eJournals Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis 8/1

Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis
ktw
expert verlag Tübingen
ktw81/ktw81.pdf0922
2025
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Epoxidharzbeschichtungen im Trinkwasserbereich – Perspektiven im aktuellen Kontext

0922
2025
Ludger Boonk
Lösemittelfreie Epoxidharze sind 2-komponentige Kunststoffe, aus denen komplette Systeme für die Beschichtung und Sanierung von mineralischen Untergründen hergestellt werden können, die zu glatten, dichten, inerten und gut zu reinigenden, hermetisch abschließenden Oberflächen führen. Die wesentlichen Auswahlkriterien und Ausführungsanforderungen aus den unterschiedlichen Teilen des W 300 werden mit Bezug auf org. Beschichtungen komprimiert zusammengefasst. Am Beispiel eines Behälterneubaus wird gezeigt, dass unzureichende Untergrundqualitäten, wie sie sich bei realen Bauprojekten ergeben können und die damit verbundenen qualitativen Mängel und zeitlichen Engpässe durch das direkte Einplanen einer organischen Beschichtung verhindert werden können. Der zeitliche Ablauf der Einführung der europäischen Trinkwasserrichtlinie und Nachhaltigkeitsaspekte bilden den Abschluss. Besonders interessant ist die sich eröffnende technische Möglichkeit, dass Recyclingmaterialien zukünftig -zusammen mit einer hermetisch abschließenden Auskleidung- unter Nachhaltigkeitsaspekten auch im Trinkwasserbereich eine Rolle spielen könnten.
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8. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2025 81 Epoxidharzbeschichtungen im Trinkwasserbereich - Perspektiven im aktuellen Kontext Dr. rer. nat. Ludger Boonk Vorrink Bautenschutz GmbH & Co. KG, Gronau Zusammenfassung: Lösemittelfreie Epoxidharze sind 2-komponentige Kunststoffe, aus denen komplette Systeme für die Beschichtung und Sanierung von mineralischen Untergründen hergestellt werden können, die zu glatten, dichten, inerten und gut zu reinigenden, hermetisch abschließenden Oberflächen führen. Die wesentlichen Auswahlkriterien und Ausführungsanforderungen aus den unterschiedlichen Teilen des W 300 werden mit Bezug auf org. Beschichtungen komprimiert zusammengefasst. Am Beispiel eines Behälterneubaus wird gezeigt, dass unzureichende Untergrundqualitäten, wie sie sich bei realen Bauprojekten ergeben können und die damit verbundenen qualitativen Mängel und zeitlichen Engpässe durch das direkte Einplanen einer organischen Beschichtung verhindert werden können. Der zeitliche Ablauf der Einführung der europäischen Trinkwasserrichtlinie und Nachhaltigkeitsaspekte bilden den Abschluss. Besonders interessant ist die sich eröffnende technische Möglichkeit, dass Recyclingmaterialien zukünftig -zusammen mit einer hermetisch abschließenden Auskleidungunter Nachhaltigkeitsaspekten auch im Trinkwasserbereich eine Rolle spielen könnten. Auswahlkriterien für Auskleidungssysteme Die Anforderungen an Materialien für den Kontakt mit Trinkwasser werden im Arbeitsblatt W 300-1[1] (Trinkwasserbehälter; Planung und Bau) und W 300-3 [2] (Trinkwasserbehälter; Instandsetzung und Verbesserung) sowie im W 300-4 [3] (Bauausführung und Qualitätssicherung) aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet. Die im W 300-1 genannten unterschiedlichen Materialien und Materialsysteme sind für den Einsatz im Trinkwasserbereich geeignet, unterscheiden sich aber in ihren Eigenschaften und Anwendungskriterien. In den folgenden Zusammenstellungen sind Aspekte aus den 3 Teilen zusammengefasst. Die Anforderungen unterscheiden sich nicht zwischen Neubauauskleidung und Sanierungsfall. 1. Kriterien für Trinkwasserkontaktmaterialien 1.1 Allgemein Grundsätzlich können Materialien zum Einsatz kommen, die einerseits die Dichtigkeit des Behälters nachhaltig gewährleisten und andererseits eine nachteilige Veränderung des gespeicherten Wassers dauerhaft verhindern. Bei der Beurteilung/ Auswahl geeigneter Materialien sind zeitabhängige Werkstoffveränderungen wie z. B. Auslaugung, Alterung und chemische Beeinflussungen ebenso zu berücksichtigen wie deren Ursachen: wie ständiger Wasseraustausch, Druckschwankungen, Strömung und die chemischen Parameter wie Lösevermögen (Carbonhärte, Calcitlösekapazität), pH-Wert und Oxidationspotential. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist die Lage unterhalb oder oberhalb der Wasserlinie. Die Druckschwankungen sind oberhalb der Wasserlinie geringer, dafür ist das dort anfallende Kondenswasser weicher und je nach Wassersättigung eine Carbonatisierung möglich. Da an Untergründe im Kontakt mit Trinkwasser besondere Anforderungen an die Hygiene und die Hydrolyse Beständigkeit (Vermeidung von Auslaugungen des Betons und damit verbundener Absenkung seiner Alkalität) gestellt werden, sind im DVGW-Arbeitsblatt W 300 eine zusätzliche Expositionsklasse X-TWB sowie im W 300-5 (A) Materialanforderungen an die Auskleidungssysteme definiert. 1.2 Physiologisch und mikrobiologisch unbedenklich Die verwendeten Materialien müssen momentan den Anforderungen der entsprechenden Leitlinien/ BWGL des Umweltbundesamtes in Bezug auf zugelassene Rohstoffe, Migrationsgrenzwerte, mikrobiologische Eignung und den dort festgelegten Prüfverfahren genügen. Für organische Materialien ist das die KTW-BWGL. Das DVGW- Arbeitsblatt W 347 legt Prüfungen und hygienische Anforderungen an zementgebundene Werkstoffe fest. In Zukunft (2027) werden die hygienischen Aspekte europäisch über die DWD (Drinking Water Directive, (EU) 2020/ 2184) geregelt. 2. Materialien 2.1 Materialarten Im W 300 sind, bei entsprechender Prüfung, folgende Materialsysteme als geeignete Trinkwasserkontaktmaterialien aufgeführt. • Zementgebundene Werkstoffe (Matrix wird maßgeblich vom Zement bestimmt) Beton Beton- und Zementmörtel • Typ 1: ohne Betonzusatzmittel und ohne kunststoffhaltige Zusätze • Typ 2: mit Betonzusatzmittel nach DIN EN 934-2 bis max. 5 %/ z (Zementäquivalent) und ohne kunststoffhaltige Zusätze 82 8. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2025 Epoxidharzbeschichtungen im Trinkwasserbereich - Perspektiven im aktuellen Kontext • Typ 3: ggf. mit Betonzusatzmittel nach DIN EN 934-2 und mit kunststoffhaltigen Zusätzen bis insgesamt max. 10 %/ z (Zementäquivalent) • Typ 4: ggf. mit Betonzusatzmittel nach DIN EN 934-2 und mit kunststoffhaltigen Zusätzen bis insgesamt max. 25 %/ z (Zementäquivalent) • Es gibt 4 Materialklassen, die sich durch die Zugabe kunststoffhaltiger Zusätze bezogen auf den Zementanteil unterscheiden. 1 = 0 %; 2 = 1-4 (Matrix wird maßgeblich vom Zement bestimmt, 0-5, 10 und 10-25 % kunststoffhaltige Zusätze auf Zement) Diese Materialien sind funktionell als Beschichtung (A2) oder Betonersatz (A1.1 bis A 1.3) einsetzbar. • Niedriglegierter Stahl (erfordert Schutzmaterialien) • Nicht rostende Stähle (nicht gegen alles beständig, Rohrleitungen, Einbauten, Auskleidungssystem C) Glasfaserverstärkte Kunststoffe (GfK) Tanks, Rohrleitungen, ggf. Auskleidungssystem C • Kunststoffe (z. B. Polyethylen PE, Polypropylen PP (Rohrleitungen, Einbauten, Auskleidungssystem C) • Flüssigkunststoffe, Zweikomponenten Reaktionskunststoffe (Aushärtung maßgeblich durch organische Matrix bestimmt, Korrosionsschutz, Auskleidungssystem B (Beschichtungen)) 2.2 Anforderungen an Auskleidungssysteme Die Auskleidungssysteme werden in 4 Gruppen unterschieden: • Verfahren A1.1, A 1.2 und A1.3 Betonersatz • Verfahren A2, zementgebundene Werkstoffe • Verfahren B, organische Beschichtung • Verfahren C, Dichtungsbahnen, Plattensysteme oder nichtrostender Stahl Anforderungen bautechnisch: • Verbund der Bewehrung • Standsicherheit der Konstruktion • Korrosionsschutz der Bewehrung (Erhalt oder Wiederherstellung) Anforderung trinkwassertechnisch: • Trinkwasserqualität • Beständigkeit der wasserberührten Oberfläche (X- TWB) • Vermeidung von Kontaminationen des Untergrundes oder von Materialien Systemunterscheidung der Auskleidungssysteme: • Mit vollflächigem Verbund (A und B ohne Spalt zwischen Untergrund und Auskleidung) • Ohne vollflächigen Verbund (C verfügen über Spalt zwischen Untergrund und Auskleidung und Tragekonstruktion) 3. Untergrund Kriterien: Sanierungs-/ Verbesserungsbedarf besteht, wenn die Betonrandzone geschädigt ist (Alkalitätsabfall, und/ oder visuelle Auffälligkeiten der Oberfläche) und/ oder die Betondeckung und/ oder der Alkalitätspuffer für die Restnutzungszeit nicht ausreichend ist. Welche der möglichen Auskleidungssysteme unter welchen Bedingungen eingesetzt werden können, ist im W 300-3 geregelt. Dabei werden 3 Untergrundeigenschaften zur Systemauswahl herangezogen. Die Altbetonklasse (Betonfestigkeit), die alkalische Überdeckung und die Mindestbetonüberdeckung. Zusätzlich wird die Qualität der Betonrandzone für Notwendigkeit einer Auskleidung und die Tiefe des erforderlichen Materialabtrags beurteilt. Die Auswirkung korrodierender Bewehrung ist statisch zu beurteilen. Untergrundüberprüfungen sind für die Systemauswahl bereits in der Planungsphase notwendig. Während der Ausführung sollten Kriterien wie Oberflächenzugfestigkeit, Haftzugfestigkeit und verbleibende Betondeckung möglichst früh an gestrahlten, repräsentativen Probestellen und bei Auffälligkeiten bestimmt werden, damit bei Abweichungen von der Planung die Untergrundbehandlung und ggf. das Auskleidungssystem früh entsprechend angepasst werden können. Bei Hohlstellen (vor allem bei mehrlagigen Auf bauten) ggf. mögliche Trocknungseffekte im Verlauf der Zeit berücksichtigen. Generell gilt, dass vor Beginn der Auskleidungsarbeiten zu kontrollieren ist, ob die Voraussetzungen der Systemauswahl noch gegeben sind. Die wesentlichen Randbedingungen sind im Folgenden aufgeführt. 3.1 Festigkeit des Untergrundes Altbetonklasse A1 bis A5 Die Druckfestigkeitsbereiche erstrecken sich über einen Bereich von A1 ≤ 10 MPa bis A5 ≥ 75 MPa, Die dazugehörigen Oberflächenzugfestigkeiten zeigen Werte von ≤ 0,8 (0,5) MPa bis ≥ 2,5 (2) MPa, (-) kleinster Einzelwert). Bei der Festigkeitsklasse A4/ A5 sind alle Systeme in Bezug auf die Untergrundfestigkeit einsetzbar. Bei der Festigkeitsklasse A2/ A3 sind Zusatzbeurteilungen notwendig und bei der Festigkeitsklasse A1 kommt eine bewehrte Innenschale oder Neu-/ Teilneubau in Betracht. Die erforderliche Rauheit des Untergrundes ist abhängig vom gewählten System und liegt zwischen Werten von 0,3 bis > 3 mm. Bei der Beschichtung mit organischen 2 Komp. Reaktionsharzbeschichtungen (System B) ist die niedrigste Rauheit erforderlich, weil die Haftung dieser Systeme materialbedingt sehr gut ist und das Material aufgrund der Porosität des Untergrundes diesen auch geringfügig penetrieren kann. Gemessen werden kann die Rauheit mit dem Sandflächenverfahren DIN EN 1766, dem Lasermessverfahren oder einer Spachtelung mit Verbrauchserfassung. 3.2 Alkalitätsgrenze (Korrosionsschutz der Bewehrung) Wegen des hohen Schutzpotentials gegen z. B. Auslaugung und Carbonatisierung sind die Anforderungen mit 5 mm alkalischer Überdeckung bei organischen Beschichtungen am niedrigsten [Abb. 1] und bei den spaltbildenden Systemen mit Platten- und Folienauskleidungen (Edelstahl, PE, PP) mit 15 mm am höchsten. 8. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2025 83 Epoxidharzbeschichtungen im Trinkwasserbereich - Perspektiven im aktuellen Kontext 3.3 Betonüberdeckung Eine ausreichend dicke Betonüberdeckung mit entsprechender Festigkeit stellt den guten Verbund der Bewehrung mit der Matrix und eine Übertragung der statischen Kräfte sicher. Bei der Beschichtung mit Flüssigkunststoffen sind die Anforderungen mit mind. 10 mm oder dem Bewehrungsdurchmesser am geringsten, da nur die statische Anforderung erfüllt werden muss und durch die diffusionsdichte Auskleidung ein ausreichender Schutz besteht, der eine Verschlechterung der Verhältnisse verhindert. Weil die Flächen bei vorgehängten Systemen der Auskleidungen nach System C nicht kontrolliert werden können, sind für diese Systeme die Anforderungen mit 30 mm am höchsten. Dazwischen liegen die zementgebundenen Auskleidungssysteme die bei entsprechendem technischem Nachweis auch als Betonersatz bei statisch relevanten Mängeln eingesetzt werden können. Die Betondeckung kann großflächig und zerstörungsfrei auf Grundlage von Magnet-Induktionsverfahren ausgeführt und ggf. eine Kartierung durchgeführt oder lokal zerstörend durch Freilegen der Bewehrung ermittelt werden. Tab. 1: Auswahlkriterien der Auskleidungssysteme Ein Auskleidungssystem ist anwendbar, wenn in jeder Zeilengruppe (Altbetonklasse, alkalische Überdeckung, Mindestbetondeckung) das System bei den vorgegebenen Kriterien möglich ist oder die Kriterien im Zuge der Auskleidung mindestens erreicht werden. (Beispiel: rote Einfärbung vorgefundene Kriterien, grüne Einfärbung mögliche Systeme pro Kriterium) 3.4 Zustand Betonrandzone • Auslaugung (Carbonatisierungstiefe, Auslaugungstiefe) Eine tiefreichende Carbonatisierung im Unterwasserbereich ist bei ständiger Beaufschlagung mit Wasser nicht zu erwarten. Eine Carbonatisierung allein ist kein qualitätsminderndes Kriterium, da sie die Festigkeit der Betonrandzone eher erhöht als erniedrigt, es sei denn, sie minimiert den Bereich der alkalischen Überdeckung oberhalb der Bewehrung zu stark. • Ausblühungen, Aussinterungen, Absandungen, Staub: Minderfeste Bestandteile des Untergrundes müssen entfernt werden, da sie sich haftungsmindernd auswirken. • Feuchtigkeit (Untergrundfeuchtigkeit): Es ist zu unterscheiden zw. Feuchtigkeit aufgrund von Untergrundfehlern oder technischen Mängeln wie Rissen, Hohlräumen und einer allgemeinen Untergrundfeuchte aufgrund des Trocknungszustandes. Mineralische Systeme erfordern feuchte und organische Beschichtungssysteme i. d. R. trockene Untergründe. • Bewuchs (oberflächlicher Bewuchs, Durchwachsungen): Die Ursache für Bewuchs muss geklärt und entweder durch das Auskleidungssystem oder in separaten Arbeitsschritten beseitigt werden. • Verunreinigungen: Verunreinigungen durch Fremdstoffe (Öl, Fett, Trennmittel, Gummiabrieb, Nachbehandlungsmittel, Altbeschichtungen) müssen entfernt werden. • Risse (Breite, Erscheinungsform, dynamisch/ statisch): Die Rissursachen müssen geklärt und die Risse abhängig vom gewünschten Füllziel fachgerecht verschlossen werden. • Treiben/ Salze im Untergrund: Bei entsprechenden Verdachtsmomenten sind fachkundig Untersuchungen auf ihre Auswirkungen durchzuführen und Maßnahmen festzulegen. • Hohlstellen: Hohlstellen müssen z.B. durch Abklopfen erkannt und registriert werden. Je nach Lage und Ursache müssen sie verfüllt bzw. entfernt und ggf. reprofiliert werden. Sie können sich bei mehrlagigen Systemen im Verlauf des Trocknens bilden oder vergrößern. • Saugfähigkeit des Untergrundes: Über Einsprühen mit Wasser kann die Saugfähigkeit des Untergrundes überprüft werden. Abperlendes Wasser kann einen Hinweis auf silanisierten Unter- 84 8. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2025 Epoxidharzbeschichtungen im Trinkwasserbereich - Perspektiven im aktuellen Kontext grund sein, auf dem die Haftung der Vollverbundsysteme ein Problem sein kann. 3.5 Korrodierende Bewehrung Im Falle zu niedriger alkalischer Überdeckung kommt es zu Bewehrungskorrosion. Liegt korrodierende Bewehrung vor, so sind die Ursachen und die statische Relevanz zu klären. Bei lokalen, statisch nicht relevanten Korrosionsschäden können diese auch mit geeigneten Komponenten der Auskleidungssysteme repariert werden. Bei statischer Relevanz kommen für die Reparatur in der Regel zementgebundene Materiale zum Einsatz. Ein entsprechender Eignungsnachweis des einzusetzenden Materials für die statische Eignung ist erforderlich. Abb. 1: Anforderung an die Alkalitätsgrenze und die Mindestbetondeckung für organische Beschichtungen 4. Funktionsprinzip organischer Beschichtungen Abb. 2: Hermetischer Abschluss des mineralischen Untergrundes Das Funktionsprinzip organischer Beschichtungen ist der hermetische Abschluss des Untergrundes, der jegliche Wechselwirkung zwischen Wasser und Untergrund unterbindet [Abb. 2]. Das schützt sowohl den Untergrund vor negativen Einwirkungen des Wassers als auch umgekehrt das Wasser vor Einflüssen aus dem Untergrund. Sind schädliche Stoffe im/ auf dem Untergrund mit vertretbarem Aufwand nicht restlos zu entfernen, stellen organische Beschichtungen aufgrund ihrer hohen Diffusionsdichte gegenüber vielen Stoffen eine Möglichkeit dar, diese Bestandteile sicher vom Trinkwasser fernzuhalten. Ggf. kann die Migration mit Hilfe von Modellierungsrechnungen abgeschätzt werden. Bei einer realen Fragestellung wurden die Diffusionskoeffizienten von PCB durch Dotierung der Beschichtung mit PCB gemessen und die entsprechenden Migrationen mit den erhaltenen Daten und unrealistisch negativen Worst Case Szenarien über einen langen Zeitraum berechnet. Im Ergebnis zeigte sich, dass nach etwa 30-40 Jahren eine nicht messbare Belastung des Trinkwassers in der Größenordnung von 0,03 pg/ m³ zu erwarten war [Abb. 3], die nach einem Maximum wieder abnahm. Abb. 3: Berechnete PCB Konzentrationen im Trinkwasser nach Migration durch eine 2K-Epoxidharzbeschichtung mit der Zeit. Die ermittelte Größenordnung der Migration ist für die Praxis nicht relevant. 8. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2025 85 Epoxidharzbeschichtungen im Trinkwasserbereich - Perspektiven im aktuellen Kontext 5. Praktische Ausführung 5.1 Praxishinweise: Bei der Verarbeitung von Epoxidharzsystemen sind die vom Hersteller angegebenen Kriterien wie maximale Untergrundfeuchte, Mindestaushärtetemperaturen, Überarbeitungszeitfenster und dazugehörige Klimabedingungen einzuhalten. Sowohl eine zu weit ausgehärtete Oberfläche als auch Nebenreaktionen an der Oberfläche wie die Carbamatbildung können zu Problemen mit der Zwischenlagenhaftung führen. Bei Überschreitung der Überarbeitungszeitfenster müssen angepasste Maßnahmen zur Sicherstellung der Haftung der Folgeschicht ergriffen werden. Das können z. B. Einstreuen der noch frischen Schicht mit Granulaten oder das erneute Aufrauen sein. Eine weitere Folge der reaktiven Eigenschaften der Epoxidharze ist die Notwendigkeit, bei Überschreitung der Überarbeitungszeitfenster, in sauber abgegrenzten Arbeitsabschnitten zu arbeiten, um Zwischenhaftungsprobleme in Überlappungsbereichen zu verhindern. 5.2 Systemaufbau Um diesen hermetischen Abschluss des Untergrundes zu gewährleisten, müssen vor dem Auf bringen der Deckbeschichtung Betonausbrüche und Schalungsversätze egalisiert und die vorhandenen Poren verschlossen werden. Am Beispiel eines Betonausbruchs aufgrund korrodierender Bewehrung kann der Gesamtauf bau illustriert werden. 1. Korrosionsschutz der Bewehrung. 2. Primerung der Ausbruchstellen 3. Reprofilieren 4. Egalisieren des Untergrundes 5. Flächiger Porenverschluss 6. Deckbeschichtung 5.3 Mögliche Ausführungsvarianten Es ergeben sich drei technisch machbare Varianten: 1. Aufbau bis zur organischen Beschichtung mit mineralischen Systemen 2. Gesamtaufbau mit organischen Systemen 3. Schließen und Egalisieren grober Oberflächenstrukturen mit zementgebundenen Materialien, auf denen mit organischen Materialien weitergearbeitet wird. Die Untergrundvorbereitungen sind in allen Varianten vergleichbar. Lediglich die geforderte Rauheit ist bei Epoxidharzsystemen niedriger. In der Regel werden Arbeiten aufgrund technischer Vorteile durchgängig mit organischen Systemkomponenten durchgeführt [Abb.-4]. Bei großen Untergrundrauigkeiten, bei Verguss von z.-B. Rohrdurchführungen oder auch bei statischer Notwendigkeit werden auch mineralische Materialien zur Vorbereitung des Untergrundes eingesetzt. Bei Vorarbeiten mit mineralischen Systemen muss man berücksichtigen, dass die Systemanforderungen beider Materialklassen unterschiedlich sind und sich daraus Folgen für den Arbeitsablauf ergeben. Während man für mineralische Materialien feuchte Bedingungen und entsprechende Nachbehandlungszeiten benötigt, werden für organische Beschichtungen in der Regel trockene Bedingungen (Restfeuchte <-4-%) gefordert. Auch bei den Überarbeitungszeiträumen ergeben sich aufgrund der Materialeigenschaften (dünne Schichten, kaum Spannungen) Vorteile bei durchgängig organischen Materialauf bauten. So können bis zu 3 Arbeitsgänge pro Tag durchgeführt werden. Nachbehandlungen sind nicht erforderlich und entsprechende Wartezeiten, die sich bei der Vorbereitung des Untergrundes mit mineralischen Systemen ergeben, entfallen. Lediglich die materialspezifischen Klimabedingungen, und nach dem Auftrag der Deckbeschichtungdie Mindestaushärtetemperatur und Mindestaushärtezeit müssen eingehalten werden. Abb. 4: Systemauf bau mit organischen Materialien vom Primern der Bewehrung bis zur Deckbeschichtung Für das Auftragen der organischen Deckbeschichtung sind je nach Materialeigenschaften verschiedene Verfahren möglich [Tab. 2]. 86 8. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2025 Epoxidharzbeschichtungen im Trinkwasserbereich - Perspektiven im aktuellen Kontext Tab. 2: Auftragsmöglichkeiten der organischen Deckbeschichtung Auftragsmöglichkeiten organsicher Deckbeschichtungen Methode Besonderheiten Eigenschaften Streichen Für höhere Schichtdicken i. d. R mehrfacher Auftrag notwendig. Möglichkeit von Haftungsproblemen zwischen den Schichten. Genaue Kontrolle der Klima- und Überarbeitungszeiten notwendig. Rollbzw. Streichstrukturen in der Oberfläche Spachteln Pro Arbeitsgang hohe systemabhängige Schichtdicken möglich. Oberfläche zeigt in der Regel Spachtelgrate Oberfläche i. d. R. matter aufgrund höheren Stellmittelgehaltes Konventionell Airlessspritzen In einem Spritzgang mittlere Schichtdicken möglich. I. d. R. Wärmetauscher notwendig Gute optische Oberflächeneigenschaften Schichtdicken höher als beim einmaligen Streichen und niedriger als im HS-Verfahren I. d. R. werden einzelne Chargen manuell gemischt und dann einzeln verarbeitet. Bei mehr als einem Spritzgang zur Erzielung höherer Schichtdicken sind Klimabedingungen, die damit korrespondierenden Überarbeitungszeitfenster und ggf. Untergrundvorbereitungsmaßnahmen zu beachten. Heißspritzen (HS-Verfahren) In einem Arbeitsgang hohe systemabhängige Schichtdicken möglich. Gute optische Eigenschaften, kontinuierliches maschinelles Mischen. Gleichbleibende Materialeigenschaften an der Spritzdüse, da kontinuierliches Mischen und direkte Spritzverarbeitung ohne Zeitabhängigkeit einer Chargenmischung. 5.4 Reinigung und Desinfektion: Nachdem die Auskleidung ausgehärtet ist, sind die Empfehlungen des Materialherstellers für eine erste Reinigung vor Inbetriebnahme zu beachten. Sie dienen dazu evtl. entstandene Nebenprodukte (z. B. Carbamante) von der Oberfläche zu entfernen, bevor der Behälter in Betrieb geht. Die folgenden Reinigungen erfordern i.d.R. keine besonderen Maßnahmen und orientieren sich an den Notwendigkeiten für die Entfernung der entstehenden Beläge und der nachfolgenden Desinfektion. 6. Materialanschlüsse, Rissverpressung und Fugenausbildung 6.1 Anarbeiten an Fremdmaterialien/ Durchdringungen Epoxidharze haben i. d. R eine gute Haftung auf unterschiedlichen Materialien. Eine Ausnahme bilden PE/ PP Materialien. Hier können Übergangslösungen konstruiert werden. Bei anderen Materialien wie Stahl, Edelstahl, PVC und andere muss der Untergrund den üblichen Sauberkeitskriterien entsprechen und angeraut sein. Für z. B. rechte Winkel sowohl bei Materialübergängen als auch im gleichen Material haben sich Hohlkehlen für einen gleichmäßigen, porenfreien Materialauftrag bewährt [Abb. 5/ 6]. Abb. 5: Anarbeitungen an PVC & Edelstahl Abb. 6: Anarbeitung an Edelstahlrohrdurchführung 8. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2025 87 Epoxidharzbeschichtungen im Trinkwasserbereich - Perspektiven im aktuellen Kontext 6.2 Rissverpressung Ziele und praktische Aspekte: Füllziele für das Füllen von Rissen oder Hohlräumen. Die grundsätzlichen Anforderungen an die Füllziele sind der TR-Instandhaltung zu entnehmen. Folgende Ziele können bei der Rissbehandlung verfolgt werden: • Füllziel 1: Schließen (Begrenzen der Rissbreite durch Füllen) Hemmen oder Verhindern des Zutritts von korrosionsfördernden (beton- und stahlangreifenden) Stoffen in Betonbauteilen durch Risse. • Füllziel 2: Abdichten Beseitigen von riss- und hohlraumbedingten Undichtheiten eines Betonbauteils durch Füllen mit Rissfüllstoffen. • Füllziel 3: Kraftschlüssiges Verbinden Füllen von Rissen und Hohlräumen zum Herstellen einer druck-, schub- und zugfesten Verbindung der Rissbzw. Betonflanken mit Festigkeitseigenschaften, die von der Art des Füllgutes und des Füllverfahrens abhängen. Für Bauteile mit wiederkehrender Rissursache ist dieses Füllziel ungeeignet. Der Einfluss von potenziellen Verschmutzungen im Riss ist zu berücksichtigen. Bei Rissen ist eine zug- und druckfeste Verbindung der Flanken herzustellen. Dazu ist der Füllgrad in den Rissen ≥ 80 % maßgebend. ANMERKUNG: Beim kraftschlüssigen Verbinden ist aufgrund der statischen Relevanz eine Abstimmung zwischen Fachplaner und einem Tragwerksplaner notwendig. • Füllziel 4: Begrenzt dehnbares Verbinden Füllen von Rissen und Hohlräumen zum Herstellen einer begrenzt dehnbaren Verbindung der Rissbzw. Betonflanken mit füllstoffspezifischen Festigkeitseigenschaften. Für Bauteile mit wiederkehrender Rissursache geeignet. Die Problematik bei der Rissverfüllung besteht darin, dass der Füllkanal den Riss kreuzen muss, ohne ihn z.-B. durch den Packer zu verschließen. Dabei ist der Rissverlauf im Inneren von der Oberfläche nicht sicher vorherzusagen. Die Qualität der Rissflanken in Bezug auf ihre Eignung als Haftgrund für die Verpressmaterialien kann nur lokal durch entsprechende Kernbohrungen stichprobenweise kontrolliert werden. Ist der Riss nur einseitig verdämmbar, kann auf der anderen Seite das Material austreten. Als Verpressmaterial sollte möglichst trinkwassergeeignetes Material verwendet werden. Ist das nicht möglich, müssen die Auswirkungen (z. B. Kontamination der Oberfläche) beurteilt und entsprechende Maßnahmen ergriffen werden, sodass das Trinkwasser nicht negativ beeinflusst werden kann. Bei der Verdämmung im Trinkwasserbereich sind 2 Fälle zu unterscheiden. Bei Verdämmung mit nicht trinkwassergeeignetem Material muss dieses entweder nach der Verpressung wieder entfernt werden oder mit geeignetem Material in ausreichender Stärke überarbeitet werden. Werden trinkwassergeeignete z. B. trinkwasserzugelassene Materialen verwendet, sollte der Beton zuvor entsprechend der aufzubringenden Schichtdicke der Verdämmung abgetragen werden, damit ein bündiges Anarbeiten an den Bestand gewährleistet wird. Bei einer trinkwassergeeigneten, organischen Beschichtung kann die Verdämmung aufgrund der niedrigen Schichtdicke ggf. als integraler Bestandteil des Gesamtsystems gelten. Sollte Verpressmaterial an der Oberfläche oder an den angrenzenden Bauteilen austreten, [Abb. 7] sind diese Bereiche gesondert zu betrachten, damit keine hygienischen Risiken entstehen. Die Packer sind entweder auszubauen oder so tief zu setzen, dass sie nach der Rissbehandlung im Bauteil verbleiben und überarbeitet werden können. Die Ausbaustellen sind mit einem trinkwasserzugelassenen Material nach Härtung des Füllguts zu schließen [Abb. 8]. Abb. 7: Kontamination Oberfläche nach Rissverpressung [4] Abb. 8: Mit Trinkwassermaterial verschlossene Packer Bohrungen [4] 6.3 Fugenausbildung: Fugen sind in der Regel Schwachstellen im Gefüge und sind aufgrund der niedrigeren Vernetzungsdichte elastischer Materialein u. U. anfälliger für Verkeimungen u.-a. Effekte. Daher sollte man die Notwendigkeit von Fugen auf ein Minimum beschränken. Fugen dienen dazu, sich gegeneinander bewegende Bauteile elastisch miteinander zu verbinden und abzudichten. Dabei müssen die freie Breite der Fuge und die permanente dynamische Dehnbarkeit des elastischen Materials die entstehenden Bewegungen der Bauteile aufnehmen können. Die Fugenflanken sind bei einer klassischen Fugenausführung die Haftflächen für das Fugenmaterial, müssen dicht sein 88 8. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2025 Epoxidharzbeschichtungen im Trinkwasserbereich - Perspektiven im aktuellen Kontext und entsprechende Beständigkeiten gegenüber chemischen Komponenten des aushärtenden Materials (z. B. Essigsäure bei acetatvernetzenden Silikonen) aufweisen, oder entsprechend mit trinkwasser- und unterwassergeeignetem Primer abgeschlossen werden. Auf der wasserzugewandten Seite von Trinkwasserbehältern haben sich drei Fugenausführungen etabliert. Die klassische Fuge bestehend aus Hinterfüllmaterial und Fugenmasse mit den Fugenflanken als Haftzone für das Fugenmaterial. Bei der Verwendung von einkomponentigen Fugenmassen muss die Reaktionsmöglichkeit des Materials z. B. mit Feuchtigkeit zur Aushärtung bei der Dimensionierung und Aushärtezeit der Fuge berücksichtigt werden. Fugenbänder werden beidseits des Risses auf der Oberfläche mit dem Untergrund verklebt und sind über die Breite des nicht verklebten Bereiches variabel im Dehnbereich. Werden Fugenbänder komplett mit starren Materialien überarbeitet, bilden sich im starren Material Risse im Dehnbereich, wenn sich die Bauteile gegeneinander bewegen. Des Weiteren kann man beide Ausführungen z. B. mit Silikon und Silikonfugenband kombinieren. Dabei hat es sich in der Praxis bewährt, das Fugenband vollflächig und damit spaltfrei zu verkleben. Bei der Möglichkeit die klassische Fugenausführung mit einem Fugenband zu kombinieren, findet die Abdichtung redundant sowohl auf der Fläche als auch an den Haftflanken statt. Sie hat darüber hinaus den Vorteil, dass die größte Fläche des Fugenauf baus mit einem Material abgedeckt ist, dass maschinell vorgefertigt ist und durch entsprechende Produktionsschritte im Vergleich zum Kartuschenmaterial z. B. durch Erhitzen im Monomer-Anteil reduziert ist, was sich in kritischen Fällen positiv auf die hygienischen Aspekte auswirken kann. 6.4 Decken Aufgrund der Tauwasserbildung und der Luftzirkulation zählen Decken im Trinkwasserbereich indirekt zu den trinkwasserberührten Oberflächen. Die Ausführung von langen Tropfen bzw. Stalaktiten hat sich in der Praxis nicht bewährt. Für die Ausbildung der Stalaktiten ist in der Regel ein hoher Wasserzementwert erforderlich. Das Material erstarrt während des Abtropfens zu der Tropfenstruktur. Häufig entstehen -wie bei realen Stalaktitenan der Spitze Hohlräume. Die Tropfen sind minderfest und nur bedingt zu reinigen [2]. Mit zementgebundenen Materialien lassen sich spritzraue und geglättete Oberflächen erstellen. Die Erstellung geglätteter Flächen erfordert ein hohes Maß an praktischer Erfahrung. Glatte Deckenflächen sind mit organischen Beschichtungssystemen aufgrund des niedrigen Gewichtes und der hohen Adhäsion im Verarbeitungszustand gut zu realisieren. 7. Neubau/ Instandsetzung und Verbesserung Für Betone liegen positive Erfahrungen in der Wasserspeicherung vor. Trotzdem kann es unter dem Aspekt einer höheren Oberflächenqualität, die mit einer höheren Reinigungsfähigkeit einhergeht oder aufgrund der Wasserqualitäten/ Betriebsweisen sinnvoll sein die Betonflächen mit einer Auskleidung zu versehen, um a priori die Dauerhaftigkeit und damit die Nutzungsdauer zu erhöhen, was neben den qualitativen Aspekten auch wirtschaftlich interessant sein kann. Die erforderlichen Fähigkeiten und der Aufwand, um eine möglichst glatte, poren- und rückstandsfreie Betonoberfläche in Trinkwasserqualität zu erstellen ist erheblich. Die Anforderungen an den X-TWB Beton (Wasserzementwert, nicht alle Hilfsstoffe können eingesetzt werden) führen dazu, dass die Verarbeitung Erfahrungen mit diesen Materialien erfordert. In den letzten Jahren kommen aus dem Markt Signale, dass die Verfügbarkeit von Firmen mit entsprechender Qualifikation und den dazugehörigen Fachkräften schwierig sein kann. Um sicherzustellen welche Oberflächenqualität akzeptiert wird (möglichst glatt und porenfrei) hat es sich bewährt, vor Beginn der Betonierarbeiten eine Probefläche zu erstellen. Dazu kommen die hygienischen Anforderungen während der gesamten Bauzeit, um eine Kontamination der i. d. R. saugfähigen Oberflächen sicher zu vermeiden. Beim Einsatz diffusionsdichter Beschichtungen -mit dem vorausgehenden Strahlen der Oberflächenwirken sich hygienische Beeinträchtigungen der mineralischen Oberfläche nicht unmittelbar auf die spätere Trinkwasserkontaktfläche aus, da diese nicht mehr von der Betonoberfläche gebildet wird, sondern von einem dichten trinkwassergeeigneten System abgedeckt ist. Entscheidet man sich im Voraus für eine Beschichtung ist man deutlich unabhängiger von Betonier- und Baustelleneffekten und deren mögliche Auswirkung auf den zeitlichen Ablauf. Abb. 9: Neu betonierte porige Wandfläche mit Schalungsversätzen, Betonieransätzen und Spindellochvertiefungen vor dem Strahlen. Sollte man sich, aus der Erfordernis heraus, dass die Betonierergebnisse nicht optimal sind (Abb. 9/ 10) oder geplant für eine Oberflächenvergütung entscheiden, sind die Randbedingungen für die Auswahl der Systeme im W 300-3 und die Anforderungen an die Ausführung im W 300-4 beschrieben. Im Neubaubereich sollten die Festigkeit des Betons, die alkalische Überdeckung und die Mindestbetonüberdeckung der Bewehrung i. d. R. unkritisch sein, sodass alle Systeme für eine Verbesserung der Oberfläche in Betracht kommen sollten. Allerdings kann es durchaus in der Oberfläche zu Mängeln kommen, wie 8. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2025 89 Epoxidharzbeschichtungen im Trinkwasserbereich - Perspektiven im aktuellen Kontext Poren, Risse und Schalungsversätze [Abb. 9/ 10]. Diese Mängel können beim Einsatz organischer Beschichtungssysteme behoben werden [Abb. 11/ 12]. Im Sanierungsfall können die Untergrundvoraussetzungen entsprechend schlechter sein, sodass die Auswahl der Systeme und der benötigte Aufwand stärker vom Zustand des Untergrundes bestimmt wird. Am Ende steht in beiden Fällen als Ergebnis eine homogene, farblich ansprechende, dichte und glatte Beschichtung [Abb. 13]. Abb. 10: Poren- und Rissbildung in der Oberfläche nach dem Anstrahlen. Abb. 11: Vorgepachtelte Wandfläche im Behälterneubau Abb. 12: Auftragen der Deckbeschichtung im HS- Verfahren auf eine egalisierten, porenfrei gespachtelten Untergrund. Abb. 13: Im HS-Verfahren fertig gestellte Wand-, Decken- und Stützenflächen. Die Bodenflächen wurden mit selbstverlaufendem Material ausgeführt. 8. Prüfungen Im W 300-4 wird es im Anhang eine Tabelle geben, in der die zu Prüfenden Parameter systemabhängig aufgeführt sind. Übersichtsweise sind hier die wesentlichen Aspekte in Bezug auf organische Beschichtungen aufgeführt. • Untergrundkontrolle und Systemkompatibilität Vor dem Auf bringen der Systeme und nach Abschluss der Untergrundvorbereitung muss kontrolliert werden, ob die bei der Systemauswahl im Planungsstadium zu Grunde gelegten Annahmen nach der Untergrundvorbereitung noch stimmen. Ist das nicht der Fall, muss anhand der Auswahlkriterien überprüft 90 8. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2025 Epoxidharzbeschichtungen im Trinkwasserbereich - Perspektiven im aktuellen Kontext werden, ob das vorgesehene System tatsächlich angewendet werden kann oder ob Modifizierungen notwendig sind. • Materialidentifikation Vor Beginn der Arbeiten muss sichergestellt sein, ob es sich um das vorgesehene, trinkwassergeeignete Material handelt. Im Anhang zum W 300-4 befindet sich eine Checkliste, in der die für Epoxidharze wesentlichen Parameter abgefragt werden. • Klimabedingungen und Arbeitsplanung Die vom Hersteller genannten Klima und Zeitbedingungen sind einzuhalten und eine entsprechende Arbeitsabschnittsplanung und die Planung der Vorgehensweise sind darauf anzupassen. Dazu gehört ggf. auch eine Lüftungsplanung, die Planung des Einsatzes von Trocknern, der Lagerhaltung und des Anrührplatzes in Übereinstimmung mit dem Hygienekonzept. Insbesondere ist der Ablauf und ggf. die Einteilung in Arbeitsabschnitte und deren Abgrenzung beim Auf bringen der Deckbeschichtung im Spritzverfahren zu planen. Zur Qualitätskontrolle sollten die Klimabedingungen, die verarbeiteten Materialien zusammen mit den unter diesen Bedingungen ausgeführten Flächen dokumentiert werden. Dazu eignen sich beispielsweise entsprechend ausgestaltete Bautagebücher. • Kontrolle der fertiggestellten Flächen Schichtdicken lassen sich auf metallischen Untergründen sehr genau im Nachhinein messen. Auf mineralischen Untergründen greift man auf eine Verbrauchsmassenbetrachtung, Nassschichtdickenmessungen beim Spritzen und visuelle Beurteilungen der erzeugten Oberflächen zurück. Im Zweifel können zerstörende, oberflächliche Kernbohrungen mit kleinem Durchmesser Aufschluss über den Systemauf bau und Schichtdicken liefern. Der Film muss geschlossen sein und sollte keine Läufer oder Poren enthalten. Ist der Film flächig nicht geschlossen, ist das Schutzsystem der diffusionsdichten Auskleidung durchbrochen. Diese Flächen müssen erneut aufgeraut und überarbeitet werden. Einzelne Poren können aufgerieben und verschlossen werden. Einzelne Poren auf mineralischen Untergründen stellen in der Regel kein technisches Problem dar, da sie nur einen verschwindend kleinen Anteil an der Oberfläche haben und keine direkte negative Beeinflussung des Untergrundes vorauszusetzen ist. Es ist auch möglich eine Porenprüfung mit Hochspannung auf Beton durchzuführen. Aufgrund der niedrigen Leitfähigkeit von Beton und der Abhängigkeit vom durchgängigen Bewehrungsverlauf ist diese Methode nicht üblich. Bei Läufern handelt es sich meistens um optische Beeinträchtigungen. Hier muss zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer eine Einigung erzielt werden, wie damit umzugehen ist. • Aushärtung und Inbetriebnahme Die Aushärtung der Epoxidharzbeschichtungen muss oberhalb der systemspezifischen Mindestaushärtetemperatur und der damit verbundenen Aushärtezeit erfolgen. Im groben gilt die RGT-Regel (Reaktionsgeschwindigkeit-Temperatur-Regel/ van‘t-Hoff-Regel). Diese Regel besagt, dass man bei einer Temperaturerhöhung von 10 °C mit einer Beschleunigung der Reaktion (Aushärtung) um einen Faktor 2-4 rechnen kann. Das ermöglicht, wenn man die Temperatur eines Objektes entsprechend erhöhen kann, eine kürzere Zeit bis zur Inbetriebnahme und lässt sich insbesondere bei lokal begrenzten Reparaturarbeiten nutzen. Die Auswirkungen einer Temperaturerhöhung außerhalb des gewöhnlichen Rahmens müssen mit dem Materialhersteller geklärt werden. 9. DWD (Europäische Trinkwasserrichtlinie): Bislang legt das Umweltbundesamt (UBA) auf Grundlage des § 15 der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) Anforderungen an Materialien und Werkstoffe im Kontakt mit Trinkwasser fest. Dazu sind drei rechtsverbindliche, materialspezifische Bewertungsgrundlagen festgelegt worden. Die Metall-BWGL die Email/ Keramik-BWGL und die KTW-BWGL. Für zementgebundene Werkstoffe im Kontakt mit Trinkwasser wird das UBA nicht im Vorgriff auf eine europäische Regelung eine nationale Bewertungsgrundlage für zementgebundene Werkstoffe im Kontakt mit Trinkwasser festlegen. Bis dahin können zementgebundene Werkstoffe nach dem DVGW-Arbeitsblatt W 347 geprüft und bewertet werden. Daneben gibt es verschiedene UBA- Leitlinien, mit empfehlendem Charakter, die zur Beurteilung der hygienischen Eignung von Materialien im Kontakt mit Trinkwasser herangezogen werden können. Die Bewertungsgrundlagen werden ab dem 31.12.2026 durch die europäische Richtlinie (EU) 2020/ 2184 (DWD) abgelöst, in der allgemeine Mindesthygieneanforderungen konkretisiert werden. [5] In verschiedenen Rechtsakten werden die Methoden und Anforderungen zur Bewertung von Ausgangstoffen, Zusammensetzungen und Bestandteilen für die Aufnahme in die entsprechenden Positivlisten, die Verfahren zur Bewertung von Ausgangsstoffen, Zusammensetzungen und Bestandteilen durch die ECHA und die Prüfung von Anforderungen an die endgültigen Materialien (Prüfung von Produkten und Bauteilen) geregelt. Ausgangsstoffe, Zusammensetzungen und Bestandteile, die im Zeitraum 13. Juli 2021 bis zum 31. Dezember 2026 national genehmigt wurden, können bis zum 31. Dezember 2032 zur Herstellung von Produkten im Kontakt mit Trinkwasser im nationalen Geltungsbereich verwendet werden. 10. Nachhaltigkeitsaspekte • Schutzniveau, Qualitätssteigerung und Erhalt bestehender Anlagen: Epoxidharzmaterialien weisen eine hohe Beständigkeit gegenüber auslaugenden Wässern und auch gegenüber mechanischen Belastungen wie fließendes Wasser auf und sind damit in der Lage relevante Qualitätsverluste langfristig zu verhindern. Die hohe Diffusionsdichte schützt den mineralischen Untergrund und die Bewehrung sicher vor allen Einflüssen, die 8. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2025 91 Epoxidharzbeschichtungen im Trinkwasserbereich - Perspektiven im aktuellen Kontext wasserseitig auf die Oberfläche einwirken und erhöht damit die Restnutzungsdauer vor allem bei ungünstigen Betriebsbedingungen außerordentlich. Zudem lassen sich die sehr glatten und nicht porösen oder saugfähigen Oberflächen effizienter und nachhaltiger reinigen als rein mineralische Oberflächen. • Massenbetrachtung (System und Untergrund): Die erforderliche alkalische Überdeckung (5 mm) und die Mindestbetonüberdeckung (10 mm/ Durchmesser Bewehr) sind niedrig. Das kann sich bei Sanierungen positiv bemerkbar machen, weil dann nicht zusätzliche Putzschichten aufgetragen werden müssen, um die Mindestwerte zu erreichen. Insbesondere bei niedrig dimensionierten Decken kann eine zusätzliche Gewichtsbelastung kritisch sein. Die Schutzwirkung bei Epoxidharzsystemen wird mit sehr niedrigen Flächengewichten erreicht. Ausgehend von 15 mm mineralischen Mörtel kommt man auf ein Flächengewicht von ca. 30 kg. Kleidet man die Flächen mit einem Epoxidharzsystem aus kommt man auf ca. 2-3 kg. • Möglichkeiten der Verwendung von Recyclingbaustoffen in der Zukunft: Die hohe Diffusionsdichte der organischen Beschichtungsmaterialien kann zusätzlich durch den Einsatz funktioneller Füllstoffe, wie z. B. Glasflakes erhöht werden. Momentan ist es so, dass die eingesetzten Baumaterialien trinkwassergeeignet sein müssen. Im Zuge von Nachhaltigkeitsbetrachtungen kann man die Überlegung anstellen, ob es in Zukunft nicht möglich sein sollte, auch im Trinkwasserbereich auf recycelte Zuschlagstoffe für Beton zurückzugreifen. Dabei sind technische und hygienische Anforderungen zu berücksichtigen. Welche Typen recycelter Gesteinskörnung und in welchen Anteilen eingesetzt werden könnten, muss nach technischen Gesichtspunkten beurteilt werden. Der hermetische Abschluss des Untergrundes durch organische Beschichtungen eröffnet theoretisch in hygienischer Sicht diese Möglichkeit, ohne das Trinkwasser zu gefährden. Insbesondere wenn der gesamte Auf bau auf der Basis organischer Systemkomponenten, die ggf. in Bezug auf Diffusionseigenschaften optimiert werden könnten, erfolgt. Literaturverzeichnis: [1] DVGW-Arbeitsblatt W 300-1, Trinkwasserbehälter; Planung und Bau [2] DVGW-Arbeitsblatt W 300-3, Trinkwasserbehälter; Betrieb und Instandsetzung [3] DVGW-Arbeitsblatt W 300-4, Trinkwasserbehälter; Bauausführung und Qualitätssicherung [4] DVGW W 316, Kompaktkurs Modul A3, A4 & A5 [5] UBA-Information: Hygienische Anforderungen an Materialien und Werkstoffe im Kontakt mit Trinkwasser-Neue europäische Regelung nach (EU) 2020/ 2184