Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis
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2025
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Zielgerechte Qualitätssicherung bei der Instandsetzung im Abgleich zum neuen DVGW W 300-4
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Jan Rassek
Jacqueline Rassek
Die Qualitätssicherung bei der Betoninstandsetzung umfasst Maßnahmen zur Sicherstellung der Wirksamkeit und Langlebigkeit der durchgeführten Arbeiten, um die Werthaltigkeit des Bauwerks zu erhalten. Dazu gehören die Einhaltung von Normen und Richtlinien, die Qualifikation der beteiligten Fachkräfte, die Überwachung der Ausführung und die Verwendung geeigneter Materialien. Die Eigenüberwachung als Teil der Qualitätssicherung beinhaltet die Überprüfung der Arbeiten durch das ausführende Unternehmen selbst und wird in der Regel durch die Überwachung durch eine dafür anerkannte Überwachungsstelle (ehemals „Fremdüberwachung“) ergänzt.
Im Rahmen der Instandsetzung von Trinkwasserbauwerken werden der Qualitätssicherung hohe Anforderungen und Standards beigemessen, um bautechnisch und hygienisch einwandfreie Bauwerke zu gewährleisten. Dies implementiert vor allem die notwendige Zertifizierung der ausführenden Firma nach DVGW W 316 und entsprechend fachgerecht ausgebildetes Personal und angemessene Geräteausstattung.
Durch die aktuelle Überarbeitung des DVGW-Regelwerks W 300-4 wird der Qualitätssicherung beim Neubau und der Instandsetzung von Trinkwasserbauwerken eine Grundlage geschaffen, die es ermöglichen soll, einen neuen Standard für die Überwachung der Ausführung zu gewährleisten.
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8. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2025 27 Zielgerechte Qualitätssicherung bei der Instandsetzung im Abgleich zum neuen DVGW W 300-4 Dipl.-Ing. Jan Rassek w+s bau-instandsetzung gmbh, Fuldabrück Dipl.-Ing. Jacqueline Rassek w+s bau-instandsetzung gmbh, Fuldabrück Zusammenfassung Die Qualitätssicherung bei der Betoninstandsetzung umfasst Maßnahmen zur Sicherstellung der Wirksamkeit und Langlebigkeit der durchgeführten Arbeiten, um die Werthaltigkeit des Bauwerks zu erhalten. Dazu gehören die Einhaltung von Normen und Richtlinien, die Qualifikation der beteiligten Fachkräfte, die Überwachung der Ausführung und die Verwendung geeigneter Materialien. Die Eigenüberwachung als Teil der Qualitätssicherung beinhaltet die Überprüfung der Arbeiten durch das ausführende Unternehmen selbst und wird in der Regel durch die Überwachung durch eine dafür anerkannte Überwachungsstelle (ehemals „Fremdüberwachung“) ergänzt. Im Rahmen der Instandsetzung von Trinkwasserbauwerken werden der Qualitätssicherung hohe Anforderungen und Standards beigemessen, um bautechnisch und hygienisch einwandfreie Bauwerke zu gewährleisten. Dies implementiert vor allem die notwendige Zertifizierung der ausführenden Firma nach DVGW W 316 und entsprechend fachgerecht ausgebildetes Personal und angemessene Geräteausstattung. Durch die aktuelle Überarbeitung des DVGW-Regelwerks W 300-4 wird der Qualitätssicherung beim Neubau und der Instandsetzung von Trinkwasserbauwerken eine Grundlage geschaffen, die es ermöglichen soll, einen neuen Standard für die Überwachung der Ausführung zu gewährleisten. 1. Regelwerke zur Qualitätssicherung Seit ihrer Herausgabe im Jahr 2020 gilt die TR Instandhaltung des Deutschen Instituts für Bautechnik [2] als maßgebliches Regelwerk für die Instandsetzung von Betonbauwerken in Deutschland. Sie löst damit die bis dahin geltende DAfStb-Richtlinie „Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen“ („Instandsetzungsrichtlinie“) in weiten Teilen ab. Im Wesentlichen gilt aus dieser Richtlinie nur noch Teil 3: „Anforderungen an die Betriebe und Überwachung der Ausführung“ [1]. In Europa existiert seit 2006 die harmonisierte DIN EN 1504 „Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken - Definitionen, Anforderungen, Qualitätsüberwachung und Beurteilung der Konformität“ [9]. DIN EN 1508 “Wasserversorgung - Anforderungen an Systeme und Bestandteile der Wasserspeicherung“ [10] ist zudem europaweit seit 1998 auf dem Markt und wurde 2024 überarbeitet. Sie stellt im Zusammenhang mit der Instandsetzung von Trinkwasserbauwerken das europäische Rahmenregelwerk dar. Alle o. g. Regelwerke werden den nationalen Anforderungen, welche sich aus der Trinkwasserverordnung und der deutschen Wasserversorgung ergeben, nicht gerecht. Diese Lücke wird durch die DVGW-Regelwerksreihe W 300 geschlossen, wobei sich Teil 4 besonders mit der Qualitätssicherung auf der Baustelle auseinandersetzt [4]. Hinweise zur Qualitätssicherung finden sich zudem in den Regelwerksteilen des DVGW W 300-1 bis W 300-8, W 316 sowie W 398. Querverweise innerhalb der Regelwerke sind immer zu berücksichtigen. 2. Unterschiedliche Wahrnehmung der Qualitätssicherung in der Ausführung Die Vielzahl der genannten Regelwerke, die teilweise unvollständige Angaben zu bestimmten Prüfungen, Anforderungen und Voraussetzungen, Häufigkeiten und Erfordernissen machen, lässt deutlich werden, dass eine Grundlage geschaffen werden muss, auf der ein neuer Standard der Qualitätssicherung aufzubauen ist. Dies soll mit der aktuellen Überarbeitung der DVGW W 300-4 erfolgen, die voraussichtlich Ende 2025 in den Gelbdruck gehen wird [4]. In deren normativem Anhang B „Überwachung der Ausführung durch das ausführende Unternehmen“ wird es eine Tabelle geben, die klare Vorgaben zur Ausführung der Eigenüberwachung macht. Sie ist angelehnt an Anhang A der Instandsetzungsrichtlinie Teil 3, wurde aber umfangreich überarbeitet und an die Anforderungen von Trinkwasserbauten angepasst. Sie beinhaltet die Qualitätssicherung für folgende Materialien: • Beton • Spritzbeton • Beschichtung und Betonersatz • Vergussmörtel, Vergussbeton • Zweikomponenten-Reaktionsharz-Systeme • Rissfüllstoffe • Abdichtungsbahnen • PE/ PP-Platten • Edelstahl 28 8. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2025 Zielgerechte Qualitätssicherung bei der Instandsetzung im Abgleich zum neuen DVGW W 300-4 Die Tabelle ist aufgeteilt in die Abschnitte: Angelieferte Stoffe, Betonuntergrund, Stahloberfläche, Verarbeiten, Eigenschaften der fertigen Leistung und Technische Einrichtungen (vgl. untenstehende Tabelle 1). Die Überwachung durch das ausführende Unternehmen (Eigenüberwachung) hat nach diesem Anhang B zu erfolgen. Es dürfen laut DVGW W 300-4 auch andere als in Anhang B angegebenen Prüfverfahren angewendet werden, sofern ihre Eignung nachgewiesen wurde und die Anwendung vom Hersteller angegeben wird. Mit Überarbeitung des Regelwerks hat sich zudem ein Arbeitskreis aus Mitgliedern der SITW-Fachvereinigung gebildet, der sich mit der Qualitätssicherung bei der Instandsetzung von Trinkwasserbauwerken beschäftigt und in diesem Zuge einen Abgleich der Forderungen der DVGW W 300-4 für die Qualitätssicherung auf der Baustelle mit den Herstellervorgaben vornimmt. Hierzu wird aktuell ein Formblatt erarbeitet, welches die Vorgaben der Norm bei den gängigen Herstellern für Trinkwasserprodukte abfragen soll. Der Arbeitskreis wird versuchen die gewonnenen Ergebnisse unmittelbar in die Überarbeitung des DVGW- Arbeitsblattes W 300-5 „Trinkwasserbehälter - Teil 5: Bewertung der Verwendbarkeit von Bauprodukten für Auskleidungs- und Beschichtungssysteme“ einfließen zu lassen. Letztes Herausgabedatum des Arbeitsblattes war 2020, eine Überarbeitung wurde im 3. Quartal 2025 begonnen. Im bauaufsichtlichen Bereich wird anstelle des Begriffes „Standsicherheitsrelevanz“ der Begriff „Gefährdung der Standsicherheit“ verwendet. Dabei liegt eine Gefährdung der Standsicherheit nicht nur bei einem entsprechenden Schaden vor. Sie liegt auch dann vor, wenn eine Gefährdung der Standsicherheit mit großer Wahrscheinlichkeit innerhalb der planmäßigen Nutzungsdauer zu erwarten ist. Im Bereich der Instandsetzung von Trinkwasserbehältern wurde u. a. aufgrund der speziellen Auslaugungsproblematik von unmittelbar trinkwasserberührten Oberflächen bereits mit Herausgabe der letzten W 300-4 in 2014 die Expositionsklasse X TWB eingeführt, die besondere Anforderungen an Hygiene und Hydrolysebeständigkeit stellt. Der Beton der Expositionsklasse X TWB ist aufgrund der „besonderen Eigenschaften“ der Überwachungsklasse-2 nach DIN 1045-3 [8] zuzuordnen. Bezüglich der Überwachung gelten zudem die Grundsätze nach DIN 1045-2 [7] und DIN EN 13670 [11]. Die Regelungen, die die Instandsetzungsrichtlinie des DAfStb bezüglich der Überwachung durch eine dafür anerkannte Überwachungsstelle trifft, umfasst unter anderem die Kontrolle der Prüfprotokolle, Eignungsnachweise, Lieferscheine etc. Dies hat in Zukunft zur Folge, dass die Ergebnisse der Überwachung der Ausführung durch das ausführende Unternehmen nach Tabelle 9 des DVGW W 300-4 sowie die Vorgaben der Materialhersteller entsprechend der ausgearbeiteten Checkliste des Tab. 1: Ausschnitt aus Tabelle 9 - Überwachung der Ausführung durch das ausführende Unternehmen (künftige DVGW W 300-4, Anhang B) Spalte 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 Zeile Gegenstand der Prüfung Art der Prüfung Anzuwenden für Anforderung Erfordernis, Häufigkeit, Zeitpunkt Beton Spritzbeton Beschichtung und Betonersatz Vergussmörtel Vergussbeton6 Zweikomponenten-Reaktionsharz-Systeme Rissfüllstoff Abdichtungsbahnen PE/ PP-Platten Edelstahl 3. Überwachung durch eine dafür anerkannte Überwachungsstelle als Teil der Gesamtüberwachung der Instandsetzung Nach DVGW-Arbeitsblatt W 300-4 und TR Instandhaltung wird festgelegt, dass eine standsicherheitsrelevante Instandsetzungsmaßnahme zusätzlich durch eine anerkannte Überwachungsstelle (ehemals „Fremdüberwachung“) zu überwachen ist. zuvor genannten SITW-Arbeitskreises in der Fremdüberwachung überprüft werden müssen. Hierfür ist eine ausreichende Qualifikation des Überwachungspersonals notwendig. Fremdüberwachungsberichte, die explizit auf die Trinkwasserinstandsetzung abgestimmt sind, gibt es bislang noch nicht. 8. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2025 29 Zielgerechte Qualitätssicherung bei der Instandsetzung im Abgleich zum neuen DVGW W 300-4 4. Besonderheiten der Qualitätssicherung nach künftiger DVGW W 300-4 Es gibt einige Besonderheiten, die in den Regelwerken noch nicht ausformuliert werden und weiterer tiefergehender Betrachtung und Angaben durch den Materialhersteller und den Planer bedürfen. 4.1 Konsistenzprüfung Die Konsistenzprüfung ist eine der wichtigsten und einfachsten Prüfungen auf der Baustelle zur Feststellung der Einhaltung der Menge des vorgegebenen Zugabewassers, bzw. damit einhergehend der Einhaltung des w/ z-Wertes. Sie wird durch die Ermittlung des Ausbreitmaßes nach DIN EN 13395-1 (bei Betonersatz) und nach DIN EN 12350 bzw. DIN 1045-2 (bei Beton) ermittelt. Die Konsistenzprüfung war bereits Bestandteil der Qualitätssicherung nach Instandsetzungsrichtlinie und wird nun auch im normativen Anhang B der künftigen W 300-4 berücksichtigt. Leider gibt es scheinbar nach wie vor Materialhersteller, die die Vorgaben zur Konsistenz des eigenen mineralischen Beschichtungsmaterials nicht benennen können. Hier ist unbedingt eine entsprechende Anpassung der Prüfstandards bzw. Herstellervorgaben notwendig. 4.2 Nachbehandlung Im künftigen DVGW- Arbeitsblatt W 300-4 wird die Nachbehandlung als Teil des normativen Anhangs B in der Tabelle folgendermaßen formuliert: Das dort in den Anforderungen genannte Kapitel 6 beschäftigt sich mit der Bauausführung eines Neubaus. Inhaltlich wird darin folgendermaßen auf die Nachbehandlung eingegangen: „Zum Erreichen der Hydrolysebeständigkeit gelten für die Nachbehandlung die dreifachen Werte der DIN 1045-3. Die Nachbehandlung ist schnellstmöglich zu beginnen und erfolgt bevorzugt durch eine hohe Luftfeuchtigkeit (≥ 95 %, z. B. erzeugt durch Wasserzerstäubungsgeräte) oder durch kontinuierliches Nässen nach ausreichender Erhärtung. Ein Luftzug wie z. B. im Zugangsbereich oder im Bereich von Öffnungen ist zu verhindern. […]“ Für die Instandsetzung wird unter Punkt 7.1.3.8 [4] ebenfalls die dreifache Nachbehandlungszeit zu DIN 1045-3 für das Erreichen einer hydrolysebeständigen Oberfläche gefordert. Die Nachbehandlungszeit hängt dabei von der Temperatur und der Festigkeitsentwicklung des zementgebundenen Materials ab. Die Vorgaben/ Angaben des Materialherstellers sind zu beachten. Nach 8.1.4.1.3 [4] ist während der Verarbeitung und im Zuge der Nachbehandlung zementgebundener Materialien zudem eine ausreichend hohe Luftfeuchtigkeit sicherzustellen. Dies kann z. B. mit Hilfe einer Verneblungsmaschine aus Abb.-1 erfolgen. Diese Anforderungen stellen den Grundsatz einer zielführenden Nachbehandlung dar. Eine dementsprechende Durchführung kann jedoch nur erfolgen, wenn die geforderten Eigenschaften auch durch die Angaben insbesondere des Materialherstellers und ggfs. des Planers vorgegeben werden. Tab. 2: Ausschnitt aus Tabelle 9 - Überwachung der Ausführung durch das ausführende Unternehmen (künftige DVGW W 300-4, Anhang B), Pkt. 4.13 Spalte 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 Zeile Gegenstand der Prüfung Art der Prüfung Anzuwenden für Anforderung Erfordernis, Häufigkeit, Zeitpunkt Beton Spritzbeton Beschichtung und Betonersatz Vergussmörtel Vergussbeton 6 Zweikomponenten-Reaktionsharz-Systeme Rissfüllstoff Abdichtungsbahnen PE/ PP-Platten Edelstahl 4.13 Fertige Arbeitsleistung Nachbehandlung + + + + + - - - - nach Herstellervorgaben und nach Kapitel 6 jeder Arbeitsabschnitt 30 8. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2025 Zielgerechte Qualitätssicherung bei der Instandsetzung im Abgleich zum neuen DVGW W 300-4 Abb. 1: Verneblungsmaschine zur Sicherstellung einer ausreichenden Luftfeuchtigkeit im Trinkwasserbehälter Für eine fachgerecht ausführbare Nachbehandlung bedarf es demnach zusätzlich einer Vielzahl an notwendigen Informationen, die dem ausführenden Unternehmen zur Verfügung gestellt werden müssen, wie z. B.: • Nachbehandlungsbeginn Bei welcher Mindestfestigkeit der Oberfläche kann mit einer Nachbehandlung begonnen werden? • Nachbehandlungsart Wie wird die Nachbehandlung sichergestellt? Wie ist die Nachbehandlung zu dokumentieren? Welche Aufzeichnungen sind zu machen? • Minimale und maximale Luftfeuchtigkeit Ist ein Wasserfilm zulässig - ja oder nein? Wie geht man mit Kondensat um? Wann und wo wird die Luftfeuchtigkeit gemessen? Dies bezieht sich vor allem auf die Situation im Einstieg, der sich in der Regel am oberen Rand der Wasserkammer befindet und eine geringere Luftfeuchtigkeit aufweist, als am Boden der Wasserkammer. Eine Möglichkeit der Messung stellt ein Thermohygrograph dar; in Abbildung 2 z. B. befestigt an einer Stütze in der Wasserkammer. Die Materialhersteller treffen derzeit teilweise verwirrende Vorgaben bezüglich der Nachbehandlung. So gibt beispielsweise ein Materialhersteller vor, dass „In den ersten sieben Tagen nach der Applikation keine Kondenswasserbzw. Wasserfilmbelastung der Beschichtung erfolgen darf.“ Wie soll diese Vorgabe bei einer kontinuierlichen Applikation des Betonersatzsystems z. B. bei der Decken- oder insbesondere bei der Bodenbeschichtung gewährleistet werden? Zudem werden von den Materialherstellern unterschiedliche Mindest-Nachbehandlungszeiten vorgegeben (z. B. 5, 7 oder 21 Tage). Einer der Hersteller gibt in seinem Produktdatenblatt für einen Spritzmörtel im Trinkwasserbereich sogar vor, dass die Nachbehandlungsdauer sich nach der Nachbehandlungsrichtlinie des Deutschen Betonvereins und nach ZTV-ING, Teil 3, Abschnitt 4. richten solle. Abb. 2: Thermohygrograph zur Messung der Luftfeuchtigkeit in der Wasserkammer 4.3 Zwischenlagenhaftung Unter Punkt 7.1.3.4 der künftigen DVGW W 300-4 wird der Umgang mit Arbeitsabschnitten (Überarbeitungszeitfenster, Verbund zwischen einzelnen Lagen) erläutert: „Immer dann, wenn im Zuge der Instandsetzungsarbeiten ein mehrlagiger Aufbau zum Erreichen der festgelegten Gesamtschichtdicke erforderlich ist (z. B. Verwendung unterschiedlicher Materialien als Betonersatz (A1) und Beschichtung (A2)), ist die nachfolgende Schicht erst dann aufzutragen, wenn die vorherige Schicht ausreichend tragfähig ist. Immer dann, wenn zwischen dem Einbau der einzelnen Schichten ein längerer Zeitraum liegt, ist die vorherige Schicht durch geeignete Maßnahmen vorzubereiten. […] Die Vorgaben des Materialherstellers sind zu beachten.“ Dies wird in den Verarbeitungshinweisen der Technischen Merkblätter für mineralische Betonersatzsysteme oftmals übernommen. D. h. immer, wenn ein mehrlagiger Auftrag notwendig ist, muss sichergestellt werden, dass es zu keiner Gefügestörung zwischen den einzelnen Schichten kommt, denn eine unzureichende Zwischenlagenhaftung führt letztlich zur Ablösung der oberen Schicht bzw. Schichten. Hier kommt auch der Begriff „frisch-in-frisch“ zur Sprache, welches oftmals in den Verarbeitungshinweisen der Technischen Merkblätter erwähnt wird. Durch das „frisch-in-frisch“-Verfahren wird die neue Schicht auf 8. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2025 31 Zielgerechte Qualitätssicherung bei der Instandsetzung im Abgleich zum neuen DVGW W 300-4 die noch nicht vollständig ausgehärtete vorherige Schicht aufgetragen. Das kann zu einer besseren Haftung zwischen den Schichten führen und den Arbeitsaufwand reduzieren. Für eine standardisierte Herangehensweise bedarf es auch zu diesem Thema genauerer Angaben der Materialhersteller: • Was bedeutet die Verarbeitungsvorgabe „frisch in frisch“ genau? • Wie wird eine optimale Zwischenlagenhaftung zwischen verschiedenen Schichten des Materials hergestellt? • Wie geht man damit um, wenn Zeiten überschritten werden? Was für Vorbereitungsmaßnahmen sind hierfür zu treffen? Ein Beispiel für eine nicht funktionsfähige Zwischenlagenhaftung zeigt die folgende Abbildung. Hier wurden die Bearbeitungszeiten überschritten und keine optimale Haftung der oberen Schicht erzielt. Abb. 3: Ablösungen der äußeren Spritzmörtelschicht aufgrund fehlender Haftung 4.4 Rautiefenmessung Mit Herausgabe der TR Instandhaltung in 2020 wurde der Begriff der Rautiefenklasse im Zuge der Sicherstellung der Dauerhaftigkeit des Verbunds eingeführt. Die jeweilige Rautiefenklasse wird durch die Anforderung an die mittlere Rautiefe Rt in [mm] definiert. Je nach Rauheit des Betonuntergrundes bei Adhäsionsverbund wird bei den verschiedenen Instandsetzungssystemen eine unterschiedliche Mindestrautiefenklasse gefordert. Folgende Verfahren können nach DVGW W 300-4 zur Anwendung kommen: • Sandflächenverfahren nach DIN EN 1766 • Lasermessverfahren nach DIN EN ISO 13473-1 • Spachtelung mit Verbrauchserfassung Für die Rautiefe gelten die Vorgaben nach TR Instandhaltung, eine alternative Bewertung ist jedoch möglich. So wird in der überarbeiteten W 300-4 künftig beschrieben, dass bei einer gemeinsamen Inaugenscheinnahme mit den am Bau Beteiligten festgelegt werden kann, dass die Rautiefe auch optisch überprüft werden kann. Dies ist vor allem bei der Untergrundvorbereitung durch HDW- Strahlen der Fall. So wurde es auch in Tabelle 9 des normativen Anhangs B übernommen. 4.5 Porosität Die Ermittlung der Gesamtporosität stellt auch künftig im DVGW W 300-4 einen Teil der Überwachung der Eigenschaften der fertigen Leistung dar (siehe Tabelle 3) Gemäß DVGW W 300-5 (08-2020) ergibt sich für die Bauwerksanforderung der Dauerhaftigkeit (über Expositionsklasse X TWB ) ein grundsätzliches Kriterium der Gesamtporosität (bei entsprechender Lagerung des Prüfkörpers) von ≤ 12 Vol.-%, geprüft nach DIN ISO 15901-1 [13]. Anmerkung: Der Zeitpunkt, zu dem die Anforderungen erfüllt sind, ist festzuhalten. Die Anforderungen sind spätestens nach 90 d zu erbringen. Die Lagerung erfolgt bis zur Prüfung in Wasser, nach 24stündiger Vakuumtrocknung wird die Porosität mit dem Quecksilberdruckporosimeter bis 2000 bar ermittelt. [5] Es wird immer wieder beobachtet, dass der Grenzwert von ≤ 12 Vol.-% vom Planer im Leistungsverzeichnis deutlich geringer ausgeschrieben wird, weil der Ansatz verfolgt wird, dass ein durch geringere Porosität vermeintlich hochwertigeres Material zielführender für eine fachgerechte Instandsetzung des Bauwerks ist. Manchmal kommt es dann bei Überschreitung des geforderten Wertes sogar zur Aufforderung einer verlängerten Gewährleistung, obwohl man sich bis 12 Vol.-% wie zuvor erläutert im Grenzbereich des Regelwerkes bewegt. Nicht bedacht wird hierbei zudem das Zusammenspiel des Betonersatzes mit den bereits seit 2004 im Wasserbau angewendeten und künftig im W 300-4 berücksichtigten Altbetonklassen, bei denen der Untergrund aufgrund der vorhandenen Werte bzgl. Druckfestigkeit und Oberflächenzugfestigkeit in Altbetonklasse A1 bis A5 eingestuft wird. Hierfür ist es wichtig, dass Betonersatz und Untergrund aufeinander abgestimmt sind. Eine zu geringe Porosität und damit ggfs. ein erhöhter E-Modul kann sich also auch negativ auf den Haftverbund auswirken. Anzuwendende Normen für die Festigkeiten eines Instandsetzungsmörtels und -betons beziehen sich aktuell nur auf eine bestimmte Untergrenze. Eine Norm, die die Festigkeit des Betonersatzsystems nach oben begrenzt, ist zum aktuellen Zeitpunkt nicht auf dem Markt. Peter Sudermann beschreibt in [13] zudem eindrücklich die Problematik der Auswirkungen nicht normgerechter Lagerung von Bauteilproben bis zur Porositätsprüfung. In der Praxis kommt es häufig vor, dass die entnommenen Bohrkerne komplett oder teilweise ausgetrocknet zur Untersuchung eingeschickt werden. Nach DIN ISO 15901-1 soll die Prüfung wie genannt jedoch an wassergelagerten Proben erfolgen, die erst 24h vor der Prüfung einer Vakuumtrocknung unterzogen werden [12]. Werden die Proben aber bereits trocken verschickt, so ist die Hydratation des Zementsteins bei der Prüfung bereits lange abgeschlossen und die Porositäten sind fälschlicherweise höher als bei fachgerechter Lagerung. Zudem weist Sudermann darauf hin, dass ein herkömmlicher Queck- 32 8. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2025 Zielgerechte Qualitätssicherung bei der Instandsetzung im Abgleich zum neuen DVGW W 300-4 silberporosimeter ein Fassungsvolumen von ca. 20 g Feststoff besitzt, was einem Bruchteil der Gesamtprobe darstellt. Das Probenmaterial sollte daher bei allen Instandsetzungsmaßnahmen aus einem vergleichbaren Bereich z. B. aus dem mittleren Drittel der Probe entnommen werden. Grundsätzlich ist anzuraten, so wenig Proben wie möglich aus der fertigen Beschichtung/ Mörtelflächen zu entnehmen, da jedes nachträglich hergestellte Bohrloch eine Schwachstelle in der Gesamtkonstruktion darstellt. So rät die DVGW W 300-4 dazu, die Porosität an Bohrkernen zu messen, die aus Spritzkisten bzw. Spritzpfannen entnommen werden. Nur in Zweifelsfällen sind Bohrkerne direkt aus dem Bauwerk zu entnehmen. 5. Ausblick - Auswirkungen auf andere Regelwerke Bereits anhand der Auswahl der erläuterten Beispiele aus dem vorigen Abschnitt wird deutlich, dass mit Überarbeitung des Regelwerks W 300-4 vor allem die Materialhersteller gefragt sind, weitere Vorgaben für die ausführenden Unternehmen zur Verfügung zu stellen, damit eine standardisierte Qualitätssicherung möglich ist. Ein wichtiger Schritt hierfür ist die Erarbeitung des Formblattes durch den SITW-Arbeitskreis, das von den Materialherstellern alle wichtigen Informationen abfragt. Diese Informationen werden automatisch in Teil 5 des Regelwerkes eingearbeitet und werden voraussichtlich einen normativen Anhang des Regelwerkes darstellen. Tab. 3: Ausschnitt aus Tabelle 9 - Überwachung der Ausführung durch das ausführende Unternehmen (künftige DVGW W 300-4, Anhang B), Pkt. 5.7 Spalte 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 Zeile Gegenstand der Prüfung Art der Prüfung Anzuwenden für Anforderung Erfordernis, Häufigkeit, Zeitpunkt Beton Spritzbeton Beschichtung und Betonersatz Vergussmörtel Vergussbeton 6 Zweikomponenten-Reaktionsharz-Systeme Rissfüllstoff Abdichtungsbahnen PE/ PP-Platten Edelstahl 5.7 Gesamtporosität Quecksilberdruckporosimetrie nach DIN ISO 15901-1 (Bohrkerne aus Spritzkisten/ Spritzpfannen oder in Zweifelsfällen durch Bohrkernentnahme am Bauwerk) 4, 5 - - + - - - - - - nach DVGW W 300-5 (A) nach Vorgaben des Fachplaners bis 500 m 2 Gesamtfläche je Bauteil mind. 1 (pro Bauteil) bis 1.000 m 2 Gesamtfläche je Bauteil mind. 2 (pro Bauteil) bis 2.000-m 2 Gesamtfläche je Bauteil mind.-3 (pro Bauteil) je weitere 1000-m 2 eine weitere Prüfung je Bauteil 8. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2025 33 Zielgerechte Qualitätssicherung bei der Instandsetzung im Abgleich zum neuen DVGW W 300-4 Das Formblatt für Materialhersteller könnte zum Beispiel folgende Angaben abfragen: • Konsistenz (unter Laborbedingungen und im üblichen Toleranzbereich, Winter und Sommer) • Für welche Altbetonklassen geeignet? • Frischmörtelrohdichte (gespritzt und nicht gespritzt) - beide Werte sind anzugeben • Frischmörteltemperatur, Lagerungstemperatur • Porosität • Festmörtelrohdichte Für eine standardisierte Qualitätssicherung auf der Baustelle müsste es schließlich Checklisten geben, die abfragen, ob die geforderten Prüfungen nach DVGW W 300-4 bzw. W 300-5 durchgeführt wurden und den Vorgaben durch den jeweiligen Materialhersteller entsprechen. Bleibt zu hoffen, dass mit diesen detaillierten Vorgaben eine Qualitätssicherung auf den Baustellen dauerhaft, regelmäßig und definierter als bislang durchgeführt wird. Die Überwachung der durchgeführten Qualitätssicherung muss letztlich aber auch durch den Planer und den Auftraggeber geprüft werden. So kann beispielsweise ein positiv bestandener Überwachungsbericht der Fremdüberwachung als Voraussetzung für eine Abnahme vertraglich vereinbart werden. Literatur [1] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton (DAfStb): Richtlinie zum Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen, Teil 3: Anforderungen an die Betriebe und Überwachung der Ausführung, Oktober 2001. [2] Deutsches Institut für Bautechnik, Technische Regel - Instandhaltung von Betonbauwerken (TR-Instandhaltung), Teil 1 und 2, Mai 2020. [3] Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e. V. DVGW: Technische Regel - Arbeitsblatt DVGW W 300-4: Trinkwasserbehälter - Teil 4: Werkstoffe, Auskleidungs- und Beschichtungssysteme - Grundsätze und Qualitätssicherung auf der Baustelle, Oktober 2014. [4] Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e. V. DVGW: Technische Regel - Arbeitsblatt DVGW W 300-4 Entwurf: Trinkwasserbehälter - Teil 4: Werkstoffe, Auskleidungs- und Beschichtungssysteme-- Grundsätze und Qualitätssicherung auf der Baustelle, voraussichtlich 2025. [5] Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e. V. DVGW: Technische Regel - Arbeitsblatt DVGW W 300-5: Trinkwasserbehälter - Teil 5: Bewertung der Verwendbarkeit von Bauprodukten für Auskleidungs- und Beschichtungssysteme, August 2020. [6] Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e. V. DVGW: Technische Regel - Arbeitsblatt DVGW W 316: Qualifikationsanforderungen an Fachunternehmen für Planung, Bau, Instandsetzung und Verbesserung von Trinkwasserbehältern; Fachinhalte, April 2018. [7] DIN 1045-2: 2023-08 Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton - Teil 2: Beton. [8] DIN 1045-3: 2023-08 Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton - Teil 3: Bauausführung. [9] DIN EN 1504-3: 2006-03 Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken - Definitionen, Anforderungen, Qualitätsüberwachung und Beurteilung der Konformität- - Teil 3: Statisch und nicht statisch relevante Instandsetzung. [10] DIN EN 1508: 2024-06 - Entwurf: Wasserversorgung - Anforderungen an Systeme und Bestandteile der Wasserspeicherung, Juni 2024. [11] DIN EN 13670: 2011-03 Ausführung von Tragwerken aus Beton; Deutsche Fassung EN 13670: 2009. [12] DIN ISO 15901-1: 2016-04 Bewertung der Porengrößenverteilung und Porosität von Feststoffen mittels Quecksilberporosimetrie und Gasadsorption - Teil 1: Quecksilberporosimetrie. [13] Sudermann, P.: Untersuchungsmethoden nach W 300-4 und -5 und Interpretation der Ergebnisse, sowie baupraktische Rückschlüsse, TAE Tagungshandbuch, 5. Kolloquium Betonbauwerke in der Trinkwasserspeicherung, Juni 2018.
