eJournals Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis 7/1

Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis
ktw
expert verlag Tübingen
31
2023
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Trinkwasserbehälter aus Edelstahl – „neu erDacht“

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2023
Matthias Kuck
In diesem Fachbeitrag wird die Entstehung von Edelstahl-Systembehältern und deren Varianten beschrieben. Anschließend erfolgt eine kurze Abhandlung über die Ausstattung einer Behälteranlage. Da die hygienischen Anforderungen gewachsen sind, wird die Reinigung durch einen Zielstrahlreiniger näher beschrieben. Weiter wird auf die Qualitätssicherung eingegangen, die bei geschweißten Edelstahlbehältern den Schwerpunkt in der Schweißnahtkontrolle hat. Weiterhin werden wichtige Informationen für Planung und Voraussetzung gegeben, damit die Umsetzung in Bau und Nutzung gut gelingt. Nachhaltigkeit durch ressourceneffiziente Bauweise sollte nicht nur ein Lippenbekenntnis sein, daher wird hier vertieft auf eine neue Dachgeneration eingegangen, die enormes Potenzial bietet.
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7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 79 Trinkwasserbehälter aus Edelstahl - „neu erDacht“ Praxisbeispiele, Dachvarianten sowie Planung und Bau Matthias Kuck LIPP GmbH, Tannhausen Zusammenfassung In diesem Fachbeitrag wird die Entstehung von Edelstahl-Systembehältern und deren Varianten beschrieben. Anschließend erfolgt eine kurze Abhandlung über die Ausstattung einer Behälteranlage. Da die hygienischen Anforderungen gewachsen sind, wird die Reinigung durch einen Zielstrahlreiniger näher beschrieben. Weiter wird auf die Qualitätssicherung eingegangen, die bei geschweißten Edelstahlbehältern den Schwerpunkt in der Schweißnahtkontrolle hat. Weiterhin werden wichtige Informationen für Planung und Voraussetzung gegeben, damit die Umsetzung in Bau und Nutzung gut gelingt. Nachhaltigkeit durch ressourceneffiziente Bauweise sollte nicht nur ein Lippenbekenntnis sein, daher wird hier vertieft auf eine neue Dachgeneration eingegangen, die enormes Potenzial bietet. 1. Einführung Systembehälter aus Edelstahl sind im Vergleich zur herkömmlichen Bauart aus Beton noch relativ jung, doch hat sich im Laufe der letzten 20 Jahre bei den Edelstahlbehältern einiges getan. Das Endlosbandverfahren ermöglicht eine nahezu vollautomatische Produktion, die sehr hohe Fertigungsqualitäten ermöglicht. Vor allem die Qualität der Schweißnähte kann auf hohem Niveau realisiert werden. Aus technischen Gründen lassen sich ausschließlich rotationssymmetrische Behälterformen realisieren. Die Behälterform kommt allerdings der Durchmischung zugute, da der schräggestellte Einlauf das Wasser in Rotation bringt. Aufgrund der positiven Entwicklung von Edelstahl-Systembehältern, rücken auch Großbehälter über 2000 m³ in den Fokus. Da bei Behälterdurchmessern von über 20 m ein klassisches Kegeldach statisch an die Grenzen kommt, sind neue Ideen gefragt. Erste Konzepte in Flachdachbauweise sind am Markt realisiert. Unter Kapitel 4.2 wird das neue Verfahren beschrieben. 2. Entstehung und Bau der Edelstahlbehälter Aufgrund der Fertigungsmethode und statisch optimierter Materialausnutzung, sind alle Edelstahl Systembehälter in zylindrischer Form gestaltet. Die in den 60er Jahren entwickelten Wickelfalzrohre waren die Vorlage für das später entwickelte vertikale Endlosbandverfahren der Systembehälter. Aufgrund der Hygieneanforderungen im deutschsprachigen Raum, wurde das Doppelfalzsystem für Trinkwasseranwendungen verworfen und durch ein geschweißtes System ersetzt. Heute werden Behälterdurchmesser von wenigen Metern bis über 30 m und Wanddicken von unter 3 mm bis 6 mm realisiert. In der nachfolgenden Grafik wird der Entstehungs-prozess der Behälterwand sichtbar. Vom Stahlcoil ausgehend, wird das Edelstahlband entlang des Montageringes im Kreis geführt und schraubenförmig in die Höhe gedreht. An den Bandrändern werden die Fügestellen beidseitig verschweißt. Je nach Hersteller werden teilweise umlaufende Verstärkungsrippen an geformt, die dem Mantel zusätzliche Formstabilität geben. Die Behältermaschine besteht aus dem Coilmagazin, Profiliermaschine (herstellerabhängig), Schweiß- und Antriebsmaschine und dem Montagering. Abb. 1 Skizze Endlosbandverfahren In den nachfolgenden Unterkapiteln werden die Stadien des Behälterbaus beschrieben. 2.1 Erste Schritte Die Baustelle wird eingerichtet. Der Werkzeugcontainer wird nahe der Montageöffnung abgeladen. Aggregate und Sozialcontainer kommen hinzu. 80 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Trinkwasserbehälter aus Edelstahl - „neu erDacht“ Abb. 2 Baustelle einrichten Abb. 3 Halle mit Montageöffnung 2.2 Unterkonstruktion Damit das Trinkwasser beim Entleeren restlos ablaufen kann, muss der Behälterboden ein Gefälle von 1-2 % aufweisen. Wenn nicht schon die Bodenplatte ein Gefälle aufweist, wird mit Gefälleschienen das nötige Gefälle erzeugt. Abb. 4 Bau der Unterkonstruktion Die Unterkonstruktion wird mit Estrich verfüllt, dieser kann anschließend an den Gefälleschienen eben abgezogen werden. Abb. 5 eingebrachter Estrich Nach Trocknung der Estrichfelder wird der Edelstahlboden mit der Unterkonstruktion verschweißt. Hierbei muss der Boden verzugsfrei eingeschweißt werden, damit beim Entleeren kein Wasser stehen bleibt. Abb. 6 Boden glatt eingeschweißt 2.3 Dachkonstruktion Kegeldächer werden teilweise schon vor der Mantelmontage in Position gebracht. Auf nachfolgendem Bild ist die Montage eines klassischen Kegeldachs in Sparrenbauweise dargestellt. Abb. 7 Montage Kegeldach Alternativ werden bei großen Behälterdurchmessern auch begehbare Flachdachvarianten realisiert. Diese werden bereits im Werk vorgefertigt und auf den Behälterrand aufgelegt. Nähere Beschreibung dazu unter Kapitel 4.2. 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 81 Trinkwasserbehälter aus Edelstahl - „neu erDacht“ Abb. 8 Montage Membrandach 2.4 Aufbau Behältermaschine Entsprechend der Behältergröße werden Rahmen-elemente zum Montagering montiert und ausgerichtet. Danach wird die Maschine um weitere Baugruppen ergänzt. Schweißmaschine Montagering Behältermantel Coilmagazin Abb. 9 Auf bau Montagering (Ansicht von oben) 2.5 Behältermantel Nach Montage der Behältermaschine beginnt der Hauptakt des Behälterdrehens. Hierbei ist die ständige Überprüfung der Behältergeometrie maßgeblich. Abb. 10 Behälter wird gedreht Nach Erreichen der Behälterhöhe wird der Behälter eben geschnitten und mit dem Behälterboden beidseitig verschweißt. Im nachfolgendem Bild (Abb. 11) ist bereits das fertige Ergebnis sichtbar. Abschließend werden Einbauteile wie beispielweise Mannloch, Domdeckel, Stutzen und Schaugläser eingeschweißt. Abb. 11 Behältermantel 2.6 Qualitätskontrolle Um die Hauptfunktion eines dichten Trinkwasser-behälters zu erreichen, müssen bei automatisierten Schweißungen 100 % aller relevanten Schweißparameter überwacht und aufgezeichnet werde. Siehe DVGW Merkblatt W 300-6 [1] Im Einzelnen sind folgende Schweißparameter sinnvoll: 1. Lage der Schweißnaht (innen und außen) 2. Spannung [V] 3. Stromstärke [A] 4. Gasmenge [l/ min] 5. Drahtvorschub [m/ min] 6. Uhrzeit [h/ min/ sec] 7. Weg [m] Werden Schweißparameter nicht dokumentiert, sind Stichproben für eine nachgelagerte Durchstrahlprüfung (z. B. Röntgenprüfung) angeraten, um eine gute Schweißqualität sicher zu stellen. 3. Zubehör (Kurzübersicht) Bei Systembehältern gibt es eine Vielzahl an Zubehör, daher kann das Thema hier nur kurz angerissen werden. Bei den Reinigungsanlagen gibt es geschlossene Anlagen, die sich bereits in der Lebensmittelindustrie bewährt haben. Da die sogenannten Zielstrahlreiniger noch wenig bekannt sind, werden diese im nachfolgenden Kapitel 3.2 näher beschrieben. 82 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Trinkwasserbehälter aus Edelstahl - „neu erDacht“ 3.1 Grundausstattung Abb. 12 Zubehör 3.2 Zielstrahlreiniger 360° Zielstrahlreiniger sind in der Mitte des Behälterdachs installiert und reinigen gleichzeitig Dach, Mantel und Boden. Der Reinigungsstrahl beschreibt aufgrund unterschiedlicher Rotationsachsen ein spiralförmiges Reinigungsmuster und hat nach 20 - 30 Minuten den Reinigungsprozess abgeschlossen. Abb. 13 Zielstrahlreiniger 360° (Bild Scanjet [2]) Abb. 14 Innenansicht mit Zielstrahlreiniger Abb. 15 360° Reinigungssimulation bei 30 % 4. Dachsysteme 4.1 Kegeldach Systembehälter haben für gewöhnlich ein klassisches Kegeldach. Wie bei Gebäuden auch, tragen sogenannte Sparren das Dach, um auftretenden Kräfte aufzunehmen. Die Dachhaut bzw. das Dachblech hat hier keine tragende Funktion, sondern muss „nur“ die Funktion „Abdecken“ erfüllen. Abb. 16 Kegeldachansicht Bei großen Behälterdurchmessern, wirken naturgemäß sehr hohe statische Belastungen, vor allem auf die Dachsparren selbst. Entsprechend wird die Sparrenanzahl erhöht, die Sparrenquerschnitte vergrößert und insbesondere deren tragende Höhe, größer dimensioniert. Dadurch wird das Gewicht des freitragenden Kegeldachs nochmals erhöht. 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 83 Trinkwasserbehälter aus Edelstahl - „neu erDacht“ Abb. 17 Kegeldach mit Sparren Für Behälterdurchmesser bis ca. 15 m eignen sich Kegeldächer, da die Statik noch in einem gesunden Verhältnis zum Materialverbrauch steht. Die Vor-montage kann im Werk oder auf der Baustelle erfolgen. Edelstähle können aber sehr hohe Zugkräfte aufnehmen und diese Eigenschaft bleibt bei den Kegeldächern ungenutzt, da die Beanspruchung hier auf Biegung ausgelegt ist. Abb. 18 Dacharten: Flach- und Kegeldach 4.2 Membranflachdach „neu erDacht“ Bei größeren Behälterdurchmessern hat ein Membrandach Vorteile. Diese sind leicht begehbar, da sie in Flachbauweise errichtet sind. Auch bei sehr großen Behältern ist keine zentrale Stütze im Behälter vorgesehen. Diese Dächer werden in der Regel werksgefertigt auf die Baustelle angeliefert. Damit kann die Bauzeit vor Ort reduziert werden. Durch ein umlaufendes Geländer ist die Begehbarkeit auch ohne weitere Schutzausrüstung möglich. Ein Membranflachdach bietet die Möglichkeit einer komplett anderen Kräfteverteilung. Die Dachhaut wird beim Membrandach über den Behälterrand gespannt und verschweißt. Der Stahl ist dadurch ausschließlich auf Zug beansprucht. Bekanntermaßen haben Stähle bei den Zugkräften sehr gute Materialeigenschaften. Statt der Verwendung von zahlreichen Dachsparren, wird beim Membrandach ausschließlich der Behälterrand verstärkt, um entstehende Zugkräfte aufnehmen zu können. Dabei bietet diese Dachkonstruktion noch genügend Reserven, um weitere Dachlasten, wie Wartungsplattformen oder Laufstege, aufnehmen zu können. Die Begehbarkeit ist auch für mehrere Personen möglich. In Summe ergeben sich folgende Vorteile: • Materialeinsparung • Kosteneinsparung • Verbesserung der CO2 Bilanz • Verkürzte Montagezeit • Sichere Begehbarkeit • Keine Mittelstütze • Niedrigere Bauhöhe Abb. 19 Vorfertigung der Membran im Werk Abb. 20 Zugang Behälterdach Abb. 21 Membrandach mit Geländer 5. Planerische Hinweise Einige Grundregeln sind bei der Planung von Systembehältern zu beachten, um die Vor-Ort-Montage zu ermöglichen. 5.1 Versorgung auf der Baustelle • Energie: Strom 63 A, alternativ Stromaggregat • Wasser: ½ Zoll 50 L/ Min • Zufahrt: Lkw 40 to mit Wendemöglichkeit • Montageöffnung 5 m x 5 m 5.2 Montageöffnung Eine 5 m x 5 m Montageöffnung, idealerweise mittig auf der Längsseite des Gebäudes, ist für das Einbringen von Material und Maschinen eine grundlegende Voraussetzung. Vorzugsweise sollte die Halle auch über diese Öffnung von außen befahrbar sein. Ein einfaches temporä- 84 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Trinkwasserbehälter aus Edelstahl - „neu erDacht“ res Schiebetor schützt vor unbefugtem Zugang und stellt ein zugfreies Schweißen sicher. Abb. 22 Montageöffnung mit Schiebetor 5.3 Platzbedarf im Gebäude Der Platzbedarf zwischen Edelstahlbehälter und Gebäude ist mit 1,5 m ausreichend bemessen. Sollte der Abstand kleiner dimensioniert werden, so ist eine Abstimmung mit der ausführenden Behälterbaufirma erforderlich. Ein Abstand unter 1 m ist technisch nicht mehr möglich. Abb. 23 Abstand zur Hallenwand Zwischen Behälterdach und Gebäudedach ist ein Mindestabstand von 1,4 m einzuhalten. Das Endlosbandverfahren erfordert prinzipbedingt ein Überdrehen beim Bau des Behälters. Abb. 24 Mindestabstand zum Hallendach 6. Projektbeispiele 6.1 Behälteranlage mit Kegeldach, 2 x 2000 m³ Bei den Stadtwerken Weiden i. d. Oberpfalz wurde eine Behälteranlage mit zwei Behältern von je 2000 m³ realisiert. Mit einem Durchmesser von 17 m und einer Höhe von ca. 10 m zählen diese Behälter zu den größten Systembehältern. Eine Herausforderung für den Behälterbau ist der vertiefte Einbau im Untergeschoß. Die Bodenplatte befindet sich ca. 3 m unterhalb der Montageöffnung. Material und Maschinen mussten jeweils mit Kran und Hebezeugen eingebracht werden. Abb. 25 LIPP Behältermaschine im Einsatz Abb. 26 Behälter komplett montiert 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 85 Trinkwasserbehälter aus Edelstahl - „neu erDacht“ Abb. 27 Kegeldach mit Dachgeländer Die Dachfläche ist vom Podest aus begehbar. Ein umlaufendes Dachgeländer schützt die Wartungspersonen vor Herabstürzen vom schrägen Kegeldach. 6.2 Behälteranlage mit Membrandach 1 x 5000 m³ In Marburg wurde der bisher größte Trinkwasserspeicher im Endlosbandverfahren mit 5000 m³ Inhalt gebaut. Mit einem Durchmesser von über 25 m hat dieser Speicher eine Dimension, die seither nur in Beton verbaut wurde. Abb. 28 Großbehälter im Bau Auf eine Kegeldachlösung wurde aus statischen Gründen verzichtet, da schon das Gesamtgewicht der Sparren über 10 Tonnen betragen hätte. Realisiert wurde dies Projekt mit der Membranflachdachlösung die ohne Sparrentechnik auskommt. Die Edelstahl-Membrane hat eine Dicke von 1,5 mm und überspannt die komplette Dachfläche. Umlaufend ist die Membrane mit dem verstärkten Behälterrand verschweißt. Abb. 29 Auflegen des Membrandachs Aufgrund der Materialeigenschaft des Edelstahls, ist eine Begehung des Membrandachs von bis zu 15 Personen möglich. Statt einem umlaufenden Geländer wurde beidseitig ein Teilgeländer am Aufstieg montiert. Die Wartungsperson klinkt sich in ein Seil ein, welches zu einem mittig angeordnetem Sekuranten führt. Abb. 30 Aufstieg zum Membrandach Die Technologie der modernen Systembehälter sind ein Beispiel für ressourceneffizienten Behälterbau. Aussteifungsrippen am Behältermantel sorgen trotz Reduzierung der Manteldicke, für höhere Formstabilität. Das Membranflachdach ist im Bau zwar komplex, sorgt jedoch für eine sichere Begehbarkeit bei Halbierung des Materialverbrauchs. Abb. 31 Trinkwasserbehälter mit 5000 m³ im Betrieb Vorteile können sich durch die niedrige Bauhöhe des Membrandachs auch für das Gebäude ergeben. Durch die Flachdachbauweise kann die Raumhöhe optimal ausgenutzt oder das Gebäude niedriger geplant werden. Literatur [1] DVGW Merkblatt W 300-6 „Trinkwasserbehälter; Planung, Bau Betrieb und Instandhaltung von System- und Fertigteilbehältern [2] Bild Zielstrahlreiniger (Scanjet Bio 25) Alle anderen Bilder, Grafiken und Textangaben stammen aus Sammlungen und Dokumenten der LIPP GmbH