Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis
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expert verlag Tübingen
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Neue Perspektiven für Wasserwerke durch Tanks und Großfilter aus Edelstahl
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Manfred Brugger
Ausgehend von einem Nischenprodukt, haben sich Trinkwasserspeicher aus Edelstahl, im Bereich der Wasserversorgung längst etabliert. Handelte es sich zunächst um eher kleinere Speicheranlagen, stellen Volumina zwischen 10.000 m³ und 15.000 m³ zwischenzeitlich kein unlösbares Problem mehr dar. So steht eine Trinkwasser-Speicheranlage mit einem Gesamtvolumen von 12.000 m³ derzeit kurz vor der Fertigstellung. Noch weitgehend unbekannt sind aber die mit Edelstahl realisierbaren Sonderkonstruktionen, wie z. B. Großfilter und Reaktionssysteme. Deren Einsatz ist nicht nur auf die Wasserversorgung beschränkt, sondern auch zum Beispiel für die 4. Reinigungsstufe im Abwasserbereich sinnvoll. Im Bericht werden die Großfilter vorgestellt und die Rahmenbedingungen und Einsatzgrenzen aufgezeigt.
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7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 175 Neue Perspektiven für Wasserwerke durch Tanks und Großfilter aus Edelstahl Dipl.-Ing. (FH) Manfred Brugger Hydro-Elektrik GmbH, Ravensburg Zusammenfassung Ausgehend von einem Nischenprodukt, haben sich Trinkwasserspeicher aus Edelstahl, im Bereich der Wasserversorgung längst etabliert. Handelte es sich zunächst um eher kleinere Speicheranlagen, stellen Volumina zwischen 10.000 m³ und 15.000 m³ zwischenzeitlich kein unlösbares Problem mehr dar. So steht eine Trinkwasser-Speicheranlage mit einem Gesamtvolumen von 12.000 m³ derzeit kurz vor der Fertigstellung. Noch weitgehend unbekannt sind aber die mit Edelstahl realisierbaren Sonderkonstruktionen, wie z. B. Großfilter und Reaktionssysteme. Deren Einsatz ist nicht nur auf die Wasserversorgung beschränkt, sondern auch zum Beispiel für die 4. Reinigungsstufe im Abwasserbereich sinnvoll. Im Bericht werden die Großfilter vorgestellt und die Rahmenbedingungen und Einsatzgrenzen aufgezeigt. 1. Filtration Die Filtration ist auf dem Gebiet der Wasserauf bereitung in vielfältigster Art und Weise verbreitet. Unter Filtration werden im Allgemeinen alle Verfahren zusammengefasst, bei denen auf mechanischem Wege aus einem Gemisch von Flüssigkeit und festen oder gelösten Substanzen eine Trennung in Flüssigkeit (Filtrat) und Substanzen erfolgt. Die Auswahl der Filtrationsverfahren, oder auch die Kombination mehrerer Verfahrensschritte, wird durch die Qualität des Rohwassers, sowie durch die Anforderungen an das Reinwasser (Filtrat) bestimmt. Die minimale Größe der zurückgehaltenen Feststoffe wird über die Trenngrenze des Filters definiert. Spezialverfahren der Filtration sind die Marmorfiltration, die Biofiltration und die Aktivkohlefiltration. Als Marmorfiltration wird die Filtration über calciumcarbonathaltige Materialien (halbgebrannter Dolomit, Marmor oder Jurakalk) bezeichnet. Es findet hierbei eine Neutralisation der freien aggressiven Kohlensäure bis zum Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht statt. Die freie Kohlensäure löst bei der Reaktion Calciumcarbonat aus dem Filtermaterial aus. Dabei kommt es zu einer Auf härtung des Wassers. Kohlensäure greift aber auch Beton an, was zu erheblichen Schäden an Bauwerken führen kann. Die Marmorfiltration wird zur Entsäuerung oder zur gezielten Erhöhung der Wasserhärte bei sehr weichen Wässern eingesetzt. Im letzteren Fall wird Kohlensäure vor dem Filter gezielt in der gewünschten Menge in das Wasser dosiert. Bei diesem Verfahren kommt es zum Verbrauch von Entsäuerungsmaterial, welches in regelmäßigen Abständen nachgefüllt werden muss. Die Auf härtung schafft ferner die Basis für funktionierende Flockungsprozesse sowie für die Mikrokoagulation. Zusammen mit einer Dosierung von eisenhaltigen Flockungsmitteln, wird so eine gute Partikelentfernung, sowie TOC-Reduktion erreicht. Bei der Biofiltration nutzt man das Filtermaterial gezielt als Träger für die biologische Besiedlung. Die Biofiltration ist keine klassische Filtration im eigentlichen Sinne, da hierbei die Hauptaufgabe nicht in der Partikelabscheidung liegt, sondern in der Reduktion von gelösten organischen Verbindungen durch biologische Mineralisation. Als Filtermaterialien dienen Aktivkohle, Filterkohle oder mineralische Substanzen wie Bims oder gebrochener Blähton (Filtralite). Durch die Biofiltration wird insbesondere der Gehalt an biologisch verfügbarem organischem Kohlenstoff (BDOC) reduziert. Die Voraussetzung für die Biofiltration wird durch eine vorgeschaltete Ozon- Oxidationsstufe geschaffen, welche den organischen Kohlenstoff für die biologische Mineralisation verfügbar macht. Mittels Aktivkohlefiltration werden gelöste organische und anorganische Gift- und Spurenstoffe adsorptiv aus dem Wasser entfernt. Während bei der Feststofffiltration kaum Material-Verluste auftreten, muss bei der Marmorfiltration Carbonat regelmäßig nachgefüllt werden und bei der Adsorptionsfiltration Aktivkohle in regelmäßigen Abständen ausgetauscht werden. Sowohl für das automatische Nachfüllen als auch für den Kohletausch sind deshalb geeignete Einbauten konstruktiv zu berücksichtigen. Bei großen Auf bereitungsmengen sind großflächige Filteranlagen erforderlich. Diese werden konventionell oft noch durch offene Filter als Betonkonstruktionen erstellt. Alternativ hierzu bieten sich Edelstahlfilter an. Aktivkohlefilter zur Adsorption werden sowohl bei der Trinkwasserauf bereitung als auch bei der Abwasserreinigung, als vierte Reinigungsstufe im Kläranlagenablauf eingesetzt. 2. Filtrationsrichtung und Filterart Eine weitere Unterscheidung bei den Verfahren zur Filtration ergibt sich durch die Filtrationsrichtung. So wird zwischen der bekannten Abstromfiltration und der weniger bekannten Aufstromfiltration unterschieden. Die Abstromfiltration stellt den Standard in den meisten Anwendungsfällen dar. Hierbei strömt das zu filtrierende Wasser von oben nach unten durch das Filtermaterial. Durch entsprechende Schichtung und Kombination von Filtermaterialien wird eine möglichst optimale Tiefenwirkung 176 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Neue Perspektiven für Wasserwerke durch Tanks und Großfilter aus Edelstahl erreicht, was bedeutet, dass sich die abzuscheidenden Stoffe, je nach Größe, in unterschiedlichen Filterschichten ablagern bzw. vom Filtermaterial zurückgehalten werden. Durch Abstromfiltration können hervorragende Filtrationsergebnisse erreicht werden. Abstromfilter können als offene, drucklose Filter oder als geschlossene Druckfilter betrieben werden. Bei der Aufstromfiltration strömt das zu behandelnde Wasser von unten nach oben durch den Filter. Wichtig ist hierbei, dass die Filtergeschwindigkeit nicht zu hoch ist und das Filtermaterial statisch im Filter liegen bleibt. Die Aufwärtsfiltration wird bevorzugt bei der chemischen Auf härtung also der Filtration nach der Kohlensäuredosierung eingesetzt. Vorteilhaft hierbei ist, dass die zugesetzte Kohlensäure nicht vorzeitig ausgasen kann und der Filter praktisch auch nicht überlastungsbedingt dicht machen kann. Die Filterspülung erfolgt in beiden Fällen durch Wasserströmung von unten nach oben mit einer höheren Geschwindigkeit. Wichtig bei der Filterspülung ist, dass das Filtermaterial fluidisiert (schwimmt) und nicht ausgetragen wird. Luftspülungen werden in der Regel mit abgesenktem Wasserspiegel durchgeführt. 3. Filtertypen und Filtergrößen Filterbehälter bis zu ca. 4 bis 5 m im Durchmesser können zumindest in Deutschland noch mittels Schwertransport vom Herstellerwerk bis zum Einsatzort transportiert werden. Die so realisierbaren maximalen Filterflächen pro Filter sind damit limitiert. Bei einem entsprechend höheren Bedarf müssen entweder mehrere Filter parallel geschaltet werden oder die Filter vor Ort gefertigt werden. Bei der Vor-Ort-Fertigung war bis dato die Realisierung als offene Filter in Betonausführung die Regel. Beim Neubau eines Wasserwerkes in Norwegen kamen erstmals Filterbehälter aus Edelstahl mit Durchmessern von 5,7 m und 6,8 m zum Einsatz. Abbildung 1: Filterbehälter aus Edelstahl Hierbei wurden sowohl Abstromfilter sowie Aufstromfilter realisiert. Die Filter (Abb.1 und 3) werden mit dem bekannten Spezialverfahren der Ravensburger Firma Hydro-Elektrik GmbH gefertigt, mit dem bisher ausnahmslos die als HydroSystemTanks® bekannten Trinkwasser-Speicher aus Edelstahl gefertigt wurden. Die Filter sind mit druckfestem Düsenboden (Abb. 2) sowie kompletter innerer Filterverrohrung für Spülluftverteilung, Spülwasserableitung und Filtrat ausgestattet. Kegelförmige Abdeckungen über den drucklos betriebenen Filtern dienen der hermetischen Trennung. Über spezielle Filtersysteme erfolgt die Be- und Entlüftung. Das aufströmende Wasser im Entsäuerungsfilter fließt in eine Rinne über, welche über eine Rohrleitung mit dem Einlauftrichter des Biofilters verbunden ist. So gelangt das ozonisierte und mineralisierte Rohwasser in den im Abstrom betriebenen Biofilter. Die als Mehrschichtfilter geschütteten Biofilter mit Durchmesser 6,70 m und 7 m Höhe arbeiten in der Regel mit einer max. Filtergeschwindigkeit von 9 m/ h (nominal 7,5 m/ h) Abbildung 2: Düsenboden mit Stützkonstruktion Die schwerkraftgetriebenen Bio-Filter mit Sandschicht und mit Biofilterschicht sind komplett geschlossen und werden über spezielle Filtersysteme belüftet bzw. entlüftet und mittels Ablaufregulierung mit stabilem Wasserüberstand betrieben. Die erforderlichen Spülwassermengen bei Großfilteranlagen stellen in der Regel den limitierenden Faktor bei der Filtergröße dar. So kommen bei einem Filter mit 8 m Durchmesser bereits ca. 50 m² Filterfläche zusammen. Bei einer Spülwassergeschwindigkeit von 45 m/ h beträgt der erforderliche Spülwasserstrom 2250 m³/ h. Wenn diese Mengen problemlos bedient werden können, sind auch noch größere Durchmesser möglich. Zuleitung, Ableitung und Speicherung sind für die entsprechenden Anwendungsfälle ebenfalls zu beachten. Über Bedienpodeste können alle für den Betrieb erforderlichen Anlagenteile sicher erreicht werden (Abb. 1). Neben Filterbehältern spielen bei der Ozonung auch Reaktionsbehälter eine große Rolle. Die Ozonung kommt sowohl bei der Trinkwasserauf bereitung als auch der Abwasserbehandlung zum Einsatz. Nach der optimalen Ozoneinmischung ist für die Reaktion des Ozons mit den Wasserinhaltsstoffen eine gewisse Reaktionszeit einzuhalten. So kommen bei z. B. 200 l/ s und gewünschter Reaktionszeit von 10 Minuten 72 m³ als Reaktionsvolumen zusammen. Bei 15 Minuten beträgt dieses 108 m³. Reaktionsbehälter werden derzeit z. T. immer noch als Betonkonstruktionen geplant. Die Tatsache, dass bei der Ozonerzeugung aus wirtschaftlichen Gründen vermehrt Sauerstoff als Feedgas eingesetzt wird, führt auch hier zu erhöhtem Angriff des Betons und der Armierung. Edel- 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 177 Neue Perspektiven für Wasserwerke durch Tanks und Großfilter aus Edelstahl stahl, isnbesondere die austenitischen Stähle 1.4571 bzw. 1.4404, eignen sich hervorragend für Ozon-Reaktionsbehälter. Je nach Aufgabenstellung können Reaktionsbehälter als liegende oder stehende Tanks ausgeführt werden. Bei offenen Metallflächen besteht grundsätzlich die Gefahr der Tauwasserbildung. Aufgrund der komplett geschlossenen wasserführenden Systeme sowie einer entsprechenden Klimatisierung der Gebäude, wird die Tauwasserbildung auf den Edelstahlflächen vermieden, denn die Raumtemperatur in den Betriebsräumen wird sich an der Wassertemperatur ausrichten, da die großen Edelstahlflächen als Heizkörper oder Kühlkörper dienen und die Temperatur im Raum damit konstant bleibt. Abbildung 3: Fertigung Filterbehälter Die Möglichkeit, große Filterbehälter als auch Wasserbehälter aus Edelstahl mittels Spezialverfahren direkt vor Ort zu fertigen, eröffnet neue Perspektiven für Planung und Bau neuer Wasserwerke (Abb. 4). Abbildung 4: Räumliche Anordnung Neben kürzeren Bauzeiten und einer hohen erreichbaren Qualität in der Ausführung, sprechen die Lebensdauer als auch die Planungssicherheit bei den kalkulierten Baukosten für das System.