eJournals Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis 7/1

Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis
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Praktische Aspekte zur Festlegung des Sollzustandes für Trinkwasserbehälter gemäß neuem „Arbeitsblatt DVGW W 300-1“

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Helmut Richter
Im Jahr 2014 erschien beim DVGW mit der W 300 Reihe ein vollständig überarbeitetes Regelwerk für Wasserbehälter, welches inzwischen 8 Teile umfasst. Seit Sommer 2020 wurden und werden die Teile 1 und 3 (aktuell im Gelbdruck vorliegend) und zwischenzeitlich auch in die Teile 2 und 4 überarbeitet. Die Anpassung des Teils 5 wurde im bereits im Jahr 2020 abgeschlossen. Die Teile 6 bis 8 bleiben zunächst in ihrer aktuellen Form erhalten. Die Überarbeitung hat im Wesentlichen die Lebenszyklusbetrachtung sowie die Integration neuester Forschungsergebnisse und Normung sowie praktischer Erfahrungen bei gleichzeitig engerer Verzahnung und klarer inhaltlicher Abgrenzung der einzelnen Teile zum Ziel. Die Bezeichnung der einzelnen Teile, deren Hauptinhalte sowie die Zusammenhänge und die Anwendbarkeit über den Lebenszyklus von Wasserbehältern sind in der nachfolgenden Grafik (Abb. 1) aufgezeigt. Das Arbeitsblatt DVGW W 300-1; Trinkwasserbehälter; Teil 1: Planung und Bau (Entwurf November 2022) beinhaltet im wesentlichen Ergänzungen im Anwendungsbereich, bei der technischen Ausrüstung sowie bei der Tragwerksplanung und der Bauausführung. Der Abschnitt ,Rückbau‘ wurde neu eingefügt. Es wird definiert, dass die beschriebenen Anforderungen an den Sollzustand nicht nur für den Neubau, sondern auch für die Betriebsphase und die Instandsetzung/Verbesserung gelten. Im Detail werden u. a. zusätzliche Möglichkeiten der Gestaltung des Überlaufs eröffnet und Hinweise für die lufttechnische Ausstattung ergänzt. Ganz neu ist das Thema ,Beleuchtung‘. Es wird insgesamt ein stärkerer Fokus auf die Erzielung möglichst glatter, ebener und porenarmer wasserberührter Betonoberflächen gelegt. Im Zusammenspiel mit den anderen überarbeiteten und beibehaltenen Teilen des W 300 entsteht ein noch übersichtlicheres und klareres, an aktuelle Erkenntnisse angepasstes Regelwerk für Wasserbehälter in der Trinkwasserversorgung.
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7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 27 Praktische Aspekte zur Festlegung des Sollzustandes für Trinkwasserbehälter gemäß neuem „Arbeitsblatt DVGW W 300-1“ Dipl.-Ing. Helmut Richter Hessenwasser GmbH & Co. KG, Groß-Gerau Zusammenfassung Im Jahr 2014 erschien beim DVGW mit der W 300 Reihe ein vollständig überarbeitetes Regelwerk für Wasserbehälter, welches inzwischen 8 Teile umfasst. Seit Sommer 2020 wurden und werden die Teile 1 und 3 (aktuell im Gelbdruck vorliegend) und zwischenzeitlich auch in die Teile 2 und 4 überarbeitet. Die Anpassung des Teils 5 wurde im bereits im Jahr 2020 abgeschlossen. Die Teile 6 bis 8 bleiben zunächst in ihrer aktuellen Form erhalten. Die Überarbeitung hat im Wesentlichen die Lebenszyklusbetrachtung sowie die Integration neuester Forschungsergebnisse und Normung sowie praktischer Erfahrungen bei gleichzeitig engerer Verzahnung und klarer inhaltlicher Abgrenzung der einzelnen Teile zum Ziel. Die Bezeichnung der einzelnen Teile, deren Hauptinhalte sowie die Zusammenhänge und die Anwendbarkeit über den Lebenszyklus von Wasserbehältern sind in der nachfolgenden Grafik (Abb. 1) aufgezeigt. Das Arbeitsblatt DVGW W 300-1; Trinkwasserbehälter; Teil 1: Planung und Bau (Entwurf November 2022) beinhaltet im wesentlichen Ergänzungen im Anwendungsbereich, bei der technischen Ausrüstung sowie bei der Tragwerksplanung und der Bauausführung. Der Abschnitt ,Rückbau‘ wurde neu eingefügt. Es wird definiert, dass die beschriebenen Anforderungen an den Sollzustand nicht nur für den Neubau, sondern auch für die Betriebsphase und die Instandsetzung/ Verbesserung gelten. Im Detail werden u. a. zusätzliche Möglichkeiten der Gestaltung des Überlaufs eröffnet und Hinweise für die lufttechnische Ausstattung ergänzt. Ganz neu ist das Thema ,Beleuchtung‘. Es wird insgesamt ein stärkerer Fokus auf die Erzielung möglichst glatter, ebener und porenarmer wasserberührter Betonoberflächen gelegt. Im Zusammenspiel mit den anderen überarbeiteten und beibehaltenen Teilen des W 300 entsteht ein noch übersichtlicheres und klareres, an aktuelle Erkenntnisse angepasstes Regelwerk für Wasserbehälter in der Trinkwasserversorgung. Abb. 1: Anwendung des DVGW-Regelwerks der Reihe W 300 über den Lebenszyklus von Wasserbehältern in der Trinkwasserversorgung 28 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Praktische Aspekte zur Festlegung des Sollzustandes für Trinkwasserbehälter gemäß neuem „Arbeitsblatt DVGW W 300-1“ 1. Einführung Der Schutz und Erhalt der Trinkwasserbeschaffenheit in Wasserbehältern erfordern eine hohe Qualität der verwendeten Bauteile und Systeme und stellen hohe Anforderungen an den Betrieb und die Instandhaltung. Diese Anforderungen und die entsprechenden technischen Regeln zu deren Erfüllung wurden im Jahr 2014 neu formuliert. Es erschien beim DVGW mit dem W 300 ein vollständig überarbeitetes Regelwerk für Wasserbehälter in 5 Teilen, welches im Jahr 2016 auf 8 Dokumente erweitert wurde. Die enthaltenen Regelungen dienen als Grundlage für Planung, Bau, Betrieb, Instandhaltung, Instandsetzung und Verbesserung von Wasserbehältern in der Trinkwasserversorgung. Zudem werden technische und hygienische Anforderungen an Stoffe, Stoff-systeme und Ausführungsverfahren festgelegt. Das Regelwerk wird seit Sommer 2020 in wesentlichen Strecken vom Projektkreis „W 300“ im Technischen Komitee „Wasserspeicherung“ überarbeitet. Ziele dieser Überarbeitung sind: • Integration neuester Forschungsergebnisse • Integration neuester Normung • Integration praktischer Erfahrungen • Anpassung/ Korrektur von Begriffen • Engere Verzahnung und klarere Abgrenzung der überabeiteten Teile 1-4 • Berücksichtigung der Inhalte der neu hinzugekommenen Teile 6-8 mit Herausnahme von gleichen Inhalten • Erhöhung der Anwenderfreundlichkeit und Übersichtlichkeit Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die Technische Regel - Arbeitsblatt DVGW W 300-1 (A) Trinkwasserbehälter; Teil 1: Planung und Bau, derzeit vorliegend im Entwurf vom November 2022. 2. Wesentliche Inhalte der Überarbeitung 2.1 Allgemeines Im Folgenden werden die wichtigsten Änderungen und Ergänzungen im Entwurf des neuen Arbeitsblattes anhand der Gliederung der Hauptkapitel in der Abfolge beschrieben. Hierbei sind Originalzitate in doppelte Anführungszeichen („“) eingebettet. 2.2 Vorwort / Anwendungsbereich Im Vorwort aller überarbeiteten Teile wird ausdrücklich erwähnt, dass die Regelungen sinngemäß auch auf behälterähnliche Objekte angewendet werden können. Somit wird klargestellt, dass die Inhalte z. B. auch für verfahrenstechnische Komponenten mit wasserberührten Oberflächen wie Betonfilter oder Sammel-, Sedimentations-, Reaktions- und Mischbecken gelten. Der Anwendungsbereich wird auf Teilneubauten wie z. B. beim nachtäglichen Einbau einer neuen Bodenplatte und auch auf Bestandsanlagen erweitert. Die Anforderungen des W300-1 sollen als Grundlage für die Bewertung des regelkonformen Zustandes einer Bestandsanlage herangezogen werden. Das W300-1 wird somit als Maßstab für den Sollzustand eines Wasserbehälters im Betrieb (siehe W300-2) sowie für die Instandsetzung und Verbesserung (siehe W300-3) definiert. 2.3 Grundlagenermittlung Hier wurden Ergänzungen für das Nutzvolumen beim Ausgleich von längeren Zeiträumen (z. B. dynamisches Behältervolumen) vorgenommen und Hinweise zur Bewertung der Versorgungssicherheit zugefügt. 2.4 Vorplanung Das Kapitel Vorplanung wurde komplett überarbeitet. Die Beschreibungen wurden ergänzt und systematisch in den folgenden Unterkapiteln zusammengestellt: • Behälterbauart Behälteranordnung • Behälterfunktion • Behälterbauformen • Behälterbauweise • Behälterbauarten • Generelle Anforderungen • Materialauswahl (wasserberührte Bauteile) Die Vorplanung wird mit entsprechenden Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen vervollständigt und endet mit der Entscheidungsfindung für eine Variante. 2.5 Planung Bezüglich der Geometrie der Wasserkammer sind u. a. in Bezug auf Stagnation Anregungen zur Behälterbewirtschaftung aufgenommen worden. Bei der Auswahl hygienisch geeigneter Werkstoffe wird darauf hingewiesen, dass die beschriebenen Anforderungen sinngemäß auch auf die nicht-trinkwasserberührten Flächen wie Behälterdecken, Einstiegsbereiche, Be- und Entlüftungskanäle sowie weitere Einbauten oberhalb der Wasserfläche übertragen werden müssen, da diese indirekt über Kondenswasser und/ oder Luftzirkulation mit dem Trinkwasser in Berührung kommen können. Für Fenster und Türen zur Wasserkammer sind Regelungen zur hygienische Eignung, bauphysikalischen Auslegung und Dichtigkeit neu aufgenommen worden. Im Bereich technische Ausrüstung finden sich viele Neuregelungen und Erweiterungen. So soll die Löschwasserreserve (sofern erforderlich) über die Wasserstandsregelung vorgenommen werden und nicht mehr über die umständliche Nutzung eines Schieber-/ Rohrsystems. Für die Gestaltung des Überlaufs sind weitere Möglichkei- 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 29 Praktische Aspekte zur Festlegung des Sollzustandes für Trinkwasserbehälter gemäß neuem „Arbeitsblatt DVGW W 300-1“ ten mit Anforderungen für den Einsatz von Berstscheiben und Systemen mit Siphon ergänzt worden. Der Bereich lufttechnische Ausstattung ist mit vielen Hinweisen und Anforderungen erweitert, wie z. B. für Luftbelastung und entsprechende Auswahl von Luftfiltern nach der aktuellen DIN EN, Dimensionierung der Komponenten inkl. der Sicherheitsventile und Auswahl von Materialien. Für die Luftentfeuchtung im Bedienungshaus werden in Punkto Luftfeuchtigkeit, Aggregateeinsatz und Luftumwälzung Anregungen aufgeführt, die die unerwünschten Auswirkungen von Tauwasserbildung minimieren sollen. Im ganz neu aufgenommenen Kapitel „Beleuchtung“ werden Anforderungen an • Leuchtdichte bzw. Lichtstärke • Widerstandsfähigkeit gegen die dauernd sehr hohe Luftfeuchtigkeit bzw. die Wassersäule und ggf. gegen Belastungen durch Chlor etc. im Wasser und in der Luft • Hygienische Eignung der Werkstoffe • Konformität mit den VDE Regeln für feuchte oder nasse Umgebung • berufsgenossenschaftlichen Vorschriften • Durchführung von Wartungsarbeiten formuliert. Im Rahmen der Planung soll aufgrund der genannten Anforderungen großer Wert auf die Berücksichtigung der Beleuchtungssituation gelegt werden. Es wird dafür plädiert, die notwendigen Leuchten außerhalb der Wasserkammer anzuordnen, mit dem Vorteil, dass die Anforderungen an die Hygiene und an die Widerstandsfähigkeit nicht erfüllt werden müssen und die leichte und sichere Zugänglichkeit der Leuchten in der Regel gegeben ist. Für den Fall, dass die planende Stelle nach gründlicher Prüfung die dauerhafte Installation von Leuchten innerhalb der Wasserkammer als unumgänglich betrachtet, werden viele Anregungen und Hinweise aufgeführt, wie dann die Einhaltung der Anforderungen gelingen kann. Stichpunkte sind hier u. a. Anordnung von Leuchten oberhalb von Überläufen oder von Zugangspodesten, kurze Kabelwege und/ oder Kabelzuführung von außen, Kabelverlegung auf Edelstahlpritschen und ausreichende Redundanz für den Wartungsfall. Vorgeschlagen wird auch, zum besseren Ausleuchten der Wasserkammer für Reinigungsarbeiten, temporär zusätzliche mobile Leuchten einzusetzen. Es wird empfohlen in schwierigen, unübersichtlichen Behältergeometrien (z. B. mit Mäandern) und auch als Notbeleuchtung, mobile LED-Leuchten mit Akku-Stromversorgung und Schutzkleinspannung zu nutzen. Abb. 2: Leuchte im Bedienungshaus im Bereich der Überwachungsfenster (li.) und für Reinigung temporär zusätzliche mobile Leuchte an einem Geländer (re.) 30 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Praktische Aspekte zur Festlegung des Sollzustandes für Trinkwasserbehälter gemäß neuem „Arbeitsblatt DVGW W 300-1“ Die Ausführungen zum Hygienekonzept sind konsolidiert, da die Detailregelungen im DVGW W 300-8 (M) enthalten sind. Wichtig ist, dass das Hygienekonzept sowohl Anforderungen zur Vermeidung von nicht sachgerechten Kontakten mit den Oberflächen als auch zur Verwendung sämtlicher Bau- und Bauhilfsstoffen umfasst. Ziel der durchzuführenden Maßnahmen ist, die Trinkwasserhygiene und Trinkwasserqualität nicht zu beeinträchtigen. Die durch die ausführenden Unternehmen zu erbringenden Leistungen müssen gesondert durch den Fachplaner festgelegt, im Leistungsverzeichnis beschrieben und beauftragt werden. 2.6 Tragwerksplanung und konstruktive Anforderungen „Wasserbehälter müssen so geplant werden, dass sie von innen und außen wasserundurchlässig und standsicher sind“. Um diese Hauptanforderung umzusetzen wurden die Inhalte im Abschnitt der Tragwerksplanung komplett überarbeitet. Es wird insgesamt ein stärkerer Fokus auf die Beschaffenheit der Beton-Oberflächen gelegt und der zu berücksichtigende Wert für die rechnerische Rissbreite wurde angepasst. Um dem maßgebenden Schadensmechanismus im Trinkwasserbehälter aus zementgebundenen Werkstoffen der Hydrolyse zu widerstehen, wurde 2014 die Expositionsklasse XTWB eingeführt. Sämtliche charakteristischen Merkmale für XTWB sind im Arbeitsblatt DVGW W 300-4 definiert. Dort ist der äquivalente Wasserzementwert (w/ z eq ) auf < 0,5 begrenzt und zwischenzeitlich durch das DVGW-Forschungsvorhaben ‚Hydrolysebeständigkeit‘ als plausibel begründet. Zur Gewährleistung der Gebrauchstauglichkeit (u. a. Dichtheit) und der Dauerhaftigkeit (insbes. Korrosionsschutz) von Betonbauteilen muss die Breite von Rissen begrenzt werden. Für die Beurteilung von Rissen ist es notwendig, eine Differenzierung zwischen der rechnerischen Rissbreite w k und der Rissweite an der Bauteiloberfläche vorzunehmen. „Die rechnerischere Rissbreite w k ist als mittlere Breite im Wirkungsbereich der rissverteilenden Bewehrung zu verstehen. Bei der Beurteilung der Rissbreite wird zunächst aus praktischen Gründen von der Rissweite an der Bauteiloberfläche ausgegangen. Die Rissweite an der Bauteiloberfläche kann von der rechnerischen Rissbreite w k abweichen.“ Die beiden Werte sind in Abbildung 3 dargestellt. Um durch Eigen- und Zwangsspannung hervorgerufene Trennrisse weitestgehend zu vermeiden, ist im derzeit noch gültigen DVGW W 300-1 (A): 2014-10 die rechnerische Rissbreite auf w k ≤ 0,10 mm begrenzt. Aufgrund das daraus resultierenden Bewehrungsgrades und der an schwierigen Stellen kaum umsetzbaren Bewehrungsführung wurde dieser Wert im vorliegenden Entwurf des Arbeitsblatts auf w k ≤ 0,15 mm erhöht. Positive Erfahrungen aus der Praxis begründen diese Anpassung als zielführend. Abb. 3: Querschnittsdarstellung der Rissbreite w k und der Rissweite an der Bauteiloberfläche Damit in der Praxis möglichst feste und porenarme Beton-Oberflächen erzielt werden, hat sich der Einsatz von wasserabführenden/ -saugenden Schalungsbahnen aus Kunststoffvlies eingebürgert. Hierbei werden aufgrund von Unzulänglichkeiten in der Verarbeitung und Ausführung jedoch teilweise nicht die gewünschten Ergebnisse erzielt. Daher sind im Entwurf des Arbeitsblatts umfangreiche Hinweise und Anforderungen zu diesem Komplex neu aufgenommen worden. Dies betrifft u. a. die Sachverhalte Hygiene, Anordnung und Verarbeitung der Schalungsbahnen, notwendige Bauhilfsstoffe, Einsatzhäufigkeit, Frischbetonkonsistenz, Wasserzementwert, Betoniergeschwindigkeit und Abführung des Dränwassers. Neben der Porosität spielt auch die Ebenheit der Innenflächen eine große Rolle für die hygienische Eignung, die einfache Reinigung/ Desinfektion und die Instandsetzbarkeit. „Hierzu müssen u. a. an die Ebenheit und Maßhaltigkeit der Schalhaut zusätzliche besondere Anforderungen gestellt werden. Die erhöhte Maßhaltigkeit und die Ebenheit von Innenflächen der Wasserkammern dienen sowohl der künftigen planmäßigen Instandsetzung nach der Nutzungsdauer als auch bei einer eventuell erforderlichen Instandsetzung/ Teilinstandsetzung des Neubaus als Mängelbeseitigung. Damit kann sichergestellt werden, dass der Unebenheitsausgleich und somit die Kosten für die Instandsetzung minimiert werden.“ Die erhöhten Anforderungen an die die Ebenheit der Betonfläche, an die Porigkeit, an die Textur, an die Farbtongleichmäßigkeit, an die Arbeitsfugen und Schalungsstöße sowie an die Schalhautklasse sind gesondert vertraglich zu vereinbaren. „In der Leistungsbeschreibung sollte z. B. folgendes ausdrücklich verlangt werden: • gleichmäßige, porenarme Oberfläche, die mit Hilfe einer wasserabführenden/ -saugenden Schalungsbahn aus Kunststoffvlies herzustellen ist, ggf. einschließlich der neuen Belegung für jede Schalfläche 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 31 Praktische Aspekte zur Festlegung des Sollzustandes für Trinkwasserbehälter gemäß neuem „Arbeitsblatt DVGW W 300-1“ • Abdichtung von Boden/ Wand-Anschlüssen, Fugen zwischen Schalungselementen und Schalungsanker so, dass an der Betonoberfläche ein glatter Schalungsabdruck mit geschlossener Zementhaut ohne Haufwerksporigkeit entsteht.“ Zur Feststellung der tatsächlich ,gebauten‘ Ebenheit und Porigkeit werden handhabbare Prüf- und Bewertungsverfahren empfohlen. Konsequenzen aus Abweichungen des ‚Ist‘ vom ‚Soll‘ sollten ebenfalls schon in der Leistungsbeschreibung festgelegt sein. Für den Bereich der inneren Oberflächen von Behälterdecken wurde die Thematik Kondenswasser und Maßnahmen zur Minimierung dessen schädlicher Auswirkungen ergänzt. 2.7 Bauausführung Zunächst erfolgt eine Beschreibung der auf einer Behälterbaustelle beteiligten ,Parteien‘ und deren Aufgaben und Qualifikationen: • Bauleitung der ausführenden Unternehmen • Auftraggeber (Bauherr) mit Bauoberleitung und/ oder örtlicher Bauüberwachung • Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator (Si- GeKo), welcher durch den Bauherrn bestellt wird • Hygienekoordinator gemäß DVGW W 300-8 (M), ebenfalls durch den Bauherrn zu bestimmen. Zur Rückverfolgbarkeit und Qualitätssicherung wird die erforderliche Dokumentation benannt und im neuen Kapitel ,Bauen in Schutzgebieten‘ wird auf die Anforderungen in Wasser- und Naturschutzgebieten eingegangen. Details zur Ausführung von Wasserbehältern aus Beton sind nun in einem Kapitel systematisch zusammengestellt. In Ergänzung zu den Ausführungen unter ‚Tragwerksplanung und konstruktive Anforderungen‘ werden hier zusätzliche Empfehlungen und Anforderungen aufgeführt. Es geht um die Bereiche • Gerüste, Schalungen, Schalungsbau, Trennmittel, Ausrüsten und Ausschalen • Bewehrung • Frischbetoneigenschaften • Bauausführung des Betonierens Beispielsweise sind neue Details zur Auswahl der Schalung und zum Umgang mit Schalungsfugen, Ankern und Ankerlöchern, Einbauten, Wanddurchführungen etc. beschrieben. Auch der Ausschalvorgang wird beleuchtet. Zur Abdichtung der Schalung an Unstetigkeitsstellen werden feste Materialien empfohlen. „Eine sorgfältige Abdichtung ist Voraussetzung dafür, dass überall ebene, völlig geschlossene Betonoberflächen entstehen können. Andernfalls sind die Entstehung von Kiesnestern oder Bindemittelverarmungen an der Oberfläche nicht ausgeschlossen.“ Die neu beschriebenen Anforderungen an den Frischbeton umfassen die Expositionsklassen, die trinkwasserhygienischen Eigenschaften gemäß DVGW W 347 (A) und DVGW W 398 (M) sowie die technischen Punkte gemäß DVGW W 300-4 (A). „Grundsätzlich wird empfohlen, die Betonzusammensetzung und Verarbeitung frühzeitig mit mehrmonatigem Vorlauf mit allen Beteiligten (Bauherr, Fachplaner, Statiker, bauausführe Firma, Betonlieferant) durch betontechnologische Beratung abzustimmen (siehe auch DVGW W 398 (M)).“ Die Erstellung von objektspezifischen Probebauteilen wird empfohlen. Abb. 4: Begutachtung eines frisch ausgeschalten Teilstücks einer Behälterwand, Schutz und Nachbehandlung der Bodenplatte Im Unterschied zur konstruktiven Rissbreitenbeschränkung aus der Planung ist auch die betontechnologische Rissbreitenbeschränkung zu berücksichtigen. Auf folgende Punkte wird daher neu eingegangen: • „Betonzusatzmittel: Art und Menge sind aus hygienischen Gründen eingeschränkt. Grundsätzlich gilt ein Minimierungsgebot für kunststoffhaltige Betonzusatzmittel. Für Betonzusatzmittel dürfen gemäß DVGW W 347 (A) nur Fließmittel, Betonverflüssiger oder Verzögerer verwendet werden. Eine Kombination dieser Stoffe oder Kombinationsprodukte sind nicht zulässig. Die zulässige Zugabemenge von 5 M.-% des Zementgehalts kann durch den Hersteller bei dem Hygienenachweis eingeschränkt sein. • Konsistenz: Konsistenz F3 gemäß XTWB muss bei der Frischbetontemperatur und für die Verarbeitungsdauer berücksichtigt werden, da eine Nachdosierung von Fließmitteln auf der Baustelle i. d. R. nicht zulässig ist. • Mehlkorngehalt: Empfohlener Mehlkorngehalt gemäß XTWB ≤ 400 kg/ m3 verbessert die Eigenschaften des Betons. Dabei sind rheologische Einflüsse (Bluten, Sedimentieren, Pumpfähigkeit) zu beachten. • Frischbetontemperatur: Ausführungszeitraum bei extrem hohen oder niedrigen Temperaturen wirkt sich ungünstig aus. • Hydratationswärmeentwicklung: Wahl der Zementart und des Zementgehalts sowie die Ausgangstemperatur des Betons (des Frischbetons) wirken sich ggf. ungünstig aus. • Schwindverhalten: Zu hoher Zementleimgehalt wirkt sich ungünstig auf das Schwindverhalten und die Gefahr der Rissbildung aus.“ Damit beim letzten Schritt zur Erzielung der besonders hohen Anforderungen an die Betonoberfläche, dem Be- 32 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Praktische Aspekte zur Festlegung des Sollzustandes für Trinkwasserbehälter gemäß neuem „Arbeitsblatt DVGW W 300-1“ toniervorgang selbst, die vorab angelegte Sorgfalt fortgeführt wird, sind auch hier weitere Details aufgenommen worden: • Für das Vorbereiten des Betonierens u. a. mit Festlegung der relevanten Randbedingungen für den Transport und die Förderung auf der Baustelle (Ausgangsstoffe, Eignungsnachweise, Lieferzeiten und -mengen, Pumpen, Schläuche, …). Betonierverzögerungen oder -unterbrechungen sollen z. B. durch das Vorhalten redundanter Geräte zu vermieden werden. Bereits betonierte Anschlussflanken von Arbeitsfugen sind vorzubehandeln und sämtliche Arbeitsfugen und horizontale Schalungsflächen sind sehr sorgfältig zu reinigen. • Für den Transport u. a. mit Hinweisen auf kürzest mögliche Verarbeitung innerhalb des allgemeinen Zeitrahmens von 90 Minuten, da die Verweildauer des Frischbetons in der Mischtrommel u. a. die rheologischen Eigenschaften, die Frischbetontemperatur und die spätere benötigte Verdichtungsintensität beeinflusst. Die Verkehrsströme der Zulieferwege, die Anzahl der Transportfahrzeuge und der Betonierzeitpunkt sollten daher im Vorfeld entsprechend abgestimmt werden. • Zum Thema Einbringen und Verdichten wird erläutert, dass sich die Frischbetoneigenschaften vor und nach dem Pumpen aufgrund des Pumpvorganges unterscheiden können. Die erforderliche Qualitätssicherung benötigt somit an verschiedenen Orten einen Arbeitsraum (vor und nach der Betonförderung). Die Personen der Qualitätssicherung müssen mit den Besonderheiten der Hygiene vertraut sein und darauf achten, dass die entsprechenden Maßnahmen umgesetzt werden (z. B. Reinigung der Geräte zur Vermeidung von Kontaminationen mit Schalöl). • Zur Nachbehandlung und zum Schutz sind wegen der hohen Anforderungen die Nachbehandlungszeiten der DIN 1045-3 zu verlängern. Chemische Nachbehandlungsmittel dürfen nicht verwendet werden. Für die Fertigung und Verarbeitung von Betonfertigteilen werden ergänzende Hinweise gegeben und auf das DVGW-Merkblatt W 300-6 (System- und Fertigteilbehältern) in Bezug auf Detailregelungen verwiesen. 2.8 Kontrollen, Prüfung und Erst-Inbetriebnahme Hier wurde der Umgang mit in der Praxis häufig vorkommender, nicht vollumfänglich bestandener Wasserdichtheitsprüfung ergänzt: „Eventuell auftretende Durchfeuchtungen am Bauwerk und im Bereich von Fugen sind durch den Aufraggeber hinsichtlich langfristiger Wasserverluste, Wasserzutritte und möglicher Spätfolgen für das Bauwerk zu beurteilen. Im Vorfeld (z. B. in den Ausschreibungsunterlagen, bzw. Vertragsverhandlungen) sollte festgelegt werden, wie mit auftretenden Durchfeuchtungen umzugehen ist. Für alle Entwurfsgrundsätze sind planmäßig (bei der Ausführungsplanung und der Ausschreibung) Dichtmaßnahmen für unerwartet entstandene Trennrisse bzw. für Trennrisse, deren Breite über dem entwurfsmäßig festgelegten Wert liegt, vorzusehen (z. B. Rissbehandlung nach DVGW W 300-3 (A)). Falls aufgrund der Durchfeuchtungen eine Instandsetzungsmaßnahme (Rissverpressung o. Ä.) erforderlich wird, ist DVGW W 300-3 (A) zu beachten.“ Abb. 5: Wasserdichtheitsprüfung mit Auftreten von Durchfeuchtungen 2.9 Dokumentation In diesem Abschnitt wird angeregt, die aufgeführten Unterlagen systematisch in einem ,Behälterbuch‘ zusammenzustellen. Dieses kann dann als Ausgangsbasis für die Ergänzung durch Aufzeichnungen in der Betriebsphase gemäß DVGW W 300-2 (A) und bei Zustandsanalysen sowie bei Instandsetzungen dienen. Es wurde hierbei nicht festgelegt auf welche Weise die Zusammenstellung erfolgen sollte. 2.10 Rückbau Da das Thema Rückbau aufgrund verschiedenster Randbedingungen immer stärker in den Fokus rückt und es auch zum vollständigen Lebenszyklus einer Wasserbehälteranlage gehört, wurde dieses Kapitel neu hinzugefügt. Es sind u. a. folgende Hinweise enthalten: • Abgabe einer Rückbau-Verpflichtungserklärung für Vorhaben der Wasserversorgung im Außenbereich gemäß BauGB. Die Sicherstellung der Einhaltung soll durch die Baugenehmigungsbehörde erfolgen. Daraus folgt, dass der spätere Rückbau generell in der Planung einer Anlage berücksichtigt werden muss. Dies betrifft zum einen die Auswahl der Werkstoffe und der Bauweise und zum anderen die Gestaltung und die Platzverhältnisse der Außenanlagen. • Berücksichtigung von gesetzlichen Vorgaben, wie z. B. Baurecht, ggf. Denkmalschutzrecht, Gefahrstoff- und Abfallrecht inkl. entsprechender Genehmigungen. • Der Eigentümer des abzubrechenden Gebäudes ist auch Eigentümer des Abfalls und der Gefahrstoffe und somit für die ordnungsgemäße Entsorgung verantwortlich. • Minimierungsgebot: Zur Vorbereitung des Rückbaus müssen schadstoffhaltige Bau- und Anlagenteile gemäß den gefahrstoffrechtlichen und abfallrechtlichen Anforderungen ausgebaut, separiert und gesondert entsorgt werden. 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 33 Praktische Aspekte zur Festlegung des Sollzustandes für Trinkwasserbehälter gemäß neuem „Arbeitsblatt DVGW W 300-1“ • Informationspflicht des Auftraggebers/ Bauherrn gegenüber dem Auftragnehmer über das Vorhandensein von Gefahrstoffen. Der Ablauf eines ordnungsgemäß durchgeführten Rückbaus wird skizziert und enthält folgende Schritte: • Bestandsaufnahme des bestehenden Gebäudes (Erstellung Schadstoffkataster), • Aufstellung eines Abbruchkonzepts • Selektiver Rückbau mit • Entkernung des Gebäudes (Rückführung in den Rohbau) und • Abbruch der Rohbaukonstruktion, • Entsorgung der angefallenen Materialien, • Berücksichtigung des Baugrunds/ Bodens. Es wird schließlich aufgezeigt, dass die abzubrechenden baulichen und technischen Anlagen vor Beginn der Rückbaumaßnahme sowohl aus versicherungsrechtlichen als auch aus Gründen der Arbeitssicherheit bauseits freigeschaltet und vom Netz getrennt werden müssen (medienfreie Übergabe an den Rückbau-Auftragnehmer). Literatur [1a] DVGW W 300-1 (A) Trinkwasserbehälter; Teil 1: Planung und Bau, ENTWURF, NOVEMBER 2022 [1b] DVGW W 300-1 (A): 2014-10 Trinkwasserbehälter - Teil 1: Planung und Bau [2] DVGW W 300-2 (A): 2014-10 Trinkwasserbehälter - Teil 2: Betrieb und Instandhaltung [3] DVGW W 300-3 (A): 2014-10 Trinkwasserbehälter - Teil 3: Instandsetzung und Verbesserung [4] DVGW W 300-4 (A): 2014-10 Trinkwasserbehälter - Teil 4: Werkstoffe, Auskleidungs- und Beschichtungssysteme - Grundsätze und Qualitätssicherung auf der Baustelle [5] DVGW W 300-5 (A): 2020-08 Trinkwasserbehälter - Teil 5: Bewertung der Verwendbarkeit von Bauprodukten für Auskleidungs- und Beschichtungssysteme [6] DVGW W 300-6 (M): 2016-09 Trinkwasserbehälter - Planung, Bau, Betrieb und Instandhaltung von System- und Fertigteilbehältern [7] DVGW W 300-7 (M): 2016-09 Trinkwasserbehälter - Teil 7: Praxishinweise Reinigungs- und Desinfektionskonzept [8] DVGW W 300-8 (M): 2016-10 Trinkwasserbehälter - Praxishinweise Hygienekonzept: Neubau und Instandsetzung