eJournals Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis 7/1

Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis
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expert verlag Tübingen
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Bauzustandsanalyse von verfahrenstechnischen Filtern in Anlehnung an „Arbeitsblatt DVGW W300-3“

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Kai Schütz
Das DVGW Regelwerk gibt in der Regelwerksfamilie W 300 umfangreiche Handreichungen zum Umgang mit Stahlbetonbauwerken in der Trinkwasserspeicherung. Jedoch sind Stahlbetonbauteile nicht nur in der Trinkwasserspeicherung, sondern auch im Bereich der Aufbereitung und Verfahrenstechnik weit verbreitet. Insbesondere der planerische Teil des Regelwerks ist hierbei auf das zu bewertende Bauwerk abzustimmen. Der betontechnologische Teil lässt sich jedoch in gewissen Grenzen sehr gut anwenden. Die Mainzer Netze GmbH betreibt für die Mainzer Stadtwerke AG u. a. das Wasserwerk Eich. Nach etwas mehr als 40 Betriebsjahren stehen hier größere Instandsetzungs- und Umbauarbeiten an. In diesem Rahmen wurden auch die Aktivkohle- und Mehrschichtfilter intensiv begutachtet. Am Beispiel der Bauzustandsanalysen in einem Aktivkohlefilter sowie mehreren Mehrschichtfiltern werden Adaptionsmöglichkeiten, Herausforderungen und Besonderheiten von Bauzustandsanalysen in verfahrenstechnischen Bauteilen sowie die Einbettung in das Gesamtprojekt aus Sicht eines Betreibers und Planers dargestellt.
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7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 145 Bauzustandsanalyse von verfahrenstechnischen Filtern in Anlehnung an „Arbeitsblatt DVGW W300-3“ Dipl.-Ing. Kai Schütz Mainzer Netze GmbH Zusammenfassung Das DVGW Regelwerk gibt in der Regelwerksfamilie W 300 umfangreiche Handreichungen zum Umgang mit Stahlbetonbauwerken in der Trinkwasserspeicherung. Jedoch sind Stahlbetonbauteile nicht nur in der Trinkwasserspeicherung, sondern auch im Bereich der Auf bereitung und Verfahrenstechnik weit verbreitet. Insbesondere der planerische Teil des Regelwerks ist hierbei auf das zu bewertende Bauwerk abzustimmen. Der betontechnologische Teil lässt sich jedoch in gewissen Grenzen sehr gut anwenden. Die Mainzer Netze GmbH betreibt für die Mainzer Stadtwerke AG u. a. das Wasserwerk Eich. Nach etwas mehr als 40 Betriebsjahren stehen hier größere Instandsetzungs- und Umbauarbeiten an. In diesem Rahmen wurden auch die Aktivkohle- und Mehrschichtfilter intensiv begutachtet. Am Beispiel der Bauzustandsanalysen in einem Aktivkohlefilter sowie mehreren Mehrschichtfiltern werden Adaptionsmöglichkeiten, Herausforderungen und Besonderheiten von Bauzustandsanalysen in verfahrenstechnischen Bauteilen sowie die Einbettung in das Gesamtprojekt aus Sicht eines Betreibers und Planers dargestellt. 1. Einführung Das Arbeitsblatt DVGW W300-3 [1] „gilt für die systematische Überprüfung des Sanierungsbedarfs von Trinkwasserbehältern.“ Gerade im verfahrenstechnischen Bereich gibt es jedoch nicht nur Stahldruckkessel und anlagentechnische Apparate, sondern auch (Stahl-) Betonbauwerke verschiedener Kubatur im direkten Kontakt mit dem aufzubereitenden Rohwasser oder auch mit verfahrenstechnischen Rückständen. Klassische Beispiele sind offene Filter, Verdüsungs- oder Rieselbauwerke oder auch Absetzbecken. Auch in diesen Bauteilen kommt es zu Alterungsprozessen der eingesetzten Oberflächen. Daher kann auch für diese Bauteile insbesondere der betontechnologische Teil des o. g. Regelwerks angewandt werden. Die vollumfängliche Betrachtung nach [1] beinhaltet insbesondere auch die Berücksichtigung der planerischen Aspekte. Hier muss im Einzelfall geprüft werden, welche Teile nach [1] Kap. 7 angewandt werden können, entfallen oder ob weitere Aspekte zu ergänzen sind. Bei Integration der Maßnahme in ein größeres Gesamtprojekt, wie im vorliegenden Fall, werden sicherlich auch viele Aspekte bereits im Projektumfeld geklärt sein. 2. Bauzustandsanalyse im Aktivkohlefilter 2.1 Anlass Die Mainzer Netze GmbH betreibt im Auftrag der Mainzer Stadtwerke AG insgesamt drei Wasserwerke zur Versorgung der Landeshauptstadt Mainz und weiterer Umlandgemeinden mit Trinkwasser. Das hier betrachtete Wasserwerk Eich wurde Ende 1981 in Betrieb genommen. Im Rahmen eines größeren Projekts soll die Auf bereitungsleistung des Werks von 1.250 m³/ h auf 1.750 m³/ h erhöht werden. Neun teils rheinnahe Gewinnungsbrunnen versorgen das Werk mit Rohwasser. Dieses wird - nach dem Gedanken der Errichter - vorübergehend über eine Schnellentcarbonisierung enthärtet. Die nachfolgenden Auf bereitungsschritte stellen fünf offene Mehrschichtfilter sowie drei offene Aktivkohlefilter dar. Vorübergehend, da man davon ausgegangen ist, dass sich die Härteverhältnisse im Untergrund aufgrund der Rheinnähe derart verschieben werden, dass nach ca. 10 Jahren keine Enthärtung mehr notwendig ist. Im Rahmen des aktuellen Projekts werden zwei Uferfiltratbrunnen sowie neue Rohwasserleitungen errichtet. Durch die geringe Härte der Uferfiltratbrunnen kann danach die Schnellentcarbonisierung stillgelegt werden. Neben einer Ergänzung der Auf bereitungsleistung der Eisen-Manganfiltration soll zukünftig ein Teilstrom für Spitzenlasten über eine Umkehrosmose auf bereitet werden. Im Rahmen des Projekts sollen auch bauwerksbedingte Eigenheiten der Mehrschichtfilter beseitigt und dieser Verfahrensschritt auf den Stand der Technik gem. DVGW W213-3 [2] umgebaut werden. Der Auf bau des Filters entspricht hierbei DIN 19605 [3]. Hier ist auch bereits die Vorgabe einer glatten und möglichst porenfreien Oberfläche bei Stahlbetonfiltern festgelegt. Aktuell werden die insgesamt fünf Mehrschichtfilter mit Abmessungen von jeweils ca. 3 auf 15 m über eine sogenannte Verteilerrinne und vorgelagerte Vorkammern auf der Stirnseite beschickt. Dies ist insofern hydraulisch suboptimal, dass die größten Flächenbelastungen des Filtermaterials auf der Stirnseite und die geringsten Belastungen auf der gegenüberliegenden Seite zu finden sind. Ziel sollte eine möglichst gleichmäßige Beschickung der Filteroberfläche und die Einhaltung der Maximalmaße nach [3], insbesondere des Abstands von Filteraußenwand 146 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Bauzustandsanalyse von verfahrenstechnischen Filtern in Anlehnung an „Arbeitsblatt DVGW W300-3“ zur Spülrinne bis zu 3 m sein. Eine gleichmäßige Filterbelastung ist für die optimale Festlegung des Spülzeitpunkts von enormer Bedeutung. Abbildung 1: Schematischer Auf bau eines Schnellfilters [2] Im Zuge eines verfahrenstechnischen Umbaus käme es in jedem Fall auch zu einem Tausch des bei den meisten Filtern noch nie getauschten Filtermaterials. Aufgrund des Alters des Bauwerks und im Sinne eines vollintegrierten Ansatzes wurde entschieden in jedem Fall die Betonoberflächen mit einer Bauzustandsanalyse zu untersuchen, um zu vermeiden, dass diese wenige Jahre nach der verfahrenstechnischen Optimierung instandgesetzt werden müssen. 2.2 Planung und Untersuchungskonzept Eigentliches Ziel der Bauzustandsanalyse war die Erfassung der Mehrschichtfilter. Diese sind jedoch, wie zuvor beschrieben, dauerhaft mit Filtermaterial befüllt. Nach Sichtung verschiedener Bestandspläne sowie Bildern aus der Bauphase des Werks wurde daher entschieden in einem ersten Schritt eine Bauzustandsanalyse an einem Aktivkohlefilter durchzuführen, da diese im Rahmen des Aktivkohlewechsels entleert werden. Sofern die Ergebnisse der Bauzustandsanalyse dies zuließen, sollte das Ergebnis auf die Mehrschichtfilter extrapoliert werden. Im Falle einer Instandsetzung wäre so die Ausschreibung auf Basis der Ergebnisse der Aktivkohlefilter erfolgt und zu Beginn der Ausführung eine Bauzustandsanalyse zur Detailfestlegung durchgeführt worden. Nach Sichtung der Bestandsunterlagen wurde der Wasserwerksbetrieb eingebunden. Neben Erfahrungswerten geht es in diesem Schritt vor allem um eine Koordination der Maßnahmen und die Integration der Bauzustandsanalyse in den Arbeitsablauf des Kohletauschs. So wurde der Termin gemeinsam auf einen Mittwoch festgelegt, dann aber nach Verschiebungen bei der Anlieferung der Kohle nochmals auf einen Montag angepasst. Da sich gleichzeitig der Anlieferungstermin der Kohle verzögerte, ergab sich der Vorteil, dass zwischen der Bauzustandsanalyse und der Desinfektion des Filters am Folgetag noch ein Tag „Nachbehandlung“ bis zum Einspülen der neuen Aktivkohle und damit der Befüllung des Filters am Donnerstag zur Verfügung stand. Gemäß [1] Kap. 8.3.4 sind mind. 3 Untersuchungs-stellen je 250 m² Oberfläche vorzusehen. Darüber hinaus sind alle konstruktiven Elemente sowie Bereiche unterschiedlicher Exposition einzeln zu erfassen. Bereits frühzeitig wurde festgelegt, dass aus dem Düsenboden keine Bohrkerne entnommen werden, da die dort eingebauten Stahlbetonfertigteilplatten hochgradig bewehrt und äußerst schlank aufgebaut sind. Darüber hinaus hätten für eine Probenahme mehrere Filterdüsen entnommen werden müssen, um einen Arbeitsraum zu erhalten. Alternativ sollte hier mit rein zerstörungsfreien Methoden gearbeitet werden. Die weiteren Bauteile wurden gem. Tabelle 1 differenziert, wobei vorab eine Einteilung in die Hauptteile a) oberhalb des Düsenbodens und b) unterhalb des Düsenbodens getroffen wurde. Tab. 1: Aufteilung Expositionsflächen Aktivkohlefilter Bauteil Exposition Wand a) Unter Wasser Wand a) Wasserwechselzone Wand a) Überwasser Wand b) Unter Wasser Boden b) Unter Wasser Durch eine vorherige autorenseitige Begehung eines Düsenbodens der Mehrschichtfilter war klar, dass im Kriechgang unter dem Düsenboden die Bohrkernentnahme nur unter erheblich erschwerten Bedingungen erfolgen kann (siehe Abb. 2). Daher wurde für diesen Bereich abweichend vom Regelwerk nur je ein Bohrkern in Wand und Boden vorgesehen. Da es sich hydrochemisch weitestgehend um die gleiche Exposition wie im Unterwasserbereich handeln sollte, konnte dieser Kompromiss eingegangen werden. Abbildung 2: Kriechgang unter dem Düsenboden [eigene Aufnahme] 2.3 Ausschreibung und Vergabe Die Ausschreibung der Leistung muss den vergaberechtlichen Vorgaben genügen. Auf Basis der vorab geschätzten Kosten und im Kontext des „großen“ Gesamtpro- 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 147 Bauzustandsanalyse von verfahrenstechnischen Filtern in Anlehnung an „Arbeitsblatt DVGW W300-3“ jekts konnte die vorgestellte Maßnahme unterschwellig beschränkt ausgeschrieben werden. Dieses Verfahren bietet den großen Vorteil, dass aufgrund der Vorauswahl der Bieter durch den Planer bereits die grundsätzliche Eignung vorab geklärt ist. Bei den Bietern handelt es sich durchgängig um Gutachter, welche gleichzeitig das Leistungsspektrum der Vorortbegehung selbst mit abdecken. Gemein ist all diesen Gutachtern ein wissenschaftlicher Hintergrund mit entsprechenden baustoffanalytischen Laborkapazitäten. Im Fall einer offenen Ausschreibung sind die Eignungskriterien so zu definieren, dass ausschließlich Firmen mit nachgewiesener Eignung und Erfahrungen insbesondere im Umgang mit Trinkwasser, Bauteilen der Wasserversorgung und Hygienekonzepten z. B. nach DVGW W 300-8 [4] eine positive Eignung und damit Zulassung des Angebots erhalten können. Da es sich bei den in Frage kommenden Firmen in der Regel um Gutachter und nicht um ausführende Unternehmen handelt, ist ein Nachweis nach DVGW W 316 [5] hier meist nicht zielführend. Bei den Filtern handelt es sich um Bauteile der Trinkwasserauf bereitung mit offener Wasseroberfläche und direktem Auslauf in die Reinwasserkammern, insofern sind an die hygienische Arbeits- und Vorgehensweise höchste Anforderungen gestellt. Neben der Leistungsbeschreibung sind der Ausschreibung auch Planunterlagen und idealerweise auch Bilder der örtlichen Situation (wie bspw. Abb. 2) beizufügen. Dies ermöglicht den Bietern eine korrekte Kalkulation und erspart nachträgliche Diskussionen über Mehrkosten. Nebenangebote wurden bewusst zugelassen, um den Gutachtern auf Basis der übergebenen Unterlagen die Möglichkeit zu geben weitere zielführende Analysen und Methoden direkt mit anzubieten. Nach Prüfung der Angebote erfolgten Bietergespräche, welche zwingend zu dokumentieren sind. Hier wurde vor allem das geplante Vorgehen besprochen, aber auch die in Nebenangeboten eingereichten Methoden genauer vorgestellt. Im Anschluss wurde den Bietern die Möglichkeit zur Überarbeitung ihrer Angebote gegeben und das wirtschaftlichste Angebot wurde beauftragt. 2.4 Ausführung und Ergebnisse Im folgenden Abschnitt wird insbesondere auf die Besonderheiten und Abweichungen gegenüber einer Analyse in einem Trinkwasserspeicher eingegangen. Bei der Ausführung wurde, auch wenn es sich nur um eine Tagesbaustelle handelte, ein im Vorgriff erarbeitetes und zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber abgestimmtes Hygienekonzept [4] umgesetzt. Auch bei verfahrenstechnischen Bauteilen wurden hierbei die gleichen Standards wie in Trinkwasserbehältern angesetzt, zum Zeitpunkt der Analyse in Verbindung mit dem notwendigen Corona-Schutzkonzept. Neben neuen Einweganzügen und ausschließlich im Trinkwasserbereich eingesetzten Sicherheitsgummistiefeln wurde besonderer Wert auf das Gerüst gelegt, da dieses im direkten Kontakt mit dem Bauteil steht. Durch die Bodenlage auf dem mit Filterdüsen ausgestatteten Düsenboden war ein direktes Aufstellen nicht möglich. So sollte mit eigens angeschafften und desinfizierten Kunststoffplatten als Lastverteilung gearbeitet werden (Abb. 3). Das Gerüst selbst wurde, wie alle anderen Werkzeuge auch, vor Einbringung ebenso desinfiziert. Abbildung 3: Kunststoffplatten zur Lastverteilung [eigene Aufnahme] Da diese Platten gleichzeitig ein enormes Rutschpotenzial aufwiesen, wurde während der Bauzustandsanalyse entschieden auf den Einsatz zu verzichten und das Gerüst in die Zwischenräume zu stellen. Bei der Begehung wurde entsprechend vorsichtig gearbeitet, sodass keine einzige Filterdüse zerstört wurde. Jeder Aktivkohlefilter ist aus hydraulischen Gründen aufgeteilt in drei Segmente, sodass für jedes Segment die Bohrstelle neu eingerichtet werden musste. Die Begehbarkeit ist über eine manuell verfahrbare Brücke sichergestellt. Daher war die gesamte Analyse über ein Wasserwerker für die Bedienung der Brücke anwesend. Das Kernbohrgerät wurde - sofern von der Oberfläche her möglich - selbstansaugend gesichert (Abb. 4). Gleichzeitig wurde mit einer Absaugvorrichtung für eine Minimierung von ablaufendem Bohrwasser gesorgt. 148 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Bauzustandsanalyse von verfahrenstechnischen Filtern in Anlehnung an „Arbeitsblatt DVGW W300-3“ Abbildung 4: Selbstansaugendes Kernbohrgerät [eigene Aufnahme] Im Ergebnis der Analyse am Aktivkohlefilter war neben altersüblichen, teils herstellungsbedingten Schädigungen und Abrasionserscheinungen maßgeblich die Aussage, dass die beiden beprobten Längswände aus unterschiedlichen Betonzusammensetzungen erstellt wurden. Dies betrifft einerseits die Betonkörnung und andererseits die verwendeten Zementsorten. Augenscheinlich kam an der einen Längswand ein Hochofenzement zum Einsatz, während an der anderen Seite mit einem Portlandzement gearbeitet wurde. Abbildung 5: Bohrkern mit oberflächigen Verfärbungen [eigene Aufnahme] Weiterhin wurden an den Oberflächenbereichen der Bohrkerne Verfärbungen wie bspw. in Abb. 5 festgestellt, bei welchen mittels Auflichtmikroskopie untersucht wurde, ob es sich um eine Beschichtung oder Ablagerungen handelt. Im Ergebnis konnte festgestellt werden, dass es sich hierbei um betriebsbedingte Ablagerungen handelt. 3. Bauzustandsanalyse in den Mehrschichtfiltern Auf Basis dieser Ergebnisse war eine Extrapolation der Ergebnisse auf die Mehrschichtfilter ausgeschlossen. Es wurde beschlossen, dass für eine ordentliche Planung der verfahrenstechnischen Instandsetzung der Mehrschichtfilter eine Bauzustandsanalyse unabdingbar ist. 3.1 Planung und Untersuchungskonzept Die Bauzustandsanalysen waren so zu planen, dass einerseits der Eingriff in den Wasserwerksbetrieb minimiert und andererseits die Erkenntnisse maximal sind. Aus diesen Randbedingungen heraus wurde entschieden, von den fünf nebeneinander angeordneten offenen Filtern den ersten, den dritten und den letzten Filter zu beproben. So besteht die Möglichkeit zur Analyse aller Längswände. Gleichzeitig war die Randbedingung zu berücksichtigen, dass die Filter erst kurz vor der Bauzustandsanalyse außer Betrieb genommen werden können und unmittelbar im Nachgang zur Analyse wieder in Betrieb genommen werden mussten. Diese Randbedingung wurde auch bereits in der Ausschreibung erläutert, sodass klar war, dass für den Stopfmörtel (nach [6]) keine Gewährleistung seitens der ausführenden Firmen übernommen werden konnte. Abbildung 6: Blick in Mehrschichtfilter 1 [eigene Aufnahme] Folglich mussten alle Untersuchungen direkt auf dem feuchten Filtersand erfolgen. Auf Basis der Erkenntnisse der Analyse der Aktivkohlefilter wurde daher funktional ein alternatives Abdecksystem ausgeschrieben, um einen Kontakt zwischen Menschen, Werkzeug und Material der Bauzustandsanalyse auf der einen Seite und Filtersand auf der anderen Seite so weit wie möglich zu minimieren. Abb. 6 war daher bereits Teil der Preisanfrage, um den Bietern ein möglichst gutes Bild der Aufgabe zu geben. Bezüglich des Bereichs unterhalb des Düsenbodens war klar, dass aufgrund des mindestens teilweise wassergesättigten Filtersands mit dauerfeuchten Bedingungen zu rechnen ist. Die Entnahme von Bohrkernen wurde daher von vornherein von der Möglichkeit zur elektrisch sicheren Bohrung abhängig gemacht. Da die Mehrschichtfilter im Gegensatz zu den Aktivkohlefiltern regelmäßig gespült werden, wurde auch eine andere Belastung der Oberflächen erwartet. Daher wurde die Kernentnahme so geplant, dass im üblichen Unter- 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 149 Bauzustandsanalyse von verfahrenstechnischen Filtern in Anlehnung an „Arbeitsblatt DVGW W300-3“ wasserbereich (auch bei Spülung wasserberührte Oberflächen), im Spülbereich und im Überwasserbereich Kerne entnommen und analysiert werden. In Abstimmung mit den Gutachtern wurde dann je Filter noch eine Probe im Bereich des Betriebswasserstands entnommen, um ein vollständiges Bild zu erhalten. 3.2 Ausführung und Ergebnisse Die Untersuchung der drei ausgewählten Filter erfolgte an drei aneinander folgenden Tagen außerhalb der Hochlastphase. Die exakte Festlegung des zu beprobenden Filters erfolgte final über das Spülprogramm der Filter. So wurde erst am ersten Tag der Ausführung aufgrund der vorherigen Spülung verbunden mit der minimalen Absenkung und dem minimalen Wasserverlust festgelegt, dass zuerst Filter 3 beprobt wird. Dieser erste Filter wurde auch vollständig entleert, sodass eine Begehung des Düsenbodens mit Entscheidung über eine Kernentnahme möglich war. Abbildung 7: Blick in den Bereich unterhalb des Düsenbodens [eigene Aufnahme] Wie zu befürchten war einerseits Restwasser vorhanden. Andererseits tropfte durchgängig Wasser des feuchten Filtersands aus den Filterdüsen (Abb. 7). Eine Bohrkernentnahme war aus Sicherheitsgründen nicht zu verantworten. Neben händischen Aufnahmen vereinzelter Risse und einer groben Fotodokumentation konnte temporär die Bewehrungslage geortet werden. Der Einsatz musste wegen eines kurzzeitigen CO2-Alarms des mitgeführten Messgeräts unterbrochen werden. Der Alarm löste grundsätzlich aus, wenn das Gerät an der Auf hängung um den Hals getragen wurde. Bei Auf hängung im Bauteil gab es keine Probleme. Bei den weiteren zu untersuchenden Filtern wurde entschieden auf eine Begehung des Bereichs unterhalb des Düsenbodens zu verzichten, da Aufwand und mögliche Erkenntnisse in keinem Verhältnis zueinanderstanden. Dies hatte den Vorteil, dass die weiteren Filter nur bis unterhalb des Filtersands abgesenkt werden mussten, aber auch den Nachteil das während der Spülung eines in Betrieb befindlichen Filters kurzzeitig der zu untersuchende Filter geräumt werden musste, da eine Klappe nicht richtig schloss und es zu Eindringen von Wasser kam. Als Lösung für die Auflagerfläche auf dem Filtersand wurden einerseits Riffelbleche eingesetzt. Andererseits wurde ein flexibles Kunststoffsystem eingesetzt, welches sich durch eine unterseitige Stegstruktur auch ein wenig in den Filtersand setzte und so eine gute Aufstellfläche für das Gerüst gewährleistete (Abb. 8). Abbildung 8: Abdeckung des Filtersands [eigene Aufnahme] Eine besondere Herausforderung waren oberflächennahe Ablagerungen. Die Filteroberflächen wurden in Abstimmung zwischen Planung, Betrieb und Gutachter im Vorgriff von außen mit einem Strahlrohr gereinigt. Jedoch waren die Ablagerungen derart hartnäckig, dass diese über die Distanz praktisch nicht zu entfernen waren. Beim dritten begutachteten Filter wurde dieser entsprechend direkt vor der Begutachtung in Abstimmung aller Beteiligten an der Oberfläche in spitzem Winkel abgespritzt. So konnte in diesem Filter (Filter 1) eine intensivere Begutachtung der Oberfläche erfolgen, als in den anderen beiden Filtern (Abb. 9). Abbildung 9: Unterschied zwischen von außen gereinigter (links) und direkt gereinigter Oberfläche (rechts) [eigene Aufnahme] Im Ergebnis liegt ein umfangreicher Ergebnisbericht mit Untersuchungen aller drei Filter und damit aller Längs- 150 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Bauzustandsanalyse von verfahrenstechnischen Filtern in Anlehnung an „Arbeitsblatt DVGW W300-3“ wände vor. Die im Bereich der Aktivkohlefilter beobachteten unterschiedlichen Zusammensetzungen sind auch im Bereich der Mehrschichtfilter wieder festgestellt worden. All dies ist vermutlich daher bedingt, dass zur Errichtung des Wasserwerks Ende der 1970er in verhältnismäßig kurzer Zeit verhältnismäßig große Mengen an Beton benötigt wurden und so Beton verschiedener Herkünfte eingesetzt wurde. Die Ergebnisse bilden den Ist-Zustand gut ab und zeigen den Handlungsbedarf im Bereich des Bauwerks auf. 4. Ausblick und Schlussbemerkung In den nächsten Schritten ist auf Basis der Bauzustandsanalysen ein Instandsetzungskonzept für die Mehrschichtfilter zu erarbeiten. Hierbei sind die verschiedenen Randbedingungen, wie Umbau im Bestand und im laufenden Betrieb, Mindestleistung des Wasserwerks aber auch die umfangreichen Ergebnisse der Bauzustandsanalyse zu berücksichtigen. Zwischen der Planung der Instandsetzung, der Planung der notwendigen Anpassungen der Verfahrenstechnik und dem Wasserwerksbetrieb muss eine extrem enge Verzahnung stattfinden, um einen möglichst reibungslosen Ablauf bei gleichzeitiger Sicherstellung einer einwandfreien Trinkwasserproduktion in den weiteren Filtern sicherzustellen. Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass die Methoden und Werkzeuge des Arbeitsblatts DVGW W300-3 eine gute Voraussetzung auch für die Bewertung anderer Stahlbetonbauteile im direkten Kontakt mit der Trinkwasserproduktion haben. Aufgrund der speziellen Aufgabenstellung kommt es jedoch insbesondere im planerischen Bereich aber auch bei der Durchführung zu im Bereich der Trinkwasserspeicherung eher seltenen Herausforderungen, welche entsprechend zu lösen sind. Literatur [1] Arbeitsblatt W 300-3, Trinkwasserbehälter, Teil 3: Instandsetzung und Verbesserung, DVGW e.V., Bonn, 2014. [2] Arbeitsblatt W 213-3, Filtrationsverfahren zur Partikelentfernung; Teil 3: Schnellfiltration, DVGW e.V., Bonn., 2017. [3] DIN 19605 Festbettfilter zur Wasseraufbereitung - Aufbau und Bestandteile, DIN e.V., Berlin, 2016. [4] Merkblatt DVGW W 300-8, Trinkwasserbehälter; Praxishinweise Hygienekonzept: Neubau und Instandsetzung; DVGW e.V., Bonn, 2016. [5] Arbeitsblatt DVGW W 316; Qualifikationsanforderungen an Fachunternehmen für Planung, Bau, Instandsetzung und Verbesserung von Trinkwasserbehältern; Fachinhalte, DVGW e.V., Bonn, 2018. [6] Arbeitsblatt DVGW W 347; Hygienische Anforderungen an zementgebundene Werkstoffe im Trinkwasserbereich - Prüfung und Bewertung, DVGW e.V., Bonn, 2006.