonzeptes in Anlehnung an die ersten beiden beschrieben Varianten durchzuführen. 4. Ausführung Um zum einen den Verlust an Filterfläche und zum anderen das Risiko des Standsicherheitsverlustes in den nicht untersuchten Bereichen auszuschließen, entschied sich Hessenwasser dazu, den Beton, wie oben beschrieben vollflächig bis auf die Bewehrung abzutragen, die fehlende Bewehrung zu ergänzen und mit Spritzbeton zu reprofilieren. Die notwendigen Arbeiten wurden zielgerichtet geplant, ausgeschrieben und vergeben. Die ohnehin am Ort tätige Fachfirma bekam den Zuschlag und beschäftigte sich dann ab Oktober 2018 mit der Ausführung der zusätzlichen Instandsetzungsarbeiten. Aus Standsicherheitsgründen wurden nach einem vom Tragwerksplaner ausgeklügelten System immer nur die jeweils gegenüberliegenden Betonwände einer Filterkammer komplett saniert und so sukzessive die drei Filterkammern instandgesetzt. Im ersten Schritt wurden die Wände mittels Höchstdruckwasserstrahlen (HDW) bearbeitet und um ca. 10 cm bis zur vollständigen Freilegung der ersten Bewehrungslage abgetragen. Der erforderliche Zeitaufwand für die Freilegung der Bewehrung betrug nach den ersten Erfahrungen ca. 1 Stunde pro m² Betonwandfläche. Bei ca. 340 m² zu sanierender Gesamtfläche waren für diese Arbeiten somit ca. 10 Wochen einzuplanen. Bild 12: Bewehrung nach HDW-Strahlen Danach erfolgte je Sanierungsabschnitt der Einbau der vom Tragwerksplaner ermittelten Bewehrung. Anschließend wurde der Spritzbeton wegen des guten Chloridbindevermögens wurde für diesen als Bindemittel Hochofenzement gewählt in mehreren Lagen aufgetragen. Instandsetzung mit besonderen Herausforderungen am Beispiel des Wasserwerks Schierstein 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 233 Bild 13: Ergänzte Bewehrung im Bereich des Boden- Wand-Anschlusses Bild 14: Arbeitsabschnitt einer Spritzbetonlage Nachdem eine Qualitätskontrolle die Einhaltung sämtlicher Anforderungen an die Ausführung bestätigt hatte, konnte ab April 2019 mit den geplanten Beschichtungsarbeiten fortgefahren werden. Die weiteren Umbauarbeiten des 1. Bauabschnittes beinhalteten den Einbau des Düsenbodens, der technischen Filterausrüstung und den Anschluss sämtlicher Wanddurchführungen an die neue Anlagenverrohrung. Ab Frühjahr 2020 starteten Dichtheitsprüfungen, zunächst mit Vollfüllung der Filterkammern. Es wurde schnell sichtbar, dass einige Nacharbeiten zum Erreichen einer ausreichenden Dichtheit erforderlich waren. Insbesondere um die neuen Wanddurchführungen, Einstiegsluken und -türen musste der alte Bestandsbeton durch intensives Verpressen mit trinkwassergeeignetem Epoxidharz nachverdichtet werden. Nachdem so in sehr aufwändiger Kleinarbeit zumindest die sichtbaren Wasseraustritte reduziert wurden, konnten die Filter dann auch mit dem später auftretenden Überdruck von 3 m oberhalb der Filterdecke (ca. 1 bar am Filterboden) beaufschlagt werden. Neben den vorher schon undichten Stellen zeigten sich hierbei neue problematische Bereiche. Insbesondere am Wand-Deckenübergang auf der Rohrgangseite der Filter machten sich Leckagen bemerkbar. Bild 15: Leckagen am Wand Deckenübergang unter Überdruck von 3 m Umgehend überprüfte der Tragwerksplaner diesen Bereich nochmals. Gleichzeitig wurde vor Ort eine Kontrolle mit Gipsmarken durchgeführt. Die Ergebnisse schlossen eine Bauteilbewegung unter Innendruck in diesem Bereich aus. Als Ursache für die nicht zu tolerierenden Undichtigkeiten wurden zum einen die o. g. Qualitätsmängel im verbleibenden Bestandsbeton und zum anderen, bzw. in Verbindung damit, die sehr engen, schwierig zu vergießenden Wanddurchführungen vermutet. In mehreren Runden mit allen Projektbeteiligten sowie externen Fachleuten wurden Lösungsmöglichkeiten eruiert. Bei weiteren Verpressungen bestand das Risiko einer Bauwerksschädigung. Versuche mit einem, in feuchten Poren kristallbildenden Abdichtungsmittel brachte nicht das gewünschte Ergebnis. Ein weiterer Auftrag einer abdichtenden Mörtelbeschichtung war technisch aufgrund der eingebauten Filterausrüstung nicht durchgehend möglich. So entschied sich Hessenwasser schließlich, eine für trinkwasserberührte Flächen und nach DVGW-Arbeitsblatt W 300 zugelassene, lösemittelfreie Epoxidharzbeschichtung einzusetzen. Diese ist diffusionsdicht, trägt nur gering auf und kann sowohl auf Beton als auch auf Stahl appliziert werden. Somit war es auch möglich, sämtliche Beton- Edelstahl-Übergangsbereiche der Wanddurchführungen 3-lagig im Vollverbund zu überziehen. Nach der Untergrundvorbehandlung durch Schleifen und Durchführung der Qualitätskontrolle wurden ab August 2020 zunächst zwei Spachtellagen aufgebracht. In den kritischen Bereichen wurde der Epoxidharzspachtel mit Glasfasern verstärkt. Danach erfolgte im Heißspritzverfahren die abschnittsweise Applikation der Deckschicht. Die Beschichtungsarbeiten in den drei Kammern konnten nach knapp drei Monaten abgeschlossen werden. Die folgenden, umfangreichen und lang andauernden Dichtigkeitsprüfungen mit allen zukünftig zu erwartenden Lastfällen bestätigten die in diese Maßnahme gesetzten Erwartungen. Im Januar 2021 konnte die Dichtigkeit aller drei Kammern festgestellt werden. Instandsetzung mit besonderen Herausforderungen am Beispiel des Wasserwerks Schierstein 234 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Bild 16: Epoxidharzbeschichtung in Filterkammer 1 zum Zeitpunkt der Abnahme Aus den o. g. und weiteren, im Projektverlauf gewonnenen Erkenntnissen wurden Optimierungen für die Durchführung des 2. Bauabschnitts entwickelt. Der Baubeginn richtet sich nach der Dauer des aktuell stattfindenden Einfahrbetriebs der drei Sandfilter. Sobald diese die erforderliche Aufbereitungsleistung erbringen, kann die andere, im Refifloc-Betrieb befindliche Filterstraße für die weiteren Umbauarbeiten außer Betrieb genommen werden. 5. Fazit Für die Dauerhaftigkeit von Stahlbetonbauwerken ist eine intakte und dichte Betondeckung von besonderer Bedeutung. Am Praxisbeispiel des Wasserwerks in Schierstein zeigte sich welche zunächst unbemerkten Auswirkungen Hohlstellen und Kiesnester auf lokale Auslaugprozesse und damit verbundenen Korrosionserscheinungen der Bewehrung haben können. Bei dem Neubau von Trinkwasserbehältern ist es somit nicht nur relevant auf eine glatte und porenarme Oberfläche zu achten. Von besonderer Bedeutung ist vor allem die Betonrandzone, in der der Bewehrungsstahl eingebettet wird. Diese muss wie es die Regelwerke vorgeben ebenso qualitativ hochwertig hergestellt werden. Um die vorgenannten Anforderungen zu erfüllen ist ein schlüssiges Betonierkonzept, eine qualitativ hochwertige Bauausführung und Bauüberwachung in der Wasserversorgung erforderlich. Nur so können schadensverursachende Hohllagen, Kiesnester und Verdichtungsfehler vermieden werden. Am Beispiel des Wasserwerks Schierstein konnte gezeigt werden, dass nicht immer eine Verpressung von Undichtigkeiten zielführend ist. Die vorgefundene, mangelhafte Betonqualität führte zu einem undefinierten und teils flächigen Wasserdurchtritt. Eine vollflächige Applikation mit polymeren, diffusionsdichten Auskleidungen kann eine mögliche Alternative darstellen. Wie im vorliegenden Fall erfahren, ist beim Bauen im Bestand damit zu rechnen, dass trotz vorheriger Bauzustandsanalyse im Rahmen der Umsetzung von Instandsetzungsmaßnahmen mit unvorherzusehenden Problemen zu rechnen ist. Literatur [1] Leverenz, K.; Richter, H.: Komplexer Umbau im laufenden Wasserwerksbetrieb, gwf-Wasser | Abwasser 07_08 | 2017, Vulkan Verlag GmbH [2] DIN EN 14630: 2007-01 Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken - Prüfverfahren - Bestimmung der Karbonatisierungstiefe im Festbeton mit der Phenolphthalein-Prüfung [3] DVGW-Arbeitsblatt W 300: 2014-10 Trinkwasserbehälter; Teil 1: Planung und Bau; Teil 2: Betrieb und Instandhaltung; Teil 3: Instandsetzung und Verbesserung; Teil 4: Werkstoffe, Auskleidungs- und Beschichtungssysteme, Grundsätze und Qualitätssicherung auf der Baustelle; Teil 5: Werkstoffe, Auskleidungs- und Beschichtungssysteme, Anforderungen und Prüfung [4] Nürnberger, U.: Korrosion und Korrosionsschutz im Bauwesen, Band 1, Bauverlag GmbH, Wiesbaden und Berlin, 1995 [5] Breit, W.: Untersuchungen zum kritischen korrosionsauslösenden Chloridgehalt für Stahl in Beton. In: Schriftenreihe Aachener Beiträge zur Bauforschung, Institut für Bauforschung der RWTH Aachen (1997), Nr. 8, Aachen, Technische Hochschule, Dissertation [6] DAfStB-Richtlinie: 2001-10 Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen (Instandsetzungs- Richtlinie) - Teil 1: Allgemeine Regelungen und Planungsgrundsätze; Teil 2: Bauprodukte und Anwendung; Teil 3: Anforderungen an die Betriebe und Überwachung der Ausführung; Teil 4: Prüfverfahren [7] DIN EN 14487-1: 2006-03 Spritzbeton - Teil 1: Begriffe, Festlegungen und Konformität [8] DIN 18551: 2014-08 Spritzbeton - Nationale Anwendungsregeln zu Reihe DIN EN 14487 und Regeln für die Bemessung von Spritzbetonkonstruktionen