Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis
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expert verlag Tübingen
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Instandsetzung von Trinkwasseranlagen
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Jan Rassek
Die Abrechnung von Instandsetzungsmaßnahmen an Trinkwasseranlagen birgt einige Besonderheiten und Schwierigkeiten, die in diesem Artikel näher erläutert und anhand von Beispielen verdeutlicht werden. Hierfür werden zunächst die abrechnungsbeinflussenden Parameter wie Angebotsbearbeitung, Kalkulation, Bauvertrag und die Grundlagen der Abrechnung nach VOB/B beschrieben. Die Verdeutlichung der Unterschiede zwischen Nebenleistungen und Besonderen Leistungen jeder Allgemeinen Technischen Vertragsbedingung für Bauleistungen (ATV) markiert den Einstieg in das Thema der Abrechnung nach VOB/C, in dem vor allem auf die Besonderheiten bei der Ermittlung der Maße und Mengen nach ATV DIN 18349 eingegangen wird.
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7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 123 Instandsetzung von Trinkwasseranlagen Abrechnung nach VOB/ C DIN 18349 ff. Dipl.-Ing. Jan Rassek w+s bau-instandsetzung gmbh, Fuldabrück Zusammenfassung Die Abrechnung von Instandsetzungsmaßnahmen an Trinkwasseranlagen birgt einige Besonderheiten und Schwierigkeiten, die in diesem Artikel näher erläutert und anhand von Beispielen verdeutlicht werden. Hierfür werden zunächst die abrechnungsbeinflussenden Parameter wie Angebotsbearbeitung, Kalkulation, Bauvertrag und die Grundlagen der Abrechnung nach VOB/ B beschrieben. Die Verdeutlichung der Unterschiede zwischen Nebenleistungen und Besonderen Leistungen jeder Allgemeinen Technischen Vertragsbedingung für Bauleistungen (ATV) markiert den Einstieg in das Thema der Abrechnung nach VOB/ C, in dem vor allem auf die Besonderheiten bei der Ermittlung der Maße und Mengen nach ATV DIN 18349 eingegangen wird. 1. Grundlagen der baubetriebswirtschaftlichen Auftragsabwicklung 1.1 Angebotsbearbeitung und Kalkulation Grundsätzlich erfolgt die Kalkulation von Instandsetzungsmaßnahmen nach folgenden drei Stadien: 1. Angebots- und Zuschlagskalkulation 2. Arbeitskalkulation und Betriebsabrechnung 3. Nach- und Nachtragskalkulation Die Angebotskalkulation dient zunächst der Ermittlung der voraussichtlichen Selbstkosten des Unternehmens von Bauleistungen. Aufgrund der Marktlage wird aus dem Selbstkostenpreis der Angebotspreis entwickelt und die Einheitspreise für einzelne Teilleistungen errechnet. Für die Angebotskalkulation werden der Kalkulationsmittellohn und die Einzelkosten der Teilleistungen ermittelt. Diese bestehen aus Lohnkosten, Gerätekosten, Fremdleistungskosten und Sonstigen Kosten. Dazu kommen die Gemeinkosten der Baustelle, zusammengesetzt aus zeitabhängigen Kosten wie Kosten für die Vorhaltung von Geräten und einmalige Kosten wie z. B. die Baustelleneinrichtung. Daraus ergeben sich die Angebotssumme inkl. der Zuschlagssätze und letztlich die Einheitspreise. Die Arbeitskalkulation sollte einen Vergleich der in der Betriebsabrechnung ermittelten Ist-Kosten mit den Plan- Kosten der Bauauftragsrechnung ermöglichen und die Soll-Kosten möglichst realitätsnah wiedergeben. Dies ermöglicht z. B. ein rechtzeitiges Einschreiten bei Fehlentwicklungen. Die Ergebnissituation der Baustelle kann jederzeit analysiert werden, was eine Hochrechnung auf das Baustellenende ermöglicht. Die Arbeits-kalkulation ist Ausgangspunkt für die spätere Kostenkontrolle. Mit der Nachkalkulation werden nachträglich die Kosten einer teilweise oder voll erbrachten Leistung ermittelt. Soll- und Ist-Kosten werden gegenübergestellt, einzelne Kostenarten werden kontrolliert, Mengenansätze und tatsächlicher Verbrauch werden verglichen. Dies erlaubt u. a. die Bildung von Aufwands- und Leistungsansätzen für die nächste Vorkalkulation. Die Nachkalkulation beschränkt sich i.d.R. auf ausgewählte Kostenarten oder Arbeitsabschnitte. 1.2 Vergütung von Bauverträgen Neben dem bei der Instandsetzung von Trinkwasseranlagen in den meisten Fällen zustande kommenden Einheitspreisvertrag, kann eine Maßnahme in Ausnahmefällen auch über einen Pauschalvertrag, einen Stundenlohnvertrag oder einen Selbstkostenerstattungsvertrag abwickelt werden. Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über Grundlagen und Risiken der einzelnen Verträge. Tab. 1: Vier mögliche Vertragstypen für die Vergütung von Bauverträgen 124 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Instandsetzung von Trinkwasseranlagen Für die Besonderheiten der Abrechnung ist i.d.R. nur der Einheitspreisvertrag relevant. 1.3 Grundlagen der Abrechnung nach VOB/ B Kommt für die Maßnahme ein Einheitspreisvertrag zustande, so gibt die VOB/ B die Grundlagen für die Vertragsbedingungen der Ausführung von Bauleistungen vor. Für die Abrechnung der Leistungen sind vor allem folgende Paragrafen von Bedeutung: §1 Art und Umfang der Leistung §2 Vergütung §14 Abrechnung §15 Stundenlohnarbeiten §16 Zahlung In §1 ist z. B. bei Widersprüchen im Vertrag eindeutig geregelt, in welcher Reihenfolge die einzelnen Bestandteile der Ausschreibung nacheinander gelten. §2 und §14 regeln, dass das Aufmaß die Basis der Vergütung darstellt und zu einem prüf baren Aufmaß alle erforderlichen Berechnungen, Zeichnungen und Belege beizufügen sind. Zudem sollte das Aufmaß, wenn möglich von AN und AG gemeinsam vorgenommen werden. Für unvorhergesehene Arbeiten, die im Stundenlohn abgerechnet werden, gibt § 15 Aufschluss über die weitere Vorgehensweise. Letztlich regelt §16 alle Rahmenbedingungen, Fristen und Fälligkeiten für Zahlungen von Abschlägen und die Schlussrechnung. Mit diesen Grundlagen kann das Aufmaß erfasst und die Leistung abgerechnet werden. Alle notwendigen Informationen hierzu geben die Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen (ATV) zu jeder Art von Arbeiten vor. 2. VOB/ C - Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen Der Inhalt aller Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen (ATV) / DIN Normen ist grundsätzlich nach demselben Schema aufgebaut. Zunächst werden sämtliche normativen Verweise aufgelistet. Darauf hin folgt folgender Auf bau: 0 Hinweise für das Aufstellen der Leistungsbeschreibung 1 Geltungsbereich 2 Stoffe, Bauteile 3 Ausführung 4 Nebenleistungen, Besondere Leistungen 5 Abrechnung Besondere Beachtung ist hier zunächst der Nr. 1 „Geltungsbereich“ zu schenken. Hier ist eindeutig geregelt, für welche Arbeiten die jeweilige ATV gilt und für welche Arbeiten sie nicht gilt. Dabei kann es gerade bei der Instandsetzung von Trinkwasserbehältern zu Missverständnissen kommen: Vergleicht man zum Beispiel die ATV DIN 18314 und die ATV DIN 18349, so ist bereits im Geltungsbereich erklärt, dass die ATV DIN 18314 „Spritzbetonarbeiten“ für das Herstellen und Verarbeiten von bewehrten und unbewehrten Betonen und Mörteln jeder Art, die im Spritzverfahren aufgetragen und dabei verdichtet werden, gilt. Die ATV DIN 18349 „Betonerhaltungs-arbeiten“ hingegen gilt für Arbeiten zur Erhaltung und Instandsetzung sowie Verstärkung von Bauwerken und Bauteilen aus bewehrtem oder unbewehrtem Beton, Spritzbeton/ mörtel sowie für das Auf bringen zugehöriger Oberflächenschutzsysteme. Die Bezeichnungen ähneln sich stark und es kommt häufig zu Unklarheiten welche Norm für welche Arbeiten zugrunde gelegt werden kann. Für den Fall der Instandsetzung von Trinkwasseranlagen gilt in der Regel für alle Instandsetzungsarbeiten die ATV DIN 18349. Laut Geltungsbereich gilt sie eindeutig nicht für das Herstellen von Bauteilen aus bewehrtem und unbewehrtem Beton im Spritzverfahren. 2.1 Nebenleistungen und Besondere Leistungen In jeder ATV ist unter Punkt 4 „Nebenleistungen, Besondere Leistungen“ eindeutig aufgelistet und beschrieben, welche Leistungen als Nebenleistungen zählen und somit mit dem Einheitspreis der Position bereits abgegolten sind und für welche Leistungen als Besondere Leistungen eigene Ordnungszahlen vorgesehen werden müssen. Für die Instandsetzung von Trinkwasseranlagen sind vor allem folgende Normen wesentlich (Auszug): DIN 18299 - Allgemeine Regelungen für Bauarbeiten jeder Art DIN 18314 - Spritzbetonarbeiten DIN 18331 - Betonarbeiten DIN 18336 - Abdichtungsarbeiten DIN 18349 - Betonerhaltungsarbeiten DIN 18363 - Maleru. Lackierarbeiten/ Beschichtungen DIN 18451 - Gerüstarbeiten DIN 18459 - Abbruch- und Rückbauarbeiten Vor allem in Hinblick auf das Thema Hygiene sind verschiedene Punkte genauer zu betrachten. So sind in der ATV DIN 18299 „Allgemeine Regelungen für Bauarbeiten jeder Art“ verschiedene Punkte, die bereits die Baustelleneinrichtung betreffen, als Besondere Leistung auszuschreiben und somit vergütungspflichtig. Hier kann zum Beispiel der besondere Schutz einer weiteren in Betrieb befindlichen Wasserkammer genannt werden oder das Einrichten, Vorhalten und Betreiben von Hygieneschutzzonen. Wird bei Betonarbeiten gemäß ATV DIN 18331 Sichtbetonqualität der fertigen Oberfläche gefordert, so ist dies auch eine vergütungspflichtige Leistung. Auch das Thema „Überwachung durch das ausführende Unternehmen“ (Eigenüberwachung) steckt nur zu einem gewissen Teil in den Nebenleistungen (Bsp. ATV DIN 18349, Punkt 4.1.7) und ist teilweise gesondert auszuschreiben. Die Eigenüberwachung gemäß Instandset- 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 125 Instandsetzung von Trinkwasseranlagen zungsrichtlinie Teil 3 Anhang A ist zum Beispiel eine Nebenleistung. Hier sind die Standardprüfungen zum Betonuntergrund, gelieferten Stoffen, verarbeitungs-fertigen Stoffen, zum Verarbeiten, zu ausgehärteten Stoffen und zur technischen Einrichtung inbegriffen. Sobald weitere Prüfungen, z. B. gemäß Arbeitsblatt DVGW W-300 oder TR-Instandhaltung gefordert werden, so sind diese als besondere Leistung zu deklarieren. Als Beispiele können hier die Messung der Rautiefe, die Überprüfung der Gesamtporosität oder die Messung der Rohdichte des Festbetons genannt werden. Die ATV DIN 18349 definiert unter Punkt 4 „Besondere Leistungen“ z. B. für das Einrichten von Hygieneschleusen (gemäß 4.2.2 bzw. 4.2.20), das Auf-, Um- oder Abbauen von Gerüsten auf einem Gefälleboden im Trinkwasserbehälter, der eine Differenz von > 40cm hat (gemäß 4.2.6) oder die Herstellung von poren- und lunkerfreien Oberflächen. Weitere wichtige Besondere Leistungen der ATV DIN 18349 für den Bereich der Instandsetzung von Trinkwasseranlagen sind - 4.2.9 Besondere Maßnahmen zum Feststellen des Zustands der Vorfluter: - Kamerabefahrung der Grundentleerung - 4.2.11 Anfertigen von Schadensdokumentationen: - Feststellung des Schadensumfangs - 4.2.20 Besondere Schutzmaßnahmen gegen schädigende Einflüsse, z. B. aus chemischer Beanspruchung, Fremderschütterung: - bei parallellaufender Außenabdichtung - 4.2.21 Reinigungsarbeiten, soweit sie über die Leistungen nach ATV DIN 18299, Abschnitt 4.1.11, hinausgehen, z. B. Fensterputzen, Reinigen von Leichtmetallfassaden oder Einbauten: - Vorkammer- und Rohrleitungsreinigung sowie Desinfektion der Wasserkammern - 4.2.22 Überwachung durch eine anerkannte Überwachungsstelle, soweit vom Auftraggeber veranlasst: - Die Überwachung (Fremdüberwachung) durch eine anerkannte Überwachungsstelle (nicht DVGW) ist gemäß Instandsetzungsrichtlinie und TR-Instandhaltung gesetzlich vorgeschrieben. 3. Abrechnung von Instandsetzungsmaßnahmen an Trinkwasseranlagen nach VOB/ C In der Abrechnung unter Punkt 5 der ATV DIN 18299 „Allgemeine Regelungen für Bauarbeiten jeder Art“ ist u. a. festgelegt, dass „die Leistung aus Zeichnungen zu ermitteln ist, soweit die ausgeführte Leistung diesen Zeichnungen entspricht. Sind solche Zeichnungen nicht vorhanden, ist die Leistung aufzumessen.“ Nachfolgend wird erklärt, wie genau aufzumessen ist und welche Regeln zur Ermittlung der Leistung anzuwenden sind. 3.1 Aufmaß Im Bereich der Betoninstandsetzung erfolgt die Abrechnung weitgehend nach Flächen- und Längen- (Auf)maß. Die notwendigen Feststellungen sind möglichst von AN und AG gemeinsam durchzuführen. Der AN hat hierfür den AG zur Teilnahme am Aufmaß aufzufordern und einen Termin vorzuschlagen. Hierbei sollte der AN darauf hinweisen, dass das Aufmaß bei Nichtteilnahme des AG trotzdem vorgenommen wird. Nimmt der AG tatsächlich nicht am Aufmaßtermin teil, so ergibt sich eine Umkehr der Beweislast. Der AG ist nun in der Pflicht bei einem zweifelhaften Aufmaß zu beweisen, dass es falsch ist. Zusätzlich zur ATV DIN 18299, Abschnitt 5, legt Punkt 5.1.1 der ATV DIN 18349 eindeutig fest, dass der „Ermittlung der Leistung - gleichgültig, ob sie nach Zeichnung oder Aufmaß erfolgt - die Maße der behandelten (also die bearbeitete Fläche, z. B. nach der Untergrundvorbereitung oder nach der Applikation von Betonersatzsystemen) Fläche zugrunde gelegt wird.“ Für die Ermittlung der Leistung sind vereinfachende Regeln, wie Übermessungsregeln und Einzelregelungen anzuwenden. Die Abrechnung von Instandsetzungsmaßnahmen im Trinkwasserbereich bedarf in einigen Fällen einer weitergehenden Erläuterung. So kann unter Punkt 5.2 jeder ATV nachgelesen werden, wie bestimmte Maße und Mengen ermittelt werden müssen. Im nachfolgenden Kapitel werden unter Zuhilfenahme aktueller Kommentare, Rechtsprechungen und bewährter Standardwerke zur einfachen und sicheren Abrechnung die wesentlichen Punkte beim Aufmaß und bei der Abrechnung von Instandsetzungsmaßnahmen im Trinkwasserbereich anhand von Bildern und Skizzen verdeutlicht. 3.2 Erläuterungen zur Abrechnung nach VOB/ C ATV DIN 18349 3.2.1 Allgemeines In der Praxis können Flächenmaße bei einem Bauvorhaben je nach Bearbeitungsstand sehr unterschiedlich sein. Oftmals existiert bereits ein Unterschied zwischen der Zeichnung und dem tatsächlichen Aufmaß vor Ort am Bauwerk. Hier sei besonders auf die verschiedenen Stadien der Instandsetzung hingewiesen (siehe auch Abb. 1): - Aufmaß nach Schadenskartierung, Vorreinigung - (Flächengröße A) - Aufmaß nach der Untergrundvorbereitung (Flächengröße X) - Aufmaß nach Applikation des Spritzbetons oder bei schichtweise ausgeschriebenem Beschichtungsaufbau (Flächengröße Y) - Aufmaß nach Applikation der mineralischen Beschichtung, Reinigung, Nachbehandlung (Flächengröße Z) Dies kann beispielweise an einem runden Trinkwasserbehälter bedeutende Mengenunterschiede ausmachen. Bei einer Innensanierung oder bei der Bearbeitung des Innenrings wird die bearbeitete Fläche (rot) nach der Untergrundvorbereitung mit jedem weiteren Bearbeitungsschritt kleiner, wie die nachfolgende Abbildung veranschaulichen soll: 126 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Instandsetzung von Trinkwasseranlagen Abb.1: Verschiedene Flächengrößen am Beispiel der Innensanierung eines runden Trinkwasserbehälters Bei einer Außensanierung oder bei der Bearbeitung des Außenrings dagegen wird die Bearbeitungsfläche nach der Untergrundvorbereitung mit jedem Bearbeitungsschritt größer. Grundsätzlich gilt für die Ermittlung der Leistung, dass die Maße der behandelten Fläche in ihrer fertigen Oberfläche abzurechnen sind - egal ob eben oder gekrümmt. 3.2.2 Mengenermittlung Für die Ermittlung der Maße und Mengen werden in Absatz 5.2 der ATV DIN 18349 verschiedene Regelungen zur Abrechnung getroffen. Nachfolgend werden einige Punkte näher erläutert: 5.2.1 Die Wandhöhen überwölbter Räume werden bis zum Gewölbeanschnitt (h1), die Wandhöhe der Schildwände (Stirnwände) bis zu 2/ 3 des Gewölbestichs (h2) gerechnet. Abb. 2: Überwölbte Wasserkammer (Tonnengewölbe) 5.2.2 Bei der Flächenermittlung von gewölbten Decken (Tonnengewölbe) mit einer Stichhöhe unter 1/ 6 der Spannweite wird die Fläche des überdeckten Raumes gerechnet. Gewölbe mit größerer Stichhöhe werden nach der Fläche der abgewickelten Untersicht abgerechnet. Abb. 3: Gewölbte Tonnendecke mit geringer Stichhöhe Bemerkung: Hier handelt es sich um die Ermittlung der Deckenfläche eines Tonnengewölbes. Die „VOB im Bild“ [4] kann eine Möglichkeit zur rechnerischen Hilfestellung darstellen. Sie formuliert das Aufmaß von gewölbten Tonnendecken folgendermaßen: Abgewickelte Untersicht bei H> 1/ 6B: A abgewickelte Untersicht = B·1/ 2·3,14·L Überdeckte Fläche bei H< 1/ 6B: A überdeckte Fläche = B·L Sie ist aber keine rechtlich bindende Vorschrift. Sollte die Gewölbeabwicklung nicht ohne weiteres rechnerisch ermittelbar sein, so kann die Abwicklung gemäß ATV DIN 18299 Pkt. 5.1.1 auch händisch aufgemessen werden. Bei der Ermittlung von Deckenflächen eines Kuppelgewölbes (siehe nachfolgendes Foto) mit definiertem Radius, die einen Kugelabschnitt beschreiben, lässt sich die Oberfläche nach [1] über folgende Formel errechnen: Mantelfläche M= 2·π·r·h (h=Stichhöhe, r= Radius Kugel) Abb. 4: Flach gewölbte Deckenuntersicht 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 127 Instandsetzung von Trinkwasseranlagen In der Praxis kommen jedoch bei Kuppeldecken im Bereich von Trinkwasseranlagen nur sehr selten definierte Kugelabschnitte vor. Somit gestaltet sich die Berechnung der Oberfläche viel schwieriger. Auch hier kann auf die Möglichkeit des händischen Aufmaßes nach VOB (ATV DIN 18299, Punkt 5.1.1) verwiesen werden. 5.2.3 Binden Stützen in Unterzüge oder Balken ein, werden die Unterzüge und Balken durchgemessen, wenn sie breiter als die Stützen sind. Die Stützen werden in diesem Fall bis Unterseite Unterzug oder Balken gerechnet. Diese Regelung gilt nur, wenn der Unterzug breiter ist als die Stütze. Ist die Stütze gleich breit oder breiter als der Unterzug oder Balken, so sind gesonderte Festlegungen in der Ausschreibung zu treffen. Abb. 5: Stütze mit Kapitel und Deckenerhöhung Wie ungemein schwierig dieser Ansatz meist in der Realität anzuwenden ist, zeigt Abb. 5. Die Stützen enden im Kopf bereich in einem Kapitel, das wiederum in einen verstärkten Deckenbereich eingebunden ist. Für die Berechnung sind vom Planer gesonderte Angaben notwendig. Anfang und Ende der Stütze sind klar zu definieren. 5.2.4 Bei ungleichmäßiger Dicke von Ausbrüchen und Schichten wird die größte Bearbeitungstiefe durch Profilvergleich vor und nach der Ausführung ermittelt. Abb. 6: Maßgebende Bearbeitungstiefe a bei Ausbrüchen und Schichten aus [4] Abb. 7: Messung der größten Bearbeitungstiefe einer Schadstelle Bei der Instandsetzung von Schadstellen zeigt sich die größte Bearbeitungstiefe manchmal erst im Laufe der Bearbeitung. Im Zuge diverser Unstimmigkeiten bei der Messung der größten Bearbeitungstiefe und deren unplanmäßiger Anwendung als „flächiger Abtrag“ des Ausbruchs und einhergehender hoher Mehrkosten, ist geplant, in der Neufassung der ATV DIN 18349 eine bessere Anwendbarkeit dieser Vorgabe darzustellen. So soll ggfs. bei Schadstellen bis 1m² Fläche von der größten Bearbeitungstiefe gemäß 5.2.4 in Kombination mit der Abrechnungseinheit 0.5.3 [2] getrennt nach Größe in Stück ausgegangen werden. Bei Schadstellen > 1m² soll von einer mittleren Bearbeitungstiefe in Kombination mit der Abrechnungseinheit 0.5.1 [2] als Flächenmaßabrechnung zur Anwendung kommen. Es ist ratsam vergütungsabhängige Grenzwerte für die Tiefe des Ausbruchs in der Ausschreibung anzugeben. Die Tiefe der Ausbrüche ist möglichst gemeinsam mit dem Auftraggeber zu überprüfen und festzulegen. 5.2.5 Unmittelbar zusammenhängende verschiedenartige Aussparungen, z. B. Öffnung mit angrenzender Nische, werden getrennt gerechnet. Abb. 8: Öffnung mit innenliegender Rohrleitung 128 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Instandsetzung von Trinkwasseranlagen Einzelabrechnungen bis 2,5m² Fläche können übermessen werden (vgl. 3.2.3 ATV DIN 18349). Wenn es sich beispielsweise um nebeneinanderliegende Rohrleitungen DN 1000 handelt, deren Bearbeitungsumfeld 2,5m² überschreitet, so kann diese Fläche trotzdem übermessen werden, da die Fläche jeder einzelnen Rohrleitung darunter liegt. 5.2.6 Treppenwangen werden in ihrer größten Breite gerechnet. Abb. 9: Skizze zur Berechnung der Fläche einer Treppenwange nach [4] Die größte Breite einer Treppenwange ist bestimmt durch den senkrechten Abstand der Oberkante und der Unterkante an der breitesten Stelle Abb. 10: Abrechnung der Beschichtung von Treppenwangen 5.2.7 Reprofilierungen von Kanten werden in der Abwicklung gesondert gerechnet. Abb. 11: Instandsetzung einer Schadstelle an einer Stütze Die Abrechnung der Ausbrüche erfolgt nach Flächenmaß über das kleinste umschriebene Rechteck und über die größte Bearbeitungstiefe bei ungleichmäßiger Dicke des Ausbruchs (vergleiche hier Kommentar zu 5.2.4), wenn die Größe der Schadstelle 1m² überschreitet. Bis 1m² Fläche erfolgt die Abrechnung aufgeteilt nach Größen in Stück. Für das Beispiel in Abb. 11 bedeutet dies (Größe >1m²): (a+b + ggf. c+d) * h Die Profilierung der Kante h ist zusätzlich zu rechnen. Ist die Kantenlänge ≥ 1m wird nach Längenmaß abgerechnet, kleiner 1m in Stück. 5.2.8 Freilegen von Bewehrungsstahl, Ausbrüchen sowie Wiederherstellen der Oberfläche werden nach den größten Maßen gerechnet. Das Freilegen von Bewehrungsstahl ist nach Längenmaß (m) über 1m Einzellänge, getrennt nach Durchmesser bis 16mm und über 16mm abzurechnen. Freigelegter Bewehrungsstahl kleiner 1m ist nach Anzahl (Stück) auszuschreiben, getrennt nach Größe bis 0,5m und ab 0,5m bis 1,0m. 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 129 Instandsetzung von Trinkwasseranlagen Der Instandsetzungsverlauf folgt in der Regel weitgehend der Bewehrung. Hieraus ergeben sich teilweise ungünstige Umrisse für ein Flächenaufmaß. Somit sind für das Aufmaß solcher Leistungen die jeweils größten Maße zugrunde zu legen. Abb. 12: Abrechnung nach Flächenmaß, Zugrundelegung des kleinsten umschriebenen Rechtecks Abb. 13: Doppelte Abrechnung einer Schadstelle in Anlehnung an [4] Anmerkung: Im seltenen Fall, dass die Bearbeitungsbreite zum Freilegen der Bewehrung laut Ausschreibung max. 10 cm beträgt (Abb. 13 blaue Markierung), der Achsabstand der Bewehrung aber > 10 cm ist, so könnte das Freilegen von Bewehrung (in Einzellängen (≥ 1m) oder in Stück (< 1m)) und zusätzlich das Freilegen der verbleibenden Restfläche (je nach Größe in m² oder Stück, Abb. 13 rote Markierung) doppelt abgerechnet werden. Hinzu kommt nach 5.2.12 [2] noch die gesonderte Abrechnung der Vorbehandlung und des Korrosionsschutzes des Bewehrungsstahls. Daher sind vergütungsabhängige Grenzwerte für die Breite und Tiefe der Ausbrüche in der Ausschreibung festzulegen. Es ist zudem möglichst eine Unterscheidung zwischen Ausbrüchen mit und ohne Bewehrung in der Planung anzugeben. 5.2.10 Bei der Abrechnung der Schalung nach Flächenmaß ist das kleinste umschriebene Rechteck zugrunde zu legen. Abb. 14: Abrechnung der Schalung über das kleinste umschriebene Rechteck aus [4] 5.2.11 Schutzabdeckungen werden bei der Abrechnung nach Flächenmaß in ihrer Abwicklung gerechnet. Abb. 15: Beispiel einer Schutzabdeckung im Bereich einer Treppe Schutzabdeckungen und Einhausungen sind gemäß Abrechnungseinheiten nach Abschnitt 0.5 ATV DIN 18349 nach Flächenmaß oder nach Stück, getrennt nach Maßen, auszuschreiben. Wird nach Flächenmaß gerechnet, gelten die Maße der äußeren Ansichtsfläche der Schutzabdeckungen in ihrer Abwicklung. 130 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Instandsetzung von Trinkwasseranlagen 5.2.13 Liefern, Schneiden, Biegen und Einbauen von Bewehrungsstahl werden gesondert gerechnet. Maßgebend ist die errechnete Masse. Bei genormten Stählen gelten die Angaben in den DIN -Normen, bei anderen Stählen die Angaben im Profilbuch des Herstellers. Zur Bewehrung gehören auch die Unterstützungen, z. B. Stahlböcke, Abstandhalter aus Stahl sowie Spiralbewehrungen, Verspannungen, Auswechselungen, Montageeisen. 5.2.16 Mehr- oder Minderverbrauch von Füllstoffen wird gesondert gerechnet. Der angesetzte Verbrauch an Rissfüllstoffen ist getrennt nach Produkten (EP, PU, ZL, ZS) im Leistungsverzeichnis in der Grundposition anzugeben. Für den Mehr- oder Minderverbrauch sind gesonderte Positionen auszuschreiben. Der Verbrauch ist gegen Nachweis zu vergüten. Der Nachweis kann zum Beispiel über Leergebinde erfolgen. Wie der Verbrauch nachgewiesen werden soll, sollte vor Beginn der Arbeiten vereinbart werden. 3.2.3 Übermessungsregeln Die ATV DIN 18349 gibt eindeutig vor, welche Gegebenheiten vor Ort übermessen werden dürfen. Darunter fallen bei der Abrechnung nach Flächenmaß: - Fugen - Aussparungen, z. B. Öffnungen, Nischen mit Einzelgrößen ≤ 2,5m² - Unterbrechungen in der behandelten Fläche durch Bauteile, z. B. Stützen, Unterzüge, Vorlagen, mit Einzelbreite ≤ 30cm Zudem können bei der Abrechnung nach Längenmaß Unterbrechungen mit einer Einzellänge ≤ 1m übermessen werden. 4. Fazit Eine Allgemeine Technische Vertragsbedingung (ATV) kann nicht alles bis ins kleinste Detail vorgeben, stellt aber zunächst eine solide Grundlage für die meisten Abrechnungsregelungen dar. Es lohnt sich zudem immer aktuelle Kommentare und Rechtsprechungen zur ATV anzuschauen, da hier oftmals Fallbzw. Rechenbeispiele dargestellt werden und so der Aufklärung dienen. Oftmals kommt es zu Unstimmigkeiten bei der Abrechnung aufgrund einer nicht eindeutigen Leistungsbeschreibung. Häufig werden Leistungen vom Planer in einer Position zusammengefasst, die getrennt beschrieben werden müssten. Die ATV DIN 18349 wird aktuell grundlegend überarbeitet. Es wurden in diesem Zuge viele Erneuerungen und Konkretisierungen eingearbeitet, um klarere Regelungen für die Abrechnung zu schaffen. Gerade im speziellen Bereich der Instandsetzung von Trinkwasseranlagen spielen verschiedene ATVs eine wichtige Rolle. Besonders im Bereich der Überwachung durch das ausführende Unternehmen kommt es aufgrund der Vielzahl der technischen Vorgaben häufig zu Verwirrungen: Zu den grundsätzlichen Regelungen in den ATVs, in denen Nebenleistungen und Besondere Leistungen der Eigenüberwachung bereits gekennzeichnet werden, kommen die zusätzlichen Regelungen z. B. des DVGW, die in der Regel immer als Besondere Leistungen gelten. Viele Sonderregelungen aufgrund der speziellen Vorschriften des DVGW beziehen sich aber nicht auf die Abrechnung. Mit der Herausgabe des Praxishandbuchs Hygiene [3] haben SITW und figawa erstmals für den speziellen Fall der Hygiene Nebenleistungen und Besondere Leistungen detailliert benannt und damit die Abrechnung für ein gesamteinheitliches Hygienekonzept spezifiziert. Kontakt: Jan Rassek, Dipl.-Ing. Geschäftsführer w + s bau-instandsetzung gmbh Crumbacher Str. 23-25 34277 Fuldabrück Tel: + 49 561 948 78 - 0 Fax: + 49 561 948 78 - 20 jan.rassek@ws-bau.de www.ws-bau.de Literaturverzeichnis [1] Albert, Andrej (Hrsg.): Schneider- Bautabellen für Ingenieure, 25. Auflage, Reguvis Fachmedien, 2022 [2] DIN Deutsches Institut für Normung e.V. (Hrsg.): VOB Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Beuth Verlag, Berlin 2019 - ATV DIN 18299: 2019-09 - Allgemeine Regelungen für Bauarbeiten jeder Art - ATV DIN 18349: 2019-09 - Betonerhaltungsarbeiten [3] S.I.T.W. Schutz und Instandsetzung von Trinkwasserbehältern e.V. (Hrsg.): Hygienekonzept der Trinkwasserspeicherung - Praxisleitfaden, Vulkan- Verlag GmbH, 2022 [4] Von der Damerau, Tauterat, Nolte: VOB im Bild, Hochbau- und Ausbauarbeiten, 20./ 23. Auflage, Verlagsgesellschaft Rudolf Müller GmbH & Co. KG, 2010/ 2019
