lendemains
0170-3803
2941-0843
Narr Verlag Tübingen
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2014
39154-155
Ein Standardwerk transnationaler Beziehungs- und Vergleichsforschung Jetzt komplett - Bestellen Sie zum Vorzugspreis Hans Manfred Bock Deutsch-französische Gesellschafts- und Kulturbeziehungen der Zwischenkriegszeit (1919-1939) 3 Bände zusammen 1.478 Seiten, €[D] 150,00 ISBN 978-3-8233-6933-2 Erkenntnisobjekt der vorliegenden drei Bände sind die Motive, Formen und Praktiken transnationaler Austausch- und Begegnungsvorgänge zwischen Deutschen und Franzosen in Politik, Gesellschaft, Kultur und Wirtschaft während der beiden extrem krisendurchwirkten Zwischenkriegsjahrzehnte. Diese sind bislang vielfach Gegenstand einzelner (vor allem literatur- und diplomatiegeschichtlicher) Fallstudien gewesen, aber niemals in ihrer Wechselwirkung und Gesamterscheinung dargestellt worden. Dieser Aufgabe stellt sich die dreibändige Monographie, indem sie die anerkannten Mittlerpersönlichkeiten dieser Periode (Bd. 1), die im Entstehen begriffenen außenkulturpolitischen Institutionen (Bd. 2) und die zivilgesellschaftlichen Organisationen bzw. Netzwerke (Bd. 3) erstmals vorstellt und analysiert. Diese Akteure bildeten zusammengenommen die strukturelle Grundlage der Austausch- und Begegnungsprozesse zwischen beiden Nationen. Diese Grundlage war in dieser Periode zu keiner Zeit politisch stärker als die Interessen und Ideologien, die sich ihrer bemächtigten, und sie waren insgesamt zu schwach, um den abermaligen Krieg zu verhindern. Sie enthielten gleichwohl beachtenswerte Komponenten, die den deutsch-französischen Beziehungen der Nachkriegszeit die Richtung wiesen bei der konsequenten Favorisierung zivilgesellschaftlicher Aufbauarbeit. lendemains 154/ 155 Médialités franco-allemandes / Deutsch-französische Medialitäten 39. Jahrgang 2014 154/ 155 Médialités franco-allemandes Deutsch-französische Medialitäten Deutsche und französische Schriftsteller und der Erste Weltkrieg Europa als Archipel? 119714 Lendemains 154_155.qxp 14.01.15 12: 08 Seite 1 Narr Francke Attempto Verlag GmbH+Co. KG • Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen Tel. +49 (07071) 9797-0 • Fax +49 (07071) 97 97-11 • info@narr.de • www.narr.de JETZT BES TELLEN! Margarete Zimmermann (éd.) Après le Mur: Berlin dans la littérature francophone edition lendemains, Vol. 36 2014, 280 Seiten €[D] 48,00 / SFR 61,80 ISBN 978-3-8233-6879-3 Depuis 1989, nombreux sont les auteurs francophones qui viennent séjourner à Berlin. C’est le cas notamment de Cécile Wajsbrot, Jean-Philippe Toussaint, Régine Robin, Marie NDiaye, Jean-Yves Cendrey, Sophie Calle, Mathieu Trautmann, Edgar Morin et Oscar Coop-Phane. Ils perçoivent l’architecture moderne, l’omniprésence de l’histoire et de ses fantômes, mais sont également sensibles à la « douceur de Berlin » (Christian Prigent) et aux hétérotopies de cette ville. À la lumière des concepts d’espace, de mouvement et d’émotion, ce volume collectif entreprend une première analyse systématique de cette « littérature contemporaine emberlinisée » (Pierre Assouline) qui témoigne des différentes perceptions de Berlin à travers le regard étranger et ouvre un nouveau chapitre de l’histoire littéraire du XXI e siècle. lleennddeemmaaiinnss Etudes comparées sur la France / Vergleichende Frankreichforschung Ökonomie ! Politik ! Geschichte ! Kultur ! Literatur ! Medien ! Sprache 1975 gegründet von Evelyne Sinnassamy und Michael Nerlich Herausgegeben von Evelyne Sinnassamy und Michael Nerlich (1975 1999), Hans Manfred Bock (1988 2012) und Wolfgang Asholt (2000 2012) Herausgeber / directeurs: Andreas Gelz, Christian Papilloud. Wissenschaftlicher Beirat / comité scientifique: Clemens Albrecht ! Wolfgang Asholt ! Hans Manfred Bock ! Corine Defrance ! Gunter Gebauer ! Alexandre Gefen ! Roland Höhne ! Dietmar Hüser ! Alain Montandon ! Beate Ochsner ! Joachim Umlauf ! Harald Weinrich ! Friedrich Wolfzettel Redaktion / Rédaction: Frank Reiser, Cécile Rol Umschlaggestaltung / Maquette couverture: Redaktion / Rédaction Titelbild: Frank Reiser www.lendemains.eu LENDEMAINS erscheint vierteljährlich mit je 2 Einzelheften und 1 Doppelheft und ist direkt vom Verlag und durch jede Buchhandlung zu beziehen. Das Einzelheft kostet 21,00 ! / SFr 30,50, das Doppelheft 42,00 ! / SFr 56,90; der Abonnementspreis (vier Heftnummern) beträgt für Privatpersonen 54,00 ! / SFr 71,90 (für Schüler und Studenten sowie Arbeitslose 48,00 ! / SFr 63,90 - bitte Kopie des entsprechenden Ausweises beifügen) und für Institutionen 68,00 ! / SFr 91,00 pro Jahr zuzüglich Porto- und Versandkosten. Der Abonnementpreis für vier Hefte plus Online-Zugriff beträgt 85,00 ! / SFr 113,00. Abonnementsrechnungen sind innerhalb von vier Wochen nach ihrer Ausstellung zu begleichen. Das Abonnement verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn nicht bis zum 30. September des laufenden Jahres eine Kündigung zum Jahresende beim Verlag eingegangen ist. Änderungen der Anschrift sind dem Verlag unverzüglich mitzuteilen. Anschrift Verlag/ Vertrieb: Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG, Dischingerweg 5, D-72070 Tübingen, Tel.: +49 7071 9797-0, Fax: +49 7071 9797-11, info@narr.de. Lendemains, revue trimestrielle (prix du numéro 21,00 ! , du numéro double 42,00 ! ; abonnement annuel normal - quatre numéros - 54,00 ! + frais d’envoi; étudiants et chômeurs - s.v.p. ajouter copie des pièces justificatives - 48,00 ! ; abonnement d’une institution 68,00 ! ; abonnement annuel de quatre numéros plus accès en ligne 85,00 ! ) peut être commandée / abonnée à Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG, Dischingerweg 5, D-72070 Tübingen, tél.: +4970719797-0, fax: +49 7071 979711, info@narr.de. Die in LENDEMAINS veröffentlichten Beiträge geben die Meinung der Autoren wieder und nicht notwendigerweise die der Herausgeber und der Redaktion. / Les articles publiés dans LENDEMAINS ne reflètent pas obligatoirement l’opinion des éditeurs ou de la rédaction. Redaktionelle Post und Manuskripte für den Bereich der Literatur- und Kulturwissenschaft/ Courrier destiné à la rédaction ainsi que manuscrits pour le ressort lettres et culture: Prof. Dr. Andreas Gelz, Albert- Ludwigs-Universität Freiburg, Romanisches Seminar, Platz der Universität 3, D-79085 Freiburg, e-mail: andreas.gelz@romanistik.uni-freiburg.de, Tel.: +49 761 203 3188. Redaktionelle Post und Manuskripte für den Bereich Sozialwissenschaften, Politik und Geschichte / Courrier destiné à la rédaction ainsi que manuscrits pour le ressort sciences sociales, politique et histoire: Prof. Dr. Christian Papilloud, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Soziologie, Adam-Kuckhoff-Straße 39-41, D-06099 Halle (Saale), e-mail: christian.papilloud@soziologie.unihalle.de, Tel.: +49 345 55 24250. Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Dr. Jürgen und Irmgard Ulderup Stiftung. © 2015 ! Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. ISSN 0170-3803 l’esperance de l’endemain Ce sont mes festes. Rutebeuf - - - 119714 Lendemains 154_155.qxp 14.01.15 12: 08 Seite 2 Sommaire Editorial ...................................................................................................................3 Dossier Beate Ochsner / Geneviève Vidal (ed.) Médialités franco-allemandes / Deutsch-französische Medialitäten Beate Ochsner / Geneviève Vidal: Médialités franco-allemandes...........................8 Stefanie Averbeck-Lietz: Sciences de l’Information et de la Communication. Über eine fehlende Grenzüberschreitung zwischen zwei Wissenschaftskulturen in Deutschland und Frankreich ...............................................................12 Julia Velkovska: Ethnométhodologie des usages des TICs: recherches françaises...........................................................................................40 Marie-Christine Bordeaux: Pour un réexamen de la notion d’usage: la dimension culturelle de l’expérience .................................................................76 Beate Ochsner: „Ziemlich cool und nicht behindert“. Gebärdensprache-Apps als Technologien des Selbst? .............................................................................101 Isabell Otto: ‚Spinning Beach Ball of Death‘. Gebräuche der Unterbrechung im Zeitgefüge zwischen Usern und digitalen Medien .........................................120 Christian Papilloud / Geneviève Vidal: Netart. Créativité, culture critique et positionnement socio-professionnel dans l’art numérique ..................................135 Dossier Deutsche und französische Schriftsteller und der Erste Weltkrieg Jörn Leonhard: „Ihr seid besiegt noch vor der Niederlage“. Der Erste Weltkrieg als Konflikt intellektueller Selbst- und Fremdbestimmungen ..............................153 Marina Ortrud M. Hertrampf: Zwischen Patriotismus und Pazifismus: Romain Rollands literarische Auseinandersetzung mit dem Ersten Weltkrieg ...175 Sommaire Andreas Gelz: En marges: Pratiques de lecture et l’écriture de l’Histoire chez Roger Martin du Gard ................................................................................191 Stefan Schreckenberg: Späte Suche nach den Gräbern - Claude Simons Auseinandersetzung mit dem Ersten Weltkrieg in L’Acacia ...............................209 Dossier Ottmar Ette (ed.) Europa als Archipel? Ottmar Ette: Einleitung: Europa als Archipel / L’Europe comme archipel ...........226 Ottmar Ette: Europa transarchipelisch denken. Entwürfe für eine neue Landschaft der Theorie (und Praxis) ..................................................................228 Jean-Pierre Dubost: „Nomades de tous les pays, unissez-vous! “ - Interroger la cartographie mentale de l’idée de l’Europe ....................................243 Anne Kraume: Îles, exils: Ébauches d’Europe dans l’œuvre de Victor Hugo et de Miguel de Unamuno ...............................................................253 Gesine Müller: Vers une archipélisation de l’Europe? La production culturelle des Caraïbes et de l’océan Indien ......................................................................260 Actuelles Régine Robin: Les tremblés de l’identité - la France multiculturelle. Conférence inaugurale du IX e congrès des Francoromanistes allemands .........267 Arts & Lettres Hans-Jürgen Lüsebrink: Le ‚beau‘ dans l’œuvre de Michel Foucault. De l’archéologie des pratiques artistiques à l’esthétique de l’existence .............282 Comptes rendus Horst F. Müller: Henri Barbusse: Le Feu zwischen Calliope und Clio ................295 3 Editorial Wir leben in einer Welt von Objekten, die mit uns interagieren. Nichts scheint heute banaler als diese Feststellung, die von der Tagespresse, den Fachzeitschriften und, nicht zu vergessen, der wissenschaftlichen Literatur unter den verschiedensten Gesichtspunkten immer wieder aufgegriffen und durchdekliniert wird. Was letztere angeht, sind es vor allem bedeutende Studien in englischer Sprache, zumeist in den USA entstanden, die eine große Verbreitung erfahren haben. Die Amerikaner waren es auch, die schon sehr frühzeitig auf das Auftauchen der Informations- und Kommunikationstechnologien, etwa die Printmedien, das Telefon, den Rundfunk, später dann das Fernsehen, reagiert haben. Lange bevor sich die Europäer, namentlich französische und deutsche Forscher, im Laufe der 60er und 70er Jahre an der Debatte beteiligten, haben sie die ersten umfassenden Studien über den Einfluss der Medien, v. a. mit Blick auf die Manipulation der Öffentlichkeit, vorgestellt. Dieser Entstehungskontext sollte das Feld der Medienwissenschaften nachhaltig prägen. Und auch die Verbreitung dessen, was als digitale oder Neue Medien bezeichnet wurde - also die digitalen Informations- und Kommunikationstechnologien, die nicht alleine auf Computer begrenzt sind, sondern sich über eine Vielzahl vernetzter Geräte erstrecken und seit den 70er und 80er Jahren Einzug in die Privatsphäre wie den öffentlichen Raum gehalten haben -, sollte die Dominanz der amerikanischen Forschung nicht mindern. Wie aber steht es um die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema in Frankreich und Deutschland? Dies ist die Ausgangsfrage für das von Beate Ochsner und Geneviève Vidal Nous vivons dans un monde d’objets qui interagissent avec nous. À l’époque actuelle, rien de plus banal que cette phrase qui s’étend et se décline sous de multiples thématiques dans la presse quotidienne, les magazines spécialisés, sans oublier la littérature scientifique. De cette dernière, on connaît surtout les études en langue anglaise, principalement ancrées aux États-Unis, dont le passé est prestigieux. Ce sont les américains qui ont été attentifs très tôt à l’émergence des technologies de l’information et de la communication telles que la presse, le téléphone, la radiophonie, puis la télévision. Ils ont publié les premières études d’envergure sur l’influence des médias, en particulier sur la manipulation de l’opinion publique par les médias bien avant que les européens, notamment les chercheurs français et allemands n’entrent dans la danse au cours des années 1960-1970. L’ascendance de cette paternité devait marquer durablement le champ des études sur les médias, et elle ne devait pas voir sa domination altérée par l’arrivée de ce que l’on a pu appeler les nouveaux médias ou les médias numériques - à savoir les technologies digitales de l’information et de la communication qui ne se résument pas seulement aux ordinateurs, mais couvrent les objets connectés en tout genre qui s’implantent dans la sphère privée et l’espace public dès les années 1970-1980. Quid de la recherche française et allemande? Cette question est à l’origine du dossier que nous présentons dans cette édition de lendemains, coordonné par Beate Ochsner et Geneviève Vidal. On pourra s’interroger à propos du regard 4 Editorial koordinierte Dossier, das wir in dieser Ausgabe von lendemains vorstellen. Angesichts eines mit Blick auf seine Geschichte letztlich nur sehr bedingt deutsch-französischen Themas stellen sich Fragen ob der Pertinenz der vergleichenden, deutsch-französischen Perspektive dieses Dossiers. Einen guten Grund für eine solche Fragestellung sehen Stefanie Averbeck-Lietz und Julia Velkovska vor allem darin, dass man bis heute praktisch nichts über die Herausbildung der Informations- und Kommunikationswissenschaften in Frankreich weiß - und vielleicht sind es gerade deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die darüber am besten Auskunft geben können, stellt doch seit dem Erscheinen der digitalen Medien die französische und frankophone Forschung eine neue Inspirationsquelle ihrer eigenen Arbeit dar. Welches sind nun deren Spezifika? Wenn man nur eine Besonderheit benennen wollte, wäre es mit Sicherheit die Aufmerksamkeit, die der Medialität der Medien geschenkt wird - eine Formulierung, die redundant scheint, in Wahrheit jedoch eine Verschiebung der Forschungsperspektive weg vom Medium hin zu den Verwendungsweisen verschiedener Medien markiert. Marie-Christine Bordeaux erinnert zurecht daran, dass, wenn man von Verwendungsweisen der Medien, in diesem Fall digitaler Medien, spricht, es nicht nur darum geht, wie man sich bestimmter Medien bedient, um eine Handlung zu vollziehen. Die Beziehung zwischen digitalen Medien und ihren Nutzern ist von vornherein deutlich komplexer. Sie kann als eine regelrechte Erfahrung verstanden werden, weil diese Medien mit uns interagieren, weil sie uns Handlungsmöglichkeiten eröffnen oder, croisé qui parcourt ce dossier, du dialogue proposé entre l’Allemagne et la France sur un sujet somme toute assez peu franco-allemand au regard de l’histoire de cette thématique. Il y a au moins une raison à cela que Stefanie Averbeck-Lietz et Julia Velkovska mettent toutes deux en évidence: on ne connaît pour ainsi dire presque rien de l’émergence des sciences de l’information et de la communication en France, et c’est peut-être les chercheurs allemands qui en parlent le mieux, tant ils découvrent dès l’apparition des médias digitaux une nouvelle source d’inspiration dans la recherche française et francophone. Quelles en sont donc les particularités? S’il fallait en citer une, c’est certainement l’attention portée à la médialité des médias, une expression qui paraît redondante, mais qui contient un déplacement de la perspective de recherche du média vers les usages de ces médias. Marie-Christine Bordeaux vient utilement rappeler que lorsque l’on parle d’usages des médias et en l’occurrence des médias digitaux, on ne s’attache pas seulement à l’étude des manières de se servir des médias pour effectuer une action. La relation entre médias digitaux et utilisateurs se présente d’emblée comme une relation bien plus complexe - comme une expérience, parce que ces médias interagissent avec nous, nous communiquent des potentiels d’action ou - comme le montrent Beate Ochsner et Isabell Otto - contiennent dans leur ergonomie même, leur design, leur forme, leurs modules techniques et leurs erreurs de fonctionnement un nombre très important de manières de 5 Editorial wie Beate Ochsner und Isabell Otto zeigen, weil bereits in ihrer Ergonomie, ihrem Design, ihrer Form, ihren technischen Bauteilen und ihren Funktionsstörungen eine große Zahl unmittelbarer Handlungs- und Interaktionsweisen angelegt ist. Digitale Medien zu nutzen heißt gleichermaßen von ihnen benutzt zu werden; es bedeutet, Erfahrungen zu machen, die nichts mehr zu tun haben mit der Haltung einem Werkzeug gegenüber, das man für das Erledigen einer Aufgabe verwendet, es bedeutet vielmehr, in eine neue Dimension einzutauchen, was unsere sinnliche Wahrnehmung, aber auch unser Verhältnis zu den anderen und zur Gesellschaft anbelangt. Dies geschieht nicht, ohne dass sich eine Reihe praktischer wie theoretischer Fragen stellen würden. In diesem letztgenannten Bereich, der Theorie, unterscheidet sich die französische und die deutsche Forschung dann auch am meisten von der ihrer anglophonen Nachbarn, indem sie auf die Gesellschafts- und Kulturwissenschaften zurückgreift und so einen breiteren Rahmen für die Ansätze zur Erforschung der Medialität digitaler Medien schafft. Es geht darum, nach den Verschiebungen zu fragen, die die digitalen Medien in unseren Gesellschaften und Kulturen bewirken, ob es sich dabei um den einfachen Zugang zu Gütern und Dienstleistungen handelt, um unsere Beziehungen zu den anderen oder, allgemeiner, um unser Verhältnis zu Kultur und Arbeit - ein Aspekt, der von Christian Papilloud und Geneviève Vidal vor dem Hintergrund einer Umfrage über die künstlerischen Milieus der Netzkunst herausgearbeitet wird. Die digitalen Medien sind nämlich nicht nur ein anderes Mittel, um in der Gesellschaft zu handeln. Sie bewirken auch eine Veränderung von faire délivrées clé en main. Prendre un média numérique, c’est tout à la fois se faire prendre par lui, c’est vivre une expérience qui n’a plus rien à voir avec le rapport à un outil pour réaliser une tâche, c’est passer dans une autre dimension non seulement au niveau de nos perceptions sensibles, mais également au niveau de nos rapports aux autres et à la société. Cela ne va pas sans poser un certain nombre de questions, qui ne sont pas seulement des questions pratiques, mais également des questions de théorie. C’est sur ce dernier plan - la théorie - que la recherche française et allemande se détache le plus de sa voisine anglophone en recourant aux sciences de la société et de la culture pour donner un cadre plus général aux approches de la médialité des médias digitaux. Cette posture consiste à interroger les déplacements que les médias digitaux introduisent dans nos sociétés et nos cultures, qu’il s’agisse du simple accès à des biens ou des services, de nos relations aux autres ou plus largement de nos rapports à la culture ou au travail - un aspect mis en évidence par Christian Papilloud et Geneviève Vidal à l’occasion d’une enquête sur les milieux artistiques du Netart. Car les médias digitaux ne sont pas seulement un autre moyen de faire des choses dans la société. Ils sont également à l’origine d’une transformation du sens, que l’on parle du sens que l’on attribue aux personnes, choses, événements de notre quotidien, ou du sens qu’il y a à faire société, à vivre ensemble. La médialité des médias digitaux est-elle en passe de devenir le nouveau cadre de nos expériences quotidiennes, le 6 Editorial Sinnstrukturen, ob man dabei von der Bedeutung spricht, die man Personen, Dingen, Ereignissen in unserem Alltag zuspricht, oder von der Sinnhaftigkeit, eine Gesellschaft zu bilden, zusammenzuleben. Ist die Medialität der digitalen Medien dabei, der neue Rahmen unserer Alltagserfahrungen, das neue Ordnungsprinzip der Gegenwart zu werden? Dieses Dossier bietet einige Ansätze zur Vertiefung der Fragestellung. Wir sind froh, dass es gelungen ist, in diesem Jahr der Erinnerung an den Ausbruch des Ersten Weltkriegs Historiker und Literaturwissenschaftler für einen zweiten Schwerpunkt dieser Ausgabe von lendemains gewinnen zu können, die sich mit spezifischen Reaktionsweisen deutscher und französischer Schriftsteller und Intellektueller auf jene ‚Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts‘ (George F. Kennan) beschäftigen. Ob es sich u.a. um Thomas Mann, um Romain Rolland, Roger Martin du Gard oder Claude Simon handelt, die Stellungnahmen und Texte dieser Nobelpreisträger sind Marksteine einer sich bereits mit Kriegsbeginn manifestierenden Auseinandersetzung mit einem Ereignis, dessen Fernwirkung bis in die Gegenwart andauert. Das Europa, dessen Tektonik und traditionelle Ordnungsvorstellungen durch den Ersten Weltkrieg nachhaltig und - nach dem Zweiten Weltkrieg und unter dem Einfluss von Globalisierungsprozessen - bis in unsere Zeit grundlegend erschüttert wurde, ist dabei weiterhin auf der Suche, wenn nicht nach einer neuen Identität, so doch nach Prinzipien, die das friedliche Miteinander von Staaten und Gesellschaften gestalten könnten. „Europa als Archipel“ - unter dieser programmatischen Überschrift versammelt der nouveau principe qui organise notre vie contemporaine? Ce dossier livre quelques pistes destinées à approfondir ce questionnement. Nous sommes heureux, en cette année consacrée à la commémoration du déclenchement de la Première Guerre mondiale, d’avoir réuni, pour un second dossier de cette édition de lendemains, des historiens et des spécialistes de la littérature qui analysent les réactions individuelles d’écrivains et d’intellectuels allemands et français face à la ‚catastrophe originelle du XX e siècle‘ (George F. Kennan). Que ce soit entre autres Thomas Mann, Romain Rolland, Roger Martin du Gard ou Claude Simon, les prises de position et textes de ces lauréats du prix Nobel représentent les jalons d’une réflexion, entamée dès le début de la guerre, sur un événement dont les effets de distance persistent jusqu’au présent. L’Europe, dont la structure politique et sociale traditionnelle a été bouleversée durablement par la Première Guerre mondiale et ceci, après la Seconde Guerre mondiale et sous l’influence de la mondialisation, jusqu’à notre époque, est en conséquence toujours à la recherche - si ce n’est pas d’une nouvelle identité, du moins de nouveaux principes qui garantiraient la coexistence pacifique entre différents États et sociétés européens. Dans cette perspective, le troisième dossier de ce numéro rassemble, sous le titre „L’Europe comme archipel“ , les contributions du colloque „L’Europe en mouvement. Les nouveaux espaces du vivre ensemble“, organisé en juin 2014 à l’Institut français de Berlin. Ayant 7 Editorial dritte Schwerpunkt dieser Nummer daher Beiträge der im Juni 2014 am Institut français in Berlin organisierten Tagung „Europa in Bewegung. Neue Räume des Zusammenlebens“, die versuchen, unter Rückbezug auf neue und neueste Kulturtheorien die Lehren aus dem Zerfall bzw. der Fragmentierung einer Idee von Europa zu ziehen, dabei aber auch dem auf diese Weise freigesetzten dynamischen Potenzial eines ‚Europas in Bewegung‘ Rechnung zu tragen. recours à certaines récentes théories de la culture, ces contributions essayent de tirer les leçons de la désintégration ou bien de la fragmentation d’une idée de l’Europe, et de tenir compte en même temps du potentiel dynamique d’une ‚Europe en mouvement‘ qu’implique ce processus. Andreas Gelz, Christian Papilloud 8 Dossier Beate Ochsner / Geneviève Vidal Médialités franco-allemandes De part et d’autre du Rhin, l’idée communément partagée sur les sciences humaines et sociales des médias est qu’elles sont des produits importés des États-Unis et plus généralement du monde anglophone vers l’Europe non anglophone. C’est souvent le cas lorsque l’on parle de médias digitaux, ces dispositifs techniques qui ont depuis longtemps fait l’objet de publications dans le monde anglophone et auxquels les chercheurs européens non anglophones ont mis du temps à s’intéresser. On en viendrait presque à penser que cette prééminence de la littérature anglophone fait loi et que les travaux qui ont émergé en France comme en Allemagne sur ce thème ne font que suivre les lignes tracées par les différentes approches existantes de la planète digitale. Si ce constat n’est pas complètement faux, il est très grossier et ce dossier est né d’une exigence simple: le déconstruire, interroger l’originalité des recherches effectuées en France et en Allemagne sur le terrain des médias - en particulier des médias digitaux -, et donner quelques exemples d’une proximité de perspective et de thématique qui, si elle est encore jeune, gagnerait à se développer. Ce dossier s’ouvre sur la contribution de Stefanie Averbeck-Lietz qui fait l’état des lieux en perspective historique de la manière dont les sciences de l’information et de la communication se sont développées en Allemagne et surtout en France. Alors que l’Allemagne réceptionne les travaux nord-américains issus du courant de la Communication Research rendu célèbre par Harold Lasswell et Paul Lazarsfeld, et au sein duquel les chercheurs allemands vont s’investir, la France y montre une étonnante indifférence. On aura pu y voir une forme d’anti-américanisme ou du moins une lutte implicite contre l’hégémonie de la recherche nord-américaine sur les médias. Or, nous dit Averbeck-Lietz, il n’en est rien. Les chercheurs français connaissent très bien les travaux nord-américains, mais ils ne s’inscrivent pas dans la tradition de l’étude des médias de communication de masse et de leur influence sur la société. Les sciences de l’information et de la communication en France - les SIC - relèvent d’abord de la linguistique et de la sémiotique et les SIC ne se conçoivent pas comme une discipline bien établie, avec ses frontières et ses thèmes directeurs, mais comme le point de convergence d’une multiplicité de disciplines des sciences humaines et sociales, à savoir la sociologie, la philosophie, les sciences politiques, la psychologie ou encore le journalisme. Cette diversité des sciences de l’information et de la communication en France n’a pas favorisé une institutionnalisation rapide de la discipline (1975), mais une fois établie, elle séduit de nombreuses sciences connexes qui contribuent à son expansion progressive. Alors que les différences semblent irréconciliables entre une recherche allemande très axée sur le discours nord-américain et une recherche française qui continue à développer sa tradition interdisciplinaire, l’apparition des 9 DDossier médias digitaux change la donne à tel point que de part et d’autre du Rhin les instances de la recherche en appellent à une collaboration plus importante entre chercheurs allemands et français sur ces objets. Malgré toutes les différences que l’on peut relever entre l’Allemagne et la France, il semble néanmoins que les perspectives convergent non sur l’objet média en tant que tel, mais sur sa caractéristique cardinale: la médialité. Un des courants qui en France aura structuré fortement les recherches autour de ce thème directeur est celui de l’ethnométhodologie. C’est ce que nous présente Julia Velkovska à l’occasion d’une reconstruction des grands temps de la recherche ethnométhodologique et conversationnelle sur les usages des technologies de la communication. Elle retrace les ancrages épistémologiques, méthodologiques et institutionnels de ce courant qui ouvre sur des travaux réalisés dans le cadre de trois principaux terrains d’enquête: la vidéocommunication, les interactions sur téléphone mobile et sur les plates-formes conversationnelles de l’Internet. Julia Velkovska montre en particulier la manière dont ce courant débouche sur une conception dynamique du contexte des médias numériques, où interaction et contexte se co-configurent dans la progression des activités de manipulation des médias et d’action par ces médias. Par l’étude de la médialité et des usages de cette médialité, l’ethnométhodologie dans le paysage intellectuel de la sociologie française des usages déployée au sein des sciences de l’information et de la communication cherche à sonder l’usage des médias. De quoi s’agit-il? Tel est le thème qu’approfondit Marie-Christine Bordeaux pour montrer les affinités entre la notion d’usage - qui n’est pas la simple utilisation de l’outil média mais le développement d’un art de vivre avec et par ces médias - et la notion d’expérience. Bordeaux montre que l’un des points forts des approches françaises des médias est d’avoir contribué à se débarrasser de la connotation seulement fonctionnelle du concept d’usage pour l’avoir recontextualisé dans le cadre d’une expérience plus globale des médias digitaux. Néanmoins, ces approches ont également leurs limites en ce qu’elles n’offrent pour l’instant pas un concept suffisamment bien délimité et à la fois souple, susceptible d’intégrer usage et expérience des médias digitaux. Elle exemplifie son propos en reprenant en particulier deux enquêtes menées en France sur les formes de médiatisation et de médiation que l’on peut mettre en évidence à propos d’innovations technologiques récentes, et elle propose d’explorer dans ce contexte comment la notion d’expérience peut être enrichie pour mieux comprendre les usages que les publics font de ces nouveaux médias. Les deux contributions allemandes de Beate Ochsner et de Isabell Otto suivent un questionnement analogue qui place au centre de l’investigation la médialité des médias et qui en rend compte sur la base d’une approche socio-culturelle des médias et de leurs usages. Qu’est-ce que cette médialité rend possible et qu’estce qui la rend possible? Comment nos interactions avec les médias digitaux transforment non seulement la médialité de ces médias, mais également leurs utilisateurs? Par exemple, que se passe-t-il lorsque les utilisateurs de ces médias sont 10 DDossier des personnes handicapées? Telle est la question que Beate Ochsner aborde en s’intéressant aux applications digitales développées pour favoriser une utilisation des médias sur la base du langage des signes. Avec les médias digitaux et l’Internet, ce genre d’application - non seulement en rapport à la surdité, mais également à d’autres formes de handicap - s’est rapidement développé, donnant aujourd’hui aux personnes handicapées non seulement la possibilité d’utiliser ces médias, mais surtout la possibilité de participer activement à la vie sociale. Néanmoins, si le discours ambiant affirme que ces applications sont faites pour améliorer l’accès général aux médias digitaux tout en personnalisant leurs usages, elles tendent également à dicter des postures, une gestuelle et finalement tout un comportement d’adaptation qu’il s’agit d’entraîner et de discipliner pour pouvoir utiliser ces médias digitaux et par conséquent participer d’une vie quotidienne de plus en plus interfacée. Faites pour autonomiser le sujet, ces applications remettent en question cette autonomie même car elles la conditionnent à l’obtention de compétences nécessaires au fonctionnement ‚normal‘ des sujets. Dans un registre plus philosophique, Isabell Otto réflechit à la question du dysfonctionnement des médias digitaux, une question que l’on croirait presque disparue tant l’imaginaire technologique nous abreuve de fictions relatives à la connexion permanente aux médias digitaux et, par leur intermédiaire, à la société. Notre quotidien n’en demeure pas moins rivé à la fragilité fonctionnelle de ces monstres électroniques qui, de temps à autre, ne fonctionnent pas bien ou pas du tout. Que se passe-t-il alors? Isabell Otto montre que les médias digitaux ont toujours pris en compte ce problème sous la forme de production de symboles et d’images qui, lorsque une panne survient, se manifestent à l’utilisateur pour lui signaler que sa relation à l’espace-temps partagé est momentanément interrompue, un espacetemps interactif qui, selon Otto, n’est produit que par cette symbolisation. Le moment d’attente qui débute et qu’Otto analyse avec Jean-Luc Nancy possède la qualité de synchroniser dans une temporalité identique les temps - que la panne a rendu différent - de l’utilisateur et du média digital. Cet univers iconique n’a pas seulement une fonction signalétique. Il rend possible les processus d’interface qui n’indiquent pas seulement les ordres temporellement différents des usagers et des médias mais qui, en même temps, les arrange dans un assemblage socio-technique partagé. Le charme particulier de la médialité des médias digitaux est qu’elle se joue de nous, tout comme nous pouvons nous jouer d’elle, ce qui ouvre non seulement un espace multivarié de communication, mais également des usages multipliés de ces médias, y compris des usages détournés et, pourquoi pas, artistiques. Depuis les années 1990 et la généralisation des interfaces graphiques sur tout type de médias digitaux, de nombreux artistes et auteurs utilisent ces médias digitaux pour engager une production artistique ou créative. On connaît l’exploitation de la vidéo, de la télévision et plus généralement de l’image dans le champ artistique qui n’a pas attendu l’Internet pour se manifester. On connaît peut-être moins le travail effectué sur les logiciels et les scripts de programmation pour créer sur la base de médias digitaux conventionnels des effets de surprise chez les 11 DDossier utilisateurs, des comportements techniques inattendus, des jeux vidéo qui se transforment en installation ou des musées qui deviennent des objets communicants. Bienvenu dans le monde du Netart et des arts digitaux auxquels introduisent Christian Papilloud et Geneviève Vidal sur la base d’une enquête effectuée auprès de cinq projets français qui revendiquent une forme d’art participatif basé sur le détournement et la critique des médias digitaux. Mais derrière l’originalité des projets pointe la dure réalité de la vie d’artiste, dont la carrière repose précisément sur cette médialité qu’il s’agit de former et de déformer avec l’aide d’un public aussi nombreux que possible pour parvenir à la faire valoriser. Il en va de sa propre carrière professionnelle dont la légitimité ne s’établit pas au sein de l’art seulement, mais également en lien avec les marchés de l’innovation. Dès lors, la créativité émancipatrice des arts numériques - au double sens d’une émancipation des utilisateurs et du public vis-à-vis de la technique et d’une émancipation de l’art vis-à-vis des instances traditionnelles qui en garantissent la légitimité sociale - devient le meilleur moyen de mobiliser un maximum de gens possible au profit du positionnement professionnel de l’artiste, que ce positionnement s’inscrive dans un domaine d’activité ou une institution artistique, ou qu’il s’inscrive dans une entreprise ou une industrie. Ce dossier se referme sur cette contribution, en espérant avoir mieux mis en évidence les enjeux contemporains qui peuvent stimuler le dialogue franco-allemand sur les médias digitaux. Chacun à sa manière, les auteurs permettent de se faire une meilleure idée du champ de gravité autour duquel ces recherches peuvent s’organiser, un champ défini par l’approche culturelle et sociale de la médialité des médias digitaux et de leurs usages, une médialité qui s’impose progressivement dans nos sociétés contemporaines comme l’un des enjeux dominants, l’un des principes structurants de nos vies quotidiennes. 12 DDossier Stefanie Averbeck-Lietz Sciences de l’Information et de la Communication Über eine fehlende Grenzüberschreitung zwischen zwei Wissenschaftskulturen in Deutschland und Frankreich 1. Vorbemerkung und Literaturlage Rezeption, Aneignung und Austausch zwischen der deutschen und der französischen Soziologie stellen sich als heterogener, einerseits von intensiver Diskussion, andererseits aber auch von Desinteresse, Kontingenz und Asymmetrie geprägter Prozess dar (Peter 2011: 6) Vorweggeschickt sei dieses Zitat von Lothar Peter - gedruckt 2011 in Lendemains zum „Deutsch-französischen Soziologietransfer“. Auch wenn Peters’ Schilderung insgesamt nur verhalten optimistisch ist, so ist er doch in der glücklichen Lage, „intensive Diskussionen“ zwischen der deutschen und französischen Soziologie schildern zu können. Für die Schwesterwissenschaft Kommunikationswissenschaft fällt die Diagnose weit weniger erfreulich aus: Von einem deutsch-französischen Wissenschaftstransfer kann hier nicht gesprochen werden. Nach einem solchen habe ich gesucht und stattdessen etwas anderes gefunden: Eine für deutsche KommunikationswissenschaftlerInnen äußerst anregende Wissenschaftskultur, die zur Grenzüberschreitung einlädt, gerade auch aufgrund ihrer Unterschiedlichkeit. Ein Blick in die französische Fachkultur macht zugleich Leerstellen der deutschen deutlich. Der vorliegende Artikel baut auf der Habilitationsschrift der Verfasserin Kommunikationstheorien in Frankreich. Der epistemologische Diskurs der Sciences de l’information et de la Communication (SIC) 1975-2005 (Averbeck-Lietz 2010) auf. In dieser Monografie wird die Entwicklung der französischen Kommunikationswissenschaft als „epistemologischer Diskurs“ über fachliche Gegenstände und Grundbegriffe, über den disziplinären Status sowie spezifische Theoriestränge, insbesondere die Semio-Pragmatik, nachgezeichnet. Dabei beruht meine Analyse, die zwischen 1999 und 2007 entstand, auf französischsprachiger Literatur zur Entwicklungsgeschichte der Sciences de l’information et de la communication (im Folgenden kurz: SIC) ab etwa 1962 mit der Gründung des Centre de Communications de Masse (CECMAS) an der Ecole Pratique des Hautes Etudes in Paris, zuzüglich Literatur zur systematischen Ausformulierung genereller und spezifischer Kommunikationstheorien. Dies schließt Nachrecherchen zwischen dem Abschluss des Manuskriptes (2007) der Habilitationsschrift und ihrem Erscheinen (2010) ein. Weitere Recherchen im Zuge der nunmehr hier vorliegenden Veröffentlichung im Jahr 2014 sind nicht sehr ergiebig verlaufen. Wenn überhaupt, so 13 DDossier sind entsprechend relevante Publikationen (etwa Coordonnier / Wagner 2013: 137- 139; Bonnet / Bonnet 2014; Averbeck-Lietz / Bonnet / Bonnet 2014) nur in Frankreich selbst oder im europäischen Kontext in englischer Sprache (McQuail 2009: 281-292; Cabedoche 2009: 293-309) erschienen. Sie betreffen vor allem die Frage danach, wie in Zukunft über nationale Unterschiede hinweg (cf. Bonnet / Bonnet 2014; McQuail 2009: 281-292) mit der Frage nach einer Identität der zwischen verschiedenen Disziplinen changierenden Kommunikationswissenschaft umgegangen werden kann. Darauf wird auch im Folgenden einzugehen sein. 2. Forschungsperspektive Where modern communication theory [in the U.S.] has incessantly postulated positive outcomes from its models (consensus, agreement), in essence promoting social reconciliation, French theory subsumed concepts of communication in notions of signification and contestation (Lotringer / Cohen 2001: 4) [Hervorhebung St. A.-L.]. Lotringer und Cohen beziehen sich mit diesem Zitat nicht auf die französische Kommunikationswissenschaft, sondern auf eine nicht zu vereinheitlichende noch zu universalisierende „French Theory“, die in den 1970er und 1980er Jahren in den US-amerikanischen Literatur- und Linguistik-Departements unter den bekannten Labels Postmoderne, Diskursanalyse und Dekonstruktivismus adaptiert worden sei (Lotringer / Cohen 2001: 8; im gleichen Sinne Loselle 2001: 213, 221). Auf „Travelling Theories“ (Said 1983: 195-217) von Frankreich nach Amerika gehe ich in diesem Aufsatz indes nicht ein; auch nicht auf die Einflüsse des französischen Denkens, insbesondere seitens Michel Foucault auf die Diskursanalyse in der deutschsprachigen Kommunikationswissenschaft (cf. Fraas 2015), die Dispositivtheorie in der Nachfolge von Foucault, Luc Baudry und anderen innerhalb der deutschsprachigen Medienwissenschaft (cf. Hickethier 2003) oder Adaptionen der Médiologie von Régis Debray in der deutschen Medienwissenschaft (cf. Weber 2008: 123-128). Solche Einflüsse gibt es in intensiver Weise (cf. dazu schon Saxer 2000: 85-92); allerdings betreffen sie die Disziplin Sciences de l’information et de la communication in Frankreich nur marginal (cf. als Replik auf Saxer, Averbeck 2000: 396-404). In vorliegendem Artikel gehe ich ausschließlich darauf ein, wie die deutsche und die französische Kommunikationswissenschaft in ihrer disziplinären Organisation, also als institutionalisierte Fächer sich jeweils in ihrem Mainstream (ermittelt über Fachzeitschriften, Verbandspublikationen, Monografien, Lehrbücher, Handbücher, cf. ausführlich Averbeck 2008a: 211-228, ibid. 2008b: 1-13, ibid. 2008c: 259-287, Averbeck-Lietz 2010) darstellen, wie sie historisch gewachsen sind, innerhalb welcher gesellschaftlichen und politiksowie mediensystemischen Zusammenhänge sie stehen und ob sie sich gegenseitig wahrnehmen und / oder beeinflussen. Letzteres kann leider nach wie vor verneint werden. Stärker sind die Transfers und Re- Transfers in beiden Ländern in Bezug auf die US-amerikanische Kommunikationsforschung und / oder -philosophie oder -soziologie. Diese stellen sich aller- 14 DDossier dings im nationalen Vergleich höchst unterschiedlich dar. Hat sich die deutsche Kommunikationswissenschaft nach dem Zweiten Weltkrieg und verstärkt seit Ende der sechziger Jahre bis heute intensiv am US-amerikanischen „Communication Research“ orientiert (cf. Koivistu / Thomas 2007: 62; Löblich 2007: 69-88; ibid. 2010; Wissenschaftsrat 2007: 18), so die Französische ihrerseits kaum: Another reason for special attention is that France has probably shown the strongest tendency to resist the American hegemony of media and associated study, for cultural reasons in part, and partly because of circumstances of linguistic isolation from the Anglo-Saxon literature that diffused the ‚American model‘ [of communication research] (McQuail 2009: 284). Die USA gelten nach wie vor als Mutterland, Globalplayer und Gatekeeper-Nation der Kommunikationswissenschaft (ibid: 287; Meyen 2012: 1451-1459). Allerdings benennt Dennis McQuail in obigem Zitat nur die weitgehend fehlende Rezeptionslinie der französischen SIC, nämlich diejenige zum Communication Research in der Lasswell-Lazarsfeld-Hovland-Tradition (cf. zur US-amerikanischen Linie der Wirkungsforschung im Überblick Schenk 2007) und bleibt damit in seiner Betrachtung reduktiv. Vielmehr hatten und haben auch die französischen KommunikationswissenschaftlerInnen sehr wohl ihre interkontinentalen Rezeptionslinien, die sich allerdings, darin ist McQuail zuzustimmen, nicht primär auf Arbeiten in der Tradition von Paul F. Lazarsfeld zur Soziologie der Mediennutzung, von Harold D. Lasswell zur politischen Kommunikation und zur Inhaltsanalyse oder auf Carl-Iver Hovlands psychologische Wirkungsforschung beziehen − auch wenn diese durchaus auch in französischen Lehrbüchern vorkommen (so in Lazar 1992, Mattelart / Mattelart 2002). Meines Erachtens ist es nicht so sehr eine „resistance to extension of American power“ (McQuail 2009: 284), die hier der Grund ist, sondern vielmehr sind es die disziplinären Wurzeln der Französischen SIC in der Linguistik und Semiotik, die die Rezeptionslinie französischer Kommunikationswissenschaft sowohl in die USA als auch Unterschiede zur deutschsprachigen Kommunikationswissenschaft kennzeichnen. Diese Wurzeln sind und waren es, die die transatlantische Rezeption der Französischen SIC mitbestimmen (cf. Averbeck-Lietz 2009: 65-88; ibid. 2010a). Selbstredend kann die Kommunikationswissenschaft nicht als in sich geschlossene „Monodisziplin“ betrachtet werden, sondern ist eine „Transdisziplin“ (Saxer 1993), zumindest in ihrer Ideengestalt. Dies gilt auch dann, wenn ihre Sozialgestalt inzwischen in vielen Ländern als Einzeldisziplin, vielfach in ganz unterschiedlichen Fakultäten und Departements mal geistes-, mal sozialwissenschaftlich organisiert ist (cf. Wissenschaftsrat 2007; Koivistu / Thomas 2010). Kommunikationswissenschaft zu betreiben heißt daher auch, ihre Vielfalt anzuerkennen: „C’est par nature un domaine pluridisciplinaire [ ] il n’y a donc pas une mais des sciences de la communication“ (Wolton 1998: 50). Allerdings entbehrt das Selbstverständnis einer (Pluri)Disziplin dann der Grundlage, wenn sie sich nicht historisch rückversichern und verankern sowie das 15 DDossier Phänomen ihrer eigenen Vielfalt verstehen kann. Die Sekundärliteratur zur französischen Fach- und Theoriengeschichte umfasst bis heute wenige, kaum quellengesättigte Überblicke zur Institutionengeschichte sowie singuläre Beschreibungen einzelner Theoriefelder, meist in Form von Aufsatzliteratur in Sammelbänden (cf. Lancien et al. 2001: 37-63; Georgakakis / Utard 2001; Boure 2002; Meyriat / Miège 2002: 45-70; Jeanneret / Ollivier 2004; Olivesi 2006; Puustinen 2007). Verwiesen sei darüber hinaus auf die jüngere Selbstverständnisdebatte in der Fachzeitschrift der französischen Fachgesellschaft Revue française des sciences de l’information et de la communication, 1 auf die ich in diesem Artikel Bezug nehme. Interessant im Kontext meiner Argumentation ist dabei, dass gleich die dritte Nummer der neu gegründeten Online-Zeitschrift der französischen Fachgesellschaft unter dem Titel: La vie des signes aux sein de la communication: vers une sémiotique communicationnelle (Boutaud / Berthelot-Guiet 2013) wiederum auf denjenigen Strang der französischen Fachentwicklung ausführlich eingeht, den ich (Averbeck 2008a: 211-228; 2008b: 1-13; Averbeck-Lietz 2010) als den zentral unterschiedlichen zur deutschsprachigen Kommunikationswissenschaft dargestellt hatte: die Sozio- Semiotik (socio-sémotique) oder Semio-Pragmatik (sémio-pragmatique). Die Bezeichnungen dieser Denkrichtung changieren und werden teils synonym verwendet (cf. auch Frame 2013). Mit diesem Befund kompatibel, hat Hans-Jürgen Lüsebrink (2004b: 2) die semiotische Orientierung als französisches Spezifikum zum Beitrag für eine Medienwissenschaft im Grenzbereich zur Kulturwissenschaft herausgearbeitet. Allerdings wird in der besagten Revue française des sciences de l’information et de la communication auch deutlich, dass der semio-pragmatische Strang sich selbst offenbar innerhalb der SIC weit marginalisierter sieht (cf. Carbou 2013: 3-6), als dies aus deutscher Perspektive plausibel erscheinen mag. Wenn ich also die Semio-Pragmatik hier wiederum in den Mittelpunkt stelle, so sei selbstkritisch mitgegeben, dass aus deutscher Perspektive dieser Strang der SIC in der Tat eine Besonderheit ist (da er so innerhalb der deutschen Kommunikationswissenschaft nicht vorkommt), dass dies - genau aufgrund der Vergleichsperspektive zu Deutschland - aber auch eine Überzeichnung sein kann in Bezug auf die französische Eigenwahrnehmung. Hier fehlt ein Austausch zwischen den Wissenschaftskulturen, um sich über solche gegenseitigen (Fehl)Wahrnehmungen auszutauschen (für einen Auftakt Coordonnier / Wagner 2013: 137-139; Averbeck-Lietz / Bonnet / Bonnet 2014). Insgesamt zementiert sich (leider) auch in den letzten Jahren der Status Quo, dass Frankreich kein zentrales Bezugsland für deutschsprachige KommunikationswissenschaftlerInnen ist. Das gilt auch für die vergleichende Mediensystemforschung und verwandte Gebiete, die in Deutschland zwar vorhanden, aber wiederum eher über singuläre Publikationen aufgestellt sind (cf. etwa Thomaß 1998; Weber / Woltersdorff 2001; Preisinger 2002; Lüsebrink et al. 2004b; Averbeck- Lietz / Piskol 2010: 486-497), sowie die Romanophonie insgesamt: So sind auch Spanien, Portugal und Italien keine relevanten Bezugsländer für die deutsche und 16 DDossier deutschsprachige Kommunikationswissenschaft. Deren persönliche und institutionelle Referenzen, Peer-Review-Verfahren und damit Karrierechancen liegen weiterhin und noch zunehmend am anglo-amerikanischen Zitations‚markt‘ und / oder werden über den Social Science Citation Index an diesem gemessen (dazu kritisch Krotz 2013: 21-48). Um die französischen SIC genauer darzustellen, gehe ich im Folgenden zunächst ein auf: - die wissenschaftstheoretischen und die materialen Grundlagen meiner Studie(n) zu Frankreich (cf. Averbeck 2008a: 211-228, ibid. 2008b: 1-13, ibid. 2008c: 259- 287; Averbeck-Lietz 2009: 65-88, ibid. 2010). Danach zeichne ich - die französische Fachentwicklung auf eben dieser Forschungsbasis nach, um dann - zentrale historische und fachhistorische Unterschiede zu Deutschland zu benennen. Des Weiteren frage ich - was wir aus dem Beispiel eines deutsch-französischen Vergleichs über den inter-/ transnationalen Wissens- und Wissenschaftstransfer lernen können. 3. Wissenschaftstheoretische, -soziologische und materiale Grundlage der Forschung Vergleichen heißt mithin nicht gleichsetzen (Haupt / Kocka 1996: 9). Die wissenschaftstheoretische Grundlage des hier unternommenen deutsch-französischen Vergleichs ist sozialkonstruktivistisch und öffnet sich damit einer wissenschaftssoziologischen Perspektive: Wissenschaft wird verstanden als sozialer (Kommunikations-)Zusammenhang der professionsspezifischen Objektivationsregeln folgt und zugleich durch Machtprozesse und gesellschaftliche Anforderungen und Normen strukturiert wird (cf. Weingart 2001, ibid. 2003). Damit sind nationalpolitische Unterschiede der Wissenschaftsorganisation in Deutschland und Frankreich ebenso wie eine fachhistorisch unterschiedliche Genese der Kommunikationswissenschaft in beiden Ländern angesprochen. Der Machtaspekt ist in meinen Forschungen insofern marginal bzw. stark verzerrt abgebildet, als ich vom institutionalisierten Machtpol der SIC und ihrer „Gründervätergeneration“ ausgegangen bin und diesen dann generativ über „Schüler“ und „Enkel“ weiterverfolgt habe. Solche Wissenschaftlergenerationen sind im Sinne des Karl-Mannheimschen Generationenbegriffs als Erfahrungsgemeinschaften zu begreifen (cf. Meyen 2007: 9-36; Koenen 2008: 1610-1625; Averbeck-Lietz 2010: 110-124). So teilte die Gründergeneration der deutschen Zeitungswissenschaftler die Weltkriegserfahrung, einschließlich des „Versagens“ der Presse im Krieg, was ausschlaggebend für die kommende Institutionalisierung der Zeitungswissenschaft als Universitätsfach wurde (cf. Bohrmann 1986: 346-358). Mit einer solchen generativen Perspektive wird, dies sei selbstkritisch angemerkt, zwar eine auch biografisch fundierbare, aber doch verkürzte, quasi-lineare Fachgeschichte von den „Gründer- 17 DDossier vätern“ zu den „Enkeln“ erzählt (cf. Averbeck-Lietz 2010, ähnlich auch die Bemerkungen zu einer generativen Fachgeschichte in Spanien seitens Alsina / García Jiménez 2010: 273-286). Erst einmal lag meine Intention in Bezug auf Frankreich darin, überhaupt eine Fach- und Theoriengeschichte für die SIC zu entwickeln, die es bis dato nur in Ansätzen gab (cf. v. a. Meyriat / Miège 2002: 45-70). Außenseiter und Marginale fallen als Protagonisten somit (hier) aus. Auch habe ich die „Sozialgestalt“ (Käsler 1984) der SIC nicht über Universitätsarchive rekonstruiert, sondern einzig über publizierte Literatur sowie sogenannte „graue Literatur“, insbesondere das damals noch bestehende gedruckte Fachbulletin der Société Française des Sciences de l’information et de la communication (SFSIC), La Lettre d’inforcom über dessen gesamten Bestehenszeitraum zwischen 1978 und 2003 sowie die teils im Selbstverlag der Fachgesellschaft erschienen Tagungsbände der zweijährlichen Tagungen der SFSIC zwischen 1975 und 2004 (zu diesen Quellen, ihrer Aussagekraft und ihren Begrenztheiten Averbeck-Lietz 2010: 339-344). Hinzu kommt die systematische Auswertung der zentralen französischen kommunikationswissenschaftlichen Fachzeitschriften Réseaux. Communication, Technologie, Société, gegründet 1983, und Hermès. Communication, Communication, Politique, bestehend seit 1988; überdies - dann weniger an einer Vollerhebung als thematisch an einzelnen Artikel orientiert - weiterer Fachzeitschriften wie Quaderni, Questions de Communications, Dossiers de l’Audiovisuel und MEI. Die genannten Quellen dienten nicht nur der Rekonstruktion der Institutionengeschichte der SFSIC, sondern auch derjenigen ihrer „Ideengestalt“ (Käsler 1984), welche darüber hinaus rekonstruiert wurde über wissenschaftliche Aufsätze und Monografien, die sich im engeren Sinne mit der Fachgeschichte der SIC befassen (und ungefähr an zwei Händen abzuzählen sind) sowie solchen Fachzeitschriften-, Sammelbandpublikationen und Monografien, die sich explizit mit dem Gegenstand und / oder der Theorieperspektive(n) der Sciences de l’information et de la communication auseinandersetzen. Die Auswertung aller Materialen erfolgte kategoriengeleitet im Sinne einer qualitativen Inhaltsanalyse (zur Methode Löblich 2008: 433-545; Nawratil / Schönhagen 2009: 333-346 sowie spezifisch mit Blick auf die Meta-Analyse fachlicher Debatten in der Kommunikationswissenschaft Averbeck 2008c: 259-287). Dimensionen der Betrachtung waren neben der Generation als „Erfahrungszusammenhang“ wie von Karl Mannheim (1928) beschrieben, die von Dirk Käsler (1984) zur Erforschung der frühen deutschen Soziologie entwickelten Konzepte der „Sozial- und Ideengestalt“, respektive den „Milieus“ einer Wissenschaft, dazu auch stimmig Wolf Lepenies’ (1981) Differenzierung von „kognitiver, sozialer und historischer Identität“ einer Wissenschaft sowie Peter Weingarts (1986) Systematik „kognitiver und normativer Orientierungskomplexe“ in der Wissenschaft. Diese Großkategorien wurden nach dem Vorbild eigener und anderer fachhistorischer Arbeiten zur Zeitungs-, Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in Deutschland (cf. v. a. Hachmeister 1987; Averbeck / Kutsch 2002: 57-67; ibid. 2005: 7-22; Meyen / Löblich 2006) weiter ausdifferenziert: 18 DDossier Externe Faktoren Staat - Gesellschaft/ Kultur - Politik - Recht Wirtschaft - Medientechnologie(n) Universität (Herkunfts-, Nachbardisziplinen) Interne Faktoren Ideengestalt Publikationen, analytische und normative Orientierungskomplexe Ansätze, Theorien, Methoden/ Methodologien, epistemologische Diskurse, Lehre Interne Faktoren Sozialgestalt Organisation(en), Institution(en), Schulenbildung, Milieus, informeller Austausch (Wissenschaftler-Netzwerke), formeller Austausch (Konferenzen), Lehre, Publikationsstrategien 2 Abb. 1: Konzeptualisierung von Ideen- und Fachgeschichte (folgend Averbeck / Kutsch 2002: 57-67) Anhand dieses Schemas (cf. auch Averbeck-Lietz 2010: 147) wurde das ermittelte Material (Publikationen und graue Literatur wie oben genannt) ausgewertet. Zugrunde gelegt wurde aus der bestehenden fachhistorischen Forschung die Annahme, dass Wissenschaftsentwicklung von der Festlegung eines „Materialobjektes“ (etwa: Zeitung in der Zeitungswissenschaft) zu einem „Formalobjekt“ (etwa: gesellschaftliche Kommunikation mittels Zeitung in der Publizistikwissenschaft) fortschreitet und sich erst auf dieser Basis eine legitimierte Einzelwissenschaft bilden kann (cf. Wagner 1989: 78-80; Averbeck / Kutsch 2005: 10-12). Generativ spannt sich dies auf über eine Generation „Gründerväter“, die Probleme identifiziert, eine Generation „Schüler“, die diese Probleme ausdifferenziert und diversifiziert, und eine Generation „Enkel“, die Selbstreflexion im Sinne der Historisierung des eigenen Faches beisteuert (cf. Averbeck-Lietz 2010: 365-380). Diese Generationen, die über intergenerative Beziehungslinien und -netzwerke verfügen (ibid.), sind die Träger des epistemologischen Diskurses, der über diese Generationen an hinweg an selbstreflexivem Potenzial gewinnt: Die Enkelgeneration ist in Frankreich wie in Deutschland die erste, die die eigene Fachgeschichte relevant und systematisch in den Fokus nimmt (cf. ibid.: 148), was auch ihrer Identitätsbildung dient: Denn diese Generation der Enkel ist im Frankreich der 1990er und 2000er Jahre überhaupt die erste, die als im Fach Kommunikationswissenschaft habilitierte tätig ist (cf. Cardy / Froissart 2002: 352-362). 4. Fachentwicklung in Frankreich Am 25. Februar 1972 erfolgte im Maison des Sciences de l’homme in Paris die Gründung des Comité Français des Sciences de l’information et de la communication. An der Gründungsversammlung nahmen 44 Wissenschaftler aus verschiede- 19 DDossier nen Disziplinen teil (cf. ausführlich Lancien et al. 2001: 38-39; Averbeck-Lietz 2010: 189-190). Kern dieser Initiative zu einer kommunikations- und medienwissenschaftlichen Fachgründung um den vergleichenden Literaturwissenschaftler, Literatursoziologen und freien Journalisten Robert Escarpit (1918-2000) war eine Gruppe von dreizehn Mitgliedern, deren Interessen ähnlich gelagert waren: Sie alle hatten, aus diversen Fächern kommend, „Kommunikation“ zu ihrem Forschungsgegenstand gemacht und forderten nun ein eigenständiges Fach mit einer eigenen Sektion im Conseil National des Universités (CNU) ein. Der im internationalen Vergleich großen „Verspätung“ dieses Anliegens war man sich bewusst: „Nous étions tous conscients du fait que la communication était sérieusement étudiée aux Etats-Unis depuis plus de vingt ans où il y avait déjà des communicologues. En Allemagne aussi“ (Escarpit 1992: 5). Aufgrund dieser Initiative wurden die Französischen Sciences de l’Information et de la communication 1975 als eigenständige Sektion 71 des CNU etabliert. Die späte, dann aber rasante französische Fachgründung hatte auch nationale wissenschaftspolitische Gründe. Sie steht im Zusammenhang mit der forcierten Technologieentwicklung seit den späten 1970er Jahren, die die Fachgründung im Sinne von Technikfolgeabschätzung und praktischer Ausbildung für einen wachsenden Medienmarkt dringlich nahelegte (cf. Mattelart 1983: 59-73; Lancien et al. 2001: 39). Dazu gehörte von Anfang an nicht nur die Orientierung an Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit, sondern auch an Informationsberufen im weitesten Sinne (Archivare, Dokumentaristen, Bibliothekare, cf. Averbeck-Lietz 2010: 353-364). Begrifflich wurde nach einer weiten, transdisziplinären Klammer gesucht: Le terme de SIC est finalement conservé pour des raisons d’efficacité: le sentiment prévaut que le mot plus concret d’‚information‘ précise un peu la notion vague de ‚communication‘; ce couplage permet en même temps de servir les intérêts de plusieurs groupes distincts de spécialistes, sans prendre une position définitive sur l’épistémologie du domaine (Meyriat 1994: 6). Zwischen 1972 und 1975 hatte man zunächst erwägt, die neue Disziplin „Sciences de la représentation“ oder „Sciences de la signification“ zu nennen (cf. Lancien et al. 2001: 38). Diese Überlegungen ordnen sich einerseits deutlich in die semiotische Tradition ein, andererseits aber galt es, sehr verschiedene Denkrichtungen zusammenzubringen. Daher sprach man in dieser Gründungsphase (durchaus paradox, da es ja um die institutionelle Begründung einer Einzelwissenschaft ging) von der „pluridiscipline“ SIC (cf. Averbeck-Lietz 2010: 374-381). Das bis heute aktuelle Verständnis von „inter-“ oder „transdiscipline“ (ibid.) oder auch eines „champ disciplinaire“ (Charaudeau 2007: 43) 3 bezeichnet Grenzüberschreitungen zur Soziologie, Semiotik, Anthropologie - und längst nicht mehr in erster Linie zu den Sciences de l’information (SI), die das Fach bis heute im Namen führt. Bibliotheks- und Dokumentenwissenschaftler wie Jean Meyriat (1921-2010) oder Robert Estivals (1927-) waren in der Frühphase der SIC aktiv an deren Institutionalisierung beteiligt. Mit der Integration der Bibliotheks- und Dokumentenwissenschaften 20 DDossier („information“) in das Fach Kommunikationswissenschaft, bzw. der Fusion dieser beiden Richtungen, weicht die Fachentwicklung in Frankreich von der in Deutschland stark ab. Allerdings treiben die Kommunikations- und die Informationswissenschaft in Frankreich bereits seit längerer Zeit auseinander (cf. Palermity / Polity 2002: 95-123). Auch ist in diesem Zusammenhang darauf zu verweisen, dass ein Schisma zwischen Kommunikations- und Medienwissenschaft, wie es in der deutschen Forschungs- und Universitätslandschaft besteht (dazu kritisch Wissenschaftsrat 2007: 8, 13; Koivistu / Thomas 2007: 72-74) für Frankreich nicht konstatiert werden kann. In Deutschland hat sich die eher geisteswissenschaftlich orientierte Medienwissenschaft relativ unabhängig von der sozialwissenschaftlichen Kommunikationswissenschaft ab den 1970er Jahren (also im gleichen Jahrzehnt wie die SIC in Frankreich) entwickelt (cf. Hickethier 2003: 6-8) und durchaus mit starken Bezügen zur französischen (Film)Semiotik, Dispositivtheorie und postmodernen französischen Medienphilosophie (cf. die zahlreichen Bezüge auf französische Autoren im Metzler Lexikon Medientheorie, Medienwissenschaft, herausgegeben von Schanze 2002). Insgesamt sind die Debatten um die Fachgegenstände und ihre institutionelle Etablierung in Frankreich älter als die Fachgründung im Sinne ihrer institutionellen Formalisierung 1975 als 71. Sektion Sciences de l’information et de la communication beim CNU. Die Vorgeschichte der Fachgründung (cf. Cabedoche 2009: 300; Averbeck-Lietz 2010: 169-240) ist verbunden mit den spezifischen Wissenschaftsmilieus am Centre d’études de communication de masse (CECMAS) in Paris und an der Universität Bordeaux. An diesen Institutionen und rund um ihre Protagonisten Roland Barthes (1915-1989), Edgar Morin (geb. 1921) und Georges Friedmann (1902-1977) am CECMAS sowie Robert Escarpit (1918-2000) in Bordeaux, allesamt ‚Gründerväter‘ der SIC, 4 begann der tragende Diskurs um die Ablösung aus den Herkunftswissenschaften Literaturwissenschaft und Linguistik. Damit nahm zugleich die Hinwendung zur Soziologie und zur Sozio-Semiotik / Semio-Pragmatik ihren Auftakt (cf. Abschnitt 5 dieses Artikels). Der übergreifende Fachdiskurs der SIC, einschließlich ihrer Vorgeschichte seit der Gründung des CECMAS über die letzten mehr als 50 Jahre, erschließt sich dabei umfassend erst dann, wenn man transnationale Rezeptionsmilieus, besonders die Adaption anglo-amerikanischer Ansätze durch französische KommunikationswissenschaftlerInnen einbezieht. Den USA-Bezug hatte ich als Prämisse meiner Forschung zunächst nicht im Blick, sondern habe diesen bei der Auswertung französischer Fachliteratur erst entdeckt. Zentrale externe theoretische Adaptionen der SIC erfolgten aus der teils älteren US-amerikanischen Sozialphilosophie und Anthropologie (Mead, Bateson, Watzlawick, Berger und Luckmann, dazu ausführlich Averbeck-Lietz 2009: 65-88, 2010: 301-319) und eben nicht (so auch McQuail 2009: 281-292) dem in Frankreich als zumal einseitig funktionalistisch kritisierten Communication Research, wie er prägend für Deutschland wurde. Auch die Nachbarwissenschaft der SIC, die französische Soziologie, nahm den Symbolischen 21 DDossier Interaktionismus in der Nachfolge Meads seit Ende der 1970er Jahre in ihren Theoriendiskurs auf (cf. Berthelot 2000: 35). 5. Unterschiede in der Fachsystematik Deutschland und Frankreich Es gibt zwei mögliche, einander durchaus ergänzende Herangehensweisen, will man Wissenschaftskulturen vergleichen. So wählen Veikko Pietilä, Tarmo Malmberg und Kaarle Nordenstreng (1990) ein deduktiv-typenbildendes Verfahren und entwerfen explorativ (aus der Perspektive der Fachkulturen nordeuropäischer Länder) die Idealtypen einer „euro-amerikanischen“, einer „französischen“ und einer „deutschen“ Variante der Kommunikationswissenschaft. Die erst genannte, euro-amerikanische Variante unterstellen sie als empirisch-sozialwissenschaftlich, die zweite, französische, als semiotisch und die dritte, deutsche, als publizistikwissenschaftlich. Allerdings treffen bekanntlich - ganz im Sinne Max Webers - Idealtypen niemals vollständig auf die Ausprägungen der Realtypen zu, die sich als graduelle Mischtypen darstellen. Dies zeigt der nach der Mitte der 2000er Jahre an der Universität Helsinki entstandene Wissenschaftsvergleich Mapping Communication Research, welcher auf einer breiten Datengrundlage (u. a. Leitfadeninterviews mit FachwissenschaftlerIinnen, Auswertung von Einführungen in das Fach im jeweiligen Land, Themenschwerpunkte von nationalen Fachzeitschriften) beruht (cf. zusammenfassend Herkman 2008: 145-159; Koivistu / Thomas 2010). Die finnischen Forscher nahmen in ihre vergleichende Studie sieben Länder auf, darunter Deutschland und Frankreich. Zumindest die Generalisierung der grundlegenden drei Typen, wie sie Pietilä, Malmberg und Nordenstreng vor fast fünfundzwanzig Jahren skizziert haben, nämlich „euro-amerikanisch / empirisch“, „französisch / semiotisch“, „deutsch / publizistikwissenschaftlich“, bestätigen einzelne Länderstudien der Helsinki-Gruppe durchaus, so insbesondere die Studien zu Deutschland von Juha Koivistu und Peter Thomas (2007) sowie zu Frankreich von Liina Puustinen (2007). Peter J. Schulz und Paul Cobley (2014: vi) haben erst jüngst eindringlich auf den starken semiotischen Strang der romanophonen Fachkultur der Kommunikationswissenschaft - und ihrer Gleichberechtigung neben dem quantitativ-empirischen Fachverständnis US-amerikanischer Provenienz − verwiesen. Der Versuch, Kommunikationswissenschaft in Makrotypen einzuordnen, hat neben der Vereinfachung einen damit einhergehenden weiteren Nachteil: Er reduziert nicht nur synchrone, sondern auch historische Komplexität. Fachhistorisch gesehen kann das nicht zulässig sein, denn die Varianten (dann auch die Typen selbst) können nur über ihre historische Gewordenheit verstanden werden, und die ist dynamisch und nicht statisch. Ich habe mit meinem Schema (cf. Abb. 2 unten), gleichwohl auch dieses vereinfachend ist, versucht, Vergleichsdimensionen einzuführen, die sich unterschiedlich kontextuieren lassen und die nicht zwangsläufig übergeneralisieren. Gesucht wird dann nach verschiedenen möglichen Ausprägungen (innerhalb der deutschen und der französischen Kommunikationswissen- 22 DDossier schaft) von Formalobjekten, Orientierungskomplexen, Denkmotiven, Fachepistemologie, Fachtraditionen, Herkunfts- und Nachbarwissenschaften, Rezeptionslinien in andere nationale Wissenschaftskulturen und aktuelle Entwicklungen in der Theoriebildung (cf. ausführlich Averbeck 2008c: 259-287; Averbeck-Lietz 2010). Ausgehend von einer vermittelnden Position zwischen Generalisierung und Spezifizierung argumentieren auch Daniel Hallin und Paolo Mancini in Bezug auf ihre viel rezipierte Mediensystem-Typologie, die nunmehr ein Jahrzehnt lang (cf. Hallin / Mancini 2004) von Kommunikationswissenschaftlern in vielen Teilen der Welt relativ statisch angewandt wurde. Für neuere Studien „beyond the Western World“ (Hallin / Mancini 2012) war dies nicht mehr möglich. Der Ausweg der MediensystemforscherInnen lag ebenfalls darin, zwar nach wie vor Vergleichskategorien zu bilden, diese aber keiner starren Matrix fix zuzuordnen, sondern eher fallspezifisch nach Ausprägungen zu suchen. Dann kommt man zu dynamischen Szenarios: Was etwa bedeutet „politischer Parallelismus“ (also die Nähe zwischen Journalismus und Politik) in instabilen, verfahrensunsicheren Gesellschaften wie Südafrika oder Russland je anderes als in stabilen westlich-demokratischen wie Frankreich oder Deutschland? (cf. Ibid.: 3). Das erkenntnistheoretische Problem der Generalisierung wird damit zwar nicht gelöst, wohl aber spezifische Dimensionen in Bezug auf (diverse) Kontexte und Besonderheiten hin extrapoliert. Eine kontextbezogene Position habe ich auch bezogen auf den Begriff der „Kommunikation“ und dessen wissenschaftliche Ausformulierung eingenommen und bin kategoriell zu den Vergleichsdimensionen „soziale Kommunikation“ (für Frankreich) und „öffentliche (politische) Kommunikation“ (für Deutschland) gekommen (siehe unten Abb. 2). Diese Kategorien differenzieren sich analytisch vor allem über a) die Disziplingenese, b) die Fachgegenstände und Problemstellungen. Auf fachgegenständlicher Ebene ist zwar durchaus viel Gemeinsamkeit zwischen nationalen Fachgemeinschaften anzunehmen (so meint McQuail 2009: 281), allerdings lässt sich für die französischen SIC beobachten, dass Populärkultur, einschließlich Werbung von Anfang an mit zur fachlichen Gegenstandsperspektive zählte. Für die deutsche Zeitungs-, Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, die sich sowohl nach dem Ersten als auch nach dem Zweiten Weltkrieg auf politische Kommunikation und Propaganda fokussierte, gilt das in dem Maße nicht. 5 Paradigmatisch für die Werbeforschung waren in Frankreich nicht zuletzt Arbeiten von Roland Barthes, die teilweise - wie Barthes berühmte Analyse der Panzani-Nudelwerbung − im Verbund mit der Werbeagentur Publicis entstanden (cf. Averbeck-Lietz 2010: 192). Die historisch gewachsenen Kernidentitäten kommunikationswissenschaftlicher Fachgemeinschaften unterliegen vielfältigen, auch wissenschaftsexternen Einflüssen (die in ihrer Multi-Dimensionalität nur schwer umfassend zu ermitteln sind) wie der politischen Kultur, dem politischen System und nicht zuletzt der Medienentwicklung und -ordnung (cf. Averbeck / Kutsch 2002: 57-67; Meyen / Löblich 2006: 32). In Anlehnung an die Typologie von Pietilä, Malmberg und Nordenstreng (1990: 165-185) kann diese Kernidentität für Deutschland zwar als traditionell 23 DDossier publizistikwissenschaftlich (und dazu zählt Werbung eben nicht in relevanter Hinsicht) begriffen werden. Sie muss aber seit Ende der 1960er Jahre als erweitert um ein sozialwissenschaftliches Selbstverständnis (cf. Klein 2006; Koenen 2008: 1610-1625; Löblich 2010) und seit den 1990er Jahren in Bezug auf eine starke gegenständliche „Entgrenzung“ (cf. Saxer 1993: 175-187) durch Online-Medien und damit neue Formen interpersonaler Kommunikation, Alltags- und Populärkultur beschrieben werden (cf. DGPuK 2008). In Frankreich vollzieht sich seit den 1960er Jahren bis in die 1980er Jahre die sozio-pragmatische Fundierung der Kommunikationswissenschaft, aufbauend auf den linguistischen und semiotischen Wurzeln des Faches. Diese wird seit den 1990er Jahren erweitert um ein sozialwissenschaftliches Selbstverständnis, zuzüglich einer mit der Digitalisierung wie auch in Deutschland einhergehenden Entgrenzung kommunikationswissenschaftlicher Forschungsgegenstände (cf. Maigret 2003). Dabei bleibt es bis heute ein dringender Forschungsbedarf, sich die Erforschung der sogenannten „Neuen Medien“ oder der Nouvelles Technologies de l’information et de la communication (NTIC) im digitalen Zeitalter in Frankreich und Deutschland vergleichend anzusehen. Denn dies dürfte - das legt meine Studie von 2010 nahe - auf der Basis ganz unterschiedlicher theoretischer Grundlagen der Fall sein und zugleich dürften WissenschaftlerInnen in beiden Ländern auch einander ähnliche Forschungsfragen stellen, die vor allem die Durchsättigung aller gesellschaftlichen Lebensbereiche mit medienvermittelter Kommunikation betreffen (cf. CNU 2014). In der deutschsprachigen Fach-Community hat die wissenschaftliche Analyse mit den digitalen Medien und computervermittelter Kommunikation zu einem Traditionsbruch geführt (cf. Beck 2006: V): Nicht mehr nur Massenkommunikation bestimmt das Fach in Deutschland, sondern zunehmend technische vermittelte interpersonale Kommunikation, einschließlich Social Media. Noch 2001 war das in Deutschland gängige, durch die Deutsche Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuK) vordefinierte Formalobjekt die „öffentliche (Massen-)kommunikation“; interpersonale Kommunikation sollte nur als „Anschlusskommunikation“ in den Blick fallen (cf. DGPuK 2001: 3). Im Jahr 2008 in ihrem revidierten Selbstverständnispapier hat die DGPuk dies wesentlich offener formuliert und sieht im Fokus der „Kommunikations- und Medienwissenschaft“ nunmehr „Bedingungen, Folgen und Bedeutungen von medialer, öffentlicher und interpersonaler Kommunikation“. Derzeit sehe ein Teil der Fachgesellschaft die medial vermittelte öffentliche Kommunikation und die damit verbundenen Produktions-, Verarbeitungs- und Rezeptionsprozesse im Vordergrund des Faches; ein anderer Teil sieht die medial vermittelte interpersonale Kommunikation als gleichrangig an (DGPuK 2008: 2-3). 24 DDossier Solche einschränkenden Differenzierungen hinsichtlich des Typs von Kommunikation, der im Mittelpunkt des fachlichen Interesses stehe oder zu stehen habe, finden wir jenseits des Rheins nicht (cf. auch Kopper 2004: 103). Die französische Kommunikationswissenschaft hat ihren Fachgegenstand seit 1975 immer wieder in den Statuten des Conseil National des Universités (CNU), 71. Sektion zentral festschrieben. In eben diesen lässt sich lesen, dass ein kulturell kontextuierter, breit gefasster Kommunikationsbegriff und ebenso ein breit gefasster Medienbegriff (der deutlich auch medienwissenschaftliche Schwerpunkte umfasst) im Mittelpunkt stehen. Als Formalobjekt lässt sich im weitesten Sinne die Vermittlung, die „médiation“ von Sinngebungsprozessen über Medien(kultur) beschreiben (cf. Lancien / Cardy et al. 2001: 40-41; Averbeck-Lietz 2010: 250-267; Carbou 2013: 13, CNU 2014). Dies schließt Forschungsgegenstände wie Werbung, Film und Populärkultur generell ein. Hier schließt sich der Kreis zwischen den fachlichen Gegenständen und der Genese der französischen Kommunikationswissenschaft aus der Linguistik und Semiotik; die angewandte Semiotik von Roland Barthes wurde schon benannt. Impulsgeber für das Fach SIC wurde nicht zuletzt über Schüler-Lehrerbeziehungen auch die Filmsemiotik von Christian Metz (1931-1993; cf. Averbeck-Lietz 2010: 414-445 zu Eliséo Véron als Schüler und Mitarbeiter von Barthes und Metz). Währenddessen ist die deutsche Kommunikationswissenschaft über ihre Wurzeln in der Publizistik- und Zeitungswissenschaft vorrangig aus der Nationalökonomie und der Geschichtswissenschaft (cf. vom Bruch / Roegele 1986; Meyen / Löblich 2006) hervorgegangen, mit immerhin gewissen Überlappungen zur frühen deutschen Kulturwissenschaft (cf. Gentzel / Koenen 2012: 197-217). Kulturwissenschaftliche Ansätze kamen vor allem mit der Adaption der British Cultural Studies ab etwa Mitte der 1990er Jahre auch in der deutschen Kommunikationswissenschaft an (cf. Karmasin / Winter 2003; Hepp 2004: 106), konnten allerdings den Mainstream der Forschung lange nicht erreichen (cf. Schwer 2005). Die noch immer weitreichende Leerstelle einer kulturwissenschaftlichen Kommunikationswissenschaft wurde von den finnischen Forschern in ihrem „Report Germany“ massiv kritisiert (Koivistu / Thomas 2007: 66-70). Deutschland Frankreich dominantes Formalobjekt Öffentliche Kommunikation Soziale Kommunikation dominante Orientierungskomplexe Kommunikator, Medieninhalte, Massenmedien/ Medien der öffentlichen Kommunikation, Rezipient Medieninhalte, Kommunikationsprozess, Zeichen dominante Denkmotive Funktionen, Ziele, Wirkungen der Massenmedien/ Medien der öffent- Sinn, Bedeutung, Kontext; Sinngebungsprozesse in einer Gesell- 25 DDossier lichen Kommunikation für die Gesellschaft (Medienwirkung, Mediennutzung), politische Kommunikation schaft, vermittelt via Sprache, Mediendiskurse („co-construction du sens“). dominante Fachepistemologie Sozialwissenschaftlich geistesu. kulturwissenschaftlich dominante Fachtradition Zeitungs-/ Publizistikwissenschaft Linguistik/ Semiotik (Semio-Pragmatik) Primäre Mutterwissenschaften Geschichtswissenschaft, Nationalökonomie Linguistik, Literaturwissenschaft dominante Rezeptionslinie USA Communication Research (Lazarsfeld-Tradition) (Symbolic) Interactionism (disparat: von Mead bis Palo Alto), social constructivism (Berger/ Luckmann) Abb. 2: Fachtraditionen: Formalobjekte der Kommunikationswissenschaft in Deutschland und Frankreich (basierend auf Averbeck-Lietz 2010: 320) Die Auflistungen in dieser Tabelle sind vereinfachend - natürlich gibt es den jeweiligen Gegentypus „öffentliche Kommunikation“ / „soziale Kommunikation“ auch im anderen Land - aber eben fachhistorisch betrachtet nicht im Mainstream. Blicken wir zunächst nach Frankreich: Relevant ist die Kombination Semiotik plus Pragmatik, die Maigret (2004: 121) als pragmatische Wende („le tournant pragmatique“) in der französischen Kommunikationswissenschaft benennt. Odin bewertet die „sémio-pragmatique“ als (fruchtbare) Heuristik oder Modellvorstellung (cf. Odin 2006: 57, 2011). Zumeist beziehen sich die französischen Autoren nicht auf eine spezifische oder die „sozio-semiotische“ oder „semio-pragmatische“ Theorie, sondern nehmen vielmehr die Semiotik als Basistheorie und entwickeln davon ausgehend unterschiedliche Erklärungsmuster für Kommunikationsprozesse diversen Typs von der Werbung über die Organisationskommunikation bis zur klassischen Massenkommunikation. Gemeinsam haben semio-pragmatische Ansätze die Verknüpfung von Semiotik und Handlungstheorie, teils in Kombination mit den Ansätzen zur therapeutischen und interkulturellen Kommunikation à la Palo Alto, insbesondere mit Bezug auf Arbeiten von Paul Watzlawick, Edward T. Hall und Ray Birdwhistell, teils auch zusammengehend mit dem Interaktionismus Meads (der Bezug auf Herbert Blumer findet sich kaum; cf. dazu die Auseinandersetzung mit den Werken von Eliséo Véron und Alex Mucchielli in Averbeck-Lietz 2010: 414- 449; ebenfalls zu Mucchielli auch Bocquet 2013; Frame 2013 sowie allgemein zu den genannten Einflüssen Boutaud / Véron 2007; Odin 2011: 18-19; Cabedoche 2009: 298). Die Semio-Pragmatik hat sozial-konstruktivistische Auffassungen vorbereitet und vermag solche heute zu integrieren. Sie fügt sich in eine größere Denkbewe- 26 DDossier gung innerhalb der französischen Sozialwissenschaften ein, den „déclin du structuralisme“, den Abstieg des Strukturalismus, der seit Ende der 1970er Jahre die französische Sozialwissenschaft umtrieb (cf. für die Soziologie Moebius / Peter 2004: 9-77, für die Kommunikationswissenschaft Cabedoche 2009: 303). Jenseits des Strukturalismus konnten handlungstheroretische und auch bewusstseinsphilosophische Ansätze wie die Phänomenologie der Lebenswelt von Alfred Schütz, schließlich Berger und Luckmanns Sozialkonstruktivismus in Frankreich rezipiert werden (cf. Averbeck-Lietz 2009: 65-88). Ansätze, die, anders als der Strukturalismus, zwischenmenschliche Interaktionen auch auf der Mikroebene betrachten und diese als zugleich gesellschaftlich wirksam als auch gesellschaftlich mitbedingt ansehen. In Deutschland hat sich das Fach Zeitungswissenschaft früh, seit 1918 mit einer ersten Institutsgründung durch den damals bereits emeritierten Nationalökonomen Karl Bücher an der Universität Leipzig Schritt für Schritt etabliert. Finanziell war dies durch eine Stiftung des Verlegers Edgar Herfurth abgesichert, ideell bezog man sich auf negative Beobachtungen zur Deutschen Presse im Ersten Weltkrieg: Man wollte die Professionalisierung und den Reflexionsgrad der Journalisten erweitern. Gedacht war das Fach zunächst als Nebenfach, wurde aber in Leipzig dann zehn Jahre später, 1926, mit dem Promotionsrecht ausgestattet. In Deutschland war es nicht zuletzt der publizistische „Schock“ des Ersten Weltkriegs mit seiner massiven Pressepropaganda, der die Verleger zu Investitionen in ein Fach Zeitungswissenschaft, nämlich Stiftungsprofessuren für dieses Fach, brachte (überblicksartig zur Institutionalisierungsgeschichte Averbeck 1999: 54-65; Meyen / Löblich 2006: 33-72, speziell zu Leipzig Kutsch 2009: 741-759). Nach 1933 wird die Zeitungswissenschaft zur sich über den Deutschen Zeitungswissenschaftlichen Verband selbst gleichschaltenden NS-Führungswissenschaft (cf. Kutsch 2010: 120-144). Nach dem Zweiten Weltkrieg brachte diese Vergangenheit immense Schwierigkeiten der Re-Etablierung des Faches Zeitungs-, bald Publizistikwissenschaft mit sich: Es stand aufgrund seiner NS-Vergangenheit kurz vor dem institutionellen Aus (Meyen / Löblich 2006: 64). Die Nachkriegsgeschichte der Zeitungswissenschaft führte schließlich durch die Berufung von unbelasteten und innovativen Wissenschaftlerpersönlichkeiten wie den niederländischen Verleger und Soziologen Henk Prakke (1900-1970), doch noch zu einer Phase gelungenen Aufbaus und der Neuformierung der Publizistikwissenschaft zur empirischen Sozialwissenschaft (cf. Klein 2006; Löblich 2010). Zugleich ist dies in weiten Teilen allerdings eine Geschichte des Verdrängens und Vergessens der nationalsozialistischen Phase des Faches (dazu Hardt 2002: 34-39; Kutsch 2006: 73-112; Kovistu / Thomas 2007: 64-65; Koenen 2008: 1610-1625). Nach 1945 wird die Epistemologie der Publizistik-, dann der Kommunikationswissenschaft verstärkt positivistisch. Wie Hanno Hardt (2002: 34-39) schreibt, wohl auch als Abwehr ideologischer Positionen - damit nicht zuletzt erneut der eigenen Vergangenheit. Das Empirie-Verständnis wird vorrangig quantitativ; zugleich werden die geisteswissenschaftlichen Wurzeln des Faches weitgehend abgelegt (cf. Löblich 2007: 27 DDossier 69-88, ibid. 2010). Erst ab Mitte/ Ende der 1990er Jahre wendet sich das Fach in Deutschland (wieder) stärker kulturalistischen Ansätzen zu (cf. Karmasin / Winter 2003) und damit einhergehend qualitativen Forschungsdesigns und -methoden. Jüngst debattiert die deutsche Kommunikationswissenschaft, die anders als die Soziologie nie einen „Positivismusstreit“ hatte (cf. Meyen / Friedrich 2011: 20-42), über normative Prämissen und Positionen in der und seitens der (empirischen) Kommunikationswissenschaft (cf. Thomaß / Karmasin 2013). Zu dieser spezifisch deutschen Fachgeschichte mit der „positivistischen Wende“ (Löblich 2007: 69-88, ibid. 2010) gehört auch die Abwehr der Kritischen Theorie in der BRD, die in den letzten Jahren analytisch aufgearbeitet wurde (cf. Scheu / Wiedemann 2008: 9-17; Scheu 2012). In Frankreich hingegen war und ist die Kritische Theorie eine wichtige Referenz (cf. Cabedoche 2009: 298-300). Einen massiven politischen, ideologischen und auch epistemologischen Bruch wie soeben für Deutschland nach 1945 beschrieben (dem der Bruch nach 1933 wiederum schon vorausging, cf. Kutsch 1988: 3-16 und Averbeck-Lietz 2001: 451- 475 zur Emigration und Flucht deutscher Zeitungswissenschaftler aus und vor dem NS-Staat), hat die französische Fachtradition nicht erlebt. Gleichwohl lassen sich auch an ihr Verschränkungen zwischen Politik- und der Wissenschaftsgeschichte zeigen: Zwar funktionierte die Ausgrenzung links-intellektueller Positionen aus der Kommunikationswissenschaft in Frankreich schon deshalb nicht, da sie anders als in Deutschland (cf. Klein 2006; Scheu 2012) offenbar keinen relevanten Konfliktstoff zwischen den Generationen bot: Einige der Gründerväter der französischen SIC standen in ihrem Leben phasenweise, zumeist im Zusammenhang mit der französischen Résistance gegen die deutschen Okkupatoren, in enger Verbindung zur französischen Kommunistischen Partei oder war Mitglied. Erfolgte häufig der Bruch mit der KP, nachdem die Verbrechen Stalins bekannt wurden, blieben diese Wissenschaftler (neo)marxistischem Gedankengut gleichwohl verbunden, auch und gerade als Basis einer „kritischen Kommunikationswissenschaft“ (in Bezug auf Morin Averbeck-Lietz 2010: 182; auf Escarpit Averbeck-Lietz 2010: 196-197). Eine fachhistorische Aufarbeitung der Adaption der Kritischen Theorie in Frankreich, die bis Ende der 1990er Jahre nachweislich stärker war als in der deutschen Kommunikationswissenschaft, steht aus (für einen ersten Überblick, cf. Renault 2003). Schauen wir noch einmal auf die vereinfachende Abbildung 2 oben und deren letzte Spalten: Auch in Deutschland finden wir nicht nur Bezüge auf den Communication Research, sondern ebenfalls den Symbolischen Interaktionismus (SI), 6 welcher aber nicht die Rolle einer primären Orientierung für das Formalobjekt der Kommunikationswissenschaft einnimmt wie in Frankreich, wo er die handlungstheoretischen Orientierungen stark bestimmt hat. Der Rückgriff auf den SI wird in Deutschland und in Frankreich jeweils mit dem Blick in die USA verbunden, aber nicht aufeinander. Waren seit etwa 1980 in Frankreich der Linguist und Kommunikationswissenschaftler Eliséo Véron (1935-2014) und der Soziologe Louis Quéré (1947-) die Protagonisten der Adaption des SI in der Nachfolge Meads, so im deutschen Sprachraum ab Ende der 1980er Jahre Karsten Renckstorf (1945- 28 DDossier 2013), Friedrich Krotz (1950-) und Roland Burkart (alle Namensreihungen hier ohne Anspruch auf Vollständigkeit). Krotz (2007) erhebt den SI zur Basistheorie eines Verständnisses von Humankommunikation und der Fundierung seines eigenen handlungstheoretisch begründeten Konzeptes der „Mediatisierung“, gemeint ist die übergreifende und historisch langfristige, ebenso wie hochdynamische technologische Durchdringung der Gesellschaft und Kultur mit Medien einerseits, des Handels der Menschen mit und mittels dieser Medien andererseits (cf. Krotz / Hepp 2012). Bei Burkart dient der Symbolische Interaktionismus der Erklärung von Identitätsbildung, Primär- und Sekundärsozialisation (cf. Burkart 2002: 46-48 und 131-133). In den Einführungen in die Kommunikationswissenschaft von Rudolf Stöber (2008: 27-30) und Klaus Beck (2007: 30-33) wird der SI ebenfalls als Basistheorie benannt, die der erkenntnistheoretischen Fundierung der gesamten Kommunikationswissenschaft dient. Der SI hat also inzwischen auch in Deutschland Eingang in die Lehrbuchliteratur gefunden und Adaption und Varianten hervorgebracht. Der soziale Konstruktivismus baut wiederum auf der Adaption des SI auf (cf. Berger / Luckmann 1994). Die oben als typisch französisch bezeichnete „Communication sociale“ (cf. Abb. 2) - die mit dem SI ihre Spuren aber auch in der deutschen Kommunikationswissenschaft hat − lässt sich übergreifend als sinnstiftender, kultureller Prozess zwischen Menschen definieren, sei dieser nun massenmedial oder interpersonal vermittelt: [L]a communication est un concept qui désigne un processus social qui s’étend à tous les êtres humaines, [ ] selon lequel l’échange d’information sur un sujet donné conduisant à un partage de sens se fait en mettant les personnes en contact, en interaction (Le Coadic 2006: 5). A un niveau très général, on peut distinguer trois pôles, trois dimensions dont toute recherche en communication cherche à élucider les rapports: celui de circulation de sens, celui des acteurs et des pratiques sociales, celui des techniques [ ] comment faire se rejoindre les signes et les supports, les acteurs le les objets, les situations et la génération du sens (Perret 2004: 126). Die beiden Zitationen verdeutlichen eine integrative Auffassung von Kommunikation, insofern sie Kommunikationsprozesse stets auf mehreren Ebenen untersucht, die interdependent miteinander verschränkt sind. Gesellschaftliche als soziale Kommunikation findet dann ebenso interpersonal wie auf der Meso-Ebene von Organisationen als auch (und zugleich) massenmedial vermittelt statt, nämlich über das Wechselspiel dieser Ebenen. Sozio-kulturell gebundene Sinnhorizonte konstituieren sich über diese Ebenen hinweg und miteinander verschränkt durch Sprach- und Zeichengebung. In diese Makro-Meso-Mikro-Prozesse gesellschaftlicher Kommunikation (cf. auch Frame 2013: 19; Véron 2014: 169-170) sind Kommunikator und Rezipient beide (und in Bezug aufeinander) involviert. Sie „kokonstruieren Sinn“ („co-construction“, cf. Boutaud 1998: 292; Charaudeau 2006: 29 DDossier 27; Frame 2013: 3; Véron 2014: 170). Was das für die semio-pragmatische Theoriebildung konkret bedeutet, darauf sei im Folgenden näher eingegangen. 6. Semio-Pragmatik als Spezifkum der französischen Kommunikationswissenschaft Friedrich Krotz hat die deutsche kommunikationswissenschaftliche Fachgemeinschaft darauf aufmerksam gemacht, dass eine kulturtheoretisch orientierte Kommunikationswissenschaft im Sinne eines „neopragmatischen Ansatzes [Hervorhebung St. A.-L.]“ auf die Semiotik (Peircescher Prägung) als weitere Referenz neben dem Symbolischen Interaktionismus zurückgreifen müsse. Diese Zusammenführung hat Véron (1981, 1987) schon in den 1980er Jahre in Frankreich mit der Entwicklung seiner Lesart der Semio-Pragmatik umgesetzt (cf. Averbeck-Lietz 2010: 414-449). Béaud / Kaufmann resümieren die Semio-Pragmatik, auch firmierend als Sozio- Semiotik (von einer geschlossenen Theoriebildung kann insgesamt nicht die Rede sein) wie folgt: The sociosemiotic project focuses on the determination of meanings allowed by collusion - most often à priori - between the micro-universies constructed by political, advertising, informational or literary discourses, on the one hand, and the frames of experience that the authors ‚spontaneously‘ mobilise in their daily lives, on the other (Beaud / Kaufmann 1998: 26). Dieser Ansatz stehe erkenntnistheoretisch zwischen „Objektivismus“ und „Relativismus“. Der Bezugskontext des Rezipienten einer Fernsehsendung etwa sei immer schon symbolisch vermittelt: „It is therefore not the ‚referential real‘ but the ‚symbolic real‘ that the socio-semiotician proposes to analyse“ (Beaud / Kaufmann 1998: 24). Jean-Jacques Boutaud spricht diesbezüglich in Anlehnung an Véron von der „construction sociale du sens“ oder auch der „co-production“ von Sinn (cf. Boutaud 1998: 11; 92, 151f.). Véron (1981) hatte seinerseits als wohl erster in Frankreich das Konzept der symbolisch vermittelten „Medienrealität“ eingeführt und am Fallbeispiel der Berichterstattung über den atomaren Störfall im US-amerikanischen Kernkraftwerk Harrisburg analysiert. Die gesellschaftliche oder soziale Konstruktion der Wirklichkeit durch Kommunikation (cf. Boutaud 1998: 154, 156f.) kann dabei, semio-pragmatischen Auffassungen folgend, keine ausschliesslich subjektive sein. Roger Odin (2011: 20) spricht daher auch nicht von Akteuren im Kommunikationsprozess, sondern von Aktanten („actants“). Sie sind in gewisser Weise Stellvertreter für mögliche Rezeptionsoptionen des Textes, für „hypothèses de lecture“ (ibid.: 23), die die Aktanten in Bezug auf Medientexte (oder Bilder) haben (können), nicht aber: reale Personen, wie sie Rezeptionsforscher untersuchen würden. 30 DDossier Häufig wenden sich französische Semio-Pragmatiker gegen einen allumfassenden Handlungsbegriff, der beliebige Interpretation eines Textes zulasse, indem WissenschaftlerInnen Rezipienten ausschließlich als „agents individuels“ betrachteten (cf. Odin 2011: 16-17). Diese Kritik an einem rational für sich handelnden Individuum trifft nicht nur dezidiert den US-amerikanischen Uses-and-Gratifications-Approach, sondern auch solche handlungssoziologischen Ansätze französischer Provenienz, die annehmen, „que les logiques d’action peuvent se substituer aux phénomènes de sens“ (Jeanneret 2007: 20). Dem (realen) Akteur wird aus analytischer Perspektive also keineswegs der Vorrang vor dem Zeichen und dessen „formes destinées à être reconnues et interprétés“ (ibid.: 20) gegeben. „Sens“ und „logiques d’action“ müssen in einer Spannung stehen, keines der Konzepte ist ohne das andere verständlich. Insgesamt führt die Semio-Pragmatik ein soziologisch-kulturalistisches Verständnis des Sozialen mit einem semiotischen Zeichenverständnis zusammen, das zwar auf die linguistisch-strukturalistische Tradition zurückgreift, sich aber auch deutlich von ihr abwendet: Die Semio-Pragmatik bezieht die „compétence communicationelle“, die als soziale Erfahrung erworben wird, als „contrainte“ des Kommunikationsprozesses in die analytische Betrachtung ein (cf. Odin 2011: 63). Odin zeigt dies in seiner Historiografie und Analyse der Ausprägungen des „film de famille“. Gemeint sind audiovisuelle Produktionen, die in Familien sowohl für den Eigengebrauch als auch für Zwecke der familiären Selbstdarstellung hergestellt wurden und werden. Analysedimensionen sind dabei die „réprésentations“, z. B. der Rolle der Frau und Mutter, der Symbolik der Kindheit, des Verständnisses von Elternschaft und Ehe. Dies umschließt sowohl rituelle Darstellungen solcher Repräsentationen, aber auch den „mode de l’authenticité“. Jener zeige die Familie als wahrhaftig und ‚echt‘ (Youtube spielt in Odins Analyse noch keine Rolle). Elemente der Authentizitäts-Produktion, wie sie der Familienfilm entwickelt habe, seien in TV-Serien-Formate, Spiel- und Werbefilme eingegangen und übernehmen darin bestimmte Funktionen, so Authentizität vorzutäuschen. Umgekehrt orientierten sich ‚selbstproduzierte‘ Familienfilme an medialen Rahmen und Stereotypen und seien ebenfalls nicht beliebig in ihrer Gestaltung (cf. ibid.: 103-122). 7. ‚Travelling ideas‘ - was können wir aus dem deutsch-französischen Vergleich lernen? Ma position est inséparable d’un triangle: celui que l’on peut tracer entre Buenos Aires, Paris et la Californie, sorte de dialogue Nord-Sud qui eut une importance considérable pour certains d’entre nous tout ou long des années soixante (Véron 1982: 171). Dass sich bestimmte Ansätze, etwa der Sozial-Konstruktivismus, sowohl durch transnationale Adaptionen (Berger und Luckmann) als auch nationaltypische Orientierungskomplexe so die Semio-Pragmatik über „travelling theories“ (Said 1983: 195-217) ausdifferenzieren, hatte ich an anderer Stelle genauer gezeigt (cf. 31 DDossier Averbeck-Lietz 2009: 65-88). In Bezug auf einen anderen Forschungsbereich haben sowohl Andreas Hepp als auch Erik Maigret transnationale Bewegungen der British Cultural Studies und deren spezifische Diffundierung in die jeweils nationale Community, Deutschland und Frankreich, nachgezeichnet (cf. Hepp 2004; Maigret 2013: 145-164, weiterführend zur Adaption der Cultural Studies in Frankreich Neveu / Mattelart 2003; Darras 2007). Solche Beobachtungen transnationaler Wissens- und Wissenschaftsimporte und -exporte sind ein Anstoß zu fragen, wie sich transnationale Entwicklungen in der Kommunikationswissenschaft insgesamt darstellen. Ich spreche dabei bewusst von transnational, nicht von „supranational“ (Bonnet / Bonnet 2004: 4), was ‚steuerbare‘ oder in irgendeiner Weise zentral regulierte Vorgänge assoziiert (im Sinne supranationaler Organisationen wie der UN). Stattdessen zeigt sich, dass nationale und transnationale Einflüsse und Gegeneinflüsse interdependent sind, zeitlichen Prozessen (z. B. verzögerten Adaptionen) unterliegen und oft dezentral verlaufen (cf. Herkman 2008: 145-159; Schäfer 2005: 23-52). Solche Interdependenzen sind als langfristige und kurzfristige Wechselbeziehungen zwischen Wissenschaftskulturen bisher für die Kommunikationswissenschaft sehr schlecht erforscht. Konnte ich in meiner eigenen Arbeit zentrale Differenzen zwischen Deutschland und Frankreich aufzeigen, so stellt sich der Transfer innerhalb romanophoner Länder offenbar völlig anders dar: Grenzüberschreitungen finden hier nicht nur aufgrund von Emigration (Travelling People sind ein zentraler Faktor für Travelling Ideas, siehe oben das Eingangszitat zu diesem Abschnitt) aus den lateinamerikanischen Militärdiktaturen in den 1970er Jahren statt (von Véron aus Argentinien nach Paris, von Armand Mattelart aus Pinochets Chile nach Paris), sondern auch durch die offenbar leichter und nicht über das Englisch gehenden Adaptionen in den jeweiligen romanischen Originalsprachen (cf. Cabedoche 2009: 305). So hat die französische Kommunikationswissenschaft, insbesondere deren semiotische Traditionen und deren Ausprägungen der Kritischen Theorie die lateinamerikanische Kommunikationsforschung maßgeblich beeinflusst (cf. Massmann 2004: 275- 291). Auf die diversen Verschränkungen der romanophonen Länder und ihrer Kommunikationswissenschaften gerade auch im Arbeits- und Forschungskontext der UNESCO und ihrer über die Dezennien changierenden Positionen zu „Medien und Entwicklung“ verweist Bertrand Cabedoche (2009: 301-302). Will man die französischsprachige Kommunikationswissenschaft besser verstehen, als das aus einem Vergleich mit der zwar geographisch nahen, gleichwohl sehr unterschiedlichen deutschen Fachkultur möglich ist, so wäre es wichtig, den diesbezüglichen Wissens- und Wissenschaftstransfer zwischen romanischen Wissenschaftskulturen zu untersuchen und hier größere Ähnlichkeiten (most similar-design) anzunehmen. Dies selbstredend nicht, ohne Unterschiede auszulassen: So hat in Spanien der Francismus die Kommunikationswissenschaft und ihre verzögerte Entwicklung als akademische Disziplin nachhaltig beeinflusst (cf. Jones 2006: 528-545; Alsina / García Jiménez 2010: 273-286). Die nachholende Entwicklung der spanischen 32 DDossier Gesellschaft, auch und gerade in Bezug auf die Ausdifferenzierung von Kommunikationsberufen, zumal im Journalismus und in der Öffentlichkeitsarbeit, führte seit den 1980er Jahren, dann in den 1990 Jahren verbunden mit dem „Bologna- Prozess“ zu vorrangig anwendungsorientierten kommunikationswissenschaftlichen Studiengängen (cf. Lacasa et al. 2012: 411-424). Dies trifft für Frankreich nicht zu. Gleichwohl bestehen Überlappungen mit der spanischen, auch der lateinamerikanischen Kommunikationswissenschaft und -forschung, in der semiotisch-pragmatischen Perspektive auf „médiation / mediación“ sowie zu neo-marxistisch kritischen Perspektiven. 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Etat des savoirs, Paris, 1998, 49-55. 1 Cf. http: / / rfsic.revues.org (6.7.2014). 2 Diese Schema wird derzeit in einem Buch für den internationalen Vergleich (Länderstudien zu West-, Nord-, Südeuropa, Lateinamerika, Japan und USA) gemeinsam mit anderen WissenschaftlerInnen weiterentwickelt (cf. Averbeck-Lietz 2015). Den entsprechenden Fachartikel für Frankreich steuert Pascal Froissart bei. 3 Zur längst transnationalen Debatte um „field or discipline“, die sich bis in die 1950er Jahre in die USA zurückverfolgen lässt, Nordenstreng (2007: 211-222). 4 Auch Roland Barthes hatte sich für die Fachgründung SIC eingesetzt, auch wenn er sich selbst nicht als Kommunikationswissenschaftler sah (cf. Lancien et al.: 38-39; Averbeck- Lietz 2010: 189) 5 Eine frühe Blüte erlebte die Werbeforschung in Deutschland vor 1933 innerhalb der Psychologie und Psychotechnik mit wenigen Überschneidungen zur Zeitungswissenschaft (cf. Regnery 2003). 6 Ich verwende hier vereinfachend die von Meads Schüler Herbert Blumer eingeführte Bezeichnung Symbolischer Interaktionismus, obwohl Mead selbst nur von sozialem Behaviorismus sprach. 40 DDossier Julia Velkovska Ethnométhodologie des usages des TICs: recherches françaises Les recherches sur les usages des technologies de l’information et de la communication (TICs) se sont développées en France au sein de trois principaux courants: l’approche dite de „l’autonomie sociale“, la théorie de l’acteur-réseau et l’ethnométhodologie et ses développements dans le cadre de l’analyse conversationnelle (Jouët 2000). 1 Le présent article propose un aperçu des travaux français - avec en toile de fond les recherches internationales, notamment anglo-saxonnes - qui ont mobilisé cette dernière perspective à partir des années 1980. L’objectif de cette mise en perspective est double. D’une part, elle mettra en relief les principaux apports de ces travaux en les restituant dans la logique d’une tradition de recherche mobilisant une théorie particulière de l’action et de la communication. A la différence des travaux anglosaxons, les recherches françaises d’inspiration ethnométhodologique portant sur les technologies de la communication n’ont pas reçu pour le moment cette visibilité de démarche d’ensemble, n’étant pas réunies dans des ouvrages collectifs, à l’exception de quelques numéros thématiques de revues. D’autre part l’article explorera les continuités, mais aussi les spécificités, de la réception française de la tradition ethnométhodologique et les différentes manières dont celle-ci a pu être mobilisée pour l’étude de situations impliquant des objets de communication. Cette piste m’amènera à décrire les conditions d’émergence des recherches ethnométhodologiques sur les usages des TICs en France en lien avec les contextes académiques, institutionnels et industriels de leur développement, mais également avec l’apparition de technologies de communication ‚locales‘ comme le Minitel, ou encore le visiophone dans les années 1980. Si les traits distinctifs éventuels des travaux français dans l’ensemble des recherches d’inspiration ethnométhodologique portant sur les TICs restent à explorer, la sociologie des usages est bien une spécificité française. Elaborée à partir des années 1980, elle n’a pas d’équivalent direct dans d’autres pays où les pratiques de communication sont traitées - au-delà des disciplines traditionnelles telles la sociologie, l’anthropologie ou la linguistique - au sein de domaines spécialisés comme communication studies, media studies, internet studies, etc. En plaçant en son centre la notion ‚d’usage de ‘, la sociologie des usages a eu pour mérite de réhabiliter, dans le paysage de la sociologie française, les artefacts technologiques comme objets d’étude légitimes, de permettre leur prise en compte explicite dans les analyses et de mettre sous le projecteur les pratiques qui leur sont liées. Prenant le contre-pied du schéma causal du déterminisme technologique et de la ‚problématique des effets‘ du modèle de la consommation passive (selon lequel 41 DDossier les usages découlent de l’offre de produits et de services) la sociologie des usages a procédé à un double mouvement: la constitution des ‚usages‘ des TICs en objet de recherche autonome, puis leur inscription dans des contextes sociaux (à savoir familiaux, amicaux, professionnels, etc.). Ces deux notions centrales, usage et contexte, restent cependant insuffisamment définies et soulèvent une série de difficultés. Tout d’abord, la sociologie des usages a cherché fonder sa spécificité par une série d’opérations de décontextualisation, en creusant la différence entre la notion d’usage et les concepts centraux de la sociologie qui sont ceux de pratique, d’action et d’activité. Ce faisant, et à trop vouloir insister sur les entrées technologiques des recherches comme sur leurs aspects empiriques, la sociologie des usages a abouti à une posture difficile dans laquelle elle est à l’écart des problématiques classiques de sa discipline-mère tout en ne parvenant pas à élaborer un appareil conceptuel homogène propre. Concernant la notion de contexte ensuite, la sociologie des usages a insisté sur la nécessité d’inscrire ces derniers dans des contextes sociaux. Dans cette posture, activités de communication (à travers, entre autres, l’usage d’une technologie) et contexte sont posés comme des entités séparées qu’il s’agit de réarticuler ensuite dans l’analyse. Pourtant, à y regarder de plus près, il est difficile d’établir les usages comme une réalité autonome qu’on peut constituer en objet d’investigation sociologique, car il n’y pas d’usage en soi en dehors des activités et des situations sociales - activités de communication, de travail, de constitution de relations significatives à l’autre et à l’environnement. Il en ressort un ensemble de problèmes pour les enquêtes liés à la relative abstraction des ‚usages‘ qui se voient ainsi coupées des activités et des situations sociales pour être posées comme objet de recherche en soi. Les recherches d’inspiration EM, présentes dans le paysage intellectuel dès les débuts de la sociologie des usages française dans les années 1980, offrent des solutions à ces difficultés en proposant notamment un traitement différent des liens entre activité et contexte, ainsi que de la notion de contexte elle-même. L’originalité de ces travaux est de s’intéresser aux usages des TICs en situation naturelle, c’est-à-dire en observant les activités et les interactions en train de se faire. En conséquence la posture EM implique des méthodes d’enquête et d’analyse capables de rendre compte de l’action en situation: il s’agit notamment de différentes formes d’ethnographie de situations d’usage basée sur l’enregistrement des activités - audio ou vidéo - en temps réel. Organisé en deux parties, l’article s’attache à montrer en quoi l’approche ethnométhodologique des TICs propose un traitement différent des notions d’usage et de contexte et en quoi ces déplacements contribuent à faire émerger et à décrire des phénomènes nouveaux dans le domaine des interactions médiatisées. Une première partie théorique et historique, structurée en quatre paragraphes, introduit successivement les bases de la théorie de l’action en ethnométhodologie; le cadre analytique qui en découle pour l’étude des usages des 42 DDossier technologies de la communication; les relations avec le domaine du design technologique; l’émergence et la structuration du champ français des recherches ethnométhodologiques sur les interactions médiatisées. La deuxième partie de l’article rend compte de ces travaux sur les trois terrains principaux qu’ils ont investigués: la vidéocommunication, les interactions sur téléphone mobile et sur les différentes plateformes conversationnelles d’internet. 1. Une perspective pragmatiste sur les usages des technologies de la communication: la sociologie ethnométhodologique L’ethnométhodologie analyse les technologies et leurs usages du point de vue des actions et des interactions en train de se faire, c’est-à-dire depuis la perspective des membres. 2 Pour saisir pleinement cet angle d’analyse ainsi que le recours aux enregistrements vidéo et audio des interactions comme mode d’enquête privilégié, il est nécessaire de revenir à la théorie de l’action qui les sous-tend. 1.1 La théorie de l’action en ethnométhodologie En tant que théorie générale de l’action sociale, l’ethnométhodologie participe au tournant pragmatique des sciences humaines et sociales, enraciné dans les traditions philosophiques du pragmatisme américain (Peirce, James, Dewey), de la phénoménologie (Husserl, Merleau-Ponty, Schütz) et de la philosophie analytique de l’action (Wittgenstein). Ces déplacements dans le champ des théories de l’action consistent à substituer une problématique de réalisation de l’activité à une problématique de la décision et du plan. 3 Les deux aspects qui caractérisent ce changement de paradigme concernent la conception de l’action et de ses liens avec l’environnement. Premièrement, les activités, telles qu’elles se déroulent dans les situations quotidiennes, sont placées au centre de l’attention. L’idée principale est que leur sens est observable dans leur déroulement pratique et l’analyste n’a donc pas besoin de chercher des entités sous-jacentes ou cachées (en tout cas non accessibles à l’observation) qui sont censées gouverner l’action comme les structures sociales pour la sociologie ou les processus mentaux, les plans, les calculs rationnels pour la psychologie. Deuxièmement, le tournant pragmatique insiste sur la prise en compte de l’environnement dans l’analyse de l’action: pour comprendre l’action il faut tenir compte de son lien avec l’environnement. Dans cette conception, l’action est quelque chose de plus ou de différent du calcul rationnel puisque nous n’agissons jamais seuls: notre action est incarnée dans un environnement et les objets, les artefacts, les instruments de cet environnement structurent nos activités. 4 L’orientation pragmatiste propose donc d’abandonner le paradigme de l’acteur rationnel qui calcule son action en termes de pertes et profits et de le remplacer par celui de l’action située. 5 Dans le domaine de la sociologie, l’EM constitue l’entreprise la plus aboutie de la mise en œuvre du projet pragmatiste sur le plan des recherches empiriques. 43 DDossier Dans la prolongation du geste pragmatiste, le déplacement radical que propose l’EM dans le paysage des théories sociologiques de l’action est de considérer l’activité en tant que telle, depuis une perspective endogène. Ceci la distingue des autres approches en sociologie qui se donnent chacune une extériorité pour expliquer l’action, soit le contexte pour les théories déterministes (marxisme, fonctionnalisme, structuralisme), soit l’individu et la rationalité individuelle pour l’individualisme ou encore pour l’interactionnisme (Goffman, Strauss). 6 En effet, les activités en tant qu’elles sont méthodiquement organisées forment l’objet d’analyse de l’ethnométhodologie. Dans cette perspective, les activités se constituent ellesmêmes dans le cours de leur accomplissement comme ayant un début et une fin et comme ancrées dans une situation. C’est ce cours d’action qui définit son contexte et qui fait émerger des agents et des relations entre eux. La proposition de Garfinkel (2007) est donc d’étudier non plus les déterminants externes qui peuvent être derrière l’action (motivations, normes, structures sociales), mais les propriétés ordonnées des activités et du raisonnement pratique. Il s’agit de décrire les „méthodes d’analyse, de description et de détection des faits des membres“ (Zimmerman / Pollner 1996: 9). Selon Garfinkel, et on peut résumer ainsi l’orientation analytique de l’EM, il s’agit d’analyser comment les hommes isolés, et pourtant tous impliqués dans une communion curieuse, se débrouillent pour construire, tester, maintenir, altérer, valider, questionner et définir un ordre ensemble (Garfinkel cité dans Heritage 1991: 97). L’accent porté sur l’analyse des procédures mises en œuvre par les participants dans l’accomplissement pratiques des cours d’action définit l’EM comme une théorie procédurale de l’action en tant qu’irrémédiablement située, temporelle et incarnée dans un environnement. Garfinkel résume cet argument ainsi: L’ethnométhodologie insiste sur les procédures, mais cette insistance porte sur un travail. Par procédural, l’ethnométhodologie n’entend pas des processus. Procédural signifie travail (labor). [ ] L’obsession centrale des ethnométhodologues est d’esquisser un autre type de description procédurale des phénomènes d’ordre, en tant qu’ils peuvent être accomplis - donc mettre au jour des méthodologies - et cela sans sacrifier les questions de structure. [ ] C’est un intérêt pour la structure en tant que phénomène d’ordre réalisé (Garfinkel 2001: 33). Dans le domaine des théories de l’action, l’EM opère donc deux déplacements importants par rapport à la sociologie classique: 1) déplacement de l’objet d’analyse de la sociologie des structures sociales vers les activités organisées des membres qui les accomplissent; 2) déplacement de l’intérêt pour la motivation de l’action vers les „procédures par lesquelles les acteurs reconnaissent, produisent et reproduisent des actions et des structures sociales“ (Heritage 1991: 92). La coordination des actions ne se fait plus de l’extérieur (ni par des règles, des normes et des valeurs intériorisées, ni par des plans individuels) mais repose sur leur caractère intelligible, ‚observable et descriptible‘ (accountable) pour les 44 DDossier membres compétents. La notion de l’accountability des activités ordinaires est centrale dans la théorie de Garfinkel et renvoie au fait que les activités ont une intelligibilité incarnée pour ceux qui y participent. La coordination des actions est donc possible grâce aux compétences des membres à se conduire de manière appropriée et intelligible pour les autres. Ils accomplissent ainsi pratiquement la visibilité d’un certain type de situation, de règles, de relations, d’institution, d’ordre. Les structures de la situation sont alors appréhendées comme des structures, des traits observables de l’action. Cette conception de l’action sociale introduit un changement radical dans les rapports entre savoir sociologique et savoir du sens commun et a des implications méthodologiques importantes. Les éléments qui composent une situation sociale sont ceux rendus visibles, pertinents et disponibles dans l’accomplissement pratique. En conséquence, la perspective des participants - engagés dans une interaction et sélectionnant des éléments pertinents pour constituer la situation - doit être soigneusement distinguée du point de vue de l’analyste tenté d’inventorier tous les éléments à prendre logiquement en compte. La proposition de Garfinkel d’analyser l’ordre social (et les structures sociales) comme des accomplissements pratiques, et donc comme des propriétés observables des activités, introduit ainsi un déplacement fondamental dans les théories de l’action avec des conséquences importantes sur le plan empirique notamment le recours à des enregistrements vidéo et audio pour l’étude naturaliste des activités. 1.2 Les usages des TICs comme objet de recherche en ethnométhodologie: affordance, ajustement et artefact interactionnel Quelles sont les conséquences de la théorie de l’action en ethnométhodologie pour les études des usages des TICs? En tant que théorie sociologique générale avec une approche procédurale de l’ordre social, l’EM ouvre une perspective de recherche particulière dans ce domaine qui vise à saisir sur le vif le travail interactionnel dans les situations médiatisées. L’analyse ethnométhodologique des technologies et leurs usages est donc une analyse des activités technologiquement équipées. Précisément, il s’agit de décrire l’organisation pratique et les propriétés des activités et des interactions entre interlocuteurs distribués spatialement et parfois temporellement. Cette perspective épistémologique suppose d’adopter des focales spécifiques aussi bien sur le plan des concepts que sur celui des méthodes. Sur le plan conceptuel, la notion d’affordance, reprise des travaux de Gibson (1979) en psychologie de la perception, a joué un rôle central parce qu’elle offre une prise pour analyser les objets dans l’action et donc pour dépasser la séparation entre la technique et le social. En effet, les affordances désignent les propriétés de l’objet technique en termes de possibilités et de contraintes qu’il offre pour l’action. Dans ses développements pour l’étude des interactions médiatisées, cette 45 DDossier notion offre une ‚troisième voie‘ entre l’approche constructiviste et l’approche déterministe des technologies, comme l’observe Hutchby (2000, 2001): Cela implique de voir les technologies ni en termes de leur propriétés ‚interprétatives textuelles‘, ni en termes de leur propriétés ‚essentielles techniques‘ mais en termes de leurs affordances. [ ] les affordances sont des aspects fonctionnels et relationnels qui encadrent, mais ne déterminent pas, les possibilités d’action des agents (agentic action) en relation avec un objet. De cette manière les technologies peuvent être comprises comme des artefacts qui peuvent à la fois être modelées par et modeler en retour les pratiques que les humains mettent en œuvre pour interagir avec, autour et à travers elles (Hutchby 2001: 444). Le concept d’affordance permet de dépasser les oppositions entre le déterminisme technique et le déterminisme social dans les approches des usages des TICs. Il met au centre de l’analyse la relation entre la technologie et l’action et oriente l’attention - sur le plan de l’observation empirique - vers les processus d’ajustement, ces pratiques ordinaires qui s’approprient et font exister les objets techniques dans la vie quotidienne. 7 Ce geste accorde une véritable place dans l’analyse aux propriétés des artefacts technologiques, sans pour autant tomber dans les écueils du déterminisme technologique. La prise en compte des rapports entre l’action et l’environnement dans l’approche ethnométhodologique se traduit ici par un intérêt pour la description des liens entre les configurations concrètes des interfaces technologiques et les formats interactionnels observés. Cette posture offre une perspective originale pour la sociologie (des usages et des techniques) qui, basée sur les discours des acteurs (vs. observation des interactions en situation), a du mal à prendre empiriquement en charge la matérialité des artefacts technologiques. Configurés comme objets de discours, les aspects concrets des modes d’existence des technologies s’effacent derrière les descriptions des relations, de modes de vie ou encore de réseaux d’acteurs et sont traités soit comme transparents, soit comme opaques, comme des boîtes noires, en tout cas comme inaccessibles pour l’analyse sociologique. Articulé aux notions d’affordance et d’ajustement, le concept d’artefact interactionnel, développé par Fornel, constitue le troisième élément de l’approche ethnométhodologique des TICs. Fornel (1994: 126) souligne la distinction entre dispositif technique et artefact interactionnel en comparant le visiophone à la lunette d’approche analysée par Gilbert Simondon: A la différence de la lunette d’approche, un objet technique comme le visiophone ne suppose pas seulement l’action d’un individu mais l’action conjointe et continue de deux (ou plus) individus qui acceptent de coopérer pour créer et maintenir un espace interactionnel partagé. Un tel objet technique n’est donc pas un simple outil qui prolonge la perception en donnant un accès à un espace mais un artefact interactionnel. [ ] A la différence de l’outil qui ne fait qu’augmenter ou amplifier une capacité cognitive ou pratique, l’artefact interactionnel restructure l’activité interactionnelle elle-même, et, par voie de conséquence, la nature des tâches pratiques auxquelles doivent faire face les interlocuteurs (Fornel 1994: 126). 46 DDossier C’est ce lien de co-construction entre l’activité et l’artefact qui est au cœur des analyses de type EM / CA. Plus précisément, l’artefact interactionnel ne peut être saisi et analysé que dans les activités d’ajustement à la fois à l’objet et entre les partenaires (Fornel 1992b: 235). Les travaux pionniers de Fornel sur les usages familiaux du visiophone (cf. plus bas) permettent de formuler des consignes pratiques pour la conduite de ce type de recherche: Les participants à une interaction visiophonique ne sont pas d’emblée dotés des compétences interactionnelles permettant de réaliser une communication visiophonique. Ils doivent de façon locale et contingente découvrir les actions pratiques qui leur permettront d’ajuster leurs comportements réciproques, tout en s’ajustant au dispositif technique. C’est ce travail local et minutieux qui fait de l’objet technique un artefact interactionnel qu’il importait de décrire, non pas d’un point de vue externe aux participants, mais en tant qu’il est réalisé de façon visible pour ces derniers dans le cours de leurs interactions (Fornel 1994: 127) La présentation de ce cadre conceptuel permet maintenant de proposer une reformulation plus précise du questionnement que l’ethnométhodologie adresse au domaine des usages des TICs: Comment, dans leurs interactions médiatisées, les participants se saisissent des affordances des artefacts technologiques comme contraintes et comme possibilités pour l’action? L’analyse des objets techniques et de leurs usages devient alors une analyse des activités d’ajustement et de coordination des participants, ainsi que des compétences et savoirs-faire requis pour les mener à bien. Sur le plan méthodologique, les analyses de données enregistrées ‚en temps réel‘ - à l’origine audio pour les premières études sur la conversation téléphonique, mais de plus en plus vidéo ces dernières années - constituent la marque de fabrique de l’approche ethnométhodologique et conversationnelle de la communication médiatisée. 8 Il est important de souligner que l’usage des données vidéo est directement lié à la théorie procédurale de l’action élaborée par l’ethnométhodologie qui la conçoit comme située, temporelle et incarnée dans un environnement. Par conséquent, le film de recherche se distingue des autres usages de la vidéo en sciences sociales comme ceux en sociologie ou anthropologie visuelle ou encore en ethnographie. 9 L’objectif est d’enregistrer des activités dans leurs scènes naturelles par des plans-séquences ininterrompus et à rendre disponible pour l’analyse leurs dimensions constitutives: la temporalité, la matérialité, la contextualité, l’indexicalité, le format de participation d’origine dans des situations d’interaction ou d’activités collectives, et les différents détails des actions pertinents pour les participants. A la différence du film ethnographique, l’objectif poursuivi n’est donc pas la narration esthétique ou la reproduction d’évènements typiques, mais la préservation des dimensions essentielles des activités et la découverte de leur organisation située par un visionnage répété, la transcription et l’analyse séquentielle. 47 DDossier 1.3 Liens avec le design: les Workplace Studies L’orientation vers le design des technologies et la volonté de nourrir les pratiques de conception par les connaissances produites en sciences humaines et sociales sur les contextes et les activités réelles des utilisateurs est un trait distinctif des recherches sur les TICs qui s’inspirent de l’ethnométhodologie, mais aussi plus largement du paradigme de l’action située - par exemple, la cognition distribuée (Hutchins), la théorie de l’activité (Engeström), l’analyse des cours d’action (Theureau). Les études ethnométhodologiques des environnements de travail équipés en technologies ont donné naissance à un courant de recherche très actif aujourd’hui - les Workplace Studies (Heath et al. 2000, Luff et al. 2000, Llewellyn / Hindmarch 2010). Orienté vers la conception technologique, ce courant émerge à une double interface: entre sciences humaines et sociales et l’informatique; entre recherche académique et industrielle. Ce caractère hybride explique sans doute le fait qu’il reste mal connu dans ses disciplines d’origine (sociologie, anthropologie, sciences cognitives). En revanche, il a eu une grande influence sur des champs interdisciplinaires comme HCI (Human-Computer Interaction, en français IHM: interaction homme-machine) et surtout CSCW (Computer- Supported Cooperative Work). Le champ des Workplace studies a été développé dans le monde anglo-saxon en relation avec des problèmes pratiques liés à la conception des technologies et à leur introduction dans des environnements organisationnels. Le déploiement de nombreux dispositifs complexes et coûteux en milieu organisationnel se heurte au fait qu’ils s’avèrent souvent inopérants, au point d’être abandonnés au profit des techniques antérieures ou de demeurer sous-utilisés. Pour les tenants de Workplace studies ces difficultés s’expliquent en grande partie par une posture de ‚déterminisme technologique‘ considérant que l’introduction d’une technologie va modifier les pratiques professionnelles. Les tenants des Workplace studies estiment au contraire que l’intégration de systèmes informatiques dans les organisations n’est possible qu’à condition de prendre au sérieux les aspects situés du travail. A travers des études ethnographiques en situation naturelle les chercheurs de ce champ se donnent pour objet l’organisation située des activités collaboratives et les manières dont sont utilisés les instruments, les technologies, les objets et les artefacts. Les terrains d’enquête sont le plus souvent des environnements organisationnels complexes, équipés en technologies que Suchman nomme des „centres de coordination“ (salle de contrôle, salle de rédaction, institutions financières). Le programme de recherche des Workplace studies se donne explicitement pour tâche de contribuer à la conception de technologies qui tiennent compte de l’organisation pratique des activités de travail et des ressources que les personnes mobilisent. Pour autant, la mise en perspective des deux principaux recueils de textes publiés à dix ans d’écart (ibid.) fait apparaître une évolution des domaines d’étude. Si à leurs débuts ces recherches placent au centre de l’attention les systèmes 48 DDossier d’aide à la décision et les technologies du travail coopératif (workflow technologies, media spaces), les travaux plus récents élargissent les domaines d’étude à des situations de travail moins équipées en technologies et moins liées à des coordinations complexes: les interactions marchandes client-vendeur, les interviews de recrutement, le rôle des documents dans la relation de service, les interactions médecin-patient, etc. Cet élargissement progressif au-delà de la préoccupation pour le design des technologies constitue ce courant comme une approche novatrice - ancrée dans l’ethnométhodologie - des organisations et du travail qui propose un traitement pragmatiste et situé des questions centrales de la sociologie du travail et des organisations comme celles de l’acteur et de l’identité, de l’expertise, des compétences, des habitudes et des routines, de l’institution, des collectifs de travail, des relations professionnelles et du pouvoir, des rapports entre les règles formelles et les activités réelles et bien sûr la place de la technologie dans le travail. 1.4 Contexte français: circonstances pratiques d’une rencontre entre un objet et une approche analytique Après ces quelques repères sur la perspective ethnométhodologique, regardons quelle est la situation en France dans ce domaine. Si l’ouvrage inaugural de l’ethnométhodologie - Studies in Ethnométhodology de H. Garfinkel - parait en 1967 aux Etats-Unis, c’est seulement à partir des années 1980 et 1990 qu’on peut repérer les traces de sa réception française. A ces débuts, le champ français des recherches de type EM / CA sur les interactions se structure autour de deux pôles principaux: le Centre d’Etude des Mouvements Sociaux (CEMS) à l’EHESS et le Laboratoire des Usages Sociaux des Télécommunications (UST) 10 au Centre National d’Etudes des Télécommunications (le CNET, aujourd’hui Orange Labs). Il est marqué par un double mouvement: d’une part, la réception de la tradition ethnométhodologique et conversationnelle en France, la traduction et la discussion de ces travaux au sein d’un réseau de chercheurs transversal à l’EHESS (Quéré, Dulong, Conein, Ogien, Barthélemy) et au CNET (Fornel); d’autre part, les innovations importantes réalisées par le CNET dans le domaine des technologies de la communication - le minitel et le visiophone - et la création d’un laboratoire de sciences sociales pour étudier les pratiques de communication. La sociologie des usages apparaît à la même époque autour des questions d’appropriation de ces innovations technologiques avec pour épicentre le laboratoire UST du CNET. Ce laboratoire lance l’édition de la revue Réseaux en 1983 qui publie à la fois les premières recherches en sociologie des usages des TICs 11 et les premiers textes qui introduisent en France l’ethnométhodologie et l’analyse conversationnelle. 12 Les actes de la première manifestation scientifique en France consacrée à cette tradition de recherche (le colloque de Cerisy de septembre 1987) sont publiés dans la revue Réseaux sous forme de numéro thématique en deux volumes en 1993. A côté des travaux consacrés aux médias et aux usages, la revue Réseaux 49 DDossier publie des textes théoriques qui introduisent la pensée ethnométhodologique en France (par exemple, Quéré 1987, 1991b, Heritage 1991). La collection Raisons pratiques des éditions de l’EHESS et la revue Réseaux constituent ainsi les deux principaux lieux d’introduction et de diffusion de cette tradition de recherche en France. A la même époque, un laboratoire de recherches ethnométhodogiques est créé par Alain Coulon à Paris 8 et édite la revue Cahiers de recherche ethnométhodologique qui s’arrête après les deux premiers numéros (1993 et 1996). Quelques numéros de revues thématiques contribuent également à la visibilité de l’ethnométhodologie (Conein 1986, Barthélémy et al. 1999) 13 . Notons qu’en France ce type de travaux est plus facilement accueilli dans des revues relevant d’autres disciplines que la sociologie, notamment les sciences de langage. L’émergence d’une sociologie ethnométhodologique française des technologies et de leurs usages est ainsi contemporaine à la structuration du domaine plus large de la sociologie des usages francophone auquel elle contribue 14 et à la réception en France de la tradition ethnométhodologique américaine. Ce courant apparaît dans ce contexte particulier à la France dans la concomitance entre l’intérêt pour un objet de recherche - les usages des TICs élaborés par la sociologie des usages - et l’intérêt pour une perspective nouvelle d’analyse de l’action sociale ouverte par la réception de la pensée pragmatiste et ethnométhodologique américaine. Mais c’est surtout la dynamique d’un collectif de chercheurs partageant, malgré leurs ancrages institutionnels différents, un intérêt fort pour l’approche pragmatiste et située de l’ordre social qui rend possible la structuration de ce champ d’études en France. En effet, dans cette perspective, la technologie et ses usages ne sont pas des objets d’investigation en soi, mais constituent des „perspicuous settings“ (Garfinkel 2002: 181), des contextes pertinents et heuristiques, des terrains d’enquête propices à l’exploration des problématiques qui sont au cœur de l’ethnométhodologie: l’organisation située de l’action et de l’interaction, la coordination, les formes de relation et de règles; la construction de l’intelligibilité mutuelle des actions, bref, l’accomplissement pratique des phénomènes d’ordre social. Les interactions technologiquement médiatisées constituent surtout des terrains féconds pour l’analyse d’une des questions centrales des approches pragmatistes de l’action dont l’ethnométhodologie fait partie, à savoir les liens entre l’action et son environnement, les relations de co-constitution entre l’action et son contexte. Comparativement à la situation en coprésence, les médiatisations technologiques modifient les ressources dont disposent les participants pour rendre mutuellement intelligibles leurs actions et mener à bien leur interaction. En ce sens, ces situations constituent des observatoires naturels permettant d’étudier les processus d’ajustement entre les participants entre eux et avec l’environnement technologique, dans le cours même de leur action conjointe. En confrontant les participants interagissant à distance (par écrit, la voix ou l’image) aux problèmes d’un accès limité à l’environnement de l’autre, les situations sociales médiatisées radicalisent en quelque sorte les pratiques de production d’un contexte partagé indispensable à la 50 DDossier compréhension mutuelle. L’observation naturaliste permet alors de saisir les usages des TICs dans le vif du travail interactionnel par lequel les participants configurent et font sens d’une situation. Il est important de souligner cette spécificité de la perspective ethnométhodologique sur les usages des TICs dans le paysage général des approches en sociologie des usages: l’intérêt premier de ces travaux porte sur l’organisation de l’interaction en situation et la façon dont elle mobilise les ressources de l’environnement (matériel, technologique, mais aussi social et normatif), la médiatisation technologique n’étant qu’un des éléments de cet environnement. Cette préoccupation pour la fabrication située de l’ordre marque les travaux fondateurs de l’EM / CA dès leurs origines et s’exprime par l’intérêt porté à la conversation ordinaire (Garfinkel 2007, Sacks 1995) comme forme d’action sociale offrant un accès privilégié pour l’analyse. Le courant d’analyse de conversation, issu de l’ethnométhodologie, s’est par ailleurs entièrement structuré autour de cet objet. La technologie et l’intérêt pour les interactions médiatisées (une autre façon de nommer les usages des TICs) sont d’emblée présentes dans la structuration de ce champ de recherche: du côté des objets d’étude d’abord, puisque la conversation téléphonique est le terrain historique de l’analyse conversationnelle (Sacks, Schegloff), 15 du côté des dispositifs d’enquête ensuite, puisque les enregistrements audio des conversations téléphoniques, indispensables au type d’analyse pratiquée, sont utilisées dès les années 1960 et 1970. Aujourd’hui ils cèdent de plus en plus la place aux enregistrements vidéo. L’intérêt pour l’analyse des interactions médiatisées marque également les premiers travaux de type EM / CA en France. Mais l’arrivée plus tardive de cette tradition de recherche dans les années 1980 et les circonstances pratiques et institutionnelles de sa réception donnent lieu à une spécificité française, à savoir la contemporanéité des recherches sur des formes plus classiques d’interaction à distance (correspondance épistolaire, 16 téléphone 17 ) et des formes émergentes dans des environnements technologiques nouveaux (minitel, visiophone). Les liens tissés entre le réseau de chercheurs intéressés par l’ethnométhodologie et le CNET où ces technologies innovantes sont créées à la même période ouvrent des accès précieux aux terrains d’enquête sur les nouveaux usages dès leurs phases expérimentales (cf. Fornel 1991). Ce bref détour aux origines des recherches ethnométhodologiques sur les usages des TICs en France montre les dimensions situées de la constitution d’un champ d’étude, son ancrage dans des contextes intellectuels et institutionnels, l’importance des circonstances pratiques en termes d’accès aux terrains et de financement des projets. Mais il montre avant tout la force d’une dynamique intellectuelle collective et de l’implication d’un collectif de chercheurs pour la création de nouveaux champs d’investigation et de connaissance. 51 DDossier 2. Recherches Après ces remarques épistémologiques et historiques sur la sociologie ethnométhodologique des usages en France, la suite du texte offre une vue synthétique des enquêtes sur les trois principaux terrains qui ont été investigués couvrant des médiatisations technologiques diverses (image, voix et écriture): les interactions par vidéocommunication, par téléphone mobile et sur les plateformes de discussion sur internet. 2.1 La vidéocommunication: agir dans des „écologies fracturées“ Invention récente, la vidéocommunication fait partie des technologies qui marquent l’histoire des télécommunications du 20 e siècle, avec Internet et la téléphonie mobile. Pourtant avant l’arrivée récente des applications pour PC de type Skype, elle n’a pas vu ses usages se développer de manière aussi spectaculaire que les deux autres technologies. Néanmoins plusieurs enquêtes sur les usages de la vidéocommunication sont conduites depuis les années 1970 et constituent désormais un champ de recherche pour les sciences humaines et sociales. Au niveau international, les études sur la vidéocommunication ont été menées surtout dans le cadre de la recherche industrielle, parfois avec des collaborations universitaires, notamment lors d’expérimentations des systèmes conçus par les grandes entreprises de télécommunication. Ainsi les deux premières grandes expérimentations qui ont donné lieu à des suivis des usages ont été conduites par AT&T et les laboratoires Bell aux Etats-Unis dans les années 1970 avec une cible professionnelle et par la DGT (Direction Générale des Télécommunications) en France, à Biarritz, dans les années 1980 avec des cibles à la fois résidentielle et professionnelle (Fornel, 1994). 18 Depuis, plusieurs expérimentations de vidéocommunication ont vu le jour dans le cadre professionnel. Les systèmes de type Mediaspaces c’est-à-dire des systèmes qui assurent une liaison audio-vidéo continue entre plusieurs sites de travail - sont expérimentés depuis la fin des années 1980: VideoWindow à Bellcore et RAVE à Rank Xerox (Heath / Luff 1992); Téléprésence à Orange Labs (Bonu / Relieu 2006, Bonu 2007, Relieu 2007). Les usages de la visiophonie sur PC ont été étudiés dans plusieurs grandes entreprises et notamment à Microsoft et Hewlett Packard. 19 Au départ, l’intérêt est porté surtout sur les usages professionnels dans les domaines du travail collaboratif et des réunions à distance, ainsi que des relations de service (banques, commerces, hôpitaux). Les principales interrogations concernent les effets de la vidéocommunication sur la collaboration à distance et sur la performance dans la résolution de problèmes. Avant une époque très récente, peu d’occasions existaient pour étudier les usages non professionnels, à l’exception de l’expérimentation de Biarritz qui a permis de mettre au jour les 52 DDossier premières connaissances dans ce domaine qui reste largement à explorer aujourd’hui avec la généralisation de ces usages sur PC et sur mobile. L’histoire des études sur la vidéocommunication fait apparaître deux périodes qui se caractérisent par un déplacement de l’intérêt de l’interaction (comment interagit-on dans le cadre visiophonique? ) vers le type de relation (comment la vidéocommunication s’inscrit dans différents types de relations, les soutient, les modifie? ). Pendant la première période, depuis les années 1980 et jusqu’au début des années 2000, les travaux inspirés de l’ethnométhodologie ou plus largement du paradigme de l’action située se sont surtout focalisés sur les problèmes de l’interaction en contexte. Les publications de cette époque - essentiellement anglo-saxons à l’exception de celles de Fornel en France - portent d’abord sur les questions de l’intercompréhension liés aux propriétés du cadre visiophonique: visibilité mutuelle et environnement partagé réduits; modalités de la coordination et de l’orientation vers les objets, etc. Un intérêt particulier est porté à l’apprentissage de l’outil et de ce type de communication. Ces recherches ont produit un savoir important sur les caractéristiques de l’interaction visiophonique qui reste pertinent aujourd’hui indépendamment de l’évolution des systèmes et des interfaces. Pendant cette période, de nombreuses études ont analysé l’intérêt de l’image dans la communication à distance, ainsi que les transformations qui accompagnent ce type de communication sur le plan de l’interaction entre les participants et sur l’ensemble des activités lorsqu’il s’agit de situations de travail. Concernant l’intérêt de l’image dans la communication à distance, les études ont cherché à comprendre ce que peut apporter la vidéo par rapport à la communication audio sans image (par exemple, Chapanis et al.1972, Olson et al. 1995, Fussel et al. 2000). Cette question a été traitée du point de vue de la performance dans la réalisation de tâches (par exemple résolution de problèmes), le plus souvent dans des conditions expérimentales. Les résultats de l’ensemble de ces études font apparaître un bilan très contrasté (Whittaker 2003). Globalement, comparée à l’audio, l’image des participants ne semble pas améliorer ni la communication ni la performance. Dans certains cas, elle entrave même la communication. C’est un résultat important des études sur les contextes de travail collaboratif qui a conduit au développement d’une approche qui privilégie plutôt le partage de données et l’image des objets utilisés au cours de l’interaction plutôt que celle des personnes (ibid., Heath / Luff 1992). Du point de vue de l’analyse des caractéristiques de l’interaction visiophonique, les recherches ont examiné ses aspects séquentiels, ainsi que les modes d’engagement qu’elle implique pour l’ensemble des participants. Dans ce domaine, Heath et Luff (1992) se sont intéressés à la coordination entre les conduites verbales et non-verbales (regards, postures), Fornel (1992a, 1992b, 1994) a étudié les stratégies mises en œuvre par les participants pour adapter leur communication au dispositif visiophonique, Sellen (1995) et O’Connaill et al. (1993) ont analysé la capacité des systèmes visiophoniques à permettre aux participants de 53 DDossier gérer l’alternance des tours de parole, Kraut et al. (2003) ont examiné leur capacité à soutenir le processus de construction d’un cadre commun (common ground). De façon générale, ces études montrent que la communication visiophonique présente des caractéristiques propres qui la différencient nettement du face à face, bien qu’elle en partage certains aspects. Ce constat conduit certains auteurs à soutenir l’idée que l’interaction visiophonique implique un ‚travail‘ d’adaptation des pratiques interactionnelles aux propriétés du dispositif technique, un apprentissage (Fornel 1994, Sellen 1995). Ces études ont également permis d’identifier d’importantes limites interactionnelles inhérentes à la situation même de vidéocommunication, notamment la fragilité du cadre interactionnel. Ainsi Heath et Luff (1992) ont montré que les systèmes de vidéocommunication peuvent introduire des asymétries communicatives qui se traduisent par des ‚distorsions‘ des comportements non-verbaux des participants (par exemple, lorsque les changements posturaux fins ou de l’orientation des regards ne sont pas assez visibles), par une réduction de l’environnement visuel mutuellement accessible aux participants, réduction qui a comme conséquence une rupture du lien entre l’action et son environnement. Cette rupture dégrade la capacité des participants à produire des actions intelligibles et reconnaissables par leur partenaire. Les distorsions des comportements non verbaux rendent problématique la gestion de l’interaction par les regards, le changement de posture, les gestes (de pointage par exemple). Les problèmes interactionnels observés peuvent être également liés au fait que malgré ces limites du cadre visiophonique, les participants ont tendance à interagir comme s’ils étaient en face-à-face, alors que la co-présence visiophonique n’offre pas les mêmes ressources interactionnelles (également Luff et al. 2000). Ces analyses conduisent Luff et al. (2003) à introduire la notion d’‚écologies fracturées‘ pour désigner le fait que la perception des liens entre les actions et leur environnement, ainsi qu’entre gestes et paroles peut être problématique pour l’interlocuteur distant et conduire à des difficultés de compréhension du sens de ces actions. La perspective ethnométhodologique de ces travaux, sensible au rôle de l’environnement dans la constitution du sens des actions, rend possible l’identification de ces problèmes interactionnels dès le début des recherches sur la visiophonie. Ces travaux éclairent en creux le caractère irrémédiablement incarné des interactions ordinaires, la médiation technologique agissant comme une sorte „d’expérience perturbante“ (Garfinkel 2007) en cela qu’elle met entre parenthèses une partie des ressources disponibles en situation de coprésence. Les recherches de la période actuelle, depuis les années 2000 à nos jours, se caractérisent par un déplacement du centre d’intérêt à travers une ouverture de la problématique de l’interaction vers celle de la relation sociale. Au-delà des problèmes de fluidité de l’échange, de la coordination et de l’intercompréhension, se posent des nouvelles questions sur la place et les conséquences de la vidéocommunication dans différents contextes sociaux, institutionnels, professionnels, de service, ou encore amicaux, familiaux, intimes. L’analyse intègre alors non 54 DDossier seulement les dimensions interactionnelles proprement dites, mais de plus en plus les propriétés des relations au sein desquelles le système visiophonique est utilisé, qu’elles soient institutionnelles (Licoppe / Dumoulin 2007, Licoppe 2014, Mondada 2007b, Velkovska / Zouinar 2007) ou personnelles (Licoppe / Morel 2012, 2014). 2.1.1 Les usages de la vidéocommunication en situation professionnelle Même si un des premiers tests connu et documenté de la vidéocommunication en milieu professionnel (impliquant des interactions entre des clients et le représentant d’une organisation publique ou privée) a été réalisé en France dans le cadre des expérimentations de Biarritz à la fin des années 1980, 20 les usages professionnels de ces systèmes, et en conséquence les recherches sur ces usages, ne se développent que dans les années 2000. Il est à noter par ailleurs que l’ensemble des travaux conduits en France sur ce sujet s’inscrivent dans l’approche ethnométhodologique. A l’époque de l’expérimentation de Biarritz, la faible utilisation de la vidéocommunication par les professionnels explique sans doute l’inexistence des travaux. Du côté anglo-saxon en revanche, plusieurs travaux ont été publiés dès les années 1990. Une série de recherches portent sur des expérimentations de la vidéocommunication comme support aux interactions informelles entre collègues de travail, comme celles qui se produisent autour des machines à café ou dans les couloirs. Il s’agit plus précisément de Mediaspaces. Les analyses de Heath et Luff, discutés ci-dessus, des échanges et des comportements non verbaux entre des employés d’un centre de recherche et développement montrent que la vidéocommunication se caractérise par une difficulté pour les participants à interpréter les gestes et les regards de l’interlocuteur, ce qui a pour conséquence de dégrader le flux et la régulation de la conversation. Dourish et al. (1996) ont étudié les usages et l’appropriation pendant une longue période d’un Mediaspace installé dans leurs bureaux (des PC équipés de caméra). Les auteurs soutiennent que les Mediaspaces doivent être vues comme une ‚augmentation‘ ou une extension et non un remplacement des autres formes de rencontre, comme le face à face. Ces études spécifiquement centrées sur l’intérêt de l’image ou sur les aspects interactionnels sont caractéristiques de la première période des recherches sur la visiocommunication. Comme indiqué plus haut, les travaux de la deuxième période, à partir des années 2000, se sont davantage intéressés à la façon dont la vidéocommunication est prise dans différents types de relations et à ses conséquences dans des situations variées. L’étude de Martin et Rouncefield (2003) sur la mise en place de la vidéocommunication dans deux grandes banques britanniques illustre cet élargissement. Les auteurs montrent comment la relation visiophonique, notamment lorsqu’elle s’accompagne de la mise en partage d’éléments (données informatiques) initialement invisibles pour le client dans la relation téléphonique, modifie l’activité du conseiller. S’y ajoute notamment un travail supplémentaire de guidage du client dans l’interaction visiophonique et d’explication des dysfonctionnements qui apparaissent sur son système informatique. En effet, la 55 DDossier nouvelle situation permet au client de voir ce qui à l’origine n’était pas destiné à être vu de l’activité du conseiller. En France, le champ des recherches ethnométhodologiques sur les usages professionnels de la vidéocommunication s’est considérablement développé depuis la fin des années 1990. Les enquêtes portent sur une grande variété de systèmes de vidéocommunication et de situations de travail comme en témoigne par exemple le numéro thématique que la revue Réseaux a consacré aux usages professionnels de la vidéocommunication (Licoppe / Relieu 2007). Il réunit six recherches françaises récentes utilisant toutes la méthode d’observation et d’analyse des pratiques par enregistrement vidéo et s’inspirant de l’approche EM / CA et de l’action située. Elles explorent chacune des aspects spécifiques des usages de systèmes de vidéocommunication dans différents contextes professionnels: la réunion à distance entre les cadres d’entreprise ou entre des chirurgiens discutant un diagnostic, le procès judiciaire, les usages des murs de Téléprésence dans les couloirs d’une grande entreprise, les entretiens entre les demandeurs d’emploi et les conseillers à l’ANPE. Ces recherches montrent les liens d’interdépendance pratique entre les types de relations professionnelles et les usages des systèmes de vidéocommunication. Tout d’abord, lorsqu’un dispositif vient médiatiser une activité interactionnelle, il n’est jamais ‚transparent‘ au sens où il laisserait cette activité intacte. Les enquêtes mettent en évidence différentes pratiques d’ajustement collectif au cadre de communication médiatisé qui impliquent des modifications dans le déroulement habituel des activités (les réunions, les procès, l’entretien à l’ANPE) et donc des transformations dans l’ordre des places et des relations entre les participants. De cette façon, les relations professionnelles et institutionnelles sont façonnées par la manière dont les participants s’approprient, mobilisent, déploient les propriétés d’une technologie qui vient médiatiser leur rencontre. Les travaux de Christian Licoppe et ses collègues sur l’introduction de systèmes de visioconférence dans les audiences judiciaires s’intéressent à leur inscription dans les pratiques juridiques (Licoppe et al. 2007, Verdier et al. 2012, Licoppe et al. 2013a, Licoppe 2014). Le dispositif d’enquête consiste à filmer l’écran de la visioconférence avec ses deux images: l’image distante et l’image de retour de la salle d’audience (cf. Figure 1). Les auteurs identifient une série d’opérations pratiques réalisées par les participants pour produire et gérer dans la durée, par visioconférence, une scène intelligible et pertinente pour l’activité en cours, autrement dit pour „produire des audiences ‚convenables‘ en intégrant ce dispositif“ (Verdier et al. 2012: 14). Il s’agit de pratiques interactionnelles spécifiques visant à articuler le cadre de participation visiophonique aux exigences rituelles et normatives de l’audience judiciaire en rendant lisible les places de chacun (président de la cour, magistrats, avocat, prévenu, greffier), mais aussi de pratiques de cadrage visant à produire pour le site distant des images pertinentes (un plan serré sur une personne ou, au contraire, un plan large sur l’ensemble de la cour). Ces pratiques de cadrage sont 56 DDossier analysées dans les situations de visioconférence entre deux sites: la prison ou la maison de détention où se trouve le détenu et le palais de justice où se trouvent la cour et l’avocat (ibid., Licoppe 2014). Une règle pratique oriente ces cadrages que les auteurs formulent ainsi: ‚mettre la personne qui parle à l’écran‘. Ainsi la production d’images pertinentes constitue un travail supplémentaire en audience par visioconférence qui n’est pas pour autant reconnu et formalisé pour le moment, ni assigné à une personne particulière. Dans les données étudiées, il est effectué par des acteurs différents, le président du jury ou la greffière. Les analyses séquentielles des interactions montrent comment l’activité judiciaire incorpore cette nouvelle technologie qui la transforme en retour. Ainsi l’ouverture et la fermeture des audiences sont moins ritualisées, certaines conventions se trouvent modifiées (par exemple l’avocat plaide non plus débout mais assis pour rester dans le cadre), ainsi que les modalités d’application de certains droits (le droit à un entretien préalable entre l’avocat et son client; Verdier et al 2012: 13). Tous ces résultats témoignent d’une profonde imbrication des dimensions techniques et interactionnelles dans l’activité judiciaire médiatisée. Les auteurs pointent la tension entre cette réalité des pratiques et la façon dont les textes juridiques envisagent l’introduction de la vidéocommunication. En effet, ceux-ci traitent la médiation technologique comme un ‚moyen technique‘ extérieur à l’activité judiciaire et qui la laisserait intacte. Les résultats de ces recherches montrent bien en quoi la démarche d’enquête de type EM / CA par vidéo-ethnographie peut découvrir des phénomènes nouveaux liés à l’inscription sociale des technologies qui peuvent rester imperceptibles aussi bien pour d’autres méthodes d’enquête que pour l’institution et les participants eux-mêmes. Un autre résultat important des études sur l’introduction de systèmes visiophoniques dans les rencontres institutionnelles est la mise en évidence d’un phénomène d’accentuation des asymétries relationnelles entre les représentants de Figure 1: Dispositif de prise de vue de l’enquête en milieu judiciaire: filmer l’écran de visioconférence de la chambre de l’instruction (le prévenu est gauche et la cour à droite). Source: Verdier et al. 2012. 57 DDossier l’organisation et leurs usagers. C’est un résultat commun des analyses des interactions visiophoniques dans le cas des audiences judiciaires discuté ci-dessus et dans les entretiens entre demandeurs d’emploi et employés de l’ANPE (Velkovska / Zouinar 2005, 2006, 2007). Velkovska et Zouinar (2007) comparent des enregistrements vidéo d’entretiens entre conseillers à l’ANPE et demandeurs d’emploi se déroulant en coprésence physique ou médiatisés par un système de visiophonie (cf. Figure 2). Figure 2: Dispositif de prise de vue de l’enquête à l’ANPE: deux caméras filmant les deux participants à l’interaction visiophonique face à leurs écrans, ici la demandeuse d’emploi à gauche et l’agent de l’ANPE à droite. Deux bornes constituent le système visiophonique: la borne Client (gauche) est située dans un centre socio-culturel, se trouvant à environ 70 kilomètres de l’agence où est située la borne Agent (droite). Source: Velkovska et Zouinar 2007. Les auteurs décrivent les conséquences pratiques de l’introduction de cette médiation technologique en milieu institutionnel à travers l’analyse des liens entre les modalités de l’interaction et les formes de relations à l’institution. Ils identifient trois formes d’asymétrie dans l’entretien visiophonique: asymétrie contextuelle, interactionnelle et relationnelle. A la suite de Heath et Luff (1992), Velkovska et Zouinar observent une asymétrie contextuelle qui caractérise la situation d’interaction étudiée, c’est-à-dire le fait que les participants n’ont pas accès de façon commune à certains éléments contextuels qui peuvent être mobilisés dans l’interaction. Cette dimension est ensuite articulée aux dimensions relationnelle et organisationnelle de la situation étudiée par une analyse des conséquences de la technologie pour la relation entre usagers et institution et pour le travail du conseiller. Il en ressort que l’asymétrie contextuelle n’est pas uniquement un problème ‚technique‘ se rapportant à la fluidité de l’interaction, à l’intercompréhension, à la coordination et à la nécessité de fournir des explicitations. Elle modifie profondément le déroulement de l’entretien et par là - la forme de la relation entre le demandeur d’emploi et le conseiller - en accentuant les asymétries interactionnelle et relationnelle propres aux rencontres institutionnelles. En effet, les analyses montrent une transformation des modalités de participation du demandeur d’emploi en contexte médiatisé qui ne peut plus ‚voir ensemble‘ avec le conseiller certaines ressources (comme les documents ou l’écran de l’ordinateur) et ne peut plus contribuer de la même façon qu’en coprésence physique à 58 DDossier l’élaboration de son dossier. En conséquence, les occasions de prise d’initiative dans la conversation de la part du demandeur d’emploi sont plus limitées qu’en coprésence physique, ainsi que la dimension ‚collaborative‘ dans la réalisation de la tâche consistant à renseigner le dossier. De fait, le mode de guidage de l’entretien de la part du conseiller est plus directif qu’en coprésence, plus proche de la forme interrogatoire. En résumé, la modification de l’accès partagé à l’environnement par la médiation technologique définit une asymétrie contextuelle qui appuie l’asymétrie relationnelle caractéristique des conversations entre experts et profanes en milieu institutionnel. Mais elle transforme également l’activité des professionnels qui accomplissent un travail supplémentaire de ‚mise en lisibilité‘ de la situation en environnement visiophonique, travail qui mérite d’être mieux étudié afin de mettre en place des dispositifs de formation et de valorisation, ainsi que des aménagements de l’activité globale des professionnels. Ce constat est un résultat commun des recherches sur la vidéocommunication dans les rencontres institutionnelles (en milieu judiciaire et dans les agences pour l’emploi). La ligne de force qui ressort des études ethnométhodologiques et conversationnelles sur les usages professionnels de la vidéocommunication - à savoir l’imbrication des dimensions techniques, interactionnelles et institutionnelles - a été également éprouvée sur les terrains de la télémédecine (Mondada 2007a, 2007b, 2014b) et dans des grandes entreprises autour des dispositifs de Téléprésence installés en salle de réunion (Bonu 2007) ou dans des lieux de passage (Relieu 2007). 21 Mondada a étudié les usages de la vidéocommunication en télémédecine dans différentes situations: discussion de diagnostics entre chirurgiens de différents pays (Mondada 2007a) et la transmission en direct d’opérations chirurgicales à l’attention d’une audience d’experts et d’apprenants (Mondada 2007b, 2014b). Les analyses conversationnelles des enregistrements vidéo de ces situations d’usage montrent comment les participants s’orientent continuellement vers le dispositif technologique pour mener à bien leurs activités. La technologie n’offre pas simplement un espace médiatisé fixe qui rend possible l’interaction à distance. Elle est plutôt une ressource pour le travail interactionnel des participants qui constitue cet espace d’activités en commun et le transforme en fonction des différentes tâches. A la différence de la situation étudiée par Velkovska et Zouinar (2007) qui engage deux interlocuteurs, les autres enquêtes portent sur des scènes qui impliquent plusieurs participants distribués géographiquement (audience judiciaire, réunions et couloirs des grandes entreprises, télémédecine). L’ensemble de ces analyses identifient un problème pratique commun concernant l’installation d’un espace d’activité commun et la gestion de ses transformations pendant la durée de la rencontre visiophonique. En effet, l’entrée en visioconférence, le maintien d’un cadre de participation multi-parties et sa clôture ne vont pas de soi et demandent des procédés interactionnels spécifiques comme, par exemple, composer à l’écran une scène pertinente pour l’audience judiciaire par des pratiques de 59 DDossier cadrage (Licoppe / Dumoulin 2007, Verdier et al. 2012), vérifier la connexion et la présence des participants en début de réunion visiophonique pour les médecins et à des endroits séquentiels précis au cours de celle-ci (Mondada 2007a), gérer la dislocation des réunions visiophoniques (Bonu 2007), tester le dispositif de Téléprésence par des courtes salutations en passant (Relieu 2007). Les propriétés pratiques des différents dispositifs de communication deviennent ainsi observables dans l’organisation située des rencontres sociales et dans le travail interactionnel d’ajustement aux contraintes et aux ressources de l’objet technique. On peut constater plus de vingt ans après l’expérimentation de Biarritz et les débuts des recherches sur la vidéocommunication en France, la fécondité de la perspective dessinée par Fornel invitant les chercheurs à être attentifs à ce travail local et minutieux qui fait de l’objet technique un artefact interactionnel. Ce champ de recherche s’est structuré autour du constat commun de l’existence de liens coconstitutifs entre interaction et technologie dont la description empirique est une question sans cesse renouvelée, comme l’écrit Relieu: La genèse des propriétés des objets techniques, qui est également celle des pratiques qui les incorporent au présent, est un processus continu qui ne connaît pas de point d’arrêt. Qu’ils inspirent des romanciers contraints d’imaginer des situations d’usage intelligibles pour leurs lecteurs, ou qu’ils tracent leur chemin au sein de pratiques concrètes qu’ils animent, les objets n’ont d’autre espace d’intelligibilité que celui du monde commun (Relieu 2007: 218). 2.1.2 Les usages de la vidéocommunication dans les relations familiales et amicales (visiophone, PC et téléphone mobile) Les études publiées sur les usages non-professionnels de la vidéocommunication sont très rares. Depuis la série de publications sur ce type d’usages à partir de l’expérimentation de Biarritz (Fornel 1991, 1992a, 1992b, 1994, Jauréguiberry 1989) seulement quelques articles très récents ont paru sur cette thématique (Licoppe / Morel 2012, ibid. 2014). Ce constat est sans doute lié à l’inexistence d’usages non professionnels avant le développement récent de la vidéocommunication sur PC. En revanche, les communications présentées aux conférences internationales témoignent d’un intérêt grandissant pour ce domaine. 22 Comme pour les usages professionnels, c’est l’expérimentation de Biarritz qui a permis pour la première fois d’observer les usages de la vidéocommunication dans l’espace familial pendant six ans (1984-1990). L’enquête de Fornel par observation vidéo des usages a permis pour la première fois d’identifier des caractéristiques de la conversation visiophonique familiale. Fornel montre que la vidéocommunication est différente de l’interaction en face à face et que les usages de ces systèmes dépendent avant tout des pratiques spécifiques que les participants développent pour rester coprésents et interagir dans le cadre visiophonique. Elles reposent sur un apprentissage, sur un véritable savoir-faire et des compétences que l’analyse des usages doit découvrir. Fornel (1994) montre comment le visiophone est 60 DDossier produit comme un artefact interactionnel par la manière dont les participants traitent les affordances de la situation de communication et par le travail interactionnel qu’ils mettent en œuvre. En ce qui concerne la vidéocommunication sur téléphone mobile, ce sont les pratiques de monstration qui ont tout particulièrement attiré l’intérêt des chercheurs (Morel / Licoppe 2009, Licoppe / Morel 2012, ibid. 2014). Morel et Licoppe (2009) observent que la mobilité spatiale et la maniabilité des „caméra-phones“ modifient l’écologie de la vidéocommunication fixe et génèrent des procédures d’ajustement entre certaines exigences du cadre interactionnel visiophonique et celles des environnements plus ou moins inédits d’usage. La maniabilité des téléphones et leur capacité à être orientés dans presque toutes les directions constituent une ressource cruciale pour l’interaction. La visiophonie mobile apparaît comme une modalité de communication fournissant des ressources et des opportunités pour les participants de se saisir d’un élément visuel pour alimenter ou réorienter l’interaction en cours. Mais l’environnement peut également être source de difficultés. Les auteurs observent que la majorité des appels visiophoniques sont passés depuis le domicile. La difficulté à maintenir son attention visuelle sur l’écran en situation de déplacement, le fait que la conversation peut devenir publique et les bruits ambiants qui gênent l’intercompréhension expliquent en partie ce constat. L’une des questions qui semblent se poser aux utilisateurs de façon continue pendant l’interaction est ‚quoi montrer‘. Le cadrage est mouvant, celui des ‚têtes parlantes‘ se produit mais est limité dans le temps. Il constitue pourtant selon les auteurs le format interactionnel attendu ‚par défaut‘ dans les ouvertures ou dans des situations où aucun autre cadre ne paraît pertinent. Dans leurs travaux ultérieurs Licoppe et Morel comparent les pratiques de cadrage sur mobile et sur PC (Skype) et découvrent des règles et des attentes normatives qui organisent la vidéo-conversation et l’alternance entre les images des personnes (configuration ‚têtes parlantes‘) et les images de leur environnement. L’identification de ces orientations normatives permet de documenter l’émergence de formes de civilité propres à ce mode de communication et de rendre compte des droits et des obligations des participants: les personnes visibles à l’image, celle qui manie la camera lorsque plusieurs participants sont présents (dans ce cas la règle qui s’applique est ‚mettre la personne qui parle à l’écran‘) ou lorsqu’elle produit des images de l’environnement à la façon d’un cameraman. Les auteurs décrivent une série de règles de civilité émergentes: les ouvertures se font en configuration ‚têtes parlantes‘; les passages vers des séquences de monstration de l’environnement sont préparées et introduites de façon collaborative et présentent une organisation séquentielle proche de storytelling décrite par Sacks (1995); les vues de l’environnement doivent répondre à des exigences de pertinence et les images inintelligibles qui peuvent apparaître au début d’une séquence de monstration font systématiquement l’objet d’un traitement interactionnel spécifique visant à suspendre l’interprétation et les attentes normatives de pertinence. Par ailleurs, les analyses séquentielles de la vidéo- 61 DDossier conversation font apparaître des paires relationnelles: personne qui montre / personne qui regarde, ainsi que hôte / invité lorsqu’il s’agit de montrer l’intérieur des logements et en quelque sorte les faire visiter à distance. Dans ce cas, les pratiques de monstration impliquent des questions d’intimité et de confiance et rendent observables des liens personnels proches entre les participants. Cette discussion des recherches sur la vidéocommunication orientées EM / CA permet de souligner deux résultats importants pour la compréhension de ces usages. Premièrement, à travers la diversité des terrains étudiés, ces travaux adoptent tous comme point d’entrée la question de savoir comment les participants s’orientent vers le dispositif pour mener à bien leurs activités. Ce point de vue endogène à l’action permet de montrer l’imbrication intrinsèque des dimensions techniques et des dimensions interactionnelles. Ainsi la technologie ne joue pas un rôle en soi, mais toujours en tant qu’elle est mobilisée dans des activités concrètes. Ce résultat a des conséquences importantes à la fois pour la conception des systèmes que pour la sociologie des usages. Il en découle qu’il n’y a pas de système de vidéocommunication générique et la conception et l’introduction de ces technologies doivent reposer sur une connaissance des activités qu’elles visent à soutenir. En ce qui concerne l’étude des pratiques de vidéocommunication, l’imbrication des dimensions techniques et interactionnelles montre qu’il n’y a pas d’usage en général, mais des types d’activités spécifiques qui font émerger des façons particulières de s’orienter vers la technologie. De plus, ces recherches remettent en cause la perspective techno-déterministe en montrant que la technologie n’est ni un déterminant extérieur des activités, ni un objet transparent qui n’aurait pas de conséquences sur les pratiques de communication. C’est seulement par la découverte des formats interactionnels propres à la vidéocommunication qu’il est possible de comprendre le rôle de ces systèmes et la configuration pratique de leurs usages. Deuxièmement, la discussion de ces travaux permet de revenir plus spécifiquement sur la question du rôle de l’image dans l’interaction vidéo. Un des résultats importants des études sur les situations professionnelles, notamment de travail collaboratif, a été la remise en question du modèle des talking heads sur lequel reposait la conception des systèmes de vidéocommunication. La mise en évidence du caractère incarné des activités et du rôle de l’environnement a conduit à un double constat concernant les activités professionnelles médiatisées: 1) il est important de rendre accessible par l’image une partie de l’environnement distant pour faciliter la compréhension des actions (par exemple, Velkovska / Zouinar 2005, ibid. 2006); 2) l’image des objets ou des documents sur lesquels les participants travaillent est plus importante que l’image des personnes. A l’inverse, dans la vidéocommunication familiale et personnelle, l’image des personnes est primordiale pour le maintien des dimensions affectives et intimes des relations à distance entre proches (par exemple les rapports intergénérationnels entre grandsparents et petits enfants). 62 DDossier Ainsi, si le modèle des talking heads est fortement remis en cause pour les contextes professionnels, il retrouve toute son importance dans les contextes familiaux et personnels. Comme pour la technologie dans son ensemble, la place de l’image dans l’interaction visiophonique est à relier aux différentes pratiques et situations d’usage. Ces résultats différenciés sur le rôle de l’image dans les situations professionnelles et familiales renforcent l’argument selon lequel la technologie n’est pas porteuse du sens des usages et celui-ci se construit au sein des types d’activités, de relations et de situations sociales. 2.2 Les conversations sur le téléphone mobile et sur internet Les revues bibliographiques font apparaître qu’après les recherches pionniers sur le téléphone fixe, le téléphone mobile est sans doute la technologie de communication qui a le plus sollicité les enquêtes ethnométhodologiques récentes en France comme à l’étranger, suivi par la vidéocommunication. En revanche, il existe peu de publications consacrées aux interactions écrites sur les différentes plateformes de discussion sur internet (chats, forums, messagerie instantanée, réseaux sociaux). Ce constat est sans doute en partie lié à l’intérêt historique de l’ethnométhodologie pour l’organisation de la parole ‚vivante‘ et l’orientation de son appareillage méthodologique vers ce type de données. Par ailleurs, à la différence de la vidéocommunication qui a été analysée uniquement dans une perspective ethnométhodologique, les usages du téléphone mobile et d’internet ont été largement traités par une variété d’autres approches de la sociologie des usages. C’est pourquoi, plutôt qu’une vue exhaustive des analyses, je propose d’esquisser les spécificités du regard que l’EM a porté sur ces deux technologies. 2.2.1 Le téléphone mobile: articulation de l’interaction et de la mobilité Le téléphone portable a naturellement suscité l’intérêt des ethnométhodologues en leur offrant l’opportunité de poursuivre à nouveaux frais l’exploration des liens entre interaction et environnement, d’y intégrer de nouvelles questions sur les déplacements et la mobilité, sur l’émergence de nouveaux formats interactionnels (Relieu 2002, 2005, 2006), ou encore de formes de civilité et d’inscription dans l’espace urbain (Morel 2002). La problématique de l’imbrication entre les dimensions techniques et interactionnelles s’est déclinée ici dans des investigations sur les liens entre les propriétés du téléphone mobile - un objet portable, personnel et multifonctionnel - et les propriétés de l’activité médiatisée. En quoi les nouvelles possibilités d’action ouvertes par cette technologie pouvaient affecter les manières de converser, de se coordonner, de se rencontrer, de travailler, de construire et de maintenir des relations sociales? À la différence des études d’usage basées sur d’autres approches qui adoptent un point de vue externe à l’activité (statistiques d’équipements, de fréquences d’usage, de nombre d’interlocuteurs, récits ou carnets de pratique), les travaux ethnométhodologiques abordent ces questions de 63 DDossier point de vue de l’organisation de l’activité médiatisée elle-même en s’appuyant sur des enregistrements de conversation en situation naturelle. Cette posture permet en particulier d’appréhender le contexte de l’activité - et donc les modes d’inscription de ce nouvel objet technologique dans les situations sociales - non pas de l’extérieur ou a postériori, mais en tant qu’il émerge et se structure dans la progression de l’interaction. Les questions classiques d’usage et d’appropriation deviennent alors des interrogations sur les propriétés des interactions mobiles et s’ouvrent sur trois axes complémentaires et transversaux: 1) inscription de la conversation mobile dans l’environnement local (Relieu 2006) en s’intéressant précisément à son articulation avec „la situation de co-présence proximale“ (Relieu 2005). 2) découverte de formats interactionnels spécifiques au téléphone mobile (Relieu 2002, 2006, Licoppe 2009), et 3) usages des références spatiales et des localisations (Licoppe / Morel 2011, ibid. 2013, Mondada 2011, Relieu 2002, Relieu / Morel 2011). S’inscrivant dans le premier axe, Morel (2002) mobilise une enquête qui combine l’enregistrement des conversations avec d’autres types de données (notes, cartes des déplacements des téléphonistes, photographie et vidéo) pour décrire les modes d’inscription de la conversation sur mobile dans différents lieux publics de circulation ou de sociabilité (rues, transports, cafés et restaurants). L’analyse articule finement conversation mobile, rapports à l’espace urbain, formes de civilité envers des tiers dans les cas où l’interaction mobile intervient dans les rencontres conversationnelles déjà en cours et techniques du corps (retrait, déplacements, marche). Prenant le contre-pied de l’argument selon lequel le mobile constitue une source de troubles sur les scènes publiques, une forme d’impolitesse et de présence autistique, l’auteur montre comment les multiples pratiques d’ajustement et de prise en compte de l’entourage l’inscrivent dans le paysage des interactions quotidiennes et des ‚formes normales d’être ensemble‘, régies par des attentes normatives précises. Concernant le deuxième axe, Relieu (2002, 2006) s’interroge sur la place des affordances propres à la technologie mobile (identification de l’interlocuteur par la présentation du numéro ou la sonnerie, les possibilités graphiques d’écriture asynchrone et de dessin d’une application de messagerie) dans l’organisation de l’interaction. En se focalisant sur l’analyse des ouvertures et les modes d’identification de l’interlocuteur, l’auteur observe l’émergence d’attentes normatives concernant la reconnaissance de l’appelant par son numéro de téléphone et les troubles provoqués en début d’interaction lorsque ces attentes ne sont pas accomplies. Les spécificités de la conversation mobile sont en particulier recherchées en comparaison avec le téléphone fixe et cette question fait débat dans le domaine. Relieu constate que si certaines ouvertures des appels mobiles sont assez similaires à celles des appels sur ligne fixe, en revanche elles présentent une plus grande hétérogénéité de formats liée aux affordances technologiques et la difficulté d’anticiper le contexte local de l’interlocuteur. 64 DDossier La question de la spécificité du format interactionnel mobile par rapport à d’autres (la conversation sur téléphone fixe, en face à face ou par écrit sur les interfaces des jeux vidéo) traverse par ailleurs l’ensemble des travaux. Les recherches s’inscrivant dans le troisième axe la traitent en prenant pour objet les localisations et les références aux lieux dans des séquences d’activités précises comme les ouvertures, les clôtures, le guidage, la coordination lors de rendezvous, les invitations et l’organisation des rencontres en ville. Il en ressort que ces pratiques sont liées à des façons plurielles de gérer l’incertitude sur le contexte local de l’appelé (comparativement à la conversation sur la ligne fixe) et n’ont pas une fonction générique dans les interactions mobiles. Relieu (ibid.) souligne les dimensions normatives et le potentiel thématique des localisations dans les ouvertures en montrant que dans certains cas la question ‚où es-tu? ‘ vise davantage à vérifier la disponibilité de l’interlocuteur que de connaître sa localisation exacte. Cette question est systématiquement placée à l’endroit où l’on trouve l’introduction du motif d’appel dans les conversations sur fixe, modifiant ainsi le format des ouvertures. De même, à la fin des conversations, les auto-localisations peuvent accomplir une dimension rituelle et être mobilisées pour préparer la clôture (en se référant par exemple aux bruits dans la rue). Les usages des références aux lieux qui font de la mobilité une propriété sensible du format interactionnel sont pourtant très différents et moins rituelles dans d’autres types d’activité. Tel est le cas des micro-coordinations pour se retrouver sur un lieu de rendez-vous (Relieu 2002) ou du guidage à distance lorsque conversation et progression du trajet entretiennent une relation de coconstitution (Relieu / Morel 2011); des pratiques de sociabilité où les localisations peuvent intervenir dans les invitations et les projets de rencontres non planifiées (Licoppe 2009, Licoppe / Morel 2011, ibid. 2013); ou de la relation d’aide à distance en centre d’appel étudiée par Mondada (2011) lorsque les localisations deviennent une dimension de l’activité de service en vue d’une intervention. Dans tous ces cas, un travail interactionnel est réalisé pour rendre commensurables des „géographies mobiles et divergentes“ (ibid.), pour construire une compréhension commune des références spatiales et pour rendre possible l’activité en cours ou préparer des projets d’actions à venir. 2.2.2 Les discussions sur internet: faire émerger un ordre social par l’écriture Le domaine de la communication médiatisée par ordinateur (CMO) 23 se structure sur le plan international dès la fin des années 1990 autour des études d’une classe de pratiques de communication particulière: les interactions écrites sur les différentes interfaces conversationnelles d’internet (Baym 1995a, 1995b, Herring 1996, 1999, Danet et al. 1997, Donath 1999, Donath et al. 1999, Reed / Ashmore 2000, Rintel / Pittam 1997, Vallis 2001). En France, l’apparition précoce d’échanges écrits dans le cadre des messageries du Minitel qui préfigurent le développement ultérieur de ce mode de communication médiatisée donnent lieu à des publications en sociologie des usages dès les années 1980 (Jouët 1989) dont certains adoptent le 65 DDossier cadre analytique de l’ethnométhodologie (Fornel 1989). Mais c’est avec l’expansion des pratiques d’internet à partir de la fin des années 1990 que les recherches ethnométhodologiques francophones sur les interactions écrites sur internet prennent plus d’ampleur à travers la réalisation de deux thèses de doctorat (Bays 2001a, Velkovska 2004) et la publication de quelques articles (Beaudouin / Velkovska 1999, Bays 2010, Velkovska 2002, 2011, Dupret et al. 2010, Dupret / Klaus 2011). Néanmoins ces travaux restent peu nombreux pour le moment comparativement à ceux consacrés aux autres situations de communication discutées dans ce texte, ainsi que par rapport à l’explosion des pratiques. Si bien qu’on peut se demander dans quelle mesure la forme écrite, souvent asynchrone et étalée dans le temps des interactions sur internet ne pose pas des défis spécifiques à l’appareillage méthodologique de l’ethnométhodologie et de l’analyse conversationnelle, davantage orienté vers l’observation des interactions en temps réel. Pourtant les travaux existants témoignent de la fécondité de cette approche praxéologique dans la mesure où elle est la seule à prendre empiriquement en compte les modes d’organisation propres des activités d’écriture sur le réseau à travers l’analyse naturaliste des interactions en ligne. Il devient alors possible d’éclairer des dimensions nouvelles et de comprendre d’un point de vue endogène aux activités comment les affordances technologiques sont mobilisées pour produire un espace d’intersubjectivité et d’interactivité en contexte asynchrone dans les courriels, les forums et les listes de discussion (Mondada 1999); comment l’engagement dans l’écriture des chats repose sur le rythme et la temporalité quasi-synchrone de ce mode de communication (Bays 2001a) tout en mettant en tension les catégories de singularité et de généralité (Simmel 1984) dans la formation de relations sociales caractérisées par une „intimité anonyme“ (Velkovska 2002); ou encore comment les interactions médiatisées articulent des dispositifs différents: la constitution pratique des identités et des relations sur un forum dépasse largement ce cadre de participation pour investir des sites personnels et des outils de conversation en temps réel (Beaudouin / Velkovska 1999). Les recherches ethnométhodologiques sur internet ont également investi les terrains des rapports entre les communications interindividuelles et l’actualité médiatique, entre production et réception de l’information journalistique (Dupret et al. 2010) ainsi que ceux de la formation des identités, des collectifs, des publics et d’un ordre moral par l’écrit à l’écran (Dupret / Klaus 2011). En contre-point de la fascination pour chaque nouvelle interface de communication censée bouleverser les sociabilités, la mise en perspective d’interactions écrites issues de différents espaces (chats, forums, liste de discussion) montre des logiques transversales de constitution des identités, des relations et des collectifs par écrit qui peuvent être qualifiées par la polarité entre ‚personnel‘ et ‚impersonnel‘ (Velkovska 2004). Il en ressort que la connexion sur internet n’assure pas en elle-même l’intégration à des collectifs, comme le prétendent les discours promotionnels, relayés par certaines études des ‚communautés virtuelles‘. Les analyses 66 DDossier montrent au contraire que participer à des collectifs électroniques, c’est avant tout constituer, partager et manifester un savoir allant-de-soi et une histoire commune. Ces observations battent en brèche les conceptions qui présentent internet comme un espace d’échange libre et ouvert aux rencontres de différences. Du point de vue technique, les interfaces de communication offrent, en effet, des possibilités a priori infinies de contacts et d’échange. Pourtant, internet est produit, dans les pratiques de ses utilisateurs, comme une mosaïque de différents espaces de ‚faire ensemble‘, plus ou moins étanches, constitués autour de médiations et de régulations spécifiques qu’il faut décrire pour saisir les entités collectives émergeantes par l’écriture électronique. Plus largement, pour rendre compte des pratiques de communication et de consommation des médias il convient de s’intéresser aux activités des participants, en tant qu’elles déterminent des situations, c’est-à-dire qu’elles proposent d’entretenir un rapport particulier aux contenus, aux protagonistes de l’échange et aux outils de communication. Dans cette perspective, l’analyse des usages des technologies de la communication et des médias a pour tâche d’étudier la configuration des engagements et des modes de participation constitutifs d’identités, de relations et de collectifs. Par la production de connaissances sur la structuration pratique des activités d’écriture sur internet, les analyses ethnométhodologiques contribuent de façon empirique à nuancer les débats sur les bouleversements que ce média aurait apportés aux modes de sociabilité, au travail, à la formation des collectifs et des publics, à l’espace public. Conclusion Cet article est une tentative de produire une image panoramique de la structuration du champ de la sociologie ethnométhodologique des usages des TICs en France, en articulant ses dimensions épistémologiques, historiques, institutionnelles, méthodologiques et empiriques. Ce tour d’horizon permet de suivre le déploiement d’une perspective épistémologique à travers des générations de chercheurs et sur une diversité de terrains d’enquête dans le domaine mouvant des nouvelles technologies. Il est pourtant frappant de constater la continuité et la cohérence de cet ensemble de travaux à travers la persistance d’un cadre analytique, des problématiques, des objets d’étude et des méthodes qui - malgré l’évolution des technologies d’enregistrement vidéo - poursuivent toujours plus loin la saisie du travail interactionnel sur le vif. Réalisant un véritable tournant praxéologique au sein de la sociologie française des usages et de la communication, les recherches ethnométhodologiques n’ont cessé d’examiner l’organisation in situ des activités ordinaires instrumentées s’emparant de terrains d’enquête à la pointe de l’innovation technologique, 24 d’inventer de nouveaux dispositifs d’observation naturaliste et d’approfondir les connaissances sur les articulations entre ordre technique et ordre social. Ce faisant elles ont radicalement renouvelé non seulement la notion d’usage et de pratique, en montrant comment il est possible de s’y intéresser d’un point de vue endogène des activités en train de se faire, mais 67 DDossier également celle de contexte. Dans la prolongation de l’approche pragmatiste des rapports réflexifs entre action et environnement, les recherches ethnométhodologiques sur les TICs ont abandonné la vision statique du contexte comme un réceptacle de l’interaction médiatisée, telle qu’elle apparaît dans la sociologie des usages, pour proposer une vision dynamique où interaction et contexte se coconfigurent mutuellement dans la progression des activités. La conception dynamique du contexte permet alors d’envisager les usages des technologies de communication non plus comme un élément externe pour lequel les contextes et les relations sociales seraient un contenant mais comme une dimension constitutive, inséparable des activités, des façons ordinaires de faire et de se rapporter aux autres et au monde, autrement dit d’une culture. Cette posture n’est pas sans faire écho à la position de Simondon (1958) invitant la pensée philosophique de son époque à dépasser l’opposition entre technique et culture en replaçant la technique dans la culture. Selon cet auteur, les objets techniques constituent des dimensions de la culture en tant qu’ils médiatisent le rapport de l’homme au monde. Si, plus d’un demi-siècle plus tard, on ne peut que s’accorder à cet argument, il est possible cependant de se demander dans quelle mesure les développements ultérieurs dans le domaine de la sociologie des technologies de communication s’inscrivent encore dans cette vision. On peut en particulier prendre acte, au-delà des très grandes avancées dans ce domaine de recherche récent, des difficultés de cette sociologie à construire la technologie comme objet d’étude qui remettent parfois en question la pertinence des entrées technologiques comme points de départ des enquêtes. Pour y voir plus clair, il est possible de distinguer les approches actuelles en deux grandes familles selon le point de vue qu’elles adoptent par rapport aux activités médiatisées. D’un côté les approches dites ‚classiques‘ les traitent d’un point de vue exogène à leur organisation en situation en s’appuyant sur des données qualitatives déclaratives (entretiens, carnets) ou quantitatives (questionnaires, statistiques d’équipements, traitements des traces informatiques d’usage jusqu’aux développements actuels des Big Data). De l’autre côté, les approches dites ‚micro‘ de type ethnométhodologique adoptent un point de vue endogène aux activités analysées en travaillant avec des enregistrements des interactions en situation naturelle. Mais les efforts d’articulation entre ces deux modes de productions de connaissances sont rares. Tout en reconnaissant l’énorme richesse des résultats produits sur les situations investiguées dans l’ensemble de ces recherches, la relecture de Simondon inviterait à aller plus loin: Dans quelle mesure l’une et l’autre de ces familles d’approches contribuent à une compréhension globale des rapports entre les formes sociales et les formes technologiques contemporaines? Est-il possible et comment d’articuler le plan des analyses empiriques des usages des technologies - et celles de la communication en particulier - avec celui d’une réflexion générale des rapports entre ces technologies et les formes culturelles? Comment tenir entier le fil qui relierait l’indispensable attention analytique au détail, aux particularités des situations et la production d’une vision plus totalisante sur la place de la technologie dans la 68 DDossier société contemporaine? 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Bien qu’il existe des différences entre l’ethnométhodologie et le courant de l’analyse conversationnelle qui en est issu, celles-ci ne seront pas traitées dans ce texte qui vise davantage à dessiner une perspective d’ensemble vers les interactions médiatisées. 2 La notion de membre est élaborée dans la tradition ethnométhodologique (Garfinkel 2007) en référence à la maîtrise du langage naturel ou, dit autrement, du sens commun qui caractérise un univers social. Elle est définie de la manière suivante: „La notion de 74 DDossier membre est le fond du problème. Nous n’utilisons pas ce terme en référence à une personne. Cela se rapporte plutôt à la maîtrise du langage commun, que nous entendons de la manière suivante. Nous avançons que les gens, à cause du fait qu’ils parlent un langage naturel, sont en quelque sorte engagés dans la production et la présentation objectives du savoir de sens commun de leurs affaires quotidiennes en tant que phénomènes observables et racontables.“ (Garfinkel / Sacks 1970: 342, traduit dans Coulon 1987: 40). 3 Par exemple, en psychologie, on observe un déplacement de l’intérêt porté aux processus mentaux vers la réalisation de l’action en situation (théorie de l’activité, ergonomie). Le même mouvement en sociologie - depuis l’interactionnisme et l’Ecole de Chicago, jusqu’au regain d’intérêt actuel pour les démarches ethnographiques - dessine un déplacement de l’intérêt des structures sociales vers le déroulement concret et situé des activités sociales. 4 Pour une vue synthétique sur cette problématique pragmatiste cf. Quéré 2006. 5 Ce terme est introduit par Suchman (1987) pour désigner une famille d’approches qui partagent le postulat du caractère situé et émergent de l’action. 6 Dans les théories déterministes, le contexte détermine l’action de l’extérieur et ce sont ces extériorités qui constituent les objets d’analyse, que ce soient les structures sociales pour les structuralistes, les systèmes de normes et valeurs pour les fonctionnalistes, l’infrastructure pour le marxisme. De même, pour l’individualisme, l’activité est pilotée par l’individu et la rationalité individuelle, constitués en unités d’analyse (théories de l’acteur rationnel, du choix rationnel et des plans d’action). Même si l’interactionnisme prend comme objet d’analyse les interactions et l’agir ensemble, les stratégies individuelles restent présentes. 7 La notion d’affordance a été largement mobilisée dans les travaux ethnométhodologiques français portant sur les interactions médiatisées (par exemple Fornel 1994 sur le visiophone; Velkovska 2004 sur les conversations écrites sur internet dans les chats, forums et listes de discussion, Relieu 2002 sur le téléphone mobile). Pour une discussion critique de cette notion, cf. Quéré 1999. 8 Sur la méthode vidéo en EM / CA cf. Heath et al. 2010, Mondada 2006, 2013, 2014a, Relieu 1999, Verdier et al. 2012. 9 Sur ces différences cf. Relieu 1999, Velkovska / Zouinar 2012. 10 L’UST est le laboratoire de sciences sociales du CNET. Devenu aujourd’hui SENSe (Sociology and Economy of Networks and Services) au sein des Orange Labs, il regroupe une trentaine de chercheurs en sociologie, économie et ergonomie, des doctorants et post-doctorants travaillant dans le domaine des usages des TICs. 11 Cf. Jouët 2000 pour une histoire critique de ce courant de recherche. Cf. aussi les ouvrages plus récents de Jauréguiberry / Proulx 2011, Vidal 2012, Denouël / Granjon 2011. 12 Pour une lecture historique du rôle de la revue Réseaux dans la réception de l’ethnométhodologie et de l’analyse conversationnelle en France, cf. Relieu 2014. 13 Plus récemment, les deux traductions françaises d’ouvrages fondateurs de l’ethnométhodologie sont également l’œuvre de ce collectif de chercheurs: Garfinkel (2007) traduit par Barthélémy, Dupret, de Queiroz et Quéré; Jayyusi (2010) traduit par Barthélemy. 14 Cf. les travaux pionniers de Fornel en France qui mobilisent le cadre analytique de l’EM / CA pour l’étude des usages du minitel (Fornel 1989) et du visiophone (Fornel 1988, 1991, 1994). 15 Pour une synthèse des travaux sur la conversation téléphonique, cf. Schegloff 1993. 16 Conein / Quéré 1984. 75 DDossier 17 Conein 1990, Quéré 1986, 1988, 1990. 18 A la différence du visiophone de Biarritz, le PicturePhone des laboratoires Bell a fait l’objet de brèves commercialisations avant d’être abandonné. Les premiers suivis d’usage datent de la fin des années 1960 (Relieu 2003). 19 Pour une histoire détaillée des recherches sur la vidéocommunication, en particulier à ses débuts, cf. Relieu 2003, 2007. 20 Expérimentation technique de grande ampleur menée par la DGT et le CNET entre 1984 et 1990 d’un réseau de fibres optiques à large bande et d’un système visiophonique: 1500 abonnés résidentiels et professionnels ont été équipés (commerçants, banques, polyclinique, soutien scolaire, commissariats). 21 Un rapport de recherche détaillé réunit les analyses et les résultats de cette enquête originale sur les dispositifs de la famille Téléprésence dans différentes situations d’usage (Bonu / Relieu 2006). 22 En témoigne également l’organisation très récente d’un colloque dédié : Skype and the Gaze of Family and Friendship Conference, Cambridge UK, juin 2014: http: / / research. microsoft.com/ en-us/ events/ scgff (dernière consultation: 19 septembre 2014). 23 Le terme anglais consacré est CMC pour Computer-Mediated Communication. 24 En témoignent également les travaux d’inspiration ethnométhodologique sur les relations de services que nous n’avons pas abordé dans ce texte: sur l’intelligence artificielle et la mise travail du client (Velkovska / Beaudouin 2014) ou sur les centres d’appel (Relieu / Licoppe 2005, Lan Hing Ting 2009, Lan Hing Ting / Pentimalli 2009). 76 DDossier Marie-Christine Bordeaux Pour un réexamen de la notion d’usage: la dimension culturelle de l’expérience En sciences de l’information et de la communication, l’usage est la notion par laquelle est abordée la question de l’agir. Mais contrairement aux théories de l’agir en sociologie, la notion d’usage n’étaye pas une large théorie de l’action destinée à éclairer l’ensemble des rapports entre l’individu et la société. Elle se centre sur un agir particulier, celui qui met en prise des individus, des technologies et des contenus ou ressources. Toutefois, son emploi à des fins scientifiques est peu interrogé et couvre un éventail assez large de postures et de modes d’action, dont le recours à une technologie est le dénominateur commun. Des travaux récents (Vidal 2012a, 2013; Jauréguiberry / Proulx 2011; Proulx 2005) ont pris le relais de travaux plus anciens (Jouët 1993, 2000; Vitalis 1994; Lacroix / Moeglin / Tremblay 1992) pour mettre en évidence les impensés de l’usage de la notion d’usage, les avancées et les apories de la sociologie des usages, puis, dans une lignée moins critique, l’intérêt de recourir à cette notion pour désigner des actes d’information et de communication médiatisés par une technologie. En ce sens, la notion d’usage permet aux SIC de se distinguer de la sociologie classique centrée sur la notion de pratique. Il y a là cependant deux risques. Tout d’abord, se spécialiser dans l’étude des actes d’information et de communication tels qu’ils sont médiatisés par la technique, alors que le point de vue communicationnel proposé par les SIC ne se réduit pas à l’usage ou à la présence de technologies, comme le montrent les travaux en information-communication consacrés aux institutions culturelles, notamment aux musées, aux bibliothèques et aux festivals. Ensuite, se priver de l’apport des recherches sur les pratiques culturelles en sociologie de l’art et de la culture ou en esthétique, alors qu’une grande part des usages étudiés en SIC sont culturels: médias, outils interactifs culturels, ressources culturelles numériques, échanges de données culturelles, expressivité. En effet, la dimension culturelle des usages ne doit pas être écartée de l’analyse, bien au contraire, parce que c’est dans cette dimension, à forte valeur symbolique, que les individus élaborent le sens de leurs activités. Le fait que, dans les outils et interfaces, les contenus sont issus des industries culturelles et circulent par des supports contrôlés par des entreprises monopolistiques internationales conduit certes à relativiser le degré d’autonomie et de liberté des individus dans l’élaboration de ce sens, car leur participation se joue aussi sur le mode du renoncement (Vidal 2010). Mais liberté restreinte ne signifie pas créativité restreinte au même degré, comme l’a montré Michel de Certeau à propos des „arts de faire“ et de l’„invention du quotidien“ (Certeau 1980). Or, Certeau est considéré, notamment par Proulx (Proulx 1994), comme un des auteurs majeurs de référence pour les études d’usages, permettant de comprendre, par l’opposition devenue clas- 77 DDossier sique entre stratégie des dominants et tactiques des pratiquants, comment une liberté et une créativité peuvent, dans une certaine mesure, s’exercer au sein d’environnements relevant de systèmes de domination économiques, sociaux et culturels. Certes, la culture peut être analysée comme un élément de contexte afin de comprendre les difficultés ou les atouts en matière d’implantation et d’appropriation sociale des innovations technologiques. Au sens large, la culture est un environnement culturel; au sens restreint, c’est une culture technique (Frau-Meigs 2005). Mais si les SIC s’en tenaient à cette seconde définition de la culture, elles pourraient être questionnées sur leur capacité à appréhender l’ensemble des éléments mobilisés dans les usages, comme l’a été la sociologie des pratiques culturelles, fondée sur de grands appareils statistiques et mettant l’accent sur les actes de consommation plus que sur le sens de l’expérience vécue (qui est pourtant le moteur principal de la fréquentation des œuvres et de la culture). Cette critique avait été apportée notamment par Passeron et Pedler lorsqu’ils avaient analysé les „actes sémiques de réception“ des visiteurs du Musée Granet d’Aixen-Provence (Passeron / Pedler 1991). En adoptant un parti-pris radical (s’en tenir à la mesure du temps passé par les visiteurs devant les tableaux), ils avaient démontré que les caractéristiques intrinsèques des œuvres dans leur singularité sont au moins aussi importantes, pour l’analyse des comportements des visiteurs, que leurs catégories socioprofessionnelles ou l’identification, par ces mêmes visiteurs, des auteurs des œuvres et de leur degré de notoriété et de légitimité. C’est pourquoi il nous parait nécessaire de recourir à la notion d’expérience pour compléter la notion d’usage et relier celle-ci à une théorie des pratiques qui prenne en compte la dimension culturelle des usages. Il y aurait certes de bonnes raisons de maintenir à distance cette notion. En premier lieu, le fait que l’expérience désigne des états mentaux éprouvés ici et maintenant dans l’actualité d’une situation, états qui peuvent donner, à tort, l’impression que l’expérience est ‚immédiate‘, surgissant dans une conscience actuelle, et qu’elle est ‚primitive‘, c’est-à-dire sans la médiation d’une connaissance ou d’un dispositif matériel ou conceptuel. En second lieu, le fait que l’expérience est en grande partie incommunicable dans la mesure où elle est, plus que privée, intime, mêlant des états de corps et des états de conscience. Dans les deux cas, l’expérience relève d’une phénoménologie de la perception du monde, ou d’une approche psychologisante de la perception sensorielle et mentale. Cette fusion de la perception et de la connaissance ‚immédiates‘ dans le contact direct avec la matérialité du monde est à l’opposé de la manière dont la sociologie et les SIC construisent leurs objets et leurs démarches d’analyse: la sociologie, en révélant les déterminismes sousjacents et inconscients qui expliquent les conduites humaines dans une société donnée; les SIC, en analysant les phénomènes de communication par la mise en évidence des multiples opérations de médiation et de médiatisation qui assurent la production, la diffusion, la transformation et l’appropriation des contenus. Cependant, inclure l’expérience dans l’analyse des communications médiatisées permet 78 DDossier de considérer l’individu non seulement comme un récepteur et comme un acteur de la communication, mais également comme un sujet, mû par le besoin de vivre des expériences autant que par des motivations économiques et instrumentales (en tant que destinataire d’une intensive politique de l’offre). Cela permet aussi de donner une forme de profondeur à l’analyse de la pragmatique des communications. Ne pouvant aborder l’ensemble du spectre de comportements et de productions de significations relevant de la notion d’expérience, nous reconsidèrerons dans un premier temps la notion d’usage en lien avec les travaux sur les pratiques culturelles et les réceptions des œuvres. Ce choix est motivé de deux façons. Tout d’abord, par le poids des industries culturelles et créatives ainsi que des contenus culturels dans les biens symboliques qui circulent par les technologies de l’information et de la communication; ensuite, parce qu’aujourd’hui, la fréquentation de la culture dans ses lieux traditionnels (musée, concert, cinéma, etc.) et les pratiques numériques tendent à se confondre, se compléter ou s’hybrider (musées virtuels, applications conçues autour des expositions-événements, présence des institutions culturelles sur les réseaux sociaux, retransmission d’événements culturels en direct et en différé, art numérique, événements culturels collaboratifs à distance, etc.). Nous aborderons ensuite la dimension expérientielle des usages des technologies à partir d’études réalisées dans le domaine culturel, notamment l’expérience de visite patrimoniale et touristique. Nous envisagerons enfin la dimension culturelle de l’expérience à partir de travaux portant sur la médiation culturelle. Nous proposons donc de montrer comment la notion d’expérience peut reconfigurer le regard porté sur les pratiques et les usages dans le domaine de la culture. 1. La dimension culturelle des pratiques et des usages Les études d’usages, au-delà des attentes des institutions et des entreprises commanditaires, présentent, selon Eric George (George 2012: 28), l’intérêt de redonner une ‚épaisseur‘ à la figure du consommateur, figure trop déterminée par rapport à une offre économique pour pouvoir servir de cadre à une analyse des processus d’appropriation. Dans l’article définitoire „Usages“ du Glossaire critique de la ‚société de l’information‘, Divina Frau-Meigs indique que, bien que les études d’usages soient commanditées dans un esprit qui relève le plus souvent du déterminisme technique, ces études ont permis de mettre en évidence qu’un usage ne relève pas d’un mécanisme simpliste de satisfaction d’une demande par une offre. Ce qui caractérise l’usage, c’est l’adaptation voire la réivention (Frau-Meigs 2005: 139), et le fait que parfois les utilisations les plus créatives ou les plus efficaces n’ont été ni prescrites ni même prévues. L’usage se situe dans une pensée „(post)lazarsfeldienne“ par la „prise en considération des phénomènes et des situations sociales de réception“ (Frau-Meigs 2005: 141) au-delà de la question des effets, des impacts et de l’influence. Toutefois, la notion d’usage, même si elle 79 DDossier permet de décrire un utilisateur actif, voire collaboratif et créatif, est techno-centrée dans la mesure où ce qui intéresse l’analyste se situe dans le temps et le cadre d’un individu en prise avec une technologie. Certes, le contexte socioculturel d’utilisation n’est pas oublié (Frau-Meigs 2005: 139), pas plus que l’existence d’une culture technique élaborée au fil des usages successifs, qui permet de passer d’une technologie à une autre, et dont tiennent de plus en plus compte les concepteurs. Sans en être le pendant, cette culture technique peut être rapprochée de la culture de consommation que l’on voit se développer notamment au sein des jeunes générations. De même que la culture de consommation, la culture technique se caractérise par une attitude à la fois d’acceptation, de „renoncement négocié“ au sens où l’entend Geneviève Vidal (Vidal 2010) et de prise de distance, la consommation et l’usage devenant une activité portant en soi sa propre finalité, au-delà du besoin ou de la nécessité. Sans utiliser le terme ‚usages‘, dont l’emploi est postérieur à ses écrits, Michel de Certeau avait de longue date décrit les interstices dans lesquels l’individu peut affirmer sa liberté et sa créativité, quelles que soient la force et l’emprise des espaces définis et imposés par les institutions et la culture légitime. La distinction entre tactiques (des pratiquants) et stratégies (des dominants) est un grand classique des études en information-communication et est considérée à juste titre comme annonciatrice de recherches à venir sur les usages. Redéfinissant le consommateur comme un producteur culturel, certes silencieux et discret, certes dépourvu de la possibilité d’inscrire ses traces d’usages et ses productions de signification dans des espaces contrôlés par les institutions et les acteurs dominants, Certeau proposait une théorie des pratiques permettant de penser la „production des consommateurs“ (Certeau 1980: XXXVI) et plus largement la possibilité de prise de distance des individus au sein de systèmes fondés sur la domination culturelle: „l’extension de plus en plus totalitaire de ces systèmes ne laisse plus aux ‚consommateurs‘ une place où marquer ce qu’ils font de ces produits“ (Certeau 1980: XXVII). Revendiquant l’étude du „phrasé“ des pratiques (Certeau 1980: XLV) face aux taxinomies homogénéisantes des grandes enquêtes statistiques, Certeau a en effet préfiguré les études d’usages, car la notion d’usage permet de nommer ce que font les individus confrontés à la technologie, notamment leurs modalités singulières d’appropriation, de résistance, de négociation, de détournement et d’invention de procédures. Cet apport majeur a été relevé et commenté par Serge Proulx (Proulx 1994), notamment la dimension de quotidienneté, qui signe chez Certeau le caractère humble des pratiques qu’il entend réhabiliter et qui, dans les études d’usage, permet de prendre en compte le caractère cumulatif et individualisé des processus d’appropriation. Jeanneret (Jeanneret 2007: 13), dans le sillage de Proulx, note que la catégorie du média n’est pas centrale dans les analyses de Certeau, mais que le terrain médiatique offre des objets privilégiés pour mettre en œuvre ses analyses. Cependant, alors que Certeau s’inscrivait dans une posture critique par rapport à la sociologie de Bourdieu, Jeanneret constate que l’hétérogénéité constitutive 80 DDossier des dominants et des dominés et la bipolarité des positions (producteurs vs récepteurs) restent néanmoins une figure majeure de sa pensée (Jeanneret 2007: 14). Le Marec, dans le même esprit, note que la grande fortune critique de la figure des usagers-braconneurs ne fait au fond que reproduire la structure bipolaire des rapports sociaux (Le Marec 2004: 141), les dominés étant réduits à attendre l’occasion offerte par les interstices du système, sans pouvoir anticiper le temps de cette occasion ni le contrôler. Le binôme espace / temps est en effet une des dimensions du couple notionnel stratégie / tactique. Or, Le Marec (2004: 143) relève que le contexte culturel a beaucoup changé entre l’époque de Certeau et la nôtre, notamment l’affaiblissement du poids et du pouvoir de la culture légitime (Fabiani 2007) et que le contexte actuel n’est plus celui de la culture légitime, mais celui du marché. Se référant à l’importance des temporalités historiques et à la lenteur de l’appropriation sociale des techniques mises en évidence par Jacques Perriault (1989), elle relève également un point essentiel pour la notion d’usage: Le registre des tactiques suppose, sinon un espace propre, du moins un temps qui peut permettre à l’usage de se développer et de construire des récits. Le temps, qui crée l’occasion, joue en faveur de l’usager. Or, le marché des Tic impose un cadre temporel qui est celui de la succession des technologies dernières nées. Il devient difficile de produire des récits qui mettraient en forme le lent procès d’une technologie travaillée par les pratiques sociales (Le Marec 2004: 143). En revanche, au-delà de l’apport de Certeau pour les études d’usages, les figures de pratiquants qu’il dessine préfigurent, selon Le Marec, une „théorie complexe de la pratique“ (Le Marec 2004: 144), théorie qui caractérise la posture spécifique des SIC par rapport à la sociologie, car elle fait intervenir, au-delà du couple acteur / société, un troisième élément: le champ médiatique. Nous pouvons ajouter que l’apport de Certeau consiste aussi dans une vision profondément culturelle des pratiques du quotidien (déambuler, se nourrir, regarder la télévision, lire, faire la „perruque“ 1 etc.), qui peut s’appliquer sans difficulté à l’analyse des usages des technologies, qu’elles soient ou non culturelles dans leur contenu ou par destination. Cette vision est fondée sur l’idée que toute consommation est une production, mais pas une production qui serait en miroir par rapport aux forces de production ou qui se situerait sur le même plan: une production de sens, élaborée par un pratiquant en prise avec un sens élaboré par un producteur et inscrit dans un support (émission télévisée, livre, œuvre d’art, espace urbain, espace de travail), intégrée au sens de sa vie. Le consommateur-producteur n’est pas seulement producteur de menues différenciations et de microrésistances, mais est, plus largement, un acteur réflexif capable de donner sens et unité à son action. Relisant les textes fondamentaux de Jouët (1993, 2000), de Lacroix (1994) et de Pronovost (1994) sur les notions d’usage et de pratique, on trouve énoncée à leur propos une définition assez classique de la culture au sens anthropologique. 81 DDossier Ainsi, chez Jouët, la notion d’usage est d’abord renvoyée à la simple utilisation de la technique tandis que la pratique est une notion plus élaborée qui recouvre non seulement l’emploi des techniques (l’usage), mais les comportements, les attitudes et les représentations des individus qui se rapportent directement ou indirectement à l’outil (Jouët 1993: 371). Quelques années plus tard, se référant aux travaux sociologiques de Pierre-Alain Mercier, elle relève que [l]a problématique des modes de vie traverse en effet les études qui se penchent sur la façon dont les TIC réarticulent les relations entre l’espace privé et l’espace public, le travail et le hors travail, les loisirs et la vie domestique, la sociabilité en face à face et l’échange social à distance, dans une optique qui réfute la sectorisation et considère le mode de vie comme un tout (Jouët 2000: 495). Elle ajoute que „l’appropriation dans la construction de l’usage se fonde [ ] sur des processus qui témoignent d’une mise en jeu de l’identité personnelle et de l’identité sociale de l’individu“ et repère une „réalisation du moi“ aussi bien dans les usages domestiques que dans certains usages professionnels des TIC (Jouët 2000: 503). Certes, c’est auprès des usagers intensifs des TIC que se développent le plus clairement „une mise en scène de l’individu et un fort investissement émotionnel“ (Jouët 2000: 504), mais ces caractéristiques sont applicables à des usagers dépourvus d’une culture technique aussi poussée que celle des usagers experts. De manière plus explicite, Lacroix (cité par George 2012: 34) développe une définition culturelle des usages sociaux des TIC: des modes d’utilisation se manifestant avec suffisamment de récurrence et sous la forme d’habitudes suffisamment intégrées dans la quotidienneté pour s’insérer et s’imposer dans l’éventail des pratiques culturelles préexistantes, se reproduire et éventuellement résister en tant que pratiques spécifiques à d’autres pratiques concurrentes ou connexes (Lacroix 1994: 147). Enfin, Pronovost (également cité par George 2012: 45) recommande de placer l’étude des pratiques médiatiques dans le cadre plus large des pratiques culturelles, en tenant compte des pratiques quotidiennes et du système culturel de référence: La formation des usages sociaux correspond aux différents processus par lesquels les acteurs en viennent à structurer leurs rapports aux médias [ ] dans le contexte de l’ensemble de leur pratiques culturelles et en interaction avec les logiques industrielles dominantes (Lacroix 1994: 379). 82 DDossier 2. Usages des technologies et expérience de l’usager: la dimension expérientielle de l’usage des technologies numériques dans le domaine culturel Nous venons de voir à travers cette rapide revue de littérature que la dimension culturelle des pratiques et des usages se lit à plusieurs niveaux. Un premier niveau, proche de l’interaction homme machine est celui de la culture technique en tant qu’ensemble de connaissances techniques, d’habiletés dans la manipulation, d’adaptabilité et de créativité permettant de passer d’une technologie à une autre en accédant à des degrés de complexité plus importants quelles que soient les améliorations portées à l’ergonomie des interfaces. Un deuxième niveau est celui des cadres (notamment domestiques, professionnels, liés aux loisirs) dans lesquels les opérations mobilisées par les usagers permettent à ceux-ci de se définir en tant que sujets et acteurs sociaux. Leurs pratiques médiatiques se situent dans des contextes socioculturels, se réfèrent à des systèmes culturels de référence et s’insèrent dans un ensemble plus large de pratiques que l’on peut qualifier de culturelles. Un troisième niveau, que nous n’avons pas abordé faute de pouvoir le faire avec l’ampleur nécessaire, est celui des contenus: si les TIC fonctionnent et se développent sans cesse dans les espaces de communication, ce n’est pas seulement en raison de stratégies d’imposition au nom des intérêts puissants des grandes organisations économiques, mais aussi parce qu’elles accélèrent la circulation de contenus culturels au sens strict, autrement dit savants et populaires (musique, images, films, œuvres numériques, récits, informations, connaissances) et au sens large, autrement dit anthropologiques (échanges informels, présentation de soi, liens communautaires, rumeurs, opinions, etc.). L’usager, comme nous l’avons également vu, n’est pas un acteur limité et envisagé du seul point de vue de sa confrontation à la technique. C’est, plus largement, un pratiquant et un auteur (ou à tout le moins un co-producteur) du sens de sa pratique, doté d’une culture technique accumulée au fil des usages et évolutive. Il est également doté d’une capacité d’appropriation, entendue comme une „intériorisation progressive de compétences techniques et cognitives à l’œuvre chez les individus et les groupes qui manient quotidiennement ces technologies“ (Proulx 2005: 5). L’usage participe de l’invention du quotidien, des arts et manières de faire. Paquienséguy, situant l’analyse des usages dans l’actualité plus récente de ce qu’il est convenu d’appeler l’ère numérique, rappelle que Proulx, dans une conférence prononcée avec Bardini en 1999, posait déjà la question de la convergence et du déploiement de nouvelles pratiques, qu’elle nomme les „pratiques intermédiales“ (Paquienséguy 2012: 198). Elle mentionne que ces deux auteurs formulaient alors l’hypothèse que des évolutions technologiques majeures peuvent entraîner des changements significatifs dans les univers de pratiques des usagers. Faisant référence à la théorie interactionniste de Goffman, Paquienséguy postule que le niveau de complexité qui caractérise l’ère numérique, en raison de la multiplicité des acteurs économiques, des formats de communication, et du phéno- 83 DDossier mène de l’intermédialité pousse l’individu à la „gestion permanente d’un holding de personnalités“ (Paquienséguy 2012: 200). Elle ajoute que les usages participent de l’expérience, dans le faire, le savoir-faire, le développement d’habiletés, la mise en œuvre des compétences au carrefour des pratiques communicationnelles et des technologies qui s’y rapportent. Ils partagent avec la consommation le fait de „s’appu[yer] sur l’expérience au travers des affects, des émotions et des sensations qu’elle apporte“ (Paquienséguy 2012: 206). Paquienséguy rappelle que partager son expérience (intime, culturelle, de consommation, etc.) est devenu une part importante des contenus échangés sur le web, et pose l’hypothèse que le partage lui-même engendre une expérience spécifique. Elle conclut que [l]es deux figures de l’usager et du consommateur sont encore plus liées qu’il n’y paraît, [car] la consommation de biens culturels (dont l’émotion et les sentiments sont les moteurs), comme des biens intangibles (dont certains ne sont pas réels, mais virtuels), repose sur une appropriation de l’expérience qui doit devenir personnelle, individuelle pour être identitaire (Paquienséguy 2012: 207). Dans cette perspective, l’usager serait, autant que le consommateur, marqué par la dynamique d’un désir que la consommation ne peut assouvir. La notion d’expérience ne ressortit donc pas uniquement de la psychologie, mais peut être mobilisée dans la sociologie des usages. Ainsi, Jauréguiberry et Proulx définissent l’usage comme „une expérience individuelle et sociale dans laquelle l’usager est engagé à titre de sujet“ (Jauréguiberry, Proulx 2011: 9). Cette définition va au-delà des distinctions habituelles entre utilisations (ponctuelles), usages (en tant que pratiques sociales inscrites dans le temps et ayant intégré une forme de culture technique) et pratiques (notion qui intègre les déterminismes sociaux et comporte une composante symbolique et culturelle plus accentuée que les deux précédentes). 2 Ces trois distinctions se présentent comme des degrés dans l’appropriation individuelle et sociale des techniques, ce qui n’est pas le cas de l’expérience, qui ouvre vers d’autres dimensions. En particulier, mettant en évidence les trois logiques d’action situées en amont des usages (logique d’intégration, logique stratégique et logique de subjectivation), Jauréguiberry et Proulx présentent les dimensions de réflexivité et de liberté individuelle qui relèvent de la logique de subjectivation (Jauréguiberry / Proulx 2011: 106-110). Dans le sillage de Simmel, ils rappellent que l’individu moderne est caractérisé par une tension constitutive entre l’objectivité des statuts et des rôles sociaux qui lui sont assignés et la subjectivité du sens que chacun tente de trouver en lui-même et de donner à sa vie, sous la double forme d’un „contentement et d’un sentiment de vérité“ (ibid.: 111). En ce sens, être présent et actif sur les réseaux sociaux numériques et dans les communications médiatisées peut être un jeu d’apparences plus ou moins fictives. Mais c’est aussi, comme dans le cas du „bloggeur expressif“ (ibid.: 112), une possibilité d’exposition et d’expression de soi par le biais de réalisations et d’écritures personnelles, ouvrant la voie vers un dépassement des rôles et statuts cadrant l’expressivité ordinaire. L’expérience, selon ces 84 DDossier deux auteurs, peut être vécue lorsque l’individu n’est pas aspiré par les logiques d’intégration et les logiques stratégiques. Elle est „un décalage constant aux définitions de soi comme objet social“ (ibid.: 122). Au-delà du champ relativement restreint de la sociologie des usages, la notion d’expérience est mobilisée plus largement en sociologie. Le sociologue de l’éducation François Dubet, dans un ouvrage de sociologie générale, affirme que „les conduites sociales n’apparaissent pas réductibles à de pures applications de codes intériorisés ou à des enchaînements de choix stratégiques faisant de l’action une série de décisions rationnelles“ (Dubet 1994: 254). Dubet construit sa thèse en faisant de l’expérience sociale une notion structurante pour penser une nouvelle théorie de l’action. L’expérience sociale permet en effet de décrire „l’hétérogénéité des principes constitutifs“ des conduites individuelles et collectives ainsi que „l’activité des individus qui doivent construire le sens de leurs pratiques au sein même de cette hétérogénéité“ (ibid.: 15). En ce sens, le recours à la notion d’expérience permet de dépasser certaines limites attachées à la notion d’usage, qui s’est développée dans l’étude des technologies, et à la notion de pratique, qui s’appuie sur une tradition sociologique d’étude critique du „faire“ des individus inscrits dans un système qui les agit et dans lequel ils agissent. Bien que Dubet n’y fasse pas allusion, sa proposition théorique fait écho aux analyses de Certeau sur la „fabrication culturelle“ des sujets confrontés aux objets et aux institutions de la culture. En effet, chacun, dans la conception que propose Dubet, est l’auteur de son expérience: „La distance critique et la réflexivité des acteurs participent pleinement de leur expérience sociale“ (ibid.: 18). Être acteur, ce n’est pas seulement jouer un rôle ou poursuivre des buts stratégiques et rationnels, mais „gérer simultanément plusieurs logiques d’action“, et cette combinaison de logiques n’a pas de „centre“. L’unité de l’action n’est pas donnée a priori, elle repose sur l’activité du sujet, sa capacité critique et de distance à soi-même (ibid.: 91-92). La notion d’expérience réfère à deux phénomènes en apparence contradictoires, mais qui sont articulés: d’une part, l’expérience est une manière d’éprouver, d’être envahi par un état émotionnel suffisamment fort pour que l’acteur ne s’appartienne pas vraiment tout en découvrant une subjectivité personnelle; [d’autre part, c’est] une activité cognitive, [ ] une manière de construire le réel et surtout de le ‚vérifier‘, de l’expérimenter. L’expérience construit les phénomènes à partir des catégories de l’entendement et de la raison (ibid.: 92-93). Nous avons eu nous aussi recours à la notion d’expérience pour étudier les usages d’outils technologiques développés dans le champ culturel, notamment lors de deux enquêtes réalisées sur les applications de réalité augmentée dans les visites patrimoniales de sites et de villes, en collaboration avec Lise Renaud (Bordeaux / Renaud 2012; id. 2014). La première enquête s’est attachée aux applications de réalité augmentée sur tablettes mobiles au cours de visites de villes, et la seconde a porté sur les reconfigurations de l’expérience culturelle des territoires touristiques par le développement de la réalité augmentée. Ces deux enquêtes 85 DDossier avaient pour dénominateur commun et pour déclencheur une étude partenariale menée en 2011 avec le CCSTI (Centre de culture scientifique, technique et industrielle) de Grenoble, l’office municipal du tourisme et l’Inria (Institut national de recherche en informatique et en automatique) sur une application expérimentale, Grenoble, ville augmentée. 3 Cette application avait pour but de prendre place dans l’exposition du CCSTI Tous connectés? et d’établir un lien entre le dedans de l’exposition et le dehors de l’expérimentation. Il s’agissait de tester, en grandeur nature, une technologie dont les développements concrets étaient alors encore très récents. Il est important de préciser que la notion d’usage ne convenait que partiellement dans l’enquête menée à Grenoble, car l’outil était expérimental, mis ponctuellement à la disposition de publics répondant à une invitation diffusée dans les réseaux de la culture scientifique, et les usages ont été observés au cours de phases-tests, précédant une mise à disposition dans le domaine public qui ne s’est pas encore concrétisée. Les ‚usagers‘ étaient donc des utilisateurs-testeurs occasionnels. Néanmoins, si ceux-ci découvraient pour la première fois la technologie de réalité augmentée, ils étaient représentatifs de catégories socio-professionnelles disposant d’une bonne culture technique, ou à tout le moins d’une évidente ouverture à ces nouvelles technologies. La notion d’expérience, qui n’était pas mobilisée a priori en amont et au cours des enquêtes de terrain, s’est dégagée lors de l’exploitation des résultats: nous nous sommes attachées, en particulier, à l’expérience de la mobilité et à l’expérience culturelle de la visite de ville. En effet, le recours à la notion d’expérience nous a permis de prendre en compte non seulement les usages observés et déclaratifs, mais également l’ensemble des paramètres, des motivations, des imaginaires et des références mobilisés par les visiteurs dans le temps de cette visite appareillée. Ainsi, à propos de l’usage de la réalité augmentée pour les visites patrimoniales de villes instrumentées par des tablettes numériques, nous avons montré comment les qualités associées à la notion de mobilité sont à rechercher, pour ce type d’application, non seulement dans les contenus culturels, mais surtout dans le mode d’expérience qui est proposé aux utilisateurs, en mettant l’accent sur l’expérience corporelle: appareillage, gestes, déplacement, exposition de soi dans l’espace public . À propos des applications de réalité augmentée dans le domaine du tourisme culturel pour smartphones, nous avons également mis en évidence les différentes représentations de l’expérience de visite et de l’expérience touristique. Nous avons notamment montré comment l’immersion, le flux et la mobilité sont des expériences qui transcendent les oppositions couramment admises entre médiation muséale (par le dispositif d’exposition) et médiation technologique (par les outils numériques). Les caractéristiques techniques des applications étudiées dans l’expérimentation de Grenoble Ville Augmentée, puis dans un état des lieux des principales applications culturelles de réalité augmentée disponibles à cette époque, méritent d’être rappelées car elles forment le soubassement des conditions de l’expérience. Que l’interface soit simplifiée (consistant en un simple portfolio d’images et de 86 DDossier textes) ou complexe (scénarisation, angles de vues faisant coïncider images virtuelles et paysages perçus, possibilité de conserver une trace de sa visite et d’adresser des images à des correspondants), il s’agit, dans le temps de la visite, de repérer des ‚points d’intérêt‘ dans le paysage, et de les activer à partir du signe qui les matérialise sur l’écran. C’est une différence notable avec des applications touristiques ou culturelles purement informatives, ou proposant une géolocalisation basique (savoir où l’on se trouve, se repérer sur un plan): dans la réalité augmentée, les ressources ne sont pas seulement sur la tablette, mais aussi, en quelque sorte dans le territoire, car elles ne peuvent être activées que par un geste effectué en présence de points d’intérêt concrets, disséminés tout au long du parcours de visite. Pour y avoir accès, il faut pratiquer physiquement le territoire, ce qui fait de ces consultations une expérience engageant le corps (Bordeaux / Renaud 2014: 167). La consultation à distance d’applications de ce type, telle que Streetmuseum (Museum of London), Clunyvision (Ville de Cluny) ou Jardins de Versailles (Établissement public du Grand Versailles) qui comportent une possibilité de consultation ‚dans son fauteuil‘, permet de comprendre la différence qu’il y a entre feuilleter les ressources sur son smartphone et se mettre en chasse des lieux remarquables qui pourront déclencher ces ressources en situation de visite. C’est une expérience singulière, qui ne peut s’effectuer que dans le déplacement (ibid.). Ainsi, contrairement aux craintes souvent exprimées par les médiateurs culturels, les applications de réalité augmentée ne sont pas interchangeables (et donc substitutives) par rapport aux visites guidées, car elles proposent une expérience particulière dans laquelle le visiteur est par définition acteur non pas de sa visite mais du déclenchement et de la gestion des ressources culturelles nécessaires à cette visite. Nous avons pu établir, lors de l’observation des visites appareillées, à quel point les discours promotionnels sur la réalité augmentée et les prévisions d’usages peuvent être éloignés des pratiques effectives. L’expérience vécue, telle qu’elle peut être observée, et telle qu’en parlent les visiteurs enquêtés, est assez différente de l’expérience dont les concepteurs font la promotion. Ceux-ci mettent l’accent sur la liberté de choix, la fluidité et la facilité dans les fonctionnalités, les gestes et le déplacement, ainsi que le caractère ‚sur mesure‘ de visites que chacun peut agencer à sa guise. Ils formulent également une promesse de transparence: de nombreux visuels promotionnels montrent des superpositions par transparence qui permettent de voir, dans un même regard, l’état actuel du paysage et des vues anciennes ou des reconstitutions numériques. Ces promesses sont démenties par le poids de l’appareillage (que révèlent les photographies d’usagers prises lors des visites), le temps passé visuellement sur l’écran (donc sans regarder le paysage), l’impossibilité technique de superposer paysage réel et paysage reconstitué dans les interfaces proposées, et la gestion du renoncement (une fois réalisée l’ampleur des ressources culturelles mises à disposition par rapport au temps réellement disponible pour la visite et à la fatigue causée par le va-et-vient entre paysage, itinéraire et ressources numérisées). La promesse la moins tenue 87 DDossier fut la liberté dans le cheminement et la trajectoire, car le fait de chercher les points d’intérêt dans le paysage et de ne pas perdre ceux-ci de vue (combiné au fait que les visiteurs étaient conscients de participer à une expérimentation et manifestaient une évidente bonne volonté culturelle dans leur participation) a rendu les visiteurs particulièrement obéissants et attentifs au ‚bon‘ trajet dans la ville, s’interdisant tout pas de côté, même dans des lieux intéressants de toute évidence sur le plan patrimonial. Alors que dans le cas des visites guidées de groupe, il existe toujours une proportion plus ou moins importante de visiteurs qui vagabondent, usent de la visite comme d’un prétexte pour regarder ailleurs, ou qui décrochent au bout d’un certain temps pour se consacrer à d’autres activités, nous avons constaté que les utilisateurs-testeurs étaient tous particulièrement concentrés sur les tablettes, et les échanges lors des focus groups ont corroboré ce constat. Ils ont fait apparaître, au cours des échanges, que le „plaisir de la technique“ (Vidal 2014) peut être supérieur au plaisir généré par les contenus culturels, car une grande partie de l’attention était portée à la technologie innovante plutôt qu’aux contenus culturels. Il est difficile d’avancer davantage dans les conclusions car, ayant participé aux réunions de conception de l’interface, nous avons pu nous rendre compte que l’attention portée aux potentialités techniques l’emportait largement sur celle portée à la création de contenus ou à la transposition de contenus préexistants sur d’autres supports. Dans le cas de l’enquête menée à Grenoble, à part quelques contenus originaux (vision de Grenoble dans le futur à la manière de la scène finale de la Planète des singes, dialogue imaginaire entre Stendhal, l’écrivain, et Barbara, la chanteuse), les ressources culturelles constituaient le point faible de la réalisation. Malgré ces réserves, nous savons, par les études menées sur les visiteurs de musées (Goldstein et al. 1996; Vidal 2012b), qu’après un moment de surprise, de découverte des potentialités techniques et d’attention aux contenus, les usagers des dispositifs interactifs ou numériques se lassent vite de l’accès aux contenus et font usage de la technologie pour ellemême, en tant que production culturelle à part entière faisant le lien entre la culture du musée et la culture technique inscrite dans la vie quotidienne. Le patrimoine, les musées et l’art numérique sont les secteurs les plus étudiés du point de vue des usages culturels du numérique, car les institutions patrimoniales et artistiques ont largement fait appel aux nouvelles technologies au fur et à mesure des avancées de leurs potentialités afin de multiplier les formes d’expérience proposées aux visiteurs et aux amateurs d’art. D’autres domaines culturels doivent néanmoins être cités, dans la mesure où ils se sont historiquement structurés autour de la notion d’expérience esthétique, refusant la médiatisation, valorisant le rapport hic et nunc entre scène et salle comme la seule forme légitime de réception de l’art, au point, pour de nombreux artistes, de refuser toute captation technique de leurs créations. Ainsi, Philippe Le Moal (1998) rappelle combien cette attitude a été répandue dans la danse contemporaine, au point de fragmenter sa mémoire, fondée essentiellement sur une transmission orale et la mémoire corporelle des danseurs, ainsi que sur des traces partielles telles que les arguments de 88 DDossier ballets, les musiques de ballets enregistrées, quelques rares et complexes notations des mouvements dansés et les photographies prises lors de représentations ou sous forme de pose devant l’objectif. Les réticences dans le domaine du théâtre sont plus importantes encore. Certes, l’histoire du théâtre, de même que l’histoire de l’opéra, se confond avec le développement du cinéma, 4 mais il s’agit essentiellement d’œuvres portées à l’écran et faisant l’objet de réécritures multiples, avec un statut auctorial qui privilégie souvent le rôle du réalisateur, plus rarement de captations, de retransmission en direct ou d’autres formes de médiatisation: tout se passe comme si ces réalisations gagnaient en popularité et en nombre de spectateurs ce qu’elles perdent de lien avec l’expérience fondatrice des arts du spectacle vivant. Malgré cette culture professionnelle hostile aux industries culturelles, on peut observer de nombreux liens avec les médias, les innovations technologiques et les TIC. Dès 1992, Philippe Bouquillion faisait remarquer que les retransmissions et créations télévisuelles font partie des stratégies des institutions théâtrales en matière de communication et de développement des publics. En effet, Bouquillion indique que les causes de la baisse de la fréquentation du spectacle vivant sont moins à rechercher dans une concurrence de la télévision que dans le déclin des publics traditionnels de la culture légitime et l’incapacité relative de cette culture à constituer un enjeu de distinction sociale pour les nouveaux groupes dominants, et cela, bien que la rentabilité immédiate soit aléatoire et que le second marché des films de spectacle n’existe que pour les grandes productions internationales généralement musicales ou lyriques. Plus récemment, l’exemple des pratiques développées dans les musées, le patrimoine, l’art numérique, l’injonction politique et économique à entrer dans l’ère numérique, ainsi que la demande sociale (notamment de la part du secteur éducatif en quête de ressources permanentes pour l’éducation artistique en milieu scolaire) ont démultiplié la présence du spectacle vivant dans les supports et réseaux de communication. Un des points communs entre ces formes de médiatisation est le fait de se tenir au plus près de l’expérience esthétique originelle, ou au contraire de proposer une expérience nouvelle, inédite, correspondant à des besoins sociaux spécifiques. Dans la première catégorie, on peut citer les retransmissions en direct d’opéras et de ballets par les réseaux Pathé-Gaumont (en lien avec le Metropolitan Opera et le Bolchoï) et par le réseau UGC (en lien avec l’Opéra de Paris et ses partenaires parmi d’autres maisons d’opéra françaises ou étrangères). Les spectateurs des opéras retransmis par Pathé-Gaumont peuvent entrer à l’avance dans la salle de cinéma et bénéficient d’une feuille de salle comme à l’opéra. Ils le font en même temps que les spectateurs newyorkais, dont l’installation, les bavardages et autres marques de sociabilité sont filmées avant le début de la représentation. Durant les entractes, ils ont le choix, comme à l’opéra, de rester dans la salle ou d’en sortir. Une médiation spécifique est néanmoins proposée au cinéma dans ces temps de pause: à l’image des retransmissions télévisées, une commentatrice (Renée Fleming) présente l’intrigue et interviewe en direct les artistes; après les commen- 89 DDossier taires et interviews, les spectateurs peuvent assister aux changements de décor effectués derrière le rideau baissé. Les incidents techniques et musicaux sont donnés à vivre en même temps, événements auxquels s’ajoutent les incidents de transmission qui constituent une perte irrémédiable pour les spectateurs de cinéma: aucun différé ne leur permet de ‚rattraper‘ les séquences perdues. Dans la seconde catégorie, on peut citer le site Numéridanse de la Maison de la Danse de Lyon, qui met en ligne des vidéos de spectacles chorégraphiques (plus de 1600 lors d’une consultation effectuée le 1 er août 2014). Le site, qui s’adresse en principe à un large public curieux de différentes formes de danse, mais avant tout de danse contemporaine, est structuré de manière à répondre prioritairement aux importants besoins de ressources éducatives numériques pour l’éducation artistique dans les établissements scolaires et pour l’enseignement de l’histoire des arts initié en 2008 en France et intégré dans les programmes scolaires de l’école et du collège. Il comporte en effet trois volets principaux: le catalogue complet des vidéos disponibles; la liste des collections permettant de regrouper les contributions de chaque institution culturelle partenaire du site; l’onglet „apprendre et comprendre“, organisé en plusieurs sous-parties qui sont actuellement en développement (plusieurs figurent à l’état de chantier en cours ou de projet), telles qu’une carte interactive de la danse dans le monde, une frise chronologique de l’histoire de la danse ou les „thémas“ organisés autour de sujets transversaux („le corps et les conflits“, „féminin / masculin“, „danser dehors“, etc.), des activités ludiques et des play-lists à élaborer. Il s’agit donc d’un dispositif orienté vers un besoin social spécifique et structuré comme une offre éducative de musée ou de bibliothèque, à l’image des ressources pédagogiques de la Cité des Sciences ou de la Bibliothèque nationale de France, alors que les ressources disponibles sont de nature artistique et peuvent aussi être utilisées dans un objectif plus immédiat de plaisir (voir de la danse). Dans le cas de Numeridanse, le référent n’est pas l’expérience esthétique, mais un environnement éducatif préparant à l’expérience esthétique par la diffusion de connaissances, de ressources audiovisuelles et de points de vue culturels, en amont ou en aval d’une rencontre et d’une pratique artistique. On peut également citer Opérabis, projet mené en 2010-2011 par l’Opéra de Rennes. Des opéras choisis dans la programmation de Rennes sont recréés en 3D dans les mondes virtuels SecondLife et Opensimulator et diffusés gratuitement à l’intention d’un public d’internautes. Pour assister aux représentations, les internautes devaient créer un avatar sur l’une des deux plates-formes 3D hébergeant le projet, puis réserver leur place sur le site dédié. Ce projet-phare du programme Services numériques culturels innovants 2010 du ministère de la Culture français était fondé sur la promesse d’une offre innovante, décalée, induisant des usages présentés comme inédits: permettre aux internautes de ne pas rester isolés derrière leurs écrans et de partager une expérience culturelle. Il avait aussi pour but d’étendre les publics de la musique lyrique en offrant la possibilité à des publics éloignés géographiquement des opéras ou démunis financièrement d’assister à une série de représentations, comme l’indiquait le dossier de presse 90 DDossier de l’Opéra de Rennes en 2010. 5 Malgré la modernité affichée et le caractère original de l’offre (vivre à distance un événement relevant en principe de la co-présence et de l’émotion collective), on peut observer que les ‚vies‘ proposées aux avatars sont en bien des points conformes à l’expérience ordinaire de spectateur: sortir de chez soi, aller voir un opéra, profiter des entractes pour échanger ses impressions, jusqu’aux ‚activités post-représentations‘ par le biais des réseaux sociaux numériques, qui sont la transposition dans ces réseaux des processus classiques de formation et de diffusion d’opinions publiques sur les spectacles, tels que les a analysés Emmanuel Ethis à propos des spectateurs des festivals d’Avignon et de Cannes (Ethis 2001, 2002). Dans les différents cas présentés, le secteur de la culture s’approprie les technologies pour faire face aux difficultés d’un secteur confronté au pouvoir de diffusion et captation d’audience caractérisant les industries culturelles et créatives, pour témoigner de leur insertion dans la modernité et pour répondre à la demande sociale suscitée par la généralisation des outils informatiques et numériques. Il le fait aussi pour préparer, reproduire, amplifier ou renouveler l’expérience esthétique des œuvres. Si, dans le cas des expositions, nous avons pu relever plus haut des comportements privilégiant le plaisir de la technique sur le plaisir de la connaissance, de la contemplation ou de la délectation, si la dimension ludique des avatars accueillis dans l’espace virtuel de l’opéra de Rennes est présentée comme l’attrait principal du dispositif Operabis, dans les arts du spectacle l’expérience esthétique reste centrale. La notion d’expérience esthétique peut être éclairée par les travaux de Dewey sur l’expérience de l’art (1934) et de J.-M. Schaeffer sur les conduites esthétiques (1996). Chez Dewey, il s’agit de restaurer une continuité entre les formes les plus raffinées ou légitimes de l’art et les formes ordinaires de l’expérience esthétique, déclenchées par des objets ou des situations extérieures au champ de l’art (Dewey 1934: 21). Il s’agit également de reconnaître la dimension esthétique de l’existence dans „la matière brute de l’expérience, les événements et les scènes qui captent l’attention auditive et visuelle de l’homme, suscitent son intérêt et lui procurent du plaisir“ (ibid.: 23). Face à un art académique mis artificiellement sur un piédestal et nécessitant, de la part des publics des compétences et dispositions spécifiques, Dewey s’intéresse aux formes et scènes ordinaires qui suscitent émotions, plaisir et attention. Mais l’expérience esthétique ne se résume pas, selon lui, à l’addition de ces caractéristiques. L’expérience est „le résultat, le signe et la récompense [d’une] interaction entre l’organisme et l’environnement qui, lorsqu’elle est menée à son terme, est une transformation de l’interaction en participation et en communication“ (ibid.: 43), elle résulte d’un acte régi par un sens aigu des relations qu’il entretient avec une situation donnée. En somme, c’est la plénitude de l’expérience qui la révèle en tant que telle: Il est des choses dont on fait l’expérience, mais pas de manière à composer une expérience. [Celle-ci] est conclue si harmonieusement que son terme est un parachèvement et 91 DDossier non une cessation. Une telle expérience forme un tout: elle possède en propre des caractéristiques qui l’individualisent et se suffit à elle-même (ibid.: 59). A cet égard, Dewey ne relève pas de différence de nature entre l’expérience esthétique vécue dans la rencontre avec une œuvre d’art et celle qui résulte d’une activité sociale accomplie comme une conversation ou un dîner réussis. Si Dewey s’intéresse plus particulièrement à l’art, c’est que celui-ci procure des situations d’expérience esthétique qui sont la forme la plus aboutie de l’expérience pleine et authentique, de l’expérience en quelque sorte à l’état pur si l’on suit Dewey jusqu’au bout de son raisonnement. Nous utilisons la notion de „conduite esthétique“ dans le sillage des travaux de Schaeffer (1996), pour qui „esthétique“ désigne un des modes de relation que nous pouvons avoir avec l’art, mais également avec des objets ou des événements dépourvus d’intentionnalité artistique (Schaeffer 1996: 16). Proposant, à l’instar de Nelson Goodman, 6 un renversement de posture (de la question ontologique „qu’est-ce que l’art? “ vers la question pragmatique „quand y a-t-il art? “), il définit l’œuvre d’art non comme une essence, c’est-à-dire une qualité en soi des objets, mais comme la rencontre entre deux intentionnalités esthétiques, en production (les artistes) et en réception (les publics), rencontre médiatisée par des formes, des techniques et des genres communément associés à l’art: „une œuvre d’art naîtrait ainsi de la rencontre entre un certain type d’objet (un objet issu d’une causalité Intentionnelle) et un certain type d’usage de cet objet (l’usage esthétique)“ (ibid.: 109). Il est difficile aujourd’hui de reprendre intégralement à notre compte la théorisation de Dewey, qui attribue à l’expérience de l’art une dimension d’accomplissement particulièrement poussée, qui ne correspond guère aux formes ordinaires de fréquentation de l’art et de la culture dans une société où cette fréquentation s’est massifiée. Notamment, Passeron (1991) a montré comment l’expérience des œuvres se fait le plus souvent sous la forme de papillonnages perceptifs, de réceptions limitées et partielles au cours du feuilletage ou de la déambulation, à l’opposé du modèle cultivé de la relation à l’art, fondé sur la contemplation et l’aspiration à une expérience pleine des œuvres. Ces considérations sont développées dans le chapitre 12 du Raisonnement sociologique, intitulé „L’usage faible des images“ (Passeron 1991: 399-442). Mais bien que les comportements culturels décrits par Passeron reflètent sans doute, sur le plan statistique, l’ordinaire de la relation aux œuvres, on peut postuler que, même s’ils n’en accomplissent que rarement la promesse, ils sont motivés par un idéal de relation à l’art que la notion d’expérience esthétique permet de nommer. Expérience dont Passeron rappelle lui aussi la valeur universelle, au-delà des variations socioculturelles (ibid.: 409). En revanche, la théorie de l’art développée par Schaeffer, dans laquelle la notion de conduite esthétique joue un rôle majeur, convient mieux à un réexamen de la notion d’usage. En effet, nous pouvons déduire des travaux de Schaeffer, pour le sujet qui est le nôtre, l’idée que les biens culturels ne sont pas seulement culturels de par leurs caractéristiques opérales (ils s’inscrivent dans des domaines 92 DDossier et des genres identifiés: musique, peinture, sculpture, etc., c’est-à-dire le plus souvent en relation avec une forme artistique), mais qu’ils le sont aussi en raison des usages culturels qui en sont faits, notamment celui qui consiste à vouloir éprouver une émotion, vivre une expérience. Les biens culturels ne sont pas seulement des contenus, mais également des ressources dont se sert l’individu pour vivre une expérience particulière qui l’engage au-delà d’usages ponctuels et récréatifs des musées, expositions et autres offres culturelles, qu’elles soient ou non médiatisées. Dans les travaux de Dewey, Schaeffer et Passeron que nous venons de citer, qui sont loin de représenter l’ensemble des recherches menées en philosophie de l’art et en sociologie de l’art et de la culture, mais comptent parmi les plus fortes contributions scientifiques, l’art est présenté comme l’élément déterminant et central des comportements culturels, sous la forme d’une recherche ou d’un accomplissement d’une expérience esthétique. Cette vision mérite d’être discutée dans la mesure où il existe une distinction couramment admise entre art et culture. Pour le dire rapidement, l’art est relatif à l’élaboration d’une forme, qu’elle soit traditionnelle ou d’avant-garde, inscrite dans les catégories des beaux-arts ou fusionnée avec le social au point de sembler disparaître en tant que forme spécifique. 7 Tandis que la culture désigne l’expérience que fait l’individu en lien avec l’art ainsi que la mise en relation de cette expérience avec d’autres expériences et avec les autres champs de la culture (non artistique) et du savoir. 8 Jusqu’à présent, nous avons développé l’idée que la culture est une activité motivée et en quelque sorte définie par l’art et par la recherche d’une expérience esthétique. Nous allons maintenant développer davantage la dimension culturelle de l’expérience en nous appuyant sur des recherches menées sur la médiation culturelle. 3. La dimension culturelle de l’expérience Grâce au développement continu des possibilités techniques offertes par les TIC et, plus récemment, par l’économie numérique des signes, les institutions culturelles modifient et complètent leur offre de médiation culturelle à destination des publics. 9 Sans se substituer aux formes traditionnelles (médiation humaine et présentielle), cette offre se développe par le biais d’outils informatiques et d’interfaces numériques, conjuguant ainsi médiation et médiatisation. Ces outils sont conçus pour se prêter à des usages multiples: in situ ou à distance, dans le temps du contact avec les œuvres ou en différé, de manière complémentaire ou bien substitutive par rapport aux médiations humaines. Dans son sens courant, la médiation culturelle désigne l’activité des agents de médiation (humains, comme les guides-conférenciers et les animateurs, ou techniques, comme les ressources numériques, les audioguides, les processus de mise en exposition). Dans son acception scientifique, la médiation se présente d’abord comme une extension des réflexions menées en information-communication sur les médias et sur les usages 93 DDossier (Bordeaux / Caillet 2013). Les médiations s’inscrivent entre les pratiques sociales et les techniques, matérielles et symboliques de la communication. Beaud (1985), cité par Miège (2008), décrit une société de médiation, dont les acteurs essentiels ne sont pas les seuls professionnels des médias, mais tous ceux dont l’activité consiste à produire, diffuser ou traduire dans la pratique sociale des représentations et des savoirs normatifs. À l’époque où Beaud formulait ces réflexions, les médias n’étaient pas encore informatisés, mais sa réflexion reste d’actualité, car elle ouvre la possibilité de contenus coopératifs ou alimentés en contenus à des niveaux divers dans des interfaces conçues par des institutions culturelles qui ont plutôt pour habitude de contrôler les contenus culturels qu’elles éditent ou concourent à faire circuler. La médiation a ensuite été définie comme un concept permettant d’analyser les modes de diffusion, de circulation et d’appropriation de la culture, notamment dans les travaux de Jean Davallon, Yves Jeanneret et Bernard Lamizet. Nous nous fonderons plus particulièrement sur Lamizet (Lamizet 1999: 270- 275). Rappelons d’abord comment Lamizet définit la médiation culturelle: le terme désigne l’articulation entre singulier et collectif, entre individu et social, articulation qui permet à la culture d’assurer les médiations symboliques qui la fondent ellemême en tant que culture. La médiation culturelle consiste, pour le sujet, dans l’articulation consciente de [...] deux instances de la culture. D’un côté, il y a l’ensemble des représentations symboliques qui donnent du sens à une société ou à un système d’appartenance [ ] et de l’autre, il y a ce que fait chacun des sujets de cette société, dans son expérience propre, de ces manifestations et de ces représentations (ibid.: 271). Présentant l’expérience de la culture comme l’ensemble des pratiques par lesquelles la médiation culturelle s’inscrit dans le réel de la sociabilité, Lamizet propose une catégorisation de l’expérience culturelle selon cinq modes: l’expérience sociale (fréquentation), qui est l’expérience de l’usager; l’expérience esthétique (plaisir), qui est l’expérience du spectateur; l’expérience didactique (connaissance), qui est l’expérience de l’acquisition du savoir, tel qu’il est structuré par la culture; l’expérience symbolique (interprétation), en tant qu’expérience du langage, des codes et des pratiques de représentations par lesquelles nous manifestons notre appartenance à une forme de culture; l’expérience politique (adhésion), qui est l’expérience de la citoyenneté, notamment dans les activités de reconnaissance et de critique. À partir de ces catégories, en prenant en compte tout le spectre des attitudes et activités des individus lorsqu’ils sont en contact avec l’art et la culture, nous proposons de développer les pistes ouvertes par Lamizet afin de prendre en compte une plus grande variété d’attitudes et d’usages de la culture, que nous rassemblons sous le vocable d’‚expérience culturelle‘. Pour cela, nous dissocierons ce qui relève des modes d’expérience, des modes d’agir et des statuts des acteurs. 94 DDossier En premier lieu, nous conserverons la notion d’expérience sociale (dans un sens tout à fait différent de celui de Dubet, présenté plus haut), dont le mode d’agir est la fréquentation. Le statut d’acteur est celui de l’usager. Cela dans plusieurs sens: usager du service public culturel, destinataire et consommateur d’une offre culturelle, ou plus simplement individu en contact épisodique ou fortuit avec un lieu, une œuvre, un processus artistique, une manifestation de culture scientifique. L’usager représente un niveau d’implication dans la culture ou un niveau de conduite esthétique qui peuvent être très faibles: c’est le cas lorsque les médiateurs culturels se donnent pour objectif de faire ‚pousser la porte‘ de l’institution culturelle par des publics éloignés, en difficulté ou empêchés, ce qui représente pour eux un effort important ou à tout le moins une expérience singulière. Ce niveau d’implication peut être à peu près nul, si on prend pour exemple une situation bien connue des agents d’accueil dans les bibliothèques: la présence de jeunes venus se retrouver dans un lieu qu’ils considèrent comme public, sans s’intéresser aux livres, revues ni aux supports audiovisuels, ou bien celle d’adultes en grande difficulté y cherchant un refuge temporaire. La seconde expérience, l’expérience esthétique confère à l’individu le statut de spectateur, au sens où l’entend Goffman lorsqu’il évoque les personnes qui vont au théâtre, mais connaissent déjà la pièce. Elles jouent intérieurement à ne rien savoir jusqu’à ce que, „belle victoire du spectateur sur l’amateur“, elles parviennent à l’état d’enthousiasme ou de plaisir de celui qui la voit pour la première fois (Goffman 1991: 142). 10 Le plaisir n’étant pas un mode d’agir, et l’art fonctionnant aussi sur le mode du déplaisir, nous substituons à la notion de plaisir avancée par Lamizet l’idée que les spectateurs éprouvent l’œuvre d’art ou de l’esprit, c’est-àdire qu’ils en font l’‚épreuve‘: ils s’y confrontent, tentent de la vivre et d’en saisir le sens, mais l’œuvre, par sa nature propre, résiste à cette tentative et ne se livre pas tout entière, en tout cas pas dans les nombreuses épaisseurs de significations qu’elle peut receler. La troisième expérience peut difficilement, selon nous, être qualifiée de didactique, en raison du sens étroit du terme dans les pratiques éducatives. De plus, le didactisme s’exerce en production, non en réception. Nous proposons donc la notion d’expérience éducative (ou cognitive), qui est celle de l’apprenant dans la relation d’apprentissage. Cette expérience est largement sous-estimée dans le champ culturel, qui valorise le choc esthétique, la rencontre avec les œuvres, l’intensité des états de conscience provoquée par cette rencontre. Elle est pourtant présente dans les conférences, écoles du spectateur, ateliers de présentations des œuvres et diverses autres médiations qui se sont multipliées depuis plus de vingt ans, dans le sillage de l’éducation populaire et des apprentissages culturels en contexte non formel. La quatrième expérience est celle sur laquelle la médiation culturelle (au sens commun du terme) joue un rôle essentiel: c’est l’expérience symbolique, dont le mode d’agir est l’interprétation. Nous utilisons ce dernier terme dans l’esprit de Certeau et des „fabrications culturelles“ décrites dans L’invention du quotidien. 95 DDossier C’est en effet l’expérience du langage, comme la définit Lamizet, mais en termes de statut d’acteur, nous dirons que l’individu y agit en tant que sujet de l’énonciation. Toutes les médiations qui sont fondées sur une interaction langagière avec les visiteurs ou les spectateurs instaurent ceux-ci non en simples récepteurs des œuvres, mais en êtres de langage, porteurs d’interprétations spontanées ou conscientisées qui fournissent au médiateur un matériau pour rebondir, rectifier, enrichir, etc. L’expérience politique, chez Lamizet, nous semble suivre un peu rapidement et un peu schématiquement les quatre catégories précédentes, c’est pourquoi nous allons proposer, à ce stade, d’autres types d’expérience. Ainsi, en complément de l’expérience éducative, nous définissons une expérience qui semble proche dans son principe, mais diffère par ses résultats. Il s’agit de l’expérience autodidactique, notion qui désigne les processus d’auto-apprentissage dans la culture ou par le biais de la culture, ainsi que les processus de spécialisation et d’acquisition d’expertise qui se font par d’autres voies que les voies professionnelles: ce sont les amateurs d’art, qualifiés par exemple de ‚grands amateurs‘, ‚mélomanes‘, ‚ballettomanes‘ ou désignés par l’expression ‚passions privées‘ dans les expositions d’art contemporain qui valorisent les collectionneurs privés. Dans une acception plus populaire, c’est aussi l’expérience des cinéphiles, des collectionneurs d’objets modestes, des fans de vedettes de cinéma décrits par Edgard Morin dans Les stars en 1957. L’expérience expressive consiste en une expérimentation, occasionnelle ou non, de l’expressivité. Les SIC ont opéré récemment une promotion de l’amateur, par le biais des pratiques collaboratives et contributives en ligne. 11 Mais elles avaient déjà abordé ces pratiques par le biais des travaux de Roger Odin et Laurence Allard sur le cinéma amateur et sur les conduites expressives dans les supports numériques et les réseaux sociaux numériques. 12 D’autres pratiques occasionnelles peuvent être observées lorsque des ateliers de théâtre, de danse, de musique, de développement personnel sont fréquentés occasionnellement par des individus, ou proposés à des professionnels hors champ de la culture, en vue de développer leurs compétences relationnelles ou de prise de parole en public. Des pratiques plus intensives se sont également développées, encouragées par les possibilités offertes par les TIC. L’expressivité n’y est pas dans tous les cas de nature artistique, et consiste en commentaires, like et autres signes liés à l’expression de jugements, d’opinions, en reroutages de contenus sous divers formats, et en fonctions phatiques d’énoncés divers. L’expérience artistique diffère de l’expérience précédente dans la mesure où elle se rapporte à la création artistique, qu’elle soit professionnelle ou développée dans les milieux amateurs. Pour ces derniers, on peut se référer aux travaux d’Olivier Donnat et de Marie-Madeleine Mervant-Roux sur les amateurs, 13 qui révèlent combien cette pratique est ancrée dans la vie sociale, et passée sous silence au bénéfice des ‚bons‘ comportements culturels, tournés vers la consommation d’œuvres et objets légitimes. C’est l’expérience par laquelle des amateurs 96 DDossier et des professionnels s’approprient les langages de l’art en pratiquant celui-ci et en en faisant une activité autonome, dont les enjeux sont majoritairement dans le champ de l’art et non prioritairement dans le champ des interactions sociales. L’expérience politique de la culture telle que la propose Lamizet nous semble devoir être scindée en trois catégories. Tout d’abord, l’expérience civique du bénévole, qui n’est pas nécessairement corrélée à une grande proximité avec la scène de l’art, lorsque les bénévoles, tout en étant motivés par la nature culturelle de l’action, sont plutôt du côté de la technique, de la gestion, de la sécurité des publics et de l’accueil des artistes. L’économie des festivals doit beaucoup à cette expérience qui est à la fois culturelle (par destination) et non culturelle (dans ses modes concrets d’action). Ensuite, l’expérience participative, qui se développe depuis quelque temps dans le champ de la création par le biais des œuvres participatives, des programmes de type Nouveaux commanditaires de l’art et du courant de l’esthétique relationnelle, où les œuvres n’existent que par les activités des publics. Souvent qualifiés d’‚amateurs‘ par les artistes, ces participants ont plutôt le statut de figurants ou d’acteurs éphémères, dans la mesure où ils ne peuvent acquérir, au cours de l’expérience, des compétences qu’ils pourront réinvestir plus tard dans le champ de l’art ou de la culture. Enfin, l’expérience politique proprement dite est celle du militant qui agit dans et sur la vie culturelle, par son rôle dans les mouvements sociaux et d’éducation populaire, sa participation aux débats publics, sa contribution à des groupes de contre-expertise, son implication dans des groupes de pression. Nous avons ainsi défini une large palette de modes d’expérience qui caractérisent le contact avec l’art et la culture, et forment autant de dimensions de l’engagement des individus dans des activités culturelles. Elle permet de compléter et de détailler la dimension culturelle des expériences vécues par les sujets, au-delà des notions d’usage et de pratique. Elle permet aussi de saisir non seulement le ‚phrasé‘ des pratiques, mais le sens que les individus donnent à leurs actions. Conclusion Ces différents modes d’expérience de l’art et de la culture sont des variations de la dimension culturelle de l’expérience. Ils relèvent d’une catégorie générique que nous proposons de nommer ‚expérience culturelle‘, dans laquelle les enjeux des actions à caractère culturel des individus se jouent ou non dans le champ de la culture. Ils peuvent compléter, par la prise en compte de l’expérience du sujet, l’analyse des rôles et usages prescrits, assignés, ou assumés et co-élaborés par les acteurs. Ils permettent de décrire ce que les enquêtes sur les pratiques culturelles ne peuvent saisir en raison de l’impératif d’homogénéisation des données dans ces grandes enquêtes quantitatives. La notion d’expérience, qui met en relation des situations, des actions et des significations produites au cours de l’action, peut également étayer un réexamen de la notion d’usage, qui porte encore la 97 DDossier marque des premières études d’usages, envisagées du point de la vue de la technique et souvent polarisées sur deux pôles opposés: les usages inscrits dans l’outil et les usages déviants ou créatifs. En cela, notre proposition se présente comme une contribution destinée à compléter l’étude de ce que font les individus lorsqu’ils sont impliqués dans des activités culturelles. Elle permet en effet de formuler autrement les objectifs des études sur les pratiques ou les usages de la culture en prenant comme point de départ, non l’offre culturelle à diffuser ou l’outil à ancrer socialement auprès de publics plus ou moins indifférenciés, mais les modes d’expérience qui sont proposés à des sujets co-producteurs du sens de cette expérience. Nous avons, dans un ouvrage récent 14 utilisé ces catégories pour analyser les dispositifs d’éducation aux arts et à la culture en milieu scolaire (art cinématographique et éducation aux médias, théâtre, danse, patrimoine et autres domaines artistiques et culturels), ce qui nous a conduit à mettre en évidence, au-delà des discours dominants sur les meilleures voies de diffusion et d’appropriation de la culture contemporaine en milieu scolaire, le fait que ces actions relèvent d’une médiation particulière, car elles se caractérisent par une combinaison originale de trois expériences: esthétique, artistique et symbolique. 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Vitalis, André (ed.), Médias et nouvelles technologies: pour une socio-politique des usages, Rennes, Apogées, 1994. 1 C’est-à-dire, pour les ouvriers, récupérer des matériaux de rebut pour en faire des réalisations pratiques ou esthétiques. 2 Breton et Proulx (2006: 255-258) proposent une autre distinction, mais qui répond à la même logique: consommation (décision d’achat, suivie ou non d’une adoption du produit); utilisation (conformité plus ou moins grande avec le mode d’emploi de l’outil); appropriation (maîtrise technique et cognitive de l’objet, intégration significative et créatrice de l’usage dans la vie quotidienne, possibilité de réinvention de l’usage). 3 L’étude portait non seulement sur les usages constatés lors de l’expérimentation de Grenoble Ville Augmentée, mais également sur le processus de conception de l’application. Elle a comporté trois phases: la participation aux réunions de conception, l’observation des usages en situation au cours de visites, et des questionnaires individuels complétés par des focus groups s’adressant aux visiteurs volontaires. Elle a été ensuite complétée par un état des lieux des applications culturelles de réalité augmentée en France, une typologie de ces applications à partir de leurs caractéristiques opérales et une analyse des discours d’accompagnement produits à leur sujet, notamment par les concepteurs. 4 Cf. Roger Icart, „Théâtre filmé“ in: Dictionnaire du cinéma mondial, Paris, Éditions du Rocher, 1992, ainsi que l’article „Film d’opéra“ du Dictionnaire de la Musique, Paris, Larousse, 2011. 5 L’expérimentation technologique n’a pas duré plus d’une année, et l’opéra de Rennes a depuis repris un projet initié en 2009: diffuser tous les deux ans un opéra sur grand écran, en direct et en plein air, sur la place de la mairie. 6 Cf. Nelson Goodman, Langages de l’art: Une approche de la théorie des symboles, Paris, Hachette, 2005. 7 C’est le cas dans le courant de l’esthétique relationnelle, théorisée par Nicolas Bourriaud dans Esthétique relationnelle, Dijon, Les Presses du réel, 1998 et de toutes les formes d’infusion et d’hybridation de l’art dans divers champs sociaux, qui prolifèrent depuis plus de vingt ans, et dont Yves Michaud a fait la critique dans l’Art à l’état gazeux. Essai sur le triomphe de l’esthétique, Paris, Stock, 2003. 8 Ces définitions sont restrictives par rapport aux définitions anthropologiques de la culture, telle celle de l’Unesco, qui recouvre l’ensemble des activités symboliques humaines et sociales. 100 DDossier 9 Pour ne prendre que l’exemple des applications mobiles développées en France, le site CLIC (Club Innovation et Culture) France recense, au 4 juillet 2014, 279 applications mobiles muséales, patrimoniales et culturelles: http: / / www.club-innovation-culture.fr/ applications-mobiles-museales-et-culturelles-en-france (consulté le 1 er août 2014). Ces applications sont, dans leur grande majorité, à vocation patrimoniale. 10 Cette unique référence à Goffman est justifiée par le fait que Les cadres de l’expérience sont une traduction française du titre original, Frame analysis, qui peut prêter à confusion dans la mesure où elle pose comme centrale la notion d’expérience alors que la notion centrale de l’ouvrage est la situation et les effets de sens que celle-ci génère pour les individus qui y sont impliqués. 11 Cf. notamment Patrice Flichy, Le sacre de l’amateur. Sociologie des passions ordinaires à l’heure numérique, Paris, Seuil, 2010. 12 Cf. notamment Roger Odin (ed.), „Le cinéma en amateur“, in: Communications, 68, 1999; Laurence Allard, „L’amateur: une figure de la modernité esthétique“, Communications, 68, 1999, 9-31; Laurence Allard, Olivier Blondeau (ed.), 2.0? Culture Numérique, Cultures Expressives, Médiamorphoses, 21, 2007. 13 Olivier Donnat, Les amateurs. Enquête sur les activités artistiques des français, Paris, La Documentation française, 1996; Marie-Madeleine Mervant-Roux (ed.), Du théâtre amateur. Approche historique et anthropologique, Paris, CNRS Édition, 2004. 14 Marie-Christine Bordeaux / François Deschamps, Éducation artistique et culturelle, l’éternel retour? Une ambition nationale à l’épreuve des territoires, Toulouse, Ed. de l’Attribut, 2013. 101 DDossier Beate Ochsner „Ziemlich cool und nicht behindert“ 1 Gebärdensprache-Apps als Technologien des Selbst? For some people, sign language [is] a must. But most people don’t understand sign language, which means a lot of interesting conversations never take place. How can we help Google bridge the gap between those who use sign language and those who don’t? ! (Google 2014) 2 Diese Frage stellten sich David Svedenström, August Östberg und Ludwig Hallstensson, drei Studierende der Berghs School of Communication, im Rahmen eines Wettbewerbes der Future Lions in Cannes. Ergebnis ihrer Bemühungen ist der „completely fictional“ (ibid.) Film über einen ebenso imaginären Übersetzungsservice namens Google Gesture, der auf Basis von Analysen der Muskelaktivitäten und der Handbzw. Unterarmposition in Echtzeit Gebärdenin Lautsprache übersetzen soll. Der Begleitfilm setzt nicht nur mit einer typischen Vermischung von Gesten und Gebärden ein, sondern visualisiert die Echtzeitübersetzung mittels des in Google-Farben neben der gebärdenden Sprecherin erscheinenden und sich verändernden Lautstärkesymbols, wenngleich - zusätzlich der Untertitelung - die lautliche Wiedergabe ausschließlich über die Voice-Over funktioniert. Abb. 1-2: Google Gesture, http: / / vimeo.com/ 98134714 (publiziert am 13.6.2014, letzter Aufruf 1.7.2014) Während Google Gesture in dieser Form (noch) reine Fiktion ist, 3 ist die Überzeugung, dass die moderne assistive Computer- und Kommunikationstechnologie Menschen mit Behinderungen neue und erweiterte Möglichkeiten zur Teilhabe bietet, schon längere Zeit Realität. 4 Wie die im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) im Jahr 2001 durchgeführte Umfrage „Internet ohne Barrieren“ 5 belegt, nutzen Menschen mit Behinderungen das Internet weit häufiger als Nichtbehinderte, wenngleich ein Usability-Text der Nielsen / Norman Gruppe aus dem gleichen Jahr beweist, dass Zugänglichkeit, Design und Bedienerfreundlichkeit der getesteten 19 amerikanischen und japanischen Websites 102 DDossier für NutzerInnen mit unterschiedlichen Behinderungen deutlich schlechtere Ergebnisse liefern (Nielsen 2001). Mittlerweile jedoch steht nicht mehr nur die accessability des Internets oder des Webs zur Debatte, vor allem die in den letzten Jahren zunehmende Anzahl mobiler Devices wie Smartphones oder Tablets, die mit ubiquitärer und allzeitiger Nutzbarkeit verschiedener Services und Dienstleistungen werben, scheinen das Versprechen auf mediale „All-Inklusion“ (Schneider 2008) und Selbstbestimmtheit einzulösen, wie die Aktion Mensch auf der Website „Einfach für Alle. Das Angebot der Aktion Mensch für ein barrierefreies Internet“ bestätigt: „Für viele Menschen sind mobile Endgeräte einfach nur praktische Kommunikations- und Informationsmittel, für Menschen mit Behinderung sind sie oft viel mehr: sie erleichtern das Leben an vielen Stellen und ermöglichen eine selbstbestimmte Teilhabe“ (Aktion Mensch 2013). In einer Studie aus dem Jahr 2003 gehen Gerard Goggin und Christopher Newell davon aus, dass Menschen mit Behinderungen vor allem im Bereich kommunikationstechnologischer Neuerungen vergleichsweise häufig als „extremely proactive“ in der Vertretung ihrer Interessen und Bedürfnisse bezeichnet werden, „and thus educating telecommunication companies“ (Goggin / Newell 2003: 57). Behinderung - so argumentieren Goggin und Newell weiter - könne auf diese Weise dem allgemeinen Trend zu aktivem Bürgertum und den damit verbundenen gouvernementalen Regimen eingeschrieben werden, die Michel Foucault zufolge das Verhalten von Individuen und Kollektiven steuern (Foucault 2005: 171sq.). Unterschiedliche Entwicklungen und technologische Neuerungen im Bereich von Soft- und Hardware erhöhen dabei nicht nur die allgemeine access-ability, sondern sorgen gerade im Rahmen einer zunehmenden Personalisierbarkeit und Adaptation an individuelle Formen von Behinderung für erweiterte Techniken der Normierung, die im Kontext einer lebenslangen (Selbst-)Verbesserung und Disziplinierung von Fähigkeiten zu begreifen sind. So nimmt zwar die Autonomie des Subjekts zu, doch, wie Christoph Menke konstatiert, gerät Selbstbestimmung in diesen Prozessen zur Selbstunterwerfung, die nicht nur mit einem zwangsweisen Erwerb von Fähigkeiten und Handlungsoptionen verbunden ist, die die Subjekte erst ‚normal‘ funktionieren lassen, sondern mit der Delegation der Sorge um den Bürger an diesen selbst den Staat von seinen Verpflichtungen entlastet (cf. Menke 2004). Dies betrifft nun nicht nur Menschen mit Behinderungen, gleichwohl wird deren gesetzlich verbürgter Anspruch auf vollständige Teilhabe am sozialen Leben in seinen Schattenseiten und Inanspruchnahmen deutlich sichtbar, wie im Folgenden am Beispiel von Gebärdensprache-Apps aufgezeigt werden soll. 1. Apps für gehörlose und schwerhörige Menschen Unter der Voraussetzung, dass akustische Informationen visuell, d. h. auf Textebene (z. B. Untertitel bei Videos, 6 Transkripte für Audio-Streams) angeboten werden, scheinen nun gehörlose oder schwerhörige Menschen in ihren Gebräuchen 103 DDossier des Internets auf den ersten Blick nur wenig Barrieren anzutreffen (cf. Bergermann 1997). Gleichzeitig aber entstehen in den letzten Jahren auch im Zuge zunehmender Medienkonvergenz zahlreiche, für unterschiedliche mobile Devices konzipierte Apps zur Übersetzung von Gebärdenin Lautsprache oder Text und umgekehrt, die die Kommunikationsbarriere zwischen gehörlosen und hörenden Menschen aufheben sollen, diese aber gleichzeitig erst herstellen bzw. markieren. In der Betonung ermöglichter Interaktion über die Grenzen von Gehörlosigkeit hinaus erscheint die Gebärden- und mithin Muttersprache zahlreicher gehörloser oder schwerhöriger Menschen dabei häufig als (nicht nur) quantitativ defizitär, wenngleich sie in Deutschland rechtlich seit 2002 mit dem Behindertengleichstellungsgesetz (§ 6 BGG) anerkannt ist. In der Mehrzahl fokussieren mobile Lösungsansätze für gehörlose oder schwerhörige Menschen den Bereich barrierefreier Kommunikation, wobei neben schrift- oder bildbasierten Mitteilungsprogrammen und -applikationen, vielfältige Softwarelösungen das Telefonieren ermöglichen und generell kommunikative Situationen erleichtern sollen. Auf diese Weise geraten auch Gesten oder Gebärden zunehmend in ein „mobiles Fahrwasser“ (Thielmann 2014: 357) und finden Eingang in spezifische Gebärdensprache-Apps, d. h. kleine, dezidierte Anwendungen, die die Kommunikation der Lautsprache nicht mächtiger gehörloser oder schwerhöriger Menschen mit ihrerseits gebärdenunfähigen Hörenden realisieren sollen, eine Aufgabe, die bislang vornehmlich menschlichen Gebärdensprachdolmetschern vorbehalten war. Mobile webbasierte Applikationen oder Apps gelten vielen Menschen in der Hauptsache als spielerische und/ oder nützliche Kleinprogramme, die unsere längst bestehende mobile ‚App-Kultur‘ beinahe täglich erweitern (Gardner / Davies 2014; Binczek / Jäger / Linz 2013). 7 Die vielgepriesene Offenheit und Vielseitigkeit der Anwendungen basiert vor allem darauf, dass sie in Form unterschiedlicher Mediationsprozesse - wie z. B. Visualisierungs- oder Sonorisierungsformen, Abstimmungsmodi, Varianten des Up- und Downloadens, Kontaktaufnahme mit App-Herstellern oder mit anderen NutzerInnen - vollzogen werden, das Medium selbst jedoch vorwiegend unsichtbar bleibt bzw. erst im Vollzug und der Produktion eigener Daten vom reinen Instrument zum Medium wird (Vogl 2001). Dies zeitigt erhebliche Konsequenzen in Bezug auf die sinnliche Wahrnehmung im Allgemeinen sowie im Besonderen auf die mediale Transformation und Synchronisierung lautsprachlicher, textbasierter und/ oder gebärdensprachlicher Kommunikation sowie deren multimodale Repräsentierbarkeit. Gleichzeitig - und dies impliziert Josef Vogls These vom Medium-Werden - entsteht in einem soziotechnischen Gefüge von gehörlosen und hörenden Menschen, den Kenntnissen um laut- und gebärdensprachliche Praktiken und ihrer experimentellen Anordnung sowie kommunikationstechnologischen Soft- und Hardwareentwicklungen im Bereich der App-Produktion und -Vermarktung, ein neues Wissen über Gebärden- und Lautsprache, das von dem selbst - außer in Störfällen - nicht sichtbaren Medium hervorgebracht wird. Aus diesem Grund wird die soziale Relevanz der speziell auf eine Software oder ein Betriebssystem bezogenen, häufig auf mobilen 104 DDossier Devices verfügbaren, stark personalisierten, d. h. den Gebräuchen der NutzerInnen angepassten (oder umgekehrt! ), zumeist kostenlosen oder günstig zu erwerbenden Anwendungen häufig unterschätzt, wenngleich Bergermann in der zunehmenden Verschränkung von Wissenschaft, Technologie und Gesellschaft in ihren strukturellen wie auch Machtrelationen bereits 1997 einen wesentlichen „Kreuzungspunkt von Sozialleben und Techniken“ (Bergermann 1997: 377) erkennt. Apps, so unsere These, liefern dabei nicht nur Antworten auf drängende gesellschaftliche und technische Fragen, vielmehr sind sie gleichermaßen als Lösungen derjenigen Probleme zu verstehen, die durch sie hervorgebracht werden (Turnbull 1991). Nun ist im Bereich von Medien wie auch von Behinderung stets von All-Inklusion die Rede, gleichwohl oder gerade aus diesem Grund werden im Zuge einer stärkeren Kundenorientierung zunehmend spezifizierte Apps entwickelt, die erleichternd in das Leben oder, wie eine französische Website verspricht, in die jeweilige Behinderung eingreifen: 8 „Les 11 applications mobiles qui facilitent le handicap: Localiser un endroit accessible, saisir un texto en Braille, jouer avec un enfant autiste“. 9 Tatsächlich handelt es sich um einen stetig wachsenden Markt, in dem auch auf gehörlose und schwerhörige Menschen zugeschnittene mobile Anwendungen angeboten und beständig erweitert werden, 10 wie z. B. die App-basierte Steuerung von Smart-Home-Geräten oder Life-Style Cochlea Implantate von Firmen wie Advanced Bionics oder Nucleus, die direkt und wireless an die Unterhaltungselektronik angeschlossen werden können. Die Angebotspalette umfasst z. B. SpreadTheSign, eine 2006 in Schweden entstandende Plattform mit dazugehöriger App, die ein Wörterbuch mit mehr als 100.000 Zeichen in verschiedenen nationalen Gebärdensprachen (http: / / www. spreadthesign.com) bereithält und ist für Android und iPhone verfügbar ist. 11 Zur Kommunikation mit gebärdenden Menschen hat der Entwickler 21TORR Interactive GmbH ein interaktives Deutsches Gebärdenwörterbuch (GuK) programmiert, das auf „www.schau-doch-meine-haende-an.de“ des Bundesverbandes evangelische Behindertenhilfe e. V. basiert. 12 Marlee Signs fordert zum interaktiven Erlernen von American Sign Language (ASL) auf dem IPhone auf, während Signes Angehörigen oder Freunden gehörloser Menschen ein Arsenal von Gebärden zur Verfügung stellt, das die Kommunikation erleichtern soll. Communica übersetzt einzelne Wörter in Gebärdensprachenzeichen, die von der Gallaudet-Universität entwickelte App Baobab setzt auf eine Verbesserung der bilingualen Fähigkeiten gehörloser (und hörender) Kinder und Bay Sign and Learn kümmern sich in spielerischer Art und Weise um gebärdende Kleinkinder. Des Weiteren werden unterschiedliche Visiophoniekonzepte für Smartphones angekündigt, die die Ankunft einer SMS, eines Anrufs oder einer Mail ankündigen, Audiokanäle können mit dem Ziel gekoppelt werden, die akustische Information auf nur ein Ohr auszurichten, und bis zu fünf auswählbare Vibrationsalarme ermöglichen die zusätzliche Personalisierung des Gerätes. Wer möchte, kann mit Hilfe von SoundAMP nicht nur den Ton verstärken, sondern gleichzeitig in Echtzeit Hintergrundgeräusche 105 DDossier herausfiltern, oder sich durch TapTap auf ein nahendes lautliches Ereignis hinweisen lassen. Gehörlose und Schwerhörige können mobil Videoanrufe in Gebärdensprache tätigen und bei Bedarf über eine Plattform Übersetzungsdienste zuschalten, um die Konversationen für Gebärdenunkundige übersetzen zu lassen. Der Relaisdienst für barrierefreies Telefonieren Tess-Relay bietet hierfür zwei verschiedene Dienste an, die mittlerweile, unter der Voraussetzung, der Suchende verfügt über einen Mobilfunkvertrag mit VoiP-Option, auch über die App Bria erreichbar sind. 13 Die Firmen ClearCaptions und CapTel Hamilton bieten mobile Apps an, die in Echtzeit schriftliche Transkriptionen von Telefongesprächen erzeugen, was den zunehmenden Schriftgebrauch der aktuellen Vernetzungsgesellschaft bestätigt. Dieser kostenlose Service wurde vom FCC (Federal Communication Commission) für die Regulierung von Telekommunikation akkreditiert. 14 Unter dem mehrdeutigen Titel „Surdité: une application pour lancer un SOS aux autorités par SMS“ 15 beschreibt Philippe Steiner im Handimobility-Blog die Notfall- App SMS IRAUDA, die mit Hilfe interaktiver Piktogramme einen Hilferuf vom Smartphone direkt an die entsprechenden Instanzen schickt und die Koordinaten mittels GPS bekannt gibt. Dieser Service ist bislang Frankreich vorbehalten und nur mit dem Betriebssystem IOS kompatibel, d. h. bestimmt für IPhone, IPod oder IPad. Erneut vollmundig gibt der gleiche Nutzer Steiner das Versprechen der App- Produzenten weiter, dem zufolge die „application uHear [ ] votre perte d’audition en 6 minutes“ 16 testen kann. Auf der Basis dreier einfacher und effizienter Evaluationen kann ein möglicher Hörverlust festgestellt werden, wobei die App sogleich einen Audiologen in der Nähe empfiehlt. Der Erfolg scheint messbar, so haben 1781 NutzerInnen die Applikation mit 3 von 3 Sternen bewertet. 17 Forscher der Universität Hong Kong und die Softwarehersteller Ximplar entwickelten mit ACEHearing eine ähnliche Software, die zur Ermittlung individueller Hörschäden herangezogen werden soll, um das Smartphone den Testergebnissen entsprechend zu kalibrieren. In Deutschland arbeitet das Fraunhofer Institut an der Entwicklung einer vergleichbaren Technologie, die mit Hilfe von Frequenzmodulation den Hörverlust kompensieren soll. Eine Integration in das Smartphone ist geplant. 18 Die Mehrzahl französischer wie auch deutscher Studien oder Untersuchungen beleuchtet den Zusammenhang zwischen mobilen Medien und Gehörlosigkeit oder Behinderung also vorrangig unter dem Aspekt der Erleichterung der Kommunikation sowie eines barrierefreien Zugangs zu sozialen Räumen und Techniken (cf. u. a. Goggin / Newell 2003; Accessibilité et TICE 2009; Web 2.0 / Barrierefrei 2010; Drezet 2011; u. v. a.). Dazu gehören auch individuelle, z. B. im Kino einsetzbare Tonverstärker-Apps wie Twavox, 19 oder die Apps Greta und Starks, zwei Applikationen für barrierefreien Kinogenuss mit Untertiteln bzw. Audiodeskriptionen übers Smartphone. 20 Während Greta den Kinofilm automatisch erkennt und über Smartphone und In-Ear-Kopfhörer die passende Audiodeskription zum Film für Menschen mit Sehbehinderungen abspielt, zeigt Starks synchron zum Film im Smartphone-Display verschiedenfarbige Untertitel für die verschiedenen Sprecher 106 DDossier an. 21 Auch die App Vibetunes bietet sich als Übersetzer an; wie Greta und Starks vermittelt sie jedoch nicht die Kommunikation zwischen Hörenden und Nicht- Hörenden, sondern verwandelt Musik in für Gehörlose und Schwerhörige wahrnehmbare Vibrationen: „Le rythme et les fréquences musicales sont ainsi utilisés par le vibreur du smartphone de façon à créer une véritable sensation chez ‚l’auditeur‘, aussi sourd qu’il puisse être.“ 22 In einem wesentlich instrumentell bestimmten Mediendenken wird leider allzu selten reflektiert, dass und in welcher Weise in den weiter oben beschriebenen Handlungsfelder von Menschen, Behinderungen und Softsowie Hardwarelösungen sogleich die soziotechnische „Passung“ (Harrasser 2009) von Menschen mit Behinderungen an eine weitestgehend ‚normale‘, d. h. nicht-behinderte Umwelt mit verfertigt wird. Nun besteht in der Medienwissenschaft Konsens darüber, dass mobile Apps gerade nicht nur als bloße Zusatzanwendungen zu begreifen sind, die abhängig von der Intentionalität der Handelnden bzw. der NutzerIn die Kommunikation bzw. das Leben erleichtern: „Human relations will be technologised to the extent that such artifacts are able to participate as agents in social interaction rather then merely to mediate it” (Pickering 1997: 59). Technologie, so konstatiert Judy Wacjman bereits Anfang der 1990er Jahre, steht stets in enger und wechselseitiger Beziehung zu kulturellem Wissen und sozialen Praktiken (Wacjman 1991: 162). So orientiert sich das App-Handeln der NutzerIn am Verhalten anderer, d. h. die Technologien simulieren das Verhalten eines Alter Ego, das an die Stelle der NutzerIn tritt. Apps, so wäre dieser Ansatz zu erweitern, werden dabei in gleichem Maße in Bezug auf andere Menschen wie auch soziale Praktiken und Techniken verfertigt, wie sie diese im Gebrauch herstellen. Dies zeigt sich u. a. in den zunehmenden Möglichkeiten der Individualisierung und Personalisierung (customization), die die (Gebräuche der) NutzerInnen in gleichem Maße an die App anpassen, wie jene von den NutzerInnen bzw. durch den Gebrauch formatiert wird. So ermöglicht die in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut entwickelte iPhone- App AuditoryVoIP, „the first VoIP app with an integrated hearing support“, nicht nur die individuelle Anpassung des Telefonsignals durch die NutzerIn, sondern macht deren Hörleistung gleichermaßen mess- und kontrollierbar. 23 Mit der App BioAid, die das iPhone zum sozial verträglichen Hörgerät macht, eröffnen die Produzenten neue Absatzmärkte. „Ziemlich cool und nicht behindert“ 24 sehen die neuen schwerhörigen NutzerInnen aus, denen „die sich aus diversen Gründen noch kein klassisches Hörgerät antun wollen.“ 25 Die Integration in ein Life-Style-Produkt vermag die Hemmschwelle besonders für jene Personen zu senken, die ‚klassische Hörhilfen‘ mit ‚behindert‘, iPhone-Ohrsteckern jedoch mit Coolness verbinden. Auf diese Weise wird zum einen Markt erweitert, zum anderen aber propagiert diese Marketingaktion implizit die selbsttechnologische Prävention, d. h. die Vorbereitung auf ein mögliches Behindert-Werden, dem mit aktiven und partzipatorischen Lösungsansätzen zu begegnen ist. Das Smartphone spielt in diesem Rahmen eine wesentliche Rolle, denn besonders „[d]as Handy ist eine tolle Plattform, um Hörhilfe-Technologie aus dem Labor in die Hände der Öffentlichkeit zu bringen“, so 107 DDossier der Entwickler der BioAid-App Nick Clark. 26 Mit Hilfe neuer Audioprozessierungstechniken soll auch diese Anwendung Geräusche nicht nur verstärken, sondern auch filtern. Interessant ist darüber hinaus, dass es sich um Tests mit einem quelloffenen Kernalgorithmus handelt, d. h. potentiell können NutzerInnen ihre eigenen Wünsche und Erwartungen selbst umsetzen. Letztlich aber verweist auch dieses Beispiel darauf, dass diese Art neuer Technologien Gesellschaft und Wirtschaft in gleichem Maße als helfende Institutionen formatiert, wie sie in diesen Fällen Menschen mit Hörbehinderungen als Hilfesuchende verfertigt, die - bestimmte Fähigkeiten oder Lernwilligkeit vorausgesetzt - selbstbestimmt zu entsprechenden Erfolgen in der ‚normalen‘ Welt gelangen können. Diese als selbsttechnologische Rückseiten oder Zumutungen zu bezeichnenden Norm(alis)ierungsprozesse sind der Relation zwischen Gebärdensprache-App und NutzerIn eingeschrieben bzw. werden ihr zugeschrieben und fördern den Subjektivierungsprozess bzw. seine Neuverhandlung auf technologischer Basis (Hörl 2011). So markieren z. B. Marketingkonzepte eine Grenze zwischen behindert und nicht-behindert, zwischen Gebärden- und Lautsprachlern, die die Apps dann - „there’s an app for that! “ - ‚helfend‘ überbrückt. Als Inklusionsprogramm gerät die App dabei zum Remedium für Gehörlosigkeit, eine pharmakologische Technologie, die in einer vermeintlich ‚spielerischen‘ Handlung die medikalisierenden Be-Handlung ganzer NutzerInnen- Gemeinschaften impliziert. So ermöglicht die von Samuel White an der Universität Rochester entwickelte App AudioWiz (cf. White 2010) zum einen Audioaufnahmen, filtert Umweltgeräusche heraus, fokussiert das gesprochene Wort und sorgt zum anderen für seine Übersetzung mittels einer kollaborativen Plattform. Zunächst jedoch wird der Audiostream auf dem Display visualisiert, „giving the Nutzer a means to detect important audio events visually before deciding if they are worthy of transcription“ (White 2010: 308). Erst nach positiver Entscheidung der Community werden „web-workers [ ] in nearly real-time as required“ (ibid.) für die Transkription rekrutiert. Auch die im Folgenden näher zu beschreibenden Übersetzungs-Apps können in diesem Sinne nicht als reine Tools oder Werkzeuge betrachtet werden, derer man sich mehr oder weniger intentional sowie besser oder schlechter bedient, vielmehr verweisen sie auf ein neues Regime, das Handlungsmacht in einer vor der Differenz von Subjekt und Objekt operierenden Selbstsorgeagentur verteilt und Schattenseiten wie die Markierung von Gebärdensprache als Kommunikationshindernis, das Risiko des Nicht-Verstanden-Werdens sowie die Befreiung staatlicher oder anderer sozialer Institutionen von der verpflichtenden Bereitstellung von Dolmetschern und Übersetzungsassistenzen mit verfertigt. 2. Übersetzungs-Apps Gebärdensprache ist die ‚natürliche‘ Sprache gehörloser Menschen. Gleichwohl wurde Gehörlose und Schwerhörige jahrzehntelang in Lippenlesen und Sprechen unterrichtet. In Deutschland wurde die Deutsche Gebärdensprache (DGS), wie 108 DDossier bereits erwähnt, im Jahr 2002 rechtlich anerkannt und im Sozialgesetz und im Gleichstellungsgesetz verankert, in Frankreich wurde die Langue des Signes (LSF) als eigenständige Sprache im Jahr 2005 anerkannt. Plattformen wie Signes de Sens, Websourd oder das vornehmlich im Textmodus operierende deutsche Portal Taubenschlag versuchen, der Gehörlosengemeinschaft einen gebärdensprachlichen Zugang zu Wissen, Kunst und Kultur zu eröffnen. 27 So werden Video- Wörterbücher für französische und deutsche Gebärdensprache angeboten. 28 Analog zu den „11 applications qui facilitent le handicap“ (s. Anm. 9) listet der Espace Francosourd, eine kanadische Internetplattform, unter der Überschrift „10 applications mobiles pour apprendre la langue des signes“ 29 verschiedene, auf die Bedürfnisse von Gehörlosen bzw. Hörenden, die mit Gehörlosen ins Gespräch kommen wollen oder müssen, zugeschnittene Apps. So können auf Kelsigne, einer Erweiterung des sozialen Netzwerkes culinan.net, Lehr- und Demonstrationsvideos in LSF gepostet und geteilt und - zumindest für iPhone- und iPad- NutzerInnen - kostenlos downgeloaded werden. Spezifische Übersetzungs-Apps für Gebärdensprache, wie sie in der letzten Zeit vermehrt angeboten werden, operieren jedoch auf einer anderen Voraussetzung. Im Unterschied zu den meisten der bereits erwähnten Applikationen für gehörlose oder schwerhörige Menschen versuchen Übersetzungs-Apps nicht nur, auditive in visuelle Signale zu übersetzen oder ein vorgefertigtes Repertoire an zumeist einzelnen Gebärden aus bestimmten Themengebieten in Videound/ oder textueller Form anzubieten, aus dem der Nutzer auswählen und es seinem Gesprächspartner übermitteln kann. Vielmehr versuchen Übersetzungs-Apps Ferngespräche zu ermöglichen, ohne auf dazwischen zu schaltende menschliche Dolmetscher zurückgreifen zu müssen. Dies bedeutet, dass die App mittels spezifischer Erkennungssoftware gleichermaßen komplexe Gebärden wie Lautsprache bzw. in der Regel Text erkennen und in die jeweilige Zielsprache übersetzen soll. Auf diese Weise - so ein Artikel zur weiter unten beschriebenen Software Personal Sign Language Translator-App (PSLT) - erhalten vor allem gehörlose oder schwerhörige Menschen, die der Lautsprache nicht mächtig sind, die Möglichkeit, trotz ihres Defizits in alltäglichen, beruflichen oder auch privaten Kontaktsituationen Gehör zu finden und mitsprechen zu können: „Gehörlose und schwerhörige Menschen nutzen oft Gebärden, um mit ihrer Umwelt in Kontakt zu treten. Das Problem: Viele Hörende verstehen die visuelle Sprache schlicht nicht“ (Zax 2012). Mit diesem Einstieg in den Artikel gibt der Autor nicht nur die Anpassungsrichtung vor, gleichzeitig werden gebärdensprachunkundige Menschen von der ‚Last‘ befreit, sich aus beruflichen oder privaten Gründen gebärdensprachlich weiterzubilden. So geht dem Download häufig nicht die vielgerühmte freie Entscheidung voraus, sondern vielmehr eine zwangsweise berufliche oder auch private Notwendigkeit zur Kommunikation zwischen Gebärden- und Lautmuttersprachlern. Dies verspricht z. B. die App iSignIT, entwickelt von Peter Reicherts vom Institut für Medizinische Informatik (PLRI) für den Einsatz im Krankenhaus oder in der Arztpraxis (http: / / isignit.weebly.com). Bestimmte, häufig vorkommende Themenberei- 109 DDossier che bzw. Phrasen werden bereitgestellt, vom Anwender ausgewählt und in die Sprache des Gegenübers, d. h. Text oder Gebärdensprache, übersetzt. Aus Versicherungsgründen weisen die Hersteller darauf hin, dass diese App als reine Übersetzungshilfe, nicht aber Ersatz für einen Dolmetscher zu betrachten ist. Eine Anzeige in der Ärztezeitung wirbt damit, dass in der Arztpraxis Eindeutigkeit unerlässlich, eine „‚normale‘ Kommunikation“ jedoch mit gehörlosen Menschen nicht möglich sei! Abhilfe schaffe hier die iSignIT-App, die „medizinische Dialoge in Gebärdensprache übersetzt“ und auf diese Weise „eine Basiskommunikation“ 30 ermögliche: „Die App fördert - gerade bei Gehörlosen - die Patientensouveränität und unterstützt ihre medizinische Selbstbestimmung“, erklärt Dr. Sabine Voermans, Leiterin der TK in Niedersachsen. 31 Das Ziel besteht auch hier im Abbau von Kommunikationsbarrieren, und natürlich wird davon ausgegangen, dass es die den lautsprachlich sozialisierten Hörenden zumeist unbekannte Gebärdensprache ist, die das zu überwindende Hindernis darstellt. Träumt der Nutzer Bruno Baguette am 28. Oktober 2003 noch von zukünftigen Vorteilen der Nouvelles technologies de l’information et de la communication (NTIC) für Menschen mit Hörbehinderungen (cf. Baguette 2003), so scheint der weiter oben bereits erwähnte Personal Sign Language Translator Baguettes Wunsch zu erfüllen, nicht nur Zugang zu Nachrichten und Medien aller Art zu erhalten, sondern via Instant Messenger-System Dialoge zu führen oder Termine zu planen: „[D]ans le futur on pourrait même imaginer des systèmes de dialogue en Langue des Signes via Internet“ (Baguette 2003). Die technische Übersetzungs-App PSLT läuft auf Laptops, Netbooks, Smartphones sowie Tablets und übersetzt Gebärden in Text, um bestehende Kommunikationsbarrieren zwischen gebärden- und lautsprachlichen Menschen zu überwinden. Grundlage bildet die Kamera eines Mobilgerätes, mit deren Hilfe die Gebärden erkannt und in Text umgesetzt werden können: „Die Gebärden werden sofort in Texte umgesetzt, die dann von der Person gelesen werden können, mit der man gerade kommuniziert“ (Zax 2012), so einer der beteiligten Forscher, der - ohne Erläuterung der notwendigen Formalisierungspraxis - nahezu natürlicherweise davon ausgeht, dass es primär die Gebärden sind, die der Übersetzung in das allgemeinverständliche Medium Text bedürfen. Zur Gemeinschaftsbildung und der damit verbundenen Teilhabe an einer stetigen Verfertigung der Anwendung wie auch ihrer NutzerInnen fordert das korrespondierende Webportal auf: „We hope that www.pslt.org will become the social network of the PSLT Nutzer community“. 32 Neben einem grundlegenden Optimierungsbedarf der Erkennungssoftware wird derzeit noch an der Nutzerschnittstelle gearbeitet, um das Smartphone als direkte Übersetzungshilfe einsetzen zu können. Kommerzialisiert durch die schottische Firma Technabling, soll das System zunächst für die British Sign Language (BSL) und Makaton (makaton-deutschland.de) bereitgestellt werden, die Zukunft aber sieht Möglichkeiten einer individuellen customization vor: 33 Eine der spannendsten Möglichkeiten unserer Forschung ist es, dass Nutzer ihr eigenes Vokabular festlegen können. Das gilt auch für Wörter, die sich in der BSL schwer aus- 110 DDossier drücken lassen [ ]. Jede Art von Jargon ist möglich, egal ob im Bildungs- Arbeits- oder Heimbereich (Zax 2012). Erneut wird damit auch die Frage aufgeworfen, inwieweit die häufig von Hörenden produzierten Techniken oder Technologien für Behinderungen als (Selbst-)Regulierung von (Menschen mit) Behinderungen zu begreifen sind, „effectively controlling their aspirations, movements, and access to various parts of the social world“ (Goggin / Newell 2002: 11). Die trotz oder gerade durch Personalisierung zunehmende Standardisierung und Norm(alis)ierungstechnologie sorgt dabei für die Anpassung von Gehörlosen an die Welt und Sprache der Hörenden, während die Gebärdensprache zur erklärungswürdigen Besonderheit und Barriere gerät (Länger 2002). Wie PSLT setzt ein Großteil von Gebärdensprache-Apps implizit voraus, dass Gehörlose und Schwerhörige mit Hörenden kommunizieren wollen. Dies zeigt sich u. a. daran, dass die Apps zumeist auf spezifischen Gehörlosenplattformen beworben werden. Damit wird den Anwendungen von Beginn an eine Richtung eingeschrieben, die zum einen die Abweichung markiert und zugleich die Möglichkeit in Aussicht stellt, an ‚normaler‘, d. h. lautsprachlicher Kommunikation teilzunehmen. Dabei werden sowohl die Grenzen zwischen hörenden Laut- und nicht-hörenden Gebärdensprachlern wie auch die sie überschreitende Teilhabe in der Praxis der App hergestellt bzw. in ihren Relationen zueinander wie auch zur App stets aufs Neue aktualisiert. So steht auf Google play z. B. eine Applikation namens Komplex für Gehörlose. Device-H zum Download, die zwei Android-Devices, Device-D (Deaf Person) und Device H (Hearing Person), via Bluetooth verbindet und die lautsprachlichen Botschaften vertextet. 34 Es ist als fest installiertes wie auch als mobiles Gerät verfügbar und wird besonders Spätertaubten empfohlen, die weder über Lippenlesetechnik noch über Gebärdensprachfähigkeiten verfügen. Der Red Dot Design Award ging 2013 an den Sign Language Ring, ein Tool, das als automatischer Simultanübersetzer zwischen Laut- und Gebärdensprache fungiert. Ringe, die an den Fingern der Gehörlosen getragen werden, zeichnen die Bewegungen der Hände auf und werden an ein in einem Armband angebrachtes Mikro übermittelt, das die Sprache in Text übersetzt, der auf einem Bildschirm sichtbar gemacht wird. Ein weiteres erfolgversprechendes Element stellen die Gebärdensprachavatare dar, die dynamische Texte von Internetseiten automatisch in Gebärdensprache übersetzen sollen. Von 2010-2011 wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales eine Machbarkeitsstudie durchgeführt, die die Möglichkeiten und Grenzen des Einsatzes von Gebärdenavataren einschätzen sollte. 35 Mit dem Ziel, Programme mit Gebärdensprache auszustrahlen, arbeiten japanische Forscher an den Science & Technology Research Laboratories (STRL) des japanischen Fernsehsenders NHK in Zusammenarbeit mit Kollegen der Kogakuin-Universität in Tokio an einem System zur automatischen Übersetzung von Text in japanische Gebärden, die von einem Avatar dargestellt werden. Leider kann nur mit vorgegebenen Texten gearbeitet werden und derzeit ist der Wortschatz des 111 DDossier Avatars noch beschränkt. Allerdings können die NutzerInnen selbst das System verbessern und über eine Schnittstelle falsche oder ungenaue Übersetzungen korrigieren. So wird nicht nur die Lernfähigkeit des Programmes garantiert, sondern gleichzeitig werden die NutzerInnen und ihre Kenntnisse auf die neue Technologie eingestellt. 36 Eine Weiterentwicklung, in der nicht nur gesprochene Texte in Gebärdensprache übersetzt werden können, sondern diese auch in Form einer App auf mobilen Geräten verfügbar gemacht werden sollen, wurde 2011 in Aussicht gestellt. Bis heute allerdings liegen keine Nachrichten über neue Entwicklungen vor. Kinect von Microsoft scheint in diesem Kontext weiter fortgeschritten: In der bislang aktuellsten Meldung vom 30. Oktober 2013 stellt Microsoft ein System vor, das Gebärdensprache in Echtzeit in gesprochene Sprache und umgekehrt übersetzen soll. Derzeit wird ein Prototyp der Software Kinect Sign Language Translator von Studierenden der Universität Peking getestet. Der Avatar repräsentiert den nicht-gebärdenden Sprecher: We knew that information technology, especially computer technology, has grown up very fast. So from my point of view, I thought this is the right time to develop some technology to help [the deaf community, B. O.]. That’s the motivation [ ]. With the segmentation from one posture to another and combining also the trajectory, we can use machine learning technology and pattern recognition technology to make the final decision of what's the meaning of the gesture“. 37 Ob der Begriff der „gesture“ für „sign“ bzw. Gebärde an dieser Stelle bewusst oder nicht eingesetzt wurde, er verweist auf die Problematik, dass Gebärdensprache lange Zeit als Sammlung loser Gesten begriffen wurde, die die Lautsprache ‚nur‘ rudimentär zu ersetzen vermögen, was ihre Anerkennung als gleichwertige autonome Sprache verhinderte. Das System Kinect basiert auf einem Sensor, der die Bewegungen der Hände einfängt, um sie vom Programm übersetzt zu werden. Um die App ‚kundenfreundlicher‘ zu gestalten, folgt der Entwickler dem gegenwärtigen gamification-Trend und bringt Spielmechaniken und -designs in nicht-spielaffinen Kontexten zum Einsatz. 38 Während im sogenannten Translator Mode jeweils einzelne Wörtern in die entsprechende Gebärde übersetzt werden, versucht man mit der Communication Mode komplette Gespräche in Echtzeit gerecht zu werden. Das Projekt basiert dabei - wie viele andere auch - auf dem Kollaborationsprinzip, d. h. das Wissen und die Möglichkeiten von Gebärdensprachexperten, Softwaretechnikern, Integrationsspezialisten, Heilpädagogen und Microsoft Schlüsseltechnologien werden zusammengeführt, um das „one thing“ zu kreieren, „that is going to transform lives“. 39 Yin, selbst gehörloser Softwarespezialist spricht von einem Kindheitstraum, „to create a machine for people with hearing impairments“, das vor allem als Empowerment der Gebärdenden verstanden werden soll, unabhängig von Dolmetschern mit nicht-gebärdenden Menschen kommunizieren zu können und dementsprechend ihre Chancen in der Arbeitswelt qua Selbstmanagement zu steigern. 40 112 DDossier Obgleich als „Mitnahmeprodukte“ (Mayer 2012: 10) konzipiert, erzeugen die oberhalb der Kernsoftware aufsitzenden Apps nicht nur ein neues Technologieverständnis, sie stellen auch ein letztes Bindeglied zwischen Technik und Nutzer dar. Die besondere Form der (Kunden-)Bindung artikuliert sich dabei vor allem im partizipatorischen Moment, das die NutzerInnen zur aktiven Teilhabe und Vervollständigung des Gebärdensprachrepertoires z. B. auf einer kollaborativen Website auffordert: „Whereas traditional surplus value [ ] imbued the commodity with the traces of labour that had been paid for, the new economy made a commodity fetish of the work the customer had donated“ (Taylor 2012: 43). Auf diese Weise entsteht eine wechselseitige Beziehung, im Rahmen derer kaum beurteilt werden kann, ob es die NutzerInnen sind, die an etwas festhalten oder ob sie von etwas festgehalten werden. Antoine Hennion bezeichnet diese Art von Relation unter Bezugnahme auf Michel Callon als „attachement“ (Hennion 2011: 99) und meint damit eine quer zur aktiv-passivwie auch zur Subjekt-Objekt-Unterscheidung verlaufende Anhänglichkeit-Abhängigkeit, im Rahmen derer Handlungsmacht nicht mehr auf die Einheit eines Akteurs zurechenbar, sondern als Ausdruck einer zerstreuten, verteilten oder „ökotechnologischen Subjektivität“ (Hörl 2011: 21) zu verstehen ist. Diese verteilte Handlungsmacht zeigt sich auch im EU-Projekt SignSpeak: 41 „Bridging the Gap between Signers and Speakers“ (Dreuw et al. 2010), so der Titel eines Papers, das sich mit diesem Lösungsversuch automatischer Erkennung und Übersetzung kontinuierlicher Gebärdensprache beschäftigt. Die Zusammenarbeit zwischen drei Forschungsinstituten (Radboud Universität Nijmegen, Centre de recerca i investigació de Catalunya und der RHTW Aachen), einem industriellen Partner und einem Verband, der die gehörlose Kulturgemeinschaft als Endnutzer repräsentiert, dauerte von 2009-2011. Tatsächlich konnten in diesem Projekt zahlreiche linguistische Aspekte wie Segmentierung, Satzgrenzen oder Übergangsbewegungen sowie die Unterschiede zwischen gebärdensprachlicher und lautsprachlicher Syntax Eingang in die Analyse finden. Auch Körperbewegung, Mundbild oder Mimik wurden berücksichtigt. Gesichtsposition, Handform oder Handbewegung wurden via Tracking (Active Appearing Model) über den Verlauf des zu untersuchenden Videokorpus verfolgt, wobei die physikalischen Beschränkungen des menschlichen Körpers sowie Kontextwissen über das Szenario in Betracht gezogen werden. Da die Hand je nach Handform und Winkel zur Kamera ein unterschiedliches Erscheinungsbild hat, bleibt z. B. das Handtracking im Video ein schwieriges Problem, und die Verwendung zusätzlicher Informationsquellen über die reinen Bildfarbwerte hinaus ist unerlässlich. Darüber hinaus besitzt die gebärdensprachliche Orientierung von Gesicht, Oberkörper und Hände vor allem grammatische Funktion, wobei Teile einer Äußerung gleichzeitig über die Hände und das Gesicht produziert werden, was das Tracking zusätzlich erschwert. Bis die Gebärdenspracherkennung aber tatsächlich funktioniert und darüber hinaus in Smartphones integrierbar ist, werden wohl noch Jahre vergehen. Den bereits heute bestehenden „Hype“ um die Gebärdensprache-Apps kann die gehörlose Julia Probst nicht nachvollziehen. So warnt sie davor, darin einen ad- 113 DDossier äquaten Ersatz für Gebärdensprachdolmetscher zu sehen. 42 Ähnlich wie andere kostenintensive, gleichwohl versandete Projekte wie z. B. eSIGN 43 sei eine virtuelle und automatisierte Übersetzung von Gebärdensprache aufgrund des komplexen Zusammenspiels von Handbewegung, Mundbild, Räumlichkeit, Mimik, Körpersprache, ihrer von der Lautsprache abweichenden Syntax sowie aufgrund des notwendigen, im Rahmen der App jedoch nicht zu restituierenden Augenkontakts, über den Gehörlose das Feedback erhalten, kaum in zufriedenstellender Weise möglich. Probst empfiehlt stattdessen menschliche Schriftdolmetscher zu konsultieren, die über Dienste wie den mobilen Text-Dolmetscherdienst VerbaVoice vermittelt werden, der im Übrigen auch für mobile Geräte konfiguriert ist. 44 * * * ‚There’s an app for that‘, doch was bedeutet dies im Falle der Gebärdensprache- Apps? Den sogenannten Anwendungshilfen sind bestimmte Formen von Abhängigkeit bzw. Zumutungen eingeschrieben, implizieren sie doch in der Mehrzahl eine Anpassung Gehörloser an Hörende bzw. an Normen vor, die die asymmetrischen Handlungszusammenhänge und Machtverhältnisse zwischen Menschen mit und ohne Behinderungen sowie nicht-menschlichen Dingen ordnen. Forschungs- und Entwicklungsabteilungen App-produzierender Unternehmen setzen sich zu diesem Zweck notwendigerweise mit abstrakten Formatierungen und einfachen bzw. vereinfachenden Modellen auseinander. Auf diese Weise wird die Umwelt, d. h. in diesem Fall die konkrete Situation gebärdensprachlicher Kommunikation, an eine formalisierte ‚Laborsituation‘ angepasst, wie dies auch im Falle des oben geschilderten Projektes SignSpeak erkennbar ist, das auf der Basis videographierter Wetternachrichten entwickelt wurde. Die ähnlichen Inhalte sorgen für sich wiederholende Strukturen in der Körper- oder Handposition, außerdem wendet sich stets nur eine Person an imaginäre Zuschauer / Zuhörer, mit denen jedoch kein Austausch stattfindet. Lautwie auch Gebärdensprache aber sind stets relational und mithin in einem geteilten Zwischenraum zu situieren, der über die kommunikative Situation hergestellt wird. Außerdem können Programme, welche die sich durch Handform, Handstellung, Ausführungsstelle, Mimik und Körperhaltung unterscheidenden Gebärden berechenbar machen sollen, die bedeutungsproduzierende Prozesse innerhalb des als Gebärdenraum bezeichneten Bereichs vor dem Oberkörper der Gebärdenden auch mittels 3D-Abbildungen wie z. B. in Sign4Me 45 kaum kalkulieren. Die im Vorfeld des Experiments bzw. auf Basis des im Experiment getesteten Materials berechneten Mediationsprozesse form(at)ieren demzufolge spezifische Akteure und legen gleichzeitig die Kriterien von Ein- und Ausschluss, Anforderungen und Bedingungen der Kommunikation fest. So erzeugen Gebärdensprachübersetzungs-Apps immer neue Formen kommunikativer Praxen, die in wechselseitigen Anpassungsprozessen Produkt, NutzerInnen wie auch Praxis zu standardisieren versuchen, letztlich jedoch als instabile bzw. temporäre Kompromisslösungen auf der Basis von Interaktionen und Vermittlungen zu begreifen sind (Hennion 2011: 100). Letztere werden immer komplexer, wie die 114 DDossier Entwicklung von einfachen Video-Wörterbüchern in Gebärdensprache über ein bestimmtes Repertoire von im Vorfeld festgelegten Phrasen oder Themen wie im Falle der medizinischen App IsignIT bis zu den komplexen Vorarbeiten zur Berechenbarkeit und Abstraktion von Gebärdensprache und ihrer Echtzeitübersetzung in SignSpeak oder zum - noch imaginären - Konzept virtueller Kommunikation zwischen Gebärden- und Lautsprache im Rahmen von Google Gesture zeigt. Die Komplexität jedoch darf in den Gebräuchen der Apps nicht sichtbar werden, was u. a. auch daran liegt, dass in der Regel diejenigen Apps Erfolge, d. h. zählbare Downloads und positive Bewertungen, verzeichnen, die sich auf ein Minimum an Vorwissen oder technischer Voraussetzung und gleichzeitig auf individuellen Zuschnitt zielen. Doch trifft die Vorstellung eines passgenauen, vorstrukturierten und „instant need fulfillment“ (Mayer 2012: 9) letztlich eben deshalb zu, weil das Bedürfnis nicht nur sofort befriedigt wird, sondern im gleichen Prozess verfertigt wird wie NutzerInnen, der Gebrauch der Anwendung und letztlich die Applikation selbst. Die immer wieder in Aussicht gestellten kommunikativen Vergemeinschaftungen zwischen laut- und gebärdensprachlichen Menschen entstehen somit nicht im Vorfeld der Begegnung, vielmehr macht der Gebrauch Zusammengehörigkeiten erst sichtbar bzw. wird Konnektivität über die Visualisierung der eigenen Beiträge oder eines Avatars als imaginären Kommunikationspartner sowie Stellvertreter hergestellt. So werden Begegnungen und Vergemeinschaftungsprozesse zwischen laut- und gebärdensprachlichen Menschen weniger verhandelt, denn medial gerahmt und als soziotechnisches Gefüge gesichert. Die Operationen der App erzeugen dabei eine bestimmte kommunikative Praxis und stabilisieren diese zumindest temporär. Gleichzeitig setzt diese Vorgehensweise eine Behinderung voraus, die dann mit der bzw. durch die App be-handelbar wird, gleichwohl bestimmte Anthropotechniken der Selbstsorge einfordert (cf. Harasser 2013). Die auf diese Weise in Aussicht gestellte Leistungsfähigkeit, die steigenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt oder die auch Möglichkeit mitsprechen zu können, müssen in diesem Rahmen nicht von Staatsseite ermöglicht werden, sondern sind an Appproduzierende Unternehmen bzw. Apps delegiert, die die Handlungsmacht wie auch die damit einhergehenden Zumutungen wiederum an die NutzerInnen übertragen. Diese Konstellation verweist - mit Erich Hörl gesprochen - auf die immer schon bestehende Kopplung des Menschen an technologische Objektkulturen wie Smartphone, Tablets oder auch Apps, d. h. technische Aktivitäten, die das Mensch-Objekt-Kollektiv modellieren und Milieus der Transindividuation erzeugen, in denen wechselseitig Technik, Praktiken wie auch Menschen verfertigt werden (cf. Hörl 2011). 115 DDossier Aktion Mensch (ed.), Web 2.0 / barrierefrei. Eine Studie zur Nutzung von Web 2.0 Anwendungen durch Menschen mit Behinderung, http: / / publikationen.aktion-mensch.de/ barrierefrei/ Studie_Web_2.0.pdf (publiziert 12/ 2010, letzter Aufruf 7.7.2014). Aktion Mensch (ed.), „Wenn online und offline verschmelzen - wie Menschen mit Behinderung das mobile Web nutzen“, http: / / www.einfach-fuer-alle.de/ artikel/ mobiles-web-verschmilztoffline-und-online (publiziert 7.5.2013, letzter Aufruf 1.7.2014). 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Cf. http: / / www. silentgrapevine.com/ 2014/ 06/ google-gesture-is-fictional-concept-but.html (publiziert am 22.6.214, letzter Aufruf 4.8.2014). 4 In ihrem Artikel 9 Absatz 1 verpflichtet die UN-Behindertenrechtskonvention ihre Unterzeichnerstaaten, geeignetet Maßnahmen zu treffen, um für Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen u.a. den Zugang zu Information und Kommunikation, einschließlich Informations- und Kommunikationstechnologien und -systemen, zu ermöglichen. 5 „Ein Netz voller Scheren, Barrieren und Chancen“, http: / / www.einfach-fuer-alle.de/ artikel/ barrieren (letzter Aufruf 8.8.2014). 6 Aufgrund eines Disputs zwischen Apple und Google war YouTube auf dem iPhone, iPad und iPod lange Zeit ein recht leidiges Thema für Gehörlose. Mittlerweile aber hat Google eine iOS-App entwickelt, die im Apple-Store vorhanden und seit einiger Zeit auch für 117 DDossier Deutschland verfügbar ist. Cf. https: / / itunes.apple.com/ de/ app/ youtube/ id544007664? mt=8, (aktualisiert am 7.8.2014, letzter Aufruf 9.8.2014). 7 Die Zahlen der Downloads sprechen dabei für sich, cf. http: / / de.statista.com/ statistik/ daten / studie / 168038 / umfrage / anzahl-der-downloads-mobiler-apps-in-deutschland-seit- 2009 (letzter Aufruf 12.8.2014). Bereits 2010 prognostiziert Kristen Purcell, Associate Director für Forschung bei Pew Internet, dass auch wenn ein Großteil der Nutzer zu diesem Zeitpunkt die Möglichkeiten ihrer Smartphone noch nicht in Gänze nutzten, sich doch „bei einigen Handy-Besitzern eine Art Apps-Kultur herauszubilden beginnt“ (cf. http: / / www.tecchannel.de/ kommunikation/ news/ 2031117/ hype_um_apps_grossteil_nutzt_ programme_nicht ; publiziert 16.9.2010, letzter Aufruf 7.7.2014). 8 Natürlich benutzen Menschen mit Behinderung nicht nur spezielle Apps. Skype wird sowohl von Blinden als auch von Gehörlosen gerne eingesetzt. Ansonsten sind auch Apps zum Bestellen von Taxis, zum Musik-Streaming oder Spiele beliebt - es gibt praktisch keine App, die nicht auch von Menschen mit Behinderung genutzt wird. Das meist auftretende Hindernis ist die oft mangelnde Zugänglichkeit, vor allem auch dann, wenn neue Geräte oder Betriebssysteme auf den Markt kommen. 9 Cf. http: / / www.talenteo.fr/ 11-applications-mobiles-handicap (letzter Aufruf 24.6.2014) 10 Cf. http: / / appadvice.com/ applists/ show/ apps-for-the-deaf (letzter Aufruf 2.7.2014). 11 Der Begründer Thomas Lydell-Olsen ist Lehrer für Gesellschaftswissenschaften an der National Upper Secondary School für Gehörlose und Gehörgeschädigte. Die mehrfach preisgekrönte Übersetzungshilfe (Foundation Alares Award, Best Practise Award, u.a.) gibt es heute in bis zu 25 Sprachen. 12 Deutsche Gebärdensammlung (GuK), http: / / www.netzwelt.de/ apps/ 518-gebaerdensamm lung-guk.html (letzter Aufruf 1.8.2014). Die Anwendung ist sowohl für Androidgeräte als auch für iPhone einsetzbar. 13 Beim Gebärdensprach-Dolmetschdient TeSign rufen gehörlose Menschen über eine Videoverbindung bei TeSign einen Gebärdensprachdolmetscher an, der die Verbindung zum hörenden Gesprächspartner herstellt und die Inhalte in die Lautsprache bzw. in Gebärdensprache übersetzt. Über TeScript kann auf die gleiche Weise ein Schriftdolmetscher gebucht werden, der den ihm schriftlich mitgeteilten Telefonwunsch per Telefon an den hörenden Gesprächspartner mitteilt. Cf. http: / / www.tess-relay-dienste. de/ aktuelles (letzter Aufruf am 1.7.2014). 14 Cf. http: / / www.proximamobile.fr/ article/ handicap-auditif-une-application-pour-sous-titrerles-conversations-telephoniques (publiziert am 4.5.2011, letzter Aufruf 1.7.2014). Die gratis iPhone-App gehörlosenzentrale.ch macht das iPhone zumindest für Schweizer Gehörlose zum mobilen Schreibtelefon, mit dem von unterwegs telefonisch mit Hörenden kommuniziert werden kann, wobei das Gespräch von der Gehörlosenzentrale simultan gedolmetscht wird. 15 Cf. http: / / www.handimobility.org/ blog (letzter Aufruf, 2.7.2014). 16 Steiner, Philippe: „L’application uHear dépiste votre perte d’audition en 6 minutes“, http: / / www.handimobility.org/ blog/ lapplication-uhear-depiste-votre-perte-daudition-en-6minutes-video, publiziert am 11.6.2014 (letzter Aufruf 1.7.2014). 17 Zur ökonomischen Relevanz der neuen App-Kultur, cf. Mayer (2012). 18 Cf. http: / / www.proximamobile.fr/ article/ une-prothese-auditive-integree-dans-le-smartphone (publiziert am 29.11.2011, letzter Aufruf 7.7.2014); ebenso http: / / www.proximamobile.fr/ article/ smartphones-et-perte-d%E2%80%99audition-l%E2%80%99institut-franhoferdeveloppe-une-technologie-pour-les-male (publiziert am 11.8.2010, letzter Aufruf 7.7. 118 DDossier 2014) und http: / / www.fraunhofer.de/ en/ press/ research-news/ 2010/ 08/ digital-helpers-forthe-hearing-impaired.html (publiziert am 1.8.2010, letzter Aufruf 7.7.2014). 19 Cf. http: / / aufildeleau.polytech.univ-montp2.fr/ Nutzerfiles/ 2014/ N76_24_avril_2014/ CP% 20malentendants%20avril%202014.pdf (publiziert am 11.4.2014, letzter Aufruf 13.8.2014); ebenso http: / / www.francosourd.com/ profiles/ blogs/ montpellier-une-application-pour-ouvrirle-cinema-aux-sourds (publiziert am 10.3.2014, letzter Aufruf 13.8.2014). 20 Cf. http: / / www.gretaundstarks.de (letzter Aufruf 13.8.2014). 21 „Sobald Sie die Untertitel auf der App haben, ist diese Fassung dort gespeichert. Es handelt sich dabei nicht um die Tonspur des Films, sondern quasi um eine Kennung, die in der Datenbank gespeichert ist. Jede Filmtonspur hat eine eigene Kennung. Damit kann die App dann den richtigen Film finden aus der Datenbank der App. Dazu braucht die App kein Internet, da sie einfach den Film hört (hier kommt dann das Mikrophon zum Einsatz! ) und diesen dann der Kennung zuordnet und den richtigen Film aus der Datenbank findet. Wenn Starks dann den Film via Mikrophon hört, kann es den Ton des Films durch die Kennung der richtigen Untertitel-Fassung zuordnen. Ist diese Untertitel-Fassung noch nicht auf der App heruntergeladen, kann die App den Film nicht finden. Es läuft also über das Mikrophon, denn die App muss den Filmton hören. Das eigentliche Abgleichen ist in der App, damit die App die richtige Kennung und somit die richtigen UT findet“ (http: / / www.taubenschlag.de/ meldung/ 9265, letzter Aufruf 13.8.2014). Cf. auch „Das Handy wird zum Auge und Ohr“, in: Saarbrückener Zeitung, 15.4.201. 22 Cf. vimeo.com/ 69667139 (letzter Aufruf 1.7.2014). Auffallenderweise ist das Demonstrationsvideo durchgehend von Musik unterlegt. 23 Cf. http: / / www.auditory-voip.com (letzter Aufruf 7.7.2014); ebenso http: / / www.idmt.fraunhofer. de/ en/ Press_and_Media/ press_releases/ 2013/ iPhone_app_offers_individual_hearing_ support.html (publiziert am 4.11.2013, letzter Aufruf 7.7.2014). 24 Cf. http: / / rollingplanet.net/ 2013/ 03/ 29/ sieht-cool-und-nicht-behindert-aus-app-macht-iphonezum-hoergeraet (publiziert am 29.3.2013, letzter Aufruf 1.7.2014). 25 Cf. http: / / www.pressetext.com/ news/ 20130329017 (publiziert am 29.3.2013, letzter Aufruf 2.8.2014). 26 Cf. http: / / bioaid.org.uk 27 Cf. www.signesdesens.org (letzter Aufruf am 1.7.2014), http: / / www.websourd.org (letzter Aufruf 8.8.2014). Cf. auch http: / / www.taubenschlag.de (letzter Aufruf 1.7.2014), das jedoch wesentlich über Text funktioniert. 28 So z.B. der Dictionnaire de français en langue de signes, http: / / www.proximamobile.fr/ article/ dictionnaire-de-francais-en-langue-des-signes (letzter Aufruf am 1.7.2014) oder Signes, http: / / www.proximamobile.fr/ article/ signes (letzter Aufruf am 1.7.2014); beides Produkte von Proxima Mobile. 29 Cf. http: / / www.francosourd.com/ profiles/ blogs/ 10-apps-pour-apprendre-la-langue-dessignes (publiziert am 7.5.2013, letzter Aufruf 1.7.2014), http: / / www.proximamobile.fr/ article/ intermediation-par-visiophonie-mobile-pour-les-sourds-et-malentendants (publiziert am 1.2.2011, letzter Aufruf 7.7.2014); http: / / www.proximamobile.fr/ article/ appels-d%E2% 80%99urgence-le-114-accessible-par-sms-pour-les-malentendants (publiziert am 26.8. 2011, letzter Aufruf 7.7.2014). Im deutschen Kontext sind zu erwähnen http: / / www. taubenschlag.de/ Smartphones (letzter Aufruf 1.7.014) sowie die einzelnen, zuvor oder im Folgenden zitierten Apps. 30 Cf. Anonyme, 3.12.2012. 119 DDossier 31 http: / / rollingplanet.net/ 2013/ 01/ 29/ gehoerlose-beim-doc-virtueller-dolmetscher-als-app (publiziert am 29.1.2013, letzter Aufruf 1.8.2014). 32 Cf. http: / / www.pslt.org (letzter Aufruf 7.7.2014). 33 Allerdings stammen diese Informationen aus 2012 und die letzte Aktualisierung der Homepage (www.pslt.org) aus dem Jahr 2013. 34 Vermarktet auf Google play unter dem Titel Komplex für Gehörlose. Device H, https: / / play.google.com / store / apps/ details? id=g.example.android.BluetoothChat&hl=de (publiziert am 9.7.2013, letzter Aufruf 1.7.2014). 35 Cf. http: / / www.gemeinsam-einfach-machen.de (letzter Aufruf am 1.7.2014), ebenso http: / / www.trendsderzukunft.de/ animierte-gebardensprache-dolmetscher-statt-untertitelmit-video/ 2011/ 06/ 06 (letzter Aufruf am 1.7.2014). 36 Cf. http: / / www.golem.de/ 1106/ 83987.html (publiziert am 6.6.2011, letzter Aufruf 1.8.2014). 37 http: / / research.microsoft.com/ en-us/ collaboration/ stories/ kinect-sign-language-translator. aspx (publiziert am 30.10.2013, letzter Aufruf 1.7.2014). Cf. ebenso http: / / vipl.ict.ac. cn/ sites/ default/ files/ papers/ files/ 2013_FG_xjchai_Sign%20Language%20Recognition% 20and%20Translation%20with%20Kinect.pdf (letzter Aufruf am 1.7.2014). 38 Die Software Dites-le en langue des signes, le jeu setzt dezidiert auf den spielerischen Lernerfolg und bietet ein Kartenspiel und eine mobile App mit 50 Gebärden an: „Un peu de gymnastique de doigts pour faciliter le lien entre personnes sourdes et entendant“. Die Crowdfunding-Aktion wurde von der Website Signes de Sens unterstützt und erzielte mit mehr als 300 Unterstützern die Gesamtsumme von 9.800 Euro. Der Prototyp des Spiels ist unter http: / / www.signesdesens.org/ boutique verfügbar. 39 http: / / research.microsoft.com/ en-us/ collaboration/ stories/ kinect-sign-language-translator. aspx; Film verfügbar unter: http: / / www.youtube.com/ watch? v=HnkQyUo3134. 40 Auch die technisch weniger anspruchsvolle Software Sign4me (http: / / signingapp.com) greift auf SigningAvatar Charaktere in einer 3D-Umgebung zum Erlernen der Gebärdensprache zurück 41 Cf. http: / / www.signspeak.eu (letzter Aufruf 1.7.2014). 42 Cf. http: / / meinaugenschmaus.de/ tag/ gebardensprache (publiziert am 6.11.2013, letzter Aufruf 6.8.2014). 43 Cf. http: / / www.visicast.cmp.uea.ac.uk/ eSIGN/ Introduction.htm#01 (letzter Aufruf 6.8.2014). 44 Verbavoice, http: / / www.verbavoice.de/ startseite/ 92-root-de/ hoerschaedigung (letzter Aufruf am 1.7.2014). Der Dienst ist als App auf Google play downloadbar (https: / / play. google.com/ store/ apps/ details? id=air.de.verbavoice.app, letzter Aufruf 6.8.2014). Die App ist für Gehörgeschädigte und Gehörlose konzipiert, aufgenommene Sprache kann wahlweise als Text mitgelesen oder in Gebärdensprache übersetzt werden. Im Vorfeld wird ein Dolmetscher gebucht, der entweder über die App live bei einem Gespräch oder einem Vortrag dabei ist und in Echtzeit übersetzt. Das vereinbarte Datum und die Uhrzeit erscheinen in der Terminliste der App. 45 Sign4Me, verfügbar für Apple und Android, verfügt zwar über 3D-Darstellung, doch funktioniert das Verschieben des Avatars im Raum nur innerhalb einer Gebärde. Eine Einführung zum Programm findet sich unter: https: / / www.youtube.com/ watch? v=- NfQGMrqEWY (publiziert am 27.5.2009, letzter Aufruf 1.7.2014). Im realen gebärdensprachlichen Gespräch aber kann sich die Bedeutung der Gebärde je nach ihrer Bewegungsrichtung zwischen den Raumpunkten des Gebärdenraums ändern. 120 DDossier Isabell Otto ‚Spinning Beach Ball of Death‘ Gebräuche der Unterbrechung im Zeitgefüge zwischen Usern und digitalen Medien Drei Minuten Redezeit hat der Unternehmer Colin Robertson, um im März 2012 dem Publikum darzulegen, wie seine Idee einer Crowdsourcing-gestützten Solaranlage zur Gesundheitsfürsorge beitragen kann. Er spricht auf der Bühne der TED- Konferenzreihe (TED steht für Technology, Entertainment, Design). Doch schon nach wenigen Sekunden gerät seine Präsentation ins Stocken. Als Robertson mittels Fernbedienung die nächste Folie aufruft, die hinter ihm auf eine riesige Leinwand projiziert die Worte Crowdsourcing Solar zeigt, erscheint direkt unterhalb des Schriftzugs ein sich im Uhrzeigersinn drehender Kreis, der aus zehn regenbogenfarbig abgestuften, fließend ineinander übergehenden Segmenten besteht. Die nicht nur Mac-Usern bekannte Interface-Animation signalisiert eine Überlastung des Systems. Ihr offizieller, in Apples User Interface Guidelines verwendeter Name lautet „spinning wait cursor“ (Apple 2013). Doch die englische und die französische Wikipedia-Community listen in ihren Artikeln zahlreiche der in Web- Foren und Troubleshooting-Seiten gebräuchlichen inoffiziellen Bezeichnungen dieses Phänomens auf: „spinning pinwheel“, „rainbow wheel“, „color wheel“, „beach ball“, „BBOD“ (beach ball of death), „Marble of Doom“, „Wheel of death“, „roue de la mort“ oder „Spinning Beach Ball of Death“ (Wikipedia 2014; Wikipédia 2014). Das Video, das der Redner mit der Folie verlinkt hat - so zumindest legt es die bunte Animation nahe -, lässt sich (noch) nicht abspielen. „A TED speaker’s worst nightmare“, so der Titel des Beitrags auf der Homepage der Konferenzreihe. Robertson versucht, die Situation zu überspielen, indem er kostbare Redezeit verschwendet, um zu sagen, was offensichtlich ist ‚Huh. Hang on a moment. It might take a moment to load‘. Doch nichts geschieht. Über die Lautsprecher sind akustische Fehlermeldungen des Apple Betriebssystems OS X zu hören; das Publikum reagiert mit Gelächter. Robertson versucht, das Video zu überspringen, doch auf der Leinwand erscheint nun eine Fülle von Dialogfenstern, die ganz unterschiedliche Warn- und Alarmmeldungen anzeigen: „Your slideshow cannot be exported as a QuickTime movie“, „The alias ‚ThisFileHasBeenDeleted alias‘ could not be opened, because the original item cannot be found“, „An unexpected error occurred while trying to load the Microsoft framework library“, „Low Battery Warning“, „Core Audio: Disk is too slow. (Write) (-10002)“, usw. Spätestens als im Zuschauerraum Regenschirme aufgespannt und um die eigene Achse gedreht werden, die dem Spinning Beach Ball farblich gleichen, ist dem Publikum im Zuschauerraum klar, dass es Teil einer Performance ist. Die 121 DDossier akustischen Error-Signale werden rhythmischer und gehen in Musik über. Auf der Leinwand ist nun vor schwarzem Hintergrund in weißer Schrift und in mehreren Sprachen die Aufforderung zum Neustart zu lesen: „You need to restart your computer“, „Veuillez redémarrer votre ordinateur“, „Sie müssen Ihren Computer neu starten“. Überlagert wird die schriftliche Aufforderung durch gleich mehrere - scheinbar über alle Sprachgrenzen hinweg verständliche - Spinning Beach Balls of Death. Was folgt, ist eine knapp dreiminütige Bühnenshow der Performance- Gruppe Improve Everywhere, die einem Verschnitt von Michel Gondrys Musikvideo zum Daft Punk-Song Around the World ähnelt: Eine Gruppe von Schauspielern in schwarzen Anzügen und regenbogenfarbenen Perücken betritt die kreisrunde Frontbühne und feuert Luftschlangen ins Publikum. Vom Balkon werden Strandbälle in den Publikumsraum geworfen. Eine weitere Gruppe in roten, grünen, gelben oder blauen Morphsuits, die den Figuren der Darsteller nicht unbedingt schmeicheln, umtanzt den Redner mit ungelenken Bewegungen. Im Hintergrund werden überdimensionale Beach Balls auf Leinwand und Kulisse projiziert. Nachdem alle Tänzer die Bühne wieder verlassen haben und die Musik verklungen ist, beendet der Schauspieler Eugene Cordero (alias Colin Robertson) die Performance mit den Worten: „Solar technology is Oh, that’s all my time? Okay. Thank you very much“ (TED 2012; Todd 2012). Die Konferenzreihe TEDTalks, deren Video-Publikationen nicht nur auf der Website TED.com publiziert sind, sondern - ganz dem Motto der Organisatoren entsprechend: ‚ideas worth spreading‘ - auf anderen Plattformen wie YouTube oder Facebook Verbreitung finden, kann als eine Community-Plattform bezeichnet werden, deren „Prozesse der Gemeinschaftsbildung, der Teilhabe und des Ausschlusses“ (Pöhnl 2013: 73) signifikant für die medialen Bedingungen und Praktiken des World Wide Web sind. Dass die Spinning Beach Ball-Performance in diesem Rahmen funktioniert, verdeutlich, wie sehr Improve Everywhere auf implizites, kulturelle und sprachliche Differenzen übergreifendes Wissen über diese animierte Komponente des graphischen Interface setzt. Sie muss nicht weiter erklärt werden, um ausgestellt und in einem Bühnen-Spektakel überboten zu werden. Die unterbrochene, zu scheitern drohende User-Computer-Interaktion und die Kontrolle versprechende Symbolisierung dieser Störung sind fest in die Gebrauchsweisen, Konventionen, ja Rituale im Umgang mit digitalen Medien verankert. Dieser Umstand soll im Folgenden näher beleuchtet werden. Der Spinning Beach Ball of Death, so möchte dieser Beitrag argumentieren, symbolisiert einen Riss im Zeitgefüge zwischen Usern und Computern, das genau durch diese Symbolisierung zwischen ihnen aufgespannt wird. Er verfertigt somit eine soziotechnische Zeitordnung, gerade indem er ihre Unterbrechung signalisiert. Die Interface- Animation steht damit in der Tradition von Kulturtechniken der Zeit wie Uhren oder Kalender, zeigt aber deutlich, welche Transformationen diese unter den Bedingungen digitaler Medien vollziehen. 122 DDossier 1. Das Interface der Zeit-Ingenieure Betrachtet man den Spinning Wait Cursor zunächst im Rahmen des User Interface (UI) und so wie Apple Inc. ihn verstanden wissen will, so gehört er einer Gruppe von Elementen an, die in der Programmierung der Benutzeroberfläche eingesetzt werden, um Usern zu signalisieren, dass Computer gerade komplexe Rechenoperationen, Synchronisierungs-, Speicherungs-, Up- oder Downloadprozesse durchführen, eine große Datei öffnen oder eine graphisch aufwändige Website aufbauen. Als Bestandteile von Browsern, Betriebssystemen oder Software-Applikationen können sie die vergehende Zeit auf ganz unterschiedliche Weise und in ganz unterschiedlichem Präzisionsbestreben anzeigen: Als zirkulierende Pfeile, rotierende Räder, pulsierende Symbole, Sand- oder Armbanduhren, Spiralen, farbige Ringe; aber auch in Form von Prozessleisten oder fliegenden Blättern, die (halbwegs genaue) Angaben über die noch verbleibende Arbeitszeit der zu erledigenden Aufgabe geben. Einige haben ähnliche popkulturelle Bekanntheit erreicht wie Apples Spinning Beach Ball: z. B. der sich um einen Globus windende Fuchs in früheren Firefox-Versionen oder der Meteoritenschauer im Logo des Netscape- Navigators in den 1990er Jahren. Die Bezeichnung und Unterscheidung dieser animierten Graphiken ist uneinheitlich. Die englischsprachige Wikipedia-Community, die ebenso wie die TEDTalks darüber Aufschluss geben kann, welche Ideen oder Phänomene in den Computer- und Netzkulturen als verbreitenswert erachtet werden, unterteilt ‚progress indicators‘ in Fortschrittsbalken, textuelle Prozentangaben, Startseiten von Programmen oder Betriebssystemen, Throbber (z. B. sich drehende Räder, die auf eine Aktivität der Software verweisen) oder - wozu der der Spinning Beach Ball zu rechnen wäre - Warteformen des Mauszeigers (Wikipedia 2013). Gerade die letzteren beiden sind jedoch schwer zu unterscheiden, denn sie sind aus der Perspektive eines Time Design - um eine besondere Bezeichnung dieser Form von zeitorientierter Gestaltung der Benutzeroberfläche aufzugreifen, die der Psychologe und ‚Nutzungsforscher‘ bei Microsoft, Steven Seow, wählt - unbedingt zu vermeiden. Leisten sie doch gerade nicht, was Seow in seinem Buch Designing and Engineering Time Interface Designern empfiehlt: eine der schmerzlichsten menschlichen Erfahrungen - das Warten - so angenehm wie möglich zu gestalten (Seow 2008: 79). Ein guter Zeit-Ingenieur müsse in der Lage sein, die Zeiterfahrung des Users zu manipulieren: „to turn an otherwise delay into a pleasant pause, or make something that is unbearably long feel like a fleeting duration“ (ibid.: 2). Wenn das UI durch einen rechenintensiven Vorgang unterbrochen ist, sei wichtig, den Usern zu zeigen, welchen Fortschritt der Computer in seinen Rechenoperationen mache, so auch die Web-Beraterin und Entwicklerin Jenifer Tidwell, die sich in ihrem Handbuch Designing Interfaces beinahe ethnologisch in die fremde Spezies der Mainstream-Usern hinzudenken versucht: 123 DDossier Users get impatient when the UI just sits there. Even if you change the mouse pointer to a clock or hourglass (which you should in any case, if the rest of the UI is locked out), you don’t want to make a user wait for an unspecified length of time. Experiments show that if users see an indication that something is going on, they’re much more patient, even if they have to wait longer than they would without a progress indicator. Maybe it’s because they know that ‘the system is thinking,’ and it isn’t just hung or waiting for them to do something (Tidwell 2006: 49). Die Ungeduld des Users mit einem überlasteten Programm legt auch Apple in seinen Guidelines als zentrales Problem des Wait Cursors nahe und empfiehlt App-Entwicklern Fortschrittsindikatoren zu verwenden, auch wenn sie nur ungefähre Zeitangaben machen können: „In general, if an app does not respond for about 2 or 4 seconds, the spinning wait cursor appears. If the app continues to be unresponsive, users often react by force-quitting it“ (Apple 2013). Eine Relation zwischen User und Programm, die noch besteht, wenn der Beach Ball sich dreht, wird aus der Sicht des Unternehmens in diesem Fall erst durch den User abgebrochen. Erst im Zeit-Empfinden der User wird, so betrachtet, der Spinning Wait Cursor zum Spinning Beach Ball of Death. Die Anwendung ist tot, so scheint es dem User, auch Warten ist aussichtslos. Der Spinning Beach Ball reiht sich nicht in die Komponenten der „Lovemark“ (Roberts / Lafley 2005) Apple ein, für deren Produktneuheiten es sich in langen Warteschlangen auszuharren lohnt. Doch die drohende Unterbrechung, die das Warten-Müssen oder nicht (lange genug) Warten-Können des Users herausstellt, geht sehr viel weiter, als es in den Empfehlungen der Zeit-Ingenieure offensichtlich wird. Auch durch Fortschrittsbalken sind nämlich die Risse, Sprünge oder Diskontinuitäten zwischen Usern und Computern nicht zu beseitigen. Jeder Progress-Indikator zeigt unweigerlich die Zeit in Unterbrechungen und Sprüngen an, z. B. indem die angeblich noch verbleibenden Zeiteinheiten bis zur Beendigung eines Vorgangs immer wieder zubzw. auch abnehmen. Den Fortschritt in Computerprozessen zu veranschaulichen ist aufgrund der vielfältigen Temporalitäten, die in digitalen Medien (un-)gleichzeitig ablaufen (Hayles 2011: 217), nicht so ohne weiteres möglich: „Varying disk, memory, processor, bandwidth and other factors complicate this further. Consequently, progress bars often exhibit non-linear behaviors, such as acceleration, deceleration, and pauses“ (Harrison / Amento / Kuznetsov / Bell 2007: 115). Auch für den Fall der Fortschrittsbalken muss es Zeit-Ingenieuren deshalb darum gehen, das Zeitempfinden der User zu beeinflussen, z. B. indem ihnen pulsierend oder gerippt visualisierte Balken das Warten verkürzen (Harrison / Yeo / Hudson 2010). Kein Interface-Element kann somit vollständig unsichtbar halten, was das Warten der User kenntlich macht: Ihre Konfrontation mit einer Vielfalt technologischer Abläufe und somit mit Zeitstrukturen, die nicht ihren subjektiven Temporalitäten entsprechen und über die sie nicht verfügen können. Die Ungeduld der wartenden User könnte so auf die Zumutungen verweisen, die mit der Unterbrechung eigenzeitlicher Abläufe nicht nur in „zwischenmenschlicher Verständi- 124 DDossier gung“ (von der Heiden 2003: 64sq.), sondern auch in der Abstimmung (den Interface-Prozessen) zwischen Menschen und Computern einhergehen. 2. Der verbindend-trennende Vorgang des Wartens Um besser zu verstehen, wie die Konfrontation menschlicher Eigenzeiten mit den multiplen Temporalitäten digitaler Medien zusammenhängt und welchen Stellenwert Praktiken, konventionalisierte Gebrauchsweisen bzw. ‚Gebräuche‘ und interkulturell verständliche Symbolisierungen der Unterbrechung (wie der Spinning Beach Ball) hierbei einnehmen, ist es aufschlussreich, bei einem berühmten zeitphilosophischen Beispiel anzusetzen, das nichts mit Computern zu tun hat, aber die Problemlage des Wartens grundsätzlicher entfaltet: „Will ich mir ein Glas Zuckerwasser bereiten, so muß ich, was auch ich anstelle, das Schmelzen des Zuckers abwarten“ (Bergson 2006: 16). Henri Bergsons Zuckerwasser-Beispiel steht zu Beginn seiner Studie Schöpferische Entwicklung und dient dazu, seine Bestimmung der Zeit als Dauer zu veranschaulichen. Das Warten bringt den Wartenden mit einer Zeitlichkeit in Berührung, die nichts mit einer abstrakten, messbaren Zeit gemein hat und die Bergson dem Raum, nicht der eigentlichen Zeit zuordnen würde: Denn die Zeit, die ich warten muß, ist nicht mehr jene mathematische, die sich mit der Geschichte des Universums auch dann noch decken würde, wenn dieses auf einen Schlag im Raum hingebreitet worden wäre. Sie fällt zusammen mit meiner Ungeduld, d. h. mit einem Teil meiner eignen Dauer, der weder willkürlich ausdehnbar noch abkürzbar ist. Nicht mehr Gedachtes ist hier, sondern Gelebtes, nicht Relatives mehr, sondern Absolutes. Was anderes aber besagt dies, als daß Zucker, Glas Wasser und Schmelzprozeß ohne allen Zweifel Abstraktionen sind, und daß das Ganze, daraus meine Sinne und mein Verstand sie herausgeschnitten haben, vielleicht nach Art eines Bewußtseins im Fortschreiten begriffen ist? (Ibid.). In seinem ersten Bergson-Kommentar in Kino 1 stellt Gilles Deleuze, dessen Lesart hier leitend sein soll, besonders heraus, dass das Warten den Wartenden mit seiner eigenen Dauer konfrontiert: „Was Bergson mit dem Glas Zuckerwasser vor allem sagen will, ist, dass mein wie auch immer beschaffenes Abwarten eine Dauer als mentale, geistige Realität zum Ausdruck bringt“ (Deleuze 1997: 23). Es sind nicht so sehr die Eigenzeiten anderer Prozesse, die den Wartenden ungeduldig werden lassen, sondern die Tatsache, dass er selbst einer eigenen Dauer unterliegt, über die er nicht verfügen kann, die ihn jedoch mit der Gesamtheit aller Vorgänge der Dauer verbindet, aus denen der Prozess des Zuckerschmelzens nur einen Ausschnitt, ein abgegrenztes System der Veränderung bildet. Wie Deleuze anmerkt, scheint Bergson zu vergessen, dass der Wartende den Auflösungsprozess des Zuckers mit Hilfe eines Löffels und durch Umrühren beschleunigen könnte. Doch diese Abkürzung des Wartens würde nichts daran ändern, dass in der (mehr oder weniger langsamen) Veränderung des Wassers, 125 DDossier die in der Ungeduld spürbar wird, „das unablässige Werden, das durch solche Zustände hindurchgeht“ (ibid.: 25) zu erkennen ist. Über dieses Werden, so zeigt sich die Zumutung des Wartens, lässt sich nicht verfügen. Zucker, Wasserglas und vielleicht noch ein Löffel bilden ein ‚Ensemble‘, das nicht mit dem Ganzen, der Dauer oder dem reinen Werden zu verwechseln ist, aber dennoch nicht von ihm unabhängig existiert. Das Ganze ist, so Deleuze, durch die Relation bestimmt, die jedes aus ihm herausgeschnittene Ensemble offen hält: „wie durch einen dünnen Faden, der es an den Rest des Universums bindet“ (ibid.). Diese Relation ist es, die das Ensemble „von einem qualitativen Zustand zum anderen treibt“ (ibid.). Der Wartende befindet sich „vor oder innerhalb einer Dauer“ und kann somit auf die „Existenz eines sich verändernden und irgendwo offenen Ganzen schließen“ (ibid.: 24). Durch die Dauer des Wartens und seine Ungeduld gewinnt der Wartende Einsicht in die Dauer des Ganzen. Er erfährt Zeit nicht als messbare, abstrakte Größe, sondern in der Kontinuität des ständigen Werdens. Bergsons Beispiel bildet in Deleuzes Lesart erste Anhaltspunkte zur Beschreibung eines Wartens auf den Computer. Es stellt sich jedoch die Frage, wieweit die mentale, geistige Erfahrung von Dauer, die Deleuze mit Bergson in den Vordergrund stellt, unter den Bedingungen digitaler Medien überhaupt aufschlussreich sein kann. Das Beispiel aus Schöpferische Entwicklung sei deshalb mit Alfred North Whiteheads Process and Reality und somit mit einem anderen philosophischen Text des frühen 20. Jahrhunderts konfrontiert, der besonders auf Grund seiner spekulativ-konstruktivistischen Beschreibungsmodelle gegenwärtig als ‚Denkweise‘ (Stengers 2002; Debaise 2006) neu erschlossen wird, die besonders für die Temporalität digitaler Medien fruchtbar ist (Hansen 2011; Barker 2012). Mit Whitehead wäre es nämlich nicht möglich, durch eine mentale Erfahrung, die Bergson auch mit dem Begriff der ‚Intuition‘ in Verbindung bringt, die Dauer bzw. (in Whiteheads Begriffen) das ‚reine Werden‘ zu erschließen. Auch wenn Whitehead im Vorwort zu Process and Reality Bergson als einen jener Philosophen nennt, dem sein eigenes Denksystem viel zu verdanken hat, unterscheidet sich die Bergson’sche Dauer signifikant von reinem Werden bei Whitehead, und das begründet sich schon - wie Didier Debaise herausstellt (Debaise 2009) - in der Frage der Erfahrbarkeit oder Zugänglichkeit der für beide grundlegenden Prozessualität. Ausgangspunkt kann bei Whitehead nicht das menschliche Bewusstsein des Wartenden und die mentale erfahrbare Realität seiner eigenen Dauer sein. Die Methode der spekulativen Philosophie setzt auf Distanz, indem sie abstrakte Konstruktionen schafft, die in der menschlichen Erfahrung nicht vorkommen. So bestimmt Whitehead die basale Prozessualität auf der Grundlage von ‚aktualen Entitäten‘ oder ‚wirklichen Einzelwesen‘, die jeder Erfahrung vorgängig sind und die grundlegenden Elemente alles Im-Werden-Seienden bilden. Whitehead verabschiedet auf diese Weise die ontologische Privilegierung des menschlichen Subjekts vor allen anderen Subjektivitäten (Shaviro 2009: xii): Die aktualen Entitäten sind jeder Herausbildung von Menschen oder Dingen vorgängige Subjekte auf einer mikroprozessualen Ebene, die der Erfahrung mächtig sind. 126 DDossier Sie werden auch „drops of experience“ (Whitehead 1978: 18) genannt. Erst durch einen Zusammenschluss aktualer Entitäten entstehen die von Whitehead so bezeichneten „Gesellschaften“, die einer bestimmten „gesellschaftlichen Ordnung“ folgen (ibid.: 34). Nur auf dieser Ebene lassen sich für Menschen erfahrbare und dauerhafte Gegenstände oder Individuen ausmachen. Debaise bestimmt Whiteheads Weg der spekulativen Abstraktion als „philosophy of mediation“ (Debaise 2009: 81). Die spekulative Konstruktion von aktualen Entitäten tritt zwischen das Bewusstsein und das reine Werden. Debaise macht einen weiteren Unterschied aus, der noch entscheidender ist: Bei Whitehead ist nicht die Kontinuität grundlegend, sondern die Diskontinuität. Jedes Werden vollzieht sich erst in den Relationen, Erfahrungs- (in Whiteheads Begrifflichkeit ‚Prehensions‘-) und Objektivierungsprozessen der zeitlich atomaren aktualen Entitäten; ihr Werden und Vergehen (bzw. zu neuem Werden Bereitstehen) geschieht auf der Grundlage von Diskontinuität. Kontinuität entsteht erst als Effekt dieser Relationen: „There is a becoming of continuity, but no continuity of becoming“ (Whitehead 1978: 36; Debaise 2009: 86). Was also die nicht-intuitive, sondern konstruktivistische Methode der Spekulation erkennbar macht, ist, dass das reine Werden auf Unterbrechungen, Zäsuren, Rissen beruht, nicht auf einer vorgängigen „reine[n] Dauer“ - so auch Tholen in seiner Kritik an Bergson -, die „sich selbst [beschaut] in ihrer Gestalt als Vergangenheit und Gegenwart in einem bruchlosen Horizont, in dem die Zäsuren und Moment der Zeit verschmelzen“ (Tholen 2002: 135). Whitehead denkt Zeit grundlegend diskontinuierlich, alle Kontinuität entsteht erst sekundär aus temporal geordneten ‚Gesellschaften‘, die aus dem diskontinuierlichen Werden atomarer Entitäten hervorgehen. Man könnte zugespitzt auch sagen: Whitehead denkt Zeit in Zäsuren und somit im Sinne einer digital ‚zerhackten‘, ‚diskreten‘ Zeit (Turing 1987: 192; Kittler 1990: 169)‚ während Bergson ein analoges, kontinuierliches Modell vorsieht. Wie wären demnach das Zuckerwasser-Beispiel und die Ungeduld des Wartenden mit Whitehead zu beschreiben? Vorgängig ist somit nicht ein Geschehen, in dem der menschliche Intellekt das Ensemble Zucker, Wasser, Glas aus der Dauer des ‚Ganzen‘ herausschneidet und in seiner Ungeduld dann wieder seine eigene Relation zur reinen Dauer des Ganzen, ebenso wie die des herausgeschnittenen Ensembles erfährt. Vorgängig ist vielmehr eine grundlegende Zäsur, die sich auf den weiteren Ebenen der Individuation von menschlichen und nicht-menschlichen ‚Gesellschaften‘ fortschreibt. Alle beteiligten ‚Gesellschaften‘ (der Wartende, der schmelzende Zucker, Wasser, Glas) sind als temporale Ordnungen aufzufassen, die durch ganz unterschiedliche Dauern, Geschwindigkeiten, Anfangs- und Endpunkte gekennzeichnet sind und alle auf einer grundlegenden Diskontinuität beruhen. Das menschliche Bewusstsein ist dann durch Warten und Ungeduld nicht grundsätzlich von allen anderen Entitäten unterschieden. Vielmehr wären die Ungeduld und das Warten menschliche Perspektiven auf das Aufeinandertreffen verschiedenartiger Zeitverläufe oder Dauern. 127 DDossier Effekt des Wartens im Zuckerwasser-Beispiel ist jedoch auch, dass Schmelzprozess und menschlicher Zeitverlauf nicht unabhängig voneinander sind, sondern sich aufeinander beziehen, eine gemeinsame Zeitordnung zu Grunde legen: Es hat für den wartenden Beobachter eine Relevanz, wann der Zucker schmilzt. Der sich auflösende Zucker, dessen Prozessualität vielleicht sogar mit einem Löffel beschleunigt wird, ist nicht mehr unabhängig von der Dauer des Wartenden, sondern ein Vorgang, auf den gewartet wird. Das Warten erzeugt Abstimmung von differenten Zeitverläufen, ebenso wie es ihre Differenz in Erscheinung treten lässt. Das Warten ist es, was die Aufspannung eines Zeitgefüges zwischen menschlichem Beobachter und schmelzendem Zucker ermöglicht und die jeweiligen Eigenzeiten überhaupt erst miteinander konfrontiert. Ohne das Warten würden die unterschiedlichen Dauern ungestört nebeneinander verlaufen. Was für die differenten temporalen Ordnungen des Zuckers, des Wassers, des Glases und des menschlichen Beobachters gilt, trifft ebenso für User, Hard- und Softwareprozesse des Computers zu, deren Abstimmungsvorgänge Wartesymbole wie der Spinning Beach Ball anzeigen: Nicht die Differenz von menschlicher und technischer Temporalität ruft demnach das Warten der Computer-User hervor, sondern es gewährleistet erst die Herausbildung eines Zeitgefüges, einer soziotechnischen Ordnung zwischen Computern und Usern, gerade indem es ihre Getrenntheit ausstellt. Alle Bemühungen, durch Interface-Design das Warten, wenn es schon nicht zu vermeiden ist, möglichst angenehm zu gestalten, richten sich auf die (unmögliche) Homogenisierung dieser soziotechnischen Ordnung. Was Whitehead für die basalen Strukturen des im-Werden-Seienden beschreibt, lässt sich auf der Ebene der Interface-Prozesse zwischen Menschen und Computern (und somit schon zwischen vorübergehend dauerhaften Entitäten) wiederfinden: Als Begegnungszone im Dazwischen ist ein Interface nicht einfach ein räumlicher und zeitlicher Puffer, sondern vielmehr ein Vorgang, der das Zusammensein disparater Entitäten oder genauer: das Zusammen-in-der-Zeit- (und von- Dauer-)Seins eigenzeitlicher Entitäten reproduziert. Statt von Interface ist eher von einem Vorgang des ‚Interfacings‘ zu sprechen, aber nicht im Sinne eines Geschehens, das ein als pervasiv aber fixiert gedachtes Interface den beteiligten Entitäten ermöglicht (Farman 2012: 63), und auch nicht als Prozess, der bestimmte Effekte nach sich zieht (Galloway 2012), sondern als ein Geschehen, das die Begegnungszone selbst kennzeichnet. Interfaces wären somit keine fixierbaren Dinge, sondern Vorgänge des Zeitordnens. 3. Die un-unterbrochene Ko-Präsenz des Interfacings Zur genaueren medientheoretischen Beschreibung dieser Ordnung, die das Warten im Sinne einer störenden Unterbrechung zwischen Usern und Computern im Prozess des Interfacings ebenso aufspannt wie es ihre (temporale) Trennung aufzeigt, ist es sinnvoll, Whiteheads abstrakt-spekulative Konzeption des Zusammenschlusses von atomaren Entitäten in einer vorübergehend stabilen, temporär 128 DDossier dauerhaften Ordnung zu erweitern. Insofern jede Ordnung bei Whitehead nur auf der Grundlage mikroprozessualer Entitäten denkbar, somit von einem diskontinuierlichen Werden bedingt und als „togetherness of actual entities“ (Whitehead 1978: 29) beschreibbar ist, lässt sich (nach der Gegenüberstellung von Bergson und Whitehead) wiederum Whiteheads Denksystem mit einem anderen Zugang konfrontieren, und zwar mit Jean-Luc Nancys Beschreibung des Seins als „Mitsein“ (Nancy 2012: 34). Denn mit Nancy wird die Relation des raumzeitlichen Zwischenbereichs, das ‚Ko-‘ der ‚Ko-Präsenz‘ und sein Zusammenhang zur Bildbzw. Symbolhaftigkeit eines (vorübergehend stabilen) Interfaces (also z. B. des Spinning Beach Ball) besser nachvollziehbar. Nancy entwickelt zwar seine Vorstellung einer grundlegenden Ko-Existenz in Auseinandersetzung mit Martin Heideggers Begriffen des „Mitseins“, „Miteinanderseins“ bzw. „Mitdaseins“ (ibid.: 52) und geht somit von menschlichen Subjekten und Gemeinschaften aus. Er hat aber durchaus auch verdeutlicht, dass sich seine Vorstellung des ‚Mit-Seins‘ nicht allein auf menschliches Zusammen-Sein bezieht, sondern auch technische Objekte umfasst und somit für Fragen des Interfacings von menschlichen Usern und Computern anschlussfähig ist (Nancy 2011). Präsenz, so Nancy, ist stets Ko-Präsenz: Präsenz ist unmöglich, es sei denn als Ko-Präsenz. Wenn ich sage, dass das Einzige präsent ist, so habe ich ihm bereits einen Kompagnon der Präsenz gegeben (und wäre es nur sie selbst, die ich zweigeteilt habe). Das Koder Ko-Präsenz ist das Unpräsentierbare par excellence: doch es ist nichts anderes - und es ist nicht das Andere der - Präsentation, die Existenz, die miterscheint (Nancy 2012: 100). Inwiefern das ‚Ko-‘ und somit der Zwischenraum des Mit-Seins in der ko-existenzialen Grundstruktur des Seienden gleichermaßen „das Unpräsentierbare par excellence“ wie die „Präsentation“ bzw. die mit-erscheinende Existenz selbst ist, wird deutlicher, wenn man zum einen einbezieht, dass Ko-Präsenz bei Nancy als raumzeitliches Konzept bestimmt ist und anderseits seine Ausführung zu einer Symbolisierung des Zwischenraums einbezieht: ‚Zusammen‘ bedeutet Simultanität (in, simul): das ‚zur selben Zeit‘. Zusammen sein ist gleichzeitig sein (und am selben Ort, der selbst die Bestimmung der ‚Zeit‘ als ‚gleiche Zeit‘ ist). Das ‚gleiche Zeit/ gleicher Ort‘ setzt voraus, dass die ‚Subjekte‘, um sie so zu nennen, diese Raum-Zeit teilen - aber nicht im äußerlichen Sinn des ‚Teilens‘: Sie müssen sie sich teilen, sie müssen sie als die ‚selbe Raum-Zeit‘ ‚symbolisieren‘, ohne dies gäbe es weder Zeit noch Raum. Die Raum-Zeit selbst ist vor allem die Möglichkeit des ‚Mit‘ (ibid.: 98). Nancys Formulierung ist hier etwas stark und wäre einzuschränken: Es gäbe ohne das ‚Mit-Teilen‘ weder Zeit noch Raum für ein Zusammen-sein bzw. gemeinsames Erscheinen der Subjekte. Mit dem hier verwendeten Vokabular könnte man sagen: im Sinne ihrer soziotechnischen Zeit- und Raumordnung. Nancy spricht hier nicht (explizit) von einer grundlegenden Prozessualität, die mit Bergsons Dauer und Whiteheads Werden in Verbindung zu bringen wäre. Sie ist von diesen Vorgängen 129 DDossier des ‚Teilens‘ und ‚Symbolisierens‘ auf den ersten Blick unbetroffen (bzw. wird von Nancy hier nicht weiter thematisiert). Aber eben nur auf den ersten Blick, denn Nancys Symbolbegriff meint nicht die Abbildung oder Repräsentation von etwas: „Das Wort will nichts anderes sagen als ‚mit-gesetzt‘ [mis-avec] (griechisch syn = lateinisch cum), und hier sind genau die Dimensionen, der Raum und die Natur des ‚Mit‘ im Spiel“ (ibid.: 95). Das gleichermaßen trennend wie verbindende, kontinuierliche wie diskontinuierliche Symbol bezieht sich somit auf den Zwischenraum des Mit-seins, der alles Zusammen-Sein als stets im Prozess begriffene, zu verfertigende (Re-)Präsentation kenntlich macht. Ausgehend von Guy Debords marxistischer Kritik an einer Gesellschaft des Spektakels argumentiert Nancy, dass jedes ‚gesellschaftliche Sein‘ einer Form von Repräsentation oder Symbolisierung (zugespitzt: eines Spektakels) bedarf, um in Erscheinung zu treten. Das ‚Mit-‘ des ‚Mit-Seins‘, das ‚Ko-‘ der grundlegenden Ko-Existenz kann selbst nicht repräsentiert werden, weil es genau die Bedingung für das Mit-Sein und somit für das Präsentieren, die Verräumlichung, das Symbolisieren des Zusammen-Seins ist. Diese Form der (Re-)Präsentation bezieht sich jedoch nicht auf eine höhere Einheit des ‚gesellschaftlichen Seins‘, sondern auf das Mit-Sein selbst. Denn Mit-Sein und seine Symbolisierung sind nicht voneinander zu trennen: „Das gesellschaftliche Sein verweist jetzt auf keinerlei innere oder höhere Einheit mehr, die sich seiner selbst annimmt. Seine Einheit ist schiere Symbolik: Sie ist gänzlich Mit “ (ibid.: 96). Das ‚Mit‘ verweist auf eine „geteilte Raum-Zeit“, auf die „Teilung einer gemeinsamen Situation“ (ebd.: 64, 65) und kennzeichnet deren Symbolisierung, die das gemeinsame Erscheinen, die Ko-Präsenz, das Zusammen-Sein bedingt und ermöglicht. Mit Nancy lässt sich also die Verfertigung einer gemeinsame Raum- Zeit, die sich durch den Vorgang des Interfacings vollzieht, mit der Notwendigkeit von Symbolen (Interfaces) in Verbindung bringen. Denn was Nancy für das gesellschaftliche Sein beschreibt, trifft ebenso für soziotechnische Konstellationen zwischen Menschen und Computern zu: Interfacing ist somit als eine Verfertigung von Ko-Präsenz im Sinne einer Symbolisierung des Zwischenraums (Inter-face) zu präzisieren. Mit Nancy zeigt sich deutlich, dass die Verfertigung von Ko-Präsenz stets einen Aufschub von Ko-Präsenz meint, die nicht als gemeinschaftliche Einheit bei sich selbst ankommt, sich immer entzogen bleibt. Nancys Zusammen- Sein resultiert nicht in einem vollendeten ‚Werk‘, es ist immer ‚entwerkt‘; niemals gelangt es zu einer gemeinschaftlichen Einheit, es bleibt stets im Prozess seiner Verfertigung (Nancy 1988). Ebenso bleibt die Symbolisierung ein unabgeschlossener, stets unfertiger Vorgang, der den Abstand zwischen ko-existenten Subjekten gleichermaßen überbrückt wie herstellt. Beim symbolisierenden ‚Mit‘ handelt es sich „um einen auf dem Leeren gezogenen Strich, der diese Leere zugleich überwindet und unterstreicht“ (Nancy 2012: 100). Die Subjekte erscheinen gemeinsam und sind singulär plural. Die Raum-Zeit, die sie sich teilen, ist ein symbolisiertes Ordnungsgefüge, das auf Zäsuren und Aufschüben beruht. 130 DDossier In seiner Beschreibung der Medialität des Computers - die sich in seiner Metaphorizität, in der (Re-)Präsentation anderer Medien ebenso wie in seiner gemeinschaftsbildenden und -auflösenden Funktion zeigt - hat Tholen diesen auf verbindend-trennenden Teilungen beruhenden Zwischenraum als ein mediales Geschehen herausgestellt. Die jedem gesellschaftlichen Sein vorgängige Gemeinschaft als Mit-Sein ist ein „Geschehen der Übermittlung“ (Tholen 1999: 27), sie ist zu fassen als medialer Vorgang der „Mit-Teilung“ (Nancy 1994: 185). Ko-Präsenz ist deshalb auch „unhintergehbare A-Präsenz, in der sich die mit-teilende Gemeinschaft wie die Metaphorik der Medien auf Distanz hält“ (Tholen 1999: 27). So trifft für die temporalen Interfaces der Time-Designer in besonderem Maße zu, was Tholen für die Repräsentationen von älteren Medien durch das Interface des Computers beschrieben hat: „[A]uf der imaginären bzw. metaphorischen Ebene der graphischen Benutzeroberflächen und ihrer ikonographischen Gestaltung“ wiederholt sich nicht nur die „mediale Nichtkoinzidenz des digitalen Mediums mit sich selbst“ (denn auch Programmcodes sind „Repräsentationen des Prozessors, nicht er ‚selbst‘“; ibid.: 22), sondern auch die grundlegenden Nichtkoinzidenz der unterschiedlichen beteiligten Zeitverläufe, das Fortbestehen der Risse im Zeitgefüge, das sie zwischen sich aufspannen. Selbst und gerade in ihrer Symbolisierung als ko-präsente Abläufe halten sie sich auf Distanz. Es wiederholen sich in den Symbolen des Interface-Designs die Risse und Zäsuren in der Verfertigung von Ko-Präsenz. Interfaces sind gerade deshalb keine geschlossenen, perfekt funktionierende, Prozesse darstellende Objekte, sondern offen, netzförmig und selbst prozessual (Simondon 2011). Die zeitordnende Praxis des Interfacings spiegelt sich in der Ikonographie der Benutzeroberflächen. 4. Das Spektakel des Wartens Die TED-Talk Performance von Improve Everywhere hat das Spektakel des Spinning Beach Ball of Death nicht erfunden. Sie greift nur auf, was sich in den Praktiken unterschiedlichster Foren und Plattformen findet. Der Spinning Wait Cursor ist mehr als eine Warteform des Mauszeigers. Gerade weil er als Element des Interfacings ein offenes, unbestimmtes und in vielfältige Richtung anschlussfähiges Objekt ist, findet er sich in den Netzkulturen in zahlreichen Spielformen und Übersetzungen: als Taschen-, T-Shirt oder Fingerring-Motiv, entstellend in Graphiken, Fotografien oder Gemälde eingebettet, als mysteriöses Objekt in YouTube-Videos, Comics oder animierten Kurzfilmen. Kontexte und Konventionen der Bezugnahme auf Apples Wait Cursor changieren zwischen Medienkritik und Persiflage. Der Spinning Beach Ball wird zum Anlass, die immer größere Zerstreuung und Überforderung im Gebrauch des Computers zu kommentieren (Caitlin 2012), zum Symbol für durch Warten verschwendete Lebenszeit (NamelessPC 2014) oder zur Animation einer martialischen Figur, die unter der Benutzeroberfläche ihr Unwesen treibt und harmlose Computerprogramme hinrichtet (Lay 2009). Neben all diesen Umschriften und Übersetzungen kennzeichnet das rotie- 131 DDossier rende Symbol gleichzeitig die von Internet-Designern so gefürchtete Unterbrechung im User Interface, wie in ratsuchenden Beschreibungen von User-Praktiken in Mac-Foren deutlich wird: „Spinning Beachball of Death! ! ! “, so eröffnet ein MacRumors-Mitglied einen Thread des Diskussionsforums: Hello I am a huge newb [= Neuling, IO] at macs and computers/ mac. I got my first and only 4gb MBP not even 2 years ago and it has worked great until now. I am a basic browser and only download music and videos (onto a separate external hard drive.) i dont play games or do anything intense. I feel like slowly yet suddenly I get the spinning beach ball ALL THE TIME now. It comes up with everything I do now. [ ] When opening new safari windows, running new apps, etc. ANYTHING causes the beach ball to come up early and often. I looked and I only have 2/ 4 gb used up. Is that a lot ? Can anyone please give me advice how to fix this problem or where I can go to get help! Do I need more memory? ? All help is greatly appreciated. Thanks! (MacRumors 2012). Der Spinning Beach Ball erscheint als eine Dis-Synchronie menschlicher und technischer Zeiten (‚I feel like slowly yet suddenly‘), die den gesamten Prozess der Interaktion mit dem Computer bestimmt (‚all the time now‘). Was hier als Störung und zu lösendes Problem dargelegt wird, erscheint gleichzeitig als verbindendes Element zwischen User und Computer, das beide Entitäten aufeinander bezieht und die Unterbrechung ihres Zusammen-Seins als einen Zwischenraum markiert, den sie sich gemeinsam teilen und die Störung als eine Unterbrechung kennzeichnet, die sie nur gemeinsam überbrücken können (‚Do I need more memory‘). Möglicherweise wird der Stellenwert der Symbolisierung des Interfacings für die Verfertigung einer soziotechnischen Zeitordnung zwischen menschlichen und technischen Zeiten im vollen Umfang erst retrospektiv erkennbar. Es bleibt somit abzuwarten, was geschieht, wenn Apple den Spinning Wait Cursor durch ein neues Wartesymbol ersetzen wird. Denn in der Geschichtlichkeit des World Wide Web erscheint das, was der verzweifelte User als Zumutung darstellt, in einem ganz anderen Licht: Im selben Mac-User-Forum wurde vier Jahre zuvor eine Diskussion mit dem Titel Final goodby for early web icon (Netscape) geführt. Anlass war die Einstellung der Netscape-Browser-Serie, die von 1994 von 1998 (anfangs unter dem Namen Mosaic) von der Firma Netscape betrieben wurde, bevor sie von AOL aufgekauft wurde. Während der Netscape-Quellcode Mozilla bis heute einem Open Source Projekt den Namen gibt, dem auch der Firefox-Browser angehört, beendet AOL den Netscape-Browser am 1. März 2008 (Turnbull 2014). Die Diskussion der Mac-User war geprägt von Nostalgie: „A web browser that gave many people their first experience of the web is set to disappear“, schreibt ein User, der sich edesignuk nennt. „I remember using that browser when it was still called Mosaic back in ’92 or ’93. End of an era. Ah well, technology moves onwards”, entgegnet Cromulent. Im Abgesang auf die endende Netscape-Ära war auch das Interface-Symbol, das untrennbar mit dem legendären Browser verbunden ist, alles andere als ein Ärgernis. Der Meteoritenregen über dem auf einem dunklen Planten vor einem Sternenhimmel ‚stehenden‘ Firmenlogo ‚N‘ ist vielmehr zur Ikone einer Erinnerungskultur geworden: Deutlich zeigte joepunk, dass ‚auf den 132 DDossier Computer Warten‘, egal wie lange es dauern mag, rückblickend zum Vergnügen wird: „I’ll miss that meteor shower. I could watch that for many minutes while a page loaded on my iMac.“ User architect berichtete ähnliches: „I can still remember how exited we were watching that meteor shower“ (MacRumors 2012). Was sich in den Reminiszenzen der User abzeichnet ist die Symbolisierung einer geteilten, kollektiven Zeitordnung von Computern und Menschen, von Software- und Hardware-Prozessen und menschlichen (Warte-)Zeitordnungen, die Zeit als historische Zeit mit einschließt. Der Meteoriten-Throbber - der ein frühes Beispiel von Produsage (Bruns 2008) darstellt, da er aus einem von Netscape unter seinen Usern ausgeschriebenen Wettbewerb hervorgegangen ist - symbolisiert nicht (nur) die Zumutung, sondern die Faszination, auf den Computer zu warten, und somit die (positive) Kehrseite eines Zeitgefüges zwischen menschlichen und technischen Eigenzeiten: Die in der finalen, von den Netscape Graphikern bis ins Detail optimierten Version des Throbbers sanft vom rechten oberen zum linken unteren Bildrand verlaufenden Meteoritenschweife, die teils vor teils hinter dem Firmenlogo vorbeiziehen, die Szenerie plötzlich hell erleuchten und das Netscape ‚N‘ Schatten auf den dunklen Planeten werfen lassen, gleichen keinen gängigen Kulturtechniken der Zeit, allein schon weil sie die westliche Leserichtung ebenso umkehren wie den Uhrzeigersinn. Sie symbolisieren ein Zeitgefüge, das in den 1990er Jahren noch die Faszination des Neuen und Unbekannten trägt: Die zwischen User-Zeiten und den technischen Eigenzeiten eines weltweiten Informationssystems bestehende Ko-Präsenz, die gerade in ihrer Verfertigung, in den sich aufbauenden Websites, zum Spektakel eines symbolisierten Zusammen-Seins wird. Apple Inc., „User Experience Guidelines“, https: / / developer.apple.com / library / mac/ documentation/ userexperience/ conceptual/ applehiguidelines/ UEGuidelines/ UEGuidelines. html (letztes Update im Oktober 2013, letzter Aufruf 05.08.2014). Barker, Timothy Scott, Time and the Digital. Connecting Technology, Aesthetics, and a Process Philosophy of Time, Hanover, Dartmouth College Press, 2012. Bergson, Henri, Schöpferische Entwicklung, Boston, Adament Media Corporation, 2006. Bruns, Axel, Blogs, Wikipedia. Second Life, and Beyond: From Production to Produsage, New York, Peter Lang, 2008. 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Les projets netart contiennent une dimension critique. 1 Ils visent à déstabiliser les usages ordinaires des technologies informatiques et plus généralement des médias numériques dans le cadre d’une expérience et d’une expérimentation esthétique avec ces technologies. Ces projets sont portés par des artistes de l’Internet et du numérique, dont certains sont également ingénieurs, scientifiques ou enseignants, tous ne revendiquant pas obligatoirement la dénomination netartistes. Leur objectif est de susciter la réflexion des utilisateurs sur leurs usages des médias numériques et de contribuer ainsi à la diffusion d’une culture critique des médias numériques dans la société. Quel en est l’enjeu? Pour le savoir, nous avons mené une enquête à Paris en France sur quatre projets d’artistes du numérique (revendiquant ou non l’appellation netart) et d’auteurs ne se revendiquant pas artistes mais rejoignant la critique des codes du numérique: 2 Hyperolds, Fablabs d’artistes/ Artlabs (de l’association iMAL interactive Media Art Laboratory et de l’entreprise Digitalarti), Machinima, Muséomix. 3 Hyperolds est un projet d’atelier Internet et multi-média initié par l’artiste Albertine Meunier qui s’adresse aux femmes âgées de plus de 77 ans. L’organisation du projet sous sa forme d’atelier l’ouvre à des partenariats avec des villes, des régions, des entreprises, ou des associations soutenant les arts numériques, partenaires susceptibles de valoriser et de financer les projets d’Hyperolds. Le Fablab d’artistes ou Artlab de l’association iMAL se présente comme un atelier de fabrication numérique dans le cadre de projets de toute nature mis en oeuvre par des populations locales ou des développeurs informatiques. Les créations d’artistes débouchent sur des prototypes matériels - par exemple des objets réalisés avec des imprimantes 3D ou de la découpe laser. Les projets sont organisés en réseau aussi bien en amont du projet pour rassembler les idées qu’en aval pour documenter, diffuser, exposer les créations artistiques, ou pour organiser des performances. Les Machinima sont des animations numériques qui allient cinéma et jeux vidéos. Le matériel des projets provient de contributions trouvées sur l’Internet et agencées en réseau. Peu connu en France, le projet Machinima est soutenu par une commissaire d’expositions et critique d’art indépendante. Elle contribue à la recon- 136 DDossier naissance de ce projet, assimilé au monde des joueurs et à l’industrie des jeux vidéos. Elle s’appuye sur cette économie via les réseaux de joueurs, de designers, de graphistes, de comédiens, d’autres artistes et amateurs associés au projet. Muséomix se présente comme un réseau entre des professionnels situés à l’intérieur et à l’extérieur des musées. Les acteurs de Muséomix conçoivent et réalisent des dispositifs expérimentaux de médiation dans une dynamique de co-création afin de promouvoir les innovations numériques dans le secteur muséal. A l’instar des Fablabs/ Artlabs, Muséomix propose des dispositifs techniques prototypiques publiés sous licence creative common réutilisables et adaptables. Les résultats de notre enquête suggèrent que la diffusion d’une culture critique des médias numériques existe au sein des projets suivis, même si elle s’y manifeste de manière différente selon les projets. Mais cet objectif n’est pas un enjeu en soi. Il sert une stratégie transversale à l’ensemble des projets qui consiste à augmenter leur visibilité pour favoriser le positionnement socio-professionnel de leurs initiateurs. Cette stratégie suppose la mobilisation d’un public de participants aux projets proposés, public dont la composition peut varier d’un projet à l’autre (amateurs, spécialistes, participants, visiteurs, spectateurs). Elle consiste également à convertir ces usages des médias numériques en innovations à destination des institutions publiques, des entreprises et des industries du numérique au profit du positionnement socio-professionnel des porteurs de ces projets dans les secteurs institutionnels ou économiques. 1. Méthode La méthode utilisée pour le recueil des données puise à trois sources différentes: l’entretien en perspective narrative avec les principaux porteurs des quatre projets, l’analyse de la documentation mise en ligne relative à ces projets, l’observation des ateliers 4 et des événements organisés par les porteurs de projets. 5 Nous avons entrepris cette étude qualitative dès le début de notre enquête au printemps 2013 afin de recueillir les témoignages des artistes et principaux porteurs de projets, à l’issue ou en cours de projets. Nous les avons contactés par courrier électronique afin de fixer un rendez-vous donnant lieu à un récit enregistré puis retranscrit. 6 Les entretiens (7 entretiens pour 4 projets) durent d’une heure à deux heures. Le guide d’entretiens a été organisé autour de quelques thèmes généraux susceptibles de couvrir le cycle production-réception des projets, à savoir: - le porteur de projet et son travail: définition des rôles d’artistes, d’informaticiens, d’amateurs, leur place dans l’organisation du travail sur les projets, la formation d’équipes/ de communautés; - le projet: la conception des projets, la démarche artistique, la critique; - le public: la représentation du public au sein des projets, les publics des projets; 137 DDossier - la diffusion: la mise en exposition et la réception du projet, la valorisation du projet/ la carrière des œuvres; - la réutilisation: les usages et les déplacements subis par le projet; - le financement du cycle de production-réception: les connaissances préalables, les connaissances acquises durant le projet, le démarchage de nouvelles connaissances pour assurer le financement ou le soutien institutionnel du projet, la recherche d’aides/ de subventions. Nous avons effectué un entretien pour chacun des projets Hyperolds et Machinima, deux entretiens pour les Fablabs d’artistes / Artlabs (MCD / Digitalarti et iMAL), trois entretiens pour le projet Muséomix. Ces entretiens pouvaient, selon le choix de l’interlocuteur, se dérouler dans un café (Fablabs d’artistes, Machinima), un atelier d’artiste (Hyperolds), une institution (deux musées pour Muséomix), une entreprise (Noda, entreprise rattachée à Muséomix). Les observations non participantes se sont déroulées dans trois ateliers Hyperolds (deux à la Gaité Lyrique, un dans l’espace MCD / Digitalarti à Paris), un atelier Machinima (BPI au Centre Pompidou-Paris), un événement Muséomix (Musée des Arts Décoratifs, Paris). 7 A l’instar de ce que nous avons fait pour les entretiens, nous avons établi une grille d’observation pour nos observations en terrain, susceptible de couvrir le cycle production-réception des projets, avec: - la production du projet: la mise en œuvre du projet et les modalités de création collective; - la place de la technologie: le temps accordé à la technologie lors de la conception/ production du projet, le type de technologie utilisée (outils/ logiciels/ objets-acteurs), les usages de la technologie par l’artiste et les autres acteurs impliqués dans le projet; - les publics; - les collaborations: les démarches, la planification du cycle production-réception du projet, les contributions ad hoc au projet, les connivences et les compétitions au sein et autour des projets; - les rythmes de vie du projet: le temps de la réalisation, de la diffusion, de la réception. L’analyse que nous proposons s’appuie principalement sur les entretiens effectués auprès des acteurs responsables de ces projets. Ces entretiens offrent le matériel le plus riche - c’est-à-dire couvrant les dimensions de l’expérience personnelle, professionnelle et collective des personnes interrogées - pour dégager des pistes interprétatives permettant de comprendre les enjeux liés à la pratique de ces artistes et de ces acteurs dans le cadre des projets suivis. Les documents mis en ligne relatifs à ces projets permettent d’enrichir l’analyse des entretiens ou d’en préciser l’interprétation en apportant des éléments contextuels supplémentaires. Cette démarche prend appui sur les résultats d’une analyse textométrique appliquée identiquement aux entretiens et aux documents mis en ligne. 8 Il s’agit dans 138 DDossier les deux cas de pouvoir mettre en évidence les principes généraux qui structurent les discours des personnes interrogées et la documentation récoltée sur l’Internet. L’objectif est de savoir si nos données sont comparables - c’est-à-dire si les discours des acteurs sont peu ou très contrastés, si les documents mis en ligne sont peu ou très différents selon les projets, et si l’on trouve des ressemblances entre le discours récolté des entretiens et la documentation disponible en ligne caractérisant les projets suivis. Nous avons effectué cette analyse en recourant à trois méthodes de classification appliquées au contenu des entretiens et des documents en ligne - la classification hiérarchique des contenus, la classification des contenus basée sur leur occurrence moyenne et la classification des contenus par le modèle génératif probabiliste LDA (Latent Dirichlet Allocation). 9 La confrontation de ces trois analyses nous permet d’isoler les contextes sémantiques les plus pertinents, c’est-à-dire les réseaux sémantiques qui structurent au mieux les discours recueillis lors des entretiens et la documentation en ligne. Le résultat de cette procédure d’analyse indique que s’il y a des ressemblances entre les entretiens et la documentation des projets mise en ligne, les entretiens apparaissent comme une source plus diversifiée et plus précise d’interprétation. La documentation en ligne, quantitativement plus importante que les entretiens et que les notes prises lors des observations des projets, s’est finalement révélée d’une utilité analogue aux notes de terrain, mais elle occupe dans la présentation de nos résultats une place moins prépondérante. L’application de cette méthode suppose un travail en amont sur les données recueillies. Puisqu’il s’agit de ne retenir que le contenu des entretiens et de la documentation mise en ligne, il faut supprimer de ces documents les éléments apportant le moins d’information sémantique - par exemple les conjonctions, les articles, de même que la ponctuation, les questions des enquêteurs ou encore les balises des documents mis en ligne (publicité, éléments hypertextes etc.). 10 De plus, nous ne désirons retenir que les termes évoqués susceptibles d’être les plus caractéristiques de tel entretien ou de tel document mis en ligne, à savoir non seulement les mots évoqués fréquemment, mais également les associations de mots les plus fréquentes. Pour éviter des biais dus à la longueur inégale des documents, nous les filtrons sur la base de la fréquence inversée des occurrences de termes. La fréquence inversée attribue une valeur à un terme et aux associations basées sur ces termes en tenant compte du nombre de ses occurrences dans un texte, du nombre total de mots dans ce texte et du nombre total de textes. Cette valeur a l’avantage d’éviter deux biais, le premier qui consisterait à dire qu’un mot est plus pertinent pour notre analyse parce qu’il apparaît très souvent dans un texte (et inversement), le second qui tend à attribuer plus d’information pertinente à un long texte/ à un grand nombre de textes et moins d’information pertinente à un texte court/ un petit nombre de textes. La préparation des données recoupe des assomptions que nous ne détaillerons pas, même si nous les mentionnons brièvement car ils indiquent les limites de notre méthode. En effet, les analyses textométriques partent en général de l’idée que les mots ne sont pas 139 DDossier choisis au hasard, et qu’ils ne sont pas associés par hasard non plus. Ils forment des structures dont certaines orientent le discours. Ce sont ces structures que nous recherchons ici - mais ces structures ne représentent pas un résultat en soi. Nous les traitons comme autant d’hypothèses que nous souhaitons mettre à l’épreuve en retournant à la donnée recueillie pour les y confronter. Cette méthode nous permet donc d’affermir notre interprétation, mais en aucun cas elle ne s’y substitue. En effet, comme n’importe quelle procédure de traitement qualitatif de données, cette méthode induit une manière de faire la science qui n’est pas neutre, qui véhicule des représentations construites par les chercheurs, des stéréotypes et des préjugés. Dans le contexte de cette étude, pouvoir confronter le résultat des différentes analyses effectuées et des différentes données de terrain disponibles nous permet donc de prendre conscience du caractère construit de notre démarche autant que de notre matériel pour problématiser cette construction. 2. Résultats L’analyse des entretiens permet de mettre en évidence trois principes transversaux ou trois structures qui se retrouvent dans l’ensemble des entretiens, et deux principes plus marginaux qui ne concernent que deux des sept personnes interrogées. Nous commençons par la description de ces deux derniers principes périphériques qui renvoient chez les répondants à leur volonté a) d’attirer une grande variété d’acteurs autour de leur projet et b) de faire participer ces acteurs à ces projets, idéalement de former une communauté pour favoriser le financement de leur projet. Nous passons ensuite à l’examen des trois structures transversales qui décrivent trois positions sur la question du lien entre création artistique et économie, avec a) la mise en évidence des difficultés à faire ce lien, b) la reconnaissance des opportunités économiques que représente une telle articulation, et c) le caractère d’évidence que représente ce lien entre création artistique et économie pour les personnes interrogées. 2.1 Deux principes périphériques: attirer et faire participer Le premier principe concerne de manière prépondérante le répondant du réseau d’artistes Hyperolds. 11 Il renvoie au travail en ateliers avec des femmes de plus de 77 ans qui est au cœur de ce projet. 12 Même si l’internet est au cœur de l’œuvre, le répondant considère Hyperolds comme relevant d’un défi qui consiste à montrer que tout le monde est capable de prendre en main les technologies numériques pour autant qu’on l’accompagne. 13 Partage et accompagnement sont les deux termes qui caractérisent le mieux aussi bien la trame générale du discours que nous livre le répondant d’Hyperolds que la description qu’il donne de la pratique des médias numériques des affiliés à Hyperolds dans les ateliers qu’ils mettent en place. 14 Le second principe concerne surtout un des répondants du réseau 140 DDossier Muséomix. La participation du public aux projets de Muséomix, la possibilité de former des communautés - les communautés de professionnels et d’amateurs -, ainsi que la recherche de sponsors sont les traits caractéristiques de ce second principe. Pour le répondant, les communautés collaboratives sont au cœur du projet Muséomix. Il s’agit de mobiliser des groupes de personnes - spécialistes de la culture, du musée ou des technologies numériques - sur la base d’un intérêt partagé pour le musée, le numérique et l’Internet, personnes susceptibles de contribuer à un projet culturel en le dynamisant par le numérique. 15 La dimension du sponsoring est également bien mise en avant. Pour le répondant en effet, si le projet Muséomix entre dans le cadre d’une démarche dirigée vers tous les citoyens, il devrait idéalement pouvoir être institutionnalisé à plus grande échelle. Il faut donc rechercher des sponsors, tout en multipliant les partenariats en impliquant aussi bien des institutions culturelles, des artistes que des amateurs. 16 Indépendamment des caractéristiques propres à chacun des principes structurant les discours des répondants de Hyperolds et de Muséomix, on peut remarquer une affinité semblable à un enjeu partagé. Dans les deux cas, cet enjeu est principalement lié à la dimension participative du projet (artistique ou culturel) et à son caractère ouvert à un public de non initiés qu’il s’agit de ne pas figer dans la position de participant aidant à la concrétisation du projet mais, au contraire, de l’engager dans la production du projet. C’est en même temps une façon de dénoncer les frontières que l’on établit ou que l’on pourrait établir entre l’initié et l’amateur, l’acteur et le spectateur/ récepteur. Dans le cas de Hyperolds comme de Muséomix, les répondants affirment vouloir mixer ou mélanger les personnes, moins pour produire une œuvre d’art ou pour réinventer le musée que pour favoriser l’échange entre tous les acteurs. Cet échange peut porter aussi bien sur le projet en construction que sur des questions que le projet suscite à propos des technologies utilisées, de leur manipulation, de leur influence sur la société, de leur valeur en tant que bien culturel. 2.2 Trois principes transversaux: les liens entre art et économie Les trois principes qui parcourent l’ensemble des entretiens se distinguent très nettement de ces deux principes périphériques dans la mesure où ils articulent la dimension artistique ou créative des projets soutenus par les répondants avec une dimension organisationnelle et économique. Le premier de ces trois principes illustre la difficulté à articuler création artistique et financement du projet artistique. Il est illustré au mieux par le discours du répondant du Fablab d’artistes. Pour lui, la dimension artistique ne s’implante que difficilement dans les différents laboratoires de fabrication (Fablabs) et les ateliers dédiés à la pratique artistique sur et avec des technologies numériques. Selon lui, cela remet en question l’identité de l’artiste. 17 L’artiste peut se voir circonscrit au rôle d’un designer, se sentir sous la contrainte de trouver des financements pour son projet, son produit artistique dans un contexte de pénurie, d’intégrer un Fablab 141 DDossier réputé pour sa stratégie de production, de maintenir une activité rémunératrice en école de beaux-arts ou de design. 18 Si ce répondant donne un exemple emblématique de la difficulté qu’il peut y avoir à harmoniser les exigences artistiques et la question économique, ce qui lui apparaît même contradictoire, d’autres répondants y voient une opportunité qui caractérise le deuxième des trois principes qui structurent les entretiens. Les répondants qui illustrent le mieux ce deuxième principe sont le répondant de l’association MCD qui promeut les arts numériques et un autre représentant du réseau Muséomix. Tous deux se décrivent comme des intermédiaires entre artistes, professionnels des technologies numériques et marché économique. 19 Le cas du deuxième représentant du réseau Muséomix est intéressant, car son discours est différent de celui de son collègue membre comme lui de Muséomix. En effet, pour le premier, „Muséomix c’est d’abord une communauté avant un événement“. Le deuxième répondant Muséomix considère en revanche Muséomix comme un événement et une communauté qui est un outil de transformation des musées et qui a pour but de transformer les musées en explorant ce que seraient les musées en mode écriture, qui ne soit pas un livre à lire mais plutôt à écrire pendant un temps donné. Le principe est que Muséomix change les musées parce que c’est une expérience qui est vécue par le musée et ceux qui gravitent autour du musée. La communauté renvoie pour ce deuxième répondant Muséomix à des professionnels, alors qu’elle peut impliquer tous types d’acteurs pour le premier représentant de Muséomix. Indépendamment de cette différence de point de vue sur la communauté, il y a également une façon différente de considérer la relation à l’économie. Pour le premier, il est certes important de trouver des sponsors, mais Muséomix est avant tout un projet citoyen qui fonctionne avec des amateurs et des bénévoles. Pour le second en revanche, il est plus important d’améliorer la structure organisationnelle de Muséomix de sorte qu’elle se professionnalise et puisse fonctionner indépendamment du bénévolat, c’est-à-dire se financer sur le long terme. 20 Enfin, le troisième principe se différencie du deuxième en raison de la prépondérance de la dimension économique qui inclut la dimension artistique et créative. Le lien entre art, culture et économie ne pose plus de question particulière aux répondants car il est évident. Le répondant, troisième représentant de Muséomix et chef de l’entreprise Noda, et la commissaire d’expositions faisant la promotion des Machinima, produisent les discours les plus affirmés sur cette dernière dimension. Le propos sur la communauté, le mixage des acteurs, s’estompe s’il ne disparaît pas complètement au bénéfice d’un discours en prise avec le lien entre leur projet et le financement économique. Noda s’est délibérément constituée en entreprise 21 de sorte à convertir de la valeur non marchande produite par les communautés travaillant sur et avec le numérique en valeur marchande. La commissaire d’expositions indépendante indique que Machinima est en prise avec tout un réseau économique impliquant des producteurs de jeux vidéo, des artistes et des 142 DDossier programmeurs afin de réaliser des films publicitaires où les amateurs sont de moins en moins représentés. 22 Pour Noda comme pour la commissaire d’expositions indépendante, la dimension artistique et créative d’un projet ne se pense pas sans lien avec la dimension économique, ni sans lien avec des partenaires économiques et institutionnels potentiels impliqués dans la mise en public et la valorisation du projet. 23 Y a-t-il des liens entre les discours des répondants et les sites Internet qui mettent en visibilité leurs activités? 2.3 L’analyse des sites Internet Avant de répondre à cette question, signalons d’emblée les difficultés et les limites de notre démarche. D’une part, nous avons sélectionné cinq sites Internet pour les quatre projets suivis, à savoir le site Hyperolds, le site Machinima, le site Muséomix et deux sites Internet pour les Fablabs d’artistes/ Artlabs. Ceci vient du fait que les Fablabs d’artistes/ Artlabs ont des documents qui se retrouvent sur les sites de l’association iMAL et de l’entreprise DigitalArti. Ces sites nous offrent une grande quantité d’informations sur les activités des personnes interrogées lors des entretiens. Ils montrent également de nombreux croisements entre les quatre projets directement visibles via les sites Internet retenus, et indirectement à travers les soutiens institutionnels et économiques communs que ces projets reçoivent. D’autre part, nous n’avons sélectionné pour l’analyse que les documents écrits publiés par ces cinq sites. Nous n’avons donc pas pris en compte les images et les vidéos disponibles sur ces sites. Il s’agit d’une limite importante de notre analyse. En effet, dans les domaines de l’art, le média d’expression n’est pas unique, et il ne se réduit pas à la documentation écrite. La documentation écrite n’épuise donc pas l’ensemble des significations que l’on peut dégager de ces sites Internet. En revanche, elle offre l’avantage d’accéder à un propos formalisé et moins difficile à interpréter qu’une image ou qu’une vidéo, tout en étant susceptible de nous donner un aperçu de ces projets et des motivations qui y prédisposent. Pour accéder à ces documents, nous avons procédé à leur téléchargement sous différents formats (html, pdf, doc etc.) sur les cinq sites. 24 Nous avons éliminé les documents ne contenant que des informations factuelles relatives par exemple à l’annonce de performances, aux contacts des organisateurs Sites internet Documents retenus Hyperolds 648 iMAL 198 DigitalArti 69 Machinima 559 Muséomix 187 Total 1661 Table 1: Documents retenus par site Internet 143 DDossier de ces performances etc. ce qui nous a permis de retenir un corpus de documents dont nous donnons les chiffres ci-dessous (cf. Table 1). Nous y avons ensuite appliqué nos analyses. 2.4 Structures transversales aux textes mis en ligne Nos analyses de classification des contenus textuels mis en ligne sur les cinq sites Internet considérés indiquent que ces contenus se classent d’une manière optimale selon les quatre principes structurants suivant: - principe 1: il concerne presque essentiellement les fonctions de communication et de diffusion d’information des sites Internet considérés; il n’a donc pas d’importance pour notre analyse; - principe 2: il regroupe l’ensemble des thèmes relatifs au travail des différents groupes d’acteurs, à savoir l’organisation d’événements artistiques, culturels, les collaborations autour de ces événements, les technologies mobilisées à l’occasion de ces événements; la dimension artistique, créative est fortement mise en évidence; ce principe renvoie à l’ensemble des sites Internet considérés, mais ce sont les sites iMAL, DigitalArti et Muséomix qui le mettent le mieux en évidence; - principe 3: il ne concerne que le site de Machinima et l’activité de Machinima autour du jeu vidéo; - principe 4: il ne concerne que le site Hyperolds et les activités d’Hyperolds avec les femmes âgées de plus de 77 ans. A l’exception du premier principe (diffusion d’informations et communication) que nous ne retenons pas dans notre analyse, les trois autres principes indiquent que les sites Internet considérés ont pour rôle essentiel la valorisation de l’activité artistique ou créative développée au sein des différents projets soutenus par ces sites Internet, valorisation qui passe avant tout par la mise en visibilité des événements publics (expositions, festivals, installations, performances) réalisés par les porteurs de projets. Machinima et Hyperolds précisent ce principe: Machinima en insistant sur le jeu vidéo, Hyperolds en mettant en avant les ateliers et les conférences ou les événements organisées par les femmes âgées qui contribuent à ce projet. En rapprochant les résultats obtenus des entretiens et l’information récoltée sur les sites Internet des différents projets, nous obtenons le contraste suivant: la dimension entrepreneuriale / économique présente au sein des entretiens cède le pas presque exclusivement à la dimension artistique ou créative sur les sites Internet. Autrement dit, l’art et la créativité sont utilisés sur les sites Internet pour attirer le public sur les projets mis en place et pour les encourager à participer aux événements organisés. La dimension économique sur les sites Internet survit à la marge sous forme de liens vers des partenaires ou des collaborations sur les 144 DDossier projets mis en place. Elle est clairement à l’arrière-plan de la documentation mise à disposition en ligne. En d’autres termes, les sites Internet reposent sur un principe que l’on retrouve dans les entretiens, principe relatif au recrutement d’un nombre si possible important et d’une grande variété d’acteurs autour des projets mis en place par la mise en visibilité de leur caractère à la fois créatif et critique. 3. Discussion Les résultats tirés des sept entretiens et de l’analyse des cinq sites Internet mettent clairement en évidence l’enjeu sous-jacent à la pratique artistique et aux usages créatifs (par) des technologies numériques, que l’on retrouve dans les quatre projets considérés dans notre enquête. Il s’agit de trouver des ressources économiques pour faire vivre ces projets et les personnes participant à ces projets en misant sur le recrutement d’acteurs si possible en grand nombre, provenant d’horizons très différents, ces acteurs pouvant aussi bien être des professionnels de l’art, de la culture et des technologies, ou des amateurs. 25 Cet enjeu est présenté différemment par les personnes que nous avons interrogées. Mais toutes en identifient les deux mêmes ressorts. Le premier de ces deux ressorts est celui de l’indépendance (Fablabs d’artiste / Artlabs, Hyperolds, Machinima) ou de la création des conditions d’une indépendance vis-à-vis du champ artistique ou des institutions culturelles (Muséomix) grâce à la recherche de sponsors et de partenariats avec des entreprises ou des industries pour payer des artistes (Hyperolds) ou financer un projet (Muséomix). Les artistes cherchent ces financements en s’appuyant sur un réseau de Fablabs d’artistes / Artlabs (iMAL, Digitalarti) ou sur des associations comme MCD (Hyperolds), une entreprise comme Orange, ou des villes comme Paris. Le bénévolat, le bricolage, puisés dans une multitude de collaborations amateurs, expertes et professionnelles renforcent l’assise de ces projets. La vente d’ateliers (Machinima) peut également relever d’une stratégie de financement, sans négliger le recours au soutien des institutions publiques (le ministère de la culture français par exemple). 26 S’il y a donc une volonté d’indépendance pour pouvoir vivre financièrement de ses créations artistiques et de ses activités en lien avec le numérique, c’est pour obtenir une reconnaissance professionnelle - le second de ces deux ressorts. 27 Le netart, les arts numériques ou la créativité fondée sur les technologies numériques doivent permettre non seulement de gagner sa vie, mais également de trouver les moyens de faire reconnaître cette pratique comme une pratique professionnelle. Voilà pourquoi les projets netart ont intérêt à s’ouvrir à un ensemble d’acteurs si possible nombreux et variés - il s’agit d’une ressource fondamentale pour stabiliser le positionnement professionnel des porteurs de projet, pour faire gagner cette position en légitimité et pour pouvoir espérer une ascension sociale et professionnelle. 145 DDossier Néanmoins, au carrefour du marché de l’art et de l’innovation, les porteurs de projets se trouvent dans une position délicate, où la pratique artistique ne se valorise que sur la base d’usages professionnels des technologies numériques susceptibles de dépasser les usages ordinaires de ces technologies, voire de les déstabiliser pour déboucher sur un produit innovant. A cette première difficulté s’ajoute celle de diffuser cette innovation. Cette diffusion de l’innovation numérique et de la culture critique présente un enjeu stratégique fondamental pour l’ensemble des porteurs de projets car elle leur ouvre ou leur ferme la porte des entreprises et des industries de l’innovation. Ces dernières sont susceptibles de présenter une alternative aux subventions publiques et aux galeries inscrites sur le marché de l’art - plutôt réticentes à accueillir des œuvres numériques -, tout en garantissant la poursuite des projets en cours. Enfin, les porteurs de projet se trouvent dans la nécessité de négocier la marchandisation de leurs innovations, en particulier lorsqu’ils s’adressent à des entreprises et des industriels qui veulent une correspondance entre les productions netartistiques et leur politique d’innovation. 28 Ces deux ressorts stratégiques d’indépendance et de reconnaissance, ainsi que la position délicate des porteurs de projets netart permettent de mieux comprendre les trois implications principales de cet enjeu de professionnalisation sous-tendant la culture critique que les projets netart revendiquent. Il faut mobiliser toutes les ressources financières et humaines possibles pour rendre le projet visible et convaincant. Il faut ensuite s’assurer de la diffusion du projet qui implique la conversion de cette culture critique en production innovante à destination de l’économie numérique et des institutions publiques. Enfin, il faut stabiliser les positions acquises pour espérer une éventuelle ascension sociale et professionnelle qui se fait principalement en direction des structures institutionnelles publiques ou des structures économiques. 29 4. Conclusion Dès lors, que reste-t-il de la culture critique que le netart revendique et de la créativité mise en avant dans les projets netart en lien, pour les artistes, avec l’esthétisation des médias numériques et de leurs usages? En provoquant une réflexion sur les usages des médias numériques, les projets netart contribuent à la prise de conscience des normes que les technologies nous font intérioriser. Ce ne sont pas seulement des normes ergonomiques ou cognitives que les artistes ou porteurs de projets créatifs interrogent en invitant à la déconstruction de ces technologies. Ce sont également des normes sociales d’appropriation non seulement des technologies, mais également du monde numérique sur lequel elles ouvrent. La culture critique que le netart défend consiste donc à aller de la mise en question des normes techniques à l’interrogation des normes sociales que les médias numériques contribuent à implanter dans le quotidien. Néanmoins, si l’on suit le cycle long de cette culture critique - de la production de l’œuvre ou du projet à sa conversion en innovations et à sa diffusion -, tout ne s’arrête pas là. Pour les por- 146 DDossier teurs de projets, il s’agit également de conquérir un prestige et une reconnaissance en dehors de l’art ou d’une institution artistique, que ce soit pour en vivre mieux ou pour changer d’orientation professionnelle. Ce désir d’indépendance et d’ascension sociales a un prix - la fonctionnalisation de la charge critique de la créativité des projets netart. Il s’agit d’une fonctionnalisation au sens technique du terme qui procède par multiplication des options techniques que l’on peut tirer d’une technologie numérique. Cette fonctionnalisation ouvre les technologies numériques à de multiples usages, y compris à des détournements d’usages comme nous l’avons vu. Mais elle a également pour effet de rendre le projet artistique ubiquitaire, de l’ouvrir à la récupération et à la valorisation auprès des instances susceptibles de le financer. Autrement dit, la diffusion de la culture critique netart que nous observons débouche sur sa propre relativisation qui trouve sa justification idéologique dans le fait que tout le monde y gagne - les artistes et acteurs de ces projets en terme socio-économique, le public qui participe à ces projets en terme de distance vis-à-vis des médias numériques, les instances associatives, politiques ou économiques en terme de débouchés financiers ou en termes de rayonnement d’image et de missions. Bourdieu, Pierre, Un art moyen. Essai sur les usages sociaux de la photographie, Paris, Minuit, 1965. 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Thacker 1999: 1-5; également Fourmentraux 2013). 2 Il y a en France une riche histoire du développement des arts numériques qui commence dès les années 1965, et qui se concentre sur l’usage des ordinateurs pour créer des images en deux ou trois dimensions et des films d’animation (Welker 2013: 376-385; pour une histoire similaire mais relative aux laboratoires Bell en Amérique du Nord, voir Kane 2010: 53-58). 3 Ces différents projets sont accessibles sur Internet aux adresses suivantes: www.hyperolds.com, http: / / www.imal.org/ fr/ page/ a-propos-dimal - en particulier le premier Fablab d’artiste http: / / www.imal.org/ fr/ activity/ gobo-gobo-hey, http: / / www.isabellearvers. com/ category/ machinima, http: / / www.museomix.org. Excepté Hyperolds, les projets sont en relation avec des réseaux internationaux. 4 Nous avons pu mener ces observations pour Machinima à la bibliothèque publique d’information (BPI) du Centre Pompidou, et pour Hyperolds à la Gaité Lyrique et dans un bâtiment qui héberge l’association de promotion des arts numériques MCD (Musiques et Cultures Digitales) et l’entreprise Digitalarti. 5 Ce sont les événements organisés par Muséomix à Paris (cf. Vidal / Jauniau / Gagnebien 2013). 6 Nous avons choisi des entretiens en perspective narrative d’une part pour faire émerger des éléments biographiques relatifs à la pratique des répondants, à la manière d’organiser leur travail, aux rapports à la production et au financement de leurs projets. D’autre part, nous voulions également laisser de l’espace à la parole d’expert, le rôle dans lequel se sont parfois mis nos interlocuteurs, en particulier les personnes de Muséomix et des Fablabs d’artistes/ Artlabs, ou encore le répondant de Machinima qui donne un bon exemple des récits que nous avons recueillis, récits hybrides où les éléments biographiques se mêlent à la parole d’expert. 7 Nous avons choisi le mode de l’observation non participante car une observation participante exige un temps long d’apprentissage et d’immersion pour saisir l’ensemble des éléments du projet et pouvoir participer concrètement à un projet. Dans le cadre de cette recherche effectuée sur un court terme, cette posture semblait la plus adéquate. Nous l’avons communiquée aux porteurs de projets et aux participants des ateliers pour qu’ils n’aient pas l’impression de se sentir épiés, et afin de pouvoir recueillir nos données de la manière la plus efficace possible. 8 Ce type d’analyse à la frontière entre la linguistique et l’analyse qualitative de contenus textuels est encore peu documenté (cf. par exemple Ferrari / Legallois 2011: 31-50; Damon 2012). Mais elle tend à gagner en popularité avec l’accroissement de la digitalisation de textes (cf. Purnelle / Dozo 2006: 151-174), les analyses sémantiques de courriels (cf. Feinerer 2008) ou les analyses de messages postés sur les réseaux sociaux numériques (cf. Zhao 2012; Ikeda et al. 2013: 35-47). 9 Nous nous inspirons notamment des travaux de Feinerer (2008), Huang et al. (2013: 1748-1759), Jun et al. (2014: 3204-3212). Nous avons utilisé l’environnement de programmation R. Au plan théorique, cette démarche est proche de celle esquissée par Manovich (2007; 2011). 149 DDossier 10 Ce traitement des données préalable à leur analyse fait ainsi disparaître l’information qui n’est pas directement liée au contenu des textes recueillis. Cela ne signifie pas que cette information n’est pas importante, mais elle ne relève pas de cette procédure d’analyse de contenu, comme par exemple l’information relative aux partenaires ou aux sponsors des projets suivis. 11 L’association MCD (Musiques et Cultures Digitales) s’y retrouve également, mais de manière marginale, dans la mesure où cette association propose, en relation avec Hyperolds, des ateliers créatifs sur l’Internet: „On = c’est MCD qui est un modèle associatif qui travaille sur art et lien social, d’où les ateliers Hyperolds. On fait aussi des ateliers politiques de la ville avec d’autres artistes. Le principe est que ce ne sont que des artistes qui animent ces ateliers. Le formateur n’est pas un prof, il est lui même artiste et ça joue dans la transmission, dans l’apprentissage. On travaille avec des jeunes des cités, avec des femmes de plus de 77 ans et le principe c’est que ce ne sont pas des cours, c’est une transmission d’expression créative, et c’est ça qui fait la marque des ateliers MCD“. 12 C’est la marque de fabrique du projet Hyperolds, comme le précise la personne interrogée: „L’idée est de transmettre des connaissances internet à des femmes de plus de 77 ans pour dire qu’il y avait un au-delà“. 13 En effet, comme le précise le répondant: „L’objectif c’est plus une démonstration d’impossible avec Internet et femmes de plus de 77 ans. Ça montre que si tu veux le faire, il suffit de le faire. C’est une question de volonté. C’est par leur propre capacité qu’on veut montrer c’est l’incapacité de pas le faire. On entend le discours ‚la fracture, bla, bla ‘. Il suffit juste qu’il y ait un médiateur un moment, un passeur. ‚Faut oser‘, ce qu’on les engage à faire“. 14 Le répondant Hyperolds le mentionne à de nombreuses reprises: „C’était l’idée de partage avec d’autres, d’être au contact de femmes âgées. Les gens les plus à l’écart possible. Femmes différentes de différents niveaux professionnels, qui ont ou non travaillé“. Et le répondant de conclure: „Internet = partage, échange. C’est le modèle internet le cœur, pas internet, le modèle. Même dans les Fablabs“. 15 Pour un des répondants du réseau Muséomix, l’idée centrale de Muséomix „c’est d’impulser ça, au-delà des frontières internes ou externes, c’est se dire que toutes les personnes intéressées, y compris les visiteurs/ acteurs/ utilisateurs du musée, les communautés partie prenantes de ce lieu, on les invite à la table pour co-construire avec elles ce lieu de culture mais de façon très modulaire“. Et de conclure: „on a plus à gagner en contribuant à la communauté qu’en restant dans son coin tout seul“. 16 Le répondant résume ainsi: „J’aimerais que les musées s’emparent de Muséomix, qu’ils l’appellent comme ils veulent, et qu’ils fassent de temps en temps petit à petit et peut-être un jour tout le temps, qu’ils transforment leur musée en plateforme, peut-être plate-forme en ligne, où les gens peuvent rentrer et sortir comme ils veulent, comme une cantine, avec wifi, je passe après l’école Ce n’est pas un lieu où c’est un projet d’y aller, c’est facile, c’est un lieu ouvert, après je peux tester des petites choses, bidouiller, inviter mon association, etc. Et petit à petit je monte dans l’échelle participative jusqu’à co-créer des expositions béta, avec toutes ces compétences parce que je suis designer, parce que je connais un truc du coin ou parce que je suis un artiste, mais je fais ça avec les gens et l’intérêt pour moi Muséomix est de montrer que ça marche“. 17 Il s’interroge: „qu’est-ce qu’ils font? Des imprimantes 3D avec des imprimantes 3D et on n’en sort pas. C’est la boucle et ça tourne en rond. Et les artistes, on n’est pas forcément à l’aise, dans la mesure où notre but n’est pas de fabriquer des outils utilisables pour les autres mais où on utilise leurs outils pour fabriquer des choses qui après dans l’esprit ne 150 DDossier vont pas être réutilisables“. Puis, plus loin: „L’arrivée des artistes j’ai peur que ça ne change pas grand chose. Quand on voit les élèves des Beaux-Arts, ils n’ont pas d’états d’âme ni de scrupules. Par exemple j’avais un assistant élève des Beaux arts, qui lit les manuels, technophile, lui son but dans la vie, c’est gagner de l’argent, et s’il y a des trucs gratuits il les prend et après ça ne le gênera pas du tout de faire de l’argent avec un truc qu’il a eu gratuit. Dans les écoles on leur apprend à vendre“. 18 Cette difficulté met l’artiste en position de double contrainte - la contrainte d’intégrer des fablabs dont la dimension artistique n’est pas forcément au centre des préoccupations du fablab, et la contrainte de trouver des financements dans un contexte où la concurrence est désormais plus vivace: „je n’ai jamais demandé de l’argent à l’art contemporain. Moi les subventions que j’ai eues c’est Dicream, Ircam, après j’ai eu des prix à des festivals d’art numérique, Ars Electronica, Transmedia, etc. Cet argent se tarit, on est maintenant 30 pour se partager peu d’argent alors qu’avant on était 8 pour se partager deux fois plus. Tout converge vers des solutions qui seraient les Fablabs où il y a une manière de produire à moindre coût avec des logiciels libres, des gens libres et généreux, etc Quand il s’est agi de choisir avec le responsable du pôle numérique, en plus un gars qui vient du livre, on s’est demandé qu’est-ce qu’on fait. Si on leur met du raretrappe entre les mains, ils ne vont jamais s’en sortir. Donc on va prendre des machines qui marchent tout de suite, qui sont propriétaires, avec des logiciels propriétaires, on ne peut pas rentrer dedans, mais seulement ça va être plus facile avec des élèves des Beaux Arts qui sont incapables de changer de bobines, de plastiques, etc.“. 19 Ainsi, pour le répondant MCD, „On est des traducteurs entre les artistes et les développeurs, et transformation en monnaie sonnante et trébuchante. On signe 50/ 50 avec les artistes. Quand on a déduit nos coûts de prod, on fait 50/ 50 sur la marge avec les artistes“. Pour le deuxième répondant Muséomix, Muséomix favorise avant tout la rencontre entre les professionnels des musées, de la culture, et des technologies numériques. 20 Comme le dit le deuxième répondant Muséomix: „Nous on parle de ‚corps orga‘ qui gère la plateforme central et des ‚local orga‘ des organisations locales qui gèrent des Muséomix locaux. Il faut voir comment tout ça fonctionne, quelle modalité de gouvernance, et le rôle des différents fondateurs là dedans. Fondateurs: certains plus dans la production, d’autres dans l’animation de communautés, donc on essaie de converger pour faire vivre Muséomix. Donc, derrière ça y’a un problème de modèle économique puisque si on veut tenir dans la durée, faut un ‚corps orga‘ qui s’investisse au delà de ce que le bénévolat permet. Si on veut des gens qui viennent toute l’année ou si on veut investir plusieurs mois hommes pour monter l’événement, on ne peut pas le faire bénévolement“. 21 Le répondant de Noda (acteur du réseau Muséomix) explique ainsi: „on n’a pas monté une asso mais une boîte, parce qu’on a une activité marchande à côté parce que ça nous donne une grande agilité, faire ce qu’on veut, on peut financer ces projets, on peut s’investir dans ces projets là“. 22 En effet, pour la commissaire d’expositions indépendante „il faut savoir que finalement aujourd’hui les films qui vont être tournés le seront de moins en moins par des amateurs“. 23 Pour la commissaire d’expositions indépendante faisant la promotion Machinima par exemple: „Après avoir décidé de faire connaître les Machinima, j’ai aussi été proactive en essayant d’apprendre à faire des Machinima. Cela fait maintenant quatre ans que j’organise des ateliers pour cela. [ ] Les ateliers c’est très bien. Les ateliers rentrent dans les missions sociales de structures culturelles qui sans cela n’auraient pas des 151 DDossier budgets. C’est très différent des expositions, qui coûtent de l’argent, mais n’en rapportent pas. Alors, à tout cela il faut réfléchir, savoir si c’est bien ou pas bien. Mais moi très souvent aujourd’hui j’agis dans le cadre de ces missions sociales. Du coup, je suis allé aussi dans des collèges, pas forcément dans des structures sociales. Des collèges, des MJC, des centres socioculturels. C’est une des choses qui me fait vivre à l’heure actuelle. C’est un modèle économique. Mais au-delà de ça tu apportes quelque chose et tu n’es pas juste en train de coûter pour soi-disant apporter de la culture aujourd’hui“. Quant au répondant Noda, il décrit son modèle économique collaboratif de la manière suivante: „La posture que j’ai créée et ça suffit, je n’ai rien à donner ça ne marche pas sur une petite communauté, à part s’il y a un gourou. Ça veut dire qu’on doit donner. Y’a des Fablabs quand on arrive on donne 50 euro, à la fin on se dit ok est-ce que tu as documenté ton projet. C’est à dire que les autres peuvent prendre ce projet, le modifier. On peut dire non, ok. Est-ce que t’es prêt à faire une formation auprès des gamins, sur les machines. Non. Est-ce que t’es prêt Non. Donc on garde tes 50 euros. A l’inverse ok, on te rend tes 50 euros. C’est cet échange là qui doit être évident et tangible“. 24 Il existe de nombreux logiciels permettant de réaliser ce fastidieux travail de téléchargement. Dans notre cas, nous avons réalisé ces téléchargements au moyen de deux utilitaires gratuits et multi-plates-formes, wget et curl. 25 Notons que sur ce dernier point - le recrutement de participants aux projets mis en place, participants pouvant provenir de tout milieu et n’étant pas supposés détenir une compétence quelconque dans le domaine des arts ou de la technologie - aucune des personnes interrogées ne relève les éventuelles difficultés que cette rencontre peut poser pour la réalisation du projet, notamment le fait que des amateurs peuvent se trouver intimidés voire dépassés par la technologie utilisée dans le projet ou les étapes pratiques qui jalonnent sa mise en place (cf. Scott / Hinton-Smith / Harma / Broome 2013: 417-438). Ceci indique à quel point cet enjeu participatif est important pour les personnes interrogées qui ne problématisent pas cette participation, mais sont soit pour, soit contre. Le meilleur exemple de cette dichotomie nous est donné dans nos entretiens par les deux répondants de Muséomix. Un autre exemple un peu moins typique de cette attitude est celui du répondant Hyperolds qui pense que l’implication d’amateurs dans leurs projets n’est affaire que de volonté. 26 Dans une étude récente comparant l’art digital en particulier en lien avec l’industrie du jeu vidéo et l’art de la Renaissance, Sapsed et Tschang recoupent ces conclusions lorsqu’ils affirment: „Ainsi, à l’ère digitale, le moteur de la force créative est souvent explicitement économique, bien plus qu’à l’ère préindustriel de la Renaissance“ (Sapsed / Tschang 2014: 136). Non seulement le tissu économique est fondamentalement différent, mais la technologie apporte un élément supplémentaire d’une importance nouvelle en permettant la mise en collaboration instantanée des parties prenantes d’un projet artistique dans le contexte des arts numériques. Les auteurs vont jusqu’à dire que ceci contribue à orienter la production artistique qui „de nos jours est plus une question de savoir comment réduire le risque financier plutôt que de faire de l’expérimentation artistique“ (ibid.: 137). 27 Dans le contexte plus global de la diffusion des projets Machinima, Harwood a bien mis en évidence cette caractéristique qui doit orienter le développement à venir des Machinima dans le monde, à savoir l’acquisition de positions professionnelles dans les domaines de la culture, que l’on parle des institutions de la culture ou de l’économie du numérique (cf. Harwood 2011: 6-121; pour un propos similaire, voir également Ito 2011: 51-54). 152 DDossier 28 Cf. par exemple l’opération Muséomix qui attire des entreprises, des banques, des institutions à la recherche de nouvelles idées, dans le cadre d’innovations ouvertes mettant en relation des acteurs de la recherche, recherche et développement, et des usagers, dans le cadre de partenariats public/ privé et en s’appuyant sur la culture de l’open source pour un partage des fruits de la collaboration tout en assurant les droits des auteurs. Mentionnons également des entreprises comme Google qui a soutenu Muséomix via son institut culturel français. 29 Notons en effet que le ministère français de la culture continue de soutenir des productions artistiques de type netart via ses appels à projets, comme par exemple le Dicream Dispositif pour la Création Artistique Multimédia, ou les services numériques culturels innovants associant entreprises, associations, collectivités locales et artistes pour les secteurs du spectacle, de l’audiovisuel, des archives, du livre, du patrimoine. 153 Dossier Jörn Leonhard „Ihr seid besiegt noch vor der Niederlage“ Der Erste Weltkrieg als Konflikt intellektueller Selbst- und Fremdbestimmungen 1. Einleitung: Der Erste Weltkrieg und die Logik des Rückblicks Von Mund zu Mund wurde es geflüstert. Mit Windeseile flog die Sorge über die Riesenstadt und hinterließ eine bleierne Ruhe. Die Büros wurden geschlossen, die Fabriken machten Feierabend, der Kaufmann ließ die Jalousien vor dem Ladenfenster herunter, die Restaurants waren leer. Blasse Männer eilten nach Hause. Die Bahnen in die Vororte wurden bestürmt. Von Jubel war nirgendwo etwas zu bemerken, aber auch nicht von Angst. Ein entschlossener Ernst sprach aus allen Gesichtern. Um vier Uhr war Berlin wie ausgestorben. Gegen fünf Uhr strömte es von den Vororten wieder nach Berlin herein. Heute Abend musste die endgültige Entscheidung fallen [ ] In geschlossenen Gruppen zog die Menge durch die Straßen. Viel gesprochen wurde nicht. Auch für die Polizisten gab es keine Arbeit. Ein Bann lag über allem [ ] Da kam Leben in die Menge. Ein Strom floss die Linden herunter. Plötzlich leuchteten die elektrischen Lichtreklamen, die bisher erloschen waren, auf. Ihre Flammenzeichen schrien hinaus: Krieg, mobil! Und die Menge schrie mit: ‚Krieg, Krieg‘. 1 Ein Jahr vor den Schüssen von Sarajewo am 28. Juni 1914 war in Berlin bereits in fünfter Auflage ein Roman erschienen. Er schilderte in der damals populären Form einer Zukunftsfiktion den möglichen Ablauf eines Kriegsausbruchs und einer allgemeinen Mobilmachung in Deutschland. Ausgangspunkt des Zukunftsromans Krieg-mobil! war die Situation in der deutschen Metropole nach dem Eingang eines russisch-französischen Ultimatums. Schon in dieser Fiktion von 1913 ging die antizipierte Stimmung bei einem möglichen Kriegsausbruch nicht in einer befreienden Euphorie, einer Welle von Patriotismus und bejahender Kriegsbegeisterung auf. Stattdessen überwog auch in der Fiktion eine besondere Mischung aus Anspannung und Stille, Konzentration und Angst. Diese Überlagerung von ganz widersprüchlichen Emotionen zeigte sich dann auch in der Wirklichkeit des August 1914. Franz Kafkas berühmt gewordene, unbeabsichtigt lakonische Tagebucheintragung vom 2. August 1914 - „Deutschland hat Rußland den Krieg erklärt. - Nachmittag Schwimmschule“ - kam in ihrem eigentümlich unverbundenen Nebeneinander von Epochenwende und Alltag der unmittelbaren Wahrnehmung der Zeitgenossen wohl näher als die nachträglichen Versuche, den August 1914 zum historischen Wendepunkt zu stilisieren und ihm aus der Retrospektive einen universellen Sinn zuzuweisen, der sich erst aus den Folgen des Krieges ergeben konnte. 2 Von Anfang an nahmen die bürgerlichen Eliten und zumal die deutschen Intellektuellen Anteil an diesem Krieg, betonten demonstrativ ihre Verbundenheit mit 154 DDossier der eigenen Nation im Krieg. Diesem Kulturkrieg, der besonderen Verarbeitung von Kriegserfahrungen durch Intellektuelle, durch Schriftsteller und Wissenschaftler, sind die folgenden Überlegungen gewidmet. 3 2. In Erwartung des kurzen Krieges: Umbruch der Lebenswelten, Selbstversicherung und intellektuelle Ermächtigung Seit 1912 lebte der deutsche Schriftsteller Hermann Hesse in der Schweiz. Im September 1914 schrieb er einen Artikel, der am 3. November 1914 in der Neuen Zürcher Zeitung erschien. Unter dem Titel „O Freunde, nicht diese Töne! “, der sich bewusst auf den humanistischen Universalismus von Schillers Ode „An die Freude“ bezog, registrierte er, dass sich unter den intellektuellen und künstlerischen Eliten der kriegführenden Staaten seit dem Ausbruch des Krieges der Internationalismus von Kunst, Literatur und Wissenschaft in einen umso schärferen Antagonismus verwandelt hatte: Da sind uns in letzter Zeit betrübende Zeichen einer unheilvollen Verwirrung des Denkens aufgefallen. Wir hören von Aufhebung der deutschen Patente in Russland, von einem Boykott deutscher Musik in Frankreich, von einem ebensolchen Boykott gegen geistige Werke feindlicher Völker in Deutschland. Es sollen in sehr vielen deutschen Blättern künftig Werke von Engländern, Franzosen, Russen, Japanern nicht mehr übersetzt, nicht mehr anerkannt, nicht mehr kritisiert werden. Der Artikel spiegelte die ambivalente Situation des Schriftstellers wider: Noch zu Kriegsbeginn hatte sich Hesse bei der deutschen Botschaft als Kriegsfreiwilliger gemeldet, war aber wegen seiner Kurzsichtigkeit als untauglich eingestuft und zur Kriegsgefangenenfürsorge in Bern abgestellt worden. Für deutsche Kriegsgefangene organisierte er fortan Büchersammlungen, gab 1916/ 17 die Deutsche Interniertenzeitung und seit 1916 auch den Sonntagsboten für die deutschen Kriegsgefangenen mit heraus. Aber in dem Artikel kritisierte er auch deutsche Schriftsteller und Wissenschaftler - die deutschen Reaktionen auf den Brief waren entsprechend aggressiv, viele Kollegen wandten sich von ihm ab und stigmatisierten ihn als ‚Vaterlandsverräter‘. Hesse sah sich in eine schwere politische Auseinandersetzung verwickelt und durchlebte eine persönliche Krise, die er noch Jahre später als entscheidende Wende seines Lebens bezeichnen sollte. 4 Hesse identifizierte einen Konflikt, in dem jene Intellektuellen eine entscheidende Rolle spielten, die in den Jahrzehnten vor 1914 vielfach von der Internationalisierung der Universitäten, des Kunst- und Literaturbetriebs profitiert hatten, nun aber die Loyalität zu ihrer Nation über dieses transnationale Selbstverständnis stellten. In dem sich seit August 1914 entfaltenden Wettbewerb intellektueller Kriegsdeutungen ging es darum, sich national selbst zu vergewissern, den Krieg durch die Suggestion von Selbst- und Feindbildern zu rechtfertigen und zugleich den Ort der Intellektuellen in den Kriegsgesellschaften zu bestimmen. Gerade weil es für den Krieg zunächst keine politischen Rechtfertigungen gab und eine ernst- 155 DDossier hafte Diskussion um konkrete Kriegsziele sich erst ab Herbst 1914 abzeichnete, füllten diese intellektuellen Positionsdebatten ein gewisses Deutungsvakuum. Wissenschaftler, Publizisten, Journalisten, Künstler - sie alle schienen ihren Beitrag zum Krieg leisten zu wollen. Die Reaktionen der Intellektuellen zu Kriegsbeginn waren vielschichtig. Es machte einen großen Unterschied, ob es sich um öffentliche Äußerungen oder private Aufzeichnungen handelte. Während Hugo von Hofmannsthal in der Neuen Freien Presse in Wien das euphorische Kriegsgedicht Österreichs Antwort publizierte, vermerkte Arthur Schnitzler unter dem 5. August in seinem Tagebuch: „Im Hotel Nachr. von der Kriegserklärung Englands an Deutschland! - Der Weltkrieg. Der Weltruin. Ungeheuere und ungeheuerliche Nachrichten [ ] Wir erleben einen ungeheuern Moment der Weltgeschichte. In wenig [sic! ] Tagen hat sich das Bild der Welt völlig verändert. Man glaubt zu träumen! Alle Menschen sind rathlos.“ 5 Es gab andere Reaktionen. Mit seinem Roman Bebuquin von 1912 gehörte Carl Einstein zu den wichtigsten Autoren des deutschen Expressionismus - aber im August 1914 war er einer der von den Ereignissen Euphorisierten, die innerhalb kurzer Zeit ihr altes Leben und auch ihre Überzeugungen hinter sich ließen. Innerhalb von wenigen Tagen wurde aus dem kritischen Schriftsteller ein Soldat. Seine ersten Eindrücke als Freiwilliger in der Kaserne berichtete er seinem Schriftstellerkollegen Robert Musil - ein Zeugnis der Unordnung, des aufgeregten Chaos, ja einer Regellosigkeit, die einherging mit einem völlig veränderten Lebensrhythmus: Einstein erzählt: in den Kasernen Unordnung, Entfesselung. Mit Ausnahme des Dienstes. Zentimeterhoher Schmutz, Notlager, Trinken. Es wird wie verrückt gestohlen. Koffer erbrochen. Liegen lassen darf man überhaupt nichts. Er sagt, er weiß nicht, was es ist, es sitzt auch in ihm, er braucht keine Bürste, aber er stiehlt zwei, sieht eine dritte und stürzt auf den Mann los: Du hast meine Bürste, nimmt sie mit Gewalt. Ganzen Abteilungen werden die Gewehrverschlüsse entwendet, sinnlos versteckt, verstreut [ ] Richter und Rechtsanwälte sagen einander, als wäre es nichts, hast du nicht meine Koppel geklaut? Man hat das Gefühl, passt man nicht sehr auf, fallen alle übereinander her. 6 Der expressionistische Dichter kannte nur noch einen Lebensinhalt: „Einstein ist begeistert; alles andere ausgelöscht. Schläft er bei seiner Frau, hat er nur Interesse für sein Knopfputzmittel. Sein Arbeitszimmer betritt er überhaupt nicht.“ 7 Und doch mischte sich in diesen Kulturkrieg schon im Sommer 1914 ein eigentümliches Bewusstsein vom Umbruch der Zeit, der alle Werte und Erfahrungen in Frage zu stellen schien. Am 2. August 1914 hielt Ernst Troeltsch, Professor der Theologie an der Universität Heidelberg, eine bemerkenswerte Rede. Sie ging nicht auf im situativen Patriotismus der Stunde, in den ‚Ideen von 1914‘, die man gegen die französischen Ideen von 1789 und später gegen den Händlergeist der Engländer ausspielte, sondern blickte über den Moment hinaus. Troeltsch führte aus, dass dieser Krieg nicht mehr mit den poetischen Waffen und im Zeichen ritterlicher Kampfethiken des frühen 19. Jahrhunderts ausgetragen werde. Im Zeichen von neuen Maschinenwaffen war ein klassischer Heldenkampf nicht mehr 156 DDossier vorstellbar, und Troeltsch ahnte bereits die Dimensionen eines unabsehbar langen Krieges: Es sind die technischen, mühseligen Waffen des modernen Krieges mit unendlicher Vorbereitung und Berechnung, mit der Unsichtbarkeit des Gegners und der Bedrohtheit aus unbekannten Richtungen, mit der verwickelten Fürsorge für ungeheure Massen und einem gewaltigen Sicherungs- und Deckungsdienst. Es sind Waffen der Berechnung, der Besonnenheit, der Ausdauer, und nur an einzelnen Höhepunkten gibt es das dramatische Heldentum, nach dem die Seele der Jugend lechzt. 8 Vor allem aber war sich der Heidelberger Theologe sicher, dass der Krieg alle überkommenen Sicherheitsversprechen, die auf Rationalität beruhenden sozialen und staatlichen Ordnungsstrukturen aus dem 19. Jahrhundert und damit auch die Basis bürgerlicher Kultur radikal in Frage stellen werde: So zerbrechen auch uns heute alle rationellen Berechnungen. Alle Kurszettel und Kalkulationen, die Versicherungen und Zinsberechnungen, die Sicherstellungen gegen Unfälle und Überraschungen, der ganze kunstreiche Bau unserer Gesellschaft hat aufgehört, und über uns allen liegt das Ungeheure, das Unberechenbare, die Fülle des Möglichen. 9 Auch der international einflussreiche klassische Philologe und Wissenschaftsorganisator Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff, geboren 1848, seit 1894 an der Berliner Universität und seit 1902 Präsident der Preußischen Akademie der Wissenschaften, nahm in zahlreichen Reden und Aufsätzen Stellung zum Krieg. Zum ideologisch wichtigsten Gegner wurde für ihn Großbritannien, indem sich hier die Leitmotive des Neides auf Deutschlands wirtschaftliche und wissenschaftliche Erfolge, seine Freiheit mit der Vorstellung verbanden, dass der britische Krieg ein unehrlich ausgetragener Kampf einer von bloßem Materialismus geprägten Gesellschaft sei. Großbritannien schicke nicht wie Frankreich „alle seine Söhne, sondern es schickt angeworbene Mannschaft“. Deshalb sei dort auch „der eigentlich treibende böse Geist“ zu finden, der diesen Krieg emporgerufen hat aus der Hölle, der Geist des Neides und der Geist der Heuchelei. Was gönnen sie uns nicht? Unsere Freiheit, unsere Selbständigkeit wollen sie untergraben, jenen Bau der Ordnung, der Gesittung und der freilich selbstbewussten Freiheit [ ] Wenn der englische Marineoffizier jetzt durch ein feines, schönes Glas hinausschaut, umschaut nach deutschen Kreuzern, so ärgert ihn [ ], dass das Glas in Jena geschliffen sein wird, und die Kabel, die durch die Meere ziehen, sind zum größten Teil in Charlottenburg am Nonnendamm verfertigt. Die Güte der deutschen Arbeit wurmt ihn. 10 Wilamowitz war Unterzeichner des Aufrufs „An die Kulturwelt“, einer der Initiatoren der „Erklärung der Hochschullehrer des Deutschen Reiches“ und damit einer der wichtigsten intellektuellen Akteure in diesem ‚Krieg der Geister‘, wie Hermann Kellermann einen Sammelband mit zeitgenössischen Texten von 1915 betitelte. Den Anlass für diese Entwicklung bot die Zerstörung der Bibliothek von Löwen. Der französische Schriftsteller Romain Rolland, Bewunderer deutscher Kultur und wegen seiner pazifistischen Position in die Schweiz emigriert, schrieb unter dem 157 DDossier Eindruck dieser Nachrichten an Gerhart Hauptmann als führenden Repräsentanten der deutschen Literatur und konfrontierte die Kulturtradition Goethes mit der Kriegspraxis der Deutschen, die an Attila und die Hunnenkriege erinnere. 11 Ähnliche Aufrufe folgten von zahlreichen englischen Universitäten, Akademien und gelehrten Gesellschaften. Die deutschen Reaktionen, von Hauptmanns Antwort, in der er die Zerstörungen bedauerte, sie aber gegen die zerrissene Brust eines deutschen Soldaten gering aufrechnete, bis zur Antwort von 93 deutschen Intellektuellen im „Aufruf an die Kulturwelt“ vom 11. Oktober 1914, entfachten einen Überbietungswettbewerb von Kriegsdeutungen. Die Eskalation militärischer Gewalt mündete in eine Welle intellektueller Kriegsbegründungen und einen regelrechten Kulturkrieg. 12 Der Aufruf, den 93 namhafte Schriftsteller, Künstler und Wissenschaftler am 4. Oktober 1914 in allen großen Tageszeitungen publizierten und der innerhalb kurzer Zeit in zehn Sprachen übersetzt wurde, verwahrte sich gegen internationale Kritik am preußisch-deutschen Militarismus und Vorwürfe im Zusammenhang mit deutschen Kriegsgräueln in Belgien. Dabei wiederholte das Dokument, dass deutsche Soldaten heimtückisch „aus dem Hinterhalt“ angegriffen worden seien und die deutsche Militärführung „keine zuchtlose Grausamkeit“ kenne, die Alliierten aber im Westen mit Dumdumgeschossen operierten, während im Osten „das Blut der von russischen Horden hingeschlachteten Frauen und Kinder die Erde“ tränke. Vor allem aber identifizierten sich die Unterzeichner als Vertreter der deutschen Kultur programmatisch mit dem Begriff des Militarismus und begegneten so einer verbreiteten Tendenz, zwischen dem preußischen Militarismus und der deutschen Kultur zu unterscheiden: Es ist nicht wahr, dass der Kampf gegen unseren sogenannten Militarismus kein Kampf gegen unsere Kultur ist, wie unsere Feinde heuchlerisch vorgeben. Ohne den deutschen Militarismus wäre die deutsche Kultur längst vom Erdboden getilgt. Zu ihrem Schutze ist er aus ihr hervorgegangen in einem Lande, das jahrhundertelang von Raubzügen heimgesucht wurde, wie kein zweites. Deutsches Heer und deutsches Volk sind eins. 13 Das Verhalten vieler Intellektueller, die vor 1914 zum Teil sehr international orientiert gewesen waren und sich dabei auch kritisch mit dem deutschen Staat und der Rolle des Militärs befasst hatten, unterstrich, wie groß der Druck war, sich selbst zu rechtfertigen und die Loyalität zur eigenen Nation unter Beweis zu stellen. Es verwies auf ein weit verbreitetes Gefühl zumal im deutschen Bildungsbürgertum, dass die Kriegsgegner Deutschland, seinen Errungenschaften und seiner Leistungskraft mit Neid und Missgunst begegneten. Trotzdem überraschte die Naivität, mit der die Intellektuellen die internationalen Folgen des Aufrufs und den Eindruck kultureller Arroganz als Kehrseite der unbestrittenen Erfolge der deutschen Wissenschaft und des deutschen Universitätssystems im Ausland ausblendeten. Vor allem in Frankreich drängte man als Reaktion darauf, die Beziehungen zu deutschen Wissenschaftlern und wissenschaftlichen Einrichtungen abzubrechen und löste entsprechende Verbindungen wie im Falle von Wilamowitz. Tatsächlich 158 DDossier dauerte die Isolierung der deutschen Wissenschaften in einigen Bereichen weit über 1918 hinaus. Verdichtet fanden diese deutschen Selbstbeschreibungen ihren Ausdruck im Leitmotiv der sogenannten ‚Ideen von 1914‘. Dahinter stand der Versuch, den Krieg als Auseinandersetzung zwischen übergreifenden nationalen Prinzipien und Wertideen zu interpretieren. Der Münsteraner Soziologe und Ökonom Johann Plenge hielt noch 1914 eine Vortragsreihe „Der Krieg und die Volkswirtschaft“, die 1915 publiziert wurde. Darin leitete er die ‚Ideen von 1914‘ aus einer weltgeschichtlichen Auseinandersetzung mit dem historischen Geltungsanspruch des revolutionären Frankreich in der Tradition von 1789 ab. Hatten die französischen ‚Ideen von 1789‘ in einer universalgeschichtlichen Stufenfolge die bürgerliche und kapitalistische Ordnung hervorgebracht, so sei es nunmehr an Deutschland, mit den ‚Ideen von 1914‘ ein ganz neues politisches und soziales Ordnungsmodell zu etablieren, das auf der ‚Volksgenossenschaft des nationalen Sozialismus‘ gründe. Darin bestand für ihn der epochale Umbruch der Gegenwart: Seit 1789 hat es in der Welt keine solche Revolution gegeben wie die deutsche Revolution von 1914. Die Revolution des Aufbaus und des Zusammenschlusses aller staatlichen Kräfte im 20. Jahrhundert gegenüber der zerstörenden Befreiung im 19. Jahrhundert [ ] Zum zweiten Mal zieht ein Kaiser durch die Welt als der Führer eines Volkes mit dem ungeheuer weltbestimmenden Kraftgefühl der allerhöchsten Einheit. Und man darf behaupten, dass die ‚Ideen von 1914‘, die Ideen der deutschen Organisation zu einem so nachhaltigen Siegeszug über die Welt bestimmt sind, wie die ‚Ideen von 1789‘. 14 Dies schloss an Troeltschs Idee eines besonderen deutschen Freiheitsverständnisses an, das sich von französischer und englischer Demokratie unterscheide, indem die ‚deutsche Freiheit‘ auf das überindividuelle Bekenntnis zur Gemeinschaft, auf eine aufgeklärte Bürokratie, parlamentarische Kontrolle, vor allem auf die Effizienz der Organisation als Gegensatz zur überkommenen Klassengesellschaft hinzielte. 15 Während sich Troeltsch aber bereits während des Krieges von diesen Positionen zu distanzieren begann, hielt kaum ein deutscher Schriftsteller so vehement an diesem deutschen Sonderbewusstsein und der ideologisch-kulturellen Gegnerschaft zum Westen fest wie Thomas Mann. Gleich zu Beginn des Krieges mit 39 Jahren ausgemustert, war er 1914 auf der Suche nach der Rolle des Schriftstellers und einer nationalen Aufgabe für sich selbst in diesem Krieg. Seine Position, die er von den Gedanken im Kriege vom Herbst 1914 bis zu den Betrachtungen eines Unpolitischen von 1918 entwickelte, waren auch der Versuch, sich selbst als Nationalschriftsteller im Krieg zu stilisieren. 16 Die noch im Spätjahr 1914 für Samuel Fischers Neue Rundschau geschriebenen Gedanken im Kriege waren mehr als eine schriftstellerische Stellungnahme, eine patriotische Gelegenheitsschrift, denn hier deutete sich der Konflikt zwischen den Brüdern Thomas und Heinrich Mann an, der mit Heinrich Manns Zola-Essay von 1915 dann offen ausbrach. Heinrich, der sich in Romanen wie Der Untertan besonders kritisch mit dem 159 DDossier Wilhelminismus auseinandergesetzt und aus seiner Parteinahme für den von ihm vielfach idealisierten französischen Republikanismus keinen Hehl gemacht hatte, sah sich zu Beginn des Krieges mit der Tatsache konfrontiert, dass kein Verleger seine Schriften mehr für publizierbar hielt. Kühl erklärte er seinem Bruder Thomas, der im Pathos der Kriegsbegeisterung am 7. August seine „tiefste Sympathie für dieses verhasste, schicksals- und rätselvolle Deutschland“ betonte, dass dieses Deutschland den Krieg verlieren werde. 17 In den Gedanken im Kriege spitzte Thomas Mann den Gegensatz zwischen Kultur und Zivilisation als Markstein für eine deutsche Sonderstellung in der Welt zu. Identifizierte er ‚Kultur‘ mit „Geschlossenheit, Stil, Form, Haltung, Geschmack“, stehe sie für eine „geistige Organisation“, so verweise ‚Zivilisation‘ auf „Vernunft, Aufklärung, Sänftigung, Sittlichung, Skeptisierung, Auflösung - Geist“. Noch stärker ideologisierbar wurde dieser Kontrast in den Begriffen westlicher ‚Politik‘ und deutscher ‚Moral‘, weil Mann sich damit vom Modell westeuropäischer Politik überhaupt distanzierte: „Denn Politik ist eine Sache der Vernunft, der Demokratie und der Zivilisation; Moral aber eine solche der Kultur und der Seele.“ Die Deutschen aber hätten als Moralisten, als „sittliche Wesen [ ] die Heimsuchung kommen sehen, mehr noch: auf irgendeine Weise ersehnt.“ 18 Auch Manns eigenes Grundproblem, die Kluft zwischen Künstler und Bürger, zwischen Geist und Leben, die noch in seiner Novelle Tod in Venedig so stark dominiert hatte, schien in diesem Krieg aufgehoben. 19 Gegen die englischen Vorwürfe, die früheren Kulturleistungen des Landes würden jetzt von der Barbarei der Kriegsführung überschattet, entgegnete er, dass eben alles - die Krankenhäuser und Volksschulen, die wissenschaftlichen Einrichtungen und Eisenbahnen genauso wie die modernen Waffen - Ausdruck der kulturellen Leistungen Deutschlands seien, dass es einen Gegensatz von Kultur und Militär nicht geben könne. Mann beharrte auf der besonderen Modernität Deutschlands, das mit seinen Sozialversicherungen „ja in Wahrheit ein viel modernerer Staat ist als etwa die unsauber plutokratische Bourgeois-Republik“ Frankreichs. Auch „unser soziales Kaisertum“ stelle ein überzeugenderes Fortschrittsmodell dar als „irgendein Advokaten-Parlamentarismus, der, wenn er in Feierstimmung gerät, noch immer das Stroh von 1789 drischt“. Das war nicht nur gegen Frankreich, sondern auch gegen den Bruder und seine frankophile Idealisierung gewandt, und es grundierte den Gegensatz zwischen den deutschen Werten von 1914 und den französischen ‚idées de 1789‘. 20 Die politische Aufladung dieses Gegensatzes lief auf ein elementar anderes Fortschrittsverständnis Deutschlands hinaus, das sich von Frankreich wie England unterschied: „Eines ist wahr: Die Deutschen sind bei weitem nicht so verliebt in das Wort ‚Zivilisation‘, wie die westlichen Nachbarnationen; sie pflegen weder französisch-renommistisch damit herumzufuchteln, noch sich seiner auf englischbigotte Art zu bedienen. Sie haben ‚Kultur‘ als Wort und Begriff immer vorgezogen - warum doch? Weil dieses Wort mehr menschlichen Inhalts ist, während wir beim andern einen politischen Einschlag und Anklang spüren.“ Weil Deutschland ein „Volk der Metaphysik, der Pädagogik und der Musik“, ein „moralisch orientiertes 160 DDossier Volk“ sei, habe es sich auch „im politischen Fortschritt zur Demokratie, zur parlamentarischen Regierungsform oder gar zum Republikanismus zögernder und uninteressierter gezeigt als andere“. Der besondere Moralismus aber könne vom „Soldatentum“ gar nicht getrennt werden, und während andere Nationen „völlig die Gestalt der zivilen Gesittung“ annähmen, sei der „deutsche Militarismus in Wahrheit Form und Erscheinung der deutschen Moralität“. 21 3. Vom Kosmopolitismus der Intellektuellen zum Kulturkrieg: Europäische Dimensionen Die kulturelle Mobilisierung in den ersten Monaten des Krieges an sich war keine deutsche Besonderheit, wohl aber die bei deutschen Intellektuellen so programmatische, ja fast panische und im Tonfall hysterische Absetzung von den westeuropäischen Modellen und das Beharren auf einer besonderen Fortschrittsentwicklung, die sich angeblich nicht mit der Frankreichs oder Großbritanniens vergleichen ließ. 22 Auch in Frankreich beteiligten sich seit Beginn des Krieges viele Künstler, Publizisten und Wissenschaftler an der nationalen Selbstvergewisserung - die in den ersten Wochen des Krieges zuweilen groteske Formen annahm. Um die Musik von Richard Wagner entwickelte sich zum Beispiel ein regelrechter deutsch-französischer Kulturkrieg: Hatten dessen Werke die Pariser Musikszene um 1900 dominiert und zu einer regelrechten Wagnerbesessenheit geführt, so wurden ab Sommer 1914 zunächst alle Stücke verbannt. Dann entbrannten erbitterte Diskussionen um die erneute Zulassung seiner Musik nach dem Krieg. Sollte er als eminent nationaler Komponist Deutschlands verboten bleiben oder konnte er als Ausdruck eines musikalischen Universalismus gelten, der sich allen nationalen Feindbildkategorien entzog? 23 Französische Intellektuelle orientierten sich anders als in Deutschland an 1789 und den historischen Errungenschaften der aus der Revolution hervorgegangenen Nation. In der Armee erblickte der Schriftsteller Romain Rolland gleich zu Beginn des Krieges die Brücke zwischen der Nation und ihrer Geschichte. Im „élan de la Marseillaise“ erkannte er eine heroische und religiöse Haltung aller Franzosen, die den August 1914 in den historischen Bedeutungszusammenhang mit dem September 1792 und damit der revolutionären Nation stellte, die bereit war, alle Errungenschaften seit 1789 im Krieg zu verteidigen. 24 Der Kampf gegen den äußeren Feind diente zugleich der nationalen Regeneration, der Erneuerung im Angesicht der eigenen Geschichte. Aufschlussreich war diese Selbstbestimmung deshalb, weil Rolland in die Union sacrée auch das katholische und konservative Lager mit einschloss und damit alle ideologischen Strömungen auf das Erbe der Revolution verpflichtete. Gegenüber der universalen Mission, den deutschen Militarismus zu bekämpfen, traten die historischen Spannungsmomente zwischen laizistischem Republikanismus, Konservatismus und Katholizismus zurück. Aber die Strömungen verschwanden nicht, wie die Kontroverse um die Frage zeigte, ob die Philoso- 161 DDossier phie des Königsberger Philosophen Immanuel Kant verantwortlich für den Ausbruch des Krieges sei. Entschiedene Republikaner identifizierten mit Kant Rationalismus und den Respekt vor der moralischen Autonomie des Individuums, während Antirepublikaner mit Kant nicht allein den deutschen Philosophen, sondern auch das Erbe der Französischen Revolution und die Dritte Republik verurteilten. In dieser Debatte ging es darum, das Erbe des Republikanismus zu bewerten - und hier wurden die gegensätzlichen Positionen und Lager aus der Phase der Dreyfus- Affäre erneut sichtbar. 25 So produzierte die Union sacrée keinesfalls ein homogenes und widerspruchsfreies Selbstbild der französischen Nation. Das Ergebnis war ein eigenartiges Amalgam nationalhistorischer Erinnerungsorte, keinesfalls ohne Spannungen und Widersprüche, aber vereint im Bewusstsein der universellen historischen Mission: „Wir haben ein neues Weltzeitalter eingeläutet [ ] Frankreich ist noch nicht am Ende. Wir erblicken seine Auferstehung. Stets dasselbe: Bouvines, Kreuzzüge, Kathedralen, Revolution, immer die Ritter der Welt, die Paladine Gottes.“ 26 Die Tatsache, dass sich gegen die Union sacrée zunächst tatsächlich kaum eine wirkungsvolle Opposition bildete, weder bei den Katholiken, die sich am laizistischen Bekenntnis zur sakralisierten Republik stören mochten, noch bei den Syndikalisten oder Sozialisten noch bei den Konservativen, unterstrich die unifizierende Wirkung des Gefühls, eine angegriffene Nation, das Opfer eines aggressiven Militarismus zu sein. Vor diesem Hintergrund traten die ideologischen Konflikte zurück, ohne aber aufgehoben zu sein. Zudem zeigte sich, dass die Spannungen innerhalb der französischen Gesellschaft jedenfalls nicht mehr so groß waren, dass man mit Beginn des Krieges die Existenz der Dritten Republik in Frage stellte. Die für 1870/ 71 so charakteristische Verknüpfung aus Krieg und Bürgerkrieg spielte im August 1914 keinerlei Rolle mehr. Diese Merkmale charakterisierten auch die Reaktionen anderer führender Intellektueller wie Henri Bergson, Émile Durkheim, Ernest Lavisse oder Joseph Bédier, während die Vertreter der katholischen Kirche in der Betonung ihrer Loyalität die Chance erkannten, den Ausgleich mit dem republikanischen Staat zu befördern. In London verglich der Bischof von London die britischen Soldaten mit Jesus Christus. Sie führten einen heiligen Krieg für Freiheit, Ehre und Ritterlichkeit. 27 Viele Intellektuelle erkannten in dem Krieg einen Kampf zwischen Gut und Böse. Man führe Krieg gegen den preußischen Militarismus, aber man unterschied zugleich zwischen dem autokratischen Regime und dem deutschen Volk. Der führende britische Historiker A. L. Smith hob hervor, dass erst der Krieg eine nationale Einheit als emotionale Kohärenz schaffe, er offenbare die eigentlichen Grundlagen der modernen Nation, nämlich die Gemeinschaft von Lebenden, Toten und Ungeborenen - ein signifikanter Versuch, der Nation eine historische Legitimation und überzeitliche Dimension als Erfahrungs-, Erinnerungs- und Zukunftsgemeinschaft zu verleihen. 28 Wiederum spielten wie in Deutschland Universitätsprofessoren eine entscheidende Rolle. Führende Historiker der Universität Oxford, von der Kaiser Wilhelm II. noch 1907 einen Ehrendoktor erhalten hatte, publizier- 162 DDossier ten mit ihrem Essay We Are at War. Great Britain’s Case bereits 1914 eine Replik auf die Erklärungen der deutschen Hochschullehrer. 29 Sie hoben vor allem auf die deutsche Staatsphilosophie in der Tradition Hegels ab, in der sie eine gefährliche Staatsvergottung erkannten, die sich in der Geschichte des Deutschen Reichs seit 1871 schließlich mit dem Militarismus preußischer Prägung verbunden habe. Die Abkehr von den deutschen philosophischen Traditionen bot den Oxforder Historikern zugleich eine Grundlage, um das Selbstbild der politisch-parlamentarischen Freiheit Großbritanniens und vor allem der eigenen Rechtsordnung, der ‚rule of law‘, zu formulieren. 30 Dass genau diese Freiheitstradition mit den beschlossenen Sondergesetzen gerade suspendiert wurde, war in den ersten Kriegswochen kein Thema - aber die Krise des liberalen Ordnungsmodells sollte 1916/ 17 auch in Großbritannien offenbar werden. 4. Den langen Krieg begründen: Feindbilder, innere Spannungen und Modernitätskontroversen nach 1914 Mit der militärischen Stagnation an der Westfront am Ende des Jahres 1914 wurde die Dauer des Krieges unabsehbar, während die Zahl der Opfer an den Fronten unaufhörlich stieg. Aber wie sollten alle diese Anstrengungen begründet werden? 31 Der in seinen Positionsbestimmungen zuweilen schrille Kulturkrieg der Intellektuellen setzte sich auch im zweiten Kriegsjahr fort. Während ein Oxforder Theologe betonte, das „Zeitalter der deutschen Fußnoten“ sei zu Ende, 32 skizzierte der französische Historiker Jacques Bainville in seiner Geschichte zweier Völker von 1915 eine lange historische Konfliktgeschichte zwischen Deutschland und Frankreich, die im Weltkrieg kulminiert sei. Auch hier ging es um die programmatische Abgrenzung von einem „Krieg nach germanischer Art, einem barbarischen Krieg bewaffneter Nationen“, der schon jetzt zu den schlimmsten Erinnerungen der Menschheit gehöre. 33 Daraus sprach im Umkehrschluss auch das französische Selbstbild einer humanen Republik, die im Krieg für die ganze Menschheit kämpfe. Ähnlich diagnostizierte der französische Soziologe Émile Durkheim in seiner Auseinandersetzung mit Heinrich von Treitschkes Politik-Vorlesungen eine besondere deutsche Orientierung an rücksichtsloser Machtpolitik, am vermeintlichen Recht eines aufsteigenden Nationalstaates, der bereit war, mit allen völkerrechtlichen Prinzipien zu brechen. 34 Die deutsch-französische Auseinandersetzung auf der Ebene der intellektuellen Kriegsdeuter spiegelte eine vielfach verflochtene Konfliktgeschichte wider, in der geschichtspolitische Argumente eine entscheidende Rolle spielten. Die deutschen ‚Ideen von 1914‘ gegen die französischen ‚idées de 1789‘ in Stellung zu bringen, lud Selbst- und Feindbilder historisch auf. Das bildete einen wichtigen Kristallisationspunkt für zeitgenössische Selbstpositionierungen in Deutschland: So äußerte sich der Bruderzwist zwischen Heinrich und Thomas Mann als Konflikt zwischen westeuropäisch-transatlantischen Demokratievorstellungen und einem vermeintlich antipolitischen Rückzug auf Kultur und Mittellage Deutschlands. Ohne die Aus- 163 DDossier einandersetzung mit Frankreich war diese Opposition unvorstellbar. 1915 wurde der Streit durch die Publikation von zwei programmatischen Essays exemplarisch sichtbar. Mit seinem Aufsatz „Friedrich und die große Koalition“ griff Thomas Mann auf Friedrich den Großen in der Situation Preußens am Beginn des Siebenjährigen Krieges zurück, um die deutsche Politik im Weltkrieg zu rechtfertigen. Ausführlich ging er auf die Einkreisung Preußens durch seine Gegner Österreich, Russland und Frankreich vor 1756 ein, weil sich damit eine historische Situation ergab, die auf das Problem Deutschlands im August 1914 zu passen schien. 35 Der preußische Angriff auf das neutrale Sachsen entsprach für ihn der Besetzung Belgiens durch deutsche Truppen im August 1914: „Tat Friedrich dem Buchstaben nach unrecht, brach er eine Neutralität, die auf dem Papiere stand und deren Verrat nicht auf dem Papiere stand, so handelte er in bitterster Notwehr.“ Mann begründete dies mit dem Recht eines aufstrebenden Staates, das nicht von seiner historischen Mission zu trennen war. Auch hier lieferte das Beispiel Preußens eine Folie für die deutsche Politik im Sommer 1914: „Er war nicht im Recht, sofern Recht eine Konvention, das Urteil der Majorität, die Stimme der ‚Menschheit‘ ist. Sein Recht war das Recht der aufsteigenden Macht, ein problematisches, noch illegitimes, noch unerhärtetes Recht, das erst zu erkämpfen, zu schaffen war [ ] Nur wenn sich durch den Erfolg herausstellte, dass er der Beauftragte des Schicksals war, nur dann war er im Recht und war immer im Recht gewesen.“ Ein „Angriffskrieg“ sei es 1756 gewesen, „denn die junge, die aufsteigende Macht ist psychologisch genommen immer im Angriff“ und Friedrich habe ihn „zuvorkommend vom Zaune“ gebrochen, doch zugleich ein „Verteidigungskrieg: denn Preußen war ja ‚eingekreist‘ und sollte baldtunlichst vernichtet werden“. Im Falle Preußens habe die „schwerste und verzweifeltste Verteidigung sich notwendig in die Form des Angriffs“ gerettet. Das alles zitierte das 18. Jahrhundert, um Deutschland im Weltkrieg das bessere Recht eines historisch aufsteigenden Machtstaates zuzuweisen. 36 Mochte Thomas Mann einstweilen an solchen Selbstinterpretationen festhalten - für seinen Bruder waren sie längst brüchig geworden. Schon in seinen Romanen Professor Unrat oder das Ende eines Tyrannen und Der Untertan hatte Heinrich Mann sich als scharfer Kritiker der wilhelminischen Gesellschaft vor 1914 gezeigt. In seiner von Idealisierungen keinesfalls freien Sicht auf Frankreich und sein republikanisches Erbe der Revolution geißelte er die Bereitschaft des deutschen Bürgertums, sich einem autoritären Staat mit seinen vielfach feudalen Überbleibseln unterzuordnen. Hinter dem vermeintlich modernen Charakter der deutschen Gesellschaft des Kaiserreichs erblickte er eine Mischung aus aggressivem Nationalismus und materieller Fortschrittsfixierung, auf die sich nicht zuletzt auch die SPD und die Gewerkschaften seiner Ansicht nach zu einseitig eingelassen hatten. 1915 veröffentlichte Heinrich Mann in der Monatszeitschrift Die Weißen Blätter einen längeren Essay über Émile Zola, den naturalistischen Schriftsteller Frankreichs, der in seinem Einsatz für den zu Unrecht verurteilten jüdischen Hauptmann Dreyfus zum Helden der Demokraten und entschiedenen 164 DDossier Republikaner geworden war. In seinem Essay ging es Mann vordergründig um den Kampf Zolas gegen das Regime Napoleons III. vor 1870, die politischen und sozialen Zustände Frankreichs in den 1850er und 1860er Jahren und den Wechsel zur demokratischen Republik, der in der Folge der militärischen Niederlage gegen Preußen-Deutschland 1870/ 71 erfolgt war. Doch jedem deutschen Leser war 1915 bewusst, dass Mann das autoritäre Regime Napoleons III. zitierte, um die deutsche Situation ein Jahr nach Kriegsausbruch zu kommentieren. Aus diesem Oszillieren zwischen dem historischen Frankreich und dem gegenwärtigen Deutschland, aber auch aus der indirekten Auseinandersetzung mit den Positionen seines Bruders, schöpfte der Text seine Wirkung. Die Niederlage des Kaiserreichs 1870 interpretierte Heinrich Mann als demokratisch-republikanischen Neuanfang: „Demokratie aber ist hier ein Geschenk der Niederlage. Das Mehr an allgemeinem Glück, die Zunahme der menschlichen Würde, Ernst und Kraft, die wiederkehren, und eine Geistigkeit, bereit zur Tat: Geschenke der Niederlage.“ Sieg und Niederlage wurden für Mann zu Chiffren für den inneren Zustand der Gesellschaft: „Wer die Wahrheit hat, erwirbt den Sieg. Niederlage ist eine Bestätigung, dass ihr in Lüge lebtet. Was entscheidet in ‚La Débâcle‘? Dass dem Heer der Glaube fehlt. Niemand im Grunde glaubt noch an das Kaiserreich, für das man doch siegen soll. Man glaubt zuerst noch an seine Macht, man hält es fast für unüberwindlich.“ Macht müsse, davon war Heinrich Mann überzeugt, auf dem Recht gründen. Sei dies nicht der Fall, werde der Begriff des Vaterlandes entwertet: „jetzt sind die Unterdrücker wirklich, was zu sein sie so lange frech behaupteten: das Vaterland! Nicht nur mit kämpfen müsst ihr für sie, die das Vaterland sind, ihr müsst mit fälschen, mit Unrecht tun, müsst euch mit beschmutzen. Ihr werdet verächtlich wie sie. Was unterscheidet euch noch von ihnen? Ihr seid besiegt noch vor der Niederlage.“ 37 Spielte in der Auseinandersetzung zwischen den Brüdern Mann Frankreich eine entscheidende Rolle, so geriet 1915 vor allem Großbritannien in den Fokus der deutschen Intellektuellen. Dadurch schwächte sich in der deutschen Publizistik das antirussische Feindbild ab, das noch im Sommer 1914 so entscheidend für die Integration der SPD in die Burgfriedenskonstellation gewesen war. Die ideologische Auseinandersetzung mit Großbritannien reichte dabei weit über die Grußformel ‚Gott strafe England! ‘ hinaus, obwohl gerade sie die populäre Verbreitung der antienglischen Selbstvergewisserung widerspiegelte. Dieses Feindbild reichte über die antifranzösischen und antirussischen Vorstellungen hinaus. Im Kontrast zu neuen Integrationsbegriffen wie Gemeinwirtschaft oder Kriegssozialismus verkörperte die britische Kriegführung einen unehrlichen Kapitalismus, in dem die eigenen Kriegsopfer umgangen wurden - dem entsprach in der Wahrnehmung deutscher Autoren das angekaufte Söldnerheer im Gegensatz zur Nation in Waffen. In seinem Buch Händler und Helden. Patriotische Besinnungen von 1915 operierte Sombart geschickt mit den Stereotypen kleinlich-geiziger ‚shopkeeper‘ in England und heroischer deutscher Individuen, die den Kampf als Testfall der histo- 165 DDossier rischen Auslese begriffen. Für Sombart bedeutete der Krieg eine Auseinandersetzung zwischen grundlegenden Prinzipien: Englischer Materialismus und Komfort standen gegen die Fähigkeit der Deutschen, in einer Situation über sich hinauszuwachsen. Ausdruck dieses Gegensatzes sei die englische Auffassung des Krieges nicht als existenzielle Prüfung, sondern als ein Sport. Als der deutsche Kreuzer Emden versenkt worden sei, habe man sich in der englischen Presse vor allem auf den Kapitän des Schiffes konzentriert: [D]er heldenhafte Kapitän von Müller wurde in alle Himmel gehoben. Wenn er nach London käme [ [ würde er der gefeiertste Mann sein. Warum? Weil er Heldentaten vollführt hatte in treuer Pflichterfüllung gegen Kaiser und Reich? Ach nein! Sondern weil er so hervorragende - sportliche Leistungen vollbracht hatte! [ ] Nirgends vielleicht tritt die völlige Kommerzialisierung auch des Krieges so deutlich in die Erscheinung als in dieser unbewussten Verwechslung von Krieg und Sport. Denn aus der innersten Seele des Händlers, der den Krieg nimmermehr begreifen kann, ist der Sport geboren. 38 Der Krieg offenbarte die deutschen Soldaten als Verkörperungen von Goethes Klassizität und Nietzsches heroischem Menschen gegen die angekauften Söldner als Symbole der englischen Krankheit, und das hieß der völligen Kommerzialisierung und moralischen Degeneration aller Werte. In dieser Perspektive war der Militarismus für Sombart nichts anderes als „der zum kriegerischen Geist hinaufgesteigerte heldische Geist. Er ist Potsdam und Weimar in höchster Vereinigung. Er ist ‚Faust‘ und ‚Zarathustra‘ und Beethoven-Partitur in den Schützengräben. Denn auch die Eroica und die Egmont-Ouvertüre sind doch wohl echter Militarismus.“ 39 Was zeigte diese anhaltende Flut von Selbstvergewisserungen und ideologischen Abgrenzungen? Wenn sich 1915 ein Leitmotiv abzeichnete, dann in der besonderen Auseinandersetzung mit den von Deutschland verkörperten Fortschrittsvorstellungen. Das machte die Kriegsbegründungen zugleich zu Debatten um Modernitätsansprüche, und es legte im Blick auf das Kaiserreich eine Ungleichzeitigkeit von historischen Entwicklungsprozessen offen. Ob in der Selbstdefinition deutscher Autoren, die vor dem Hintergrund von Kriegskorporatismus, Gemeinwirtschaft und Kriegssozialismus die Abkehr vom britischen Kapitalismus vollzogen, in der Kritik französischer und britischer Autoren am deutschen Machtstaatsideal oder in der wahrgenommenen Ambivalenz von kulturellen und wissenschaftlichen Leistungen und einem Militarismus, der im Krieg die Enthemmung jeglicher Gewalt bedeutete: Das Janusgesicht dieses deutschen Nationalstaats als Kulturträger und als effiziente Kriegsmaschine, das Nebeneinander von Modernität und Fortschritt sowie Barbarei und Rechtsbruch bildete einen entscheidenden Referenzpunkt zahlloser Kriegsschriften, egal ob Deutschland darin verteidigt oder verurteilt wurde. 166 DDossier 5. Entwertung, Desillusionierung und Suche nach neuen Werten: Die konkrete Kriegserfahrung der Schriftsteller Jeder Krieg sei ironisch, weil jeder Krieg schlimmer als zuvor erwartet sei. Dieses berühmte Diktum von Paul Fussell gilt in exemplarischer Weise für das, was sich im August 1914 vollzog. 40 Kriegserwartungen und Kriegserfahrungen sollten bereits innerhalb der ersten Tage, Wochen und Monate so weitgehend auseinanderfallen wie in keinem anderen Krieg zuvor. Das machte einen entscheidenden Teil des brutalen Wirklichkeitsumbruchs aus, der sich bereits im August 1914 zeigte - nun aber nicht mehr allein in Kasernen und auf städtischen Plätzen, in Wohnzimmern und auf Bauernhöfen, sondern auf den glühendheißen Feldern Belgiens und Nordfrankreichs, in den Wäldern Galiziens und Ostpreußens. Jetzt wurden die ganz unterschiedlichen Erwartungen mit einer Explosion von Gewalterfahrungen konfrontiert, die alle Erwartungen binnen kurzer Frist entwerteten - und gerade Schriftsteller, die dies als Soldaten unmittelbar erlebten, fanden zu Deutungen dieser radikal veränderten Wirklichkeit, die sich fundamental von den intellektuellen Schreibtischdebatten unterschieden. Nirgendwo wurde die Entwertung aller Vorkriegserwartungen so deutlich wie hier. 41 Die Macht des Zufalls, die darüber entschied, ob man den Krieg überlebte oder nicht, wurde zu einem Leitmotiv der soldatischen Fronterfahrung. 42 Robert Musil erlebte im September 1915 den Einschlag eines italienischen Fliegerpfeils unmittelbar neben sich. Fliegerpfeile waren zehn bis 15 Zentimeter lange Stahlpfeile, die Kampfpiloten aus ihren Flugzeugen abwarfen. Für Musil nahm dieses Erlebnis den Stellenwert einer eigenen Initiation an, in dem sich das Nichtwissen um den Einschlag mit dem Wissen um die Präsenz und unmittelbare Nähe des Todes verband: Das Schrapnellstück oder der Fliegerpfeil auf Tenna: Man hört es schon lange. Ein windhaft pfeifendes oder windhaft rauschendes Geräusch. Immer stärker werdend. Die Zeit erscheint einem sehr lange. Plötzlich fuhr es unmittelbar neben mir in die Erde. Als würde das Geräusch verschluckt. Von einer Luftwelle nichts erinnerlich. Muß aber so gewesen sein, denn instinktiv riß ich meinen Oberleib zur Seite und machte bei feststehenden Füßen eine ziemlich tiefe Verbeugung. Dabei von Erschrecken keine Spur, auch nicht von dem rein nervösen wie Herzklopfen, das sonst bei plötzlichem Choc auch ohne Angst eintritt. - Nachher sehr angenehmes Gefühl. Befriedigung, es erlebt zu haben. Beinahe Stolz; aufgenommen in eine Gemeinschaft, Taufe. 43 Dieses Gefühl, dem Tod jederzeit ausgesetzt zu sein, blieb aber nicht auf die unmittelbare Schlacht allein beschränkt. Der französische Schriftseller Gabriel Chevallier verarbeitete in seinem Roman Heldenangst in seinem alter ego, dem französischen Rekruten Jean Dartemont, seine eigenen Kriegserfahrungen. Dartemont beschrieb eine völlig veränderte Wahrnehmung von Himmel und Sonnenaufgang als Chiffren von Natur und Zeit, die in der Vorkriegsgesellschaft Zeichen des Friedens gewesen waren, jetzt aber zu bedrohlichen Fallen wurden, wenn die Aufmerksamkeit der Soldaten nachließ: 167 DDossier Das rosa Morgenlicht, die stille Dämmerung, der warme Mittag sind Fallen. Die Freude wird für uns ausgelegt wie ein Köder. Von körperlichem Behagen erfüllt, streckt ein Mann seinen Kopf aus dem Schützengraben und wird getötet. Einem mehrstündigen Beschuss fallen nur wenige Männer zum Opfer, und eine einzige, aus Langeweile abgeschossene Granate fällt mitten in einen Zug und vernichtet ihn. Ein Soldat ist nach alptraumhaften Tagen von Verdun zurückgekehrt, und beim Exerzieren explodiert ihm eine Handgranate in der Hand, sie reißt ihm den Arm ab und zerfetzt ihm die Brust.“ 44 Akribisch beschrieb Chevallier, dass und wie sich Soldaten nicht als Täter, sondern eher als Opfer von technologisch anspruchsvollen Waffen, Geschossen und einem Gewaltsystem verstanden, das allenfalls in kurzen Momenten durch die gegnerischen Soldaten, durch konkrete Personen also, sichtbar wurde. Ansonsten handelte es sich um eine weitgehend entindividualisierte Erfahrung, die aber auf die Psyche der betroffenen Soldaten umso stärker einwirkte. Genau daraus resultierte auch die Neigung, den Gegner nicht im Licht jener nationalen Feindbilder zu sehen, die zu Kriegsbeginn dominiert hatten und in den Heimatgesellschaften und an vielen Schreibtischen von Intellektuellen an der Heimatfront präsent blieben oder sich sogar noch vertieften. Ganz anders die Reaktion Chevalliers: Er hob auf die gemeinsame Erfahrung aller Soldaten ab, die aus prinzipiell gleichen Gefahren und Lebensbedingungen auf beiden Seiten der Front resultierte: Der Gegner blieb Gegner, aber er war situativ auch immer wieder Kamerad. Gerade der Abstand zu den Kommandeuren der Etappe, die Differenz zwischen horizontaler und vertikaler Erfahrung, zwischen relativer Gleichheit der soldatischen Lebenswelt und der kritischen Sicht der militärischen Hierarchie bildete für diese Deutung einen entscheidender Ansatzpunkt, wie auch Jean Dartemont resümierte: Daher ist der Schrei, der manchmal aus den deutschen Schützengräben erschallt, ‚Kamerad Franzose‘, wahrscheinlich ernst gemeint. Der ‚Fritz‘ ist dem ‚Poilu‘ näher als seinem eigenen Feldmarschall. Und der ‚Poilu‘ ist dem ‚Fritz‘ aufgrund des gemeinsamen Elends näher als den Leuten in Compiègne. Unsere Uniformen sind unterschiedlich, doch wir sind alle Proletarier der Pflicht und der Ehre, Bergarbeiter, die in konkurrierenden Grubenunternehmen arbeiten, doch vor allem gleich entlohnte Bergarbeiter, die gleichermaßen von schlagenden Wettern bedroht werden. 45 Aus der Erfahrung der Todeszonen zogen Schriftsteller im Krieg auch radikale Schlüsse. Henri Barbusse, der Autor des schonungslosen Kriegsbuches Le feu, betonte 1918: „Menschheit statt Nation. 1789 riefen die Revolutionäre: ‚Alle Franzosen sind gleich.‘ Wir sagen: ‚Alle Menschen! ‘ Die Gleichheit erfordert gemeinsame Regeln für alle Menschen der Erde.“ 46 Dieser Satz, diese Hoffnung, der Weltkrieg sei mit seinen entsetzlichen Opfern nicht umsonst gewesen, weil er eine neue Weltinnenordnung geschaffen habe, hat im Prinzip seinen normativen Anspruch bis heute nicht verloren, auch wenn niemand behaupten kann, die Menschheit sei bei aller Verdichtung zum wirklichen Handlungssubjekt geworden - auch die Desillusionierung der globalen Hoffnungen auf ‚a war to end all wars‘ sollte eine Grunderfahrung des 20. Jahrhunderts werden. 47 168 DDossier Langfristig geriet durch den Krieg nicht nur das liberale Politikmodell unter Druck, sondern auch das Bild pluraler Gesellschaften, die am Ende des Krieges vielen Zeitgenossen als atomistisch galten. In seinen Betrachtungen eines Unpolitischen gab Thomas Mann 1918 seiner Verachtung für das westeuropäische Politik-Verständnis Ausdruck, das er mit dem modernen Gesellschaftsbegriff identifizierte: „Die Politik macht roh, pöbelhaft und stupid. Neid, Frechheit, Begehrlichkeit ist alles, was sie lehrt [ ] Ich will nicht die Parlaments- und Parteiwirtschaft, welche die Verpestung des gesamten nationalen Lebens mit Politik bewirkt [ ] Ich will nicht Politik. Ich will Sachlichkeit, Ordnung und Anstand“. 48 Aber es gab auch andere Wirkungen und Ansätze für eine Reformulierung des liberalen Paradigmas. So schufen Kriegsende und Revolution für Ernst Troeltsch eine neue Situation. Die Distanzierung von seinen Positionen zu Kriegsbeginn setzte bereits in den Spectator-Briefen mit der Hoffnung an, der Ausgang des Weltkrieges werde auch das „Ende des Militarismus“ bedeuten. 49 In den Vordergrund rückte nun die Stabilisierung der neuen demokratischen Republik und die entscheidende Frage, wie vor dem Hintergrund der Traumatisierung des deutschen Bildungsbürgertums, das sich als der eigentliche Träger und Garant des 1871 begründeten Nationalstaates empfunden hatte und 1918 vor den Trümmern des Kaiserreichs und in gewisser Weise seiner eigenen Geschichte stand, eine Aussöhnung mit der demokratischen Republik gelingen konnte. Troeltschs Antwort auf die neue Situation, die er gemäß einer von Max Weber beeinflussten rationalen Wahrnehmungsstrategie als ‚Sachlage‘ charakterisierte, auf ihre Notwendigkeiten, aber auch auf die durch sie vergrößerten Handlungsspielräume, setzte auf eine geistige Regeneration, auf die Mobilisierung sozialmoralischer Werte, wo auf andere zunächst nicht zu hoffen war. Zu Beginn der Verfassungsberatungen der Nationalversammlung betonte er: „Das Werk Bismarcks muss erneuert und ersetzt werden, ohne den Hintergrund einer starken, realen Macht, ganz wesentlich mit Hilfe rein ideeller Kraftquellen“. 50 Deutschland sei von einer neuen „Fülle der Gegensätze“ bedroht, die an die Situation nach 1648 erinnere, und die nur im Zeichen einer Anknüpfung an die positiven Ideale von 1848 und deren konsequenter Weiterentwicklung überwunden werden könne. „Über Nacht“ sei Deutschland „zur radikalsten Demokratie Europas“ geworden, so Troeltsch in einem Vortrag vor dem Demokratischen Studentenbund am 16. Dezember 1918. 51 Auch in einer weiteren Hinsicht kam es bei Troeltsch zu einer bemerkenswerten Neupositionierung. Wo es im Krieg noch um die Distanzierung von der westeuropäischen Aufklärung und die Abqualifizierung englischen Materialismus und französischer Zivilisation gegangen war, die erst zur Einkreisung und zum Kulturkrieg gegen Deutschland geführt hätten, stand jetzt der Versuch der Synthese überstaatlicher und transnationaler Ideenmuster und die Suche nach den Berührungen zwischen deutscher und europäischer Kulturgeschichte im Vordergrund. Der kontrastierende Vergleich, der den Ideen von 1914 zugrundegelegen hatte, wurde ersetzt durch den Blick auf Transfers und Verflechtungen. Dem galt vor allem 169 DDossier Troeltschs programmatische Grundschrift über Naturrecht und Humanität in der Weltpolitik von 1922. 52 Das musste auch der Verfasser der Betrachtungen eines Unpolitischen anerkennen, der um 1922 selbst auf der Suche nach einer Brücke zur demokratischen Republik war. Thomas Mann anerkannte Troeltschs Einsatz für eine „Wiederannäherung des deutschen Gedankens an den mit bestimmten religiösen und ideologischen Elementen unseres Kulturkreises unlöslich verbundenen westeuropäischen“. Mit einem Anflug selbstkritischer Ironie fügte Mann hinzu: „Was [ ] hier von einem gelehrten Denker mit stärkender Bestimmtheit ausgesprochen wurde, das war, gefühlsweise, als dunkle Gewissensregung, seit Jahr und Tag in manchem Deutschen lebendig gewesen - in solchen vielleicht sogar, die im Zauberberge des romantischen Ästhetizismus recht lange und gründlich geweilt“. 53 6. Ausblick: Der Erste Weltkrieg und die neue Tektonik von Erwartungen und Erfahrungen im 20. Jahrhundert Was folgt aus alldem? 54 Der Erste Weltkrieg war viel mehr als die Vorgeschichte zu einer noch schlimmeren Katastrophe. Er offenbarte, was im Namen von Nation und Nationalstaat möglich war, und das Mögliche zeigte sich in zahllosen Tabubrüchen und Enthemmungen. Darin bestand die Krise einer besonderen Form einer europäischen Vergesellschaftung, die sich seit dem Ausgang des 17. Jahrhunderts und vor dem Hintergrund der konfessionellen Bürgerkriege entwickelt hatte. Sie hatte auf der Möglichkeit gegründet, Kriege durch Regeln einzuhegen, sie als Konflikte zwischen prinzipiell souveränen Staaten nicht eskalieren zu lassen, Gewalt zu kanalisieren und sie damit berechenbar zu machen. Das war nach den Erfahrungen der in der Folge der Französischen Revolution und Napoleons entstandenen Kriege im Prinzip auch zwischen 1815 und 1914 noch einmal gelungen - und lange Zeit hatte sich die internationale Staatenordnung angesichts der Entstehung neuer Nationalstaaten und ihrer imperialen Ausgriffe als flexibel erwiesen. Diese Epoche letztlich begrenzter Kriege kam mit dem Ersten Weltkrieg zu Ende: Die europäischen Kriegsgesellschaften verloren zwischen August 1914 und November 1918 ihre Fähigkeit, aus eigenen Kräften äußeren und inneren Frieden zu schließen und einer solchen Friedensordnung langfristig zu vertrauen. Das markierte einen entscheidenden Einschnitt für die Wahrnehmung Europas und der Glaubwürdigkeit der von seinen Staaten repräsentierten Ordnungsmodelle in der Welt. Der Sieger des Weltkrieges war keine Nation, kein Staat, kein Empire, und sein Ergebnis war keine Welt ohne Krieg. Der eigentliche Sieger war der Krieg selbst, das Prinzip des Krieges, der totalisierbaren Gewalt als Möglichkeit. Das wog langfristig umso schwerer, weil es im fundamentalen Gegensatz zu jenem Leitmotiv stand, das sich während des Krieges entwickelt hatte und das für viele ein entscheidender Grund gewesen war, den Krieg mit allen Mitteln fortzusetzen. Die 170 DDossier Hoffnung, ein letzter grausamer Krieg müsse am Ende gegen das Prinzip des Krieges überhaupt geführt werden, das Vertrauen darauf, dass der Weltkrieg ein allerletzter Krieg, ein ‚war that will end war‘ sei, sollte bitter enttäuscht werden. Denn bereits mit dem ganz ungleichzeitigen Ende des Weltkrieges, vor allem in den Zonen der zusammengebrochenen Großreiche Russlands, der Habsburgermonarchie und des Osmanischen Reiches, aber auch außerhalb Europas, war weit über 1918 hinaus allen rhetorischen Bekräftigungen einer neuen internationalen Ordnung zum Trotz das Prinzip des Krieges, der gewaltsamen Veränderung durch Mobilisierung aller zur Verfügung stehenden Ressourcen, verstärkt worden. Was sich durch den Krieg elementar veränderte, war der Blick auf die Möglichkeiten der Gewalt vor dem Hintergrund einer neuartigen Unübersichtlichkeit, eines Zeitalters der Frakturen, die zu neuen Kategorienbildungen zwang. Es war nach 1918 kein neuer stabiler Ordnungsrahmen - weder gesellschaftlich, noch politisch, noch international - erkennbar. Aber die neuen Modelle des Bolschewismus wie des Faschismus wandten sich unverkennbar gegen das liberale Erbe des 19. Jahrhunderts, nicht zuletzt in der ausgesprochenen Gewaltbereitschaft und dem entgrenzten Terror nach innen und außen. Das hatte mit vielfältigen Weltkriegserfahrungen zu tun, den Übergängen vom Staatenkrieg in die Revolution und den Bürgerkrieg genauso wie mit den enttäuschten Erwartungen in vielen Gesellschaften nach 1918. Um 1930 schien das Modell des liberalen Verfassungsstaates und der Parlamentarismus jedenfalls seine Zukunft hinter sich zu haben. Hinter dieser tiefgreifenden Erschütterung wurde etwas anderes sichtbar. Stärker als in jedem Krieg zuvor und danach traten im Ersten Weltkrieg Erwartungen und Erfahrungen auseinander. Walter Benjamin schrieb 1933 im Rückblick Nein, soviel ist klar: die Erfahrung ist im Kurse gefallen und das in einer Generation, die 1914-1918 eine der ungeheuersten Erfahrungen in der Weltgeschichte gemacht hat [ ] Denn nie sind Erfahrungen gründlicher Lügen gestraft worden, als die strategischen durch den Stellungskrieg, die wirtschaftlichen durch die Inflation, die körperlichen durch den Hunger, die sittlichen durch die Machthaber. Eine Generation, die noch mit der Pferdebahn zur Schule gefahren war, stand unter freiem Himmel in einer Landschaft, in der nichts unverändert geblieben war als die Wolken, und in der Mitte, in einem Kraftfeld zerstörender Ströme und Explosionen, der winzige, gebrechliche Menschenkörper. 55 Was aber war die Konsequenz dieser radikalen Entwertung von Erwartungen durch eine Explosion von Gewalterfahrungen in kurzer Frist seit dem Sommer 1914? Bis in die frühe Neuzeit waren Erwartungshorizonte und Erfahrungsräume in einem zyklischen Zeitverständnis aufeinander bezogen geblieben. Zwischen 1770 und 1850 brach diese Zeitvorstellung auseinander, weil die Erwartungen der Menschen im Zeitalter der Französischen Revolution weit über ihre Erfahrungen hinausschossen. 56 Das, was im August 1914 begann und im November 1918 nicht endete, kehrte diese Tektonik radikal um: Nun entlarvte der Krieg die Fortschrittserwartungen, jenes Erbe des 19. Jahrhunderts, als harmlose Szenarien, die der Dynamik der Erfahrungen in diesem Krieg nicht mehr standhielten. Das Ergebnis war eine Glaubwürdigkeitskrise in nahezu allen Lebensbereichen: eine Krise der 171 DDossier Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, der ideologischen Entwürfe zur Rechtfertigung von Staaten und Reichen, von Nationen, Ethnien und Klassen. Darin, in dieser elementaren Verunsicherung, in verkürzten Geltungsfristen und Halbwertzeiten großer Ordnungsideen, liegt ein Erbe des Krieges bis in die Gegenwart. 1 Krieg-mobil! , zit. nach: Bernd Ulrich / Jakob Vogel / Benjamin Ziemann (ed.), Untertan in Uniform. Militär und Militarismus im Kaiserreich 1871-1914. Quellen und Dokumente, Frankfurt / M., Fischer, 2001, 215sq. 2 Franz Kafka, Tagebücher, Textband, ed. Hans-Gerd Koch / Michael Müller / Malcolm Pasey, in: id., Schriften, Tagebücher, Briefe. Kritische Ausgabe, Frankfurt / M., Fischer, 1990, 543. 3 Cf. im folgenden Jörn Leonhard, Die Büchse der Pandora. Geschichte des Ersten Weltkriegs, 5. Aufl., München, Beck, 2014, 236-250 und 415-424. 4 Hermann Hesse, „O Freunde, nicht diese Töne! “, in: Neue Zürcher Zeitung, 3. November 1914; Heimo Schwilk, Hermann Hesse. Das Leben des Glasperlenspielers, München / Zürich, Piper, 2012, 169-195. 5 Hugo von Hoffmannsthal, „Österreichs Antwort“, in: Neue Freie Presse, 24. September 1914, Morgenblatt, 1; Arthur Schnitzler, Tagebuch, 5. August 1914, in: id., Tagebuch, Bd. 5: 1913-1916, Wien, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 1983, 128-129; Edmund de Waal, Der Hase mit den Bernsteinaugen (engl.: 2010), Wien, Zsolnay, 2011, 188. 6 Robert Musil, Tagebücher, ed. Adolf Frisé, Reinbek, Rowohlt, 1983, 299; Karl Corino, Robert Musil. Leben und Werk in Bildern und Texten, Reinbek, Rowohlt, 1989, 221. 7 Ibid. 8 Ernst Troeltsch, „Nach der Erklärung der Mobilmachung, 2. August 1914“, in: Peter Wende (ed.), Politische Reden, Bd. 3: 1914-1945, Frankfurt / M., Deutscher Klassiker- Verlag, 1994, 9-19, hier: 10sqq. und 15sq. 9 Ibid., 17-18. 10 Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff, „Krieges Anfang, 27. August 1914“, in: Peter Wende (ed.), Politische Reden, Bd. 3 (wie Anm. 8), 20-29, hier: 21-22 und 23-24. 11 Michael Klepsch, Romain Rolland im Ersten Weltkrieg. Ein Intellektueller auf verlorenem Posten, Stuttgart / Berlin / Köln, Kohlhammer, 2000, 53-64. 12 Brief Rollands an Hauptmann und seine Antwort, zit. nach: Wolfgang Schivelbusch, Die Bibliothek von Löwen. Eine Episode aus der Zeit der Weltkriege, München, Hanser, 1988, 27sq.; Rüdiger vom Bruch, „Aufruf der 93“, in: Gerhard Hirschfeld / Gerd Krumeich / Irina Renz (ed.), Enzyklopädie Erster Weltkrieg, 2. Aufl., Paderborn, Schöningh, 2004, 356sq. 13 Jürgen von Ungern-Sternberg / Wolfgang von Ungern-Sternberg, Der Aufruf „An die Kulturwelt“. Das Manifest der 93 und die Anfänge der Kriegspropaganda im Ersten Weltkrieg, Stuttgart, Steiner, 1996, 144sq. 14 Johann Plenge, 1789 und 1914. Die symbolischen Jahre in der Geschichte des politischen Geistes, Berlin, Springer, 1916, 111sqq.; Jörn Leonhard, „Vom Nationalkrieg zum Kriegsnationalismus - Projektion und Grenze nationaler Integrationsvorstellungen in Deutschland, Großbritannien und den Vereinigten Staaten im Ersten Weltkrieg“, in: Ulrike von Hirschhausen / Jörn Leonhard (ed.), Nationalismen in Europa. West- und Osteuropa im Vergleich, Göttingen, Wallstein, 2001, 204-240. 172 DDossier 15 Steffen Bruendel, Volksgemeinschaft oder Volksstaat. Die „Ideen von 1914“ und die Neuordnung Deutschlands im Ersten Weltkrieg, Berlin, Akademie-Verlag, 2003, 16sqq, 20-28 und 110-116; Jeffrey Verhey, „Ideen von 1914“, in: Hirschfeld / Krumeich / Renz (ed.), Enzyklopädie Erster Weltkrieg (wie Anm. 12), 568sqq. 16 Hermann Kurzke, Thomas Mann. Das Leben als Kunstwerk, München, Beck, 1999, 238. 17 Zit. nach: ibid., 241. 18 Thomas Mann, „Gedanken im Kriege“, in: id., Große kommentierte Frankfurter Ausgabe, Bd. 15/ 1: Essays II 1914-1926, ed. Hermann Kurzke, Frankfurt / M., Fischer, 2002, 27-46, hier: 27, 31. 19 Kurzke, Thomas Mann (wie Anm. 16), 239sq. 20 Mann, „Gedanken im Kriege“ (wie Anm. 18), 37. 21 Ibid., 37sq.; Rolf Peter Sieferle, „Der deutsch-englische Gegensatz und die ‚Ideen von 1914‘“, in: Gottfried Niedhart (ed.), Das kontinentale Europa und die britischen Inseln. Wahrnehmungsmuster und Wechselwirkungen seit der Antike, Mannheim, Palatium- Verlag im J-&-J-Verlag, 1993, 139-160; Peter de Mendelssohn, Der Zauberer. Das Leben des Schriftstellers Thomas Mann, Bd. 2: 1905 bis 1918, Neuausgabe Frankfurt / M., Fischer, 1996, 1616sq. 22 Cf. im folgenden Leonhard, Büchse der Pandora (wie Anm. 3), 246-249. 23 Hermann Grampp, „Besatzungsmacht Wagner. Der französische Kriegsbann von 1914“, in: Sven Oliver Müller / Sarah Zalfen (ed.), Besatzungsmacht Musik. Zur Musik- und Emotionsgeschichte im Zeitalter der Weltkriege (1914-1949), Bielefeld, transcript, 2012, 233-254. 24 Robert Gildea, Children of the Revolution. The French, 1799-1914, London, Allen Lane, 2008, 437-443. 25 Martha Hanna, The Mobilization of Intellect. French Scholars and Writers During the Great War, Cambridge / Mass., Harvard Univ. Press, 1996, 106-141. 26 Romain Rolland, „Au-dessus de la mêlée, Lettre ouverte du 15 Septembre 1914“, Paris 1914, zit. nach: Philippe Contamine, „Mourir pour la patrie X e -XX e siècle“, in: Pierre Nora (ed.), Les lieux de mémoire, 3 Bde., Paris, Gallimard, 1997, hier: Bd. 2, 1673-1698, hier: 1694. 27 Franz-Josef Brüggemeier, Geschichte Großbritanniens im 20. Jahrhundert, München, Beck, 2010, 108. 28 Stuart Wallace, War and the Image of Germany. British Academics 1914-1918, Edinburgh, Donald, 1988, 77. 29 Hartmut Pogge von Strandmann, „Germany and the Coming of War“, in: Robert John Weston Evans / Hartmut Pogge von Strandmann (ed.), The Coming of the First World War, Oxford, Clarendon Press, 1988, 87-124, hier: 87sqq. 30 Why We Are at War. Great Britain’s Case. By Members of the Faculty of Modern History, 3. Aufl., Oxford, Clarendon, 1914, 108-117; Peter Hoeres, Krieg der Philosophen. Die deutsche und die britische Philosophie im Ersten Weltkrieg, Paderborn, Schöningh, 2004. 31 Cf. im folgenden Leonhard, Büchse der Pandora (wie Anm. 3), 415-421. 32 Leonard T Hobhouse, The Metaphysical Theory of the State, London, Allen & Unwin, 1921, 6; Wallace, War and the Image of Germany (wie Anm. 28), 36sq.; Peter Pulzer, „Vorbild, Rivale und Unmensch. Das sich wandelnde Deutschlandbild in England 1815- 1945“, in: Hans Süssmuth (ed.), Deutschlandbilder in Dänemark und England, in Frankreich und den Niederlanden, Dokumentation der Tagung „Deutschlandbilder in Dänemark und England, in Frankreich und den Niederlanden“ 15.-18. Dezember 1993, Baden- Baden, Nomos, 1996, 235-250, hier: 241. 173 DDossier 33 Jacques Bainville, Histoire de deux peuples. La France et l’Empire Allemand, Paris, Nouvelle Libraire Nationale, 1915, 307. 34 Heinrich August Winkler, Geschichte des Westens, Bd. 2: Die Zeit der Weltkriege, 1914- 1945, München, Beck 2011, 29-31. 35 Thomas Mann, „Friedrich und die große Koalition. Ein Abriss für den Tag und für die Stunde“, in: id., Große kommentierte Frankfurter Ausgabe (wie Anm. 18), Bd. 15/ 1, 55- 122, hier: 78. 36 Ibid., 107, 115. 37 Heinrich Mann, „Zola“, in: id., Essays und Publizistik, Bd. 2: Oktober 1904 bis Oktober 1918, ed. Manfred Hahn, Bielefeld, Aisthesis, 2012, 147-208, hier: 179sq. 38 Werner Sombart, Händler und Helden. Patriotische Besinnungen, München / Leipzig, Duncker und Humblot 1915, 47sq. 39 Ibid., 84sq. 40 Paul Fussell, The Great War and Modern Memory (1975). With a New Introduction by Jay Winter, Oxford, Oxford Univ. Press, 2013, 7; James J. Sheehan, Kontinent der Gewalt. Europas langer Weg zum Frieden (engl.: 2008), München, Beck, 2008, 97. 41 Cf. im folgenden Leonhard, Büchse der Pandora (wie Anm. 3), 325-330. 42 Henning Ritter, Notizhefte, 4. Aufl., Berlin, Berlin-Verlag, 2010, 369. 43 Musil, Tagebücher, 22. September 1915 (wie Anm. 7), 312; Corino, Robert Musil (wie Anm. 7), 238. 44 Gabriel Chevallier, Heldenangst (franz.: La Peur, 1930), München, Nagel & Kimche, 2010, 342sq. 45 Ibid., 344. 46 Henri Barbusse, Der Schimmer im Abgrund. Ein Manifest an alle Denkenden, dt. Ausgabe von Iwan Goll, Basel, o.J., 60. 47 Reinhart Koselleck, „Patriotismus. Gründe und Grenzen eines neuzeitlichen Begriffs“, in: id., Begriffsgeschichten, Frankfurt / M., Suhrkamp, 2006, 218-239, hier: 238sq. 48 Thomas Mann, „Betrachtungen eines Unpolitischen“, in: id., Große Kommentierte Frankfurter Ausgabe (wie Anm. 18), Bd. 12/ 1, 251sqq. 49 Ernst Troeltsch, Spektator-Briefe. Aufsätze über die deutsche Revolution und die Weltpolitik 1918/ 1924, Tübingen, Mohr, 1924, 1; Jörn Leonhard, „‚Über Nacht sind wir zur radikalsten Demokratie Europas geworden‘ - Ernst Troeltsch und die geschichtspolitische Überwindung der Ideen von 1914“, in: Friedrich Wilhelm Graf (ed.), „Geschichte durch Geschichte überwinden“. Ernst Troeltsch in Berlin, Gütersloh, Gütersloher Verlagshaus, 2006, 205-230. 50 Ernst Troeltsch, „Nationalgefühl (Februar 1919)“, in: id., Schriften zur Politik und Kulturphilosophie (1918-1923), ed. Gangolf Hübinger, Kritische Gesamtausgabe, Bd. 15, Berlin, de Gruyter, 2002, 55-59, hier: 56, 59. 51 Ernst Troeltsch, „Demokratie (August 1919)“, in: ibid., 207-224, hier: 211. 52 Ernst Troeltsch, „Naturrecht und Humanität in der Weltpolitik (April 1923)“, in: ibid., 477- 512. 53 Thomas Mann, „Naturrecht und Humanität in der Weltpolitik“, in: Frankfurter Zeitung, 25. Dezember 1923, zit. nach: id., Gesammelte Werke in dreizehn Bänden, hier: Bd. 12, Frankfurt / M., Fischer, 1974, 627-629; Jörn Leonhard, „Das Dilemma von Erwartungen und Erfahrungen. Liberale im Ersten Weltkrieg“, in: Jahrbuch zur Liberalismus-Forschung 26 (2014), 193-215. 54 Cf. im folgenden Leonhard, Büchse der Pandora (wie Anm. 3), 998-1012. 174 DDossier 55 Walter Benjamin, „Erfahrung und Armut (Dezember 1933)“, in: id., Gesammelte Schriften, Bd. 2/ 1, Frankfurt / M., Suhrkamp, 1977, 213-219, hier: 214. 56 Reinhart Koselleck, „‚Erfahrungsraum‘ und ‚Erwartungshorizont‘ - zwei historische Kategorien“, in: id., Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten, Frankfurt / M., Suhrkamp, 1989, 349-375 175 DDossier Marina Ortrud M. Hertrampf Zwischen Patriotismus und Pazifismus Romain Rollands literarische Auseinandersetzung mit dem Ersten Weltkrieg „Die Sammlung seiner Kriegsaufsätze (Au-dessus de la mêlée, 1915) wird mit sehr wenigen anderen Büchern übrigbleiben, wenn die Papierberge der Kriegsliteratur zerstoben sind“, hatte Curtius (1923: 114) in Die literarischen Wegbereiter des neuen Frankreich konstatiert. Und in der Tat ist Romain Rolland heute - wenn überhaupt - vor allem aber wegen seines umfangreichen expositorischen Schriftwerkes aus den Kriegsjahren im öffentlichen Bewusstsein präsent. So machte der von tragischem Pathos erfüllte und zugleich unerschrocken mutige Aufschrei gegen den Krieg Rolland von einem Tag auf den anderen in ganz Europa zu einer verehrten wie verachteten Persönlichkeit. „Au-dessus de la mêlée“ ist bis heute wesentlich für seinen Nachruhm als gewaltloser Kämpfer für Humanismus und Frieden verantwortlich. Rolland, der sich auch selbst als intellektuellen Vermittler zwischen den verhärteten politischen Fronten verstand, wurde von seinen Weggefährten - insbesondere von P. J. Jouve und St. Zweig 1 - vor allem aufgrund seines unermüdlichen essayistischen Engagements für Frieden, Freiheit und Brüderlichkeit als ein an Tolstoi erinnerndes Vorbild eines unbedingten Pazifisten in Zeiten grenzenlosen Hasses gefeiert. Letztlich war es gerade auch der zutiefst europäische Geist seines Wirkens, der ihm den Literatur-Nobelpreis einbrachte: Neben dem Brüderlichkeit predigenden Bildungsroman Jean-Christophe waren es vor allem seine Friedens-Essays, für die er 1916 − rückwirkend für das Jahr 1915 − den Nobelpreis verliehen bekam, „als eine Huldigung für den erhabenen Idealismus seiner Verfasserschaft sowie für das Mitgefühl und die Wahrheit, mit der er verschiedenste Menschentypen zeichnet.“ 2 Auch aus der Retrospektive wird Rolland in erster Linie aufgrund seines essayistischen Friedensdienstes als großer Vordenker Europas und der deutsch-französischen Freundschaft sowie als einer der bedeutendsten Pazifisten genannt. Doch Rolland hat sich nicht nur in seinen zahlreichen Zeitungsartikeln und Manifesten (noch während des Krieges auch in den Sammlungen Au-dessus de la mêlée 1915 und Les Précurseurs 1919 erschienen), seinem (posthum edierten) Journal des années de guerre und seiner umfangreichen Korrespondenz mit wichtigen europäischen Persönlichkeiten (J.-R. Bloch, M. Gorki, A. Kolb etc.) mit dem Krieg beschäftigt, sondern auch in den beiden Erzählungen Pierre et Luce und Clerambault. Wie in seinen essayistischen Schriften scheint hier der Humanist und Pazifist zu sprechen. Doch ebenso wie ein genauere Re-Lektüre von Jean-Christophe und seinen Essays aus dem Ersten Weltkrieg zeigt, manifestieren sich auch hier immer wieder unerwartet patriotische Tendenzen, die Rollands Überzeugung einer 176 DDossier gewissen intellektuellen und moralischen Superiorität Frankreichs gegenüber den restlichen europäischen Nationen spiegeln. Es soll hier in keiner Weise um eine Demontage des (zumindest bis zum Zweiten Weltkrieg) zweifelsfrei pazifistisch gesinnten und europäisch denkenden Rolland gehen. Gleichwohl soll ein kritischer und offener Blick eventuelle Relativierungen seines vermeintlich gänzlich unpatriotischen und bedingungslosen Gleichheitsstrebens ermöglichen. Im besonderen Fokus der folgenden Untersuchung von Rollands literarischer Auseinandersetzung mit der Grande Guerre stehen seine beiden von der Forschung bislang kaum beachteten ,Kriegserzählungen‘ Pierre et Luce und Clerambault. Bei der Analyse der Werke geht es zum einen um die Herausarbeitung von Rollands fiktionalem Umgang mit dem Krieg u. a. im Vergleich zu seiner eigenen Position als einsamer Statthalter des Friedens. Als Nicht-Kriegsteilnehmer, der auch die Heimatfront nicht selbst miterlebte − Rolland lebte die gesamte Kriegszeit im Schweizer Exil −, hat Rolland keine Kriegsliteratur im engeren Sinne verfasst und so wird zum anderen diskutiert, was die Erzählwerke ästhetisch leisten und inwiefern sie als Antikriegsliteratur bzw. Zeitdokumente zu betrachten sind. Vorahnungen des Krieges in Jean-Christophe : Ein pazifistischer Europaroman mit Lücken Es gibt gar keinen Zweifel: Der monumentale roman fleuve Jean-Christophe illustriert Rollands Utopie eines in respektvollem Miteinander und friedvoller Versöhnung geeinten Europas und kann als Plädoyer für die Brüderlichkeit im Sinne Schillers gelesen werden. Obwohl in erster Linie Entwicklungs- und Künstlerroman − der deutsche Musiker und Komponist Christophe Krafft findet seine musikalische Vollendung in der kongenialen Synthese deutscher, französischer und italienischer Mentalität und Kunstsinnigkeit − bringt Rolland hier unmissverständlich seine politische Vision eines europäischen Kulturraumes zum Ausdruck. Dabei sieht Rolland − wie das berühmt gewordene Zitat der beiden Schwingen des Abendlandes kraftvoll illustriert − insbesondere die deutsch-französische Allianz als unerlässliche Grundlage einer europäischen Zukunft: Voici nos mains. En dépit des mensonges et des haines, on ne nous séparera point. Nous avons besoin de vous, vous avez besoin de nous pour la grandeur de notre esprit et de nos races. Nous sommes les deux ailes de l’Occident. Qui brise l’une, le vol de l’autre est brisé. Vienne la guerre! Elle ne rompra point l’étreinte de nos mains et l’essor de nos génies fraternels (Rolland 1966: 1562sq.). Trotz aller Bedeutung, die Rolland dem deutschen Nachbarland zuerkennt, ist sein Deutschlandbild - entgegen der Vorwürfe von extrem konservativ-patriotischer Seite - allerdings kein uneingeschränkt positives. Vielmehr gilt seine Hochachtung und Begeisterung einem zu Lebzeiten Rollands bereits längst vergangenen, von Idealismus und romantischem Geist beseelten Deutschland. Der Protagonist ist zwar zum großen Ärgernis vieler damaliger französischer Kritiker ein Deutscher, 177 DDossier doch ist er in seiner eigenen Heimat fremd, eckt beständig an und verlässt diese schließlich auch aufgrund des zunehmenden Militarismus. Christophe ist Europäer, aber er ist stets ,anders‘ und passt sich in keine Gesellschaft hundertprozentig ein. Statt einer bestimmten Nationalkultur verkörpert er, wie so viele von Rollands Helden, die Freiheit des Geistes. So heterogen wie Rollands Deutschlandbild, so widersprüchlich ist sein Europabild. Rolland wird hierbei seiner Forderung nach uneingeschränkter Toleranz, Gleichheit und Brüderlichkeit nicht vollends gerecht. Dies zeigt etwa die deutliche Antipathie gegenüber den Juden. 3 Auch Rollands Europakonzept zeigt, dass seine Vorstellungen letztlich so universell und unparteiisch nicht sind: In Rollands Europavorstellung bilden Frankreich, Deutschland und Italien das kraftvolle Zentrum Europas. Die Schweiz als das freiheitlich neutrale Land, das alle drei Kulturen und Mentalitäten in sich vereint, ist für ihn daher auch das kleine Spiegelbild des ,großen‘ Europa. Andere europäische Länder der restlichen Romania und Osteuropas spielen bei Rolland hingegen überhaupt keine Rolle. Als Wiege des Imperialismus und Kapitalismus wird England nicht nur ausgesprochen negativ betrachtet, sondern wird in seiner Vision des friedvoll geeinten Europa gleich ganz außen vor gelassen. Rollands Konzept von Europa basiert daher auf einer imaginierten Geographie und weist trotz all seiner Forderung nach brüderlicher und friedlicher Vereinigung gewisse Lücken und innere Widersprüche auf. Jean-Christophe präsentiert aber nicht nur Rollands Europavisionen, sondern verarbeitet auch die Veränderungen der politischen Stimmung Europas in der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts. Einem Seismographen gleich erfasste Rolland die sich verschärfenden Spannungen zwischen den europäischen Nationen und prophezeite zu Beginn des 1912 erschienenen letzten Kapitels von „La nouvelle journée“ bereits den Flächenbrand des Ersten Weltkrieges: L’incendie qui couvait dans la forêt d’Europe commençait à flamber. On avait beau l’éteindre, ici; plus loin, il se rallumait; avec des tourbillons de fumée et une pluie d’étincelles, il sautait d’un point à l’autre et brûlait les broussailles sèches. À l’Orient, déjà, des combats d’avant-garde préludaient à la grande Guerre des Nations. L’Europe entière, l’Europe hier encore sceptique et apathique, comme un bois mort, était la proie du feu. Le désir du combat possédait toutes les âmes. À tout instant, la guerre était sur le point d’éclater. On l’étouffait, elle renaissait. Le prétexte le plus futile lui était un aliment. Le monde se sentait à la merci d’un hasard, qui déchaînerait la mêlée (Rolland 1966: 1559). Noch bevor sich Rollands dystopische Prophezeiung bewahrheiten sollte, wurde die Stimmung in Frankreich zunehmend feindselig. Vor dem Hintergrund des damit einhergehenden zusehends erstarkenden Deutschlandhasses gerieten Roman und Autor nach anfänglich ungemein großem Erfolg bald in den Verruf des Volksverrates. Eine Einschätzung, die sich unmittelbar nach Kriegsausbruch durch Rollands entsetzen Aufschrei gegen den Krieg verstärken sollte. 178 DDossier Rollands patriotischer Pazifismus in seinen expositorischen Schriften zum Ersten Weltkrieg Nach der Bestätigung der düsteren Vorahnungen im letzten Band von Jean- Christophe war Rollands literarische Stimme mit Ausbruch des Krieges zumindest editorisch verstummt. Dies war nicht allein dem Boykott gegen Rolland seitens zahlreicher französischer Verlage und Buchhandlungen geschuldet, sondern auch der Tatsache, dass Rolland der ästhetisch elaboriertere Ausdruck seiner gesellschaftspolitischen und moralischen Ideen vor dem Hintergrund der völlig veränderten politischen Situation nicht mehr angemessen schien: Die Zeit drängte, direkt artikulierte Streitschriften schienen ihm nun der einzig wahre Weg, an die Menschlichkeit und den Verstand Europas zu appellieren und sich so gegen den Hass und für den Frieden zu engagieren. Die Neutralität seines Schweizer Exils ermöglichte ihm, seiner Meinung freien Ausdruck zu verleihen. Dabei ist Rolland freilich nicht so naiv zu glauben, mit Worten die Waffen zum Schweigen bringen zu können, doch war dies seine einzige Möglichkeit, die Menschheit geistig und moralisch zu verteidigen und vor dem intellektuellen und kulturellen Untergang zu retten: Je n’essaie pas de combattre la guerre, je sais que c’est impossible - plus impossible maintenant que jamais. J’essaie de combattre la haine. J’essaie de sauver d’elle tout ce qu’on peut sauver: clarté de raison, pitié humaine, pitié chrétienne, − tout ce qui du moins subsiste de ces grandes lumières menacées par la tempête (Rolland 1915, zit. nach Nedeljkovic 1970: 31sq.). Für Autor und Werk bedeutete der Kriegsausbruch einen bedeutenden Einschnitt, den sein Freund St. Zweig folgendermaßen beschreibt: Mit diesem Jahre 1914 verlischt die private Existenz Romain Rollands: sein Leben gehört nicht mehr ihm, sondern der Welt, seine Biographie wird Zeitgeschichte, sie läßt sich nicht mehr ablösen von seiner öffentlichen Tat. [ ] Seit 1914 ist Romain Rolland ganz eines mit seiner Idee und ihrem Kampf. Er ist nicht mehr Schriftsteller, Dichter, Künstler, nicht mehr Eigenwesen. Er ist die Stimme Europas in seiner tiefsten Qual. Er ist das Gewissen der Welt (Zweig 1926: 47sq.). Bereits sein offener Brief an G. Hauptmann, in dem er an die Intellektuellen Deutschlands appellierte, sich gegen das barbarische Gebaren der Regierung zu stellen, bescherte Rolland vehemente Kritik von französischer Seite. Viele seiner bisherigen Anhänger, unter ihnen auch Pazifisten, wandten sich von Rolland ab. Ein Großteil der geistigen Elite Frankreichs betrachtete ihn als Nestbeschmutzer, F.-V.-A. Aulard warf Rolland eine „Germanophilie déplacée“ (1914) vor und nach der Veröffentlichung von Rollands Friedensappel „Au-dessus de la mêlée“ beschimpften ihn Anhänger und Nahestehende der Action Française wie H. Massis in seiner Schmähschrift Romain Rolland contre la France (1915) gar als deutschtreuen Volksverräter. 179 DDossier Doch Rolland war alles anderes als das: Er liebte seine Heimat und war überzeugt von der geistigen und moralischen Vormachtstellung Frankreichs in Europa. In Frankreich sieht er die Blüte des europäischen Kulturerbes vervollkommnet. In „Pro Aris“ klagt er die Deutschen an, indem er zugleich die moralische Superiorität Frankreichs hervorhebt: J’aime à voir que, d’ailleurs, ce n’est pas dans les pays latins que ce devoir sacré a pu jamais cesser d’être tenu pour le premier de tous. Notre France, qui saigne de tant d’autres blessures, n’a rien souffert de plus cruel que de l’attentat contre son Parthénon, la cathédrale de Reims, Notre-Dame de France. [ ] [La cathédrale de Reims] est l’arbre de la race, dont les racines plongent au plus profond de sa terre et qui, d’un élan sublime, tend ses bras vers le ciel. [ ] Qui tue cette œuvre assassine plus qu’un homme, il assassine l’âme la plus pure d’une race (Rolland 1915: 9sq.). Die kulturelle Alterität Frankreichs und die klare Distanzierung von Deutschland wird insbesondere in den Zugehörigkeitsverweisen zum lateinisch-romanischen Kulturkreis deutlich: „Sachez-le, rien ne nous est plus écrasant, à nous Latins, plus impossible à respirer que votre militarisation intellectuelle“ (Rolland 1915: 45). Auch darf nicht vergessen werden, dass Rolland - trotz seiner pazifistischen Einstellung - im Kampf Frankreichs gegen den deutschen Imperialismus zumindest in den ersten Jahren des Krieges die einzige Möglichkeit für die Zukunft Europas sah: [Il] croit au début que la cause française est une cause juste; l’adversaire est l’impérialisme allemand qui, lui, cherche certainement à s’imposer brutalement à l’Europe, et Rolland espère que la France, en écrasant cet impérialisme, remportera une victoire spirituelle dont toute l’Europe profitera (Francis 1980: 618). Wenn Rolland also gegen den Krieg schreibt, dann tut er dies seiner Überzeugung nach stets im Bewusstsein für Frankreich: „Il ne voulut se désolidariser des Français et il a fait ce qui était selon lui son devoir de Français: écrire“ (Francis 1980: 602). Dass Rolland durchaus Partei ergreift, spiegelt sich auch in dem direkten Appell an die jungen französischen Soldaten, in denen die universalistischen Werte der europäischen Vergangenheit (Kreuzzüge und Französische Revolution) heldenhaft weiterleben: „O jeunesse héroïque du monde! [ ] et vous surtout, mes jeunes compagnons français, [ ] vous en qui refleurit la lignée des héros de la Révolution [ ] Vous vaincrez, je le sais. [ ] grand peuple des croisades“ (Rolland 1915: 21, 23). Letztlich will Rolland, der sich als ‚Verkörperung‘ der französischen Devise von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit versteht, den Frieden, um sein Vaterland zu retten. Rollands Pazifismus hat folglich eine durchaus patriotische Wurzel. Umso größer ist seine Verbitterung über die Reaktion seiner Landsleute, die ihn wie Massis als unpatriotischen Defaitisten beschimpfen und ihm sein Schweizer Exil als Drückebergertum vorwerfen. Er ist aber davon überzeugt, durch die unablässige Predigt des Friedens patriotischen Dienst am eigenen Volke geleistet zu haben und hofft voller Selbstvertrauen auf die späte Einsicht Frank- 180 DDossier reichs: „On me traite en ennemi de la patrie. Ma situation est ruinée en France, pour bien des années. Plus tard, on me rendra justice, et l’on verra que j’ai agi pour l’honneur de la France. [ ] Il en coûte de ne pas s’associer à la haine“ (Rolland 1960: 219). Anders als die chauvinistischen Hetzparolen der französischen Kriegspropaganda sieht Rolland die wahren Feinde des Friedens aber nicht allein in einzelnen Nationen, sondern zum einen in der moralischen Schwäche des Einzelnen, die sich in passiv-geistloser Lethargie manifestiert: „Ce n’est pas que je regarde [ ] la guerre comme une fatalité. Un Français ne croit pas à la fatalité. La fatalité, c’est l’excuse des âmes sans volonté. La guerre est le fruit de la faiblesse des peuples et de leur stupidité“ (Rolland 1915: 6). Besonders beklagt Rolland dabei - unter nicht ganz unprätentiösem Schuldeinschluss seiner Person -, dass selbst die geistigen Eliten den Lügen der Kriegslegitimationen wie einer Seuche erlägen und sich nicht aus der Masse der blinden Mitläufer erhöben: À cette épidémie, pas un n’a résisté. Plus une pensée libre qui ait réussi à se tenir hors d’atteinte du fléau. [ ] Ce ne sont pas seulement les passions de races, qui lancent aveuglément les millions d’hommes, les uns contre les autres, comme des fourmilières [ ] Dans l’élite de chaque pays, pas un qui ne proclame et ne soit convaincu que la cause de son peuple est la cause de Dieu, la cause de la liberté et du progrès humains. Et je le proclame aussi (Rolland 1915: 26sq.). Ferner beklagt er das transnationale Phänomen des sich epidemieartig in ganz Europa ausbreitenden Imperialismus: Le pire ennemi n’est pas au dehors des frontières, il est dans chaque nation; et aucune nation n’a le courage de le combattre. C’est ce monstre à cent têtes, qui se nomme l’impérialisme, cette volonté d’orgueil et de domination, qui veut tout absorber, ou soumettre, ou briser, qui ne tolère point de grandeur libre, hors d’elle. [...] Chaque peuple a, plus ou moins, son impérialisme; quelle qu’en soit la forme, militaire, financier, féodal, républicain, social, intellectuel, il est la pieuvre qui suce le meilleur sang de l’Europe (Rolland 1915: 33). Doch macht Rolland hier auch eine ganz unmissverständliche Kampfansage an Deutschland, Brutstätte einer besonders virulenten und selbstzerstörerischen Variante des Imperialismus: Le plus dangereux pour nous, hommes de l’Occident, celui dont la menace levée sur la tête de l’Europe l’a forcée à s’unir contre lui, est cet impérialisme prussien, qui est l’expression d’une caste militaire et féodale, fléau non pas seulement pour le reste du monde, mais pour l’Allemagne même dont il a savamment empoisonné la pensée. C’est lui qu’il faut détruire d’abord (Rolland 1915: 33). Wenn sich Frankreich wie Deutschland und England dem Imperialismus und territorialem wie ökonomischem Machtstreben hingibt, werden die heroisch erhabenen Ideale der Grande Nation (Liberté, Égalité, Fraternité) einem plumpen und barbarischen Militarismus geopfert. Aufgrund seiner geistigen Vormachtstellung hat 181 DDossier Frankreich aber, so Rolland, die Verpflichtung, sich für die Verbreitung seiner humanistischen Grundwerte in Europa sowie für den Frieden einzusetzen, und trägt insofern die Verantwortung für die Zukunft des Abendlandes: Depuis la guerre, cette étroitesse [d’horizon de la pensée française contemporaine] s’est révélée plus écrasante encore; elle sera mortelle, si nous n’y remédions pas. Le mal n’est pas restreint à la seule France; tout l’Occident en souffre, plus ou moins. Mais il est plus grave chez nous, car noblesse oblige. Nous avons exercé, pendant des siècles, une véritable suprématie intellectuelle en Occident; et si nous abdiquons, c’est tout l’Occident qui abdique (Rolland 1952: 1480). Sein Ruf nach bedingungsloser Einhaltung der grundfranzösischen Maximen Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, die - nimmt man sie ernst - nur in den Frieden münden können, zeigt, wie sich für Rolland Patriotismus und Pazifismus durchaus vereinen lassen. Ebenso gehen für ihn Patriotismus und Internationalismus Hand in Hand, wenn diese immer das große Ganze, die friedliche Einheit aller Nationen, im Blick haben: „Non, l’amour de ma patrie ne veut pas que je haïsse et que je tue les âmes pieuses et fidèles qui aiment les autres patries. Il veut que je les honore et que je cherche à m’unir à elles pour notre bien commun“ (Rolland 1915: 30). Zwischen Krieg und Frieden: Rollands belletristische Verarbeitung des Krieges Obwohl während des Krieges nur Rollands kriegskritische Essays erschienen, schrieb er weiterhin fiktionale Werke. Das Jahr 1920 wird für die Wiederaufnahme seines literarischen Schaffens entscheidend, denn es erscheinen gleich drei literarische Werke aus seiner Feder: Die 1917 verfasste Satire Liluli, die ein Jahr später entstandene kleine Erzählung Pierre et Luce und der zwischen 1916 und 1920 geschriebene Roman Clerambault. Anders als in dem Drama, bei dem der Bezug zur realen politischen Situation zwar unmissverständlich erkennbar ist, jedoch nur allegorisch erfolgt, ist der Chronotopos der beiden Erzähltexte eindeutig im Frankreich der Kriegsjahre angesiedelt. Im Gegensatz zu den Autoren der großen Kriegsromane wie etwa H. Barbusses Le Feu, R. Dorgelès’ Les croix de bois oder M. Genevoix’ Ceux de 14 war Rolland kein Kriegsteilnehmer und verfügte daher auch nicht wie die écrivains combattants über unmittelbare Fronterfahrung. Seine Berührung mit dem Leid des Krieges erfolgte, wie zeitgenössische französische Stimmen immer wieder heftig kritisierten, fern von den Kriegsschauplätzen, aus der sicheren Ferne des Schweizer Exils. Sein Engagement beim Schweizer Roten Kreuz zeigte ihm zwar die Folgen des Krieges, doch auch hier gilt freilich, dass es nicht das unmittelbare Leid der Front war, mit dem er konfrontiert war. All sein Wissen über den Krieg bezog Rolland aus den Briefen und Berichten seiner jungen Freunde, die in den Krieg gezogen waren (z. B. L. Gillet, A. de Châteaubriand, J.-R. Bloch). Dieses ,Mankos‘ ist sich Rolland durchaus bewusst und so schreibt er im Vorwort von Clerambault: 182 DDossier Le sujet de ce livre n’est pas la guerre, bien que la guerre le couvre de son ombre. Le sujet de ce livre est l’engloutissement de l’âme individuelle dans le gouffre de l’âme multitudinaire. C’est, à mon sens, un événement beaucoup plus gros de conséquences pour l’avenir humain que la suprématie passagère d’une nation (Rolland 1920c: 7). 4 Ebensolches gilt im Grunde auch für Pierre et Luce. Beide Texte sind zwar Kriegserzählungen: Sie wurden bereits während des Krieges verfasst und wären ohne den Krieg auch nicht entstanden. In den Erzählungen selbst steht der Krieg jedoch tatsächlich nicht im Zentrum, sondern stellt die Hintergrundfolie dar, vor der sich die eigentliche Handlung abspielt bzw. durch die sie ausgelöst wird. Es geht nicht um den Krieg an der Front und das Sterben in den Schützengräben, sondern um die moralischen Auswirkungen des Krieges auf die Zivilgesellschaft. Während Pierre et Luce eine „eine zarte Idylle der Liebe, gleichsam in Aquarellfarben zärtlich hingetuscht“ (Zweig 1926: 247) ist und von der ersten vorsichtigen und zugleich doch absoluten Liebe erzählt, 5 ist Clerambault - wie der Untertitel andeutet „la Confession d’une âme libre au milieu de la tourmente, l’histoire de ses égarements, de ses angoisses et de ses luttes“ (C: 5) - ein Thesen- und Bildungsroman, in dem es um die moralische Entwicklung der Hauptperson geht. 6 Beide Erzählungen enden tragisch mit dem Tod der Protagonisten. Doch während in Pierre et Luce der Krieg, konkret ein Bombeneinschlag die Helden umbringt, stirbt Clerambault nicht unmittelbar an einem Kriegsereignis, sondern an den moralischen Deformationen, die der Krieg bei den Überlebenden hinterließ. Beide Texte weisen den für Rollands Erzählwerke charakteristischen Stil auf, der sich durch einen sehr erhabenen, mitunter geradezu lyrischen Ton einerseits und lange Reflexionen eines heterodiegetischen Erzählers andererseits kennzeichnet. Die z. T. sehr langen Digressionen, in denen der mahnend-belehrende Erzähler über Krieg und Frieden nachdenkt, kommen Rollands Essays zum Teil sehr nahe und verleihen den an für sich belletristisch konzipierten Werken immer auch thesenhafte Züge, wirken dabei insofern etwas schwerfällig, als sie die Narration unterbrechen und die psychologische Entfaltung der Figuren hemmen. Besonders stark ausgeprägt ist dies in Clerambault, wo man stellenweise den Eindruck hat, man lese Rollands kritische Schriften über den Krieg. Auch die Darstellung von Clerambault als pazifistischer Dichter auf verlorenem Posten erinnert stark an Rollands eigene Position im Krieg. Sich dieser autobiographischen Nähe bewusst, änderte Rolland den Titel des Romans, den er in einem Vorabdruck 1917 in einer Schweizer Zeitung noch L’Un contre Tous betitelt hatte. Im Vorwort spricht sich Rolland trotz einer großen geistigen Verwandtschaft zwischen ihm und seinem Protagonisten explizit gegen eine zu stark autobiographisch ausgerichtete Lektüre aus: Qu’on n’y cherche rien d’autobiographique! Si je veux un jour parler de moi-même, je parlerai de moi-même, sans masque et sans prête-nom. Bien que j’aie transposé dans mon héros certaines de mes pensées, son être, son caractère et les circonstances de sa vie lui appartiennent en propre (C: 5). 183 DDossier In Pierre et Luce liegt keine vergleichbar starke autobiographische Nähe vor. Pierre et Luce erzählt vom Kriegsalltag in Paris. Der Krieg ist von Anbeginn der Erzählung präsent, so setzt der Text mit einem Blick in die als Luftschutzkeller genutzten Metrostationen ein: Pierre s’engouffra dans le Métro. [ ] Au-dessus de lui, au-dessus des ténèbres de ces voûtes, de ce trou de rat où filait le monstre métallique, grouillant de larves humaines, - était Paris, la neige, la nuit froide de janvier, le cauchemar de la vie et de la mort, - la guerre. La guerre. Il y avait quatre ans qu’elle s’était installée. Elle avait pesé sur son adolescence (Rolland 1920b: 13sq.). 7 Historischer Hintergrund der Erzählung sind die deutschen Luftangriffe mit den Gotha-Bombern auf Paris im Frühjahr 1918. Rolland verweist aber nicht nur auf die Bombardements, sondern erzählt auch von deren Opfern in der Zivilbevölkerung: Au-dessus de la voûte, sur la Ville là-haut, des détonations sourdes. Le train repartit. À cet instant, un homme affolé, qui se couvrait le visage de ses mains, descendait l’escalier de la station et vint rouler en bas. On eut encore le temps de voir le sang qui coulait au travers ses doigts Le tunnel et la nuit de nouveau. Dans le wagon, des cris d’effroi: ,Les Gothas sont venus! ...‘ (PL: 16sq.) Zudem thematisiert der Text ein konkretes Ereignis des Krieges, dass sich als lieu de mémoire in das kollektive Gedächtnis insbesondere der Pariser Bevölkerung eingebrannt hat: Die Zerstörung der Église Saint-Gervais während des Karfreitagsgottesdienstes 1918. Pierre et Luce ist als literarische Antwort auf den Ruf nach Verewigung der Katastrophe zu verstehen, der in La passion de Saint- Gervais. Récit du bombardement du Vendredi Saint 1918 (1919) an die Künstler Frankreichs ergangen war. Die Erzählung wirkt damit als mahnende Erinnerung an die Grauen des (Luft-)Krieges, die das Gedenken an einen entsetzlichen Akt gegen die Menschlichkeit wahren, damit zugleich aber auch die Ressentiments gegen die deutschen Aggressoren wachhalten soll: Les survivants de ces jours qui ont, depuis, assisté au revirement éclatant de la fortune, auront sans doute oublié le lourd vol menaçant de l’aile sombre qui, dans cette semaine, couvrit l’Ile-de-France et frôla Paris dans son ombre. La joie ne tient plus compte des épreuves passées. - La ruée allemande atteignit la ligne de faîte, entre Lundi Saint et le Mercredi Saint. La Somme traversée, Bapaume, Nesle, Guiscard, Roye, Noyon, Albert, enlevés. Onze cents canons conquis. Soixante mille prisonniers (PL: 165) Wie in „Pro Aris“ klingt in der Erzählung eine deutliche Anklage gegen die Deutschen durch. Die Grundhaltung des Erzählers ist die eines Patrioten, der an die Opfer Frankreichs erinnern will und sich zugleich in erster Linie um die Belange Frankreichs sorgt. Pierre et Luce ist ein durch und durch französischer Text, der sich auch insofern als ,Gedächtniserzählung‘ versteht, als er den Nachgenerationen das Lebensgefühl der Kriegsjahre zu vermitteln versucht. Deutlich zeigt sich 184 DDossier dies beispielsweise, wenn der Erzähler die unterschiedlichen Assoziationen von Worten und Begriffen im Krieg erläutert: Demain! ... Ceux qui viendront après nous auront peine à se représenter ce que ce mot évoquait de désespoir muet et d’ennui sans fond, dans la quatrième année de guerre Une telle lassitude! Tant de fois les espoirs avaient été déçus! Les centaines de demains se succédaient pareils hier et aujourd’hui, tous également voués au néant et à l’attente du néant. Le temps n’avait plus de cours. [ ] Demain? Demain est mort (PL: 61). Pierre et Luce wurde schon beim Erscheinen als Erzählung gegen den Krieg verstanden - als eine Erzählung, die zeigt, dass Liebe stärker ist als alle sozialen Unterschiede und stärker selbst als der Krieg. Der Pariser Lebensalltag der Protagonisten ist vom Krieg gezeichnet und doch sind ihre Jugend, ihre Suche nach sich selbst und der Drang nach der ersten Liebe stärker als all die Angst vor den Realitäten des Krieges, den sie nicht verstehen: „Dans tout adolescent, de seize à dix-huit ans, est un peu de l’âme d’Hamlet. Ne lui demandez pas de comprendre la guerre! “ (PL: 14). Im Gegensatz zu Pierre, der bis zu seiner Einberufung wenig von der Härte des realen Erwachsenenlebens erfahren hat, wurde Luce durch die ärmlichen Lebensumstände in eine frühe Selbstständigkeit gezwungen, die sie - obwohl im Alter von Pierre - sehr viel erfahrener und abgeklärter erscheinen lässt. Pierres unendliche Verliebtheit trägt Züge einer fast religiös-spirituellen Liebesekstase, was die Reinheit dieser unschuldigen Liebe nur noch unterstreicht. In Luce erkennt der feinfühlige und verletzlich-weiche Pierre 8 - wie ihr sprechender Name andeutet - eine Lichtgestalt, die ihm lenkendes Licht in der Finsternis ist: „Ne la revît-il plus jamais, il savait qu’elle était, et qu’elle était le nid. Dans l’ouragan, le port. Le phare dans la nuit. Stella Maris, Amour. Amour, veille sur nous, à l’heure de la mort! ...“ (PL: 45). Die Parallele zur Muttergottes verleiht der wachsenden Liebe ödipale Züge; zugleich stellt die gebetsartige Anrufung ein proleptisches Indiz auf das tragische Ende dar. Dieses beschreibt der Erzähler mit dem Verweis auf Luces Beschützerinstinkt und ihre fast mütterliche Liebe: Et Luce, dont les battements de cœur étouffaient en elle le bruit de l’explosion et les cris de la foule, se jeta, sans avoir le temps de craindre ou de souffrir, se jeta, pour le couvrir de son corps, comme une poule ses petits, sur Pierre qui, les yeux fermés, souriait de bonheur. D’un mouvement maternel, elle serra de toutes ses forces la chère tête contre son sein; et, repliée sur lui, la bouche sur sa nuque, ils se faisaient tout petits (PL: 177). Die Verkoppelung der erwachenden Liebe mit der Frühlingsmetapher lässt an F. Wedekinds ,Kindertragödie‘ Frühlings Erwachen denken, doch erhält diese bei Rolland durch die Parallelsetzung mit der Erwartung der letzten Katastrophe quasireligiöse Züge einer heroischen Tragödie: „Mars était de retour, et la lumière plus longue, et les premiers chants d’oiseaux. Mais avec les jours grandissaient les flammes sinistres de la guerre. L’air était fiévreux de l’attente du printemps et de celle du cataclysme“ (PL: 125). Der Kontrast zwischen der sehr zarten und gefühl- 185 DDossier vollen Beschreibung der ersten Liebe einerseits und der der Brutalität des Krieges andererseits verstärkt die Wirkung besonders nachhaltig und macht aus der voller Pathos erzählten und mitunter ins kitschig-süßliche abgleitenden Romanze in Zeiten des Krieges ein Plädoyer für den Frieden. Es ist ein gänzlich gewaltloser, ja fast kindlich-naiver Protest gegen den Krieg. Dieser wird von den beiden Protagonisten in ihrer Traumwelt absoluter Gefühlshingabe geradewegs ausgeblendet: Depuis une quinzaine, ils ne savaient plus rien de ce qui se passait dans le monde. [ ] Ils savaient qu’il y avait la guerre, quelque part, tout autour, comme il y a le typhus, ou bien l’influenza; mais cela ne les touchait pas; ils ne voulaient pas y penser. Elle se rappela à eux, cette nuit. [ ] Ils entendirent l’alarme, chacun dans son quartier, et refusèrent de se lever. Ils s’enfoncèrent la tête dans leur lit, sous leurs draps, comme un enfant, pendant l’orage [ ] La guerre? Je sais, je sais. Elle est là? Qu’elle attende! (PL: 107-109) Die reine, unschuldige Liebe wird in der Darstellung Rollands zu einem stark idealisierten Element der Hoffnung, das letztlich stärker ist als der Tod, ohne diesen aber - wie die zahlreichen Prolepsen vergegenwärtigen - gänzlich zu verdrängen. Naiv, egoistisch oder weise nehmen sich die beiden Liebenden die Freiheit, gesellschaftliche und moralische Grenzen zu überschreiten: Sie leben ihre Liebe trotz markanter sozialer Unterschiede und trotz des um sie tobenden Krieges aus; sie gehen den kriegsgeschüttelten Trott der Gesellschaft nicht mit und lassen sich von der Unmenschlichkeit des Krieges nicht unterkriegen, um das Leben - und sei es noch so kurz - vollends auszukosten. Pierre macht damit auch eine gewisse moralisch-ethische Entwicklung durch. Der wohlbehütete und zu staatstreuem Pflichtbewusstsein erzogene Sohn aus gutbürgerlichem Hause bricht mit der Passivität der Bourgeoisie, kostet die Freiheit seiner Jugend aus und ergreift die Initiative zum Leben. Doch dieses ist nur in der gesellschaftlichen Abgeschiedenheit der märchenhaften Gegenwelt möglich und so riskiert Pierre den Ausschluss aus dem Kreis seiner Freunde: „Tous l’écrasèrent de leur dédain. Naudé le traita de ,poète‘. Et Jacques Sée, de ,poseur‘“ (PL: 150). Dieser quasi-rebellische Geist, mit dem sie Gesellschaft und Krieg trotzen, lässt sie als tragische Helden des Alltags des Krieges erscheinen. Im Gegensatz zu Pierre et Luce spielt der Kriegsalltag in Clerambault eine vergleichsweise geringe Rolle. Hier geht es vielmehr um das Portrait der Stimmungen und Gesinnungen der Daheimgebliebenen. Der Krieg selbst begegnet Clerambault vor allem in den Briefen seines Sohnes, die von der euphorischen Heldenprosa der patriotisch-nationalistischen Kriegspropaganda beeinflusst sind. Nicht ohne Zynismus kommentiert der Erzähler Maximes Briefe: „A la guerre, concluait le petit coq gaulois, il n’y a de pénible que ce qu’on fait en temps de paix, - la marche sur les grandes routes “ (C: 63). Der euphorische Kriegstaumel der Daheimgebliebenen macht diese der harschen Realität gegenüber vollkommen blind. Selbst als der vom Krieg gezeichnete, resignierte und erschöpfte Maxime nach Hause kommt, siegt die völkische Verblendung: 186 DDossier Dans l’escalier, il s’arrêta, ses jambes étaient lourdes; bien qu’il semblât plus robuste, il se fatiguait vite; il était ému. [ ] Maxime fut livré à l’inspection de leurs regards ravis. Ils s’extasiaient sur son teint, ses joues pleines, son air de bonne santé. Son père, lui ouvrant les bras, l’appela: ,Mon héros! ‘ - Et Maxime, les mains crispées, sentit brusquement l’impossibilité de parler. [ ] ils attribuaient son silence à la fatigue et aussi à la faim. Clerambault parlait d’ailleurs pour deux. Il racontait à Maxime la vie des tranchées (C: 65sq.). Die Sprachlosigkeit Maximes ist das Ergebnis der Distanz zwischen den glorifizierenden Bildern heroischer Kämpfer, die ihr Leben für das Wohl der Zukunft der Heimat opfern, und den verstörenden Bildern des brutalen Kriegsalltags der Soldaten: 9 „Maxime s’apercevait qu’il n’avait plus aucun moyen de communiquer avec eux, avec personne de l’arrière. C’étaient des mondes différents“ (C: 70). Im Gegensatz zur konformen Masse der von der „grande Menteuse, la Presse“ (C: 35) getäuschten Bevölkerung durchschaut Maxime alle Lügen und erkennt die wahren Feinde der Menschheit: Et ses yeux, cruellement aigus, découvrirent tout à coup autour de lui l’ennemi: l’inconscience de ce monde, la bêtise, l’égoïsme, le luxe, le ,je m’en fous! ‘ l’immonde [sic] profit de la guerre, la jouissance de la guerre, le mensonge jusqu’au racines [ ] Une moitié de l’humanité mange l’autre (C: 69). Zu dieser Erkenntnis gelangt Maximes Vater - und mit ihm die Elterngeneration der verlorenen Generation - erst als der Sohn gefallen ist: Le gouffre stupide de cette mort le fascinait. Ce bel enfant qu’on avait eu tant de joie, tant de peine à avoir, à élever, toute cette richesse d’espoirs en fleur, ce petit univers sans prix qu’est un jeune homme, cet arbre de Jessé, ces siècles d’avenir .. Et tout cela détruit, en une heure .. Pour quoi? Pour quoi? ..... Il fallait se persuader au moins que c’était pour quelque chose de grand et de nécessaire (C: 77). Doch genau diesen Sinn des Sterbens gibt es nicht: Viel zu spät begreift er, dass der Heldentod für das Vaterland nichts als eine hohle Lüge ist, von der er sich - wie so viele andere aufrichtige Bürger - täuschen ließ. Es bleibt die verzweifelte Frage nach dem Warum. Das Sinnvakuum und der tiefe Schmerz über die Sinnlosigkeit des frühen Todes, zusammen mit der Erkenntnis, die Katastrophe nicht verhindert zu haben, die Kinder mit den Kriegsparolen sogar noch in den Krieg getrieben zu haben, werfen Clerambault in eine existenzielle Krise: C’était grâce à des sophismes comme les siens qu’on lançait dans la tuerie l’idéalisme des jeunes gens. Les penseurs, les artistes, les vieux empoisonneurs, emmiellaient de leur rhétorique le breuvage de mort que, sans leur duplicité, tout conscience eût aussitôt éventé et rejeté avec dégoût - Le sang de mon fils est sur moi, disait douloureusement Clerambault. Le sang des jeunes gens d’Europe, dans toutes les nations, rejaillit à la face de la pensée d’Europe. Elle s’est faite partout le valet du bourreau (C: 97). 187 DDossier Die Entlarvung der „Gemeinschaftslüge“ (Zweig 1926: 249) und die grauenvolle Einsicht der Selbstschuld am ,Kindermord‘ löst in Clerambault den mutigen und engagierten Einsatz für die Rückbesinnung auf die Wahrheit aus. Er dekonstruiert all die vermeintlichen Wahrheiten der Nation: „La Patrie? Un temple hindou: des hommes, des monstres et des dieux. Qu’est-elle? La terre maternelle? La terre entière est notre mère à tous. La famille? Elle est ici et là, chez l’ennemi comme chez moi, et ne veut que la paix. [ ] L’État? L’État n’est pas la Patrie“ (C: 88sq.). Nach dieser Reinigung des Geistes steigt die Flamme der Freiheit in ihm auf wie Phönix aus der Asche: „Quand il eut tout arraché, il ne lui restait plus que son âme nue. [ ] Dès l’aube, commença de s’éveiller la flamme imperceptible, que la lourde enveloppe des mensonges étouffait. Au souffle de l’air libre, elle se ralluma. Et rien ne pouvait plus l’empêcher de grandir“ (C: 91). Von nun an gilt all sein Engagement einer neuen Sinnstiftung: Wenn sein Sohn schon sterben musste, dann wenigstens damit er zur Einsicht gelangt und fortan alles daran setzt, dass so etwas nie wieder passiert. Nun erst zeigt sich Clerambault in seinen Pamphleten aus wahrer Überzeugung seines eigenen Gewissens als humanistischer Pazifist und Internationalist. „O Morts, pardonnez-nous! “, sein erster Text nach seiner Läuterung ist Schuldeingeständnis und zugleich - wie der gesamte Roman - Warnruf an die nächsten Generationen. Seid wachsam! Nie wieder Krieg! , so könnte man die zentrale Botschaft von Clerambault zusammenfassen. Doch die Gesellschaft will Clerambaults Wahrheiten ebenso wenig wahr haben wie die Rollands. Eine Traumvision wird Clerambault zum epiphanen Moment der Erkenntnis und Versöhnung mit der ihm feindlich gesonnenen Welt und er erkennt, sein Aufruf an die Welt wird Früchte tragen: Vous voulez, comme moi, être libres. Vous souffrez de ne point l’être. Et c’est votre souffrance qui vous fait mes ennemis. [ ] L’Un contre tous est l’Un pour tous. Et il sera bientôt l’Un avec tous Je ne resterai pas seul. Je ne l’ai jamais été. À vous frères du monde! (C: 365) Rolland lässt Agénor schließlich zu einem „Märtyrer der Wahrheit, [der] mit dem Leben seinen Glauben bezahlt“ (Zweig 1926: 252) werden. Wie die beiden (Freiheits-)Liebenden Pierre und Luce, stirbt auch er an Karfreitag. Der Bezug zur Oster-Symbolik am Ende des Romans verdeutlicht Rollands Gleichsetzung von moralisch-ethischem und religiösem Glauben an die Wahrheit. So kommentiert einer der wenigen Anhänger Agénors dessen Tod mit den folgenden Worten: Jésus n’a pas été mis en croix par hasard. Il devait être, il serait encore supplicié. L’homme de l’Évangile est le révolutionnaire, de tous le plus radical. Il est la source inaccessible, d’où jaillissent entre les brèches de la terre dure, les Révolutions. Il est le principe éternel de la non-soumission de l’Esprit à César, quel qu’il soit, à l’injuste Force. Ainsi se légitime la haine des valets de l’État, des peuples domestiqués, contre le Christ-aux-outrages qui les regarde et se tait, et contre ses disciples, - nous, les éternels réfractaires, les Conscientious Objectors aux tyrannies d’en haut comme à celles d’en bas, à celles de demain comme à celles d’aujourd’hui, - nous, les Annonciateurs de Celui plus grand que 188 DDossier nous, qui portera au monde la parole qui sauve, le Maître mis au tombeau, qui ,sera en agonie jusqu’à la fin du monde‘ et toujours renaîtra, - l’Esprit libre, le Seigneur Dieu (C: 377). Rollands ,Kriegshelden‘ sind folglich gerade die einfachen und körperlich schwachen Menschen, die durch die Wahrung bzw. Wiederentdeckung der Freiheit ihres Gewissens zu wahrer Größe gelangen. Zu quasi-religiösen Symbolfiguren stilisiert stehen sie für die Hoffnung auf Neubeginn und ewigen Frieden. Fazit Pierre et Luce und Clerambault, die beiden narrativen Reaktionen Rollands auf den Krieg, sind zweifelsohne als zeitgeschichtliche Zeugnisse zu betrachten, die Aufschluss über Stimmungen und Einstellungen während der Grande Guerre geben. Wie Rollands Artikel sind seine beiden fiktionalen Kriegstexte von seinem durchaus mitunter patriotischen Pazifismus geprägt. Beide Bücher sind im Sinne humanistischer Antikriegsliteratur als Plädoyers gegen die Unmenschlichkeit des Krieges und seine dehumanisierenden Folgen zu verstehen. Doch erweist sich Clerambault sehr viel eindeutiger als pazifistisches Werk von internationaler Reichweite als Pierre et Luce. Jeder französische Patriotismus scheint hier tatsächlich dem uneingeschränkten Ruf nach Frieden gewichen zu sein. Agénor stirbt zwar am Ende, doch seine universellen Forderungen nach Wahrheit und Freiheit des Geistes wirken in der jungen Generation seiner - wenn auch wenigen - Anhänger fort und säen einen Funken Hoffnung für die Zukunft. Pierre et Luce hingegen illustriert, wie die Liebe den Tod überwinden kann, doch hallt hier kein universell pazifistischer Ruf nach. Stattdessen hält die Erzählung die Erinnerung an das Bombardement von Saint-Gervais wach und schreibt den Akt deutscher Barbarei in das kollektive Gedächtnis Frankreichs ein. Interessanterweise wurde aber gerade Pierre et Luce, wenngleich nur außerhalb Frankreichs in den letzten Jahren als französischer Beitrag der Antikriegsliteratur wiederentdeckt. 2007 erschien die von Ch. de Kay besorgte englische Übersetzung bei Mondial, die Punk-Band Die Skeptiker brachte das Lied „Pierre und Luce“ heraus und der Berliner Aufbau Verlag edierte 2010 eine deutsche Neuübersetzung von H. Köhler. 10 Besonders bemerkenswert ist ferner, dass die allgemeine Modeerscheinung der Dramatisierung narrativer Texte auch Pierre et Luce erfasst: Bereits 2007 fand an der Neuen Oper Wien die Premiere der lyrischen Kammeroper Pierre et Luce. Die Osterlämmer von G. Schedl statt. Seit 2010 tourt die slowakische Produktion Pietro e Lucia. Requiem for the 20th Century, eine Tanz-Oper mit multimedialen Showeffekten von D. Rapoš, durch Europa, Kanada und die USA. Interessant ist dabei, dass die romaneske Erzählung trotz ihres historisch klaren Bezugs als universelles Plädoyer gegen Krieg und Terror verstanden wird: „Its modern message is a call for common battle of people of all continents against international terrorism and local wars.“ 11 189 DDossier Curtius, Ernst Robert, Die literarischen Wegbereiter des neuen Frankreich, Potsdam, Kiepenheuer, 1923. Francis, Richard, „La France vue par Romain Rolland“, in: Revue d’Histoire littéraire de la France, 80, 4, 1980, 602-620. Nedeljkovic, Dragoljub-Dragan, Romain Rolland et Stefan Zweig, Paris, Klincksieck, 1970. Rolland, Romain, Au-dessus de la mêlée, Paris, Ollendorff, 1915. — (ed.), Les poètes contre la guerre. Anthologie de la poésie française 1914-1919, Genf, Éditions du Sablier, 1920a. —, Pierre et Luce, Genf, Éditions du Sablier, 1920b. —, Clerambault. Histoire d’une Conscience libre pendant la Guerre, Paris, Ollendorff, 1920c. —, Journal des années de guerre. 1914-1919, Paris, Michel, 1952. —, Chère Sofia. Choix de lettres de Romain Rolland à Sofia Bertolini Guerrieri-Gonzaga (1909-1932), Bd. II, Paris, Michel, 1960. —, Jean-Christophe, Paris, Michel, 1966. Zweig, Stefan, Romain Rolland. Der Mann und das Werk, Frankfurt/ Main, Rütten & Loening, 1926. 1 Jouves Romain Rolland vivant (1920) und Zweigs Romain Rolland. Der Mann und das Werk (1926) sind beredtes Zeugnis der grenzenlosen Bewunderung Rollands. 2 Zit. nach www.dhm.de/ lemo/ html/ kaiserreich/ wissenschaft/ nobelpreis/ literatur (01.08.2014). 3 Besonders zeigt sich dies in dem äußerst negativ dargestellten Kohn-Hamilton, der als deutscher Jude in Paris amerikanischen Idealen nacheifert. Auch in Pierre et Luce zeichnet Rolland einen jungen Juden mit deutlich ablehnender Skepsis. Jacques Sée ist auch nach vier Jahren Krieg unbelehrbarer Kriegsbefürworter: „Il était de ceux qui n’acceptent jamais le démenti des faits. Il avait un double orgueil, l’orgueil caché de sa race qu’il voulait réhabiliter, et son orgueil personnel qui voulait avoir raison“ (Rolland 1920b: 146). 4 Im Folgenden werden Textzitate aus Clerambault mit dem Sigel C plus Seitenangabe angegeben. 5 Pierre Aubier, Sohn aus gutbürgerlichem Hause, hat seinen Einberufungsbefehl erhalten und soll wie sein Bruder Philippe, der bereits an der Front ist, in einem halben Jahr für Frankreich kämpfen. Der Krieg zwingt den noch sehr kindlichen Protagonisten, sich mit den existenziellen Fragen des Lebens auseinanderzusetzen und wirft ihn in ein seelisches Chaos. Inmitten dieser Seinskrise begegnet er per Zufall während eines Bombenalarms Luce. Zum ersten Mal in seinem jungen Leben erfährt er die Gefühlsverwirrungen der Liebe. Die Bekanntschaft mit Luce konfrontiert Pierre auch erstmals mit der proletarischen Gesellschaftsschicht. Er ist schockiert von der in Promiskuität lebenden Mutter von Luce, die in einer Munitionsfabrik arbeitet, sich aber nicht um ihre älteste Tochter kümmert. Diese bestreitet ihren Lebensunterhalt mehr schlecht als recht mit äußerst mittelmäßigen Gemäldekopien. Den sozialen Unterschieden zum Trotz durchleben die beiden Jugendlichen heimlich eine kurze aber intensive Zeit der Liebe. Ihre großen Pläne finden durch ihren gemeinsamen Tod bei der Karfreitagsmesse durch deutsches Bombardement ein jähes Ende. 6 Agénor Clerambault ist ein mittelmäßiger und wenig erfolgreicher Vorstadtdichter, der von einem konfusen Idealismus und Pazifismus durchdrungen ist. Er lebt mit seiner einfältigen Frau Pauline und seinen Kindern Rosine und Maxime ein beschauliches Leben. Der Ausbruch des Krieges und die freiwillige Meldung des Sohnes an die Front verändern das Leben der Clerambaults. Agénor lässt sich von der blinden Kriegsbegeisterung 190 DDossier der Massen anstecken und wird zum glühenden Vaterlands- und Kriegsdichter. Rasch ist er am Zenit seines dichterischen Ruhmes. Die Meldung des Todes des Sohnes erschüttert Agénor, wird zum Moment der Peripetie. Es beginnt ein fast religiöser Bekehrungsprozess, bei dem Clerambault Senior seine Schuld erkennt und schließlich zur Wahrheit findet. Er befreit sich und sein Gewissen von allen Kriegslügen und wird erst nun zum wahren Pazifisten, der versucht seine Mitmenschen wachzurütteln und ihnen die Augen zu öffnen. Doch die Bevölkerung will weiter an die Lüge des gerechten Krieges und die Heldentode der Soldaten glauben. Die Familie schämt sich für Agénor, die Öffentlichkeit verachtet ihn und beschuldigt ihn Défaitist zu sein; nur eine kleine Gruppe versehrter Kriegsheimkehrer unterstützt und ermutigt ihn. Mit seinen humanistisch-pazifistischen Artikeln handelt er sich eine Anklage ein, doch er bleibt unbelehrbar und kämpft weiter für die Freiheit des individuellen Gewissens. Am Ende wird Clerambault von Victor Voucoux, dessen Sohn wie der Clerambaults viel zu jung im Krieg starb, erschossen. 7 Im Folgenden werden Textzitate aus Pierre et Luce mit dem Sigel PL plus Seitenangabe angegeben. 8 Pierre erinnert damit stark an Jean-Christophe, der ebenfalls eine äußerst empfindsame und sensible Seele hat. Im Gegensatz zu nationalistischen Heldenkonzepten ausgeprägter Virilität und physischer Stärke, tragen Rollands Helden allesamt tendenziell weibliche Züge, so auch Philippe und Pierre: „Le grand frère [ ] était comme lui, de cette pâte fine, qui, chez les meilleurs hommes, garde un peu de la femme“ (PL: 25). 9 Eine ähnliche Szene der Ernüchterung finden wie in Pierre et Luce, als der vormals kriegsbegeisterte Philippe auf Heimaturlaub ist. Die Konfrontation mit der hässlichen Wahrheit des Krieges ließ auch ihn sich von sich selbst und den Daheimgebliebenen entfremden (PL: 26). 10 Köhlers Neuübertragung ist nicht nur durch das zeitgemäßere Deutsch der von Paul Amann besorgten Übersetzung von 1921 vorzuziehen, sondern auch durch die passendere Titelgebung (Pierre und Luce), war doch der Titel der Erstübersetzung Peter und Lutz etwas verwirrend. 11 Zit. nach www.pietroelucia.com/ about (01.08.2014). 191 DDossier Andreas Gelz En marges: Pratiques de lecture et l’écriture de l’Histoire chez Roger Martin du Gard À la mémoire de Jochen Schlobach Cette analyse du rapport entre l’histoire et le roman ne s’occupera pas, comme c’est le cas dans l’étude fondamentale de Jochen Schlobach (1965) et dans bon nombre d’études importantes à sa suite (Sicard 1973, Garguilo 1974, Rieuneau 1974, Daspre 1976, Alluin 1989, Andrieux 1999, Emeis 2003), des transformations littéraires de faits historiques - faits historiques par ailleurs difficiles à établir quant à la question des origines et causes de la première Guerre mondiale qui préoccupe Roger Martin du Gard au moment de l’écriture son roman L’Été 1914, publié en 1936. Il ne s’agira donc pas, dans ce qui va suivre, de voir comment Martin du Gard a modifié dans son roman certains épisodes qu’il aurait pu avoir tirés de ses vastes lectures de textes ou de documents qui - d’une perspective idéologique changeante - retracent les journées avant et après la mobilisation générale le 31 juillet 1914. Pour de plus amples informations sur cet immense travail de documentation de l’écrivain, 1 l’on peut se reporter à Garguilo (1974), Rieuneau (1974, 563-570) et notamment à Schlobach (1965, 293-299) et son inventaire de la bibliothèque de Roger Martin du Gard (Schlobach 2000) qui, en répertoriant les marques de lecture et les commentaires inscrits dans les marges des livres, nous parle des lectures intensives de Roger Martin du Gard. 2 Je ne cite, à titre d’exemple, que le livre d’Antoine Delécraz, 1914: Paris pendant la mobilisation: notes d’un immobilisé: des faits, des gestes, des mots (31 juillet-22 août), Genève, 1915 (qui comporte des annotations et 98 passages cochés), dont Roger Martin du Gard a repris un certain nombre d’épisodes pour son roman L’Été 1914. Parmi les livres assidûment annotés il y a Comment s’est déclenchée la guerre mondiale avec les documents secrets de la Chancellerie allemande annotés par Guillaume II de Karl Kautsky (Paris, 1923) qui a été annoté et dont 128 passages ont été cochés; Juillet 1914 d’Emil Ludwig (Paris 1929) comportant lui aussi des annotations et 199 passages cochés; Juillet 1914: précis du déclenchement de la guerre et des responsabilités d’Ermenonville (pseud. Gustave Dupin) (Paris 1924), et bien d’autres encore. 3 Je ne poursuivrai de façon approfondie ni le questionnement de la transformation des faits et des événements historiques, ni les recherches intéressantes sur le rôle de la citation menées par Charlotte Andrieux (1994, 1996, 1999) qui considère le document consulté par Roger Martin du Gard (et non pas son contenu) comme un ,événement‘ sui generis, comme un élément factuel repris dans la fiction littéraire, et qui se demande si les citations, dans l’œuvre de Roger Martin du Gard, ne seraient finalement pas „une forme de narration propre à l’écriture de la 192 DDossier politique? “ (Andrieux 1994, 82). Il s’agirait selon elle d’une forme de narration à fonctions multiples: le texte cité constituerait une espèce de moteur de la narration (notamment dans le cas de Jean Barois), 4 il produirait un ,effet de réel‘, ou aurait encore, dans sa multiplicité, une fonction de témoignage ou d’indicateur idéologique des personnages (Andrieux 1994, 85), qu’il arrive parfois même à substituer, les documents pouvant être considérés comme „des acteurs à part entière“. 5 La citation serait pour Roger Martin du Gard, simultanément et paradoxalement attiré et rebuté par la politique, une échappatoire: „Ce paradoxe est en partie résolu dans ses romans par l’utilisation de la citation, celle-ci permet un désengagement de la part de l’auteur: le narrateur et le créateur s’effacent pour laisser une liberté d’interprétation au lecteur“ (ibid.). 6 Dans ma contribution, il sera, pourtant, également question des lectures et de la bibliothèque de Roger Martin du Gard dont l’inventaire et l’analyse semblaient à Jochen Schlobach ouvrir de nouveaux horizons de recherche. Si j’essaye toutefois de travailler dans la voie qu’il a ouverte je m’intéresse moins qu’il l’aurait peut-être fait, à la bibliothèque, aux livres que Roger Martin du Gard recevait - souvent sans les avoir sollicités -, aux envois d’auteur, en tant qu’expression d’un champ intellectuel, et par conséquent en tant qu’objet d’une sociologie de la littérature. Et même s’il sera, dans ce qui suit, exclusivement question de quelques-unes de ses lectures préparatoires à l’élaboration de L’Été 1914 en particulier, elles ne m’intéressent pas non plus du point de vue documentaire. J’analyserai les lectures de Roger Martin du Gard plutôt en tant qu’objet d’une génétique du texte qui irait audelà d’une analyse des manuscrits 7 pour s’orienter plus en amont vers la pratique de lecture d’un auteur - pratique au sens concret, matériel, d’une analyse des traits, marques et inscriptions, des commentaires manuscrits, ou d’autres signes textuels notés dans les marges d’un livre consulté. Ce qui m’intéresse principalement, c’est la transition vers la fiction à un stade antérieur à la constitution du texte littéraire - pour paradoxal que ce propos puisse paraître -, à savoir dans la pratique de la lecture même, dans le rapport gestuel et corporel qu’entretient le lecteur Roger Martin du Gard avec le texte qu’il lit. Et ceci avant que ce lecteur ne se transforme dans ,l’écrivain‘ ou ,l’intellectuel‘ Roger Martin du Gard, avant que n’entrent en jeu sa position sociale, ses modèles idéologiques et littéraires, qui le consacreront l’artiste modèle récompensé par un prix Nobel de littérature - même s’il est clair que certaines de ces qualités interfèrent également dans sa lecture. Mes réflexions constituent une tentative pour comprendre ce moment de transition, de passage, qui est en même temps - si l’on pense aux marges annotés des pages qu’il vient de lire - un lieu précaire, une limite où un sujet, dans tous les sens du mot, naît en se délimitant par rapport à un texte antérieur. Il ne s’agit donc pas de parler (mais de tenir compte) de la recherche des causes de la Première Guerre mondiale, recherche qui se traduit entre autres par le choix formel, par Roger Martin du Gard, d’un récit d’origine, d’un roman généalogique à résonances mythiques, qui, elles non plus, aussi peu que la question générique, se trouveront au centre des remarques qui suivent. 8 193 DDossier Plutôt que d’approfondir ces possibles interférences du texte de Martin du Gard avec l’histoire et ses mythes, je me concentrerai donc sur le geste de lecture et/ ou d’écriture fait en marge par Martin du Gard lors de ses lectures, geste qui, à mon sens, évoque la confrontation de l’individu qu’est l’auteur, avec des forces historiques, confrontation matérialisée par sa lecture des multiples chroniques de l’année 1914. C’est dans ce sens que la limite entre le texte lu et ses annotations déclenche une dialectique entre la complexité irréductible de l’histoire, la pluralité des interprètes et de leurs interprétations d’un côté, qui se manifeste dans le grand nombre de lectures historiographiques, politiques et autres de Roger Martin du Gard, et de l’autre la volonté coordinatrice de celui qui est censé réagir à une telle pluralité, qui la voudrait maîtriser dans une narration, une dialectique qui mène derechef à la multiplication des lectures et de leurs annotations. Au fur et à mesure que progresse ce mouvement herméneutique se met en place l’élaboration successive d’une fiction en marge d’un autre texte: tout d’abord, c’est l’ensemble de la configuration du texte de départ et de ses marges annotées et commentées par Roger Martin du Gard qui constitue en quelque sorte un texte nouveau - il ne s’agit plus du texte initial, mais il ne s’agit pas encore de celui de Martin du Gard écrivain -; puis ce sont, dans un processus intertextuel non seulement de transformation mais aussi d’inversion, les marges annotées du texte qui vont s’imposer comme le lieu d’une vision historique qui supplantera finalement celle du texte que l’auteur vient de lire. Ill. 1: Antoine Delécraz, 1914: Paris pendant la mobilisation: notes d’un immobilisé: des faits, des gestes, des mots (31 juillet-22 août), Genève, 1915 194 DDossier Les annotations de Roger Martin du Gard se caractérisent par une systématicité extraordinaire: nous trouvons des passages cochés d’un trait vertical simple ou double, qui peuvent être accentués par un trait horizontal, ou une croix, des passages soulignés dans le texte, des points d’exclamation ou d’autres signes de ponctuation dans les marges du texte, l’utilisation d’initiales, comme ,J‘, ,A‘ ou ,Ant‘, ,Rum‘, ,Phil‘ ou de noms entiers comme Jenny, Rumelles qui désignent les protagonistes des Thibault ou du moins du roman à écrire, L’Été 1914. On trouve également des commentaires manuscrits de Roger Martin du Gard qui peuvent quelquefois s’adresser directement à l’auteur du livre qu’il vient de lire ou qui mettent en rapport deux auteurs consultés lors de sa documentation historique. Je cite l’exemple d’un commentaire de Martin du Gard sur le rôle du secret et de l’hypocrisie dans la préhistoire de la Première Guerre Mondiale (ill. 2); ou celui d’un ,non‘ catégorique qu’il oppose à une idée avancée par Kautsky (ill. 3); ou encore son opinion sur le mouvement des troupes françaises et sur l’attitude correspondante des Allemands (ill. 4). Ce qui attire notre attention en premier lieu c’est que les annotations et les inscriptions de Roger Martin du Gard s’agencent non seulement selon un schéma paradigmatique (un trait, deux traits, une croix, etc.), mais aussi de manière syntagmatique, lorsque l’on prend en compte la fréquence et la distribution des annotations. Il devient par conséquent évident que la lecture de Roger Martin du Gard, Ill. 2: Ermenonville (pseud. Gustave Dupin): Juillet 1914: précis du déclenchement de la guerre et des responsabilités. Paris 1924 195 DDossier Ill. 3 et 4: Karl Kautsky: Comment s’est déclenchée la guerre mondiale avec les documents secrets de la Chancellerie allemande annotés par Gullaume II. Paris 1923 qui est en même temps un embryon d’écriture, obéit à une dynamique dont il s’agira de comprendre les implications. Si l’on considère l’exemple de la lecture par Martin du Gard du texte d’Antoine Delécraz, 1914: Paris pendant la mobilisation: notes d’un immobilisé: des faits, des gestes, des mots (31 juillet-22 août), une des sources majeures de la description des journées avant et après la mobilisation générale à Paris dans L’Été 1914, on peut observer comment le nombre des annotations aussi bien que leur expressivité augmentent lorsque le texte s’approche du 1 er août 1914 et combien ils diminuent après le 7 août. 9 À première vue, cette trajectoire n’est rien de plus que le reflet fidèle d’une attention accrue d’un auteur à la recherche de matériau historique pour son roman, mais elle peut être interprétée autrement, d’une façon pour ainsi dire ,protolittéraire‘, lorsque l’on rattache les signes graphiques, les passages cochés, le soulignage etc. faits en marge aux commentaires manuscrits de Roger Martin du Gard au même endroit qui, par un effet rétroactif, rendent les premiers lisibles et significatifs. Si Roger Martin du Gard écrit par exemple dans les marges du texte de Karl Kautsky, „C’est le point tragique“ (ill. 5), ou bien, „date fatidique“ (ill. 6), il adopte, pour comprendre les événements historiques, ou plutôt leur présentation par Kautsky, le modèle de la tragédie (et l’idée de faute, de culpabilité) et insiste par conséquent sur l’influence qu’exerce un destin inexorable sur le cours des événements. 10 Si l’on considère la trajectoire des lignes et traits dans la perspective de ces quelques mots directeurs, ils nous apparaissent tout à coup 196 DDossier comme l’analogue du schéma classique de la tragédie avec une courbe ascendante, une péripétie et la descente vers la catastrophe finale. 11 Dans ce sens les annotations de Roger Martin du Gard constituent une tentative, encore balbutiante et provisoire, de donner une forme au matériau historique - dans l’exemple concret de sa lecture de Delécraz à l’aide d’un modèle littéraire qu’est la tragédie auquel correspondent certaines présuppositions historiques, voire mythiques -, pour s’approprier la complexité d’une certaine constellation historique, à peine compréhensible pour les contemporains. Avant de connaître donc la forme littéraire de sa vision historique dans L’Été 1914, il nous est possible de déceler quelques orientations épistémologiques, esthétiques et éthiques du regard de Roger Martin du Gard sur la réalité de son temps, et ceci grâce à quelques lignes, traits et marques et à quelques indications verbales isolées dans les marges des textes qu’il a lus. Les marges comme un lieu Ill. 5 et 6: Kautsky, op. cit. 197 DDossier où d’une façon encore indéterminée l’instance de lecteur et d’auteur oscillent, comme un temps de lecture auquel correspond le temps d’une écriture. En effet, le temps de la lecture (du document par Roger Martin du Gard) se distingue de celui du texte - chronique, récit, etc. - que lit le lecteur-auteur Martin du Gard; par la force et le mouvement de ses traits, de ses commentaires manuscrits, il réorganise les éléments du texte lu selon un ordre temporel qui lui est propre et qui peut obéir à son tour à un ordre temporel emprunté, nous l’avons vu, à un modèle narratif ou littéraire, historique voire mythique. Dans notre exemple il s’agissait de celui de la tragédie, ce qui est d’autant plus remarquable que celui-ci n’entretient, au premier abord, qu’une relation accidentelle avec celui du roman, genre que Martin du Gard va finalement adopter pour transcrire sa vision du temps historique. Le fait que Roger Martin du Gard, par l’introduction d’initiales dans les marges du texte qu’il lit, confronte celui-ci (ses figures, les événements relatés) avec quelques protagonistes de son futur roman montre également comment Martin du Gard séquentialise, dynamise et, par là même, restructure le texte de départ, comme il lui imprime non seulement une autre temporalité, mais aussi une théâtralité (dans le sens d’une élaboration d’une scène historique) et une dialogicité. 12 Ce dialogue, constituant le début d’un processus complexe d’interaction entre Martin du Gard et l’histoire, revêt lui aussi un caractère temporel au sens où les différents moments ou les différentes séquences historiques dans leur simultanéité, leur confusion, leur désordre apparent, tel qu’elles se reflètent dans les textes qu’il lit, vont être ordonnées, grâce à leur attribution à certaines initiales tout au long du texte. En juxtaposant les lettres ,J‘, ,A‘, ,Ant‘, ,Rum‘ etc. qui représentent un agent, un personnage embryonnaire, qui pourrait (virtuellement) agir sur l’histoire, l’influencer, changer son cours et se voir transformée par elle, et les noms de responsables politiques de l’avant-guerre et de leurs discours, au niveau français, européen, et américain, de Jaurès, en passant par l’empereur allemand et le président Wilson, Roger Martin du Gard essaye, à l’aide de recoupes entre les différentes parties marquées par le même sigle, d’introduire une perspective identitaire aussi bien actantielle que narrative, d’imprimer une continuité personnelle à la simultanéité désordonnée de l’histoire, de focaliser sa complexité et de lui attribuer donc une certaine logique. A la base de ce dialogue qu’il s’agira de caractériser de manière plus spécifique, se trouve, par conséquent, une relation entre l’Histoire et les histoires multiples des destins individuels que Roger Martin du Gard établit déjà au moment de ses lectures. Avant que nous ne connaissions le sort des personnages de L’Été 1914, Roger Martin du Gard les présente (à lui-même tout d’abord, puis à nous qui lisons par-dessus son épaule un texte qui ne nous était pas destiné), en les juxtaposant, entre autres choses, comme on vient de le voir, aux noms de responsables politiques de l’avant-guerre dont il est question dans ses lectures, comme autant de protagonistes d’une histoire tourmentée. Et ceci dans un double sens: agent ou victime, ils sont en même temps porte-paroles de certaines formations discursives impérantes à l’époque. C’est notamment le cas de Jacques dont l’initiale ,J‘ se 198 DDossier trouve à côté de certaines déclarations d’hommes politiques, par exemple de Jean Jaurès, ou à côté de plusieurs extraits de la presse d’opinion. Si j’ai décrit ce mode de lecture ou d’écriture effectué par Roger Martin du Gard comme une tentative de réduction de la complexité de l’histoire, il faudrait pourtant nuancer cette description. La confrontation de plusieurs acteurs historiques avec certaines initiales tout au long des lectures réalisées par Roger Martin du Gard établit un rapport de représentation certes implicite, mais non moins opérant. L’exemple du texte d’Ermenonville nous montre comment Martin du Gard met en relation ,Rum‘ avec un télégramme du tsar, tandis que ,J‘ devient le témoin d’un entretien entre le sénateur Trystram et Poincaré (ill. 7); et dans l’exemple suivant nous observons une projection d’un manifeste de la C.G.T. sur ,J‘ ou vice-versa (ill. 8). Or, l’initiale, à ce moment inaugural de lecture ou d’écriture, est encore au stade d’une projection ouverte, englobante et transcendante à la fois, indéterminée - les initiales ne possèdent pas encore de contour, elles se distinguent par un caractère multiforme et apparaissent pour cette raison plutôt comme des agents mythiques de l’histoire. C’est cette oscillation entre une représentation qui se voudrait réductrice et sa pluralité incontournable - de par la pluralité des acteurs historiques représentés par quelques initiales aux marges des lectures de Roger Martin du Gard et par le biais de l’indétermination sémantique de celles-ci - qui est essentielle pour comprendre la nature du dialogue qu’instaure Roger Martin du Gard, à travers ses notes de lecture, avec le texte qu’il lit et, à travers celui-ci, avec l’histoire elle-même. Ill. 7: Ermenonville, op. cit. 199 DDossier Il s’agit d’un dialogue complexe qui dynamise le texte de départ, celui que Roger Martin du Gard vient de lire et de commenter. Une typologie provisoire pourrait faire état des catégories suivantes: Il s’agit d’un dialogue de Roger Martin du Gard avec l’auteur du livre qu’il lit, d’un dialogue également avec ses propres protagonistes, Antoine, Jacques, Rumelles, et Jenny, représentés par leurs initiales; 13 il s’agit en outre d’un dialogue de ,J‘, ,A‘ etc. avec les personnages du livre dont ils constituent les marges, d’un dialogue avec l’auteur de ce livre et d’un dialogue entre - et la constellation suivante me paraît très intéressante, parce qu’elle représente une étape supplémentaire dans la transformation progressive du texte de départ par la lecture de Martin du Gard -, ces proto-personnages eux-mêmes, qui peuplent les marges des œuvres de la bibliothèque de Martin du Gard (ill. 9) (comme dans les exemples précédents, nous voyons à l’exemple du texte d’Ermenonville l’alternance de plusieurs initiales), et qui, loin de ne représenter que des figures de Martin du Gard, établissent une relation implicite avec la société et, bien sûr, d’une espèce de polylogue constitué par l’imbrication de ces différents modes dialogiques dont nous ne pouvons épuiser ici toute la richesse. On peut se demander, cependant, si Roger Martin du Gard a été véritablement conscient de ce polylogue, de cette pluralité d’instances, de figures médiatrices, impliquées dans un jeu d’identité et de différence, on peut se demander également si cette constellation, censée - dans l’optique dialogique de Martin du Gard - ré- Ill. 8: Ermenonville, op. cit. 200 DDossier concilier une réalité conflictuelle, ne trahit pas, tout au contraire, les antagonismes irréconciliables de son temps. Ce qui se joue dans ce dialogue protéiforme, c’est la possibilité d’une vision globale de la réalité historique de son temps, des causes de la guerre, des responsabilités à établir. Les marges de ses lectures sont pour Roger Martin du Gard le lieu ou s’établit un dialogue sur l’histoire qu’il mène dans le but d’atteindre un consensus quant à la réalité historique, les marges du texte constituent le corrélat visuel et topographique de cette problématique de représentation. C’est dans ce sens que les marges du texte constituent le lieu où le lecteur-auteur qu’est Roger Martin du Gard tente de repousser la violence inarticulée de l’Histoire, une limite de la compréhension, mais en même temps l’espace dans lequel il essaye de délimiter, de circonscrire une vision de l’histoire, de donner une forme à ce qui n’en a pas. Ce sont ces deux conceptions de la limite entre le texte et ses marges qui entrent dans une dialectique virtuellement illimitée - entre la complexité irréductible de l’histoire, la pluralité des interprétations et des interprètes d’un côté, la volonté coordinatrice et réductrice de celui censé réagir à une telle pluralité de l’autre, une dialectique qui oblige pour ainsi dire l’auteur à produire des notes et toujours plus de notes (songeons aux multiples lectures préparatives de Martin du Gard en vue de la conception de son roman, non moins pluriel dans son intégration de documents et d’événements historiques). Ceci mène à la question du ,pouvoir‘ que s’attribue ou dont dispose l’écrivain. Cette question est d’autant plus pertinente que la plupart des livres qu’a lus Roger Martin du Gard représentent des interprétations très divergentes et antagonistes des mêmes événements historiques, des interprétations qui acquièrent ou s’arrogent elles-mêmes un ,pouvoir‘, entre autres, sur leur légitimité pour établir les responsabilités du déclenchement de la Première Guerre mondiale et qui entrent même grâce à cette qualité en concurrence avec le projet d’écriture de l’écrivain. La pragmatique des textes que lit Roger Martin du Gard - souvenons-nous de certains titres de ses lectures: „Comment s’est déclenchée la guerre mondiale? “, „Précis du Ill. 9: Emil Ludwig: Juillet 1914. Paris 1929 201 DDossier déclenchement de la guerre et des responsabilités“ - correspond à la pragmatique des annotations écrites en marge aussi bien qu’à celle de son futur roman L’Été 1914 qui incarnerait alors l’établissement de la vérité historique sur l’origine de la guerre et la préconisation des conséquences qu’il faudrait en tirer sur un plan politique. Un autre exemple est constitué par les textes de la chancellerie allemande publiés par Karl Kautsky portant les annotations de l’empereur, elles-mêmes annotées par Roger Martin du Gard. Est-ce que la note marginale de Roger Martin du Gard a le même statut que celui des annotations de l’empereur quant à leur pouvoir d’interprétation et de transformation de la réalité historique? Si Martin du Gard pose - voire dépose - ses protagonistes et leurs initiales aux bords de ses lectures, il les fait agir au nom d’un pouvoir peut-être non moins souverain que celui de l’empereur qui, lui aussi, par le biais de ces annotations sur des papiers officiels faisait mouvoir ces hommes. Un dernier exemple: Quelle est la position de Roger Martin du Gard face à l’histoire s’il note dans les marges du texte de Karl Kautsky au sujet de quelques détails mentionnés par celui-ci: „on y avait pensé en effet“ (cf. supra, ill. 4), quelle est l’extension de ce ,on‘? 14 Parle-t-il des arcanes politiques auxquelles aurait accès l’écrivain sur un pied d’égalité avec le militaire ou l’homme politique? D’où proviendrait ce pouvoir que s’attribue l’écrivain afin d’imposer sa vision de l’histoire, quelle serait la source de sa légitimité? 15 Ce ,réalisme‘ se manifeste non seulement dans les commentaires directs de Martin du Gard, mais aussi à travers les figures qu’il introduit dans le texte lu au fur et à mesure de ses lectures. Par la projection de ces personnages sur des événements historiques Martin du Gard suggère la possibilité d’atteindre la réalité de cet événement à travers une relation de représentation et traduit par ce geste en même temps le fait qu’il croit également pouvoir en influencer le cours. S’il écrit en marge d’un texte d’Emil Ludwig qui fait état d’une conférence à Bruxelles et d’un discours de Jean Jaurès à la même occasion: „Jacques y était? “ (ill. 9), il confère à son personnage littéraire le rang d’un personnage historique dont il s’agirait d’analyser les activités et annule la différence qui sépare le référent et son signe. Parfois aussi il attribue des discours et des arguments puisés dans une de ses lectures, par un commentaire dans les marges, à un de ses futurs personnages romanesques (cf. les notes suivantes: „dira Rumelles en août“, [ill. 10], ou „Rumelles en août explique combien de fois la paix a failli l’emporter sur la guerre“ [ill. 11]), et crée de cette manière un simulacre de présence qui convertit ses protagonistes à leur tour en une partie intégrante de l’histoire extra-littéraire. Cette réduction de la complexité historique par représentation interposée, pour compréhensible qu’elle puisse paraître dans la visée herméneutique, humaniste et pédagogique de Martin du Gard, cette tentative d’établir un dialogue entre des forces antagonistes risque d’échouer, non seulement à cause de la pluralité des lectures et des sondages historiques parfois très hétérogènes de Roger Martin du Gard, mais surtout à cause de l’oscillation entre la détermination et l’indétermination des interférences entre l’histoire et l’individu touché par sa violence qu’il est pourtant censé contrôler. Cette oscillation se manifeste visuellement dans le rapport 202 DDossier en fin de compte contingent entre la série de traits, d’initiales, d’annotations et de gloses marginales, comme autant de signes de lecture dont nous avons essayé Ill. 10 et 11: Emil Ludwig, op. cit. 203 DDossier d’établir une typologie, et les événements historiques relatés dans les textes que Martin du Gard vient de lire et de commenter. Cette relation trouve, et ce sera mon dernier point qui ira au-delà des considérations d’ordre génétique dont il a été question jusqu’ici, son écho dans le roman lui-même: Comme Roger Martin du Gard que nous observons en train de lire d’autres textes, de les traduire dans une expérience humaine en les accompagnant d’initiales, ses protagonistes, dont les origines sont à chercher dans les dites notes de lecture, lisent à leur tour dans L’Été 1914 l’histoire qui menace de les anéantir et essayent de s’orienter, sans toujours y parvenir, à l’aide d’autres textes (contes, rumeurs, articles de journaux, pamphlets, textes d’autres activistes etc.). Il s’agit là d’une espèce de mise en abyme de la problématique de la lisibilité de l’histoire que nous avons pu observer de façon explicite dans les lectures annotées de Roger Martin du Gard lui-même. Ce qui est répété dans le roman, ce qui est mis en abyme, c’est sa propre aventure de lecteur et d’auteur confronté à la violence de l’Histoire. Sans poursuivre ce type de questionnement qui nous montre que son roman est plus complexe que ne le fait croire sa catégorisation comme roman à thèse, roman d’idées, ou de son auteur comme un „naturaliste attardé dans l’après-guerre“, comme le prétendait Claude-Edmonde Magny (1971, 318), il est clair que la représentation dans le texte de Martin du Gard va au-delà d’une mimésis d’événements historiques qu’il aurait relevés grâce à une recherche méticuleuse; elle implique plutôt celle de tout le processus de communication littéraire, de la lecture à l’écriture - et il faudrait donc également mentionner le nombre de projets d’écriture reproduits dans le roman, voire dans les Thibault, surtout ceux de Jacques et d’Antoine, les pendants de Martin du Gard -; elle inclut aussi les lecteurs des textes de Roger Martin du Gard qui se voient dédoublés dans la multitude des figures de lecteurs dans L’Été 1914. Si l’on regarde de près, les bords du texte constituent le point de jonction d’un texte et de sa transformation, d’une version de la vérité historique et sa traduction dans une autre, entre le sujet et la violence de l’histoire, un lieu fragile où se montre la vulnérabilité du lecteur-auteur Roger Martin du Gard face à une histoire qui le dépasse, avant qu’il ne convertisse l’hétérogénéité de ses inscriptions, de ses marques dans l’homogénéité d’une fiction, censée parler pour et à une société dont les contradictions se sont, cependant, conservées dans ses multiples notes de lectures. Par là, pourrait-on dire, Roger Martin du Gard transforme la littérature et son histoire en un mythe, celui de la capacité de la littérature à saisir et à communiquer la réalité, et paradoxalement, ce mythe, au lieu de justifier son propre projet romanesque, le relativise, l’incorpore comme un modèle parmi d’autres dans la représentation des formes multiples de communication littéraire qu’on peut lire dans son texte; et c’est à chaque lecteur de partager ou non la leçon que Roger Martin du Gard a cru bon de tirer de cette aporie de l’évolution du roman moderne. 204 DDossier Alluin, Bernard, Martin du Gard, romancier, Paris, Aux Amateurs de Livres, 1989. Amossy, Ruth, „La mise en scène de l’argumentation dans la fiction: Le tract pacifiste de Jacques Thibault“, in: Recherches et Travaux, 57, 2000, 49-62. 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Je note et mets de côté, depuis 1921, tout ce que je peux récolter, au cours de mes lectures, sur cette question des origines de la guerre, que je savais devoir tenir une grande place dans la suite des Thibault. J’ai des cartons entiers de fiches, de coupures. C’est avec tout ça que j’ai travaillé. Et nullement d’après mes souvenirs. [...] Je suis arrivé à Paris le 1 er août à minuit; et j’étais mobilisé dès le lundi, à Fontainebleau. Toutes mes descriptions de Paris sont une recréation de romancier [...].“ (C.G. VII, 53). 2 Les copies tirées des livres de la bibliothèque de Roger Martin du Gard qui ont étayé l’inventaire dressé par Jochen Schlobach et dont je me sers dans cet article ont été longtemps conservées à l'université de la Sarre et se trouvent actuellement au Fonds Roger Martin du Gard de la bibliothèque de l’université de Nice Sophia Antipolis. J’ai eu, lors de 206 DDossier deux voyages à Quiberville et à Paris, l’honneur d’assister Jochen Schlobach dans la tâche de dresser l’inventaire d’une partie de la bibliothèque de Roger Martin du Gard et d’établir des copies de „toutes les pages de cette bibliothèque qui portent des traces manuscrites, venant soit des auteurs sous forme d’envoi d’auteur, soit de Roger Martin du Gard lui-même“ (Schlobach 2000, 5). 3 On peut cependant avancer, à partir de ces quelques exemples sans pour autant poursuivre ce type de recherche, certaines caractéristiques qui ont présidées les reprises intertextuelles par Roger Martin du Gard: certaines épisodes ou événements relatés dans les textes qu’il a lus lui ont paru intéressants à cause de leur caractère médiatique (voir p.ex. l’affiche de la mobilisation générale dont la description jouera un rôle important dans L’Été 1914), leur caractère théâtral (dans leur majorité il s’agit de dialogues), leur caractère représentatif (un événement significatif, une anecdote) et de leur fonction synthétique (la confrontation entre la France et l’Allemagne étant représenté à l’intérieur de l’espace urbain de Paris), et finalement, à cause de leur dimension allégorique voire symbolique (v. l’orage la veille de la mobilisation générale comme signe annonciateur de la guerre). 4 „Les documents ont un rôle actif, ils font avancer l’Histoire par les répercussions qu’ils entraînent (le mémoire de Lazare sera à l’origine de la reconsidération de l’Affaire, le procès Zola provoquera la révision du procès Dreyfus, etc.)“ (Andrieux 1994, 83). 5 „Les documents deviennent d’une certaine manière des acteurs à part entière, ils remplacent des personnages historiques que l’auteur n’a pas voulu mettre en scène directement de peur de trahir la réalité par la fiction“ (Andrieux 1994, 85). 6 Cf. également Andrieux 1996. 7 Cf. le programme de recherche de la thèse de Charlotte Andrieux tel qu’elle le résume dans les Cahiers Roger Martin du Gard: „l’examen des avant-textes, des fiches documentaires, des notes préparatoires, des brouillons jusqu’aux manuscrits définitifs. Cette immersion dans le fonds génétique permet de découvrir les premières sources de l’écriture et de déceler les apports de l’intertextualité, en analysant notamment les choix prérédactionnels et la réécriture des documents“ (Andrieux 1999, 176). 8 Cf. les titres initialement prévus du cycle romanesque des Thibault comme Le Bien et le Mal, Ombre et Lumière, Deux Frères, qui évoquent la vision dichotomique et cyclique de l’écriture de Roger Martin du Gard et plus particulièrement de celle de L’Été 1914, ce roman sur l’origine de la Première Guerre Mondiale à partir d’une histoire familiale rédigée, même si Roger Martin du Gard s’est défendu de cette idée, dans la perspective de la crise qui mènera à la Deuxième Guerre Mondiale. Je ne discuterai pas non plus la mise en récit, par Roger Martin du Gard, de nombreux métarécits politiques qui circulaient à l’époque - socialisme, communisme, anarchisme, nationalisme aussi bien qu’internationalisme, les propositions de paix de Wilson etc., tous empreints de mythologèmes idéalistes ou humanistes dont se réclame Roger Martin du Gard, après avoir reçu le Prix Nobel en 1937, dans son discours de Stockholm. 9 Il est intéressant de noter que cette dynamique au niveau de la lecture de Roger Martin du Gard, analysé ici au niveau microstructurel de la lecture d’un seul texte, correspond, dans le sens d’une „esthétique documentaire, voire épistémique du roman“ (Baty- Delalande 2010, 269), d’une „politique du roman“ (Baty-Delalande 2010, 270), au niveau macrostructurel à l’inscription de l’histoire dans tout le cycle des Thibault: „La faible inscription historique de la première partie des Thibault au regard de l’accumulation des dates et de l’accélération des événements dans L’Été 1914 suivi de la lente déflation d’Épilogue fait ressortir crûment cette impossibilité de saisir le temps historique dans sa 207 DDossier durée autrement qu’en rendant compte d’une intensité différentielle“ (Baty-Delalande 2010, 245). 10 Cf. les théories de Hayden White, notamment son concept d’‚emplotment‘ (White 1973, 1987). 11 Inutile d’insister ici sur le rapport étroit entre sa „vocation littéraire“ et ce qu’il appelle „le tragique de la vie“ qu’il développe, précisément à partir de L’Été 1914, dans son Discours de Stockholm au moment de recevoir le prix Nobel de littérature en 1937: „Dès cette époque, je pensais déjà (ce que je pense encore): que le principal objet du roman, c’est d’exprimer le tragique de la vie. J’ajouterai aujourd’hui: le tragique d’une vie individuelle, le tragique d’une destinée en train de s’accomplir “ (Martin du Gard 1959, 958). Cf. également Rieuneau 1974, 493-505. 12 L’importance du principe dialogique dans l’écriture de Roger Martin du Gard - principe éventuellement en contradiction avec l’appartenance supposée de son roman au genres du roman d’idées ou du roman de thèses - est accentuée par plus d’un critique. À titre d’exemple je cite René Garguilo: „Tout au long de sa carrière de romancier, Roger Martin du Gard a été tenté par le roman dialogué et par le roman-dossier. Il n’a jamais pu triompher complètement de ces démons, et, dans toutes ces œuvres, plus ou moins, dans un chapitre ou dans un autre, il a succombé à ses chères tentations“ (Garguilo 1974, 770) et, à plus de trente ans de distance, l’étude récente d’Hélène Baty-Delalande qui, dans le but de „rendre compte de la constitution explicite d’un espace polémique dans ces romans de l’éloquence“ (Baty-Delalande 2010, 282) distingue, quant à l’œuvre de Roger Martin du Gard entre trois „formes de discours“, entre autres „les assertions croisées, dans des séquences dialoguées amples et également très construites“, qui elles, fonctionneraient selon trois ,régimes‘, parmi lesquels „le régime dialogal, qui ne se limite pas aux situations de dialogues proprement dites, mais intervient également dans des dialogues fictifs, au cœur d’exposés, ou dans des processus d’introspection, dans des monologues, et enfin le régime dialogique, qui intervient presque constamment, comme étant lié à la qualité même du langage, à la fois revendiqué par le discoureur et partagé par une communauté. Le discours le plus nettement revendicatif, le plus assertif et le plus univoque inscrit néanmoins en son sein la parole de l’autre, pour la réfuter, la déplacer et finalement l’approprier“ (ibid.). 13 La relation ambigüe qu’entretient Roger Martin du Gard avec ses personnages devient patent si Martin du Gard se déclare l’historiographe de ses figures: Dans une lettre à Lucien Maury du 5.12.1930 il se considère „l’historiographe des Thibault, et ce sont eux que me mènent.“ (C.G. V, 133). D’un autre côté il adopte l’attitude d’un auteur-démiurge quand il dit dans une lettre à Lucien Maury du 29.05.1938: „Je prolonge la vie d’Antoine jusqu’à l’armistice, pour qu’il ait le temps de s’enflammer aux messages du raisonnable visionnaire américain, et pour que j’aie, moi, l’occasion de faire entendre des choses qui me tiennent à cœur.“ (C.G. VII, 289). Ou encore, quant à Jean-Paul, jeune garçon à la fin de L’Épilogue dont il imagine un futur de soldat en lutte contre le fascisme allemand: „Jean-Paul, en 1940, [serait] mobilisé quelque part entre Saarbrücken et Forbach, ou bien parti comme volontaire au secours de la Finlande, et luttant, avec l’ardeur désespérée d’un pacifiste pour faire triompher tout ce à quoi il tient, contre tout ce qu’il hait le plus au monde! Et j’affirme que, ce disant, il ne trahirait ni Jacques ni Antoine, - ni moi! “ (C.G. VIII, 56-57). 14 On trouve des procédés analogues dans son journal des années 1940-1945, dédoublement et projection de la propre subjectivité de l’auteur dans un texte, selon Annie Mottet, lui-même caractérisé par différents strates - chronique privée, chronique publique, jour- 208 DDossier nal d’écrivain, etc.: „R.M.G. use de trois verbes: ,voir‘, ,imaginer‘, ,croire‘ qu’il renforce d’un ,je‘ très insistant avec, éventuellement, une tournure présentative (,voici comment j’imagine‘), il privilégie le présent et le futur de l’indicatif mais emploie aussi un conditionnel présent marquant, selon les cas, le potentiel ou l’irréel. Son ,je‘ s’élargit parfois à un ,nous‘ ou un ,on‘ avec un recours à des tournures impersonnelles, l’écrivain se reprochant alors „de prendre son propre reflet dans le miroir pour l’indice d’un état général, et de prêter à ses contemporains sa propre température...“ (Mottet 2001, 239). 15 Cette question reprend, au niveau des lectures préparatoires de Roger Martin du Gard, la question de l’autorité de l’auteur dans le roman réaliste, notamment dans le roman d’idées ou le roman de thèses: „Elle [la topographie des discours dans le roman de Roger Martin du Gard] garanti ainsi, au cœur des romans et aux lieux mêmes du figement idéologique et des débats apparemment périmés, la permanence et la vivacité d’une interrogation sur les conditions mêmes de l’exercice de la parole, comme prise de pouvoir et constitution d’un public“ (Baty-Delalande 2010, 356). 209 DDossier Stefan Schreckenberg Späte Suche nach den Gräbern Claude Simons Auseinandersetzung mit dem Ersten Weltkrieg in L’Acacia Claude Simon und der Krieg Das Verhältnis von Krieg, Geschichte und Erzählen ist eines der zentralen Themen im Werk des französischen Nobelpreisträgers Claude Simon (1913-2005). Ausgangspunkt sind für Simon zunächst biographische Anknüpfungspunkte, in erster Linie seine Teilnahme als Kavalleriesoldat am Debakel der französischen Armee im Mai 1940, 1 daneben aber auch sein kurzes Engagement im spanischen Bürgerkrieg 1936. 2 Die anfangs stärker fiktionalisierte, in den späteren Romanen dann fast unverhüllt autobiographische Verarbeitung eigener Erfahrungen kombiniert Simon mit Episoden aus der Geschichte seiner Familie, für die der Krieg ebenfalls von großer Bedeutung ist. Hier sind wichtige Bezugspunkte die Beteiligung zweier Vorfahren an den Kriegen der Französischen Revolution und der Tod des Vaters im Ersten Weltkrieg (Les Géorgiques, L’Acacia). Auf einer dritten Ebene lässt der Autor in seinen vielstimmigen Romanen weitere Personen der Zeitgeschichte zu Wort kommen und ihre Sicht des Krieges schildern. So verarbeitet er in Le Jardin des Plantes Texte von Winston Churchill und Erwin Rommel. In Les Géorgiques führt Simon einen ironisch-kritischen Dialog mit George Orwells Darstellung des spanischen Bürgerkriegs (Homage to Catalonia) und in La Bataille de Pharsale greift er auf Cäsars Darstellung des römischen Bürgerkrieges zurück. Simons literarische Auseinandersetzung mit dem Krieg ist von einer tiefen „polémicité“ geprägt (Thouillot 1998: 197). Damit ist gemeint, dass er sich in seinen Texten weniger um eine Analyse der jeweiligen Konflikte bemüht, als vielmehr mit der grundsätzlichen Frage nach der sprachlichen Darstellbarkeit des Phänomens Krieg ringt. Seine Polemik wendet sich dabei gegen die klassischen Erzählmuster der Historiographie und gegen die realistische Poetik des traditionellen historischen Romans. Die Skepsis gegenüber der narrativen Beherrschbarkeit des Krieges im Sinne einer rationalen, sinnstiftenden Analyse des Geschehens und gegenüber der Möglichkeit, die Ereignisse aus der Erinnerung verlässlich rekonstruieren zu können, ist natürlich kein Alleinstellungsmerkmal Claude Simons, sondern weist ihn laut Jean Kaempfer im Gegenteil als typischen Vertreter einer modernen „poétique du récit de guerre“ aus: [ ] le récit de guerre moderne entend se soustraire à tout modèle, parce que l’expérience extrême qu’il relate lui paraît se refuser à la raison; la commotion dont il doit témoigner est 210 DDossier tellement inouïe qu’elle en devient inénarrable. Voici donc des textes sur le qui-vive, tendus vers le singulier, qui mettent toute leur vigilance à ne pas être controuvés (Kaempfer 1998: 8). 3 Das moderne Schreiben über den Krieg steht im Zeichen eines Paradoxons. Spätestens seit Beginn des 20. Jahrhunderts werden Kriege nicht mehr als unvermeidlicher Bestandteil der politischen Geschichte mit ihren großen Fortschrittsnarrativen hingenommen, sondern im Gegenteil als Sinnbild und Auslöser der Zerstörung des Vertrauens in eben jene grands récits beschrieben. Wo der Glaube an kollektive Ordnungen erschüttert ist, kann der Krieg nur noch als radikal individuelle Erfahrung dargestellt werden, die in letzter Konsequenz eigentlich inénarrable bleiben müsste. Auch in Claude Simons Schreiben über den Krieg ist dieses Paradoxon präsent und wird zum Gegenstand der Reflexion. Die Gewalt des Krieges lässt sich sprachlich nicht einholen, sie ist das fundamental Andere der Sprache. Gleichzeitig scheint die Ordnung der Sprache das Einzige, was sich der zerstörten Ordnung der Dinge entgegensetzen lässt. In diesem Sinne formuliert es Simon in seinem Roman Histoire: à ce moment [i. e. pendant la bataille] le mot obus ou le mot explosion n’existe pas plus que le mot terre, ou ciel, ou feu, ce qui fait qu’il n’est pas plus possible de raconter ce genre de choses qu’il n’est possible de les éprouver de nouveau après coup, et pourtant tu ne disposes que de mots, alors tout ce que tu peux essayer de faire (Simon 1967: 152). Der Einsicht in die grundsätzliche Unzulänglichkeit der Sprache steht bei Simon die Notwendigkeit gegenüber, trotzdem über das Unbegreifliche zu sprechen. Sein Schreiben über den Krieg ist immer auch die Suche nach Metaphern, die anstelle des fehlenden mot propre eine Annäherung an das Unbegreifliche wenigstens im Modus des Uneigentlichen ermöglichen. Dabei bewegt er sich auch in Bildfeldern, deren Konnotationen nicht unproblematisch sind, insofern sie als eine mythisierende Rechtfertigung des Krieges verstanden werden könnten. Der Krieg erscheint als archaisches Fest und Opferritual, als sich zyklisch wiederholendes Naturgeschehen und insgesamt als eine Erscheinungsform der ewigen Wiederkehr des Gleichen. 4 Wie steht es nun aber vor dem Hintergrund dieser Beobachtungen zur allgemeinen Bedeutung des Krieges bei Simon um den spezifischen Stellenwert des Ersten Weltkrieges in seinem Werk? Auf den ersten Blick nimmt die ‚Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts‘ 5 keine herausragende Position ein. Anders als der Zweite Weltkrieg, der vor allem seit La route des Flandres (1960) fast durchgehend in Simons Werk präsent ist, wird der Erste Weltkrieg nur in L’Acacia (1989) in größerem Umfang thematisiert. 6 Im Mittelpunkt von Simons Auseinandersetzung mit dem Krieg steht eine begrenzte Sequenz von Ereignissen aus dem Jahr 1940, die er in immer neuen Variationen ausarbeitet: die traumatischen Erfahrungen eines jungen Gefreiten, alter ego des Autors, der im Mai in Flandern die fast vollständige Vernichtung seines Kavallerieregiments nur wie durch ein Wunder überlebt, in Kriegsgefangenschaft gerät und dem schließlich die Flucht gelingt. In diesem 211 DDossier Kontext nimmt Simon gelegentlich zumindest implizit Bezug auf Ereignisse des Ersten Weltkriegs, insofern sie sich in eine Abfolge von Schlachten einreihen lassen, die seit Menschengedenken immer wieder an den gleichen Orten stattzufinden scheinen und denen der Konflikt von 1940 eine weitere Episode hinzufügt. So spricht etwa der Erzähler in Les Géorgiques von den „noms grisâtres et ferrugineux qui reviennent à toutes les pages des manuels d’histoires: Bazeilles, Sedan, Mézières, Rocroy, Wattignies, Meuse, Moselle, Ardennes, Longwy“ (Simon 1981: 107) und stellt weiter fest: „Mais c’étaient les mêmes chemins [ ] et toujours les mêmes vallées, les flancs des mêmes collines escaladées, franchies, ravagées, refranchies, ravagées de nouveau, simplement parce que c’était le meilleur passage qui menait de l’Est à l’Ouest“ (Simon 1981: 136). Auf den zweiten Blick wird jedoch deutlich, dass der Erste Weltkrieg, jenseits der Idee einer ewigen Wiederholung austauschbarer Kriege, für Simons Schreiben sehr wohl eine spezifische Bedeutung hat und dass dem Roman L’Acacia eine zentrale Stellung im Gesamtwerk zukommt, insofern er ein Desiderat behandelt. 7 Spätestens seit L’Herbe (1958) entwirft Simon in der Mehrzahl seiner Romane imaginäre Familienkonstellationen, die sich von Text zu Text verändern, tendenziell aber nach und nach der Geschichte seiner realen Familie annähern. Die Figur des Vaters des Protagonisten ist dabei entweder problematisch oder bleibt unbesetzt. In L’Acacia erzählt Simon zum ersten Mal ausführlich vom Leben und Sterben des Vaters und schließt so eine zentrale Lücke in der Rekonstruktion der Familiengeschichte. Die Beschäftigung mit dem Schicksal des Vaters hat in L’Acacia gleichzeitig einen wichtigen Einfluss auf die Identitätsfindung des Sohnes. Dessen Lebensgeschichte und speziell die Ereignisse von 1940, die einem Simon- Leser aus früheren Romanen vertraut scheinen, werden durch die Parallelsetzung mit dem Tod des Vaters 1914 neu perspektiviert, wie im Folgenden zu erläutern sein wird. Die Behandlung des Ersten Weltkrieges in L’Acacia ist aber nicht nur innerhalb des Simon’schen Werkes, sondern auch als typisches Beispiel für die Auseinandersetzung mit diesem Thema im Frankreich der 1980er und 1990er Jahre von Interesse. Die individuelle Suche eines Autors nach den Spuren des verlorenen Vaters kann als exemplarisch für das in diesen Jahren auf verschiedenen Ebenen neu erwachende Interesse für den Ersten Weltkrieg begriffen werden. Dies soll in einem zweiten Schritt gezeigt werden. L’Acacia - „Un roman de deux guerres“ 8 „L’Acacia est un roman tout en échos“, stellt Alastair B. Duncan (2013: 1570) zu Beginn seines Kommentars in der jüngst erschienenen Pléiade-Ausgabe des Romans fest. Die Verschränkung mehrerer Handlungsstränge und die sich daraus ergebenden vieldeutigen Verweisungszusammenhänge bilden ein Grundprinzip des Simonʼschen Schreibens. In kaum einem anderen Roman ist die Parallelstruktur vom Autor allerdings so deutlich markiert wie in L’Acacia. Bereits die Da- 212 DDossier tierung aller zwölf Kapitel signalisiert, dass die Handlung abwechselnd um zwei historische Gravitationszentren, die Jahre 1914 und 1940, kreist. In einigen Fällen verengt sich der Fokus dabei auf einen einzigen Tag (Kapitel II und IV: 17 mai 1940; Kapitel III: 27 août 1914), in anderen weitet sich die Perspektive und bezieht sowohl die Vorgeschichte (Kapitel V: 1880-1914) als auch den Blick zurück aus der Gegenwart (Kapitel VII: 1982-1914) mit ein. 9 „[D]eux guerres, celle de 1914- 1918 et celle de 1940, et les destins à la fois ressemblants et contrastés de deux hommes, père et fils“ (Duncan 2008: 280), so lässt sich die Grundstruktur von L’Acacia zusammenfassen. 10 Der Vater, der aus einfachen Verhältnissen stammt, bis zum Hauptmann in einem Infanterie-Regiment der Kolonialarmee aufgestiegen ist und eine reiche Tochter aus gutem Hause geheiratet hat, fällt am 27. August 1914 bei den ersten Zusammenstößen mit den deutschen Truppen in Lothringen. Der Sohn, einfacher Gefreiter in einem Kavallerieregiment, gerät im Mai 1940 nahe der französisch-belgischen Grenze mit seinen Kameraden in einen Hinterhalt und entgeht dem Tod mehrfach nur knapp. Die Parallelen auf der Handlungsebene sind zahlreich. In beiden Fällen befinden wir uns wenige Tage nach Ausbruch der Kampfhandlungen im Norden bzw. Nordosten Frankreichs. Und in beiden Fällen ist die militärische Situation für die französische Seite äußerst prekär. Im August und September 1914 erleiden die Truppen so hohe Verluste wie in keinem anderen der späteren Kriegsmonate, bis der deutsche Vormarsch an der Marne gestoppt werden kann. Ähnlich verheerend sind die Kämpfe im Mai 1940, als sich bereits nach wenigen Tagen die völlige Niederlage Frankreichs abzeichnet. Gewisse Unterschiede zeigen sich zunächst in der Einschätzung des grundsätzlichen Charakters der beiden Kriege. Im zweiten Kapitel wird berichtet, wie die Soldaten 1940 in eine Situation geraten, in der sich ihr bisheriges Denken über den Krieg als völlig unangemessen erweist. Statt einem regulären Feind zu begegnen, werden sie von einem „insatiable monstre“ (Simon 1989: 39) zermalmt und verschlungen. Im Vergleich dazu erscheint der Erste Weltkrieg rückblickend noch als ein ‚echter‘, ernsthafter Krieg, in dem die Möglichkeit bestand, sich im Kampf Mann gegen Mann auszuzeichnen: tous, les uns après les autres, déversés, engloutis, disparus sans laisser de traces, rayés des tableaux d’effectifs sans même que ce qui se passait (ce qu’ils (les cavaliers) étaient en train de vivre) ressemblât de près ou de loin à quelque chose comme une guerre, ou du moins à ce qu’ils s’imaginaient confusément que devait être la guerre: même pas un décor, le minimum de mise en scène, de solennité (ou même de sérieux) qui leur eût tout au moins permis de croire qu’on les avait envoyés là pour se battre et non pas simplement pour être tués: pas de barrage d’artillerie [ ] et aucune tranchée à conquérir ou à défendre, pas de face-à-face, ou plutôt de seul-à-seul où chacun, courageux ou peureux, peut prendre la mesure de son courage ou de sa peur (Simon 1989: 39sq.). Der Erzähler zitiert ironisch die verklärten Klischeevorstellungen vom Kampf in den Schützengräben, die bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs offenbar noch in den Köpfen der Soldaten herumspukten: „les cavaliers exténués [ ], mornes, sales 213 DDossier (pas la glorieuse et légendaire boue des tranchées: simplement sales [ ])“ (Simon 1989: 29). Als im nächsten Kapitel dann aber die Erfahrungen der französischen Soldaten in den ersten Kriegstagen 1914 geschildert werden, wird deutlich, dass sich die Situation kaum von der im Mai 1940 unterscheidet: presque aussitôt [ ] leur arriva dessus quelque chose qui ne ressemblait ni à une charge ni à rien de ce qu’ils avaient pu apprendre dans les livres ou sur le terrain [ ] c’est-à-dire simplement un mur ou plutôt une muraille de feu qui avançait lentement, paisiblement en quelque sorte, mais inexorablement, avec seulement de brefs arrêts si elle rencontrait quelque obstacle, le temps de l’anéantir et de le digérer (Simon 1989: 55sq.). Nicht erst 1940, sondern bereits 1914 erweist sich das Vertrauen in die überlieferten Strategien der Kriegsführung („une inébranlable assurance fondé sur l’étude des classiques de la guerre, encore accréditée par les analyses répétées depuis quarante ans au tableau noir“, Simon 1989: 53) vom ersten Tag an als überholt. In beiden Fällen verschlingt eine monströse Kriegsmaschinerie alle Beteiligten und lässt keinen Raum für Verstehen, planvolles Handeln oder gar Heldentum. Der eigentliche Verlauf der beiden Kriege ist für Simon allerdings weniger interessant als seine Auswirkungen auf die Lebens- und Familiengeschichte des Protagonisten. Insofern ist L’Acacia weniger ein Roman über den Krieg selbst als über den Umgang mit dem Verlust, der aus dem Tod des Vaters resultiert (cf. Duncan 2013: 1577). Dieser Tod markiert für die Familie einen tiefen Bruch, er bedeutet das Ende eines erfolgreichen sozialen Aufstiegs und einer glücklichen Ehe. Er bildet gleichzeitig den Ausgangspunkt der Lebensgeschichte des Sohnes, die im Zeichen von Abwesenheit, Trauer und der Gefahr steht, das Schicksal eines Vaters, den er nie kennengelernt hat, wiederholen zu müssen. Die parallelen Kriegserfahrungen des Sohnes ermöglichen aber auch eine imaginäre Annäherung an das Leben des Vaters und letztlich eine Überwindung der Identitätskrise. Suche, Trauer und Abschied der Überlebenden von den Toten werden gleich im ersten Kapitel als dominierende Themen des Romans eingeführt. 11 Im Spätsommer 1919 reist die junge Witwe mit ihrem kleinen Sohn und ihren beiden Schwägerinnen durch das ehemalige Kriegsgebiet auf der Suche nach dem Grab ihres Mannes. Der beschwerliche Weg führt durch zerstörte Dörfer, die mühsam zusammengetragenen Informationen sind widersprüchlich, die Unterkünfte primitiv und das Wetter trostlos. Der tausendfache Soldatentod hat sich tief in die Landschaft eingeschrieben: Il pleuvait sur les pans de murs des maisons éventrées dont les papiers aux couleurs pastel se décollaient peu à peu, il pleuvait sur la surface unie, grise et lente de la rivière [ ], il pleuvait sur le paysage grisâtre, le cercle des collines sous lesquelles achevaient de pourrir les corps déchiquetés de trois cent mille soldats, sur les champs grisâtres, les maisons grisâtres (Simon 1989: 19). Die Suche endet schließlich auf einem kleinen Friedhof, auf dem neben deutschen Soldaten auch zwei nicht identifizierte französische Offiziere gemeinsam beerdigt 214 DDossier sind. Die Witwe, der Sohn und die Schwestern nehmen Abschied, ohne mit letzter Sicherheit wissen zu können, ob es sich wirklich um das Grab des Gesuchten handelt. Diese Episode, die dem Roman als eine Art Prolog vorangestellt ist, ist dem Erzähler, den wir wohl mit der Figur des Sohnes gleichsetzen können, 12 noch als eigene frühe Kindheitserinnerung zugänglich. Im Verlauf des Romans imaginiert er eine Reihe weiterer Szenen, in denen der Verlust des Vaters aus der Perspektive der Mutter geschildert wird und die zeitlich früher liegen. Die Trauer der Mutter setzt bereits ein, als der Hauptmann mit seinem Regiment kurz vor Ausbruch des Krieges von Madagaskar nach Frankreich zurückgerufen wird. Mit der Rückkehr in die Heimat finden für seine Ehefrau vier Jahre ungetrübten, fast märchenhaften Glücks („ces quatre années-lumière dans l’île tropicale, [ ], cette libération, ce ravissement“, Simon 1989: 268) ein jähes Ende. Bei der Ankunft im Hafen werden die Truppen von einer Menschenmenge empfangen, deren Enthusiasmus im scharfen Kontrast zu den Gefühlen der Mutter steht: Une foule se presse contre les grilles de la douane et des mains agitent des mouchoirs. Elle ne voit pas la foule. [ ]. Elle continue à agiter la main. Elle essaye de sourire. Elle pleure. [ ] Des cris de joie, des appels, s’échappent des ponts du long-courrier et de la foule massée derrière les grilles de la douane. Les larmes coulent lentement sur ses joues (Simon 1989: 149-150). Als weitere schmerzliche Verlusterfahrung wird der Aufbruch des Hauptmanns aus seinem Haus in Perpignan an die Front eindringlich beschrieben (Simon 1989: 212-219 und ein zweites Mal Simon 1989: 267): die letzte gemeinsame Nacht der Eheleute („une furieuse, déchirante et ultime étreinte“, Simon 1989: 214) und der eigentliche Moment des Abschieds am nächsten Morgen, der durch den Vergleich mit der Hochzeitsfeier am gleichen Ort umso verzweifelter erscheint: sans détacher son regard [i. e. le regard de la mère] de ce visage, de ces lèvres, puis le suivant tandis qu’il franchissait cette même porte vitrée devant laquelle elle s’était tenue quatre ans plus tôt, défaillante de bonheur, comme ivre, appuyé sur son bras, posant pour le photographe dans sa robe de mariée (Simon 1989: 214). Die Trennung von ihrem Mann erlebt die Mutter als symbolische Vorwegnahme ihres eigenen Todes: „[lʼ]agonie, celle de la femme qui ce jour-là comprit déjà qu’elle était morte“ (Simon 1989: 212). Einige Jahre später wird sie tatsächlich schwer erkranken und schließlich in noch relativ jungem Alter sterben. Zum dritten Mal und endgültig verliert die Mutter ihr Lebensglück, als sie wenige Wochen später in einem Kurort in den Pyrenäen die Nachricht vom Tod des Hauptmanns erhält. Überwältigt vom Schmerz verfällt sie in einen Schockzustand und stammelt geistesabwesend einen Vers aus dem Vaterunser, der später auf der Todesanzeige des Gefallenen erscheinen wird: „les lèvres continuant à remuer toutes seules, faiblement [ ], formant et reformant sans fin la même phrase, le 215 DDossier même hurlement muet, déchirant [ ], comme une litanie, un marmottement de folle, d’idiote: Que votre volonté que votre volonté “ (Simon 1989: 279). Diese sich steigernden Abschiedsszenen verknüpft der Erzähler jeweils mit Rückblicken auf das Leben der Mutter (Kapitel V, VII und IX). Ein Hauptaugenmerk liegt dabei auf den Hindernissen, die sie überwinden musste, um nach langen Jahren endlich den Mann ihres Lebens heiraten zu dürfen. Denn erst nach erfolgreicher Offizierskarriere erlaubt ihre standesbewusste Familie die Verbindung mit einem Bauernsohn: „l’homme qu’elle avait attendu jusqu’à sa vingt-cinquième année, puis attendu encore tout au long de ces interminables et secrètes fiançailles de quatre autres années, tenant bon contre les préjugés, le scandale“ (Simon 1989: 267sq.). Treue und Hartnäckigkeit werden schließlich belohnt, auf die Jahre des Wartens folgen die glücklichen Jahre auf Madagaskar. Der Erzähler spitzt die Liebesgeschichte der Eltern in allen drei Kapiteln auf ihr Ende hin zu, so dass sie angesichts der Wartezeit und des relativ kurzen Glücks als besonders tragisch erscheint. Da sich die geschilderten Ereignisse vor oder nur kurz nach der Geburt des Sohnes abspielen, ist der Erzähler auf andere Quellen als das eigene Gedächtnis angewiesen, er stützt sich außer auf die Erzählungen der Mutter und anderer Verwandter z. B. auch auf Fotos. Neben der imaginären Einfühlung in die Trauer der Mutter versucht der Erzähler in L’Acacia eine weitere Annäherung an den verlorenen Vater über eine Rekonstruktion seines Todes in der Schlacht. Ein erster Anlauf erfolgt im dritten Kapitel, im distanzierten Stil eines Chronisten, der eine präzise Bestandsaufnahme von Leiche und Tatort macht: Parmi ceux qui tombèrent dans le combat du 27 août se trouvait un capitaine de quarante ans dont le corps encore chaud dut être abandonné au pied de l’arbre auquel on l’avait adossé. [ ] La balle avait emporté le képi et l’on pouvait encore voir dans les cheveux englués de sang le sillon laissé par le peigne [ ] (Simon 1989: 61). Im elften Kapitel wird die Schilderung noch einmal wiederholt, allerdings in verschiedenen Varianten und begleitet von einer Reflexion auf die Verlässlichkeit der Informationen. Es wird deutlich, dass sich im Familiengedächtnis eine Version etabliert hat, die vermutlich auf geschönten Berichten und klischeehaften Vorstellungen beruht: il fut pratiquement impossible de retrouver et d’interroger les témoins directs de cet événement sur lequel les détails font défaut [ ], le récit fait à la veuve et aux sœurs (ou celui qu’elles en firent par la suite), quoique sans doute de bonne foi, enjolivant peut-être quelque peu la chose ou plutôt la théâtralisant selon un poncif imprimé dans leur imagination par les illustrations des manuels d’histoire ou les tableaux représentant la mort d’hommes de guerre plus ou moins légendaires, agonisant presque toujours à demi étendus dans l’herbe, la tête et le buste plus ou moins appuyés contre le tronc d’un arbre (Simon 1989: 326). 13 216 DDossier Einmal mehr zeigt sich hier Simons Skepsis gegenüber einer narrativen Darstellung historischer Ereignisse, die sich bewusst oder unbewusst an stereotypen Mustern orientiert. 14 Gleichzeitig begreift der Erzähler, dass ihm nicht mehr als „ces vagues récits“ (Simon 1989: 326) zur Verfügung stehen. Es gelingt dem Sohn nicht, den Tod des Vaters verlässlich zu rekonstruieren. Allerdings scheint er ihn bis zu einem gewissen Punkt nacherleben zu können. Auf der nächtlichen Zugfahrt nach der mobilisation générale im August 1939 wird der Sohn immer wieder von dem Gedanken geplagt, dass er nun sterben wird, bevor sein Leben überhaupt richtig begonnen hat: „Et maintenant il allait mourir“ (Simon 1989: 163); „pensant alors que vingt-six années de quelque chose qui n’avait pas encore commencé d’exister vraiment allait définitivement cesser d’exister“ (Simon 1989: 169); „Et maintenant tout cela était loin, fini, et il allait mourir“ (Simon 1989: 190). Der Zufall - oder das Schicksal? - will es, dass der Sohn genau am Todestag des Vaters eingezogen wird. Und auch der Vater war 25 Jahre zuvor in einer ganz ähnlichen Zugfahrt an die Front transportiert worden (cf. Beginn von Kapitel III). Die Todeserwartung ist bei dem Sohn mit einer negativen Lebensbilanz verbunden, dem Gefühl, die letzten zehn Jahre seit seiner Schulzeit sinnlos vergeudet zu haben: dix bonnes années, ou, autrement comptabilisé, cent vingt mois d’oisiveté, d’impostures, d’inepties additionnés pour se dissimuler à lui-même son inexistence [ ] ‒ dix années, donc (ajoutées aux seize autres passées dans ce cocon capitonné de l’enfance), qui trouvaient maintenant leur accomplissement (leur sanction? pensa-t-il [ ]) sous la forme d’une plaque ovale de laiton attachée à son poignet par une chaînette (Simon 1989: 227sq.). Der Inhalt seiner Existenz (oder eben „inexistence“) wird nun reduziert auf eine banale Erkennungsmarke. Ein Kamerad bringt deren Zweck auf den Punkt: „De façon, dit le jockey, qu’ils puissent en garder une moitié pour tenir à jour leur tableau d’effectifs et renvoyer l’autre à ta famille. Remarque, ajouta-t-il, qu’ils y ajouteront peut-être une décoration“ (Simon 1989: 229). Diese zynische Bemerkung führt dem Sohn nicht nur sein mögliches eigenes Schicksal vor Augen, sondern erinnert ihn auch an das des Vaters, dessen Erkennungsmarke tatsächlich an die Familie zurückgeschickt wurde, gefolgt von einem Orden (cf. Simon 1989: 61sq., 325). Im Gegensatz zum Sohn blickte der Vater beim Ausbruch des Weltkrieges allerdings nicht auf zehn Jahre Müßiggang, sondern auf zwanzig Jahre Fleiß und harte Disziplin zurück, ohne die sein sozialer Aufstieg nicht möglich gewesen wäre. Wenn schon der tugendhafte Vater nicht verschont wurde, so erwartet der Sohn erst recht, vielleicht sogar als Bestrafung („sanction“) für seinen Lebenswandel, den Krieg nicht zu überleben. Als die Kampfhandlungen beginnen, scheinen sich seine Erwartungen zu bestätigen. Einen vernichtenden Angriff auf sein Regiment aus dem Hinterhalt überlebt er nur knapp (Kapitel IV) und reitet kurze Zeit später mit den wenigen Überlebenden unter der Führung seines offenbar lebensmüden Obersts auf offener Straße einem, wie er glaubt, sicheren Tod 217 DDossier entgegen. Später erlebt er in der Erinnerung diese traumatische Erfahrung noch einmal und entwickelt dabei eine sehr plastische Todesphantasie: essayant de se rappeler [ ], d’être de nouveau comme il avait été sur ce cheval [ ], déjà plus un être vivant, attendant passivement cette chose brève, brutale, gris-noir, qui allait d’un moment à l’autre lui arriver, le frapper avec violence, le jeter à bas de son cheval, pensant que quand il tomberait à terre il ne sentirait même pas le choc [ ] parce qu’il serait mort [ ] son sang dont il se viderait lentement, rouge et brillant d’abord, puis se coagulant, se figeant (Simon 1989: 303). Anders als der Vater überlebt der Sohn aber auch den nächsten Angriff und gerät nur in Gefangenschaft. Im letzten Kapitel von L’Acacia wird berichtet, wie er nach geglückter Flucht heimlich in das Haus seiner Familie in Perpignan gelangt. Nach Monaten körperlicher Entbehrungen und ständiger Todesangst findet er dort langsam den Weg zurück in ein normales Leben. Er beginnt wieder zu zeichnen, zu lesen und schließlich zu schreiben: Peu à peu il changeait. [ ]. Un soir il s’assit à sa table devant une feuille de papier blanc. C’était le printemps maintenant. La fenêtre de la chambre était ouverte sur la nuit tiède. L’une des branches du grand acacia qui poussait dans le jardin touchait presque le mur, et il pouvait voir les plus proches rameaux éclairés par la lampe [ ], les folioles ovales [ ] comme animées soudain d’un mouvement propre, comme si l’arbre tout entier se réveillait, s’ébrouait, se secouait, après quoi tout s’apaisait et elles reprenaient leur immobilité (Simon 1989: 379-380). Die letzte Szene des Romans, in der die titelgebende Akazie zum ersten und einzigen Mal erscheint, lässt sich als Inszenierung einer gelungenen Identitätskonstitution, als Selbst(er)findung eines Schriftstellers lesen. Mary M. Perramond bezeichnet sie als „la ‚scène originelle‘ en quelque sorte de la venue à l’écriture de Simon“, als „les germes dont toute la création littéraire simonienne serait l’enfant“ (Perramond 1992: 751). Duncan hält fest: „L’Acacia est le lieu d’une intégration du moi; Simon s’y construit un passé et un présent d’écrivain“ (Duncan 2008: 286). 15 Innerhalb der Romanhandlung bedeutet der angedeutete Beginn einer Existenz als Schriftsteller gleichzeitig die Überwindung der als schuldhaft empfundenen „inexistence“ vor dem Krieg und der traumatischen Erfahrung unmittelbarer Todesgefahr während des Krieges. Die Selbstfindung geschieht nicht zuletzt in einer Mischung aus Identifikation mit und Abgrenzung von der Figur des Vaters. 16 Weil der Sohn den vermeintlichen Auftrag, das Schicksal des Vaters zu wiederholen, nicht erfüllt, kann er die Geschichte der Eltern, den Tod des Vaters und die Trauer der Mutter im Erzählen lebendig werden lassen und dadurch den Weg zu seiner eigenen Identität finden. Alastair Duncan liest L’Acacia als einen roman d’apprentissage, der die Geschichte einer Berufung erzähle und gleichzeitig Produkt dieser Berufung sei: „L’Acacia, comme À la recherche du temps perdu, est à la fois la découverte et le fruit d’une vocation“ (Duncan 2013: 1586). Auch mit Blick auf das Gesamtwerk Claude Simons kann man feststellen, dass in L’Acacia der Identitätskonflikt des Protagonisten in einer Weise gelöst wird, wie 218 DDossier es in früheren Romanen, vor allem La Route des Flandres und Histoire, 17 durch die Abwesenheit oder die Aufspaltung der Position des Vaters in dieser Form (noch) nicht möglich war. Erst in L’Acacia gibt Simon dem Leben und vor allem dem Tod des Vaters einen angemessenen Raum, wie etwa Ralph Sarkonak feststellt: Ce père qui attendait de mourir en quelque sorte depuis les débuts de l’œuvre et à qui il est enfin permis de mourir au niveau de la diégèse, alors que jusqu’ici Œdipe-écrivain l’avait „tué“ textuellement en le scindant en quatre (le père de Louis, Pierre, Henri et Charles). Ce père et ses avatars intertextuels qui font tant problème depuis les débuts de l’œuvre. Ce père dont l’histoire et la mort sont enfin racontées et replacées dans son (inter)texte (Sarkonak 1991: 218). In ähnlicher Weise formuliert Duncan: „[Dans L’Acacia] le rôle du père n’est plus dévolu à un substitut. Il est joué par une figure beaucoup plus proche de celui dont l’absence a hanté l’œuvre“ (Duncan 2013: 1586). Duncan liest wie Sarkonak L’Acacia als Geschichte eines gelösten Ödipus-Konflikts, im Unterschied zu La Route des Flandres. Während dort die Kriegserfahrung die Identitätskrise verschärfe, erlaube sie in L’Acacia einen Reifungsprozess und schließlich deren Überwindung. 18 In Claude Simons L’Acacia steht der Erste Weltkrieg für den Tod des Vaters, für das tragische Ende der Beziehung seiner Eltern und den Beginn der lebenslangen Trauer der Mutter. Der Krieg wird damit auch zur ‚Urkatastrophe‘ der Lebensgeschichte des Sohnes, zu einer Art Erbschuld, die erst durch das Er- und Überleben des folgenden Krieges und schließlich die narrative Auseinandersetzung mit all dem abgetragen werden kann. 19 Die Thematisierung des Ersten Weltkriegs wird so zu einer autobiographischen Notwendigkeit für die Identitätskonstitution des Autors. Lässt sich die Rolle der Grande Guerre bei Simon aber allein auf diese individuelle Dimension reduzieren? Ist es allein biographischen Umständen und Zufällen geschuldet, dass das Thema nach kurzen Andeutungen in seinem frühesten Roman Le Tricheur erst Jahrzehnte später wieder zur Sprache kommt? Diesen Fragen soll nun abschließend nachgegangen werden, in dem Versuch, den Roman L’Acacia im allgemeinen Kontext seiner Entstehungszeit zu betrachten. L’Acacia und das französische Interesse am Ersten Weltkrieg in den 1980er und 1990er Jahren Aus einer Notiz auf den Manuskriptseiten von La Route des Flandres geht hervor, dass Simon schon beim Verfassen dieses Romans, also wohl um 1959, mit dem Gedanken spielte, eine „superposition des deux guerres de 14-18 et 39-40“ darzustellen. 20 Offensichtlich stellte er dieses Projekt dann zurück und nahm es erst rund 20 Jahre später wieder auf. In einem Brief von 1982 schreibt Simon, dass er mit intensiven Nachforschungen über den Tod seines Vaters begonnen habe. 21 Mit 219 DDossier der Rekonstruktion des Schicksals eines Familienmitgliedes im Ersten Weltkrieg wendet sich der Autor einem Thema zu, das im Verlauf der 1980er Jahre in Frankreich zunehmend an Bedeutung gewinnen wird. Die Historiker Stéphane Audoin- Rouzeau und Annette Becker konstatieren gegen Ende des 20. Jahrhunderts ein im Vergleich zu den Jahrzehnten nach 1945 neu entfachtes Interesse an der Grande Guerre, eine Wiederentdeckung der Ereignisse unter geänderten Vorzeichen. Ausgangspunkt ihrer Überlegungen in der Studie 14-18, retrouver la Guerre (2000) sind die aufwändigen Gedenkfeiern zum 80. Jahrestag des Kriegsendes in Frankreich 1998. Im Namen eines devoir de mémoire manifestiere sich hier ein „retour spectaculaire de la Grande Guerre dans la conscience collective française“ (Audoin-Rouzeau / Becker 2000: 7). Die Gedenkfeiern von 1998 seien dabei aber nur ein besonders sichtbares Indiz für die „présence croissante de la Grande Guerre“ (Audoin-Rouzeau / Becker 2000: 11), die schon seit Beginn der 1980er Jahre zu beobachten sei. 22 Als mögliche Erklärung führen die Autoren an, dass gegen Ende des 20. Jahrhunderts die letzten unmittelbaren Augenzeugen des Krieges nach und nach verschwinden. Im Verlauf der 1980er und 1990er Jahre wandelt sich der Erste Weltkrieg damit vom Gegenstand des Generationengedächtnisses zu einem Teil des kulturellen Gedächtnisses. 23 Einerseits rückt durch diesen Übergang von der mémoire zur histoire der Krieg in größere Distanz und wird als Ereignis historisiert. Gleichzeitig entsteht aber ein verstärktes Bedürfnis nach Erinnerungsorten, um eine Annäherung an das, was in der alltäglichen Kommunikation nicht mehr zugänglich ist, zu ermöglichen. 24 Hinzu kommt, dass offenbar mit Abstand von zwei Generationen Aspekte des Krieges an die Oberfläche gelangen, die lange Zeit im kollektiven Gedächtnis, aber auch in der historiographischen Forschung vernachlässigt worden sind. So sei in der stark ritualisierten Gedenkkultur im Frankreich der Zwischenkriegszeit nicht genügend Raum für den Ausdruck individueller Trauer gewesen. Im Zentrum der Erinnerung habe der Tod der Soldaten, aber nicht das Leid der Hinterbliebenen gestanden (cf. Audoin-Rouzeau / Becker 2000: 16). Die Geschichtsschreibung habe sich mit der Rekonstruktion von Opferzahlen beschäftigt, aber nicht mit der Frage, wie die Hinterbliebenen mit dem Verlust umgegangen sind und welche Konsequenzen die Trauer als individuelles und kollektives Massenphänomen für die Gesellschaft gehabt habe. Die Autoren illustrieren an einigen Beispielen, wie in der Zeit nach 1918 der persönlichen Trauer Ausdruck verliehen wurde, etwa in der Gestaltung von Totenzetteln oder Grabmälern. Sie verweisen aber vor allem auf das Phänomen der Verdrängung und schamhaften Verschweigens der Trauer (cf. Audoin-Rouzeau / Becker 2000: 202). So zitieren sie z. B. den Fall einer älteren Frau, die sich erst 1993 auf die Suche nach dem Grab ihres Onkels macht, da über dessen Tod in ihrer Familie nie gesprochen wurde, und die während der Nachforschungen das Gefühl hat, die verdrängte Trauer der Eltern und Großeltern stellvertretend nachzuerleben (cf. Audoin-Rouzeau / Becker 2000: 208). 220 DDossier Angesichts des Befundes von Audoin-Rouzeau und Becker könnte man Claude Simons Auseinandersetzung mit dem Ersten Weltkrieg als literarischen Niederschlag eines allgemeinen Bedürfnisses begreifen, das zu dieser Zeit in der französischen Gesellschaft herrscht. 25 Die Rückkehr zu der frühen Kindheitserinnerung an die Suche nach dem Grab des Vaters ist damit nicht nur für den literarischen und realen Lebensweg des Autors Claude Simon von Bedeutung. In ihr spiegelt sich auch die Erfahrung einer ganzen Generation von Eltern, Ehepartnern, Kindern und Geschwistern wider, die sich nach dem Krieg auf den Weg machen, einen materiellen Ort für ihre Trauer zu finden. 26 Auch der späte Beginn der Recherchen Simons zum Tod seines Vaters ließe sich mit den Thesen von Audoin-Rouzeau und Becker verknüpfen. Die Beschäftigung mit dem ‒ lange Zeit verdrängten? ‒ Trauma der Familiengeschichte erfolgt genau in dem Moment, als es gerade noch möglich ist, die letzten Augenzeugen zu befragen. 27 Als Beleg dafür, dass Simon mit seiner Perspektive auf den Ersten Weltkrieg nicht allein steht und dass er einen Nerv seiner Zeit trifft, seien zwei weitere, sehr publikumswirksame Werke erwähnt, die fast gleichzeitig mit L’Acacia veröffentlicht werden. Wenige Wochen nach Erscheinen des Romans läuft im Spätsommer 1989 der Film La vie et rien d’autre von Bertrand Tavernier in den französischen Kinos an, der mit 1,5 Millionen Zuschauern zu einem der größten Erfolge des Regisseurs wird. Wie Simon nähert sich Tavernier dem Ersten Weltkrieg aus Sicht der Hinterbliebenen. Die Protagonistin Irène, die einige Ähnlichkeiten mit der Witwe in L’Acacia aufweist, sucht im Jahr 1920 in Militärhospitälern und auf Friedhöfen nach Spuren ihres als vermisst gemeldeten Mannes. Zu den Parallelen zwischen Roman und Film gehört auch die ironisch-kritische Thematisierung der offiziellen Gedenkkultur nach dem Ersten Weltkrieg. Der Kommandant Dellaplane, männliche Hauptfigur in La vie et rien dʼautre, nimmt an der feierlichen Zeremonie teil, bei welcher der Leichnam ausgewählt wird, der später als soldat inconnu unter dem Triumphbogen in Paris beigesetzt werden soll. Dellaplane, der die Abteilung für die Registrierung und Identifizierung der hunderttausenden von Vermissten leitet, steht dem Projekt der Ehrung eines ‚unbekannten Soldaten‘ sehr ablehnend gegenüber. Er befürchtet, dass durch die Konzentration des Gedenkens auf eine kollektive und anonyme Symbolfigur ein Schlussstrich unter die individuelle Suche von Millionen Franzosen nach ihren Gefallenen gezogen werden soll. 28 Eine ähnliche Gedenkzeremonie mit problematischem Stellvertreter-Charakter beschreibt Simon im dritten Kapitel von L’Acacia. Er stützt sich dabei auf eine Chronik des Regiments, in dem sein Vater gedient hat. Demzufolge wurde dem ganzen Regiment für seine Tapferkeit im Oktober 1914 in Anwesenheit von Delegationen aller Abteilungen der Armee das Kreuz der Ehrenlegion verliehen. Dabei handelt es sich allerdings um eine posthume Ehrung, da das Regiment in den ersten Kriegswochen fast vollständig ausgelöscht wurde. Der Orden wird stellvertretend der Regimentsfahne angeheftet, die aus den Kämpfen gerettet werden konnte. Die detaillierte Beschreibung Simons enthält jene typischen Elemente des militärischen Zeremoniells, die auch bei Tavernier in Bilder umgesetzt werden: das 221 DDossier bewegungslose Spalier der Ehrenformation, Offiziere, die die Klingen ihrer blanken Säbel senkrecht vor das Gesicht halten, das Verlesen einer patriotischen Erklärung, das Trompetensignal Aux morts (cf. Simon 1989: 57-60). Die kritische Perspektivierung erfolgt bei Simon nicht so explizit wie bei Tavernier, sondern subtil durch die ironische Gegenüberstellung des militärischen Totenkults mit der Begeisterung, die dem vernichteten Regiment wenige Wochen zuvor beim Aufbruch in Perpignan entgegengeschlagen war (Simon 1989: 56sq.). Als zweites Beispiel sei auf Jean Rouauds Roman Les champs d’honneur verwiesen, der 1990 zum großen Publikumserfolg wird und gleichzeitig Anerkennung bei der Kritik findet. 29 Auch bei Rouaud erscheint der Erste Weltkrieg als ‚Urkatastrophe‘ einer Familiengeschichte, die der Ich-Erzähler, der in diesem Fall zur Enkelgeneration gehört, Jahrzehnte später mit Hilfe von Erzählungen, alten Aufzeichnungen und Fotos rekonstruiert. Und ähnlich wie in L’Acacia ist auch in Les champs d’honneur die Evokation der Grande Guerre für den Erzähler Teil der Bewältigung der eigenen Identitätsproblematik, wenn auch in diesem Fall vermittelt über zwei Generationen hinweg. Der fast gleichzeitige Tod des Vaters, der Großtante und des Großvaters wird zum Anlass, sich mit der lange Zeit kaum thematisierten Geschichte der beiden 1916 und 1917 gefallenen Großonkel zu beschäftigen. Die gegenwärtigen Verluste scheinen für den Erzähler leichter zu verkraften, wenn er sie in eine Tradition der Trauer und des Gedenkens einordnen kann, in der auch das Leid der früheren Generationen seinen angemessenen Platz findet. Les champs d’honneur erzählt wie L’Acacia von der tatsächlichen und der symbolischen Suche nach den Toten des Ersten Weltkrieges, 30 deren Abwesenheit offenbar auch im Abstand von mehr als siebzig Jahren immer noch schmerzt. Das bei Simon und Rouaud aus einer individuellen biographischen Betroffenheit erwachsende Bedürfnis, sich erzählerisch dem Ersten Weltkrieg zu nähern, findet in der spezifischen Erinnerungskultur der 1980er und 1990er Jahre einen kollektiven Rahmen. Ein Vierteljahrhundert nach dem Erscheinen von L’Acacia wird in ganz Europa wieder sehr intensiv an den Ersten Weltkrieg erinnert, in einer Vielzahl von Gedenkfeiern, Fernsehproduktionen, Tagungen und historiographischen Studien. Auch in der französischen Literatur hat La Grande Guerre wieder Konjunktur, wie der Erfolg von Jean Echenozʼ 14 und die Verleihung des Prix Goncourt 2013 an Pierre Lemaitres Au revoir là-haut belegen. Gleichwohl kann das Thema in den 100-Jahr-Feiern nur noch als historisches Ereignis, nicht mehr als lebendiger Teil des Generationengedächtnisses behandelt werden. Genau diese Perspektive aber macht die besondere Intensität der französischen Beschäftigung mit dem Ersten Weltkrieg in den 1980er und 1990er Jahren aus, für die Claude Simons L’Acacia ein eindrucksvolles Beispiel liefert. 222 DDossier Assmann, Jan, Das kulturelle Gedächtnis, München, Beck, 1992. Audoin-Rouzeau, Stéphane / Becker, Annette, 14-18, retrouver la Guerre, Paris, Gallimard, 2000. 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Das Thema erscheint auch in zahlreichen anderen Texten wie La corde raide, Histoire, La Bataille de Pharsale, Les Géorgiques, L’Acacia, Le Jardin des Plantes. 223 DDossier 2 Vor allem in Le Palace. 3 In seiner Studie Poétique du récit de guerre stellt Kaempfer vormoderne und moderne Kriegsberichte bzw. Kriegsromane einander gegenüber. Er zeigt dabei, dass sich die modernen Texte einerseits durch die bewusste Wahl einer stark eingeschränkten, subjektiven Perspektive den Mustern des epischen Erzählens verweigern, andererseits aber nicht völlig auf archetypische Elemente des récit de guerre verzichten können. Bezeichnenderweise wählt Kaempfer als Ausgangspunkt seiner Untersuchung Claude Simons Roman La Bataille de Pharsale. 4 Dies ist besonders in Les Géorgiques der Fall; cf. hierzu meine Überlegungen in Schreckenberg 2006 und Schreckenberg 2003: 107-137; allgemein zu Simons Auseinandersetzung mit sinnstiftenden Interpretationen der Geschichte und der Frage der sprachlichen Darstellbarkeit des Krieges cf. auch Duncan 2008: 277-280. 5 Nach der bekannt gewordenen Formulierung von George F. Kennan („the great seminal catastrophe of this century“, Kennan 1979: 3). 6 Zu nennen ist allerdings eine knapp zweiseitige Passage aus Le Tricheur (1945), in welcher der Protagonist beschreibt, wie er als kleiner Junge die Mutter nach dem Ende des Krieges auf ihrer Suche nach dem Grab des gefallenen Vaters begleitet (Simon 1945: 44- 46). Auf diese Episode, die Simon in L’Acacia wieder aufgreift, wird noch zurückzukommen sein. 7 Cf. die Einschätzung von Ralph Sarkonak (1991: 218): „En fait, L’Acacia se présente comme une véritable somme romanesque qui ‚contient‘ les autres textes de Simon“. 8 Duncan 2013: 1577. 9 Die vollständige Abfolge der Kapitelüberschriften lautet: I 1919; II 17 mai 1940; III 27 août 1914; IV 17 mai 1940; VI 27 août 1939; VII 1982-1914; VIII 1939-1940; IX 1914; X 1940; XI 1910-1914-1940; XII 1940. 10 Mary M. Perramond spricht von einem „effet de brouillage entre les identités du père et du fils, tous les deux ayant vécu la guerre presque au même endroit géographique à vingt-six ans d’écart“ (Perramond 1992: 736). 11 „La recherche de sa tombe fait peser la mort du capitaine sur tout le roman: ses parents - la veuve, les deux sœurs, le fils ‒ apparaissent dès l’incipit comme des survivants“ (Duncan 2013: 1577). 12 Alexandre Dauge-Roth (1997: 128sqq.) bezeichnet L’Acacia als „une autobiographie à la troisième personne“. 13 Schon in der kurzen Erwähnung in Le Tricheur verweist der Protagonist auf die Entstehung dieser Familienlegende: „Combien de fois est-ce qu’elle avait dû se faire raconter sa mort, pauvre femme, et elle avait tout écrit dans ce cahier: ‚A mon fils‘ [ ]. Elle s’était bien fait décrire l’endroit par ce type [ ] qui peut-être inventait par-dessus le marché toute cette histoire“ (Simon 1945: 44). 14 „[O]n a ainsi vu les auteurs d’actions d’éclat déformer les faits pourtant à leur avantage dans le seul but inconscient de les rendre conformes à des modèles préétablis“ (Simon 1989: 326). 15 Cf. auch Burmeister 2010: 156: „Der Roman, der mit der Suche nach einem toten Soldaten begann, endet bei der Geburt eines Schriftstellers“. 16 Cf. Dauge-Roth 1997: 147: „La configuration globale de L’Acacia, en entremêlant autobiographie et biographies familiales, construit donc une vision relationnelle de l’identité où le sujet se découvre autant à travers la configuration d’un destin similaire qu’à travers sa propre existence“; cf. auch Nitsch 1990: 591: „Die traumatische Konfrontation mit dem Außenbereich des Todes enthüllt dem Mobilisierten seine bisherige Nichtexistenz, 224 DDossier erschüttert aber zugleich so nachhaltig seine Identität, dass ihm seine eigenen Schrecken erst über die Analogie zu denen des Vaters wieder zugänglich werden - und nachträglich zur Sprache kommen: Der Heimgekehrte findet allmählich aus seiner Verstörung zu den Büchern und übers Zeichnen zum Schreiben“. 17 Die Beschreibung der Akazie vor dem geöffneten Fenster am Ende von L’Acacia ist eine eindeutige, zum Teil wörtliche Wiederaufnahme des Romananfangs von Histoire, so als wolle der Autor andeuten, dass sich hier ein offener Kreis schließt. Auch in Histoire ist die Beziehung der Eltern ein Thema, allerdings erscheint hier der Vater nur als Abwesender, als Unterzeichner der an die Mutter gesendeten Postkarten. Anders als in L’Acacia steht am Ende von Histoire die explizite Infragestellung der Identität des Erzählers; cf. hierzu Perramond 1992. 18 Cf. Duncan 2008: 1304: „Dans L’Acacia [ ] la guerre sert à former, à intégrer la personne. Dans La Route des Flandres, elle l’empêche de progresser, elle la fige“. Weniger optimistisch ist in diesem Punkt die Lektüre von Wolfram Nitsch. Er bezeichnet das Ende von L’Acacia als eine „Geburt des Romans aus dem Geist der Katastrophe“ und nicht als eine „mit allem versöhnende literarische Berufung“ (Nitsch 1990: 591). Auch dem Roman L’Acacia bleiben Tod und Opfer eingeschrieben. Mit Blick auf die folgenden Texte Simons, vor allem Le Jardin des Plantes, scheint diese Skepsis durchaus angebracht. 19 Bereits in der Passage in Le Tricheur deutet sich an, welche Belastung die lebenslange Trauer der Mutter auch für den Sohn dargestellt haben mag: „Comment a-t-elle pu rester des années et des années ainsi à ruminer sa douleur, gluante et froide dans sa bouche, gardant sa photo près de son lit“ (Simon 1945: 46). 20 Ich danke für diesen Hinweis Wolfram Nitsch, einem der Organisatoren der Ausstellung Claude Simon en Allemagne / Claude Simon in Deutschland, die Ende 2013 in der Bibliotheca Reiner Speck in Köln stattfand und in deren Rahmen die genannten Manuskriptseiten gezeigt wurden. 21 Cf. Duncan 2013: 1570. 22 Eine ähnliche Feststellung macht Pierre Schoentjes mit Blick auf die literarische Beschäftigung mit dem Ersten Weltkrieg im Vorwort zu dem Tagungsband La Grande Guerre - un siècle de fictions romanesques: „Aujourd’hui à nouveau, après une absence remarquable entre 1945 et 1980, la Grande Guerre s’impose aux écrivains“ (Schoentjes 2008: 7). 23 Ich verwende die Begriffe hier im Sinne von Assmann 1992. 24 Zur Unterscheidung von mémoire und histoire siehe Nora 1984. 25 Siehe hierzu auch Duncan: „Dans L’Acacia, plus que dans des romans antérieurs, Simon met l’accent sur l’expérience collective des Français. [ ] Les personnages sont typiques de la France d’une certaine époque“ (2013: 1580-1581). 26 Audoin-Rouzeau und Becker betonen die Bedeutung der Suche nach den Gräbern für die Hinterbliebenen: „Ce qui manqua si cruellement aux endeuillés de guerre - et de la Grande Guerre en particulier ‒, ce fut le corps de ceux qui étaient morts“ (2000: 245). 27 1982 sucht Simon seine um einige Jahre älteren Kusinen auf, die seinen Vater noch persönlich kennengelernt haben. Der Erzähler lässt sich von ihnen vor allem den Moment schildern, als sie 1914 Nachricht vom Tod des Hauptmanns erhalten. Der Besuch wird in Kapitel VII des Romans verarbeitet, cf. Simon 1989: 209-212. 28 Am Rande der Zeremonie bringt Dellaplane diese Meinung seinem Vorgesetzten gegenüber deutlich zum Ausdruck: „eux [i. e. le gouvernement et le haut-commandement militaire], ça les rassure; ils en ont fait tuer un million cinq cent mille; et maintenant on ne 225 DDossier pensera plus qu’à celui-là, ce subterfuge est un scandale“ (La vie et rien d’autre; ca. 2: 00: 25 bis 2: 00: 36). 29 Rouauds Erstling verkauft sich in vier Monaten eine halbe Million Mal und gewinnt den Prix Goncourt. Zum Verhältnis von Simon und Rouaud siehe Ziegler-Stryczek 1998. 30 In letzten Teil von Les champs d’honneur schildert der Erzähler, wie sein Großvater sich 1929 auf den Weg macht, die Überreste seines Bruders zu finden und heimzuholen. Dabei stößt er, genau wie die Witwe in L’Acacia, auf ein Grab mit zwei Leichnamen, so dass der Gesuchte nicht eindeutig zu identifizieren ist. 226 Dossier Ottmar Ette Einleitung: Europa als Archipel / L’Europe comme archipel Die nachfolgenden Beiträge wurden am 16. Juni 2014 im Rahmen der Sektion „Europa als Archipel / L’Europe comme archipel“ am Institut français zu Berlin als Teil der internationalen Tagung „Europa in Bewegung / L’Europe en mouvement. Neue Räume des Zusammenlebens / Les nouveaux espaces du vivre ensemble“ in Vortragsform präsentiert. Die Sektion verfolgte das Ziel, innerhalb der in Zusammenarbeit mit Philippe Wellnitz (Ambassade de France), Wolfgang Asholt (Universität Osnabrück), Edith Heurgon (Cerisy-la-Salle), Patricia Oster-Stierle (Universität des Saarlandes), Ulrike Schneider (Freie Universität Berlin) und Helmut Pfeiffer (Humboldt-Universität zu Berlin) durchgeführten Tagung die Fragen einerseits nach den Formen und Normen der Konvivenz 1 sowie andererseits nach den Figurationen und Konfigurationen der Bewegungen Europas aus der Perspektive literarischer und künstlerischer Filiationen epistemologisch reflektiert zu beantworten. Die selbstgestellte Aufgabe bestand folglich in einem Nach-Denken und, mehr noch, Über-Denken Europas aus archipelischer bzw. transarchipelischer Sicht. Damit sollte zugleich der Versuch unternommen werden, ohne jede Vernachlässigung der Geschichte wie der Memoria-Funktion von Literatur die historische Tiefenschärfe literarischer Produktion für die Entfaltung jener prospektiven Denkmöglichkeiten heranzuziehen, welche die Literaturen Europas wie die Literaturen der Welt für unsere kreative Aneignung mit Blick auf ein Fort-Denken des ‚alten Kontinents‘ bereithalten. Wie also lässt sich Europa aus der Vergangenheit heraus in eine Zukunft denken, die neue Denk-Landschaften, die neue Landschaften der Theorie zu eröffnen und entfalten vermag? Wie lässt sich ein ‚Europa in Bewegung‘ vorstellen, sobald wir den Versuch unternehmen, dieses Europa archipelisch und transarchipelisch zu perspektivieren? Und inwieweit lässt sich damit jene für die gesamte Tagung zentrale Fragestellung verknüpfen, welche die vielleicht größte Herausforderung für das 21. Jahrhundert darstellt: Wie wir in Frieden und Differenz in Europa - und dies impliziert ganz selbstverständlich: im globalen Maßstab - zusammenleben können? Mein herzlicher Dank gilt ebenso den Mitveranstaltern der am Institut français ausgerichteten deutsch-französischen Tagung wie den Herausgebern der Zeitschrift lendemains für die freundliche und rasche Aufnahme, insbesondere aber auch Jean-Pierre Dubost, Anne Kraume und Gesine Müller für ihre engagierten Beiträge und die Bereitschaft, sich auf die soeben skizzierten Fragestellungen einzulassen und ihre Beiträge kurzfristig zur Verfügung zu stellen. 227 DDossier 1 Cf. zu diesem Themenfeld auch die Akten der am Freiburg Institute for Advanced Studies (FRIAS) durchgeführten Tagung: Ottmar Ette (ed.), Wissensformen und Wissensnormen des ZusammenLebens. Literatur - Kultur - Geschichte - Medien. Berlin / Boston, de Gruyter, 2012; zur Frage der Konvivenz cf. auch id., ZusammenLebensWissen. List, Last und Lust literarischer Konvivenz im globalen Maßstab (ÜberLebenswissen III), Berlin, Kadmos, 2010. 228 DDossier Ottmar Ette Europa transarchipelisch denken Entwürfe für eine neue Landschaft der Theorie (und Praxis) Das zwischen 1510 und 1511 in der Stanza della Segnatura 1 im Vatikan entstandene berühmte Fresko Raffaellos, La scuola di Atene 2 (Abb. 1), gehört zweifellos zu den wirkungsmächtigsten Verherrlichungen der griechischen Antike aus dem Geiste der italienischen Renaissance, führt es dem Betrachter doch all jene Philosophen vor Augen, die aus Sicht des bedeutenden italienischen Malers die Größe der vorbildgebenden Antike begründeten - und mit ihr selbstverständlich auch die Größe ihrer Wiedergeburt. In diesem für Papst Julius II. ausgearbeiteten Entwurf werden uns im Bildzentrum die beiden wohl einflussreichsten Philosophen des antiken Griechenland, Platon und Aristoteles, so vorgestellt, dass sie die Szenerie um sie her wie zu ihren Füßen beherrschen und den Blick der Betrachterinnen und Betrachter auf sich ziehen. Das hier angebotene bipolare Ordnungsschema abendländischer Philosophiegeschichte ist in seinen Auswirkungen kaum zu über- Abb. 1: La scuola di Atene 229 DDossier blicken, zugleich aber auch nicht zu übersehen. Gerade in jenen Aspekten, die in dieser Konstruktion abendländischen Denkens ausgeblendet und unsichtbar gemacht werden. Wenn die von Raffaello entworfene und vermeintlich unmittelbar, gleich auf den ersten Blick lesbare 3 monumentale Architektur 4 die Denkwelten der hier versammelten Philosophen überwölbt und in einem nicht weniger fundamentalen Sinne kanonisiert, dann überbrücken die sich an den Seiten der beiden Zentralgestalten angeordneten Gruppen stärker im Bannkreis Platons oder Aristoteles’ stehender Denker zugleich die Zeiten, welche die griechische Antike von der italienischen Renaissance trennen, indem in einer ebenso räumlichen wie zeitlichen Staffelung relationale Bezugssysteme hergestellt werden, in welche das Fresko notwendig all jene verwickelt, die sich ihm nähern. Dies gilt ebenso für die hergestellten Blickachsen zwischen den Philosophen selbst wie für die Sichtachsen, welche dem Bildentwurf wie seinem Gegenstand eine unbestreitbar monumentale Größe verleihen. Raffaello ist zweifellos eine herausragende künstlerische Sichtbarmachung einer Geschichte der abendländischen Philosophie, ja des abendländischen Denkens überhaupt gelungen. Kaum ein anderes Werk der Malerei dürfte das Selbstverständnis wie das Selbstbild europäischen Denkens einflussreicher visualisiert und mitgeprägt haben, drängte sich doch allen Betrachtern gleichsam selbstverständlich - wie etwa ein Ernst H. Gombrich herausarbeitete - eine klar formulierte philosophische Aussage auf: Es ist daher nicht merkwürdig, dass viele Bewunderer der Kunst Raffaels sich veranlasst fühlten, ihr Erlebnis zu rationalisieren, indem sie die tiefe Bedeutung, deren Vorhandensein in dem Zyklus sie so intensiv empfanden, in eine nicht minder tiefe philosophische Aussage zu übersetzen suchten. Was sie zu dieser zuversichtlichen Suche anspornte, waren eben jene harmonische Schönheit und der überwältigende Beziehungsreichtum der Komposition. 5 In der Tat ist der in diesem Werk entfaltete Beziehungsreichtum schlicht unabschließbar, erweckt er doch den „Eindruck unerschöpflicher Fülle“. 6 Und doch scheint zugleich von diesem Werk eine zentrale Botschaft auszugehen: die Unbestreitbarkeit der Größe des Abendlands, die hier ins Bild und eindrucksvoll in Szene gesetzt wird. Doch wie lässt sich dieser Beziehungsreichtum begreifen und erfassen? Eine erste Antwort auf diese Frage lautet: Nur unter Einbeziehung dessen, was zu sehen ist, wie dessen, was gerade nicht zu sehen ist, sich also zeigt, ohne uns gezeigt zu werden. Die mit Raffaellos Bildentwurf einhergehenden Bedeutungsprozesse erfassen ausgehend vom Spiel der Sicht- und Blickachsen ebenso die im Fresko ausgetauschten wie die vermiedenen, ja sich wechselseitig ausschließenden Blickbeziehungen, welche dieses gewaltige Gemälde in ein dichtes Geflecht unterschiedlichster Bezüge und Bezugssysteme verwandeln. Gerade auch der Ausschluss von Blickbeziehungen ist signifikant - und zieht die Blicke der Be- 230 DDossier trachterInnen notwendig auf sich. Wie ließe sich etwa die auf den Treppenstufen unterhalb der beiden Zentralgestalten hingestreckte Figur des Diogenes übersehen, die Platon wie Aristoteles ihren Rücken zuwendet und in reichlich ungeordneter, nachlässiger Kleidung zwischen den unterschiedlichen Gruppen von Philosophen gleichsam eine Insel für sich bildet? Situierung und Gestaltung dieser Bewegungs-Figur machen in einem sehr grundsätzlichen Sinne überhaupt erst auf die Bedeutung jener Zwischen-Räume aufmerksam, deren Schaffung nicht weniger konstitutiv für dieses Werk Raffaellos ist als Anlage und Choreographie der Gruppen diskutierender, lesender oder schreibender Philosophen selbst. Achten wir also auf die bedeutungstragende - und dank ihrer Dynamik ständig neue Bedeutungen generierende - Rolle der Zwischen-Räume mit ihren sich hieraus aufbauenden komplexen 7 Vektorisierungen. Unterhalb des am linken Bildrand schreibenden und in seiner Selbstvergessenheit wie Selbstbezogenheit fast in die Architektur verwobenen Epikur hat sich beispielsweise eine hochgradig vektorisierte Gruppe im Rücken des in seine Berechnungen versunkenen Pythagoras gebildet. Auf die Ergebnisse seiner Aufschriften richtet sich dabei nicht allein der Blick einer nicht eindeutig identifizierbaren Gestalt, in der sich vielleicht Empedokles oder Anaximander erkennen lassen, sondern auch das sich in ungeheurer Körperspannung vorreckende dunkle Gesicht eines anderen Philosophen, der sich tunlichst nichts von dem entgehen lassen möchte, was der griechische Mathematiker und Philosoph in konzentrierter Schreibhaltung notiert. In der Gestalt des großen arabischen Philosophen Averroës stoßen wir an dieser Stelle auf eine jener Vermittlerfiguren, welche die Zugangsmöglichkeiten des Renaissancedenkens zur Antike für deren angenommene und angemaßte ‚Wiedergeburt‘ eröffnet haben, so dass hier im asymmetrischen (da nicht erwiderten) Blickkontakt ein Zwischen-Raum entsteht, der in den räumlichen die zeitlichen Dimensionen Relationalität und Dynamik aller Verhältnisse aufscheinen lässt und aus dieser Verbindung von Raum und Zeit ein hochgradig vektorisiertes Bewegungs-Bild entwirft. Dass Raffaello dieser großen arabischen Vermittlerfigur zwischen Abendland und Morgenland in der Stanza della Segnatura des Vatikans nur in bedingtem Maße seine Sympathie entgegenzubringen scheint, soll uns an dieser Stelle in unseren Überlegungen nicht weiter beschäftigen. Auf diese hier in aller Kürze signalisierte Weise entfaltet sich vor dem Auge des am rechten Bildrand situierten Künstlers Raffaello, aus dessen quer zur dominanten Sichtachse liegenden Blickachse sich eine andere Relationalität der verschiedenen Gruppen und Individuen enthüllt, ein hochkomplexes Vektorenfeld, das gewiss als eine hintergründige, wenngleich entschiedene Deutung antiker Philosophie verstanden werden muss. Denn nicht umsonst werden der platonische Entwurf des Timaios und die aristotelische Nikomachische Ethik in zentraler Stellung in Szene gesetzt. Doch eine lineare Geschichte abendländischer Philosophie wird in dieser Schule von Athen nicht vor Augen geführt: Zu unterschiedlich sind die Blickrichtungen, zu asymmetrisch die Beziehungen, zu komplex die Relationen, als dass sich hier im Polylog der Philosophen, der Künstler, der Wissenschaftler und 231 DDossier einiger Politiker eine einzige Geschichte - und wäre es die einer sakralen oder einer profanen Heilsgeschichte - herauskristallisieren ließe. Beruht die jahrhundertelange Faszinationskraft dieser künstlerischen Darstellung nicht gerade auf der strukturellen Offenheit einer Anlage, deren Vieldeutigkeit relational erzeugt wird? Von großer Bedeutung erscheint mir in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass wir die nicht-lineare und auch nicht einfach genealogische Logik der Bildanordnung als eine Choreographie verstehen dürfen, in der Die Schule von Athen eine Landschaft der Theorie 8 entwirft, die für Raffaellos Sichtweise der Antike wie auf die Antike charakteristisch ist. In dieser Landschaft der Theorie bilden einzelne Gruppen, aber auch einzelne Gestalten Inseln und Inselgruppen, die sich zu einer vielbezüglichen archipelischen Landschaft zusammenfügen lassen. Jede der großen Gestalten bildet dabei eine Insel-Welt mit ihrer eigenen Logik, ihrem eigenen Denken, Lesen und Schreiben. Zugleich aber fügt sie sich relational in eine Inselwelt ein, 9 die wiederum mit anderen Inselwelten wie Insel-Welten verbunden ist. Erst so gewinnt der von Ernst H. Gombrich apostrophierte „Beziehungsreichtum“ 10 an epistemologischer Durchschlagskraft. Denn diesseits wie jenseits ihrer Verherrlichung abendländischen Denkens wie auch ihrer Monumentalisierung europäischer Kontinuitäten verweist Raffaellos Kon-Figuration einer Landschaft der Theorie auf eine Potenz polylogischer Deutung und Bedeutung, die seine Scuola di Atene auszeichnet. * * * Im Spannungsfeld des griechischen Archipels, des Namen und Begriff des archipelagus verleihenden Archipels par excellence, präsentiert La scuola di Atene somit eine archipelische und transarchipelische Welt, die keineswegs allein vom Dialog zwischen Platon und Aristoteles bipolar strukturiert wird, sondern sich - und die provozierend hingestreckte Figur des Diogenes macht darauf aufmerksam - auf einen Polylog hin öffnet: nicht allein im Sinne eines ‚Sprechens der vielen‘, sondern weit mehr noch in der komplexen Bedeutung eines viellogischen Sprechens, das der dem Fresko nachträglich gegebene Titel mit seiner Einzahl wohl kaum adäquat wiederzugeben in der Lage wäre. Nicht nur das Vieldeutige, sondern auch das Viellogische wird hier inszeniert, ja in gewisser Weise in seiner Vielverbundenheit kartographiert. Die viellogische Dimension der Schöpfung Raffaellos, die es erlaubt, mit Hilfe eines gleichsam Humboldtschen ‚Totaleindrucks‘ die vielen unterschiedlichen Denkrichtungen und Logiken zugleich und in einem einzigen Bilde zu erfassen, entfaltet sich aus dieser archipelischen Situation, die immer neue Relationen, immer neue Blickachsen, immer neue Symmetrien 11 und Asymmetrien zu erkennen erlaubt und damit zur Bild-Sprache bringt, was schwerlich nur im diskursiven Raum der Philosophie zur Sprache gebracht werden könnte. Die keineswegs geschlossene, dialogische Struktur, sondern die offene, polylogische Strukturierung aller Relationen entsteht dabei aber nicht nur aus dem, was gesehen werden 232 DDossier kann - etwa der von Raffaello angewandten Überblendtechnik, die Platons Gestalt die Züge Leonardo da Vincis verleiht -, sondern gerade auch aus dem, was unsichtbar ist und bleibt, aus dem also, was in dieser Schule von Athen nicht direkt visualisiert wurde und wohl auch nicht visualisiert werden sollte. Zu den in diesem Bildentwurf weitgehend unsichtbar Gebliebenen zählen jenseits jener wenigen und eher am Rand stehenden Figuren, die immerhin von Averroës bis Zarathustra reichen, all jene Relationen, die zwischen griechischer Antike und europäischer Moderne vermittelten. Zu denken wäre etwa an die intensiven Beziehungen zwischen Florenz und Bagdad, 12 zwischen abendländischer und morgenländischer Erzählkunst, aber auch zwischen der christlichen und der jüdischen Geisteswelt oder gerade auch jenen Übersetzern, die sich in der Schule von Toledo um die wechselseitige Anreicherung der unterschiedlichen Kulturen so verdient gemacht haben. Nur wenige Spuren in La scuola di Atene verweisen auf diese Verbindungen und Vermittlungen, auf diese Setzungen und Übersetzungen - und dies, obwohl gerade sie so maßgeblich daran beteiligt waren, dass die Vorstellungen der Antike nicht nur in ein Europa der Frühen Neuzeit transferiert, sondern dort auch transformiert werden konnten. Die Visualisierung Raffaellos schließt die Unsichtbarmachung wichtiger Traditionslinien, die zur Herausbildung eines abendländischen Denkens führten, mit ein. So erscheint auch das von ihm in Szene gesetzte Europa als ein Ergebnis nicht allein einer Fülle von Sichtbarmachungen, sondern auch (s)einer Unsichtbarmachung, insofern mit jeder Inklusion auch Exklusionen vorgenommen werden. Doch wir könnten mit Blick auf diese ‚Schule von Athen‘ und ihre Konstruktion abendländischen Denkens noch grundlegender fragen. Ist denn die Zentralperspektive selbst, deren sich Raffaello hier so meisterhaft bedient, nicht eine jener Erfindungen, die ohne die Beziehungen zwischen der arabischen und der christlich-abendländischen Welt undenkbar gewesen wären? Und wäre die Zentrierung der Welt in der Kartographie, etwa in der berühmten Weltkarte des Juan de la Cosa (Abb. 2), die im Jahre 1500 und damit gerade ein Jahrzehnt vor Raffaellos großem Werk entstand, nicht undenkbar geblieben, hätte die Erfindung der Zentralperspektive nicht zuvor die Grundlagen dafür geschaffen, in einer quasi ‚natürlichen‘ Perspektivierung die Kartennetze Europas über die gesamte Welt auszuwerfen? Was unsichtbar bleibt, ist damit in die Machart, in die Technik, in die Perspektivik des Gemäldes selbst schon eingewoben: eine allgegenwärtige Unsichtbarkeit, die doch in der zentralperspektivischen Ausrichtung aller Sichtachsen deutlich zum künstlerischen Ausdruck drängt und findet. Das Fresko visualisiert damit die Bedingungen seiner eigenen Schöpfung, seiner eigenen Findung und Erfindung in einer zentrierenden Perspektivierung, die sich stolz in eine Tradition abendländischen Denkens stellt, ohne doch die Komplexität und Widersprüchlichkeit ihrer eigenen Präsenz und Projektion, ihrer eigenen Genese und Genealogie verbergen zu können. So wird gezeigt, worauf nicht gezeigt wird. Denn viele Stufen der monumentalen Treppe bleiben frei und signalisieren dadurch - und sei es entge- 233 DDossier gen aller Intention des Künstlers - jenen Frei-Raum, der als Zwischen-Raum gerade das erst semantisiert, was in den Vordergrund gerückt wird. Erst durch die Distanzierung entsteht eine wirkliche Relation - und nicht zuletzt auch und gerade dann, wenn wie im Falle des Diogenes oder des Epikur die Blickverbindungen zu anderen Philosophen augenscheinlich unterbleiben. Wendet man sich vorzüglich der zentralen Sichtachse und der nur auf den ersten Blick rein bipolaren Struktur des Aufbaus von La scuola di Atene zu, dann scheinen wir es mit einer ein für allemal fixierten, fest-gestellten Konstellation zu tun zu haben, die unverrückbar an einem stabilen und statischen Koordinatensystem ausgerichtet ist. Wer weiß sich auf der Seite des Platon, wer auf der Seite des Aristoteles? In einer solchen statischen Raumaufteilung sind die Rollen und die Positionen scheinbar fest verteilt, wobei die Zwischen-Räume zwischen den Figuren und Gruppen entscheidend dazu beitragen, dass in sich klar skizzierte Konstellationen entstehen. Geometrie und Statik 13 einer solchen Anlage springen gleichsam ‚natürlich‘ ins Auge und können zugleich mit Hilfe einer graphischen Datenverarbeitung in einem geometrischen Rasterbild 14 zur Anschauung - und zugleich zu einem völligen Stillstand - gebracht werden. Damit entstehen Flächen, die innerhalb ihrer Koordinaten Kontinuitäten zeugen und jegliche Bewegung auszuschließen scheinen. Mit dem Rasterbild einer fest-gestellten Konstellation aber ließe sich nur ein zweifellos wichtiger, aber letztlich vordergründiger Sinn erfassen, welcher die dynamische Polysemie dieses Kunstwerks nicht ausleuchten könnte. Nehmen wir aber das dichte Geflecht der unterschiedlichsten Blickachsen und der mit ihnen verbundenen Symmetrien und vor allem Asymmetrien hinzu, so ergibt sich eine Vektorisierung, die bei genauerem Hinsehen nicht nur im Bildausschnitt um Averroës und Pythagoras offenkundig ist, sondern alle Figurengruppen und Figuren dieses Freskos ausnahmslos erfasst. Alle Gestalten werden zu Bewegungsfiguren, Abb. 2: Weltkarte von Juan de la Cosa 234 DDossier die in ihrer komplexen Relationalität allesamt miteinander verbunden sind - wenn auch nicht alle mit allen zum gleichen Zeitpunkt. Blickbewegungen, aber auch Körperhaltungen und Gesten erzeugen einen im höchsten Maße vektorisierten Bewegungs-Raum, innerhalb dessen sich die festen Konstellationen nun als mobile Konfigurationen erweisen. In diesen Kon-Figurationen kommen komplexe Choreographien zum Ausdruck, wobei die Rahmung aller Figuren durch eine monumentale Architektur aus der dadurch erzeugten Spannung einen hohen Bewegungskoeffizienten erzeugt. Wenn die Zwischen-Räume auf der einen Seite die einzelnen Konstellationen voneinander trennen, so verbinden sie nun auf der anderen Seite als Spiel-Räume die untereinander in Beziehung stehenden Figuren und Figurengruppen. Die Zwischen-Räume bilden als Spiel-Räume das verbindende Element: Sie generieren hintergründig jene Allgegenwart, auf deren Folie sich die figurae als Bewegungsfiguren abzeichnen, die im Medium der Malerei in ihren Bewegungen selbst (nur vorübergehend) stillgestellt worden sind. Konstellationen und Konfigurationen bilden voneinander unterschiedliche Logiken aus, welche zugleich wechselseitig miteinander verbunden sind und folglich zusätzliche relationale Logiken entfalten. Die figura des Diogenes macht dabei in besonderer Weise deutlich, wie sehr die Zwischen-Räume ihrerseits gleichsam Kippfiguren bilden, die sich einmal scharf voneinander abzutrennen, aus anderer Blickrichtung aber intensiv miteinander zu verbinden vermögen. Diogenes wie Epikur bilden Insel-Welten einer jeweils spezifischen Eigen-Logik, die gleichwohl mit den Inselwelten des griechisch geprägten Denk-Archipels innigst verbunden sind. Die spezifischen Eigen-Logiken einer jeweiligen Insel-Welt werden auf die relationalen Logiken der Inselwelten bezogen und zugleich in eine Vielbezogenheit integriert, die jenseits der internen Relationalitäten auch externe Beziehungen aufbaut, ohne dass dabei die Eigen-Logiken der unterschiedlichen Insel-Welten beseitigt würden - eine komplexe Relationalität, wie sie etwa auch das Verhältnis der sogenannten ‚Schule von Athen‘ mit den anderen Schöpfungen Raffaellos in den päpstlichen Gemächern charakterisiert. Die Eigen-Logiken einer bestimmten Insel-Welt, einer bestimmten Welt-für-sich, werden gerade dadurch gestärkt, dass jeweils spezifische Beziehungen innerarchipelischer oder transarchipelischer Natur entwickelt werden. Die Präponderanz etwa einer externen Relationalität, wie sie Ernst H. Gombrich mit Blick auf die ‚Stanza della Segnatura‘ vorschlägt, verletzt daher die Kopräsenz unterschiedlicher Logiken, wie sie etwa die Wechselbeziehungen zwischen interner und externer Relationalität im Zyklus des Raffaello auszeichnet. 15 Diese innerarchipelische und transarchipelische, mithin verschiedene Inselwelten durchlaufende Vektorizität lässt so zwischen den Figuren und Gruppen als Inseln und Inselgruppen jene archipelische Landschaft der Theorie entstehen, die archipelisch nur insofern sein kann, als sie auf jene Zwischen-Räume zurückzugreifen vermag, die zugleich trennen und verbinden, die zugleich feststellen und wieder in Bewegung setzen, die zugleich Konstellationen und Konfigurationen sind. Jedwede Relation, jedwede Verbundenheit setzt Distanz und Distanzierung 235 DDossier voraus, mit deren Hilfe das Diskontinuierliche die Zwischen-Räume immer wieder neu vektorisiert, immer wieder neu konfiguriert, immer wieder neu semantisiert, um im Archipel dem Sinn die Sinne mitzugeben. Vergessen wir dabei nicht, dass wir das Lexem ‚Archipel‘ zwar sehr wohl als ‚Inselgruppe im Meer‘ definieren dürfen, dass sich die Etymologie dieses Begriffs aber gerade nicht auf das Land, auf die Inseln bezieht, sondern auf das ‚große Gewässer‘ zwischen ihnen, auf jene Zwischen-Räume also, welche dieses ‚Archi- Gewässer‘ oder das hauptsächliche Meer - zunächst in der Ägäis - zwischen den Inseln bildet. 16 In einem stets präsenten etymologischen Sinne also meinen das Archipelische und der archi-pelagus das flüssige, bewegliche Element, das jede Insel von der anderen trennt, zur Insel-Welt mit ihrer Eigen-Logik gerinnen lässt, zugleich aber jene umfassende Inselwelt hervorbringt, in der alles mit allem (wenn auch niemals zugleich) verbunden ist. Es geht, um es noch einmal deutlich zu sagen, nicht darum, Konfigurationen an die Stelle von Konstellationen zu setzen, sondern um ein Denken von verschiedenen Logiken zugleich. So sind es auf den frühneuzeitlichen Weltkarten der Europäer auch die Meere, die großen Gewässer, welche den verschiedenen Kontinenten und Archipelen - und gerade auch jenen der sogenannten ‚Neuen Welt‘ - ihre mobilen Konturen geben, sie definieren (mithin abgrenzen) und zugleich doch miteinander in Beziehung setzen. Auch hier werden die Konstellationen dieser Kontinente auch zu Konfigurationen, insofern sie sich als Bewegungsfiguren verstehen lassen, die vom Meer, dem trennenden und verbindenden Element, miteinander in Verbindung gesetzt werden. Die Archipele aber sind auf diesen Karten einer sich rundenden, einer zunehmend global gedachten und globalisierten Welt die Bewegungs-Räume höchster Vektorizität: Sie werden zu jenen Zwischen-Räumen größtmöglicher Vielverbundenheit, die sich nicht allein auf eine interne Relationalität innerhalb eines Archipels (und damit innerarchipelisch) zu stützen wissen, sondern gerade auch die externe Relationalität (und damit eine transarchipelische Dimension) umfassen. Interne und externe Relationalität sind dabei grundlegend aufeinander bezogen. So kann uns La scuola di Atene folglich auf sehr anschauliche Weise lehren, wie sich in einer archipelischen Landschaft der Theorie die Diskontinuitäten, die durch die Zwischen-Räume geschaffen werden, hin auf Relationalitäten öffnen, welche in ihrer Vielverbundenheit nicht bloß ein vielstimmiges, sondern weit mehr ein viellogisches Denken heraufführen, das innerhalb eines fest-gestellten Rahmens die unterschiedlichsten Choreographien erlaubt. Gewiss: Die Schule von Athen verbirgt in nicht geringem Maße die Schule von Toledo und damit jene Kunst des Übersetzens, die stets auch eine Kunst des Über setzens (mithin von einem Ufer an ein anderes Hinübersetzens) ist. Entscheidend für die Entstehung einer derartigen offenen Strukturierung, für die Entfaltung einer polylogischen Komplexität aber sind jene auf den ersten Blick unsichtbaren Zwischen-Räume, jene Bewegungs-Räume zwischen den Inseln, die auf eher hintergründige, untergründige Weise gleichsam das Geflutete, das Über- 236 DDossier schwemmte, das unter der Wasseroberfläche Liegende verkörpern und in ihrer Unsichtbarkeit sichtbar und denkbar machen. Im Archipel zählen folglich nicht allein die Inseln, sondern gerade auch das, was scheinbar nicht erscheint, aber dennoch da ist und in seiner allgegenwärtigen Abwesenheit unter der Wasseroberfläche verborgen liegt. * * * Von Raffaellos La Scuola di Atene und damit dem illustren mapping abendländischen Denkens ist es nur ein kleiner Schritt zur Kartographie Europas. Und diese Kartographie lässt sich vereinfachend in zwei Traditionslinien unterteilen: zum einen in die (majoritäre) Darstellung Europas als Kontinent und zum anderen in dessen (minoritäre) Repräsentation als Inselwelt, als Archipel. Vor diesem Hintergrund gewinnt eine wichtige, wenn auch weniger bekannte Tradition der Repräsentation des Wissens von der Welt an Signifikanz, die zwischen dem Ausgang des 15. und dem Übergang zum 17. Jahrhundert ihre eigentliche Blütezeit erlebte. Sie ist als Gattung mit der Bezeichnung Isolario oder Insel- Buch verknüpft und lässt sich vorrangig einer italienischen Tradition (insbesondere der Seemacht Venedig) zuordnen. 17 Die Form des Isolario, wie sie sich historisch parallel zu den bereits erwähnten Kartenwelten eines Juan de la Cosa, aber auch den Arbeiten Raffaellos zu Beginn des 16. Jahrhunderts entwickelte, lässt sich als eine Anordnungsform von Wissen begreifen, die das zeitgenössische Wissen von der Welt in einer zur kontinentalen Darstellungsweise sicherlich komplementären, zugleich aber auch alternativen Form als verräumlichte Epistemologie einer anderen Sichtbarmachung zuführte. Der Reigen großer venezianischer Insel-Bücher wurde von Bartolomeo dalli Sonetti eröffnet, der im Jahre 1485 einen Isolario über die Inseln der Ägäis veröffentlichte, welcher aus 49 Karten von Inseln sowie ebenso vielen den jeweiligen Insel-Karten zugeordneten Sonetten bestand. 18 Ohne an dieser Stelle auf die spezifischen Formen der Entfaltung des Isolario und auf dessen Zusammenhänge mit der ersten Phase beschleunigter Globalisierung eingehen zu können, 19 sei doch betont, auf welch fundamentale Weise ein Verständnis Europas als Archipel in der frühneuzeitlichen Kartographie neue Möglichkeiten, Europa zu denken, eröffnete, um mit Blick auf den ‚Kontinent‘ eine andere Landschaft der Theorie zu entwerfen. Dies erfolgte just zu jenem Zeitpunkt, als sich Europa im Zeichen seiner erfolgreichen Expansion innerhalb eines von der Alten Welt her globalisierten planetarischen Zusammenhangs anders - und dies heißt: von seiner zunehmend dominanten Stellung her - zu denken und zu deuten begann. Bereits im Bewusstsein dieser Vorherrschaft und einer von Europa ausgehenden Erkundung weltweiten Zuschnitts legte Benedetto Bordone 1528 sein eigenes Insel-Buch vor, jenen höchst erfolgreichen Isolario (Abb. 3), der für sich in Anspruch nehmen durfte, eine ganze Welt von Inseln in weltweiter Projektion entworfen zu haben. 20 Die drei sehr ungleichen Teile seines einflussreichen Kartenwerkes widmeten sich der atlantischen Inselwelt einschließlich des Baltikums (29 237 DDossier Karten), der Inselwelt des Mittelmeers (43 Karten) sowie den Inseln des Fernen Ostens (10 Karten), wobei sich die beigefügten Texte gleichsam landeskundlich darum bemühten, Informationen zur geographischen Lage, zu Klima und Geschichte, zur Bevölkerung, zu Fauna oder Flora und vielen weiteren Aspekten von allgemeinem Interesse bereitzustellen. Schematische Zeichnungen zur Gradeinteilung der Erdkugel, Angaben zu den Wendekreisen sowie zur Schiefe der Ekliptik des Globus, zur Segmentierung der Windrose in Antike und Gegenwart, aber auch Überblickskarten von Europa, dem östlichen Mittelmeer sowie der gesamten zum damaligen Zeitpunkt bekannten Welt runden Bordones Isolario ab und vermitteln dem zeitgenössischen Leser - und darin dürfte die Attraktivität des Werkes gelegen haben - ein anschauliches und farbenfrohes Bild unseres Planeten. Unübersehbar wird zugleich, wie die europäischen Kartennetze nun den gesamten Planeten erfassen und in die gleiche Spatialität und Temporalität hineinzwingen. Bordones Insularium ist bei aller Informationsfülle ein Imaginarium, in dem sich die europäischen Vorstellungen von der Welt reflektieren. Finden und Erfinden gehen bei Bordone Hand in Hand; in seinem Isolario entwirft der zuvor als Miniaturenmaler tätige Künstler eine Welt, in der in den Begleittexten die unterschiedlichsten Lebensformen und Lebensnormen kopräsent sind und diskontinuierlich aufeinanderprallen. Anders als die am Kontinentalen, Kontinuierlichen und buchstäblich Zusammenhängenden ausgerichteten Kartenwerke zielt Bordones Kartographie auf eine Welt des Unzusammenhängenden, Diskontinuierlichen und auf die Entwicklung einer multiperspektivischen Sicht, die Differenzen nicht tilgt. Das Beispiel des transatlantischen Teils seines neuen mapping mag dies verdeutlichen. Denn hier zerfällt nicht nur Europa in unterschiedliche Teil-Inseln. An die jeweils mit ausführlichen Textteilen versehenen Karten von Island, Irland, Süd- Abb. 3: Bordone, Isolario 238 DDossier england, von der Bretagne, Nordwestspanien und Skandinavien schließen sich die nicht weniger textuell eingebetteten Karten von Nordamerika und des Nordatlantik, der Stadt Temistitan (also das spätere México), von Zentral- und Südamerika, Hispaniola, Jamaica, Cuba sowie weiterer karibischer Inseln an, bevor wir über Porto Santo, Madeira, die Kanarischen Inseln, die Kapverden und die Azoren endlich wieder die Bucht von Cádiz in Südspanien und damit die Alte Welt in einem sich schließenden Kreis erreichen. Auch die Kontinente werden archipelisiert, werden in eine offene Relationalität eingebracht, in welcher sich die Logik einer Insel-Welt stets mit der Logik weitgespannter Inselwelten verknüpft. Auch transarchipelische, die Archipele unterschiedlicher Weltteile verknüpfende Beziehungen werden erkennbar. So wird nicht nur mit Blick auf Labrador, Zentralamerika, México oder Südamerika, sondern auch auf Skandinavien, das spanische Galizien oder die kontinentaleuropäische Bretagne eine Welt modelliert, die sich aus den verschiedenartigsten Größen, Lagen und Formen von Inseln zusammensetzt. Eine hochgradig fragmentierte, gleichsam zersplitterte Welt wird vor Augen geführt: eine „Welt in Stücken“, 21 die sich nur schwerlich einer einzigen Logik unterwerfen lässt. Das Modell für diese Welt - wie sollte es anders sein? - bot die Stadt Venedig, deren kartographische Darstellung 22 kaum kleiner als die gesamte Weltkarte Bordones ausfiel, wobei die Insel-Stadt mit ihren funktional so unterschiedlichen Inseln als Fraktal der gesamten Welt verstanden werden kann. Urbi et orbi: Venedig wird als ein anderes Rom zum Mikrokosmos einer transarchipelischen Welt, in welcher jede Insel ihre Eigen-Logik, ihren Eigen-Sinn behält. Wie sehr auch dieser transarchipelische Entwurf der Welt mit europäischen Machtansprüchen verknüpft und in die Expansionsgeschichte Europas verwickelt ist, muss an dieser Stelle nicht ausgeführt werden. 23 Entscheidend aber ist, wie sich in der langen Traditionslinie des Isolario und seiner Kartographien einer archipelischen Welt andere, vielperspektivische und vielverbundene Deutungsmuster nicht nur konstellieren, sondern weit mehr noch konfigurieren: Deutungsmuster, die in ihrer relationalen, polylogischen Strukturierung als Landschaften der Theorie eine andere Weltsicht vor Augen führen. Diese ist nicht an statischen Geometrien der Macht und nicht an ein für allemal fixierten Hierarchien der Abhängigkeit ausgerichtet, sondern eröffnet die Formen (und Normen) eines archipelischen, eines fraktalen Denkens, das in einer veränderten Landschaft der Theorie das Diskontinuierliche zu imaginieren und zu durchdenken vermag, ohne es auf Kontinuitäten zu reduzieren. Die verschiedenartigen Logiken eines Denkens, das Europa als Kontinent wie als Archipel zu entwerfen vermag, demonstrieren die Gleichzeitigkeit, die Ko- Existenz gegensätzlicher Entwürfe, welche sich aber auch als Konvivenz, als ein Zusammen-Leben der unterschiedlichen Logiken vorstellen lässt. Nicht nur im Bereich der Kunst, nicht nur im Bereich der Kartographie. Erich Auerbach hat in seinem zwischen Mai 1942 und April 1945 im Istanbuler Exil entstandenen Hauptwerk Mimesis. Dargestellte Wirklichkeit in der abendländischen Literatur auf eindrucksvolle Weise gezeigt, dass diese von ihm durchaus 239 DDossier folgenreich konstruierte „abendländische Literatur“ von zwei Traditionssträngen durchzogen wird, die man sehr wohl als kontinental beziehungsweise als inselhaftarchipelisch bezeichnen könnte. Denn wenn uns der „biblische Erzählungstext“ den totalen Anspruch einer „Weltgeschichte“ bietet, die „mit dem Beginn der Zeit, mit der Weltschöpfung“ beginnt und „mit der Endzeit“ enden soll, dann zeigen uns die „homerischen Gedichte“ einen „bestimmten, örtlich und zeitlich begrenzten Ereigniszusammenhang“, neben dem auch andere, von ihm teilweise oder völlig unabhängige Ereigniszusammenhänge „ohne Konflikt und Schwierigkeit denkbar“ sind. 24 Beide Traditionslinien zielen zwar auf die diskursive Gestaltung einer Totalität, der Gesamtheit unserer Welt, doch bietet uns die Welt Homers gleichsam fraktal ein Verstehensmodell an, das archipelisch anderen Welten gegenüber offen ist, während das Alte Testament nur eine einzige Deutung und kein Außerhalb der Heilsgeschichte kennt. Für Auerbachs Ansatz und dessen narrative Umsetzung in Mimesis ist dabei entscheidend, dass sich diese beiden Traditionslinien innerhalb der abendländischen Literatur immer wieder wechselseitig überlagern. Die größere Sympathie des deutschen Romanisten für die strukturelle Offenheit der homerischen Gesänge blieb dabei nicht ohne Folgen, weist die Aufteilung in voneinander getrennt lesbare Kapitel in Mimesis doch die offene Strukturierung eines Archipels auf, die Auerbach nicht nur auf den Istanbuler Prinzeninseln, sondern 1938 - übrigens im selben Jahr wie Roland Barthes - auch auf einer Fahrt durch die Inseln der Ägäis erleben durfte. Wollten wir die Auerbach’sche „Philologie der Weltliteratur“ 25 nicht auf ein wie auch immer gestaltetes Konzept einer neuen „Weltliteratur“ 26 erweitern, sondern auf transareal zu konzipierende Literaturen der Welt hin perspektivieren, so wäre es von grundlegender Bedeutung, jene Chancen und Potenziale, jene Risiken und Nebenwirkungen auszuleuchten, welche uns die polylogische Strukturierung dieser niemals auf einen Ursprung, auf eine Herkunft, auf eine Kultur oder Sprache zu reduzierende Vielfalt darbietet. Die so unterschiedlichen Welten des Gilgamesch- Epos 27 und des Shijing 28 belegen nur als kulturhistorisch wie medienästhetisch besonders herausragende Beispiele verschriftlichter und zirkulierter Texte, dass die Literaturen der Welt von ihren ‚Anfängen‘ an, die stets auf andere Anfänge verweisen, nicht allein viellogisch sind, sondern zugleich auch vielsprachig; dass sie nicht nur von ihren Herkünften her über die unterschiedlichsten ästhetischen Ausdrucksformen verfügen, sondern stets durch ihre Vieldeutigkeit, durch ihre niemals zu disziplinierende Polysemie nach Kommentaren und Deutungen, nach Fortschreibungen und Überschreibungen verlangen, die ihrerseits wieder die Komplexität dieses polylogischen Systems der Literaturen der Welt erhöhen. Auch hier ist eine Kunst des Übersetzens wie des Übersetzens von zentraler Bedeutung, enthalten und entfalten doch die Literaturen der Welt ihr polylogisches System nur insofern, als sie durch die Querung der Zeiten, der Räume, der Kulturen und der Sprachen ihre Transkulturalität immer wieder erproben und erweitern. 240 DDossier Von ihren vielen Anfängen her geht es in den Literaturen der Welt um die Frage nach der Konvivenz: um die Frage eines Zusammenlebens der Menschen mit den Göttern, mit anderen Menschen, mit den Tieren, den Pflanzen und den Dingen - im Angesicht einer Welt, die in ihren so unterschiedlichen historischen Kontexten stets von neuem ein Zusammenleben in Frieden und Differenz - und damit auch ein Überleben des Menschen - in Frage stellt. 29 Mit guten Gründen hat Roberto Esposito argumentiert, die Frage nach der Gemeinschaft habe den Charakter „des fundamentalen Problems“ angenommen, „das die politische Philosophie zu interpretieren und zu lösen angehalten ist“. 30 Im Verwobensein der unterschiedlichsten Logiken entwerfen die Literaturen der Welt ein Wissen vom Leben im Leben und für das Leben, ein Lebenswissen, 31 das sich nicht disziplinieren und in kein regelkonformes Wissen einer Disziplin überführen lässt. Diese polylogische Strukturierung versetzt uns in die Lage, einer einzigen Deutung der Geschichte, einer einzigen Deutung Europas zu entkommen und aus dem Bewusstsein verschiedener Logiken zugleich Europa nicht allein als einen Kontinent, sondern als einen viellogischen, vielsprachigen, vielkulturellen Archipel zu begreifen - als eine Teil-Welt, die sich nicht einer einzigen Bewegung, einer einzigen Sinngebung, einer stabilen Geometrie der Macht wie der Möglichkeiten unterwirft. Wenn wir Europa nicht nur in Bewegung, 32 sondern zugleich als Bewegung 33 verstehen, dann entfaltet sich der Mythos (von) Europa auf neue, prospektive Weise. Denn am Anfang von Europa stand das Begehren: das Spiel von Verführung und Entführung, die Spannung von Verpflanzung und Fortpflanzung, die Bewegung zwischen Eingrenzung und Ausgrenzung, Begrenzung und Entgrenzung. Europa, die schöne Okeanide und Namensgeberin eines Kontinents mit instabilen Grenzen, eines Kontinents, der niemals einer war, ist von kontinentaler und im Grunde außereuropäischer Herkunft: Sie ist das Opfer einer göttlichen Freiheitsberaubung in Tateinheit mit Vergewaltigung und Deportation - und ihr Vergewaltiger wurde niemals belangt. Die Reise der Europa auf dem Rücken jenes Stieres, in den sich ein liebeshungriger Zeus verwandelt hatte, erfolgte ebensowenig aus freien Stücken wie jene Vereinigung mit dem Göttervater, mit dessen Geschichte die Geschichte des Okzidents erst ihren mythischen Anfang nahm. Eine Geschichte, die vom Begehren diktiert wird: dem Begehren nach dem Anderen, dem Begehren nach der Anderen, ja selbst dem Begehren nach einem anderen Europa. Das Spiel der Schönen am Strand, an der Grenze von Land und Meer, hatte Folgen: Und vergessen wir nicht, dass die Geschichte dieser Migrantin auch die Geschichte einer Reise vom Kontinent zur Insel war. Europa, der selbsterklärte und selbsterklärende Kontinent, ist ein Archipel: bestehend aus vielen Inseln und dem Meer, das trennt und verbindet, verhüllt und enthüllt - ein Kontinent, der lernen muss, sich transarchipelisch zu denken. 241 DDossier 1 Cf. Ernst H. Gombrich, „Die Symbolik von Raffaels ‚Stanza della Segnatura‘“, in: id., Das symbolische Bild. Zur Kunst der Renaissance II. Stuttgart, Klett-Cotta, 1986, 104-124. 2 Einen guten Überblick bietet Marcia Hall (ed.), Raphael’s ‚School of Athens‘, Cambridge, Cambridge University Press, 1997. 3 Cf. Glenn W. Most, Raffael. Die Schule von Athen. Über das Lesen der Bilder, Frankfurt am Main, Fischer Taschenbuch-Verlag, 1999. 4 Cf. Ralph E. Lieberman, „The Architectural Background“, in: Marcia Hall (ed.), Raphael’s ‚School of Athens‘, 64-84. 5 Ernst H. Gombrich, „Die Symbolik von Raffaels ‚Stanza della Segnatura‘“, 124. 6 Ibid. 7 Diese Komplexität ergibt sich auch aus der Tatsache, dass La scuola di Atene selbstverständlich auch im Zusammenhang mit der künstlerischen Gestaltung der gesamten Räumlichkeiten und keinesfalls isoliert zu sehen ist; cf. hierzu Marcia Hall, „Introduction“, in: id. (ed.), Raphael’s ‚School of Athens‘, 1sq. Auf diese Notwendigkeit einer zusammenhängenden Interpretation hatte in seinem Forschungsrückblick auch bereits Gombrich verwiesen („Die Symbolik von Raffaels ‚Stanza della Segnatura‘“, 104sq). 8 Cf. zum Begriff der ‚Landschaft der Theorie‘ Ottmar Ette, Viellogische Philologie. Die Literaturen der Welt und das Beispiel einer transarealen peruanischen Literatur, Berlin, Walter Frey, edition tranvía, 2013, 36-46; sowie id., Roland Barthes. Landschaften der Theorie, Konstanz, Konstanz University Press, 2013. 9 Zur Begrifflichkeit des Insularen und Archipelischen cf. auch Ottmar Ette, „Insulare ZwischenWelten der Literatur. Inseln, Archipele und Atolle aus transarealer Perspektive“, in: Anna E. Wilkens / Patrick Ramponi / Helge Wendt (ed.), Inseln und Archipele. Kulturelle Figuren des Insularen zwischen Isolation und Entgrenzung, Bielefeld, transcript, 2011, 13-56. 10 Ernst H. Gombrich, „Die Symbolik von Raffaels ‚Stanza della Segnatura‘“, 124. 11 Cf. Konrad Oberhuber, Polarität und Synthese in Raphaels ‚Schule von Athen‘, Stuttgart, Urachhaus, 1983. 12 Hans Belting, Florenz und Bagdad. Eine westöstliche Geschichte des Blicks, München, C. H. Beck, 2008. 13 Richard Fichtner, Die verborgene Geometrie in Raffaels ‚Die Schule von Athen‘, München, Oldenbourg,1984. 14 Cf. Guerino Mazzola / Detlef Krömker / Georg Rainer Hofmann, Rasterbild - Bildraster. Anwendung der Graphischen Datenverarbeitung zur geometrischen Analyse eines Meisterwerks der Renaissance: Raffaels ‚Schule von Athen‘, mit 20 farbigen und 40 schwarzweißen Abbildungen, Berlin / Heidelberg, Springer, 1987. 15 So schrieb Gombrich: „Diese Verwandtschaft mit herkömmlichen Zyklen macht es klar, dass die nicht zerstückelt werden können, ohne ihren symbolischen und künstlerischen Sinn einzubüßen“ („Die Symbolik von Raffaels ‚Stanza della Segnatura‘“, 107sq.). Die Hierarchisierung eines Sinns ist hier unverkennbar. 16 Cf. hierzu Friedrich Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, bearbeitet von Elmar Seebold, 23., erweiterte Auflage, Berlin / New York, de Gruyter, 1999, 51. 17 Cf. hierzu Silvana Serafin, „Immagini del mondo coloniale nella cultura veneziana dei secoli XVI e XVII“, in: Rassegna Iberistica, 57, Juni 1996, 39-42. 18 Cf. Tom Conley, „Virtual Reality and the ‚Isolario‘“, in: Annali d’Italianistica, 14, 1996, 121. 19 Cf. hierzu ausführlich Ottmar Ette, TransArea. Eine literarische Globalisierungsgeschichte, Berlin / Boston, de Gruyter, 2012, 63-78. 242 DDossier 20 Benedetto Bordone, Libro di Benedetto Bordone nel qual si ragiona de tutte l’isole del mondo, con li lor nomi antichi & moderni, historie, favole, & modi del loro vivere & in qual parte del mare stanno, & in qual parallelo & clima giacciono. Con il breve di papa Leone. Et gratia & privilegio della Illustrissima Signoria com’ in quelli appare, Vinegi [Venezia] per Nicolo d’Aristotile, detto Zoppino, 1528. Im folgenden beziehe ich mich auf diese Ausgabe, die überdies als elektronische Fassung 2006 im Harald Fischer Verlag in Erlangen erschien. 21 Cf. Clifford Geertz, Welt in Stücken. Kultur und Politik am Ende des 20. Jahrhunderts, aus dem Englischen übersetzt von Herwig Engelmann, Wien, Passagen Verlag, 1996. 22 Benedetto Bordone, Libro, Bl. XXX; cf. hierzu auch Robert W. Karrow, Mapmakers of the sixteenth century and their maps, Chicago, Speculum Orbis Press, 93. 23 Cf. hierzu Ette, TransArea. Eine literarische Globalisierungsgeschichte, 72. 24 Erich Auerbach, Mimesis. Dargestellte Wirklichkeit in der abendländischen Literatur, Bern / München, Francke, 7 1982, 18. 25 Cf. Erich Auerbach, „Philologie der Weltliteratur“, in: Walter Muschg (ed.), Weltliteratur. Festgabe für Fritz Strich, Bern, Francke, 1952, 39-50; wieder aufgenommen in Erich Auerbach, Gesammelte Aufsätze zur romanischen Philologie, herausgegeben von Fritz Schalk und Gustav Konrad, Bern / München, Francke, 1967, 301-310. 26 Cf. u. a. Pascale Casanova, La République mondiale des Lettres, Paris, Seuil, 1999; David Damrosch, What Is World Literature? Princeton / Oxford, Princeton University Press, 2003; oder Elke Sturm-Trigonakis, Global playing in der Literatur. Ein Versuch über die Neue Weltliteratur, Würzburg, Königshausen & Neumann, 2007. 27 Cf. hierzu das Nachwort zur deutschsprachigen Ausgabe Das Gilgamesch-Epos, neu übersetzt und kommentiert von Stefan M. Maul, München, C. H. Beck, 2005. 28 Cf. hierzu Stephen Owen, „Reproduction in the ‚Shijing‘ (Classic of Poetry)“, in: Harvard Journal of Asiatic Studies, LXI, 2, 2011, 287-315. 29 Cf. hierzu Ottmar Ette, ZusammenLebensWissen. List, Last und Lust literarischer Konvivenz im globalen Maßstab, Berlin, Kadmos, 2010, sowie aus anderer Perspektive Alain Caillé, Pour un manifeste du convivialisme, Lormont, Le bord de l’eau, 2011; id. / Marc Humbert / Serge Latouche / Patrick Viveret (ed.), De la convivialité: dialogues sur la société conviviale à venir, Paris, La Découverte, 2011, sowie Frank Adloff / Claus Leggewie, Les Convivialistes. Das konvivialistische Manifest: Für eine neue Kunst des Zusammenlebens, Bielefeld, transcript, 2014. 30 Roberto Esposito, Communitas. Ursprung und Wege der Gemeinschaft, aus dem Italienischen von Sabine Schulz und Francesca Raimondi, Zürich / Berlin, diaphanes, 2004, 20. 31 Cf. Ottmar Ette, ÜberLebenswissen. Die Aufgabe der Philologie, Berlin, Kadmos, 2004. 32 Cf. Klaus Bade, Europa in Bewegung. Migration vom späten 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart, München, C. H. Beck, 2000. 33 Cf. Ottmar Ette, „Europa als Bewegung. Zur literarischen Konstruktion eines Faszinosum“, in: Dieter Holtmann / Peter Riemer (ed.), Europa: Einheit und Vielfalt. Eine interdisziplinäre Betrachtung, Münster / Hamburg / Berlin / London, LIT, 2001, 15-44. 243 DDossier Jean-Pierre Dubost „Nomades de tous les pays, unissez-vous! “ Interroger la cartographie mentale de l’idée de l’Europe Le défi qui consiste à faire se recouvrir en une seule image mentale composite un continent et un archipel interroge indirectement, ou plutôt interroge directement par son détour le nom d’Europe dans ce que j’appellerai la ‚cartographie mentale‘ que ce nom suppose. Je dis cela en pensant à Edouard Glissant qui dit dans son Traité du Tout-Monde, que „la pensée archipélique convient à l’allure de nos mondes“, qu’elle en emprunte „l’ambigu, le fragile, le dérivé“. 1 Quoi de plus ambigu, quoi de plus fragile que ce nom d’Europe aujourd’hui? Quoi de plus fragile que sa capacité à rassembler et à susciter encore l’enthousiasme? En ce qui concerne la question de ce que peut un nom, j’aimerais enchaîner sur ce qu’écrivait Jean-François Lyotard, il y a vingt ans de cela, dans Le différend (remarquablement traduit en allemand par Joseph Vogl sous le titre kantien qui s’imposait, Der Widerstreit). Lyotard y déployait toute sa réflexion autour d’un nom - en l’occurrence c’était le nom d’Auschwitz -, et il le faisait pour montrer qu’un mot ne pouvait pas renvoyer directement à un référent, mais qu’il est „le signe que quelque chose reste à phraser qui ne l’est pas, et qui n’est pas déterminé“. 2 C’est pourquoi justement, se référant à la catastrophe de la civilisation européenne que le seul mot d’Auschwitz suffit à indiquer, il rappelait que sans analyse de récits, sans analyse de jeux de langage et de leur pouvoir, il était vain de prétendre rassembler les hommes et les cultures autour d’un nom faisant consensus pour eux. Fasciné par les travaux de l’ethnologue André Marcel d’Ans sur les rituels de transmission des récits traditionnels des cashinahua - peuplade amérindienne dont le nom signifie ‚les vrais hommes‘ - Lyotard n’a cessé de rappeler dès la fin des années 70 jusqu’au Différend (paru en 1983) que l’écart est insurmontable entre un récit „sauvage“ (païen) qui rapporte des faits à des noms et dans lequel les phrases sont „pour ainsi dire épinglées sur des instances nommées et nommables dans le monde des noms cashinahua“ 3 et le récit cosmopolite, lequel pose justement la question de ce à quoi se réfère ce récit en l’absence de monde connu. Une fois pris en compte le différend (l’incommensurabilité) entre le dit „des vrais hommes“ pour lequel tout univers de phrase se rapporte à un fragment ou éclat d’un monde connu par tous ceux qui entendent et transmettent les récits - un monde où „les petites histoires accueillaient les noms et en donnaient“ 4 - et l’objet d’un récit cosmopolite qui est une totalité hors de ce monde et vers laquelle chaque homme est appelé à progresser, la question qui se pose est comment passer des petits récits à la grande Histoire, laquelle „a pour fin l’extinction des noms (particularismes)“. Il y a donc toujours récit, mais les grands Récits ont absorbé les petits récits. Ils s’appellent au temps des Lumières „émancipation“, „pro- 244 DDossier jet de paix perpétuelle“, „humanité éclairée“. Ils s’appelleront plus tard „communisme“, „capitalisme“. Les grands récits, disait Jean-François Lyotard dès la fin des années 70, sont irrémédiablement morts. Et tout porte à penser que nous sommes probablement en train de vivre actuellement l’effondrement du grand Récit de l’unification européenne. La montée en puissance des partis europhobes, le désintérêt que la construction européenne et l’idéal européen suscitent dans l’esprit de plus en plus d’Européens, le peu de volonté ou de capacité des dirigeants européens à faire face à la grave crise de légitimité que l’érosion de la confiance et la désorientation des populations entraîne - tout semble nous le suggérer. Si l’on ne peut pas dire quel sens pourrait avoir une phrase du type „l’Europe s’effondre“, tant la signification du concept d’Europe peut recouvrir de réalités complexes, contradictoires et antagonistes, en revanche il est évident qu’il arrive quelque chose au nom d’Europe, à tout ce qu’il peut recouvrir ou rassembler de discours, de pratiques, de représentations, d’images de la pensée ou de désir d’appartenance. Pour rappeler la longue durée de cette difficulté à concilier l’idée d’Europe et son territoire, il ne me semble pas inutile de revenir brièvement sur la première tentative, celle de l’Abbé de Saint-Pierre, de donner forme à l’idée d’une union européenne pour mettre fin aux guerres entre Nations, mais aussi aux dangers de la sédition, par une sorte de police des Nations à géométrie variable selon les diverses versions du texte. Castel de Saint-Pierre hésite par exemple d’une version à l’autre de son projet entre un ensemble euro-méditerranéen incluant Maroc- Turquie ou une Europe chrétienne en rivalité avec les conquêtes turques en Europe et au Proche Orient. Dans un article intitulé „L’Europe comme histoire, l’Europe comme roman“, 5 Bernard Pelloile met en évidence le fait que si le ‚Projet pour rendre la paix perpétuelle en Europe‘ se conçoit comme un ‚contre-modèle‘ des Etats-Nations européens, en même temps le modèle dont il découle est en fait préexistant - c’est la structure fédérale de l’Union germanique: „l’union européenne produirait d’aussi grands avantages à proportion aux Souverains d’Europe et à leurs Sujets, que l’Union Germanique en a produit et en pourrait produire aux Souverains d’Allemagne et à tous les Allemands“, écrit l’Abbé de Saint-Pierre. 6 Mais comment un projet de paix utopique, dont la nature de projet résulte de sa projection dans un univers cosmopolite inconnu, pourrait-il être en même temps indexé sur un modèle préexistant, demande Bernard Pelloile? À quoi il répond que la contradiction n’est qu’apparente, puisqu’il suffit de faire tenir l’idée dans un modèle qui est ‚la forme de l’informe‘. Bernard Pelloile met en évidence deux choses: d’une part la limitation de ‚l’universalité‘ à un continent, limitation qu’il considère comme indissociable de la problématique ‚marchande‘ qui sous-tend le Projet; et d’autre part le fait que le projet de l’Abbé de Saint Pierre „est histoire par la défense de son objet réel et des formes sociales et politiques correspondantes“ en même temps que cette histoire est „un roman dans l’histoire: les jeux sont faits avant que de commencer. La conclusion est le préposé dirigeant, le véritable point de départ“. 7 D’une part l’Abbé rêveur propose donc „un roman tout fait“ - un grand 245 DDossier Récit de paix indexé sur le Grand Récit universaliste et cosmopolite des Lumières -, d’autre part cette fiction politique incohérente et confuse dont Voltaire se moquera est construite à partir d’un modèle réel préexistant - l’Union Germanique, avec ses 350 entités en concurrence et en lutte permanente entre elles. Il ne s’agit pas ici de résoudre, mais d’éviter les contradictions entre puissances européennes. Raison pour laquelle Voltaire, dans son Rescrit de l’empereur de la Chine, par un effet ironique de distanciation classique pour l’époque, ridiculise le Projet du „bonze Saint-Pierre“ à partir de la fiction d’un point de vue extérieur, extra-européen, celui de l’empereur de Chine. Le fait qu’il le fasse par une attaque polémique envers Jean-Jacques Rousseau, dont l’idéal européen reposait au contraire sur une communauté de mœurs, de lettres et de lois, une société civile qui est le négatif même de l’Europe de l’Abbé de Saint Pierre, retient moins mon attention que l’étonnant ton d’actualité que prend aujourd’hui le pamphlet voltairien par un effet ironique de distanciation historique: Nous avons été sensiblement affligé [dit l’empereur de Chine] de voir que dans ledit extrait [ ] où l’on expose les moyens faciles de donner à l’Europe une paix perpétuelle, on avait oublié le reste de l’univers, qu’il faut toujours avoir en vue dans ces brochures [ ] Nous avons pensé de nous-même, après l’avis de notre conseil, que si le Grand Turc attaquait la Hongrie, si la diète europaine, ou européenne, ou européane, ne se trouvait pas alors en argent comptant; si, tandis que la reine de Hongrie s’opposerait au Turc vers Belgrade, le roi de Prusse marchait à Vienne; si les Russes pendant ce temps attaquaient la Silésie; si les Français se jetaient alors sur les Pays Bas, l’Angleterre sur la France, le roi de Sardaigne sur l’Italie, l’Espagne sur les Maures, ou les maures sur l’Espagne, ces petites combinaisons pourraient déranger la paix perpétuelle [ ] Pour mieux affermir l’ouvrage de la paix perpétuelle, nous aboucherons ensemble, [ ] notre saint-père le grand lama, notre saint-père le grand daïri, notre saint-père le muphti et notre saint-père le pape, qui seront tous aisément d’accord moyennant les exhortations de quelques jésuites portugais. Nous terminerons tout d’un temps les anciens procès de la justice ecclésiastique et séculière, du fisc et du peuple, des nobles et des roturiers, de l’épée et de la robe, des maîtres et des valets, des maris et des femmes, des auteurs et des lecteurs. 8 S’il est évident que le monde d’aujourd’hui, profondément marqué par une crise de la localité, n’a plus rien à voir avec ces premiers balbutiements (même s’il est évident que la forme Europe est aujourd’hui encore loin de faire consensus), en revanche il me semble que deux choses sont susceptibles d’attirer notre attention dans le scepticisme que l’ironie voltairienne oppose à l’utopie politique incohérente de l’Abbé de Saint-Pierre. D’une part la dérision voltairienne souligne la contradiction consistant à présenter l’idéal de paix en Europe comme un modèle universel reposant sur une limitation (c’est une illusion de projeter une paix universelle sans muphti ni daïri ni lama). Mais d’autre part la contradiction est aussi inhérente à la dimension elle-même eurocentriste de la critique que fait Voltaire de cette universalité limitée - de son eurocentrisme. Le grand daïri, le grand muphti, le grand lama, sont ici bien sûr autant de figures d’altérité négative (même d’altérité ridicule) à la fois sollicitées par Voltaire comme adjuvants polémiques et ridiculisées pour leur étrangeté incompatible avec l’universalisme d’une raison qui ne peut que 246 DDossier délégitimer radicalement toute prétention de leur part à l’universel - à un universel hégémonique. Mais sommes-nous vraiment sortis aujourd’hui de l’aporie universaliste européo-centriste que l’on peut poursuivre du début du XVIII e siècle jusque chez Kant (notamment dans Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht)? Est-il seulement possible d’en sortir? Etienne Balibar a, à de multiples occasions, relevé la contradiction inhérente à la citoyenneté européenne, qui fait que le ‚civis europeanus‘ est le citoyen d’une partie délimitée du monde, dont le nom est Europe et dont la forme territoriale et le statut politique restent mouvants et indécis. Par définition l’inclusion que signifie la citoyenneté européenne repose sur une exclusion. Si celle-ci fait l’objet d’un affect politique violent au sein de l’ensemble des mouvements populistes anti-européens, anti-européens parce que tous anti-immigration et anti-islam, l’aporie est inhérente au projet lui-même. Etienne Balibar parle à juste titre du développement progressif d’un véritable „apartheid européen“ constituant à terme un élément décisif du blocage de la construction européenne et de „violence des frontières“. 9 La conséquence en est que la figure de l’ennemi extérieur est remplacée par celle de l’ennemi intérieur, de „l’envahisseur maléfique - alien - infiltré parmi ‚nous‘“. La réponse que me semble exiger le jeu de langage auquel nous sommes invités à répondre („L’Europe comme archipel“), c’est ainsi que je la verrais: quelque incisive que doive être la critique de ce moment de crise politico-économique radicale que nous sommes en train de vivre (et les propositions critiques ne manquent pas), il n’est plus possible de ne pas inclure dans la démarche critique la voix de l’Autre. Nous ne sommes depuis longtemps plus les seuls à parler de nous. La fameuse phrase de Frantz Fanon - „Allons, camarades, le jeu européen est définitivement terminé, il faut trouver autre chose“ énoncée dans Peaux noires masques blancs au début des années 50 (plus précisément en 1952, donc un an après la création de la CECA, de la Communauté Européenne du Charbon et de l’Acier, un an avant le déclenchement de l’insurrection algérienne et 4 ans avant le Traité de Rome) cette formule trouve aujourd’hui, dans un contexte bien différent, plus de 35 ans après ce qu’Orientalism d’Edward Said a déclenché dans le monde entier et que l’on peut définir comme l’époque de la pensée post-coloniale (je sais bien à quel point le terme est inadéquat) une étonnante pertinence et de multiples liens la relient avec les critiques les plus lucides de la limitation européenne (Said, Chakrabarty, Bhaha, Glissant, Mbembe, Appadurai, Du Boy, Gilroy et tant d’autres). Je pense notamment au remarquable chapitre du livre Sortir de la grande nuit du penseur camerounais Achille Mbembe intitulé „Le long hiver impérial français“, qui est à mon sens l’un des constats les plus lucides du blocage des mentalités en France et une clé d’analyse précieuse, parce que précisément pensée du dehors et par ailleurs largement extrapolable à bien d’autres contextes en Europe. Membe met en évidence „le déphasage français en relation à un monde qui, une fois la décolonisation achevée, se constitue désormais sur le modèle de la circulation de flux éclatés et diasporiques“. 10 247 DDossier C’est pourquoi il me semble que la question de l’Europe en mouvement ne peut pas être traitée sans que l’on prenne en compte en même temps l’importance et l’accélération des mouvements vers l’Europe, l’immigration forcée, pour des raisons économiques, politiques, écologiques et climatiques, et parce que la guerre est à notre porte et peut-être pour longtemps. Ce n’est pas un hasard si l’immigration est le thème principal de toutes les tendances europhobes. Au-delà de l’espace idéologique commun à ces mouvements, avec la question de l’immigration, le chez-soi, l’être chez soi, le bien vivre et le bien vivre entre soi (entre „nous“) qui définit depuis Rousseau un idéal européen de citoyenneté paisible entre en tension avec l’urgente nécessité d’enfin traduire en discours politique partagé une pensée de l’hospitalité encore entièrement à traduire en langage politique. Dès les premiers mots du catalogue de l’exposition „Terre natale. Ailleurs commence ici“, que Paul Virilio, Raymond Dupardon et d’autres avaient organisé à la Fondation Cartier en 2008, Virilio rappelle: „en 2008 36 millions de personnes ont été déplacées pour raisons climatiques, catastrophes naturelles, conflits. Le XXI e siècle sera le siècle des grandes migrations“. 11 Penser „l’Europe en mouvement“ ne peut se faire sans penser la violente confrontation à laquelle nous assistons entre d’une part une image fixe ou figée - l’Europe comme terre ou territoire - dont les contours, même s’ils sont problématiques si ce n’est indéfinissables, renvoient malgré leur mouvante indécision à l’image fixe d’une cartographie mentale - et d’autre part l’accélération des processus migratoires actuels, qui prennent le relais des emmêlements irrémédiablement en marche depuis que l’Europe s’est mise en mouvement vers le Monde par ce que Glissant appelle le „nomadisme en flèche“ de la conquête occidentale. Par leur longue durée, leur insistance et leur nature insaisissable, ces emmêlements menacent la tranquillité de cette cartographie mentale. Car à côté des mouvements migratoires à la fois manifestes et refoulés, qui font à la fois l’objet d’une politique de contention sécuritaire et de refoulement mental largement partagé, 12 que dire de toutes les migrations de langue, de culture et d’identités intra-européennes se chevauchant ou faisant rhizome, en comparaison desquelles le peu de mouvement qui caractérise les avancées politiques européennes est quasiment identique à l’immobilité totale? Un Allemand sur cinq est aujourd’hui issu de l’immigration: cette réalité est loin d’être une évidence pour tous. Et pays par pays en Europe, le constat est semblable. Il y a, Virilio nous le rappelle, deux sortes de nomadisme: le nomadisme choisi et le nomadisme subi. Les nomades par choix (que nous sommes tous), équipés par milliards de tous leurs appareils nomades, jouissent à chaque instant et en chaque point du monde de la dé-territorialité. Le nomadisme subi fuit l’insupportable: la sécheresse, la famine, les massacres, la destruction des ressources de vie. L’Europe est pour lui un rêve de bonheur et de paix qu’il paie souvent au prix de sa vie. Là où les frontières de l’Europe se perdent dans l’a-territorialité de la mer, l’Europe est un archipel dont les postes Sud avancés sont dénommables et connus: Brindisi, Malte, Lampedusa, le détroit de Gibraltar, Melilla, les îles Canaries. Les bateaux ne cessent de déverser depuis l’Afrique du 248 DDossier Nord, l’Afrique subsaharienne, le Proche et le Moyen Orient leurs cargaisons d’errants sur ces points avancés de l’Europe ou d’échouer en mer ou près des côtes, et la liste des victimes ne va pas cesser de s’allonger. En réponse, l’Europe se claquemure. Immobilisme contre mouvements nomades: la contradiction est frappante; alors que le projet européen est en panne, les mouvements migratoires s’accélèrent. „Les sociétés anciennes“, rappelle Virilio, „étaient inscrites dans un territoire, la terre natale. Aujourd’hui, elles dérivent pour des raisons de délocalisation de l’emploi, pour des raisons de conflits qui n’en finissent pas. Et puis aussi, évidemment, pour la grande question climatique: la disparition des archipels, la submersion des seuils territoriaux“. 13 On pourrait définir comme nomade celui qui, dépossédé de tout avoir, de tout pouvoir et de tout lieu, serait la figure actualisée du prolétariat comme classe qui, donnant tout de soi, n’a plus rien à perdre - à condition de transposer le monisme économiste sous-jacent à cette idée par la cruelle réalité du primat de l’idéologique et du politique. Si la distinction que fait Virilio entre nomadisme choisi et nomadisme subi est pertinente, il faut aller au bout de sa dialectisation. Un nomadisme par choix, producteur de relation, d’emmêlements assumés et traduits en nouveaux langages et en nouvelles expressions, n’a rien à voir avec un nomadisme hédoniste et consommateur d’altérité, par lequel l’Autre n’est plus que la matière première d’une augmentation du sentiment de la plénitude du Soi. Cette distinction rejoint la profonde distinction que faisait Victor Segalen dans son „Essai sur l’exotisme“ entre un exotisme faible et un exotisme fort, distinction qu’il faut elle aussi soumettre à cette dialectique. Car à tout instant l’exote au sens fort (capable d’un effort d’aller vers l’autre qui n’a rien à voir avec la facilité d’acheter l’altérité comme marchandise) peut lui aussi se perdre dans la jouissance de son Soi rehaussé d’altérité et tourner le dos au souci de l’Autre. En un certain sens, Segalen lui-même n’y a pas toujours échappé. Ce n’est que sur la base de cette dialectique de l’exote que pourrait faire sens politiquement le titre ici choisi: „Nomades de tous les pays, unissez-vous! “ Parce que la vitesse de mouvement de sa multiplicité relationnelle est vertigineuse, „dire le monde“ (ou plutôt dire le „Tout-Monde“) est aujourd’hui aussi urgent qu’à peine possible. Nous ne saurons jamais d’avance à quoi ressemble l’informe de ce „Tout-Monde“ si ce n’est par ce que l’expérience de rencontre engendre de déplacement du Soi. Combien de qualités de nomadisme en Europe pour lesquels aucun nom, aucune figure ne peut encore être nommée et qui, comparés aux programmes de mobilité européenne (dont on ne peut par ailleurs que combattre la réduction) en sont le contre-monde et portent en eux la puissance du négatif? Leur multiplicité, dont l’analyse est en marche depuis longtemps, met sans cesse l’imagination au défi de les concevoir comme de simple points en mouvement sur un territoire, puisqu’ils relèvent plus de la transformation d’un territoire en étendue multiple. Comment l’Europe comme idée pourrait-elle trouver son mouvement et donner à ce mouvement une force d’entraînement des peuples si, indexée sur des cartographies mentales immuables (que celles-ci soient nationales ou euro- 249 DDossier péennes) elle réduit le paradoxe de sa frontière (de son principe, d’inclusion exclusive) à un simple rempart face à l’accélération des mouvements vers l’Europe et reste protégée de l’accélération de ces multiplicités relationnelles pour lesquelles le nom n’arrive toujours qu’après-coup? Si nous ne savons rien de l’informe de ce Tout-monde comme figure, ce que nous savons en revanche - et je suis là encore à la lettre Glissant -, c’est qu’une identité-racine et une identité-relation sont deux postures incompatibles. Grattez un peu sous les stratégies de conquête du pouvoir du Front National et vous retrouverez très vite cette identité-racine, dont Glissant égrène dans Poétique de la relation 14 les caractéristiques en ces termes: „lointainement fondée dans une vision, un mythe“ (pour le FN, Jeanne d’Arc fait une fois de plus l’affaire); „sanctifiée par la violence cachée d’une filiation“ (violence en ce moment d’autant plus effacée que l’espoir d’une conquête du pouvoir au niveau national augmente); „ratifiée par la prétention à la légitimité qui permet à une communauté de proclamer son droit à la possession d’une terre, laquelle devient aussi territoire“. L’identité-racine, ajoute Glissant, est „préservée, par la projection sur d’autres territoires qu’il devient légitime de conquérir - et par le projet du savoir“. L’épisode historique colonial est certes clos et la conquête en ce sens n’est plus d’actualité mais l’Occident (l’Occident ou le Capital) répond plus que jamais à ce critère, et le projet d’une société européenne du savoir performante et économiquement conquérante est plus que jamais d’actualité, prioritaire en tout cas dans la distribution de fonds européens aux projets de recherche. Si dans les conditions de l’après-guerre, le projet européen s’était donné à l’origine pour idéal de dépasser (parlons encore Glissant) „la violence cachée de la filiation“, en revanche „le vécu conscient et contradictoire du contact des cultures“ n’a pas bouleversé la cartographie mentale de l’idéal d’Europe. Si celle-ci s’est d’emblée définie dans les années 50 comme remède aux ravages de l’identitéracine, le projet n’a pas encore été en mesure de se hausser à la hauteur d’une identité-relation, et sans doute une immense partie des citoyens européens sont encore bien loin de désirer que le mot d’Europe puisse être le nom propre d’un enchevêtrement de mondes et de langues animant le désir de parcourir „l’étendue nouvelle“ (archipélagique) que cet enchevêtrement engendre. Mais au fond, et pour ne donner par comparaison qu’un seul exemple majeur, ne parlons-nous pas de même, encore aujourd’hui, de „l’Inde“ au singulier, pur produit imaginaire de la philologie européenne projetant une idée simple sur l’irreprésentable multiplicité des langues et cultures du continent indien? Qui nous dit que l’Europe est autre chose que cet enchevêtrement de mondes? Qui nous dit que, dans une Europe encore habitée par le désir de relation - au sens ou Glissant l’entend - les récits, à coup sûr sauvages au regard de la nécessité de penser les institutions dans leur forme, ne cessent de bruisser depuis des profondeurs de temps qui excèdent largement la temporalité réduite de l’histoire de l’idée d’unification européenne, rapportant des faits à des noms dans l’immense mémoire des textes, dans la réalité nomade, transculturelle, toujours réactivée 250 DDossier depuis l’Antiquité, de cet espace européen dont le nom est littérature, dont la mer est le lieu de naissance, et dont le Tout-Monde informe et chaotique peut être légitimement vécu et désiré parce que la filiation s’y perd dans l’entrelacs des textes? A côté de la multiplicité des œuvres qui portent en eux les noms de ce Toutmonde des mémoires d’Europe et dont l’immense récurrence donne à l’Europe sa dimension de mémoire profonde et multiple, les innombrables trajets nomades du tissage relationnel Nord-Sud (par exemple l’immense continent des littératures francophones et anglophones postcoloniales ou les deux grandes relations intertextuelles américano-européennes Nord et Sud) ou l’emmêlement Orient-Occident (parce que cette relation aussi, où se recompose vers le passé et vers le futur l’archipel mental des écritures et des arts emmêlés de l’Orient et de l’Occident, suffirait à défaire l’image fixe de l’Europe comme cartographie mentale stable et délimitable) - tous ces trajets entre les innombrables îles des œuvres qui ont fait que l’Europe comme idée puisse être désirable, et qu’elle puisse continuer de l’être une fois acté son débordement informe, ne sont-ils pas infiniment plus aptes à proposer aujourd’hui une meilleure image pour la pensée que celle qui hante encore les grands Récits essoufflés d’un projet européen en manque d’idées, bloqué par le jeu contradictoire d’intérêts nationaux, que des élites lointaines proposent à des populations désabusées sans mémoire ni travail ni projet, radicalement désorientées et sans amour aucun pour le Tout-Monde que l’idée d’Europe pourrait ou devrait porter en soi? Nul besoin d’aller solliciter le grand daïri, le grand muphti ou le grand lama. L’archipel Europe existe depuis longtemps. Ses îles sont innombrables: Orhan Pamuk, Adonis, Boualem Sansal, Salah Stétié, Raymond Jabès, Yoko Tawada, François Cheng, Andreï Makine, Juan Goytisolo, Leonid Guirchovitch, Petros Markaris, Halil Gulbeyaz, Amin Maalouf, allez, Mathieu Béluze même. Arrêtons-nous là car il faudrait encore parler sans fin art, cinéma, musique. L’interminable énumération qu’il faudrait ici poursuivre serait comme le très long écho de la formule de Glissant qui dit, dans le Traité du Tout- Monde, au chapitre „Le retour de Mathieu“: „Ces noms que j’habite s’organisent en archipels. Ils hésitent autour de je ne sais quelle densité“. 15 „Inventer autre chose“ (je le dis en pensant à Fanon) est-il encore possible? Icimême, en 1884 et 1885, la „Conférence de Berlin“ imposait à l’Afrique colonisée la figure abstraite et arbitraire de ses frontières et programmait par ce découpage brutal plus d’un siècle d’injustice et le pourrissement des réalités sociales et politiques africaines - les accords Skype-Picot signés à Londres en 1916 feront peu après de même pour le Moyen Orient par le dépeçage des territoires ottomans, et là encore la violence des conséquences ne cesse d’être observable aujourd’hui encore et le sera probablement encore pour longtemps. Que peut répondre aujourd’hui notre modeste sujet à ce destin tragiquement (et parfois heureusement) européen de l’Afrique et du Moyen Orient? Il peut et doit rappeler en premier lieu que dans un monde mondialisé, avec toutes les illimitations que cette mondialité implique, la multiplicité que présuppose un modèle archipélagique du politique, hospitalier aux processus nomades, se heurte à la multiplication des frontières, à 251 DDossier leur renaissance croissante au cœur des territoires nationaux ou supranationaux et surtout dans nos représentations, comme si une réinscription sauvage des frontières avait lieu à la mesure de la montée en puissance de multiplicités nomades. Si la pensée archipélique, selon les mots de Glissant, „convient à l’allure de nos mondes“, et si l’horizon de pensée cosmopolitique ‚in weltbürgerlicher Absicht‘ soulève la question d’une adaptation de l’universel à l’allure de nos mondes, c’est le statut même d’universalité de l’idée d’un monde commun - limité par son inclusion exclusive (et cette frontière est inscrite dans toute idée de communauté) qui doit alors être confrontée à cette „allure“. Et si l’idée du monde pensé à partir du motif de l’universalisme est, selon ses propres termes, „insuffisante“, c’est que „la prétention d’extraire un universel à partir du particulier ne nous émeut plus“. Et pour lui laisser le dernier mot, puisque c’est dans sa langue que l’on vient ici de parler: „C’est la manière même de tous les lieux, leur minutieux ou infini détail et l’ensemble exaltant de leurs particularités qui sont à poser en connivence avec ceux de tous les lieux“. 16 Il y a fort à parier que l’accélération de la densité de connivence de tous ces lieux (comme par une densification archipélique de cette Europe qui n’a jamais été un continent) est l’utopie la plus forte que l’on puisse opposer à la renaissance des identités mortifères qui sont en train de la miner de l’intérieur. 1 Edouard Glissant, Traité du Tout-Monde. Poétique IV, Paris, Gallimard, 1997, 31. 2 Jean-François Lyotard, Le Différend, Paris, Minuit, 1983, 91. 3 Ibid., 220 (§ 220.1). 4 Ibid., 223 (§ 221). 5 Mireille Delbraccio / Bernard Pelloile (ed.), Du cosmopolitisme, Paris, L’Harmattan, 2000, 151-179 6 Castel de Saint-Pierre, Projet pour rendre la paix perpétuelle en Europe, cit. par B. Pelloile in Delbraccio / Pelloile, op. cit. (note 5), 155. 7 Ibid. C’est le titre de l’article de Bernard Pelloile („L’Europe comme histoire, l’Europe comme roman“). 8 Voltaire, Mélanges, Paris, Gallimard (Bibl. de la Pléiade), 1961, 411-413. 9 Etienne Balibar, Nous citoyens d’Europe? Les frontières, l’Etat, le peuple, Paris, La Découverte & Syros, 2001, 189sqq. 10 Achille Membe, Sortir de la grande nuit, Paris, La Découverte, 2013, 133. 11 Paul Virilio / Raymond Depardon, Terre Natale, Ailleurs commence ici, Arles, Actes Sud / Fondation Cartier, 2010, 7. 12 La question de la psychologie des masses (re)devient cruciale. Alors que les classes moyennes aisées et savantes s’accommodent en Europe de leur propre refoulement individuel (on ne s’intéresse à la guerre à nos portes qu’à partir du moment où elle touche un sentiment identificatoire collectif occidental de menace mortelle, comme l’a démontré la destruction d’un avion de ligne au-dessus de l’Est de l’Ukraine en état de guerre civile), le mécanisme de refoulement conduit de plus en plus de citoyens européens à condamner d’une part le passage au politique du refus de l’Autre inscrit dans le programme des partis populistes, tout en étant d’autre part dans l’incapacité d’approfondir politiquement ce que ce sentiment de menace recouvre. Le sentiment de menace 252 DDossier éprouvé par un Soi individuel menacé dans son bien vivre et le principe de ressentiment qui s’articule comme réponse politique adressée aux classes populaires frappées d’exclusion sociale s’opposent et se renforcent mutuellement. Ce sentiment de menace accompagné d’une difficulté à concevoir la complexité du monde et sa brutalité oscille entre le désir de ne plus se payer de mots et de passer à l’acte contre la menace de l’immigration et la crainte diffuse qu’une époque d’insouciance prenne définitivement fin. Aux portes Sud de l’Europe, là où il y a peu encore le tourisme de masse faisait fortune, le civis europeanus n’est plus en sécurité. A l’intérieur de ses frontières, le refoulement de l’urgence à penser la citoyenneté européenne n’est que le revers de cette menace à la fois repérée et refoulée. 13 Virilio / Depardon, op. cit. (note 11), 7. 14 Edouard Glissant, Poétique de la relation, Gallimard, Paris, 1991, 157sq. 15 Glissant, Traité du Tout-Monde (note 1), 77. 16 Ibid., 121. 253 DDossier Anne Kraume Îles, exils: Ébauches d’Europe dans l’œuvre de Victor Hugo et de Miguel de Unamuno I. A deux moments différents de l’histoire européenne, les écrivains Victor Hugo et Miguel de Unamuno vivent en tant qu’exilés sur différentes îles: le Français Hugo à Guernesey, dans l’archipel de la Manche, et l’Espagnol Unamuno à Fuerteventura, aux Canaries. Tous deux profitent de leurs séjours insulaires pour reconsidérer leurs idées de l’Europe, déjà esquissées dans les années précédant l’exil; et dans les deux cas s’ébauchent, à partir d’une vision de l’île comme lieu européen par excellence, des notions spécifiquement littéraires de l’Europe et cependant très différentes l’une de l’autre. Dans les réflexions qui suivent, j’aimerais mettre en lumière ces deux approches littéraires, en les comparant et en prenant surtout en considération les relations complexes qui existent entre l’état d’exil, l’île comme lieu de cet exil, le continent comme point de référence - et la littérature comme moyen d’approcher cet ensemble. C’est plus d’un demi-siècle après Victor Hugo que Miguel de Unamuno part en exil, banni par le dictateur espagnol des années 20, Miguel Primo de Rivera. Après avoir passé quelques mois à Fuerteventura, il s’enfuit pour la France, où il séjourne d’abord à Paris, puis à Hendaye, tout proche de la frontière espagnole. L’épisode insulaire est donc bref, mais pourtant très décisif - ce qu’il souligne luimême dans un petit texte, écrit à Paris et dans lequel il établit justement le parallélisme entre son exil à lui et celui de son prédécesseur Victor Hugo. Dans ce texte, Unamuno mentionne qu’il vient de visiter la Place de Vosges, et poursuit: Assis dans un coin des arcades de la Place des Vosges, où vécut et rêva Victor Hugo, je me souvenais de cet après-midi quand je lus, sous les arcades de la Place Majeure de Salamanque, le télégramme dans lequel on m’annonçait que l’on allait me déporter. Et suivant une association des idées, puisque Victor Hugo vécut et rêva dans cette provinciale et modeste Place des Vosges, je me souvenais de l’exil du poète des Châtiments dans l’île de Guernesey, d’où il lançait ses foudres contre la pourriture du Second Empire. 1 Dans ce passage, le parallélisme qu’établit Unamuno entre Hugo et lui-même se manifeste sur plusieurs niveaux: les deux places, la Place des Vosges à Paris et la Place Majeure à Salamanque, sont d’abord caractérisées comme espaces vitaux des deux poètes, et dans les deux cas, il s’établit immédiatement un lien entre les places et l’exil de ses habitants. Au même temps, le fait que cet exil, dans le cas de Hugo, soit directement mis en relation avec le combat acharné du poète contre le Second Empire de Napoléon III éclaircit aussi le rôle que Unamuno se réserve à lui-même dans sa propre lutte contre Primo de Rivera. Mais ce qui est plus inté- 254 DDossier ressant encore, c’est que l’écrivain espagnol termine son passage sur une petite note dans laquelle il mentionne une seule différence entre son exil et celui de Hugo: „seulement que Hugo resta durant des années sur son île“, dit-il (lui qui de son côté avait quitté la sienne après juste quelques mois). Cette différence minime qui ne concerne que la durée des séjours insulaires des deux poètes fait en même temps ressortir d’autant plus, selon Unamuno, certaines convergences - à savoir le départ des deux poètes de leur patrie chérie qui se concrétise dans ces deux lieux urbains que sont Paris et Salamanque, mais aussi l’exil consécutif vers une île éloignée et isolée qui est elle-même refuge et lieu d’asile, et enfin la possibilité de poursuivre le combat contre les dictateurs respectifs grâce à la qualité extraterritoriale des îles. II. Et effectivement, ce combat poursuivi depuis le retrait insulaire s’inscrit dans les deux cas dans une pensée où la question européenne joue un rôle important. Tant chez Victor Hugo que chez Miguel de Unamuno, cette question fait rapidement son entrée dans le registre des thèmes autour desquels tournent leurs réflexions. Dans le cas de Hugo, c’est dans les années 20 du 19 e siècle, et donc juste après le congrès de Vienne, qu’il commence à réfléchir à la structure géopolitique du continent, structure selon lui arbitraire, bien que politiquement légitimée: „Le congrès de Vienne a posé des frontières sur les nations comme des harnais de hasard et de fantaisie, sans même les ajuster“, 2 écrit-il encore dans les années 40, dans la conclusion de son récit de voyage Le Rhin. Dans ce contexte, Hugo se consacre à chercher dans ses poèmes ainsi que dans ses pièces de théâtre, ses récits de voyage et ses essais, des solutions alternatives pour ce qu’il perçoit comme une désorganisation fondamentale du continent non seulement sur le plan politique, mais plus encore sur le plan culturel. Ce sont surtout deux modèles qui retiennent son attention dans ces années avant l’exil: d’abord celui de l’Empire, réalisé d’une manière exemplaire, selon Hugo, dans l’empire de Napoléon I; puis celui de la Civilisation européenne qu’il défend surtout dans son livre Le Rhin, en accord d’ailleurs avec des penseurs contemporains majeurs comme François Guizot. 3 Cependant, ce n’est pas selon une linéarité simple et banale que ces deux idées sur l’Europe et son organisation idéale se succèdent dans l’œuvre de Victor Hugo: plutôt faudrait-il s’en tenir à la formule de Franck Laurent qui parle, dans ce contexte, d’un „système Hugo“ selon lequel différentes visions de l’Europe seraient déployées au même temps dans différentes parties de son œuvre, et qui s’opposerait donc à toute simplification temporelle. 4 Mais malgré ces simultanéités, l’importance de l’exil de Victor Hugo pendant le Second Empire n’est pas à négliger: lui-même semble avoir eu une conscience précise de cette importance, comme le démontre la classification de son ouvrage politique Actes et Paroles en trois parties, „Avant l’exil“, „Pendant l’exil“ et „Depuis l’exil“. Ce n’est pas par hasard si l’auteur met ici l’exil au centre de ses expé- 255 DDossier riences politiques, puisque c’est effectivement dans le contexte insulaire qu’il parvient à préciser ses idées et à formuler une conception de l’Europe apte à surmonter les difficultés qui avaient fait échouer les deux visions antérieures. C’est peu de temps avant de partir en exil, dans son „Discours d’ouverture au Congrès de la Paix“ (1849) à Paris, qu’il emploie pour la première fois la formule des „États- Unis d’Europe“, formule plus démocratique et plus sociale que les notions d’Empire européen ou de Civilisation européenne. 5 Ce qui est important dans ce contexte, c’est qu’un an seulement après l’échec de la révolution européenne de 1848, Hugo s’inscrit volontiers, avec ce discours, dans une pensée républicaine dans laquelle persistent, il est vrai, certaines notions dont il s’était servi déjà avant dans ses textes sur la civilisation européenne (par exemple le progrès, des innovations comme la machine à vapeur, l’électricité ou le chemin de fer, les facultés pacifiques de la civilisation etc.). Mais ce qui a cependant changé à présent malgré ces continuités apparentes, c’est que ces notions font dès lors partie d’une vision plus globale des relations européennes et qui conçoit le continent comme une confédération d’États. Il s’agit là d’un projet utopique dont les implications restent cependant très précises. Ainsi, bien des années après l’exil, dans un texte intitulé „Ce que c’est que l’exil“ (1875), Hugo définit d’une manière aussi ironique que clairvoyante les convictions qui à l’époque avaient fait de lui un ennemi dangereux du régime de Napoléon III: Il fallait bien sauver la société. De qui? de vous. De quoi ne la menaciez-vous? Plus de guerre, plus d’échafaud, l’abolition de la peine de mort, l’enseignement gratuit et obligatoire, tout le monde sachant lire! C’était affreux. Et que d’utopies abominables! [ ] plus de classes, plus de frontières, plus de ligatures, la république d’Europe, l’unité monétaire continentale [ ]; que de folies! il fallait bien se garer de tout cela! 6 Même si la réfraction ironique laisse supposer ici combien ces exigences ont dû paraître inouïes aux contemporains, ce qui me semble plus remarquable encore, c’est que l’auteur les met volontiers en relation avec son exil insulaire de presque vingt ans. De cette manière, le lieu concret de l’île de son exil joue un rôle important pour Hugo dans le contexte de l’élaboration des idées abstraites politico-culturelles sur l’avenir du continent. C’est à partir de ce lieu, d’un côté isolé géographiquement du reste de l’Europe, mais de l’autre caractérisé par une ouverture communicative qui le rend apte à toute forme d’échange, qu’il parvient à concrétiser ses idées sur l’Europe. Ce qui caractérise la relation entre île et continent, avec les mots d’Eric Fougère, c’est son altérité: „L’île se saisit dans son rapport avec ce qui n’est pas senti comme tel [ sic ] . On arrive à cette définition négative: une île est le contraire d’un continent. C’est l’altérité qui fait l’île.“ 7 Cette altérité insulaire repose donc toujours sur une relation que l’on pourrait caractériser comme emblématique de l’exil en tant que tel. Dans son texte „L’Archipel de la Manche“, originalement conçu comme préface à son roman Les travailleurs de la Mer (1866), Hugo lui-même souligne la relation ambigüe entre les îles de la 256 DDossier Manche et le continent quand il dit: „Les îles de la Manche sont des morceaux de France tombés dans la mer et ramassés par l’Angleterre.“ 8 Dans cette mise en parallèle implicite de la situation insulaire avec l’exil, Victor Hugo fait comprendre combien l’isolation de l’île renforce celle de l’exil (suivant cette idée, il dit succinctement: „Une île est un isolement“ 9 ); mais d’autre part, il est bien conscient du fait que cet exil dans l’isolation insulaire suppose en même temps un asile sûr et certain: „Ces îles, autrefois redoutables, se sont adoucies. Elles étaient écueils, elles sont refuges. Ces lieux de détresse sont devenus des points de sauvetage. Qui sort du désastre, émerge là. Tous les naufragés y viennent, celui-ci des tempêtes, celui-là des révolutions.“ 10 C’est ce rôle de refuge qui permet à l’île, malgré son isolement, de devenir un point de repère dans un ensemble plus vaste, et de se transformer, dans la vision de Victor Hugo, en espace communicatif avec des aspects particuliers. „La mer est un chemin“, 11 avait-il constaté déjà plusieurs années auparavant, et cette phrase met en relief la perspective dans laquelle il faut voir la relation île-exil dans le cas de Hugo: l’île de son exil, c’est avant tout un lieu d’échange et de médiation, et cela se traduit surtout par sa qualité de microcosme européen. En fait, la communauté européenne à laquelle rêve Victor Hugo à l’époque se trouve déjà réalisée dans la communauté internationale des proscrits et des exilés venant de tous les pays européens qui se concentrent en ces années dans l’archipel de la Manche - bien qu’à une échelle plus réduite. Malgré ses contours bien définis, ce n’est donc pas la notion de frontière qui se profile pour lui dans l’espace de l’île, mais plutôt la possibilité de la transgression des frontières, comme elle est inhérente à toute limite. C’est pour cela qu’en plantant à Guernesey, vers la fin de son séjour insulaire en 1870, un chêne dédicacé aux Etats-Unis d’Europe, Hugo montre clairement combien le monde insulaire de son exil s’est converti pour lui en un lieu central; lieu qui revêt une importance symbolique surtout dans le contexte de la discussion des possibilités d’une nouvelle organisation pacifique et démocratique du continent. III. L’image de l’espace insulaire que trace Miguel de Unamuno dans son œuvre d’exilé diffère notablement de cette interprétation de l’île comme laboratoire pour tracer, à travers la littérature, une ébauche des futurs États-Unis d’Europe. Tandis que Hugo évoque, par exemple, dans un poème de la sélection des Châtiments de 1853, la communauté transnationale des exilés sur les îles de la Manche en énumérant leurs patries lointaines qui selon lui s’intégreraient entièrement dans l’Europe fédérale à créer, 12 l’île de Unamuno est un lieu solitaire plus propice à l’intériorisation qu’à la communication. Plusieurs années avant de partir en exil, l’auteur espagnol avait déjà décrit la vie insulaire des Canaries avec des mots qui ne laissaient aucun doute sur l’isolation de cet archipel; isolement qui se résume, pour lui, par son manque de communication avec le monde: „L’indolence et 257 DDossier l’assoupissement se guériraient grâce à des communications plus rapides, plus fréquentes et plus intenses, surtout plus intenses, avec l’Espagne et avec le reste de l’Europe et avec l’Amérique. Ces gens ont besoin de s’intéresser davantage aux grands problèmes nationaux, européens, mondiaux; cela les désintéresserait de leurs petits problèmes insulaires, de leurs rivalités d’île en île.“ 13 Ici, dans ce texte d’avant-exil dans lequel l’auteur basque juge les îles sous un angle justement non-insulaire, mais continental, le manque de communication est perçu comme un défaut. Cependant, quelques années plus tard, quand sa propre proscription lui permet de changer de perspective, son jugement sur l’isolement insulaire change également. Bien que Unamuno persiste à décrire son île canarienne comme isolée, et bien qu’il renforce l’importance de ce trait caractéristique soulignant constamment l’aridité et la sécheresse de cette île, ses conclusions et les conséquences à en tirer se sont entre-temps transformées. À présent, Unamuno décrit l’isolement comme quelque chose de prometteur, en ce sens qu’il impose une limitation au strictement essentiel, c’est-à-dire au recueillement qu’il recherche si ardemment pendant ses mois insulaires. C’est pour cela qu’il découpe, dans un texte sur Fuerteventura, le mot espagnol pour isolement, aislamiento, pour démontrer la proximité étymologique entre ce mot et celui pour île, c’est-à-dire isla. 14 De cette manière, Fuerteventura est pour Miguel de Unamuno un espace indépendant et à part, dont la logique s’oppose directement à celle des continents (comme l’avait été aussi Guernesey pour Victor Hugo); mais tandis que Hugo avait cherché à établir des relations entre cette île à part et le continent, en faisant de la première une Europe idéalisée en miniature, Unamuno insiste plus sur l’altérité de l’espace insulaire. Pour lui, son île est un espace délimité et situé sans aucun doute hors de la civilisation européenne. Cette caractéristique se manifeste surtout dans ses textes de l’exil où il compare la civilisation de Paris (où il vit après avoir quitté son île) avec le prétendu manque de civilisation à Fuerteventura. Ainsi exprime-t-il, dans un texte écrit à Paris, la nostalgie de son île lointaine, et remarque: „Pour moi, Fuerteventura était tout un oasis - un oasis où mon esprit but les eaux vivifiantes et d’où je sortis rafraîchi et fortifié pour continuer mon voyage à travers le désert de la civilisation.“ 15 D’un côté le désert de la civilisation à Paris, au centre du continent, et de l’autre l’oasis à Fuerteventura, dans la périphérie: Unamuno joue volontiers la carte de cette opposition pour établir une relation entre les lieux de son exil et ses idées sur l’Europe. Dans le contexte de sa description des îles Canaries comme oasis de la civilisation, il recourt à des métaphores qui soulignent la fragmentation de ces îles en face de la côte africaine, et il se rapporte de surcroît à une préhistoire mythique pendant laquelle cette fragmentation se serait produite. Il y a surtout deux images qui lui servent, dans ce contexte, à souligner l’origine mythique de ses îles: d’un côté l’idée platonicienne de l’Atlantide, et de l’autre une idée originaire du Don Quijote de Cervantès, à savoir celle de l’île Barataria qu’invente le protagoniste pour récompenser son écuyer Sancho Panza. La relation de Unamuno avec son 258 DDossier île ressemble à celle de ces inventeurs d’îles mythiques avec les leurs: „Platon inventa et créa l’Atlantide, il ne la découvrit pas. Don Quijote inventa et créa, pour Sancho, l’Insula Barataria, il ne la découvrit pas. Et moi, j’espère grâce à l’intervention de Platon et de Don Quijote, ou bien avec l’aide des deux, inventer, créer et non pas découvrir l’île de Fuerteventura.“ 16 Tandis qu’avant, dans les années autour de 1900, la question de l’Europe avait servi à Unamuno à se positionner dans le grand débat espagnol sur le rôle de l’Espagne dans le monde après la perte de ses dernières colonies, ce qui l’intéresse à présent, pendant son exil dans les années vingt, c’est autre chose: Avec son ébauche de Fuerteventura comme lieu isolé, fragmenté et éloigné de la civilisation européenne, il conçoit l’île comme un espace particulièrement propice non seulement au recueillement, mais partant de là aussi à la création littéraire. L’île de Miguel de Unamuno, c’est un espace hétérotopique dont l’éloignement représente toujours aussi l’isolement de l’artiste dans la société contemporaine. Et même si le contexte politique de sa proscription doit avoir renforcé notablement la conscience que l’auteur espagnol avait de cette isolation générale et fondamentale de l’artiste, son projet insulaire ne vise pas directement l’organisation politique du continent. Au contraire: en comparaison avec le projet des États-Unis d’Europe qu’avait élaboré Victor Hugo à Guernesey, en mettant en relief la capacité relationnelle de l’île en tant que carrefour où se croisent les chemins européens, les idées de Miguel de Unamuno se centrent plutôt sur les capacités créatrices et pour cela réfractaires de l’île comme antithèse à la logique continentale de la civilisation. Ce sera l’écrivain portugais José Saramago qui combinera, dans son roman A Jangada de Pedra (1986), ces deux conceptions de l’île et de sa relation avec le continent. Dans ce roman, paru l’année même de l’entrée de la Péninsule Ibérique dans la Communauté européenne, Saramago transforme la péninsule en île, en radeau de pierre sur l’Atlantique; et sa vision dynamique de cette île à la dérive combine l’isolement de celle de Unamuno avec la force communicative de celle de Hugo. Mais ce qui apparaît une fois de plus dans cette soi-disant synthèse, c’est la qualité spécifiquement littéraire de la vision insulaire de l’Europe: dans le grand contexte des exils européens, c’est la littérature qui revêt l’île de son altérité et ainsi de sa force créatrice. 1 Miguel de Unamuno, „Aspectos de París“, in: id., Obras Completas VIII, Madrid 1966, 626-627: „Sentado en un rincón de los soportales de la Plaza de los Vosgos, donde vivió y soñó Víctor Hugo, [ ] recordaba [ ] la tarde en que leí bajo los soportales de la Plaza Mayor de Salamanca el telegrama en que se anunciaba que se me había deportado [ ]. Y por asociación de ideas, ya que Victor Hugo vivió y soñó en esta provinciana y recatada Plaza de los Vosgos, recordaba el destierro del poeta de los Castigos en la isla de Guernesey, de donde lanzó sus rayos contra la podredumbre del Segundo Imperio.“ 2 Victor Hugo, Le Rhin, Conclusion, in: id., Œuvres complètes - Voyages, Paris, Robert Laffont, 1987, 427. 259 DDossier 3 Cf. Anne Kraume, Das Europa der Literatur. Schriftsteller blicken auf den Kontinent (1815-1945), Berlin/ New York, de Gruyter, 2010, 51-63 et 88-100. 4 Franck Laurent, Le territoire et l’océan. Europe et Civilisation, espace et politique dans l’œuvre de Victor Hugo, Lille (édition Microfiche), 1995, 21. 5 Cf. Victor Hugo, „Discours d’ouverture au Congrès de la Paix (1849)“, in: id., Œuvres complètes - Politique, Paris, Robert Laffont, 1985, 299-304. 6 Victor Hugo, „Ce que c’est que l’exil“, in: id., Œuvres complètes - Politique, Paris, Robert Laffont, 1985, 401. 7 Eric Fougère, Les voyages et l’ancrage. Représentations de l’espace insulaire à l’Age classique et aux Lumières (1615-1797), Paris, L’Harmattan, 1995, 9-10. 8 Victor Hugo, L’Archipel de la Manche, in: id., Œuvres complètes - Roman III, Paris, Robert Laffont, 1985, 14. 9 ibid., 19. 10 ibid., 33. 11 Victor Hugo, Le Rhin, Conclusion, op. cit. (note 2), 431. 12 Cf. Victor Hugo, „Chanson“, in: id., Œuvres complètes - Poésie II, Paris, Robert Laffont, 1985, 195-197. 13 Miguel de Unamuno, „La Gran Canaria“, in: id., Obras Completas, I, Madrid, Escelicer, 1966, 319-320: „El aplatanamiento, la soñarrera, se curaría merced a comunicaciones más rápidas, más frecuentes y más intensas, sobre todo más intensas, con España y con el resto de Europa y con América. A estas gentes les hace falta [ ] interesarse más por los grandes problemas nacionales, europeos, mundiales, lo cual les desinteresaría de sus pequeños problemas insulares, de sus rivalidades de isla a isla.“ 14 Cf. Miguel de Unamuno, „El caos“, in: id., Obras Completas, VIII, Madrid, Escelicer, 1970, 573. 15 Miguel de Unamuno, „De Fuerteventura a París“, in: id., Obras Completas, VIII, Madrid, Escelicer, 1970, 602: „¡Para mí, Fuerteventura fué todo un oasis - un oasis donde mi espíritu bebió las aguas vivificantes y salí refrescado y fortalecido - para continuar mi viaje a través del desierto de la civilización! “ 16 Miguel de Unamuno, „La Atlántida“, in: id., Obras Completas, I, Madrid, Escelicer, 1966, 560: „Platón inventó, creó, no descubrió, la Atlántida, y Don Quijote inventó, creó, no descubrió, para Sancho, la Insula Barataria. Y yo espero por la intercesión de Platón y de Don Quijote, o con la ayuda de ambos, inventar, crear y no descubrir la isla de Fuerteventura.“ 260 DDossier Gesine Müller Vers une archipélisation de l’Europe? La production culturelle des Caraïbes et de l’océan Indien 1. Créolisation et coolitude C’est principalement au début du 21 e siècle que les sciences de la littérature ont proposé des analyses théoriques de la coexistence pacifique dans la différence dans les espaces les plus divers de la planète et sous un angle global et programmatique (Ette 2010, 169-170, 183). 1 Elles sont élaborées en réponse à une labellisation malheureuse du multiculturalisme ou en rejet d’un concept essentialiste de l’identité. Il est aisé de comprendre que ces questions sont, pour des raisons multiples, également débattues intensément par les intellectuels des Caraïbes et leur diaspora (cf. Müller 2012, 255-264). Cette région, extrêmement riche du point de vue littéraire et prédestinée à une „littérature sans domicile fixe“ (Ette 2005, 123-156), est devenue ces dernières décennies l’un des lieux privilégiés de la production théorique: Négritude, Créolité, Relationnalité - dans cet ordre chronologique - sont les termes avec lesquels on a tenté de rendre concrètement compte de la coexistence dans les Caraïbes et leur diaspora ou de construire à partir de cette région des catégories universelles, ainsi qu’en témoignent principalement Édouard Glissant avec sa Poétique de la relation (1999) et Benítez Rojo dans La isla que se repite (1998). Jusqu’à ce jour toutefois, une question n’a pas trouvé réponse: comment saisir la différence ethnique sans tomber dans des essentialismes? Walter Mignolo, de façon assez similaire à des grands intellectuels de la tradition britannique tels que Arjun Appadurai (2009) ou Paul Gilroy (2004), formule a posteriori une critique sévère du discours sur la créolité: „Criollos, caribeanidad y criollidad son todavía categorías que se soplan pero que pertenecen a diferentes niveles. Ser o definirse a uno mismo como criollo significa identificarse con un grupo de gente y diferenciarse de otro. Así, decir que ,ni europeos, ni africanos, nos proclamamos criollos‘ [Bernabé et al. 2002 [1989], 75] es identificarse en relación con un territorio y con los procesos históricos que crearon ese territorio“ (Mignolo 2003, 197). 2 Que peut-on objecter à cette critique? Glissant baptise ‚créolisation‘ son modèle alternatif: La créolisation est un mélange, en particulier un mélange des cultures qui produit de l’imprévisible. La créolisation qui se fait dans la Néo-Amérique, et la créolisation qui gagne les autres Amériques, est la même qui opère dans le monde entier. La thèse que je défendrai est que le monde se créolise, c’est-à-dire que les cultures du monde mises en contact de manière foudroyante et absolument consciente aujourd’hui les unes avec les autres se 261 DDossier changent en s’échangeant à travers des heurts irrémissibles, des guerres sans pitié mais aussi des avancées de conscience et d’espoir (Glissant 1996, 15). Les concepts programmatiques caribéens intéressent - au-delà de Glissant - de plus en plus d’intellectuels de par le monde ces dernières années (cf. Müller et Ueckmann 2013, 7). Khal Torabully, né en 1956 à Port-Louis sur l’île Maurice, et vivant depuis des décennies entre Lyon et Maurice, joue un rôle prééminent dans ces processus. Son nouveau concept de coolitude s’inspire de la pensée glissantienne, mais en critique l’absence de perspective indienne. Que ce soit dans les îles de l’océan Pacifique ou des Caraïbes, l’importation d’ouvriers indiens dits „engagés“ (salariat forcé), comprise comme alternative à l’esclavage, a donné lieu à une diaspora indienne sur la planète entière à partir de 1830, qui a révélé des mécanismes d’acculturation et de transculturation très spécifiques. Cette population possédant une culture ancestrale englobe en effet des individus qui sont simultanément créoles et indiens (cf. Glissant 2005, 41). Que peuvent enseigner ces constellations archipéliques, extra-européennes, aux modèles culturels purement européens sur les questions de l’identité et de la coexistence? Torabully y apporte un élément décisif: Il ancre l’Europe dans un archipel mondial, en ajoutant que les archipels de l’océan Indien ou des Caraïbes peuvent servir de modèle à l’Europe. 2. Khal Torabully Khal Torabully, poète, cinéaste et théoricien (cf. Bragard 2008), a forgé son projet de coolitude à partir des années 1980. Il s’agit d’un essai réflexif sur la poésie et la poétique, visant à élaborer, en intégrant les exclus de l’histoire, une vision et une révision des processus de mondialisation passés et présents. Son projet est également porté par l’ambition de donner la parole à tous les individus vivants qui ont dû louer leurs services dans des conditions généralement misérables comme salarié ou ‚engagé‘ (cf. Ette 2012a, 291). Avec son essai sur la coolitude, Torabully érige non seulement un mémorial littéraire, un lieu de mémoire en quelque sorte, des coolies, venant principalement d’Inde, mais aussi de Chine et d’autres pays. Il élabore aussi une poétique de la migration mondiale, qui s’exprime dès son ouvrage Cale d’étoiles - Coolitude paru en 1992: Coolitude pour poser la première pierre de ma mémoire de toute mémoire, ma langue de toutes les langues, ma part d’inconnu que de nombreux corps et de nombreuses histoires ont souvent déposée dans mes gènes et mes îles. Voici mon chant d’amour à la mer et au voyage, l’odyssée que mes peuples marins n’ont pas encore écrite mon équipage sera au nombre de ceux qui effacent les frontières pour agrandir le Pays de l’Homme (Torabully 1992, 7). 3 Pour Torabully, l’enjeu n’est pas uniquement la mémoire de certaines formes d’exploitation très brutales, mais une relationnalité devenue historique, constitutive de l’espace grâce à des mouvements migratoires croisés: 262 DDossier Vous de Goa, de Pondicheri, de Chandernagor, de / Cocane, de Delhi, de Surat, de Londres, de Shangai, / de Lorient, de Saint-Malo, peuples de tous les bateaux / qui m’emmenèrent vers un autre moi, ma cale d’étoiles / est mon plan de voyage, mon aire, ma vision de / l’océan que nous traversons tous, bien que nous ne / vissions pas les étoiles du même angle. / / En disant coolie, je dis aussi tout navigateur sans / registre de bord; je dis tout homme parti vers l’horizon / de son rêve, quel que soit le bateau qu’il accosta ou / dût accoster. Car quand on franchit l’océan pour naître / ailleurs, le marin d’un voyage sans retour aime replonger / dans ses histoires, ses légendes, et ses rêves. Le temps d’une absence de mémoire (Torabully 1992, 89, cité d’après Ette 2012, 292). Il faut souligner que le poète mauricien s’est donné pour principe de ne jamais penser le mot ‚coolie‘ dans un sens exclusif. Il est au contraire utilisé au sens large et apporte un éclairage sur des phénomènes particuliers de la mondialisation ‚d’en bas‘, une mondialisation de migrants qui traversent les mers pour chercher du travail. C’est la raison pour laquelle on peut également appliquer la théorie de Torabully à l’Europe. Il émerge ainsi dans cette concentration lyrique un réseau mondial de tous les ‚voyageurs‘ qui relient, en leur qualité d’objets d’une exploitation extrême, les îles et villes d’Inde, de Chine et d’Océanie aux ports coloniaux européens (cf. Ette 2012a, 293). 3. Coolitude En incluant la complexité ethnique des sociétés post-abolitionnistes des Caraïbes et de l’océan Indien, Torabully offre la possibilité de concevoir le processus de créolisation de façon moins essentialiste. Avec son paradigme de coolitude, il prolonge certains modèles de créolité archipélique franco-caribéenne, tels que ceux de la négritude, de la créolité, de l’antillanité ou de la créolisation forgés à Paris, mais aussi ceux de l’indianité et de l’indianocéanisme (cf. Carter / Torabully 2002, 5-7, 16). Le concept de coolitude ne se fonde pas sur des critères géographiques ou ethniques, mais part de la situation économique et juridique des coolies, cette main d’œuvre bon marché qui a quitté l’Inde, la Chine ou encore l’Europe et l’Afrique pour rejoindre diverses régions archipéliques comme les Caraïbes, l’océan Indien ou le Pacifique. Avec son modèle en mosaïque d’assemblage d’identités, Torabully fait du statut social un facteur analytique décisif de la créolisation (cf. Abel 2013, 65-81). C’est dans ses textes poétiques fondateurs Cale d’étoile - Coolitude (1992) et Chair corail, Fragments coolies (1999) que Torabully applique pour la première fois les prémisses théoriques de la coolitude. Il faut toutefois attendre 2002 et l’ouvrage majeur écrit à quatre mains avec l’historienne Marina Carter, Coolitude: An Anthology of the Indian Labour Diaspora, pour que ce concept connaisse une réception et une portée internationales. Cette œuvre constitue une anthologie à plusieurs égards. Elle associe la poésie de Khal Torabully sur l’immigration indienne dans le monde entier à un florilège rassemblant des poètes et auteurs en 263 DDossier prose de la diaspora indienne à partir de la moitié du 19 e siècle. On les retrouve principalement dans l’océan Indien: à Maurice (à partir de 1843), Fidji, Java, Goa (1860-1870), ainsi que dans les Amériques: Trinité, Guyane, Surinam, Guadeloupe et Martinique à partir de 1846. L’ouvrage constitue de plus une monographie sur la théorie de la coolitude et sur sa poétique. D’un point de vue formel, il s’agit d’un mélange entre une anthologie historique au sens strict, un manuel contenant des définitions concises et une description théorique de la coolitude par les auteurs sur le mode de l’interview. Cette forme textuelle hybride permet déjà en elle-même une analyse scientifique de la coolitude et un accès artistique à l’univers de la diaspora indienne, en ce qu’elle évoque „l’essence ou des essences“ (Carter / Torabully 2002, 148) de la diaspora coloniale indienne, également dans des textes inédits - que ce soient des poèmes ou des scènes théâtrales −, et déconstruit les représentations traditionnelles héritées de l’Empire britannique. Dans l’introduction, les auteurs réinscrivent la genèse du concept dans une lignée de théoriciens de la créolisation et de la relationnalité, tels que Glissant, Deleuze et Guattari, Confiant, Chamoiseau et Bernabé, Benoist et bien d’autres. Dans le second chapitre, ils développent un des thèmes clés de la coolitude, à savoir l’odyssée des coolies, la traversée - taboue - de l’océan depuis le sous-continent indien. Dans les deux chapitres suivants, Torabully et Carter se consacrent aux aspects culturels de la perception d’autrui, de la triple stigmatisation des coolies et de leur expérience de survie pendant leur engagement. Selon eux, trois dispositifs d’altérisation ont figé le coolie dans son rôle de victime: comme mystère de l’Orient premièrement (ibid., 187), comme intrus barbare deuxièmement et, enfin, comme „ambassador of exoticism and sensuality“ (188). Le chapitre 5 se concentre sur l’héritage coolie et analyse les politiques mémorielles de la diaspora indienne aux 19 e et 20 e siècles. Avant de s’achever sur une conclusion intitulée „Revoicing the Coolie“ et sur une compilation de textes en prose et en vers de Torabully, l’anthologie inclut une longue partie théorique, les importants „Theoretical Premises Of Coolitude“ présentés sous forme d’entretien. Les auteurs commencent par mettre en lumière les liens entre „Césaire, la négritude et la coolitude“ (ibid., 143-159) avant de décrire des „Elements of the Coolie’s Memory“ (160-165). Dans un troisième temps de l’interview, Torabully et Carter abordent l’esthétique et la littérature (165-189), puis traitent de la „Tradition, Society and Indianness“ (190-194). Dans une cinquième partie consacrée concrètement à la poétique, les auteurs tentent de cerner les contours de „Some Literary Characteristics of Coolitude“ (195-213). La théoricienne belge Véronique Bragard a prolongé la réception théorique de la coolitude dans son ouvrage Transoceanic Dialogues. Coolitude in Caribbean and Indian Ocean Literatures (2008). Elle y insiste sur le fait qu’une des caractéristiques poétiques majeures de la coolitude n’est pas de placer la focale sur le coolie lui-même, mais sur la traversée transocéanique cauchemardesque, entendue à la fois comme mouvement migratoire historique et métonymie de rencontres culturelles (ibid., 15). L’accent littéraire est donc régulièrement mis sur le voyage 264 DDossier en bateau comme élément identitaire destructeur et en constante reconstruction. Le voyage est envisagé comme une coupure qui ne place plus la perte de la patrie au cœur des identités diasporiques. À un niveau plus abstrait, la traversée touche ainsi de façon générale à une métamémoire refoulée d’identités îliennes diasporiques, qui jette des ponts entre les hommes ou engendre des hommes-ponts, qui deviendraient eux-mêmes les interprètes des cultures du monde dans leurs microcosmes îliens respectifs (Turcotte / Brabant in Carter / Torabully 2002, 216). La contribution spécifique de Torabully à la figure du voyage transocéanique renvoie à une poétique de „l’élément indien“ (Carter / Torabully 2002, 148). Dans le cadre indien, le traumatisme de la traversée océanique prend un statut particulier puisqu’il repose sur le rôle clé du mythe des Kala Pani. Le tabou des Kala Pani, les eaux noires et impures, renvoie au nivellement des distinctions de castes sur le seuil que constitue le navire. Ces dimensions psychosociales du traumatisme océanique sont formulées dans la coolitude et forgent son esthétique particulière. 4. Le corail La quête de symboliques maritimes est l’une des autres conséquences esthétiques du regard porté sur le transfert océanique. L’image centrale de la coolitude est la métaphore corallienne de la chair corail, incarnation des relationnalités hybrides dans les cultures îliennes: „Non plus l’homme hindou de Calcutta / / Mais chair corail des Antilles“ (Torabully 1999, 108). La métaphore corallienne présente des similitudes avec les images de mangrove et de rhizome de la créolité, tout en étant appréhendée sous un angle transocéanique. Symbole de la fluidité des relations et des influences, elle exploite les spécificités du corail, hybride de pierre et d’animal, qui ne se rencontre que dans la mer, avant tout dans la ceinture tropicale. Le corail symbolise donc une pensée archipélique au sens de Glissant comme pensée de l’ambigu, mais aussi la perméabilité de divers courants. Les formes typiques en spirale, les circonvolutions des coraux se rattachent aux visualisations de logiques fractales dans les processus de créolisation. Ainsi la coolitude est proche sur le plan théorique de l’esthétique de Glissant et des auteurs de la créolité, qui considèrent que les identités diaspora ne sont pas des entités statiques ou figées, mais qu’elles sont soumises au jeu permanent de l’histoire, de la culture et du pouvoir (Carter / Torabully 2002, 11): Le corail est observable dans son habitat vivant, à la différence du rhizome, qui est souterrain. En plus, il me permet de développer une connectivité agglutinante, bâtissant par couches, par concrétion, par sédimentation, un peu comme un palimpseste, et non pas seulement une connectivité errante, tout en conservant l’aspect égalitaire de la connection, étant ouvert à tous les courants. Le corail est hybride dans son être même, car il est né de la symbiose d’un phytoplancton et d’un zooplancton. On ne fait pas mieux en termes de métaphore de la diversité. Il est racine, polype et plature, protéiforme, souple et dure, et de différentes couleurs. Tout en étant enraciné, il libère la plus grande migration sur terre, celle du plancton, visible depuis la Lune, tout comme la Grande barrière de corail, classé 265 DDossier au patrimoine mondial de l’humanité par l’Unesco. Cet archipel corallien est tout simplement la sculpture vivante la plus étendue sur terre (Torabully 2012, 70sq.). Outre le „maritime spirit“ (Carter / Torabully 2002, 158) de la coolitude, le corail possède aussi des éléments de visualisation plus statiques qui ne font pas appel aux modèles dynamiques tridimensionnels, mais à des structures de composition unidimensionnelle, à l’instar de la mosaïque, dans laquelle les abacules indocréoles complètent l’image d’ensemble de la créolisation sans focaliser sur l’idée de la fusion. Torabully transfère parfois les composés de la mosaïque, considérés comme des racines individuelles du rhizome, dans la tridimensionnalité (2002, 152). La pensée de la pierre, du solidifié, ne disparaît toutefois pas non plus dans la métaphore corallienne et renoue régulièrement avec le moment fondateur césairien de la coolitude. Il est donc indispensable de prendre en compte des références de Torabully à la négritude et à son héritage direct, l’antillanité, pour comprendre l’ancrage théorique de la coolitude. Le mythe fondateur de ce concept de créolisation prend sa source dans la profonde empathie de Torabully pour Aimé Césaire; en témoigne un entretien de 1997 à Fort-de-France (Martinique) avec le fondateur du mouvement de la négritude franco-caribéenne, durant lequel les deux poètes ont discuté de l’héritage de la négritude et de son prolongement dans la coolitude. Le lien entre les deux théories passe par deux pensées - celle de la réconciliation des „descendants of the oppressed“ (Carter / Torabully 2002, 172), qui se veut une contribution au travail de mémoire sur les tensions historiques entre l’héritage de l’esclavage atlantique et l’héritage coolie dans les sociétés créoles, et la pensée du dépassement conceptuel ou de la redéfinition. Le modèle de la coolitude permet de dépasser les limites théoriques de la négritude, qui, en revendiquant la reconnaissance d’une identité ‚noire‘, ne peut rendre compte de la complexité ethnique des sociétés post-esclavagistes créolisées. Carter et Torabully soulignent à plusieurs reprises que la coolitude n’est pas une version indienne de la négritude. Premièrement, elle n’est pas une catégorie ethnique ou essentialiste (ibid., 150, 153) et, deuxièmement, en déplaçant le regard sur la traversée, elle ne problématise pas l’origine mythique ou l’exil, mais dissout l’identité dans la perméabilité. Négritude et coolitude partagent le moment de la reconversion discursive des altérités coloniales stigmatisées et se distinguent dès lors qu’il en va de la reconnaissance de l’influence culturelle que la migration d’Inde découlant de l’engagisme a exercée sur certaines sociétés modernes du monde entier et qu’elle a massivement modelées, comme à Maurice, à la Trinité, en Guyane ou à Fidji, ou tout au moins marquées comme en Guadeloupe, à la Martinique ou en Afrique australe et orientale. La coolitude porte une idée de l’espace qui met non seulement en exergue une relationnalité archipélique interne de communications multiples entre îles et archipels, mais attire aussi l’attention sur les dynamiques d’une relationnalité externe (cf. Ette 2012b, 40). Ainsi la coolitude se révèle être le prototype d’une histoire de l’espace qui est toujours histoire en mouvement: les déportations forcées d’esclaves, 266 DDossier à l’instar des engagés indiens, montrent qu’on a précisément besoin de relier relationnalité interne et externe pour appréhender les espaces dans leur totalité. Abel, Johanna / Müller, Gesine, „Korallen: Migration und Transozeanität: Khal Torabully / Indian Diaspora“. À paraître in: Jörg Dünne / Andreas Mahler (ed.), Handbuch Raum, Berlin, De Gruyter. Appadurai, Arjun, Die Geographie des Zorns, Francfort-sur-le-Main, Suhrkamp, 2009. Benítez Rojo, Antonio, La isla que se repite, Barcelone, Casiopea, 1998. Bernabé, Jean / Chamoiseau, Patrick / Confiant, Raphaël, Éloge de la Créolité [1989], Paris, Gallimard, 2002. Bragard, Véronique, Transoceanic Dialogues: Coolitude in Caribbean and Indian Ocean Literatures, Francfort-sur-le-Main / Berlin / New York, Lang, 2008. Carter, Marina / Torabully, Khal, Coolitude. 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C’est pourquoi l’assertion ‚ni Européens, ni Africains, nous nous proclamons Créoles‘ revient à s’identifier à un territoire et à des processus historiques qui ont créé ce territoire.“ 3 Cité d’après http: / / books.google.de/ books? id=pH4l5BMQs5YC&pg=PA219&lpg=PA219& dq=Coolitude+%22mon+amour+pour+la+mer%22&source=bl&ots=yGRK2j4e4A&sig=bsn uEA6_M_VTjl_R8U5tVAnh220&hl=fr&sa=X&ei=BlCDU9iGG8en4gSImYDoAQ&ved=0CE QQ6AEwBA#v=onepage&q=Coolitude%20%22mon%20amour%20pour%20la%20mer% 22&f=false. 267 AActuelles Régine Robin Les tremblés de l’identité - la France multiculturelle Conférence inaugurale du IX e congrès des Francoromanistes allemands (Münster, 24-27 septembre 2014) Le monde entier a été emporté par un même mouvement d’ensemble depuis les années 70, un grand changement de paradigme économique et technologique. Ce qui a frappé l’ensemble du monde après le premier choc pétrolier des années 70 et mis fin aux solidarités les plus élémentaires, précarisé le travail, tiré le salariat vers le bas; ce qui a amené la dérégulation généralisée avec Thatcher et Reagan, qui a vu le passage au capitalisme financier, actionnaire, a débouché sur ce qu’on a appelé la mondialisation ou la globalisation. On se souvient du fameux: „Fallait-il se rêver maoïste pour devenir américain? “ de Régis Debray, à propos de 68. 1 Ce dernier a remarquablement analysé à la fois „la langue de vent“ de 68 et la réalité changeante de la société française dont mai 68 est le symptôme. „Parole flottante, sans ancrage dans la matérialité sensible ou historique; syntaxe sans sémantique où les signes jouent entre eux, en l’air “, mais aussi ce qui chemine derrière cette syntaxe sans sémantique: „En France, tous les Colomb de la modernité crurent, derrière Godard, découvrir la Chine à Paris, quand ils abordaient en Californie. C’est le vent d’ouest qui gonflait les voiles, mais ils se guidaient sur le petit livre rouge qui disait le contraire, comme les découvreurs sur la Géographie de Ptolémée“. 2 Pour Luc Boltanski et Eve Chiapello 3 il s’agit d’analyser les transformations des trente dernières années et les nouvelles configurations idéologiques qui nous gouvernent. Ils tentent de cerner ce monde de désarroi idéologique. Aucune alternative aux anciens dispositifs critiques n’est venue relayer les discours révolutionnaires, réformistes, voire même ceux du keynesiannisme. Le capitalisme a su se transformer (avec d’énormes crises), se réformer, adoptant, adaptant le discours de certains de ses adversaires. Il a su endosser la ‚critique artiste‘, qui, partout dans le monde, dans les années soixante, appelait à ‚changer la vie‘ et prônait des transformations qualitatives plutôt que quantitatives, l’autonomie, la créativité. Il a vu quel parti il pouvait tirer de l’aspiration à la segmentation, à la fragmentation, à l’individualisation. Le nouvel esprit du capitalisme prend appui sur les critiques qui dénonçaient alors la mécanisation du monde. Il a repris à son compte la revendication d’authenticité, le rejet de la massification, de la standardisation, de l’inauthentique. Il est entré de plain-pied dans la société postindustrielle, celle des réseaux, de l’informatique, de l’effacement des frontières, des identités poreuses. Les nouveaux dispositifs capitalistes d’organisation du travail relaient, à leur façon, 268 AActuelles la critique artiste des années de contestation. Même l’‚homme unidimensionnel‘ de Marcuse a été récupéré. D’autres, d’après la conceptualisation de Michel Foucault, ont pensé le passage d’une société de la disciplinarisation à celle du contrôle. 4 La grande période de l’accumulation du capitalisme avait vu se mettre en place un réseau d’institutions (l’asile, l’hôpital, la prison, puis l’école, l’atelier, l’usine), ensembles de dispositifs structurant le social, régissant les comportements, de façon à rendre les individus dociles et à sanctionner les déviances. La société de contrôle ou postmoderne, au contraire, obéit à de tout autres dispositifs. Il s’agit d’une société de communication, d’information où les processus de singularisation, de subjectivation, reposent sur l’intériorisation par les individus de leur ‚place‘, beaucoup plus que par des structures d’autorité hiérarchisées. Alors que la modernité avait vu l’affirmation de la puissance des États-nations, la société de contrôle et de réseau est le témoin de leur déclin. Ce sont des sociétés où les structures productives sont de plus en plus déterritorialisées, de même que tendent à le devenir les formes d’exploitation et de contrôle de structures de travail. Les difficultés de ce ‚transfert‘, de ce passage ont été précipitées par l’implosion des régimes communistes. Dans la seconde moitié des années 80, avec la fin de la guerre froide, le capitalisme s’est retrouvé seul, sans qu’aucune alternative crédible ne paraisse pouvoir lui être opposée. Cette croyance ne s’est pas seulement imposée aux gestionnaires d’un capitalisme triomphant, mais a gagné de larges secteurs de la pensée. Fukuyama décrète la ‚fin de l’histoire‘, la mort des idéologies, tentation à laquelle nous ne succomberons pas, car si on a bien assisté à un changement de conjoncture, à un renversement des polarités du discours, en fait, les idéologies ne sont pas mortes. On a assisté au contraire au retour de la ‚main invisible‘ d’Adam Smith, au retour en force de l’idée que le capitalisme était un mode de production ‚naturel‘, une donnée à laquelle il ne fallait pas toucher, un peu comme l’interdit de l’inceste au fondement symbolique de notre société. On a vu également resurgir l’idée que les structures du marché et la démocratie étaient liées par nature, oubliant que la démocratie avait été historiquement une conquête. D’autres encore ont appelé la ‚société liquide‘ celle qui se mettait en place à la suite de la globalisation. C’est ainsi que Zygmunt Bauman appelle „modernité liquide“ le monde actuel issu de la globalisation, marqué par la multiplicité des croyances et des appartenances, la pluralité des choix identitaires, la société marquée par l’éphémère et la précarité. ‚L’homme sans attaches‘ serait ainsi le successeur de ‚l’homme sans qualités‘ de Robert Musil. 5 Entre temps, le capitalisme a connu sa pire crise depuis celle de 1929, crise dont on ne s’est pas encore relevé et qui a bouleversé toutes les données. Immigration massive et remaniement des identités On assista après la guerre et pas seulement dans les États anciennement impériaux comme la Grande-Bretagne ou la France, à de grandes migrations de main 269 AActuelles d’œuvre, de réfugiés économiques ou politiques. Qu’on pense par exemple à la grande immigration turque en Allemagne. Ces travailleurs immigrés, personne dans un premier temps ne songeait à les voir s’installer dans les pays européens. On les appelait des ‚Gastarbeiter‘, des travailleurs ‚invités‘, destinés à repartir chez eux après quelques années. L’Amérique du Nord, quant à elle, a toujours été une terre d’immigration. C’est comme cela que se sont construits et développés les États-Unis. Des années 1880 à la guerre de 1914, on estime que 16 millions d’immigrants sont entrés aux USA. Puis, les choses se sont resserrées avec la loi des quotas, les États-Unis restant un grand pays d’immigration, même si les nouveaux arrivés ne sont plus originaires des pays européens et y entrent de façon illégale. Une immense immigration hispanique s’est produite de même qu’une immigration asiatique. Ces travailleurs souvent clandestins ont bénéficié par vagues successives de régularisations massives. Il semble que la construction d’un mur à la frontière mexicaine n’arrive même pas à stopper l’entrée de nouveaux clandestins. En France, de très nombreux descendants de travailleurs immigrés de seconde, voire de troisième génération sont pour la plupart Français, munis d’une carte d’identité française, ayant en apparence les mêmes droits que n’importe quel citoyen français. Il en est de même des Martiniquais et des Guadeloupéens. D’autres sont arrivés d’Afrique noire, engagés dans les grands chantiers de la banlieue parisienne à l’époque où le travail (très mal payé) se trouvait aisément. Au Québec ou en France, ces immigrants sont souvent de religion ou d’origine musulmane, croyants ou non. Un certain nombre de femmes revêtent le foulard comme simple marque identitaire ou comme coutume religieuse. Audelà des choix des politiques d’intégration des pays d’accueil, des problèmes d’intégration ont émergé partout, réels ou imaginaires, que ce soit dans le cadre de l’assimilation du vieux modèle républicain français, ou que ce soit dans la politique intégratrice des États-Unis qui laisse une place fondamentale aux communautés tout en se fondant sur un lien social transverse fort, une identité américaine, un culte de la Constitution, voire une ‚religion civile‘ qui traverse toutes les communautés et tous les milieux sociaux malgré les crises, les antagonismes et les ressentiments de toutes sortes. Au Canada, un Canadien sur 6 est né à l’étranger, à Toronto, 4 habitants sur 10 sont nés hors du Canada. Près d’un tiers des grands-parents des Français sont nés à l’étranger. Que ce soit dans le cadre des divers multiculturalismes (Pays-Bas, Grande-Bretagne, Australie, Canada), que ce soit en France dans celui de l’assimilation du républicanisme jacobin, tous les grands pays sont aux prises avec une immigration massive. Ils ont tous à gérer cette pluralité, tenaillés par des fantasmes, des peurs qui peuvent engendrer tension et haine. C’est qu’après le 11 septembre 2001, les immigrés où qu’ils se trouvent, surtout s’ils sont musulmans, sont pris dans une spirale de suspicion parfois infernale. Ce qui fut particulièrement frappant dans les débats concernant l’immigration, ce qui se dissimulait derrière les discussions sur l’identité nationale, sur ‚l’identitaire‘ en France; ‚l’identitaire‘, c’était et c’est encore la confusion entre le 270 AActuelles civique et l’ethno-culturel, entre les garanties de l’État de droit, l’égalité juridique, la déclaration des droits de l’homme, les lois qui protègent les individus et l’adéquation au moule culturel, à l’idée que la société d’accueil se fait de son passé, de ses coutumes. Le problème avait semblé réglé par la loi de 2004 qui interdisait le port du voile à l’école publique comme signe religieux ostentatoire. Mais les vrais débats tournent court comme si le véritable choix se situait entre ‚le patriotisme constitutionnel‘ au sens de J. Habermas et l’adhésion herderienne aux traditions du groupe majoritaire. Il me semble qu’il faut privilégier la déclaration des droits de l’homme et du citoyen avant le bon vin et la langue pure de Racine, l’État de droit et les garanties juridiques sur les traditions, sans en faire un absolu. Cela éviterait les confusions mortifères auxquelles on assiste entre citoyenneté, appartenances et identités. On a, du reste, souvent à faire à de faux problèmes. Au bout de plusieurs générations (si les fils et filles d’immigrés ne sont pas stigmatisés, discriminés et renvoyés sans arrêt à leur identité d’origine), le sentiment d’appartenance se modifie, se plisse, se dénoue. De nombreuses coutumes du groupe majoritaire, sa langue en premier lieu, deviennent celles des immigrants tandis qu’un certain nombre de leurs coutumes séduisent et sont adoptées par le groupe majoritaire (musique, cuisine, fêtes, parfois costumes et coiffures). La culture du pays d’accueil se modifie elle-même. Tout cela prend du temps. Qu’on appelle ce processus ‚métissage culturel‘, ‚hybridité culturelle‘, ‚identités postmodernes, transculturelles‘ ou ‚créolisation‘, peu importe! Mais c’est bien à ce phénomène qu’on assiste partout en fonction des spécificités de chaque pays. Le terrain de l’‚identitaire‘ La France a subi une régression sans précédent, voulant mettre les problèmes d’identité en lieu et place du politique, ce qui est désastreux pour les valeurs républicaines. Ce qui est nouveau et terriblement inquiétant, c’est que la République française ait abandonné le terrain du politique et du civique pour investir celui de l’identitaire. Comme le fait très justement remarquer Alain Renaut, elle a tendance à faire passer pour l’universalité ce qui relève de sa culture propre: L’idéologie du creuset a aussi son envers, celui de la colonisation, enjoignant à l’autre de se soumettre à la domination d’une nation qui imposait, en même temps que la loi de ses armes, le poids de sa culture et de ses valeurs. Sauf à décider d’oublier ce geste colonisateur, voire, en ironisant sottement sur la repentance, de le réhabiliter, force est de se demander si ce prétendu républicanisme où la conscience nationale se reconnaît n’est pas simplement l’autre nom du vieux nationalisme qui érige en universel un modèle identitaire particulier. Comme si, par une chance inouïe, notre identité, produit d’une histoire, avait la fantastique singularité de coïncider avec l’universel. Fabuleux et commode privilège: nul travail, de notre côté, à faire sur nousmêmes pour nous ouvrir à l’altérité de l’autre, tout l’effort incombant à ce dernier - un effort que nous supposons animé par l’envie irrépressible de nous rejoindre dans cet universel que nous incarnerions si bien. 6 271 AActuelles Ainsi, la France (droite et gauche confondue) s’est braquée sur le communautarisme. Le communautarisme, comme le rappelle plaisamment Éric Soriano, 7 „c’est les autres“, c’est tout ce dont on ne veut pas en matière d’immigration et d’intégration, le contraire du ‚vivre ensemble‘. On l’assimile en général aux politiques d’intégration des pays anglo-saxons: Grande-Bretagne et Etats-Unis quand on n’évoque pas carrément le ‚multiculturalisme‘ canadien, chargé de tous les péchés. Le communautarisme, c’est la ghettoïsation, l’entassement des immigrés de première, de deuxième et de troisième génération dans des cités de banlieues, dans des quartiers dits ‚sensibles‘ où parfois la police ne va plus, sans qu’on s’interroge sur les raisons profondes de cette ghettoïsation. Le communautarisme désigne souvent la persistance, dans le pays d’accueil, de mœurs qu’on estime incompatibles avec ceux de la République. On glisse aisément de la critique du communautarisme à la stigmatisation des communautés elles-mêmes. 8 On aurait à faire à une sorte d’essentialisation de l’Islam qu’on stigmatise de toutes les façons. C’est ainsi que le voile islamique, le foulard porté par les femmes serait le symbole même de cet essentialisme civilisationnel, du refus de s’intégrer, d’accepter l’égalité des hommes et des femmes, la laïcité, pilier fondamental de la République. Quand ce n’est pas la notion de communautarisme qu’on met en avant, c’est celle de multiculturalisme qui sert de repoussoir. En veut-on un denier exemple? Sous la plume de Jean-Louis Amselle, je lis: „L’ethnicisation de la France est une réalité préoccupante et met en scène une guerre des identités. Que ce soit avec l’extrême droite qui reprend à son compte l’idée qu’il existerait des ‚Français de souche‘, mais aussi à l’extrême gauche, avec des organisations post-coloniales et multiculturelles comme le Conseil représentatif des associations noires de France (CRAN), le Parti des indigènes de la République et peut-être aussi Les Indivisibles qui mettent en avant la spécificité des identités singulières. Cela peut être une identité noire, arabe, ou même lesbienne, gay, bi et trans (LGBT). Ainsi, la société française se fragmente et se fracture.“ 9 Toutes les organisations de lutte pour la reconnaissance de leur spécificité culturelle, de lutte contre la discrimination qui commence à celle de la couleur de peau sont ainsi fustigées comme tenant du multiculturalisme qui met à mal les valeurs de la République. Partout les classes dominantes et une large fraction des intellectuels font montre d’une étonnante cécité sur ce qu’est devenue la population française et sur le devenir des identités de tous ceux qui sont à plusieurs générations souvent ‚d’origine étrangère‘. Prenons quelques exemples de cette cécité. Ils sont parlants. Le journal Le Monde publiait le 24 septembre 2009 le témoignage accablant du journaliste Mustapha Kessous. 10 Voici quelqu’un qui a sa carte de presse, qui est journaliste au Monde, et ce qu’il raconte est une suite d’humiliations et de discriminations quotidiennes. „Je pensais que ma ‚qualité‘ de journaliste au Monde allait enfin me préserver de mes principaux ‚défauts‘: être un Arabe, avoir la peau trop basanée, être un musulman. Je croyais que ma carte de presse allait me pro- 272 AActuelles téger des ‚crochets‘ balancés par des gens obsédés par les origines et les appartenances“ dit-il, mais il n’en est rien. Que ce soit pour louer un appartement, pour entrer dans une discothèque, c’est toujours la même discrimination. Il ne dit plus son prénom au téléphone. Kessous, ça passe, mais Mustapha absolument pas. En 2004, peu après son accréditation, il part près d’Avignon couvrir un fait divers: un gamin avait été assassiné par un Marocain. Il arrive à la maison où le drame a eu lieu et frappe à la porte. Le cousin de la victime lui lance: „J’aime pas les Arabes“, mais le laisse entrer. Comme on fait l’hypothèse que le meurtrier s’était échappé de l’hôpital psychiatrique de l’endroit, le journaliste téléphone et obtient un rendez-vous. Une fois sur place, on lui demande où est le journaliste du Monde qu’on attend. Il se présente. „‚Vous avez votre carte de presse? , me demande-t-elle. Vous avez une carte d’identité? ‘ ‚La prochaine fois, Madame, demandez qu’on vous faxe l’état civil, on gagnera du temps‘, riposté-je. Je suis parti, évidemment énervé, forcément désarmé, avant de me faire arrêter plus loin par la police qui croyait avoir trouvé le suspect“. À plusieurs reprises, arrivant sur place pour suivre un procès, envoyé par le journal, il se fait demander par l’huissier ou le gendarme en faction à la porte du tribunal s’il est „le prévenu“. Le reste est à l’avenant. Exaspéré, le journaliste conclut son témoignage par ces mots: „On dit de moi que je suis d’origine étrangère, un beur, une racaille, un islamiste, un délinquant, un sauvageon, un ‚beurgeois‘, un enfant issu de l’immigration Mais jamais un Français, un Français tout court.“ Tout le problème est là, dans cette différenciation perpétuelle en dépit des grands principes, dans ce racisme ordinaire toléré, banalisé qui peut susciter de violentes réactions de ressentiment. Quelques mois plus tard, le même journaliste rendait compte du débat sur l’identité nationale, débat qui avait été initié par Sarkozy. Il terminait sa réflexion par le passage suivant: „‚La France tu l’aimes ou tu la quittes‘ Une vieille rengaine du FN reprise par l’actuel hôte de l’Élysée. Mais que doit-on faire si la France ne vous aime pas? Certains quittent le pays des Lumières qui s’éteignent peu à peu. Et si, au final, ce grand débat sur l’identité nationale poussait certains à ne plus se sentir Français? “ 11 L’histoire de Khaleb Kalkal, abattu par la police dans la région de Lyon en octobre 1995, illustre bien ces destins détruits dont la révolte va être canalisée vers l’intégrisme, réduit à une seule appartenance, incapable de ‚bricoler‘ une identité à partir de ses multiples liens. Quelques années avant ce tragique événement, Kelkal avait participé à une interview, répondant à un sociologue allemand qui enquêtait sur les banlieues. Dans un documentaire qui lui est consacré, le sociologue Dietmar Loch dit: „La biographie de Khaleb Kelkal est emblématique du problème de l’intégration. C’est un exemple d’un bon départ d’un bon élève qui a échoué face à la discrimination. Un exemple pour la force de l’initiative individuelle qui n’a pas pu trouver sa place et qui a dérivé dans la délinquance“. 12 Né en Algérie, il arrive avec sa famille à l’âge de deux ans, à Vaulx-en-Velin dans la région lyonnaise. C’est un bon élève à l’école primaire et il recueille de bonnes notes. C’est au lycée, après sa classe de troisième, que les choses tournent mal. Son intégration 273 AActuelles au lycée, sa difficulté, fait mieux ressortir son origine arabe maghrébine, toutes choses secondaires jusque-là. Il est donc en situation d’échec. On lui renvoie une image négative de lui-même. Il se sent rejeté, mal dans sa peau, se met à sécher les cours, à se couper de sa famille, à traîner avec les jeunes de la cité. Petit délinquant, il va faire de la prison et c’est là que son destin se noue. Il dira dans son interview: „En prison, j’ai appris beaucoup de choses, j’ai même appris ma langue, là j’ai appris l’arabe, j’ai bien appris ma religion, l’islam. J’ai appris une grande ouverture d’esprit en connaissant l’islam, tout s’est écarté. Je la vois la vie pas plus simple, mais plus cohérente“. 13 Le lycée était devenu le lieu de l’exclusion alors que la prison est celui de la conversion. C’est son moyen d’échapper au conflit de ses appartenances. Il est devenu un membre de l’Islam face aux Occidentaux. C’est bien l’histoire d’une faillite de l’intégration qui avait pourtant très bien commencé. Au pays des droits de l’homme, chacun a sa place dans l’école républicaine, chacun peut, par son instruction, par son savoir, devenir ce qu’il veut devenir, réaliser toutes ses potentialités. À un moment, ce discours s’est défait, cassé, ne laissant apparaître que sa condition d’immigré, d’enfant des cités. La révolte a été brutale dans son cas. Certes, on ne devient pas un délinquant dès que le ressentiment étend sur vous son empire, mais tout est question de contexte. Ici, ‚l’offre‘ identitaire islamique a résolu l’écartèlement des appartenances dans lequel il se trouvait pris, jusqu’à la mort. A l’autre pôle, la star, Zinédine Zidane, Zizou comme on l’appelait dans l’euphorie de cette France fière d’avoir gagné la Coupe du monde de football et disant sa fierté sur les Champs-Élysées le 12 juillet 1998, cette France ‚Black, Blanc, Beur‘, métissée et pluriculturelle à l’image de son équipe de football gagnante. Né en France, fils d’immigrés algériens, le petit garçon de Castellane à l’accent marseillais incarne une intégration parfaite par le haut sous la forme de la starisation, de la performance sportive exceptionnelle et de l’argent. Mais même là, il y a une limite. Lors de la finale de la coupe de 2006, face à l’Italie, son geste, son coup de tête contre Marco Materazzi qui lui vaut immédiatement un carton rouge et son éviction du stade, montre à l’évidence autre chose que sa parfaite intégration. L’Italien l’avait attrapé par le maillot avec des mots orduriers concernant sa sœur. Réaction contre une infraction au code sacré de l’honneur, ce geste, comme le fait remarquer Vincent de Gaulejac, fait réémerger le gamin de Castellane fils d’immigré à la place de la star: „Je ne suis pas seulement un joueur de football, je suis un enfant des cités qui sait se battre face aux humiliations et répondre aux insultes pour sauvegarder ma dignité“. 14 Il n’y a pas que des délinquants issus des cités que le candidat à la Présidence de la République, alors ministre de l’intérieur, avait traité de ‚racaille‘ et dont il voulait débarrasser les banlieues au Kärcher, il n’y a pas que des stars. Il y a des milliers de jeunes dont les statistiques montrent que nombre d’entre eux font, comme le journaliste du Monde, leur chemin dans la société française. Une enquête récente souligne que le problème est plus complexe qu’il n’y paraît. 15 Cette enquête 274 AActuelles a été menée auprès de 6200 immigrés de toutes nationalités âgés de 45 à 70 ans qui ont parlé d’eux-mêmes et de leurs enfants. Elle montre que les enfants d’immigrés réussissent bien à l’école contrairement à une idée reçue. Ils sont mus par un fort désir d’ascension sociale. Mais elle indique également que la réussite scolaire ne peut pas tout. Le risque de chômage est plus fort dans ce groupe que dans l’ensemble de la population. Le facteur discrimination, même s’il n’est pas le seul, reste important. L’héritage de la guerre d’Algérie pèse très lourd et souvent les enfants d’immigrés gardent un ressentiment très fort à l’égard de la France qui se manifeste sur les stades où la Marseillaise est sifflée à l’occasion. Pour tous, être intégré c’est être comme n’importe quel Français sans nier sa culture d’origine. Cette dernière phrase est importante. Elle se situe aux antipodes du modèle assimilationniste d’autrefois. On accepte sa multi-appartenance, on fait avec, et on veut être accepté dans le cadre de cette identité plurielle. On va chercher sur l’Internet les nouvelles de son pays d’origine ou celui de ses parents, on en aime la musique, mais on se sent français tout aussi bien. C’est que la France est une vielle terre d’immigration. Selon les mots de Gérard Noiriel elle est ‚l’Amérique de l’Europe‘. Près d’un Français sur trois, répétons-le, a au moins un grand parent immigré et les mariages mixtes sont légion. C’est-à-dire que la France a changé de visage et que tout appel régressif concernant son identité, le culte de son histoire ramené au vieux récit, tout appel à son enracinement, à la vieille terre chrétienne et aux petits clochers, même si on aime ces villages et ces clochers, ne correspond plus à rien aujourd’hui. La France ne connaît et n’oppose que Républicanisme à Communautarisme en s’épuisant à ne pas gérer les différences par peur de la diversité, et c’est le différentialisme qui revient alors avec fracas au moment où on s’y attend le moins. Le problème s’est encore exacerbé avec la frilosité du Président Hollande et des gouvernements de gauche. On a vu des intellectuels épouser la cause identitaire. Renaud Camus va jusqu’à développer la thèse du ‚grand remplacement‘. „Le Grand Remplacement est le choc le plus grave qu’ait connu notre patrie depuis le début de son histoire puisque, si le changement de peuple et de civilisation, déjà tellement avancé, est mené jusqu’à son terme, l’histoire qui continuera ne sera plus la sienne, ni la nôtre“, écrivait-il récemment dans un manifeste. 16 Il fut l’inspirateur des thèses du Front national sur l’immigration, 17 de la grande peur de voir disparaître la culture française avec armes et bagages, de voir l’identité des Français de souche contaminée par l’Islam et disparaître. Même un Alain Finkielkraut ne reste pas insensible à cette grande peur et brandit la laïcité comme le bouclier qui va défendre les valeurs françaises sans prendre garde que Marine Le Pen instrumentalise constamment cette laïcité. „Il n’empêche: on ne fait pas la même expérience, on n’est pas confronté à la même réalité quand on voit des femmes revêtues du voile et a fortiori du voile intégral dans les rues de Kaboul, du Caire ou de Téhéran et quand on en croise dans les rues ou sur les marchés de nos villes“. 18 Autrement 275 AActuelles dit: on n’est plus chez soi. Dans une émission sur France Inter du 15 octobre 2013, Finkielkraut est allé jusqu’à dire qu’il n’était pas français comme l’était un Français de souche auquel il attribue le privilège de l’antériorité historique sinon historiale, ce qui est une négation de l’égalité des Français et un flirt dangereux avec les idées essentialistes de l’identité. Comme si les appartenances n’étaient pas flexibles et plurielles aujourd’hui, comme si vous étiez assigné à l’origine pour l’éternité. Ce qui le choque particulièrement, c’est la façon dont certaines femmes voilées ou jeunes des cités se disent français et insistent sur le fait que ce n’est pas aux élites de définir pour eux ce qu’est l’identité française. Quand, à l’issue d’un match de football dans le cadre du Mondial 2014, les Algériens ayant gagné, les jeunes de Marseille en particulier ont manifesté leur joie dans la rue avec force drapeaux algériens et qu’il y a eu des débordements et des arrestations, Marine Le Pen a immédiatement protesté en prônant l’interdiction de la double nationalité car nombre de ces jeunes sont Français en même temps qu’Algériens. Certains même ne sont que Français mais, ce jour-là, en tant que descendants de colonisés par la France, ils se sentaient d’abord Algériens, identité subjective si répandue aujourd’hui. Encore faudrait-il s’interroger sur le pourquoi de ces affleurements identitaires subjectifs et imaginaires, c’est-à-dire s’interroger sur le rapport de la France à son passé. La perte des repères historiques et mémoriels Les débats se sont exacerbés parce que, comme le répètent les élites, ‚la France ne s’aime pas‘. Elle semble avoir perdu son grand récit des origines, la conscience d’être unique, de sa singularité géographique et historique, des ses hauts faits, de son grand récit dans lequel j’ai encore été bercée et qui s’est dissous vers la fin des années soixante, sous les coups de butoir de la modernité, des retombées de la guerre d’Algérie et de l’entrée des sciences humaines dans les interrogations et questionnements de l’école. Gaston Bonheur, en 1963, a une manière plaisante de présenter, de résumer cette hagiographie républicaine: La grande chance de notre fête nationale c’est de tomber le 14 juillet. Et d’annoncer à grand renfort d’artifice les grandes vacances. L’ancien régime finit en même temps que les pensums. [ ] Quelques images vont vous mener rondement à l’échafaud de Louis XVI. Le jeu de Paume, et Mirabeau avec sa hure criblée de petite vérole comme un morceau de granit; le boulanger, la boulangère et le petit mitron (cet épisode se raccorde par le biais des chemins détrempés de Versailles à un des mythes institutionnels de notre éducation: le pain, le pain sacré); Varennes (perspicacité du postillon qui reconnaît sur son écu le visage du voyageur déguisé), le Temple (c’est tout de même une bien triste scène, ces enfants à genoux, cette mère qui pleure. On dirait que quelqu’un est mort dans la maison). Pour arrêter nos larmes, nous allons chanter la Marseillaise avec ce Rouget de Lisle qui, ‚accablé de l’inspiration divine s’endormit la tête sur son clavecin‘ comme si les notes finales ‚abreuve nos sillons‘ avaient été obtenues par le hasard de ce brusque affaissement sur le clavier. La Marseillaise démontra son efficacité à Valmy dont le moulin tourne tou- 276 AActuelles jours ses ailes à l’horizon de nos souvenirs superposé à celui de don Quichotte. L’école prend l’affaire en main grâce au club des Jacobins. Nous nous y sentons chez nous. Il y a le même poêle, la même chaire. Carnot qui a tant de places et de rues dans nos villes de Province est une espèce de super-instituteur. Il décrète la ‚patrie en danger‘. Il installe à tous les carrefours des baraques aussi attrayantes qu’un cirque ambulant, où s’opère ‚la levée en masse‘. Et qui vient s’enrôler à la mairie de Palaiseau? Moi, toi, le petit Bara 19 L’essentiel est dit. Certes le récit va se complexifier et ne se bornera pas à ces images d’Épinal, même si elles ne disparaîtront jamais tout à fait de l’horizon. À partir des années 60, les manuels se complexifient et l’histoire ne se résume plus à un récit continuiste sans aspérités. Il s’ouvre au monde et aux remises en question. Il s’interroge, même de façon feutrée, sur certaines pages sombres de l’histoire. Sans arriver à être pluriel, il se frotte d’ethnologie et de sociologie. Il abandonne le consensus et l’horizon patriotique de la Troisième République triomphante pour aborder le dissensus des luttes, parfois même des ‚luttes de classe‘ sous la pression du marxisme. Il n’hésite pas à parler de Juin 1848 et pas seulement de la Révolution de février, il aborde la Commune de Paris bien oubliée aujourd’hui. Il montre que les acquis sociaux dont nous sommes si fiers ont été, en fait, arrachés par des décennies de luttes sociales, parfois sanglantes. On aborde Les Thibault de Roger Martin du Gard et la grande figure de Jaurès essayant d’arrêter la marche à la guerre, on parle de la Résistance même si on ne sait pas encore trouver les mots concernant le génocide des juifs et la complicité de Vichy dans cette marche à la mort. Puis, les jeunes ont vécu Mai 68, ils sont sortis de leur village, de leur ville de province ou même de Paris, ils se sont mis à voyager, à aller partout jusqu’à Katmandou. Avec l’Europe, avec leur goût de l’aventure, ils ont vécu d’autres expériences que celles que la France leur offrait. La télévision depuis les années 60 leur a ouvert d’autres horizons que ceux du salut au drapeau pour lequel, d’ailleurs, nombre d’entre eux se sont fait tuer durant la guerre d’Algérie. Peut-être même se sont-ils sentis déjà européens ou citoyens du monde avant de se tourner vers l’écologie qui ne connaît pas de frontières. La France a vécu véritablement un changement d’époque. L’ancien passé glorieux devient souvent un passé piteux où plus aucun événement historique ne se trouve digne d’être commémoré sans controverse. Il y a ceux qui sont ‚morts pour la France‘, mais aussi ceux qui sont morts ‚à cause de la France‘. Il a été impossible de commémorer Austerlitz, non seulement parce que Napoléon avait mené des guerres sanglantes mais parce qu’il avait également rétabli l’esclavage. La Révolution française qu’on magnifiait du temps de mon enfance tomba dans l’opprobre. François Furet, au moment du bi-centenaire de la Révolution française, est venu rappeler, dans le basculement de l’hégémonie discursive, que si la France avait connu 1789, elle avait aussi vu 1793, la Terreur, racine selon lui de tous les totalitarismes à venir. La pauvre Jeanne d’Arc était aux mains de l’extrême droite et on ne voyait pas comment on pourrait la déloger de ce lieu sinistre. Un contre-discours s’est mis en place, symétrique de celui d’autrefois. La 277 AActuelles France, c’était la croisade des Albigeois avec ‚Tuez-les tous, Dieu reconnaîtra les siens‘, la Saint-Barthélemy, le code noir, la révocation de l’Édit de Nantes, la Terreur, l’affaire Dreyfus, la colonisation, Vichy, la guerre d’Indochine, les massacres de Madagascar, la guerre d’Algérie etc. On sait à quel point la France a eu du mal avec son passé récent, avec quelles réticences elle a reconnu le rôle de Vichy dans la déportation des Juifs de France, avec quelles difficultés elle a reconnu qu’une grande partie du pays n’avait pas été résistante mais ou bien collaboratrice ou bien indifférente la plupart du temps. Henri Rousso a étudié tout cela il y a déjà un certain nombre d’années. Il a fallu un historien américain, Robert O. Paxton, pour montrer l’ampleur de la collaboration de la société française, ampleur sur laquelle on faisait silence. Puis, il y eut des difficultés concernant le passé colonial de la France. Si la guerre d’Indochine a disparu de l’horizon politique et culturel des Français, il n’en est pas de même de la guerre d’Algérie dont l’État, jusqu’en 1997, ne reconnaissait même pas qu’il s’agissait d’une guerre et pas simplement d’événements et d’interventions de maintien de l’ordre. Ce passé récent trouble et divise. On a enfin parlé des massacres de Sétif, du massacre qui eut lieu lors des manifestations du 8 mai 1945, ‚l’autre 8 mai‘ qui n’a rien de glorieux. Rien ne se vit dans l’apaisement. Car il y a la mémoire des ‚Pieds-noirs‘, de ces Français d’Algérie rapatriés en 1962, elle-même divisée entre ceux qui soutenaient l’OAS et les autres; il y a la mémoire des combattants algériens, qu’ils fussent membres du FLN ou non, en Algérie ou en France, et dont le souvenir douloureux du 17 octobre 1961 reste vivant chez leurs descendants, qu’ils soient devenus Français ou non. Il y a la mémoire des Harkis et de leurs enfants, ces Algériens ayant choisi le camp de la France et abandonnés par elle, massacrés en Algérie ou, pour ceux qui avaient réussi à gagner la France, parqués dans le sud de la France, dans des villages qui pouvaient ressembler à des camps. Mémoires conflictuelles qui toutes demandaient de trouver place dans les récits de la mémoire officielle et les replis du ‚roman national‘. 20 Mémoire nationale qui se vit en danger, fragmentation de la mémoire collective, émergence véhémente des mémoires autres, difficulté à inscrire le pluralisme dans l’affrontement et l’imaginaire des passés tous instrumentalisés et tous concurrents - comment une mémoire commune pourrait-elle émerger? Peu avant la fin de son ministère, Jean-Marc Ayrault commande à quelques sociologues et dirigeants associatifs des rapports sur la crise de l’intégration et sur les solutions préconisées pour en sortir. Il en résulte cinq rapports placés sur le web du premier ministre sans que personne n’ait à y redire. Puis vint le scandale de leur dévoilement dans le Figaro du 12 décembre 2013. Devant les attaques de la droite mais aussi de la gauche, devant la levée de boucliers quasi unanime, le ministère les retire immédiatement et dit que cela ne correspondait pas à ses idées. Personne ne prend soin de lire véritablement ces cinq rapports. Or, si le 5 e fait montre de quelques demandes excessives comme celle d’abandonner l’interdiction du port du voile à l’école, l’essentiel de ces rapports constitue une des premières analyses véritables de la panne du vivre ensemble aujourd’hui en 278 AActuelles France. Que disent ces rapports? D’abord que la notion d’intégration qui avait joué un rôle positif quand elle s’est substituée à celle d’assimilation, depuis une trentaine d’années est elle-même, par glissements, devenue quasi synonyme de l’assimilation. Elle est une injonction, un ordre à devenir français de la façon dont on le devenait il y a une cinquantaine d’années: Cette notion politique adresse, malgré ses dénégations, un message très explicite d’assimilation: on conditionne l’accès à la citoyenneté à une adaptation préalable des populations [ ] vues comme toujours étrangères et sans cesse à intégrer. En pratique, l’injonction d’intégration n’a pas de fin et les personnes et les groupes qui en sont la cible font chaque jour l’expérience d’une précarité de leur condition politique: ils ne sont jamais vraiment considérés comme légitimement et normalement français. 21 Le rapport propose de parler plutôt de société d’inclusion en reprenant les propos de Thierry Tuot, conseiller d’État qui avait remis un rapport au Premier ministre en février 2013, rapport immédiatement mis sous le boisseau. Le rapport montre les mécanismes parfois subtils de la discrimination. Ils plaident pour un ‚nous‘ inclusif et solidaire, appellent à repenser le sentiment d’appartenance et s’interrogent sur le ‚nous‘ auquel on a perpétuellement à faire. La stigmatisation de l’immigration, de l’Islam ou des populations dites Roms renforce et relégitime le ‚nous‘ nationaliste qui périphérise d’emblée des groupes entiers tenus pour des outsiders. 22 Dans la longue liste des préconisations, je mettrai en avant l’enseignement d’une histoire plurielle, ce qui permettrait de mettre fin à cette guerre des mémoires à laquelle on assiste sans la penser, et l’accent mis sur l’enseignement de l’arabe et / ou d’une langue africaine, ce qui conférerait à ces jeunes une relégitimation reconnue par tous et pourrait ouvrir les portes de leur possible carrière et ascension sociale. Comme le fait fortement remarquer Rokhaya Diallo, aujourd’hui les identités sont fluides, plurielles, multiples: Nous ne sommes pas des demi-français. Quand beaucoup de gens ont des nationalités multiples, comme c’est le cas pour des Franco-Algériens, on n’est pas moitié l’un, moitié l’autre. On est 100 % français et 100 % algérien, et selon les circonstances, on peut avoir envie de mobiliser l’une ou l’autre des identités qui nous composent. L’appartenance à une autre identité que l’identité française ne menace en rien cette dernière. Ce qui unit les Noirs de France, ce n’est pas une identité, mais une expérience commune. On a six fois plus de chance d’être contrôlé quand on est noir que quand on est blanc, et huit fois plus quand on est d’origine maghrébine. Cette identité, elle nous est imposée de l’extérieur. 23 Beaucoup de maisons à Londres, surtout dans les quartiers petits bourgeois, sont ‚semi détachées‘, attachées les unes aux autres par un mur seulement, ce qui leur permet d’avoir un jardinet, une pelouse, un balcon. C’est le rêve de nombre d’immigrants de s’établir en banlieue, où les loyers et les prix de vente sont moins élevés que dans le Central London, dans une maison semi détachée. John Clement Ball, dans un livre consacré à l’imaginaire de Londres à travers l’écriture 279 AActuelles des écrivains migrants, 24 reprend le terme pour désigner les modalités d’appartenance des migrants. N’est-ce pas le destin des mégapoles de permettre aux identités semi détachées, diasporiques, fluides, déterritorialisées, de se développer? Londres ne le préfigure-t-elle pas depuis toujours? Être ou ne pas être chez soi, avoir ou ne pas avoir la nationalité du lieu, maîtriser ou ne pas maîtriser la langue de la mégapole, repartir dans son pays d’origine pour s’apercevoir qu’il faut revenir à Londres, y rester, penser trouver, ne serait-ce qu’un moment, un nouvel équilibre dans quelque retour identitaire, puis finalement rester dans l’entredeux, cultiver la ‚messthetics‘ dont parle Sukhdev Sandhu, habiter l’interstice. À l’encontre des fantasmes de délocalisation évoqués par les personnages du roman de Goeff Nicholson, mais à l’encontre également de toute identité fixée, collant à l’origine, une mégapole comme Londres devient un hors-lieu, la ‚villeentre‘, ouverte aux mille possibilités de la réalisation de soi. Prenons cet autre exemple: Taiye Selasi. À propos de son livre Le Ravissement des innocents (Ghana must go), qui vient de paraître en traduction chez Gallimard, la journaliste du Monde qui en rend compte dit plaisamment à l’auteur: „Where are you from? “ Voilà bien la question la plus anodine et la plus complexe qu’on ait jamais posée à Taiye Selasi. D’où venez-vous? Si on avait posé cette question à des jeunes dans un bar de Londres, répond-elle, ces jeunes gens auraient été bien en peine de répondre, continue Selasi. „Ils sont nés à Accra ou Lagos. Ont été élevés à Toronto ou Houston. Ils vivent et travaillent aujourd’hui à Londres, mais pour combien de temps? Je dis toujours, pour faire un jeu de mots, qu’ils sont, non pas ‚lost in translation‘ mais ‚lost in transnation‘“, note-t-elle en souriant. Elle est la parfaite représentante de ces ‚Africains du monde‘, cette nouvelle génération de jeunes diplômés, actifs, mobiles et multilingues que l’on appelle aussi les ‚Afropolitains‘. Née en 1979 à Londres d’une mère nigériane et d’un père ghanéen, élevée en Amérique près de Boston, elle fait ses études à Yale et est écrivain. Son écriture est à son image. Un étonnant produit de fusion. Mots, sons, images, tout s’y télescope. Imaginez une base de musique classique à laquelle vous incorporeriez du hip-hop américain et des percussions africaines comme celles du peuple Ewe, au Ghana, une musique dont les rythmes complexes sont un peu similaires à ceux du jazz. Mettez tout ça dans une centrifugeuse et vous obtiendrez mes tempos, mes mélodies, mes phrasés Oui, dit Taiye Selasi. Nos parents cherchaient des professions sûres, médecine, droit, banque Notre génération investit les médias, la politique, le capital-risque, l’art, le design, la littérature Ce qui nous caractérise, c’est une volonté de ‚compliquer l’Afrique‘, de refuser les simplifications, de marier des influences disparates tout en préservant l’héritage de nos pères. Sans avoir peur de nous poser des questions. 25 Et pourquoi pas Paris? 280 AActuelles Dans la fluidité des appartenances et des identités, la société inclusive c’est peut-être cela, une appartenance ‚entre‘, interstitielle en même temps que plurielle, une appartenance semi-détachée prête à toutes les aventures. Si 25 % des votants peuvent donner leur voix au Front national, les Français sont cependant nostalgiques d’un autre cours des choses. Ce n’est pas pour rien que 10 millions de spectateurs ont vu cette comédie: Qu’est-ce qu’on a fait au bon dieu? de Philippe de Chaveron, où les quatre filles à marier d’un couple de la bonne bourgeoisie de province épousent qui un jeune d’origine algérienne, qui un juif, une autre un asiatique et la dernière un noir et finalement au-delà des préjugés et des clichés tout se passe bien. Une nostalgie de ce soir de juillet 1998 quand la France gagna la coupe de football et que des milliers de personnes de toutes origines, se retrouvèrent sur les Champs-Élysées en scandant: Zidane Président! Tout ceci reste encore très confus et la crise économique aggrave les peurs identitaires. Le chemin est long pour faire prévaloir l’égalité sur l’identité, l’horizon sur l’origine et la fraternité sur le repli d’un ‚nous‘ étriqué. La France comme nombre de grandes nations aujourd’hui est multiculturelle, mais elle ne sait pas encore tout à fait qu’elle l’est devenue. 1 Régis Debray, Modeste contribution aux discours et cérémonies officielles du dixième anniversaire, Paris, Maspéro, 1978, 37. 2 Régis Debray, op. cit. (note 1), 35-36. 3 Luc Boltanski / Eve Chiapello, Le nouvel esprit du capitalisme, Paris, Gallimard, 1999. 4 C’est le cas de Michael Hardt et Antonio Negri, dans Empire, Paris, Exils éditeurs, 2000. Le cadre épistémologique n’est en rien celui de Luc Boltanski et Eve Chiapello, mais un certain nombre de constats convergent. 5 Zygmunt Bauman, L’identité, Paris, Les éditions de l’Herne, 2010. 6 Alain Renaut, „Les pièges et arrogances du creuset républicain. De la difficulté française à assumer la diversité“, Le Monde, 7 novembre 2009. 7 http: / / www.academia.edu/ 5522583/ Notice_Communautarisme_dans_Comment_Nicolas_ Sarkozy_%C3%A9crit_lhistoire_de_France_2008_ (01/ 12/ 14). 8 Cf. Patrick Lozès, „La lutte contre le communautarisme ne peut être une lutte contre les communautés“, Le Monde, 09 mars 2010. 9 „L’ethnicisation de la France met en scène une guerre des identités“, Le Monde, 09 juillet 2014, propos recueillis par Nicolas Truong. 10 Mustapha Kessous, „Ça fait bien longtemps que je ne prononce plus mon prénom quand je me présente au téléphone“, Le Monde, 24 septembre 2009. 11 Id., „L’identité nationale, un débat français qui passe mal“, Le Monde. Dossiers et Documents, 393, janvier 2010, 1. 12 Cité par Vincent de Gaujelac, Qui est ‚je? ‘, Paris, Seuil, 2009, 74. 13 Ibid., 75. Les italiques sont de moi. 14 Ibid., 83sq. 15 Claudine Attias-Donfut / François-Charles Wolff, Le destin des enfants d’immigrés: un désenchâinement des générations, Paris, Stock, 2009. 16 Cité par Frédéric Joignot, „Le grand boniment“, Le Monde, 23 janvier 2014. 281 AActuelles 17 Il ne faut pas oublier que le Front national a obtenu 25% des voix aux élections européennes en France en mai 2014. 18 Alain Finkielkraut, L’identité malheureuse, Paris, Stock, 2013. 19 Gaston Bonheur, Qui a cassé le vase de Soissons? , Paris, Laffont, 1963, 105-107. 20 Pour tous ces phénomènes cf. les excellents travaux de Benjamin Stora et en particulier Les guerres sans fin, Paris, Stock, 2008. 21 Propos cités par Lucie Delaporte, „Intégration: le rapport déjà enterré et que personne n’a lu“, Médiapart, 18 décembre 2013. 22 Cf. à ce sujet le remarquable article de Esther Benbassa, „Quand les ‚Arabes’ prennent le pouvoir par la plume: ces rapports qui font trembler le gouvernement“, Huffington Post, 16 décembre 2013. 23 Art. cit. (note 9). 24 John Clement Ball, Imagining London. Postcolonial Fiction and the Transnational Metropolis, London / Toronto, University of Toronto Press, 2004; id., „The Semi-detached Metropolis. Hanif Kureishi’s London“, in: A review of International English Literature, 27, 4, oct 1996, 5-27. 25 Tous ces éléments dans Florence Noiville, „Tayse Selasi. Tout lui sourit“, Le Monde des livres, 21 août 2014. 282 AArts & Lettres Hans-Jürgen Lüsebrink Le ‚beau‘ dans l’œuvre de Michel Foucault De l’archéologie des pratiques artistiques à l’esthétique de l’existence A la mémoire de Michel Foucault (1926-1984) 1 I. Foucault ‚écrivant‘ - la beauté paradoxale d’une écriture-diagnostic Interroger l’œuvre de Michel Foucault sous l’angle du beau et de la beauté, c’està-dire dans la perspective d’une réflexion esthétique, peut paraître paradoxal, voire, à la rigueur, relever d’une gageure. Foucault est un historien du discours, des savoirs et des relations que ceux-ci entretiennent avec le pouvoir, qui a toujours récusé, notamment dans les multiples entretiens dans lesquels il a pu se prononcer sur l’orientation fondamentale de son œuvre et la conception de son écriture, toute dimension proprement esthétique de ses questionnements et de la manière dont il les a formulés. Dans une interview de 1968 récemment publiée durant laquelle le critique littéraire Claude Bonnefoy l’interrogeait sur la dimension esthétique de son écriture, Michel Foucault dit souscrire à la distinction entre écriture littéraire et écriture discursive, mais ne se rattache qu’à cette dernière. Bonnefoy affirme avec insistance le „talent d’écrivain“ 2 de Foucault et constate que „quand on lit l’Histoire de la folie ou Les mots et les choses, ce qui frappe, c’est de voir une pensée analytique extrêmement précise et pénétrante sous-tendue par une écriture dont les vibrations ne sont pas uniquement celles d’un philosophe mais révèlent un écrivain“ et souligne que cette dimension donne à ses textes „une ouverture sur un domaine qui n’est plus seulement celui de l’écriture discursive, mais de l’écriture littéraire“. „À vous lire“, poursuit Bonnefoy, tentant de sortir son interlocuteur de sa réserve, „on a l’impression que votre pensée est inséparable d’une formulation à la fois rigoureuse et modulée, que la pensée serait moins juste si la phrase n’avait pas trouvé aussi sa cadence, si elle n’était pas aussi portée et développée par cette cadence.“ 3 Foucault répond d’un ton plutôt laconique à cette longue question de Bonnefoy, en affirmant qu’il n’est pas, „personnellement, très fasciné par le côté sacré de l’écriture“ 4 tout en admettant que l’écriture peut avoir, chez les écrivains - il cite ici explicitement Mallarmé -, une dimension proprement esthétique et intransitive, et il concède également: „Au niveau de mon expérience vécue, j’avoue que ce n’est pas du tout comme ça que, pour moi, l’écriture s’est présentée. J’ai toujours eu à l’égard de l’écriture une méfiance presque morale.“ 5 Foucault caractérise sa propre écriture comme un „diagnostic“ 6 et la rapproche de la pratique chirurgicale qui lui était familière depuis son enfance puisque son père, lui même fils de médecin, était un chirurgien renommé à Poitiers, sa ville natale. 283 AArts & Lettres Dans cet entretien, Foucault se désigne lui-même comme un „diagnosticien“ du discours: Je ne découvre ce que j’ai à démontrer que dans le mouvement même par lequel j’écris, comme si écrire était précisément diagnostiquer ce que j’avais voulu dire au moment même où j’ai commencé à écrire. Je pense que là je suis tout à fait fidèle à mon hérédité puisque comme mon père et mes grands-parents, je veux faire un diagnostic. Seulement, à leur différence - et c’est en cela que je me sépare d’eux et que je suis retourné contre eux -, ce diagnostic je veux le faire à partir de l’écriture, je veux le faire dans cet élément du discours que les médecins, d’ordinaire, réduisent au silence. 7 Pour se démarquer très nettement de la fonction d’‚écrivain‘, avec toute la dimension esthétique et l’aura symbolique qu’elle implique et que Bonnefoy veut lui attribuer, Foucault a recours, dans d’autres passages de ce long entretien programmatique, à la distinction établie par Roland Barthes entre ‚écrivains‘ et ‚écrivants‘ pour affirmer d’emblée: Je ne suis pas un écrivain. D’abord, je n’ai aucune imagination. Je n’ai jamais pu concevoir quelque chose comme le sujet d’un roman. Certes, j’ai eu parfois l’envie d’écrire des nouvelles au sens presque journalistique du terme: de raconter des micro-événements, de raconter par exemple la vie de quelqu’un, mais en cinq lignes, en dix lignes, pas plus. Je ne suis donc pas un écrivain. Je me place résolument du côté des écrivants, de ceux dont l’écriture est transitive. Je veux dire du côté de ceux dont l’écriture est destinée à désigner, montrer, manifester hors d’elle-même quelque chose qui, sans elle, serait restée sinon cachée, du moins invisible. 8 À lire de près cet entretien si important pour la réflexion de Foucault sur l’écriture et sa propre approche d’historien-philosophe, on relève néanmoins, avec étonnement, certains énoncés que l’on pourrait qualifier presque de ‚dérive‘, où Foucault semble se laisser entraîner à des positions qu’il refusait initialement. Après avoir affirmé avec insistance, en répétant la phrase „Je ne suis pas un écrivain“, 9 il ajoute, au détour d’une phrase et à la toute fin d’un paragraphe où il avait soutenu d’abord le contraire: „C’est peut-être là qu’existe, malgré tout, pour moi, un enchantement de l’écriture.“ 10 À d’autres endroits de l’entretien, il admet son „envie d’écrire“, 11 longtemps réprimée car considérée avec un certain dédain dans son milieu familial, et même son „plaisir d’écrire“. 12 Et dans un passage de l’entretien qui porte sur la question de savoir quand Foucault avait commencé à écrire, il évoque ce qu’il appelle sa ‚conversion‘ difficile vers l’écriture dans un milieu familial imprégné par la médecine et la chirurgie où la pratique de la parole et de l’écriture, au niveau professionnel, est réduite au strict minimum. Foucault se laisse alors entraîner à comparer sa propre écriture à du „velours“, ce qui semble, sur le plan métaphorique, radicalement opposé à l’idée du diagnostic et du regard clinique par lesquels il caractérise par ailleurs sa pratique d’historien-philosophe: „Pour moi, écrire est une activité extrêmement douce, feutrée. J’ai comme une impression de velours quand j’écris. Pour moi, l’idée d’une écriture veloutée est comme un thème familier, à la limite de l’affectif et du perceptif, qui ne cesse de 284 AArts & Lettres hanter mon projet d’écriture lorsque je suis en train d’écrire, qui me permet à chaque instant de choisir les expressions que je veux utiliser. Le velouté, pour mon écriture, est une sorte d’impression normative.“ 13 II. Archéologie sémantique du beau Essayons ici dans un premier temps, afin de mieux explorer les implications de ce paradoxe, de repérer les occurrences des termes de ‚beau‘ et de ‚beauté‘ dans l’œuvre de Foucault, puis d’analyser leur présence, leurs enjeux et leurs fonctions. Il faut d’emblée souligner la rareté de ces deux termes chez Foucault: ils ne figurent pas dans l’index des vastes recueils de ses articles et entretiens, Dits et écrits; et ils ne se trouvent dans un aucun titre d’ouvrage, d’entretien ou d’article publié par Foucault, mis à part celui, paru de manière posthume et dont le titre ne provient pas de Foucault lui-même, intitulé Le beau danger qui comporte le long entretien précédemment cité avec Claude Bonnefoy. Foucault utilise cependant cette expression vers la fin de cet entretien en lui donnant toutefois une signification non pas esthétique, mais herméneutique: „Je sais de toute façon“, précise Foucault, „que mes livres seront compromis par ce que je dis, et moi aussi. C’est le beau danger, le danger amusant de ces entretiens.“ 14 Les termes de ‚beau‘ et de ‚beauté‘ sont, effectivement, très rares chez Foucault qui les utilise essentiellement dans certains articles et entretiens consacrés à des œuvres artistiques et littéraires, mais aussi dans ses travaux sur des figures de criminels. Dans une interview consacrée à son ouvrage sur l’écrivain Raymond Roussel, il parle ainsi de la „belle étrangeté“ et de la „beauté intrinsèque“ de son œuvre. 15 Dans sa présentation du mémoire de l’assassin Pierre Rivière, il décrit celui-ci comme „un texte d’une grande étrangeté“ dont la „beauté seule suffirait encore à le protéger aujourd’hui.“ 16 Et dans son article programmatique sur „La vie des hommes infâmes“, basé sur des récits de prisonniers, il évoque d’emblée la „beauté“ du „style classique“ de certains de ces textes en ancrant ce terme de beauté dans un champ conceptuel constitué à partir des termes d’‚étrangeté‘, de ‚splendeur‘, d’‚intensité‘, de ‚violence‘, d’‚excès‘ et de ‚somptuosité‘. 17 Dans un entretien donné en 1975, dans le contexte de la parution de son ouvrage Surveiller et punir. Naissance de la prison, Foucault évoque l’esthétisation du crime caractéristique, selon lui, de la société bourgeoise moderne, qui aurait constitué une „esthétique où le crime n’est plus populaire, mais un des beaux-arts dont elle est seule capable.“ 18 Foucault reprend cette sémantique dans d’autres interviews de l’époque, en affirmant par exemple dans la fameuse émission „Radioscopie“ avec Jacques Chancel en 1975: Il me semble qu’il y a eu depuis le début du XIX e siècle toute une littérature que j’appellerais comme cela hâtivement bourgeoise, d’éloge du crime, une sorte d’esthétique du crime, l’assassinat considéré comme l’un des beaux-arts. 19 285 AArts & Lettres De l’analyse des occurrences des termes de ‚beau‘ et de ‚beauté‘ ainsi que de celui, étroitement relié, d’‚esthétique‘ dans l’œuvre de Foucault se dégage, malgré leur rareté relative, plusieurs lignes de force. Ces termes paraissent d’abord associés, notamment dans ses ouvrages parus dans les années 1960, à une esthétique de la provocation, de la rupture et de mise en cause radicale de paradigmes de savoirs et de représentations incarnés en premier lieu par des œuvres comme celles de René Magritte, du Marquis de Sade, d’Antonin Artaud, de Georges Bataille, de Jorge Luis Borges, de Raymond Roussel ou encore de Maurice Blanchot. Cette esthétique se situe d’emblée dans le sillage de la revue Tel Quel dans laquelle Foucault publia certains de ses textes. Dans un deuxième volet, élaboré notamment dans les années 1970 autour de Surveiller et punir et de son ouvrage sur Pierre Rivière, volet qui s’articule à son projet d’une archéologie des savoirs, les notions de beau, de beauté et la conception esthétique les définissant, renvoient avant tout au ‚crime‘ et à l’univers d’une marginalité rejetée par les normes établies de la société bourgeoise. Dans une interview donnée en 1978, il explique à ce sujet que la seule question qui m’intéresse est celle de savoir comment, depuis la fin du XVIII e siècle jusqu’à nos jours, il a été et il est toujours possible de relier la folie au génie, à la beauté, à l’art. Pourquoi avons-nous cette singulière idée que si quelqu’un est un grand artiste, alors il y a nécessairement en lui quelque chose qui relève de la folie? Nous pourrions dire la même chose du crime. Lorsque quelqu’un commet quelque chose comme un beau crime, les gens ne pensent pas que ce crime puisse être le fait d’une sorte de génie, mais qu’il y a de la folie à l’œuvre. Le rapport entre la folie et le crime, la beauté et l’art est très énigmatique. Notre tâche, selon moi, est de comprendre pourquoi nous considérons ces rapports comme allant de soi. 20 Le phénomène d’une ‚beauté du crime‘ apparaît ainsi, dans le cadre d’une archéologie foucaldienne des savoirs, à la fois comme un objet d’analyse discursive - puisque Foucault analyse notamment dans Surveiller et punir la généalogie des formes de représentation de la criminalité aux XVIII e et XIX e siècles - et comme un objet de fascination qui semble parfois même le capter. Foucault a en effet recours, quand il évoque les terme de ‚beau‘, de ‚beauté‘ et de ‚beaux-arts‘ en relation avec ceux de ‚crime‘ et de ‚folie‘, à des registres de description qui trahissent tout son enthousiasme et sa propre fascination devant ces phénomènes. La troisième dimension du champ sémantique de la ‚beauté‘ apparaît à la fin des années 1970, dans le sillage de son Histoire de la sexualité; elle est ancrée dans une „esthétique de l’existence“ plus large qui puise ses références en tout premier lieu dans la philosophie des stoïciens anciens. Elle semble en même temps proche des positions esthétiques et existentielles des surréalistes, en particulier de l’œuvre d’André Breton. Des ouvrages comme en particulier Arcane 17 et son roman Nadja qui se termine sur la fameuse phrase „La beauté sera CONVUL- SIVE ou ne sera pas“, 21 placent précisément en leur centre l’esthétisation de l’existence quotidienne, son potentiel révolutionnaire et la mise en cause radicale des distances traditionnellement établies entre ‚vie‘, ‚œuvre d’art‘ et ‚beauté‘. Dans 286 AArts & Lettres ses derniers ouvrages, notamment les deuxième et troisième volumes de son Histoire de la Sexualité, et dans les entretiens qui entourèrent leur parution dans les années 1982 et 1983, Foucault a ainsi fait glisser son utilisation des termes ‚beauté‘ et ‚esthétique‘ vers une approche qu’il a lui-même définie comme une ‚esthétique de l’existence‘ impliquant une véritable philosophie généalogique de l’existence. Il choisit de penser cette philosophie à partir des notions de ‚généalogie du désir‘, de ‚généalogie de l’éthique‘ et la définit comme une „ontologie de nous-mêmes dans nos rapports à la vérité qui nous permet de nous constituer en sujets de connaissance“, 22 prenant ainsi radicalement ses distances par rapport à la philosophie existentialiste de Sartre. Plutôt que de considérer l’art - et la conception de la beauté qui lui est inhérente dans la critique littéraire et artistique - comme un champ d’investigation et un domaine matériel (lié à des objets) et cloisonné, il propose de l’ancrer dans l’existence individuelle et sociale de chacun. „Dans notre société“, souligne Foucault dans une conférence donnée à l’Université de Californie à Berkeley en avril 1983, „l’art est devenu quelque chose qui n’est en rapport qu’avec les objets et non pas avec les individus ou avec la vie; l’art est un domaine spécialisé fait par des experts qui sont des artistes. Mais la vie de tout individu ne pourrait-elle pas être une œuvre d’art? “ 23 Ses tout derniers ouvrages, L’usage des plaisirs et Le souci de soi s’inscrivent ainsi dans une préoccupation croissante de Foucault pour la dimension esthétique de l’existence dans laquelle il voit une caractéristique de la post-modernité: „Je ne fais pas de différence“, déclare-t-il dans une interview avec le metteur en scène allemand Werner Schroeter, auteur du film La Mort de Maria Maliban („Der Tod der Maria Maliban“, 1972) auquel Foucault consacra un article paru en 1975 dans la revue Cinématographe, „entre les gens qui font de leur existence une œuvre et ceux qui font une œuvre dans leur existence. Une existence peut être une œuvre parfaite et sublime, et ça, les Grecs le savaient, alors que nous l’avons complètement oublié, surtout depuis la Renaissance.“ 24 Au-delà de ces dimensions multiples du champ sémantique de la beauté chez Foucault qui renvoient à des périodes de son œuvre, à des questionnements, des approches et des références tous très différents, on peut dégager deux lignes de continuité apparentes. On retiendra d’une part l’association du ‚beau‘ avec la notion d’‚étrangeté‘, c’est-à-dire la perception d’une opacité intrinsèque, d’une dimension insaisissable liée à l’esthétique; et, d’autre part, l’association entre beauté et émotionalité, Foucault reliant ces termes, dans presque toutes les occurrences des notions de ‚beau‘ et de ‚beauté‘ que l’on trouve dans ses textes, à l’affection, à l’envoûtement, à la séduction, à l’obsession ou encore à la fascination - des termes qu’il utilise intensément par exemple dans un entretien sur ses rapports avec l’œuvre littéraire de Raymond Roussel. „J’ai été envoûté par cette prose“, avoue-t-il en 1983 à Charles Ruas, „à qui j’ai trouvé une beauté intrinsèque, avant même de savoir ce qu’il y avait derrière. Et quand j’ai découvert les procédés et les techniques d’écriture de Raymond Roussel, sans doute un certain côté obsessionnel en moi a été une seconde fois séduit.“ 25 287 AArts & Lettres III. Fascinations esthétiques - approches des pratiques artistiques Foucault a toujours délibérément récusé la qualification de critique littéraire, de critique de cinéma ou de critique d’art, et pourtant, l’art, le cinéma et la littérature jouent un rôle non négligeable dans son œuvre, et ce dans une double perspective: épistémologique et esthétique. Dans la conception foucaldienne d’une archéologie du savoir - à travers laquelle il donna en 1969, dans l’ouvrage du même titre, un cadre théorique tant à ses livres antérieurs sur les discours sur la folie, la psychiatrie et l’histoire des sciences humaines, qu’à ses livres postérieurs sur les discours sur la criminalité et la sexualité -, des socles épistémologiques et des ruptures épistémologiques s’articulent, se cristallisent, dans des œuvres artistiques et des pratiques esthétiques. Les formes de représentation de l’âge classique, les rapports fondamentaux inscrits dans sa pensée et ses registres de perception de la réalité socio-politique, se trouvent ainsi cristallisés, selon Foucault dans Les mots et les choses (1966), au sein du tableau Las Meninas peint par Velázquez en 1656. La rupture entre l’âge classique et la première modernité se trouvé incarnée, dans la pensée foucaldienne, à travers les œuvres quasi contemporaines du Marquis de Sade, de Denis Diderot et de Francisco de Goya. Et la seconde modernité, introduite sur le plan de la pensée économique et sociale, essentiellement par la pensée de Marx, de Freud et de Nietzsche, 26 se trouve symbolisée ou ‚traduite‘, au niveau des signes artistiques, en particulier par des artistes comme Édouard Manet, Antonin Artaud et René Magritte auxquels Foucault consacra des pages entières dans Les mots et les choses et dans d’autres études. Foucault est qualifié très justement d’„artiste anti-artiste“ par la philosophe Blandine Kriegel, sachant magistralement faire „émerger dans une esthétique pure, l’objet distillé et retaillé de la pensée discursive.“ 27 Une analyse du fameux texte consacré aux Meninas de Velázquez dans Les mots et les choses permet de mettre en lumière cette approche épistémologique originale de Foucault et de montrer en même temps comment celle-ci se complète d’une approche à peine avouée, ou plutôt une fascination, d’ordre foncièrement esthétique. Le tableau du peintre officiel de la cour, peint à l’apogée de la puissance espagnole au milieu du XVII e siècle, représente les demoiselles d’honneur de la Cour du Roi d’Espagne, Philippe IV. Ce tableau occupe d’abord, dans la structure argumentative du livre de Foucault, la place d’un „modèle réduit de l’agencement du savoir classique, ce savoir rivé à la notion de Représentation et s’ordonnant à la forme d’un tableau“. 28 Foucault décrit tout d’abord minutieusement, au début de Les mots et les choses, ce tableau qu’il avait découvert lors d’une visite au Musée du Prado à Madrid, au début des années 1960. Se mettant lui-même à la place - ou plus précisément dans la position - du spectateur, il parcourt l’espace pictural en traçant la ligne classique du ‚Z‘ censée suivre son regard. Transformant par là même son lecteur en véritable spectateur du tableau dont il guide le regard, Foucault impose d’emblée la subjectivité de son discourscommentaire - par le recours délibéré au ‚je‘ - et met en même temps en place 288 AArts & Lettres une situation de communication intersubjective, par le recours au ‚nous‘, qui embrasse l’auteur-commentateur, le lecteur et le tableau à travers un jeu complexe de regards: La lumière, en inondant la scène (je veux dire aussi bien la pièce que la toile, la pièce représentée sur la toile, et la pièce où la toile est placée), enveloppe les personnages et les spectateurs et les emporte, sous le regard du peintre, vers le lieu où son pinceau va les représenter. Mais ce lieu nous est dérobé. Nous nous regardons regardés par le peintre, et rendus visibles à ses yeux par la même lumière qui nous le fait voir. Et au moment où nous allons nous saisir transcrits par sa main comme dans un miroir, nous ne pourrons surprendre de celui-ci que l’envers morne. L’autre côté d’une psyché. Or, exactement en face des spectateurs - de nous-mêmes -, sur le mur qui constitue le fond de la pièce, l’auteur a représenté une série de tableaux; et voilà que parmi toutes ces toiles suspendues, l’une d’entre elles brille d’un éclat singulier. 29 Le tableau qui montre par jeu de miroirs, au sens propre et au sens figuré du terme, le couple souverain, le Roi Philippe IV et son épouse Marianna, est ainsi structuré par trois perspectives habilement mises en lumière dans l’analyse de Foucault: d’abord le regard du modèle au moment même où on le peint, puis celui du spectateur qui regarde la scène, et, enfin, le regard du peintre (qui représente lui-même un autoportrait de Velázquez) à l’instant même où il compose son tableau. Foucault voit réunis dans ce tableau l’ensemble des éléments majeurs, articulés à travers une cristallisation visuelle, de ce qu’il définit dans Les mots et les choses comme l’épistémè classique: la transparence du réel, susceptible d’être rendu visible à travers des représentations picturales, et la place centrale du pouvoir souverain, à la fois caché et omniprésent, dans les réalités socio-politiques de même que dans les structures du savoir et dans les mentalités. „Peut-être y a-t-il dans ce tableau de Vélasquez“, écrit Foucault en conclusion de sa description analytique, „comme la représentation de la représentation classique, et la définition de l’espace qu’elle ouvre. Elle entreprend en effet de s’y représenter en tous ses éléments, avec ses images, les regards auxquels elle s’offre, les visages qu’elle rend visibles, les gestes qui la font naître.“ 30 Élément essentiel de la structure d’argumentation de Les mots et les choses que Foucault va reprendre au fil de son livre, le tableau de Velázquez apparaît en même temps comme un objet esthétique, caractérisé par une composition parfaite dans ses jeux de renvois et ses effets de miroir, devant lequel Foucault exprime toute sa fascination. Dans l’entretien de 1968 avec Claude Bonnefoy, que nous avons évoqué au début de cette contribution, Foucault a longuement décrit sa rencontre - d’abord purement émotionnelle et portée par une admiration d’ordre esthétique - avec le tableau de Velázquez au musée du Prado, qui a débouché ensuite, à travers un lent cheminement dont il esquisse la dynamique créative, sur une analyse épistémologique: Par exemple, un jour, à Madrid, j’avais été fasciné par Les Ménines de Velázquez. J’avais regardé ce tableau pendant très longtemps, comme ça, sans penser en parler un jour, 289 AArts & Lettres encore moins le décrire - ce qui m’aurait semblé sur le moment dérisoire et ridicule. Et puis un jour, je ne sais plus comment, sans l’avoir revu, sans même avoir regardé de reproduction, l’envie m’est venue de parler de mémoire de ce tableau, de décrire ce qu’il y avait dedans. Dès que j’ai essayé de le décrire, une certaine coloration du langage, un certain rythme, une certaine forme d’analyse surtout m’ont donné l’impression, la quasi certitude - fausse, peut-être - que j’avais exactement là le discours à travers lequel pourrait surgir et se mesurer la distance que nous avons à la pensée classique de l’ordre et de la ressemblance. C’est ainsi que j’ai commencé à écrire Les mots et les choses. 31 Foucault décrit ainsi, de manière assez surprenante, un cheminement de la connaissance qui s’ancre dans une expérience d’abord purement esthétique pour évoluer ensuite vers une analyse discursive à la fois historique et abstraite. Les termes, visant à saisir l’effet esthétique, de „coloration“, de „rythme“, de „regard“, de „fasciné“ et d’„envie“, se retrouvent, en partie articulés dans d’autres lexèmes, dans les textes descriptifs et analytiques que Foucault a consacrés dans Les mots et les choses à ce même tableau de Velázquez qui sont eux aussi empreints, comme nous l’avons vu, mais de manière peut-être moins perceptible, d’une subjectivité avouée. Foucault souhaite ainsi, utilisant une métaphore fascinante au début de Les mots et les choses, que le spectateur puisse „jouir du fruit, mûr tout à coup, de son spectacle“. 32 La „lumière dorée“, savamment agencée et occupant une place centrale dans le tableau, se transforme sous la plume de Foucault en un personnage allégorique qui „emporte à la fois le spectateur vers le peintre, et le modèle vers la toile, et en éclairant le peintre, le rend visible au spectateur et fait briller comme autant de lignes d’or aux yeux du modèle le cadre de la toile énigmatique où son image, transportée, va se trouver enclose“. 33 Par la suite, en suivant l’argumentation ici toute métaphorique de Foucault, cette lumière „enveloppe les personnages et les spectateurs et les emporte, sous le regard du peintre, vers le lieu où son pinceau va les représenter“. 34 Foucault fait également appel à l’imagination créative du lecteur-spectateur en insinuant que l’on „devine déjà dans le regard respectueux de l’assistance, dans l’étonnement de l’enfant et des nains“ 35 que les personnages apparaissant dans l’escalier lumineux au fond du tableau sont les souverains espagnols. Foucault a recours à un vocabulaire de description à la fois subtilement différencié et extrêmement poétique, permettant de saisir en même temps les connotations des signes du tableau, et son propre plaisir, sa fascination personnelle devant ce tableau qu’il évoque à la fin de ses réflexions sur les Ménines dans Les mots et les choses en parlant du „pur bonheur de l’image“. 36 On peut relever ainsi des termes évocateurs et poétiques comme „jour étrange“, „énigmatique“, „nuit sans profondeur“, „scintiller“, „enchantement“ (terme qui revient deux fois) ou encore „ligne impérieuse“, et des métaphores comme „l’acier du regard“, 37 „la fixité opaque“, 38 „l’envers morne“ (du miroir), 39 „le balancement immobile“ 40 ou le „miroir regardant et regardé“. 41 290 AArts & Lettres IV. Esthétique de l’existence Les derniers ouvrages de Foucault - les volumes deux et trois de son Histoire de la sexualité, intitulés respectivement L’usage des plaisirs et Le souci de soi (1984) - comportent un dernier volet esthétique que Foucault a défini lui-même comme une ‚esthétique de l’existence‘. Dans son approche généalogique du discours occidental sur la sexualité, il distingue en effet deux types de morale très différents: d’une part la morale chrétienne impliquant l’obéissance à un code et valorisant la pratique de l’aveu et de la confession (du confessionnal chrétien jusqu’à la psychanalyse), d’autre part l’éthique gréco-romaine orientée vers l’esthétique et „pour laquelle il s’agit de faire de sa vie une œuvre d’art “. 42 Revenant ainsi à la problématique de l’‚invention de soi‘ qui avait été au centre de Raymond Roussel (1963), un de ses premiers ouvrages et le seul concernant directement la littérature, Foucault associe, dans les derniers volumes de l’Histoire de la sexualité et les articles ou entretiens qui les accompagnent, éthique et esthétique d’une manière nouvelle et originale, en ayant recours notamment à des philosophes de l’antiquité grecque: „Et si je me suis intéressé à l’Antiquité“, remarque-t-il dans un de ses tout derniers entretiens, paru après sa mort en juillet 1984 dans Le Monde, „c’est que, pour toute une série de raisons, l’idée d’une morale comme obéissance à un code de règles est en train, maintenant, de disparaître, a déjà disparu. Et à cette absence de morale répond, doit répondre, une recherche qui est celle d’une esthétique de l’existence.“ 43 Quant au fondement d’une généalogie historique du discours occidental sur la sexualité, à la fois sur sa répression et son omniprésence discursive, Foucault met en avant, dans ses derniers ouvrages, quatre pratiques de soi qu’il considère comme les composantes d’une ‚esthétique de l’existence‘: l’entraînement (gumnasisa) englobant le sport, la sexualité, mais aussi la diététique; l’ascèse (askêsis) impliquant des exercices de concentration, de retraite, de purification, d’épreuve de soi-même; ensuite, en troisième lieu, la méditation (meletê) embrassant les techniques de mémorisation des faits passés, mais aussi des rêves et de leur interprétation; et, enfin, en quatrième lieu, l’examen de soi impliquant des pratiques d’introspection, d’observation de soi, où l’écriture joue un rôle capital et pour lesquelles Foucault renoue avec la pensée philosophique d’Epictète, de Cicéron et de Marc-Aurèle. Cette valorisation des pratiques d’introspection alla de pair, dans les derniers ouvrages et articles de Foucault, avec une réflexion sur Immanuel Kant et son impératif moral - concept auquel Foucault choisit de donner un sens radicalement nouveau, individualiste et non-téléologique - et avec un retour sur une certaine conception de l’esthétique: non plus celle, sadienne ou rimbaldienne, de l’excès, de la beauté du crime et du lyrisme de la violence qui avait été au centre de la réflexion esthétique de Foucault entre la fin des années 1960 et celle des années 1970, mais au contraire celle d’une stylisation de l’existence individuelle, d’un accord entre pratiques de soi et expression de soi-même, qui accompagne le grand projet généalogique de l’Histoire de la sexualité à partir de 1976. Foucault qui semblait être devenu, dans 291 AArts & Lettres la mouvance de mai 68, le philosophe de la marginalité et des exclus, mais aussi de l’homosexualité et de la libération sexuelle, se fait le porte-parole, dans ses derniers ouvrages, d’une déconstruction critique des discours libertins contemporains en Occident, de leur diffusion pléthorique, de leur omniprésence et de leur commercialisation à outrance. Son projet d’une ‚esthétique de l’existence‘, qui s’ancre en tout premier lieu dans le sillage des philosophes de l’Antiquité, renvoie en même temps, outre à Raymond Roussel, à André Breton et sa vision d’une unité existentielle entre art et vie, dont on trouve l’une des expressions les plus marquantes dans son roman Nadja, et prend résolument ses distances par rapport à l’existentialisme sartrien. Foucault précise dans un entretien en 1983 à ce sujet: À mon avis, la seule conséquence pratique et acceptable de ce que Sartre a dit consiste à relier la découverte théorique à la pratique créatrice et non plus à l’idée d’authenticité. Je pense qu’il n’y a qu’un seul débouché pratique à cette idée du soi qui n’est pas donné d’avance: nous devons faire de nous-mêmes une œuvre d’art. Dans ses analyses sur Baudelaire, Flaubert etc., il est intéressant de voir que Sartre renvoie le travail créateur à un certain rapport à soi - l’auteur à lui-même - qui prend la forme de l’authenticité ou de l’inauthenticité. Moi je voudrais dire exactement l’inverse: nous ne devrions pas lier l’activité créatrice d’un individu au rapport qu’il entretient avec lui-même, mais lier ce type de rapport à soi que l’on peut avoir à une activité créatrice. 44 Comme chez André Breton, Friedrich Nietzsche, 45 Raymond Roussel ou encore chez Charles Baudelaire - qui sont des références importantes du premier et du dernier Foucault -, l’association entre une nouvelle forme d’éthique individualiste et non-conformiste et une esthétique de la stylisation de soi qui a délibérément recours aux registres de beauté de l’avant-garde implique une attitude fondamentale et radicale de résistance: une résistance aux modes de pensée, aux idéologies, aux discours dominants, et une résistance aux formes de la culture de masse moderne avec leurs fausses promesses de libération et d’épanouissement individuel. À plusieurs niveaux - au niveau de la fascination affective, à travers le projet d’une archéologie du savoir et, enfin, dans ses dernières œuvres, au sein d’une conception esthétique de la vie - Foucault, qui avait longtemps catégoriquement nié son talent d’écrivain et refusé les désignations d’‚artiste‘ et de ‚critique littéraire‘, semble avoir admis l’imbrication intrinsèque entre art et science, entre analyse des formations discursives et pratiques esthétiques. „Cette espèce de grande coupure qu’il y avait entre le savoir et l’art est quand même en train de disparaître“, 46 affirmait Foucault dès 1976 dans un entretien donné sur son ouvrage sur Pierre Rivière et le film que René Allio lui consacra par la suite. Foucault a esthétisé son écriture par le recours à des termes poétiques et des métaphores puissantes, 47 comme celle du visage dans le sable qui s’efface lentement, signifiant la mort de l’homme dans la pensée occidentale moderne; par l’usage de structures rhétoriques comme le dialogue fictif (à l’exemple du texte Rousseau, juge de Jean- Jacques que Foucault a commenté), l’allitération et l’antithèse; et, enfin, par la place importante qu’il accorda dans son œuvre à l’art et aux pratiques esthétiques 292 AArts & Lettres sous leurs différentes formes: non pas à l’art tout court, mais à un certain canon esthétique imprégné par la modernité baudelairienne, rimbaldienne et surréaliste; par un goût délibéré pour les dimensions esthétiques de la perversion, la beauté du crime et le „lyrisme de la violence“ 48 qui le rapprochent à cet égard des conceptions esthétiques de Jean Genet, et par une volonté, très prononcée surtout dans ses tout derniers ouvrages, de relier l’art et la vie, l’existence et la stylisation esthétique de soi-même. Cette esthétique de la contradiction, du contre-discours et de la résistance, voire de la provocation qui caractérise son œuvre, est ancrée dans une profonde fascination pour les bibliothèques et pour ce qui constitue pour lui la ‚beauté des archives‘, avec leurs discours refoulés et leur sourde matérialité: „Ces archives“, écrit Foucault en 1977, „ont secoué en moi plus de fibres que ce que l’on appelle d’ordinaire la littérature, sans que je puisse dire aujourd’hui encore si m’a ému davantage la beauté de ce style classique, drapé en quelques phrases autour de personnages sans doute misérables, ou les excès, le mélange d’obstination sombre et de scélératesse de ces vies dont on sent, sous des mots lisses comme la pierre, la déroute et l’acharnement.“ 49 1 L’auteur de cette contribution tient à rendre hommage à la mémoire du fascinant chercheur et enseignant que fut Michel Foucault, décédé il y a trente ans. Il a eu l’occasion - et le grand bonheur - d’assister à ses cours au Collège de France entre 1977 et 1979. Ce texte constitue une version remaniée et élargie d’une conférence présentée lors du colloque „Beauté et abstraction“ organisé par le professeur Jean-Marc Narbonne (Université Laval, Québec, Département de Philosophie) dans le cadre des ‚Rencontres de Percé‘ à Percé (Québec, Canada). 2 Michel Foucault, Le beau danger. Entretien avec Claude Bonnefoy (1968), Paris, Éditions de l’École des Hautes Études en Sciences Sociales, 2011 (Coll. Autographe), 47. 3 Ibid., 27. 4 Ibid., 28 5 Ibid. 6 Ibid., 41. Bonnefoy mentionne également le „regard clinique, neutre“ de Foucault (ibid., 38). 7 Ibid., 41. 8 Ibid., 59sq. 9 Ibid., 59 en bas, 60 en haut. 10 Ibid., 60. 11 Ibid., 31. 12 Ibid. 13 Ibid., 35. 14 Ibid., 66. 15 Michel Foucault, „Archéologie d’une passion“. Propos recueillis par Charles Ruas, in: Magazine littéraire, 221, juillet-août 1985, 100-105, ici 101sq. 16 Michel Foucault, Moi. Pierre Rivière, ayant égorgé ma mère, ma sœur et mon frère Un cas de parricide au XIX e siècle, Paris, Gallimard, 1973 (Coll. Archives), 2. 17 Michel Foucault, „La vie des hommes infâmes“, in: Les Cahiers du Chemin, 29, janvier 1977, 12-29, ici 13, 19, 25. 293 AArts & Lettres 18 Michel Foucault, „Entretien sur la prison: le livre et la méthode“. Entretien avec Jean- Jacques Brochier, in: Le Magazine littéraire, 101, juin 1975, 27-33, reproduit in: Michel Foucault, Dits et écrits, t. II, Paris, Gallimard, 1995, 740-753, ici 747. 19 Michel Foucault, „Radioscopie“. Avec Jacques Chancel (10 mars 1975), Paris, Éditions Radio France, 3 octobre 1975, 1-14, reproduit in: Foucault, Dits et écrits, t. II, 783-802, ici 797. 20 Michel Foucault, „Dialogue sur le pouvoir“. Entretien avec des étudiants de Los Angeles (1975), in: id., Dits et écrits, t. III, 464-477, ici 475. 21 André Breton, Nadja, édition entièrement revue par l’auteur, Paris, Gallimard, 1982 (Coll. Le Livre de poche), 187. 22 Michel Foucault, „À propos de la généalogie de l’éthique: un aperçu du travail en cours (avril 1983)“, in: id., Dits et écrits, t. IV, 383-397, ici 393. 23 Ibid., 392. 24 Michel Foucault, cité d’après Patrice Maniglier / Dork Zabunyan, Foucault va au cinéma, Paris, Fayard, 2011, 19. 25 Foucault, „Archéologie d’une passion“ (note 15), 101. 26 Voir Hans-Jürgen Lüsebrink, „‚Généalogie de la morale‘ als Form von Geschichtsschreibung. Zur Rezeption Nietzsches im Werk Michel Foucaults“, in: Walter Gebhard (ed.), Friedrich Nietzsche. Strukturen der Negativität, Bayreuther Nietzsche-Kolloquium 1982, Berne / Francfort-sur-le-Main / New York, Lang, 1984, 157-181. 27 Blandine Kriegel, Michel Foucault aujourd’hui, Paris, Plon, 2004, 50. 28 Thomas Bolmain, „Pratique archéologique, esthétique picturale et temporalité historique chez Foucault“, in: Sens [public]. Revue web, 8 janvier 2010, www.sens-public.org/ spip.php? article720&lang=fr (13/ 09/ 14), 1-14, ici 5. 29 Michel Foucault, Les mots et les choses. Une archéologie des sciences humaines, Paris, Gallimard, 1966 (Coll. Bibliothèque des Histoires), 22. 30 Ibid., 31. 31 Foucault / Bonnefoy, Le beau danger (note 2), 67. 32 Foucault, Les mots et les choses (note 29), 23. 33 Ibid., 21sq. 34 Ibid., 22. 35 Ibid., 23 . 36 Ibid., 31. 37 Ibid., 19. 38 Ibid., 21. 39 Ibid., 22. 40 Ibid., 26. 41 Ibid., 29. 42 Judith Revel, Le vocabulaire de Foucault, Paris, Ellipses, 2002 (Coll. Édition Marketing), art. „Esthétique (de l’existence)“, 27sq., ici 27. 43 Michel Foucault, „Une esthétique de l’existence“, in: Le Monde, 15-16 juillet 1984, réédité in: Foucault, Dits et écrits, t. IV, 730-735. 44 Michel Foucault, „À propos de la généalogie de l’éthique: un aperçu du travail en cours“ (Conversation à Berkeley en 1983), in: Foucault, Dits et écrits, t. IV, 383-393, ici 392sq. 45 Cf. ibid., 393, où Foucault répond à la remarque de ses interlocuteurs H. Dreyfus et P. Rabinow: „- Cela fait penser à cette remarque de Nietzsche dans Le Gai Savoir (§ 290), qui dit qu’il faut donner du style à sa vie ‚au prix d’un patient exercice et d’un travail quotidien‘. - Oui. Mon point de vue est plus proche de Nietzsche que de Sartre.“ 294 AArts & Lettres 46 Michel Foucault, „Le retour de Pierre Rivière“. Entretien avec G. Gauthier, in: La Revue du cinéma, 312, décembre 1976, 37-42, réédité in: Foucault, Dits et Écrits, t. III, 114-123, ici 122. 47 Cf. sur ce sujet Hans-Jürgen Lüsebrink, „Über Bilder und Metaphernnetze in den Schrifttexten Michel Foucaults“, in: Klaus Dirscherl (ed.), Bild und Text im Dialog, Passau, Wissenschaftsverlag Rothe, 1993, 467-487 et id., „Postface“, in: Frances Fortier, Les Stratégies textuelles de Michel Foucault. Un enjeu de véridiction, Québec, Nuit Blanche, 1997, 315-318. 48 Michel Foucault, „Entretien“. Avec P. Kané, in: Cahiers du Cinéma, 271, novembre 1976, 52-53, réédité in: Foucault, Dits et écrits, t. III, 97-101, ici 101. 49 Foucault, „Vie des hommes infâmes“ (note 17), 13. 295 Comptes rendus Horst F. Müller Henri Barbusse: Le Feu zwischen Calliope und Clio Eine Nachlese zu neueren Arbeiten über Henri Barbusse offenbarte ein bis in die Gegenwart reichendes Interesse am französischen Kriegsroman über den Ersten Weltkrieg bzw. la Grande Guerre. Und seit René Pomeau 1963 mit seiner meisterhaften Studie hervortrat, riss die Kette der Übersichten nicht ab. Bemerkenswert, dass in allen Arbeiten seiner Spitzenstellung unter den französischen Kriegsromanen wegen Barbusses Le Feu besonders eingehend behandelt wird. Deshalb sei es gestattet, aus der Fülle der Arbeiten das Symptomatische herauszugreifen, um die Grundmuster der Behandlung dieses Romans sichtbar zu machen. Literatur zu den französischen Weltkriegsromanen und zu Barbusse I René Pomeau, „Guerre et roman dans l’Entre-deux-guerres“, in: Revue des Sciences Humaines, 109, janvier-mars 1963, 77-95. II Jean-Norton Cru, Du témoignage [erstmals 1929], Paris, Pauvert, 1965. III Maurice Rieuneau, Guerre et révolutions dans le roman français 1919-1939, Thèse, Université de Lille III, Paris 1974, 629 S. IV Danielle Bonnaud-Lamotte, „Les écrivains français du XX e siècle en U.R.S.S.: Henri Barbusse Le Feu “, in: Œuvres et Critiques, 2, 1977, 59-74. V Léon Riegel, Guerre et littérature. Le bouleversement des consciences dans la littérature romanesque inspirée par la Grande Guerre (littératures française, anglo-saxonne, et allemande). 1910-1930, Paris, Klincksieck, 1978, 649 S. VI Margarete Zimmermann, „Von Barbusse zu Céline. Der erste Weltkrieg in der französischen Literatur der Jahre 1916-1932“, in: Lendemains, 17/ 18, 1980, 197-211. VII Jean-Yves Debreuille, „L’épreuve de vérité. Positivité de la guerre dans deux romans pacifistes: Le Grand Troupeau et Le Sang noir “, in: La guerre et la paix dans les lettres françaises de la guerre du Rif à la guerre d’Espagne (1925-1939), Reims, Presses Universitaires de Reims, 1983, 197-206. VIII Horst F. Müller, „Nachwort“, in: Henri Barbusse, Das Feuer. Tagebuch einer Korporalschaft, aus dem Französischen von Wolfgang Günther, Berlin, Verlag Volk und Welt, 1986, 512-530. IX Jean Relinger, „Le Feu de Barbusse. Grandeur et permanence d’un témoignage“, in: Gérard Canini (ed.), Mémoire de la Grande Guerre. Colloque de Verdun, juin 1986. Nancy, Presses Universitaires de Nancy, 1989, 53-65. X Horst F. Müller, „La Vision du caporal Bertrand. Plaidoyer pour une lecture historique du Feu de Barbusse“, in: Cahiers Henri Barbusse, 14, 1989, 21-39; dt. Fassung in: Romanistische Zeitschrift für Literaturgeschichte, 18, 1994, 108-125. XI Danielle Bonnaud-Lamotte, „Le Feu de Barbusse, un discours social-patriotard? “, in: Mots. Les langages du politique, 14, 1990, 94-101. XII Stéphane Audoin-Rouzeau, „Le Feu de Barbusse, un Goncourt pour la révolte“, in: 14- 18. La très grande guerre, Paris, Le Monde éditions, 1994, 137-142. 296 Comptes rendus XIII Jean Relinger, Henri Barbusse. Ecrivain combattant, Paris, Presses Universitaires de France, 1994, 288 S. XIV Philippe Baudorre, Barbusse, pourfendeur de la Grande Guerre [biographie], Paris, Flammarion, 1995, 424 S. XV Olivier Casabielhe, „Le Feu, roman de la Grande Guerre“, in: Guerres mondiales et conflits contemporains, 179, 45/ 1995, 131-143. XVI Luc Rasson, Écrire contre la guerre. Littérature et pacifismes 1916-1938, Paris, L’Harmattan, 1997, 186 S. XVII Jean Kaempfer, Poétique du récit de guerre, Paris, Corti, 1998, 208 S. XVIII Micheline Kessler-Claudet, La guerre de quatorze dans le roman occidental, Paris, Nathan, 1998, 128 S. XIX Brigitta Coenen-Mennemeier, „Le Feu. Sozialistische Utopie wider die Unmenschlichkeit“, in: id., Der schwache Held. Heroismuskritik in der französischen Erzählliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts, Frankfurt / Main, Lang, 1999, 320 S., insbes. 138-162. XX Eberhard Demm, „Pazifismus oder Kriegspropaganda? “, in: Thomas F. Schneider (ed.), Kriegserlebnis und Legendenbildung, Bd. I, Osnabrück, Rasch, 1999, 353-374. XXI Stéphane Audoin-Rouzeau / Annette Becker, 14-18. Retrouver la guerre, Paris, Gallimard, 2000 (Bibliothèque des Histoires), 272 S. XXII Antoine Régis, „Henri Barbusse: L’Idée du prolétaire-soldat“, in: id., La littérature pacifiste et internationaliste française 1915-1935, Paris, L’Harmattan, 2002, 37-60. XXIII Horst F. Müller, Henri Barbusse (1873-1935). Bio-Bibliographie. Die Werke von und über Barbusse mit besonderer Berücksichtigung der Rezeption in Deutschland, Weimar, VDG, 2003, 498 S. XXIV Olaf Müller, „Henri Barbusses Le Feu und der Diskurs der linken Selbstmobilisierung“, in: id., Der unmögliche Roman. Antikriegsliteratur in Frankreich, Frankfurt / Main, Stroemfeld, 2006, 377 S., insbes. 47-89. XXV Karin Becker, „Le Feu de Barbusse et Les Croix de bois de Dorgelès“, in: Elisabeth Arend / Dagmar Reichardt / Elke Richter (ed.), Histoires inventées. La représentation du passé et de l’histoire dans les littératures française et francophones, Frankfurt / Main, Lang, 2008, 269 S., insbes. 165-179. XXVI Jean Kaempfer, „Le Témoin, Le Crieur, le Peintre: Henri Barbusse, romancier de la Grande Guerre“, in: Pierre Schoentjes (ed.), La Grande Guerre. Un siècle de fictions romanesques. Actes du colloque 13-15 mars 2008, Université de Gand, Genève, Droz, 2008 (Romanica Gandensia, XXXVI), 133-149. XXVII Gerhard Kurt Müller, La Grande Guerre. Werke von Gerhard Kurt Müller zu Barbusse: Das Feuer, mit einem Text von Dieter Gleisberg [Ausstellungskatalog], Altenburg, E. Reinhold, 2010. XXVIII Horst F. Müller, „Annotationen zu Le Feu“, in: id., Studien und Miszellen zu Henri Barbusse und seiner Rezeption in Deutschland, Frankfurt / Main, Lang, 2010, 63-100. XXIX Horst F. Müller, „Anmerkungen zu Barbusse aus heutiger Sicht“, in: Thomas Flierl / Wolfgang Klein / Angelika Weissbach (ed.), Die Pariser Wochenzeitung Monde (1928- 1935), Bielefeld, Aisthesis, 2012, 25-33. XXX Dietrich Schubert, Künstler im Trommelfeuer des Krieges 1914-1918, Heidelberg, Das Wunderhorn, 2013, 526 S. und Bibliogr., zahlr. Abb. 297 Comptes rendus Le Feu als neues Paradigma der französischen Kriegsliteratur Die zu Beginn des Krieges noch von traditionellen Mustern der Kriegsdarstellung geprägten Erwartungen des Aufblühens einer neuen Heldenepik, etwa das Erstehen eines Homer aus den Schützengräben, hatten sich als trügerisch erwiesen. Das Pathos glorreichen Heldentums fand sich nur noch als Relikt bei einigen Schriftstellern wie Henry Bordeaux mit Les derniers jours de Fort de Vaux oder Charles Le Goffic mit Les Fusiliers marins und Dixmude. Mit Le Feu von Barbusse, gefolgt von Dorgelès und Duhamel, brach sich dann ein neuer Erzähltyp Bahn: „Barbusse avait créé un nouveau style du récit militaire“ (Pomeau). An die Stelle des glorreichen Helden, zumeist eine herausragende Einzelpersönlichkeit, ist die in der Regel anonyme Masse der einfachen Leute getreten, die nicht dazu berufen sind, den Krieg zu führen, sondern ihn zu erleiden, eine Summe unwissender Einzelner, die auf einem begrenzten und unbekannten Feld, von unbekannten Mächten gelenkt, nicht viel anders als Stendhals Fabrice bei Waterloo herumtappen, um sich in einem unverständlichen, ja irrationalen Geschehen wiederzufinden. Dies und die Dimensionen, die den Krieg in Raum und Zeit ins Ungewisse verschwimmen lassen, machen die Fiktion eines allwissenden Erzählers unhaltbar. Der Kriegsroman in seiner subjektiven und auf das unmittelbare Erleben gestützten Erzählweise, die zum überwiegenden Teil Zeugnischarakter besitzt, ist zur kritischen Kriegsdarstellung geworden. Das klare Benennen der Dinge und Geschehnisse ist Bloßlegen von Entsetzlichkeiten. Le Feu ist ein ‚ecce bellum‘ (Pomeau). „La publication du Feu, en 1916, marque la naissance d’une littérature de révolte et l’origine d’une tradition romanesque“ (Rieuneau, 165). Die von Pomeau umrissenen Grundzüge finden ihre Ergänzungen vor allem durch Rasson und Kaempfer. Auch Kessler-Claudet (XVIII) geht eingangs auf die Poetik des Krieges ein. Rasson benennt die Kennzeichen des pazifistischen Romans, zuvörderst die kritische Intention zur Zerstöring der Illusionen, die durch die offiziellen Diskurse genährt werden: „Car la guerre se joue dans le rapport entre d’une part la réalité concrète de la souffrance physique et les enjeux perçus comme la justification de la guerre“ (XVI, 16). Die Angriffe gelten also den Gebietern über die offiziellen Diskurse. Die Schattenseiten des Krieges, die gern im Dunkeln gelassen werden, gilt es bloßzulegen wie Leiden Verwundung, Tod („la littérature pacifiste est une littérature d’exhumation“, XVI, 17), ferner die Verrohung der Menschen, die Auflehnung der Vernunft gegen den allgemeinen Irrsinn. Neben der wahrheitsgemäßen Wiedergabe des Erlebten wird der Gebrauch der Ironie benannt. Kaempfer schließlich liefert zusammenfassend eine ‚poétique du récit de guerre‘. Im Gegensatz zu der überkommenen ‚écriture impériale‘ mit herausragenden Helden und rational geglätteten Erzählsträngen und Schauplätzen ist da der kleine unbedeutende Soldat mit begrenztem Gesichtsfeld in einem ihm unverständlichen und ihn überwältigenden unmenschlichen Universum, das ihn physisch und psychisch verstümmelt und erniedrigt. In dieser aus den Fugen geratenen Welt ist er selbst Teil einer handelnden Kraft, die die Welt ins Chaos stürzt. Die Extremerfahrung scheint 298 Comptes rendus sich der Vernunft zu widersetzen, daher lasse die geschilderte Welt zuweilen weder Konturen noch Zeitverlauf erkennen. Die extreme Subjektivität der Erfahrung mache den Anspruch auf eine genaue Wiedergabe des Krieges anfechtbar. Ein Paradox sei es, dass die modernen Kriegsromane von einem persönlichen Standpunkt aus die Erfahrung einer radikalen Entpersönlichung schildern. Zur polemischen Ablösung des überkommenen Kriegsbildes: Voici des auteurs en effet qui derrière leur narrations déploient polémiquement l’horizon des fables héroïques, panorama éblouissant, qui nimbe l’horreur de gloire et de raison. Cette ouverture d’une arrière-scène agit comme un impératif: le trompe-l’œil captieux commande par réaction le témoignage vérace, mais d’abord, il faut faire place nette, dénoncer, avec joyeuseté ou colère, la farce des discours patriotards, arracher à leur silence les évidences fallacieuses du mensonge épique. Ainsi le récit de guerre moderne quitte-t-il son confinement subjectif et déploie-t-il autour de lui, pour légitimer la singularité dont il se réclame, les impostures narratives dont il se démarque [ ] ‚Pas de récit de guerre sans guerre des récits‘“ (XVII, 11). Kaempfer weist in seltener Nachdrücklichkeit auf die Genealogie der Topoi vom Kriege hin, spricht von den Texten, die sich öffnen wie „poupées russes“ (ibid.). Das neue Kriegsbild mit konventionellen Mitteln Gegenüber der bildenden Kunst, in der bereits vor der Jahrhundertwende eine Blüte der Moderne beobachtet werden konnte, war die Literatur zurückgeblieben. Barbusse mit seinem neuen Erzählstil des Kriegsromans hatte die überkommenen Mittel des Naturalismus benutzt, die Pomeau gerade dafür als geeignet ansieht. Kaempfer erklärt: „Barbusse a choisi pourtant d’être le Duranty des tranchées. Sans doute, il ne se prive pas tout à fait de la ‚sauce lyrique‘ dont Zola confessait, avec un peu de honte et beaucoup de gourmandise, que ses propres romans étaient richement nappés“ (XVII, 259). Gegenüber einem vereinzelten Versuch, Le Feu der Moderne zuzuordnen (IX, 61), kennzeichnet Rasson die Linie der Gesamtentwicklung mit der Feststellung: „Les textes directement inspirés par la guerre évitent généralement toute mise en question de la forme littéraire“ (XVI, 175). Erst mit dem Auftauchen von Jules Romains und später mit Claude Simon sieht er die Wirkung des Krieges auf der Ebene der Form. Das Erkenntnisinteresse der Clio Schon bald nach Pomeau zeigt die neue Ausgabe des Buches von Jean Norton Cru 1965 das Interesse der Historiker an der Problematik der sog. ‚Kriegswahrheit‘ an. Der Weltkriegsteilnehmer Cru hatte sich über die vielen Unwahrheiten, falschen Darstellungen und Übertreibungen geärgert und ein Kompendium verfasst, in dem er die Kriegsliteratur allein nach dem Kriterium ihrer Authentizität bewertet hatte, wobei natürlich die Romane, darunter Barbusses Le Feu, nicht gut wegkamen. 299 Comptes rendus Das Interesse der Historiker, das sich nicht auf das ‚Wie‘, sondern das ‚Was‘ der Darstellung richtet, hat seinen Grund im Charakter der Romane selbst. Sie berichten schließlich über den historischen Gegenstand Krieg und haben damit neben ihrem literarästhetischen Charakter als Roman Zeugnischarakter, der dem Interesse eines am Kriegsgeschehen interessierten Publikums entspricht, das Autoren wie Barbusse und Dorgelès eben als témoignages und nicht als Romane liest. Casabielhe nennt das „l’ambiguïté inhérente à la littérature de la Grande Guerre entre témoignage et création littéraire“ (XV, 131). Er weist darauf hin, dass in den Klappentexten von Neuausgaben gerade mit ihrem Zeugnischarakter geworben werde, und macht darauf aufmerksam, dass Barbusse und Dorgelès in den Schulbüchern im Fach Geschichte behandelt und nicht im Fach Französisch als Literaturwerke kommentiert werden. Die genannte Zweipoligkeit versucht Kaempfer (XXVI) durch drei Erzählfiguren bei Barbusse zu überwinden, was jedoch den Blick auf die prinzipielle Multifunktionalität des literarischen Textes nur etwas erweitert. Zwei Methoden Entsprechend den unterschiedlichen Erkenntniszielen kann man zunächst zwei unterschiedliche Methoden unterscheiden. Da ist zum einen die traditionelle Methode der literaturwissenschaftlichen Analyse nach dem Romanaufbau und seinen Mitteln (Held, Erzähler, Plot, Struktur, Leitmotive, Bildsprache, Aussage usw.), die den Roman als literarästhetische Einheit respektiert und die wir deswegen der Muse der Epik zuordnen. Eine Reihe von Arbeiten ist dieser Methode verpflichtet (insbes. I, VI, VIII, X, XIII, XVI, XIX, XXII, XXVIII). Unter den primär historisch orientierten Arbeiten sehen wir sowohl einfache Kolloquiumsbeiträge wie der von Relinger (IX), der dann aber zu einem ausgewogenen Urteil gelangt, das sowohl dem Anteil des témoignage am Werk als auch seinem Romancharakter gerecht wird (XIII), als auch ausgreifende Studien wie die von Rieuneau (III), Riegel (V) und Olaf Müller (XXIV). Für die Historiker, die Jünger der Clio, ist der Romantext mit seinen ästhetischen und romanesken Zügen nur von sekundärem Interesse. Das Augenmerk richtet sich vor allem auf die referenziellen Aussagen über den Krieg. Die Folge ist ein Herausbrechen entsprechender authentizitätshaltiger Passagen und Motive, die nun nicht oder nur zufällig für das Roman-, sondern vor allem für das Kriegsgeschehen als bedeutsam erachtet werden. Es stehen sich nun literarästhetische Analyse und referenziell bestimmte ‚Bröckchensammelei‘, bei der es nur in seltenen Fällen zu einer durchgehenden Textanalyse kommt, gegenüber. Der Widerspruch der historisch motivierten Arbeiten wie derjenigen von Rieuneau und Riegel: Ihre Autoren sind sich des literarästhetischen Charakters ihres Materials bewusst, schließen auch alle dokumentarischen Genres von der Untersuchung aus, und behandeln dennoch die Romane wie jedes beliebige Quellenmaterial. 300 Comptes rendus Verbreitet ist die Hochschätzung der expérience vécue, der unmittelbaren und unverfälschten, ja möglichst naiven und ideologiefreien Wiedergabe des Erlebten: „il ne s’agit plus d’une peinture réaliste de la guerre, d’une dénonciation instinctive de la violence“ (XI, 141); „Pas de fiction: les événements comme les personnages ne sont que la transposition exacte de la vie“ (XIV, 153); „Während er [Genevoix] sich explizit um eine wahrhaftige und zumeist unreflektierte Darstellung bemühte, und dabei ganz naiv Tatsachen beschrieb [ ]“ (XX, 366, Hervorhbg HFM). Unter dem Gesichtspunkt der véracité wird der Entstehung und dem fertigen Literaturwerk misstraut. Gegenüber den unhaltbaren Kriterien von Cru führt deshalb Rasson den Begriff der Rekonstruktion ins Feld: „mais peut-être que la vérité de la guerre ne se transmet efficacement que dans la mesure exacte où elle est reconstruction. Un peu de mensonge, un peu d’exagération ne nuisent pas à l’intention pacifiste, voire à l’établissement de la vérité“ (XVI, 19). Der Text des Romans wird zuweilen einer esthétisation verdächtigt, die die Referenzialität oder die pazifistische Aussage verfälsche, ebenso wie die Intertextualität, die gerade deswegen von Casabielhe dem Dokumentarkult um Barbusse und Dorgelès entgegengesetzt wird. Die Ästhetisierung eines bereits in eine ästhetische Gattung integrierten Textes widerspricht eigentlich der Logik, wenn damit nicht literarische Stilisierungen gemeint sind, die Ernst Jünger z. B. progressiv und Maurice Genevoix reduktionistisch 1 bei der Bearbeitung ihrer Texte betrieben. Eine Zweckehe mit der Literarästhetik: Léon Riegel In seiner komparatistischen und auch die Populärromane einbeziehenden thèse meint Riegel, die Lektüre einer großen Zahl von Werken verschiedener Länder sei das geeignete Mittel, nicht den Kriegsclichés aufzusitzen: „On finit par sentir ce qui est authentique et ce qui est pure invention ou transcription de seconde main“ (V, 9). Methodisch will er die durch Cru zu Ehren gekommene „sémiologie de l’authentique“ entzaubern. Im Gegensatz zu Cru erklärt er: „Nous pensons que la fiction, l’invention, le mensonge à la limite, sont plus révélateurs des passions humaines que le reportage impersonnel et qui se donne pour véridique“ (ibid). Mit dieser respektvollen Annäherung an die fiktionale Literatur will er eine über die Fotografie hinaus tiefer dringende „radiographie des événements du passé“ erhalten. Mit großem Spürsinn für literarische Qualitäten präsentiert er unzählige Zitate aus Le Feu, die in seinen Kommentaren als stille Vorwürfe fungieren: „Il est indéniable que Barbusse accentue le pittoresque; il fait une page de style. Il vise trop manifestement l’effet“ (V, 183), „l’écriture révèle chez l’auteur de la recherche à tout prix (V, 193), und zur Schilderung von Kadavern: [L]’abondance des comparaisons et des catachrèses prouve que ce passage a été soigneusement rédigé par l’écrivain. L’effet recherché est évident: l’auteur du Feu veut faire une description saisissante, haute en couleur. Aussi force-t-il sans cesse la note et fait ressortir l’atrocité et le pathétique de tel détail, de tel geste. Il use constamment du principe 301 Comptes rendus aristotélicien de la catharsis en faisant jouer devant nos yeux des scènes qui inspirent l’horreur et la pitié (V, 202). Die offensichtliche Abneigung gegen den Literaturcharakter seines Materials lässt ihn Barbusse mit dem höchst unbedeutenden Désaubliaux konfrontieren, den er als „l’impavide rapporteur d’une expérience vécue“ charakterisiert (V, 205). Riegel dringt außerordentlich tief in den Text des Feu ein. Wer es noch nicht wüsste, könnte sich durch ihn ausführlich über die Funktion der christlichen Metaphorik des Textes und zugleich über den Antiklerikalismus des Autors informieren (V, 235-240). Ungewöhnlich weiterhin, dass er das kriegstypische Thema ‚la boue‘ (Schlamm), das er bei Adrien Bertrand, André Maurois, Roger Vercel, R. H. Mottram, Ernst Jünger, Siegfried Sassoon, Dorgelès, Scholochow, Dos Passos und Barbusse als durchgehendes Motiv ausmacht (V, 225sqq.), bei Mottram durch eine lange Kette von Seitenzahlen belegt und zum Feu eine ausführliche Wortstatistik zum semantischen Feld ‚eau - pluie - boue‘ anführt. Bei näherer Betrachtung zeigt sich der literarästhetisch höchst begrenzte Wert dieses Verfahrens. Die bloße Aufzählung der Wörter ohne jeglichen Kontext ist für tiefer lotende Zusammenhänge ohne Belang. Nehmen wir nur einmal das aufgeführte Wort ‚radeau‘. Erst mit dem Wissen, dass hier ein Bezug auf das berühmte Bild Le Radeau de la Méduse von Géricault vorliegt, bekommt es einen Sinn, der die damit gemeinte Referenzialität geradezu widerlegt. Ein Vorbeitappen an wichtigen Marksteinen der Intertextualität zeigt sich auch bei einem Zitat aus Le Feu, Kapitel XXIII (La Corvée), wo die Kameraden über die Hand des Toten laufen (V, 202). Es dient dem Nachweis vermeintlich referenziellen Charakters, da Gleiches auch bei Ludwig Renn vorkommt, wohingegen Barbusse damit einen intertextuellen Bezug zu Dantes Inferno hergestellt hat. Aus literaturgeschichtlicher Sicht ist schwer vorstellbar, welchen Wert diese primär referenziell bestimmte Bröckchensammelei für die Vertiefung des historischen Bildes vom Kriege zu erbringen vermag. Selbst der Beitrag zur Erhellung einzelner Aspekte der Romane ist nicht nur problematisch, sondern dem Gegenstand methodisch völlig unangemessen. Was der Literarhistoriker aus derlei Werken lernen kann, steht in den historischen Abschnitten, die den einzelnen Kapiteln vorangestellt sind. Bei der Betrachtung von Aufwand, Methode und Ergebnis stellt sich die generelle Frage: cui bono? Die verwirrende Ambivalenz des Pazifismus Die Durchschlagskraft des Pazifismus in Le Feu war so groß, dass er lange nicht hinterfragt wurde. Es gab zwar bei Erscheinen des Werks Stimmen, die sich fragten, wie ein solch kühnes Buch die Zensur hatte passieren können; das Problem wurde jedoch in der Folge nicht vertieft. Bei dem Studium der Rezeption in der Sowjetunion stieß Danielle Bonnaud-Lamotte verwundert auf die Tatsache, dass dort in den 1930er Jahren eine Edition des Buches in einem Militärverlag erschien 302 Comptes rendus und der patriotischen Erziehung der Soldaten diente: „Elle participait alors de l’éducation du soldat pour qui la défense de la patrie devait aller de pair avec une profonde horreur de la guerre en tant que telle“ (IV, 65). Mit der Charakterisierung als „la plus curieuse utilisation du roman“ hatte es jedoch sein Bewenden. Margarete Zimmermann war es, die 1980 sachlich die „Apologie des Krieges als Grundlage einer gerechteren sozialen Ordnung“ bei Barbusse vermerkte und einen Abschnitt den „Ambiguitäten des Barbusseschen Pazifismus“ widmete (VI, 199sq.), in dem sie auch auf das ideologische Grundmuster des offiziellen jakobinischen Diskurses verwies. In Unkenntnis dieses Aufsatzes meinte Debreuille (VII) 1983 dann, eine große Entdeckung gemacht zu haben, als er den nicht lupenreinen Pazifismus bei Jean Giono und Louis Guilloux entdeckte. 1986 erschien mein Nachwort zu einer Neuübersetzung von Le Feu ins Deutsche, in der ich die komplizierte dialektische Antinomie des Problems bei Barbusse wie folgt formulierte: Es mag paradox klingen, aber die Illusion eines gerechten sozialen Volkskrieges, der lediglich von den offen konservativen Kräften gefährdet zu sein schien, war die ideologische Basis, auf der es dem Romancier nicht nur möglich war, den Krieg letztlich positiv zu deuten, einen neuen Helden im eigentlichen wie im literarischen Sinne zu finden, sondern darüber hinaus eine auf die Emanzipation des Volkes zielende Perspektive zu gestalten und das Kriegsgeschehen aus der Sicht seines Volkshelden darzustellen. Der Romancier Barbusse nahm die offizielle Losung vom Befreiungskrieg so ernst, dass seine literarische Sinngebung des Krieges mit einer gewissen politischen Naivität sowohl die Ideologie des französischen Imperialismus bediente als ihr auch entgegenarbeitete, indem er gerade jenen Anspruch auf Emanzipation und definitiven Frieden wachhielt, den einzulösen sich die führenden Kreise Frankreichs bei ihrer demagogischen Mobilisierung der Massen gar nicht einfallen ließen. Von allen französischen Autoren jener Zeit war es Barbusse, der im Feuer den Interpretationsspielraum jener Losung am entschiedensten und weitesten ausmaß (VIII, 519-520). Diesem Nachwort war keine Beachtung beschieden. Ganz anders dagegen der Aufsatz von 1989, in dem die Ambivalenzen von Le Feu zugleich als Haftpunkte für verschiedene Lektüreweisen gekennzeichnet wurden (X). Mit ihm war offensichtlich die eingefahrene ideologisch geprägte kommunistische Lesart des Feu erschüttert. Der Aufschrei darüber ließ sich durch Bonnaud-Lamotte vernehmen (XI), die ja schon zuvor das patriotische Potenzial des Textes nicht wahrgenommen hatte. Schließlich wurde die Ambivalenz zum Ausgangspunkt verschiedener, zum Teil überzogener Interpretationen des Textes und seiner Rezeptionsmöglichkeiten. Ein Buch werde nur in Abhängigkeit von den Erwartungshorizonten seiner Leser gelesen und verstanden. So stellt Audoin-Rouzeau fest: „or si ces derniers [les lecteurs] ont cru voir en Barbusse une sorte de ‚Zola des tranchées‘, ils n’ont pas perçu le message internationaliste, pacifiste et révolutionnaire de l’écrivain. Il est vrai que le roman est lui-même plein d’ambiguïtés [ ] La majorité des lecteurs de Barbusse en 1916 pensaient en effet encore comme cet autre soldat de l’escouade du Feu: ‚Faut tuer la guerre dans le ventre de l’Allemagne! ‘“ (XII, 141). 303 Comptes rendus Demm dagegen bläst das Problem der Ambivalenz zur Sensation auf, indem er Le Feu als Werk der Kriegspropaganda verunglimpft. Der Roman sei „nichts anderes als eine von der Zensur explizit unterstützte Durchhaltebroschüre und letzte Karte der französischen Kriegspropaganda“ (XX, 367 sq.). Demm will den Pazifismus von Barbusse als Teil des Friedensmythos der französischen Linken entlarven, hinter dem sich das wahre Gesicht von Barbusse verstecke: „ein Clemenceau der Propaganda“ (sic! , XX, 367). Etwas weniger überspitzt sieht Olaf Müller „eine humanistisch eingekleidete linke Kriegspropaganda als die unmittelbare Funktion des Romans [ ] Wie eine Kippfigur ließ sich der Roman aus der Perspektive vor 1918 als humanistische Durchhaltepropaganda lesen, nach 1918 aber als Bestätigung, dass man sich seine Menschlichkeit bewahrt habe“ (ibid.). Verzerrungen Olaf Müller bringt manches Bedenkenswerte zum Feu ein wie z. B. die Bezugsetzung des Textes zu dem sich verändernden Kriegsgeschehen und den sich wandelnden offiziellen Diskursen, die auch eine jeweils veränderte Rezeptionsmöglichkeit bieten. In seiner historischen Kontextualisierung schießt er jedoch übers Ziel hinaus, wenn er behauptet, Le Feu werde „meist wegen seiner vermeintlich realistischen Schilderungen der Kriegsgreuel gelesen“ (XXIV, 61), und einen engen Bezug zum Diskurs der vergewaltigten Nation mit Bild herstellt (XXIV, 65sq.). In diesem Zusammenhang verkehrt er auch die Aussage des Textes in ihr Gegenteil, indem er nicht die Soldaten, sondern die Zivilisten zu den eigentlichen Opfern des Krieges erklärt: Barbusse schrecke vor groben Effekten und Verzeichnungen nicht zurück, „um die französischen Soldaten zu den eigentlichen Opfern des Krieges zu stilisieren“ (XXIV, 61), „ als Opfer des Kriegs will Barbusse nur die Soldaten anerkennen und dämonisiert zu diesem Zweck die Zivilisten“ (XXIV, 67). Er erklärt die berühmte Poterlooszene für historisch unhaltbar (XXIV, 63). Schließlich sei noch angemerkt, dass auch die weiter oben erwähnte Interpretation der religiös aufgeladenen Passagen durch Riegel überspitzt im Sinne des Alten Testaments erfolgte und weniger im Sinne des Autors. Zur philologischen Redlichkeit gehört m. E. der Respekt vor dem Text, zur philologischen Kompetenz, ihn in seiner Gattungsspezifik zu erkennen. Ihn in seiner vorliegenden Form bemäkeln heißt nur, die Intention des Autors zu ignorieren. Unter dem Labarum der Postmoderne Eine durch das Aufkommen der Postmoderne verunsicherte und durch Narratologie und linguistic turn vollends in die Krise gestürzte Historiographie, die ihre großen übergreifenden Konzepte, ja vielleicht ihren Gegenstand überhaupt verloren hat 2 und kaum noch wagt zu erzählen, hat sich einzelnen Themen und Problemen zugewandt, die als kultursoziologische Entdeckungen ihre Bestätigung in der 304 Comptes rendus Romanliteratur finden sollen. An die Stelle der Referenzialität, die bis dahin die Richtigkeit und Zuverlässigkeit des Gesuchten verbürgte, war nun das feststehende Theorem getreten, dass nur noch am Text eine Bestätigung erfolgen musste - in den meisten Fällen ohne dass ein entscheidend neues Licht auf das Romanwerk selbst geworfen würde. Dies zumindest ist der Eindruck, den der explizit dem Postmodernismus verpflichtete Sammelband Histoires inventées (ed. Arend / Reichardt / Richter) durch den Beitrag von Karin Becker zu Barbusse und Dorgelès vermittelt. Es geht hier um den Nachweis der durch den Krieg verletzen Körperlichkeit („l’atteinte portée à l’intégrité physique du soldat“). Nach zehn Seiten lautet das Ergebnis: [P]our résumer, nous pouvons constater que l’analyse anthropologique de l’écriture [nicht etwa des Textes] de la guerre chez Barbusse et Dorgelès, et notamment celle de la corporalité et des identités sexuelles, a montré que les deux romans se revèlent, là aussi, comme un contre-discours à la propagande officielle, en dénonçant les paroles mensongères, le bourrage de crâne du discours des autorités politiques et militaires de l’époque (XXV, 176). Als wenn die vielen Leser seit beinahe 100 Jahren, die das Buch von Barbusse als pazifistischen Roman par excellence lasen, das nicht gemerkt hätten, obwohl sie der Rubriken ‚Anthropologie‘ und ‚sexuelle Identität‘ noch entraten mussten! Als Fundgrube für die Bestätigung der approche anthropologique im Feu bot sich natürlich das Kapitel „Le poste de secours“ (Der Verbandplatz) an. Die Verfasserin sieht hier mit engem Blick auf ihre Vorgabe nur das körperliche Leiden einschließlich des Deliriums, jedoch nicht die zugleich damit gestaltete seelische Qual, die mit der Abwesenheit Gottes ringt, eines Gottes, den es angesichts der entsetzlichen Leiden nicht geben kann. Die Fliegervision von den beiden Armeen, die nur eine Armee sind, die Selbstmord begeht, wird nicht als großes Leitmotiv des Romans erkannt. Ein solches Vorbeisehen an wichtigen Strukturelementen des Romans erklärt sich aus der fragwürdigen Schlussfolgerung, die als methodisches Ergebnis präsentiert wird: „Les romans de guerre peuvent donc être considérés comme des témoignages importants qui révèlent les perturbations profondes dans la mentalité de toute une époque et c’est ainsi qu’ils sont malgré leur fictionalité, équivalents aux sources d’archives étudiées“ (ibid., Hervorhebung HFM). Auch hier wird also im Ergebnis kein Schritt über die Referenzialität hinaus getan, sondern am partiellen Ausschnitt nur die nächstliegende Funktion des multifunktionalen und intertextuellen Textes erfasst, während das Werk in seiner Sinn stiftenden Einheit keine Rolle spielt. Der Beitrag von Karin Becker spiegelt keinesfalls das Niveau des gesamten Sammelbandes noch die Leistungsfähigkeit postmoderner Ansätze für das Kriegsthema überhaupt wider. Bereits die folgenden den ersten Weltkrieg übergreifenden Aufsätze stellen die literarästhetisch relevante Frage, wie der Krieg im Roman dargestellt wird, und zeigen, dass das eigentlich historische Geschehen weitgehend 305 Comptes rendus ausgespart oder zum Mythos gestaltet wird (letzteres von Christiane Solte-Gresser am Beispiel von Madeleine Bourdouxhe und Claude Simon). Le Feu und bildende Künstler Die mit seiner pazifistischen Botschaft verbundene visionäre Gestaltungskraft im Feu wirkte als Impuls, der namhafte bildende Künstler zu Illustrationen des Textes anregte und zu eigenen Werken inspirierte. Zu Lebzeiten des Autors erschienen Editionen mit Illustrationen der französischen Künstler Renefer, Eugène Dété, Bertolt Mahn, André Collot und postum von Luc Albert Moreau. 3 In Deutschland kannte man bisher durch Le Feu inspirierte Werke von Otto Dix 4 und Otto Griebel. 5 Neben diesen beiden Dresdener Malerkollegen steht nun mit großem zeitlichen Abstand der Bildhauer und Maler Gerhard Kurt Müller als Vertreter der Leipziger Schule (XXVII). Der Dix-Spezialist Dietrich Schubert schließlich ist der Weltkriegserfahrung nachgegangen, die deutsche und französische Schriftsteller wie Barbusse und Ernst Jünger und Künstler wie Beckmann, Dix u. a. machten, hat sie reichhaltig mit Dokumentarmaterial belegt und ihre Spuren in ihrem Schaffen nachgewiesen (XXX). Le Feu als modernes Heldenepos In den zum Paroxysmus des Entsetzlichen gesteigerten Verhältnissen des Krieges entstand bei Barbusse gerade in der bewussten Negation des überkommenen Heldentums sein Roman als ‚Épopée de la Grande Guerre‘. Dieses dialektische Aufheben von Ehre und Heldentum und das Umschlagen in eine völlig andere Qualität eines neuen Helden mit einem neuen Ideal ist in der Literatur recht gut beschrieben worden: [F]orce est de constater qu’il [le Feu] traduit moins l’intrusion dans le récit militaire de l’esprit critique que d’une nouvelle conception de l’honneur. C’est pourquoi l’épopée ne disparaît pas, elle se transforme en un chant de sympathie sur la souffrance des hommes et leur condition d’esclaves, et un appel vibrant à la fraternité et à la révolte. La haine de la guerre peut inspirer des accents épiques; le livre de Barbusse le prouve assez, ainsi que certains qu’il inspira. Car le Feu, connu très vite et lu par toute une génération, fut la Bible de la littérature pacifiste de l’entre-deux-guerres. Consciemment ou non, les romanciers trouvèrent là un exemple sinon un modèle, et en tout cas, une incitation à poursuivre dans la voie du pacifisme. [ ] Le Feu [ ] avec son ton prophétique, récupérait les qualités d’émotion de l’ancienne épopée au service d’une cause neuve et noble: la paix (III, 168). Ähnlich Relinger: „Le Feu est une œuvre de création littéraire. Malgré la discrétion du narrateur, l’art transforme la sincérité en réalisme et le réalisme en épopée“ (XIII, 74) und H. F. Müller (XXVIII, 80sqq.). Es nimmt nicht Wunder, dass ohne den 306 Comptes rendus Gesamtblick auf die epische Intention einzelne ihrer Elemente wie der nationale Impetus, die Überhöhung der Frontgemeinschaft usw. für Olaf Müller (XXIV) teilweise unverständlich bleiben mussten. Es sei schließlich nicht verschwiegen, dass das Heldentum im Feu den Kriterien entspricht, die Herfried Münkler 6 für die Attribution des Heroischen geltend machte: Einmal die Bereitschaft, für eine Gemeinschaft das eigene Leben als Opfer darzubringen; ferner der Bezug zu einer die Gemeinschaft oder Gesellschaft zusammenschweißenden Religion (in diesem Falle die Nationalreligion des Jakobinismus) und schließlich die narrative Verdopplung, durch die das Geschehen bezeugt wird, ihm gewissermaßen Ereignischarakter verleiht (der referentielle Anteil an der Struktur des Romans). Münklers Kriterien treffen natürlich ebenfalls für den Märtyrer zu; bei Barbusse ist der Held zugleich der Märtyrer. Genau besehen ist Le Feu das einzige Werk pazifistischer Dominanz, das als sichtbarer Versuch einer modernen Heldenepik hervortrat. Insofern ist es in diesem Punkt als Paradigma aller nachfolgenden Kriegsliteratur über den Weltkrieg nicht paradigmatisch. 1 Genevoix im Vorwort zu Ceux de 14 über das Motiv der Überarbeitung: „car je tenais de toute chose à éviter que des préoccupations d’écriture vinssent altérer dans son premier mouvement, dans sa réaction spontanée aux faits de guerre qu’il relate, le témoignage que j’ai voulu porter“ (éd. Flammarion 1950). 2 Cf. Hans-Jürgen Goertz, Unsichere Geschichte, Stuttgart, Reclam, 2001. 3 Cf. XXIII, Nr. 24, 26, 27, 28, 30, 32. 4 Otto Dix, „Flandern“, in: Fritz Löffler, Otto Dix, Dresden, VEB Verlag der Kunst, 1960, Nr. 132. 5 Museum der Bildenden Künste zu Leipzig (ed.), Otto Griebel: Zeichnungen, Druckgrafik, Gemälde. Ausstellung 21. 4. bis 21. 6.1972, darin 2 von 4 Zeichnungen zum Feu von Barbusse. 6 Herfried Münkler, „Heroische und postheroische Gesellschaften“, in: Merkur, 8/ 9, 2007, 742-752.
