Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis
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expert verlag Tübingen
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Mineralische Instandsetzung von Trinkwasserbehältern – Worauf ist bei der Produktauswahl zu achten?
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Martin Bolesta
Der stetige Wasserkontakt und die unzähligen Wasserwechsel führen zu unabwendbaren Veränderungen an den Oberflächen unserer Wasserspeicher. Und so steht die Sanierung eines Trinkwasserbehälters zwangsläufig irgendwann mal an. Insbesondere wenn der Behälter aus Beton/Stahlbeton errichtet worden ist, bietet sich dabei die Sanierung mit einem zementgebundenem Material an. Dass die zementgebundenen Produkte nach DVGW W300 und W347 für die Anwendung im Trinkwasserbereich geeignet bzw. zugelassen sein müssen, ist bekannt. Aber auch bei den Materialien mit DVGW Nachweisen gibt es Differenzen, die für die Dauerhaftigkeit durchaus von Bedeutung sind aber bei der Planung einer Instandsetzungsmaßnahme immer noch zu selten berücksichtigt werden. Hierzu gehören unter anderem die verwendete Zementsorte, das Verarbeitungsverfahren und auch die Eignung des Materials für eine statisch relevante Sanierung.
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7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 167 Mineralische Instandsetzung von Trinkwasserbehältern - Worauf ist bei der Produktauswahl zu achten? Dipl.-Ing. Martin Bolesta P-&-T-Technische Mörtel GmbH & Co. KG, Neuss Zusammenfassung Der stetige Wasserkontakt und die unzähligen Wasserwechsel führen zu unabwendbaren Veränderungen an den Oberflächen unserer Wasserspeicher. Und so steht die Sanierung eines Trinkwasserbehälters zwangsläufig irgendwann mal an. Insbesondere wenn der Behälter aus Beton/ Stahlbeton errichtet worden ist, bietet sich dabei die Sanierung mit einem zementgebundenem Material an. Dass die zementgebundenen Produkte nach DVGW W300 und W347 für die Anwendung im Trinkwasserbereich geeignet bzw. zugelassen sein müssen, ist bekannt. Aber auch bei den Materialien mit DVGW Nachweisen gibt es Differenzen, die für die Dauerhaftigkeit durchaus von Bedeutung sind aber bei der Planung einer Instandsetzungsmaßnahme immer noch zu selten berücksichtigt werden. Hierzu gehören unter anderem die verwendete Zementsorte, das Verarbeitungsverfahren und auch die Eignung des Materials für eine statisch relevante Sanierung. 1. Instandsetzung von Trinkwasserbehältern Trinkwasserbehälter und insbesondere die wasserberührten Oberflächen unterliegen Veränderungen, die im Laufe der Zeit Instandsetzungsmaßnahmen erforderlich machen. Hierbei ist dann zu berücksichtigen, dass es sich bei Trinkwasserbehältern, wie auch bei Tunneln, Brücken, Regenrückhaltebecken, Talsperren oder Stützbauwerken, um Ingenieurbauwerke handelt. Ein Einfaches „wir machen da mal was“ reicht allerspätestens dann nicht mehr aus, wenn die Bewehrung bereits korrodiert ist oder aber die Betondeckung nicht ausreicht und somit die Statik und damit die Standsicherheit des Bauwerks gefährdet ist, siehe Abb.1. Abb. 1: Frei liegende und korrodierte Bewehrung im oberen Wandbereich eines Trinkwasserbehälters Dementsprechend sollte bzw. muss die Instandsetzung eines Trinkwasserbauwerks sorgfältig geplant bzw. der erforderliche Instandsetzungsbedarf festgelegt werden. Dieses setzt aber voraus, dass der Istzustand des Bauwerks bekannt ist, was ggfs. eine Bauwerksuntersuchung durch eine fachkundige Person erforderlich macht. Aus der Gegenüberstellung von Ist- und Sollzustand nach DVGW W 300-1 ergibt sich der Instandsetzungsbedarf [1]. Bei nicht wenigen Trinkwasserbehältern aus den 1960‘er bis 1980‘er Jahren wird dabei festgestellt, dass nicht nur die wasserberührten Oberflächen hydrolytisch geschädigt sind und somit den Anforderungen des DVGW-300 nicht mehr entsprechen, auch ist die Bewehrung, insbesondere im Deckenbereich nicht selten korrodiert oder die Betondeckung zu gering. Hier bietet sich die Instandsetzung mit einem mineralischen Produkt nicht nur an, sondern sie ist unbedingt auch durchzuführen. Schließlich muss die Bewehrung für die angedachte Standzeit ausreichend vor Korrosion geschützt werden. Hierfür und auch für die statisch erforderliche Umhüllung der Bewehrung (mindestens Stabdurchmesser) wird Betonersatz benötigt. Immer dann, wenn nicht nur Bereiche einer hydrolytisch geschädigten Beschichtung ausgebessert werden müssen, sollte der Planer bzw. die ausschreibende Stelle konkrete Vorgaben zum verwendenden Sanierungsmaterial machen. Viel zu oft wird aber in den Leistungsverzeichnissen lapidar auf „mineralischer Mörtel mit DVGW Zulassung“ verwiesen. Aber es gibt bei mineralischen Mörteln (z. T. gravierende Unterschiede), die bei der Planung einer Instandsetzungsmaßnahme und entsprechend auch in den Ausschreibungstexten berücksichtigt werden sollten. 2. Anteil organischer Ausgangsstoffe Trinkwasser ist nicht steril, sondern beinhaltet Mineralien und auch Bakterien bzw. Keime. Dieses ist unbedenklich, solange die Keimzahl nicht stark erhöht ist oder von den Bakterien keine Gefährdung ausgeht. Das ist bei Pseudomonas aeruginosa oder Legionellen nicht der Fall. Aber auch zunächst unbedenkliche Keime können bei einer starken Vermehrung zu Schwierigkeiten in der Wasserversorgung führen. Eine Voraussetzung für ein erhöhtes Keimwachstum sind dabei organische Substanzen, quasi die Nahrung der Bakterien. 168 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Mineralische Instandsetzung von Trinkwasserbehältern - Worauf ist bei der Produktauswahl zu achten? Um ein mögliches Keimwachstum zu verhindern oder zumindest zu erschweren, sollte nach Möglichkeit auf Mörtel oder Mörtelsysteme zurückgegriffen werden, die keine oder möglichst wenig organische Substanzen und damit „Nahrung“ enthalten. Seit der Überarbeitung der DVGW W-300 Reihe im Jahr 2014 werden bei mineralischen Mörteln vier Typen unterschieden: Typ 1: ohne Betonzusatzmittel und ohne kunststoffhaltige Zusätze Typ 2: mit Betonzusatzmittel nach DIN EN 934-2 bis max. 5-%/ z (Zementäquivalent) und ohne kunststoffhaltige Zusätze Typ 3: ggf. mit Betonzusatzmittel nach DIN EN 934-2 und mit kunststoffhaltigen Zusätzen bis insgesamt max. 10-%/ z (Zementäquivalent) Typ 4: ggf. mit Betonzusatzmittel nach DIN EN 934-2 und mit kunststoffhaltigen Zusätzen mit insgesamt bis max. 25 %/ z (Zementäquivalent) Um ein mögliches Aufkeimungsrisiko möglichst gering zu halten bietet sich demnach an, in Ausschreibungen den gewünschten Typ vorzugeben, z. B. Typ 1 - ein Instandsetzungsmörtel ohne organische Ausgangsstoffe. 3. Zementsorte In Europa gibt es etwa 30 verschiedene Zementsorten [2]. Eine Voraussetzung an den Zement für die hygienische Zulassung (W347) ist dabei, dass es ein genormter Zement ist, z. B. nach DIN-EN-197. So soll unter anderem die gleichbleibende „Zusammensetzung“ sichergestellt werden. Auf weitere Voraussetzungen, wie z. B. die Eluierbarkeit von Schwermetallen, sei der Vollständigkeit halber hingewiesen [3]. 3.1 CEM I Portlandzement ist der Zement, der in Deutschland in den 1990’er Jahren noch zu etwa 75 % verwendet worden ist. Portlandzement (CEM-I) kann bei (ausreichend) niedrigen Wasserzementwerten für fast alle Expositionsszenarien verwendet werden, z. B. bei Frost (XF), mechanischer Beanspruchung (XM) oder auch bei aggressiver chemischer Umgebung (XA) [4]. Auch wurde am CEM-I eine ausreichende Hydrolysebeständigkeit nachgewiesen, so dass CEM-I als Bindemittel für mineralische Beschichtungen im Trinkwasserbereich geeignet ist [5]. Der Portlandzement hat aber nicht nur Pluspunkte. Ein gravierender Nachteil vom Portlandzement ist, dass bei dessen Produktion große Mengen CO 2 emittiert werden. Bei der Herstellung des Zementklinkers wird Kalkstein zusammen mit anderen Rohstoffen, wie z. B. Tonmineralien, bei bis zu 1450-°C gebrannt. Die CO 2 Emissionen stammen dabei überwiegend aus dem Kalkstein (CaCO 3 ), der beim Brennvorgang in Calciumoxid (CaO) und eben Kohlendioxid (CO 2 ) aufgespalten wird [6]. Überschlägig entstehen je Tonne Zementklinker ca. 500-kg CO 2 . Weiteres CO 2 wird durch die benötigte Energie emittiert, wodurch je nach verwendetem Brennstoff weitere 200 bis 300 kg CO 2 freigesetzt werden. Insgesamt werden der Zementproduktion ca. 8-% der globalen durch den Menschen verursachten CO 2 . Emissionen zugeschrieben. Und Portlandzement hat noch einen weiteren Nachteil. Bei Bauteilen, die einen ständigen Wasseraustausch erfahren, hat CEM- I keine ausreichende Beständigkeit gegen kalklösende Kohlensäure. Auch wenn das für einen Großteil der Bauwerke in der Trinkwasserversorgung irrelevant ist, so gibt es aber Regionen in Deutschland, wo das Rohwasser Calcitlösekapazitäten von über 20 und teilweise sogar über 50 mg/ l erreicht. Diese fehlende Beständigkeit gegen kalklösende Kohlensäure ist dabei kein Widerspruch zu der grundsätzlichen Eignung eines CEM I für den Expositionsbereich XA1 oder auch XA2. Für die Festlegung bzw. Einstufung der Expositionsklassen XA ist unter anderem die DIN-4030 anzuwenden, bei der die Grenzwerte der chemischen Merkmale, wie z. B. pH-Wert oder kalklösende Kohlensäure, definiert sind. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass die DIN 4030-nur bei stagnierenden Wässern anzuwenden ist. Bei Betonbauwerke, bei denen ständig Wasser mit neuem Lösungsbzw. Angriffspotential zugeleitet wird, gelten die Grenzwerte der DIN-4030 nicht. Ausgenommen sind somit auch Bauwerke im Bereich Abwasser und der Trinkwasserversorgung. [7] Bereits in den 1960erbis 1980er-Jahren erfolgten langjährige Versuche zur Beständigkeit von Betonen gegen kalklösende Kohlensäure in Abhängigkeit von der verwendeten Zementsorte. Diese Versuche mit einer Dauer von 20 Jahren wurden damals mit den drei in Deutschland bedeutendsten Zementsorten durchgeführt [8]. Das Ergebnis dieser Untersuchungen war, dass bei Betonen mit Portlandzement der höchste Oberflächenabtrag vorhanden war, siehe Abb. 2. 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 169 Mineralische Instandsetzung von Trinkwasserbehältern - Worauf ist bei der Produktauswahl zu achten? Abb. 2: Oberflächenabtrag an Probekörpern aus Portlandzement (PZ), Traßzement (TrZ) und Hochofenzement (HOZ) nach 20-jähriger Einwirkung von kalklösender Kohlesäure [8] Nicht zuletzt, weil es inzwischen viele neue Zementsorten gibt, sondern auch, weil es in Deutschland (und auch Europa) immer noch kein Prüf- und Bewertungsverfahren zur Beurteilung der Beständigkeit von Zementen bei kalklösender Kohlensäure gibt, werden aktuell an der RWTH Aachen „neue“ Versuche zum Angriff durch kalklösende Kohlensäure auf zementgebundene Baustoffe durchgeführt. Abb. 3: Masseverlust an Mörtelprismen bei Lagerung in Wasser mit 200 mg/ l kalklösender Kohlensäure [9] Obwohl diese Versuche erst seit etwa zwei Jahre laufen, ist auch hier bereits zu erkennen, dass bei Mörteln mit Portlandzement als Bindemittel (CEM I mit Wasserzementwert (WZW) von 0,45 und CEM I mit WZW von 0,5) der höchste Massenverlust vorhanden ist [9]. 3.2 CEM II Neben Rohstoff- und anderen Gründen war auch der politische Wille, die CO 2 -Emissionen der Zementindustrie zu reduzieren, der Grund für die vielen heute verfügbaren Zementsorten. Bei Portland-Kompositzementen (CEM-II) wird ein Teil des Portlandzementklinkers durch andere Ausgangsstoffe, wie z. B. Kalkstein, gebrannter Schiefer, Flugasche oder Puzzolane substituiert. In Abhängigkeit vom Anteil des Substituts (zwischen 6 und 35 % sind zulässig [2]) und in Abhängigkeit vom Substitut selber (Substitut mit hoher oder niedriger CO 2 Belastung) werden die CO 2 Emissionen gegenüber eines CEM-I entsprechend reduziert, was überschlägig ca. 100-kg CO 2 je Tonne entspricht. Dem Vorteil der günstigeren CO 2 Bilanz steht nachteilig gegenüber, dass nicht alle CEM-II Zemente auch bei niedrigen Wasserzementwerten für alle Expositionsszenarien geeignet sind. So sind z. B. CEM II Zemente mit kalkreicher Flugasche (CEM-II-W) oder auch CEM II Zemente mit einem Kalksteinanteil von >-20-% (CEM-II-/ -B L und LL) von dem Einsatz bei aggressiver chemischer Umgebung (XA), Frostangriff (XS) und teilweise anderen Expositionsklassen ausgenommen [4]. Und wenn ein Bindemittel bereits für etliche Anwendungsfälle nicht geeignet ist, weil z. B. das Zementsteingefüge nicht ausreichend dicht ist, dann sind solche Zemente in der Regel auch nicht ausreichend beständig gegen Hydrolyse. Von den vielen CEM II Zementen wurde bisher nur an CEM II/ A-S, CEM II/ B-S und 170 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Mineralische Instandsetzung von Trinkwasserbehältern - Worauf ist bei der Produktauswahl zu achten? CEM II/ A-LL eine ausreichende Hydrolysebeständigkeit nachgewiesen, so dass nur diese CEM II Zemente als Bindemittel für mineralische Beschichtungen grundsätzlich geeignet sind [5]. Hinsichtlich der Beständigkeit von CEM-II Zementen bei einem Angriff durch kalklösende Kohlensäure kann resümiert werden, dass diese einen geringeren Abtrag haben als Portlandzement. Sowohl bei den in den1960’er begonnenen Versuchen (hier kam Traßzement, d. h. ein CEM-II-P zum Einsatz) als auch bei den aktuellen Untersuchungen waren Oberflächenabtrag bzw. Massenverlust gegenüber den Proben mit Portlandzement um etwa 35 % reduziert. Vereinfacht kann festgehalten werden, dass eine Reduzierung des Calciumanteils in Betonen oder Mörteln mit einem ausreichend dichten Gefüge zu geringeren Abtragtiefen durch kalklösende Kohlensäure führt. Dieses gilt dabei nur für offene Systeme, bei denen durch den regelmäßigen Wasseraustausch jederzeit kalklösende Kohlensäure zur Verfügung steht. In geschlossenen Systemen, wo die kalklösende Kohlensäure „verbraucht“ wird, sind keine so großen Unterschiede im Oberflächenabtrag zu erwarten [9]. Daher ist auch nachvollziehbar, dass Probekörper aus CEM-II/ A-LL (beim CEM-II/ A-LL werden bis zu 20 % des Portlandzementklinkers durch Kalkstein ersetzt), einen fast identischen Abtrag durch kalklösende Kohlensäure haben wie die Probekörper aus Portlandzement. Auch wenn das Calcium beim Kalkstein in anderer mineralischer Form vorliegt, so ist der Calciumanteil bei beiden Zementen ähnlich hoch und durch die kalklösende Kohlensäure gelöst. 3.3 CEM III Im Gegensatz zu vielen „jungen“ CEM-II Zementen wird der Hochofenzement (CEM-III) schon seit über 130 Jahre verwendet; die erste nationale Norm über den Hochofenzement stammt aus 1917 [6]. Der Grundgedanke, Teile des Portlandzementes durch einen anderen Ausgangsstoff (bei Hochofenzement ist das Hüttensand) zu ersetzten, ist hier derselbe wie bei den CEM-II Zementen. Der Anlass im 19. Jahrhundert waren allerdings keine Emissionsgründe, vielmehr hatte man die latent hydraulischen Eigenschaften des Hüttensandes entdeckt und hatte in einer Zeit mit einem stark wachsenden Zementbedarf eine Rohstoffalternative zum Portlandzement [10]. Dadurch, dass beim Hochofenzement bis zu 65 % des Portlandzementklinkers beim CEM-III-A und bis zu 80-% beim CEM-III-B durch Hüttensand substituiert werden, ist der Hochofenzement eine Zementsorte mit einer günstigen CO 2 Bilanz. Überschlägig werden gegenüber einem CEM-I ca. 250-kg CO 2 je Tonne Zement eingespart [2,6]. Wie der Portlandzement ist auch der Hochofenzement bei (ausreichend) niedrigen Wasserzementwerten für fast alle Expositionsszenarien verwendbar. Dieses liegt unter anderem an den latent hydraulischen Eigenschaften des Hüttensandes, welche zu einem sehr dichten Zementsteingefüge führen. Bedingt durch dieses dichte Gefüge hat Hochofenzement eine gute Hydrolysebeständigkeit und ist daher als Bindemittel für mineralische Beschichtungen im Trinkwasserbereich bestens geeignet [4,5]. Das dichte Gefüge und der gleichzeitig sehr geringe Calciumanteil machen den Hochofenzement auch relativ beständig gegen kalklösende Kohlensäure. Sowohl bei den in den 1960’er begonnenen Versuchen als auch bei den aktuellen Untersuchungen kamen Probekörper mit Hochofenzement als Bindemittel zur Anwendung und bei beiden Versuchsreichen waren Oberflächenabtrag bzw. Massenverlust gegenüber den Proben mit Portlandzement um etwa 50 % reduziert, siehe Abb. 2 und 3. Auch wenn bei anstehenden Instandsetzungsmaßnahmen das Speicherwasser keine hohen calcitlösenden Eigenschaften hat, so ist es sicher von Vorteil, über das bevorzugte Bindemittel nachzudenken und sich die Vorals auch Nachteile der verschiedenen Zementsorten bewusst zu machen. Um eine hydrolysebeständige mineralische Beschichtung angeboten zu bekommen, bietet es sich an, die im DVGW Arbeitsblatt W300-5 aufgeführten Bewertungskriterien einzufordern bzw. im Leistungsverzeichnis zu definieren. Hierzu gehören folglich nicht nur technische Parameter wie z. B. Druckfestigkeit oder Porosität, sondern auch die zu verwendende Zementsorte. Wird bei einer Ausschreibung neben technischen Anforderungen zusätzlich Wert auf eine ökologische Instandsetzung gelegt, kann auch das in den Ausschreibungstexten eingefordert werden. 4. Statische Ertüchtigung Nicht selten ist der Auslöser, sich mit einer Instandsetzung zu beschäftigen, der Zeitpunkt, wenn die wasserberührten Oberflächen bereits deutliche Veränderungen aufweisen oder aber bereits Schäden vorhanden sind. Spätestens jetzt sollte durch entsprechende Untersuchungen abgeklärt werden, inwieweit auch das Bauwerk (und auch Anlagenteile der technischen Ausrüstung) den heutigen Anforderungen entspricht [1,11]. Hierbei ist zwingend zu berücksichtigen, dass Fehler beim Bau (z. B. „heruntergetretene“ Bewehrung im Deckenbereich) oder eine zu geringe Betondeckung (z. B., weil die damaligen Normen eine geringere Betondeckung vorgegeben haben) im Zuge einer Instandsetzungsmaßnahme zu beseitigen sind. Hierauf wird an mehreren Stellen im DVGW W-300 hingewiesen: „Mit einer Instandsetzung sollte nicht der „Altzustand“ der Behälteranlage wiederhergestellt, sondern ein Zustand geschaffen werden, der den Anforderungen an DVGW W 300-1 (A) entspricht.“ [3] In den Fällen, wo die Betondeckung nicht ausreichend ist, die Bewehrung sich im karbonatisierten oder ausgelaugten Bereich befindet oder sogar komplett frei liegt (siehe Abb. 5) reicht das Auf bringen einer neuen Beschichtung alleine nicht mehr aus. Bei Bedenken bezüglich der Tragfähigkeit der Struktur oder der Dauerhaftigkeit eines Trinkwasserbauwerks sind die Instandsetzungsprinzipien der DAfStB-Richtlinie Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen bzw. des aktuellen Nachfolgeregelwerks der TR Instandhaltung des DIBt einzuhalten. [3,12,13] 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 171 Mineralische Instandsetzung von Trinkwasserbehältern - Worauf ist bei der Produktauswahl zu achten? Abb. 5: Zum Teil korrodierte Anschlussbewehrung im Bereich Bodenplatte/ Wand Selbstverständlich muss der für „statische Ertüchtigung“ ausgewählte Betonersatz für die Anwendung im Trinkwasserbereich zugelassen sein. Hierzu gehören der hygienische Nachweis nach DVGW W 347 und eine ausreichende Hydrolysebeständigkeit nach DVGW W 300-5. Denn eine statische Ertüchtigung, bei dem der Trinkwasserbehälter dann aber z. B. wegen hygienischer Mängel nicht mehr betrieben werden kann, nützt keinem. Gleichzeitig ist aber bei der Planung einer Instandsetzungsmaßnahme auch darauf zu achten, dass mit einem nach W- 347 und W- 300 zugelassenem Produkt eine standsicherheitsrelevante Sanierung überhaupt möglich bzw. zulässig ist. Hier gibt die TR Instandhaltung klare Vorgaben an die Materialeigenschaften des Betonersatzes. [13] Für Reprofilierungsarbeiten oder den Ersatz von karbonatisiertem Beton werden in der TR Produkte gefordert, die z. B. als Beton (DIN EN 206 / DIN 1045-2) oder Spritzbeton (DIN EN 14487 / DIN 18551) zertifiziert und überwacht sind, d. h. mit einem entsprechendes Ü-Zeichen versehen sind. Auch dürfen derartige Arbeiten z. B. mit Reparaturmörteln oder Reparaturbetonen ausgeführt werden, deren Eignung aber durch entsprechende Nachweise zu belegen ist. Aktuelle Leistungsverzeichnisse zeigen allerdings, dass diese Aspekte nicht immer ausreichend berücksichtigt werden. So werden für statisch relevante Instandsetzungen zum Teil Produkte verwendet, die zwar hygienisch und hydrolytisch geeignet sind, aber nur einem „R2 Mörtel“ nach EN--1504-3 entsprechen. Für die statisch relevante Instandsetzung sind nach DIN-EN 1504-3 [14] Anforderungen der Klassen R4 oder R3 nachzuweisen. Da Instandsetzungsmörtel bei bewehrtem Beton auch die Bewehrung vor Korrosion schützen müssen, ist an diesen Produkten auch der Karbonatisierungswiderstand nachzuweisen, s. Abb. 6. Wesentliche Merkmale Leistung Druckfestigkeit Klasse R2 ≥ 15 MPa Chloridionengehalt ≤ 0,05 % Haftvermögen ≥ 1,5 MPa Karbonatisierungswiderstand - Elastizitätsmodul ≥ 20 GPa Brandverhalten Klasse A1 Gefährliche Stoffe Übereinstimmung mit 5.4 Abb. 6: Nicht geeignetes Produkt für eine statisch relevante Instandsetzung (und Korrosionsschutz), da der Mörtel „nur“ der Klasse R2 entspricht und keine Prüfung des Karbonatisierungswiderstands vorliegt 5. Fazit Das DVGW Regelwerk W-300 ist inzwischen national und auch international bekannt und findet bei Ausschreibungen Berücksichtigung. Positiv ist auch, dass in Leistungsbeschreibungen mit zunehmender Tendenz auf die Typisierung bei mineralischen Produkten geachtet wird, z. B. „Es ist ein mineralisches Instandsetzungsprodukt Typ 1 zu verwenden.“ Aber es gibt bei mineralischen Instandsetzungsprodukten/ -systemen weitere Unterschiede, auf die zu selten geachtet wird. Immer dann, wenn auch Schäden an der Bausubstanz vorliegen, z. B. frei liegende Bewehrung, reicht als Produktbeschreibung „Zulassung nach W347 und W300-5“ nicht alleine aus. Vielmehr muss das Sanierungsprodukt auch für die statisch relevante Instandsetzung, hier greift die TR Instandhaltung, geeignet sein. Auch finden in Ausschreibungen Aspekte wie CO 2 Emission, Beständigkeit gegen Wasser mit kalklösender Kohlensäure oder auch das Verarbeitungsverfahren immer noch zu wenig Beachtung. Hierzu ein Bildnis aus dem Automobilbereich. Beim Kauf eines Autos darf zu Recht erwartet werden, dass dieses eine ABE (allgemeine Betriebserlaubnis) und auch gültigen TÜV hat. Und dennoch wird die Suche nach dem passenden Gefährt weiter eingeschränkt. Mal soll es, der Umwelt zuliebe, ein Auto mit Elektromotor sein, mal wird ein Kombi mit viel Platz für die Familie benötigt und dann soll es auch mal der schicke Stadtflitzer sein Übertragen auf mineralische Bindemittel im Bereich Trinkwasser bedeutet das, dass auch hier erwartet werden darf, dass die Produkte die W347 (=-ABE) und die W300 (= TÜV) haben. Die Forderung weiterführender Anforderungen in Leistungsbeschreibungen, wie z. B. - Verwendung eines Zementes mit guter CO 2 Bilanz, - Verwendung eines Verarbeitungsverfahrens mit langen Förderweiten (um aus hygienischen Gründen bei den Instandsetzungsarbeiten keine Zwischenpumpstationen in der Wasserkammer errichten zu müssen), - Anwendung des Nassspritzverfahrens (zur Reduzierung von Rückprall und Staubentwicklung in der Wasserkammer) oder - Verwendung eines Zementes mit guter Beständigkeit gegen kalklösende Kohlensäure 172 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Mineralische Instandsetzung von Trinkwasserbehältern - Worauf ist bei der Produktauswahl zu achten? wären hilfreich und wünschenswert für die best mögliche Instandsetzung in allen Belangen. Abb. 7: Hochbehälter nach Sanierung, bei dem Vorgaben zum Mörteltyp und dem Verarbeitungsverfahren festgelegt waren Literatur [1] DVGW-Arbeitsblatt W- 300-3; Trinkwasserbehälter; Teil 3: Instandsetzung und Verbesserung; Wirtschafts- und Verlagsgesellschaft Gas und Wasser mbH; Bonn; Oktober 2014) [2] DIN EN 197-1; Zement - Zusammensetzung, Anforderungen und Konformitätskriterien von Normalzement; Beuth Verlag GmbH; November 2011 [3] DVGW- Arbeitsblatt W347; Hygienische Anforderungen an zementgebundene Werkstoffe im Trinkwasserbereich - Prüfung und Bewertung; Wirtschafts- und Verlagsgesellschaft Gas und Wasser mbH; Bonn; Mai 2006 [4] DIN EN 206; Beton - Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität; Beuth Verlag GmbH; Januar 2017 [5] DVGW-Arbeitsblatt W-300-5; Trinkwasserbehälter; Teil 5: Bewertung der Verwendbarkeit von Bauprodukten für Auskleidungs- Beschichtungssysteme; und Instandsetzung und Verbesserung; Wirtschafts- und Verlagsgesellschaft Gas und Wasser mbH; Bonn; August 2020 [6] Ökologisch nachhaltige Bindemittel für die Sanierung von Trinkwasserbehältern; M. Bolesta; Fachzeitschrift gwf; 07-08-2016; DIV Deutscher Industrieverlag [7] DIN 4030; Beurteilung betonangreifender Wässer, Böden und Gase - Teil 1; Grundlagen und Grenzwerte; Beuth Verlag GmbH; 06 2008 : [8] Beton nach 20jähriger Einwirkung von kalklösender Kohlensäure; Locher, Rechenberg, Sprung; Fachzeitschrift Beton; 1984 [9] Dauerhaftigkeitsnachweise chemisch beanspruchter Betone: Angriff durch kalklösende Kohlensäure; Nebel, Ramler, Palm, Matschei; Fachzeitschrift Beton; Verlag: concret content UG; 06/ 2022j [10] Entstehung, Entwicklung und Strukturwandel der Portland-Zementindustrie im Raum Hannover von 1878 bis 1989; Dissertation Gerd Meier; 2001 [11] DVGW-Arbeitsblatt W-300-1; Trinkwasserbehälter; Teil 1: Planung und Bau; Wirtschafts- und Verlagsgesellschaft Gas und Wasser mbH; Bonn; Oktober 2014 [12] DAfStb- Richtlinie Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen (Rili SIB); Teile 1-4; Ausgabe Oktober 2001 [13] Technische Regel Instandhaltung von Betonbauwerken (TR Instandhaltung); Teile- 1-2; Deutsches Institut für Bautechnik; Berlin; Mai 2020 [14] DIN EN 1504-3: Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken; Beuth Verlag GmbH; März 2006
