lendemains
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0170-3803
2941-0843
Narr Verlag Tübingen
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2007
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Die Inszenierung zeitgenössischer Theaterstücke
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2007
Patrice Pavis
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52 Patrice Pavis Die Inszenierung zeitgenössischer Theaterstücke Gleich zu Beginn drängen sich zwei, wenn nicht drei Richtigstellungen des Titels auf. Es handelt sich eher um Inszenierungen als um eine bestimmte Art zu inszenieren. Es wäre besser, von Texten als von Stücken zu sprechen, denn oftmals ist der Ausgangspunkt der Aufführung weder ein Dialog noch eine dramatische Handlung, die von Figuren verkörpert wird. Und schließlich werden mit „zeitgenössisch“ Stücke bezeichnet, die in den letzten 20 oder 30 Jahren geschrieben wurden, ohne dass damit ein Urteil über ihren innovativen oder konventionellen Charakter verbunden wäre. Die Frage ist, ob es eine bestimmte Art der Inszenierung moderner Autoren gibt, ob man zwischen einer oder mehreren Methoden unterscheiden kann oder ob man mit den Worten einer Figur von Koltès sagen muss: „Il n’y a pas de règles; il n’y a que des moyens; il n’y a que des armes“. 1 Das sind Fragen, die nicht so rhetorisch sind, wie sie scheinen, denn es geht darum, zwei Dinge zu überprüfen: einerseits, ob eine neue Art des Schreibens nach einer neuen Methode der Inszenierung verlangt, und andererseits, ob umgekehrt die Experimente der Regie neue Arten des Schreibens hervorrufen. Man würde gern auf diese Fragen antworten (um es kurz zu machen und dem Zeitgeist zu entsprechen), dass es genauso viele Methoden der Inszenierung wie Arten des Schreibens gibt und dass somit keine Theorie dieser Vielfalt gerecht werden kann. Das aber hieße zu vergessen, dass die Geschichte der Inszenierung seit über 100 Jahren zahlreiche Spiel- und Aufführungstechniken verzeichnet hat und man diese nicht gänzlich außer Acht lassen kann, wenn man das zeitgenössische Repertoire auf die Bühne bringt. Obwohl man diese junge und glorreiche Vergangenheit nicht einfach vergessen und total mit ihr brechen kann, steht die Inszenierung zeitgenössischer Autoren dennoch spezifischen Problemen gegenüber. Es ist nicht leicht, in dieser Art von Inszenierung das Alte vom Neuen zu trennen, denn wenn man auch die Methoden der „klassischen“ Inszenierung der Jahrzehnte von 1950 bis 1980 ausreichend kennt, insbesondere jene der Klassiker, ist man im Gegenzug aus Mangel an Distanz von der Vielfältigkeit der heutigen Texte und ihrer szenischen Umsetzung entwaffnet. Wenn man also - zumindest für den Augenblick - auf jede Typologie des Schreibens wie des Inszenierens verzichten muss, steht es uns doch frei, einige Einzelfälle zu analysieren. Beschrieben werden sollen einige Verfahren der Umsetzung zeitgenössischer Texte, um geduldig das Puzzle der gegenwärtigen Produktion zusammenzusetzen, einige Möglichkeiten zu unterscheiden und langfristig ein Panorama und schließlich eine Typologie der szenischen Praxis zu entwerfen. Die Beispiele wurden eher aufgrund zufälliger Begegnungen, vorhandener Videoaufnahmen und persönlicher Vorlieben gewählt, als um einer globalen Theorie und 53 systematischen Sicht zu genügen. Sie beziehen sich auf (in den letzten drei Jahren) bereits veröffentlichte Texte, also „abgeschlossene“ Texte, die von keiner Schreib- oder Spielwerkstatt mehr verändert werden können und von ihrem Autor als „definitiv“ eingestuft worden sind, auch wenn sich dieser letzte Änderungen vorbehält. Ein dramatischer Text dieses Typs ist im Prinzip nicht veränderbar und nicht anpassbar; er bildet die solide Basis der Inszenierungsarbeit; er wartet nicht auf die szenische Realisierung, um zu existieren, sondern ist wie jedes literarische Werk lesbar. Wir sind nicht mehr wie in den 1960er und 1970er Jahren in der Situation eines Schreibens in progress, das in einem Workshop erarbeitet wird und sich nach Proben mit den Schauspielern noch verändern ließe. Es ist - zumindest in Frankreich - selten geworden, gemeinsam einen Text zu erarbeiten oder die Schauspieler am Entstehungsprozess zu beteiligen. Es ist ein Luxus, den wir aufgegeben haben, was ein junger Autor wie Emmanuel Darley bedauert: „L’idéal pour un auteur serait de pouvoir travailler avec des acteurs pendant le processus d’écriture. Mettre en danger ses mots grâce à la présence du corps et de la voix avant d’arriver à une version définitive du texte de théâtre“. 2 Das Einzige, worüber der Theaterregisseur derzeit verfügt, ist also - wie bei den Klassikern - der schriftliche Text, manchmal der noch lebende Autor, wenn er bereit ist, indiskrete Fragen zu beantworten, und im besten Falle Schauspieler, die geneigt sind, die unterschiedlichsten und widersprüchlichsten Interpretationshypothesen auszuprobieren. Trotz dieser unbegrenzten Freiheit bei der Lektüre zeitgenössischer Texte kann man generell eine gewisse Zurückhaltung bei der Wahl einer „Lösung“ feststellen, als ob der Theaterregisseur es nicht wagte oder nicht wünschte, sich an die Stelle des Autors zu setzen und einem Stück eine zu persönliche Sicht und Gestalt aufzuzwingen, einem Stück, das es zunächst einmal szenisch „zu veröffentlichen“ gilt, d.h. es bekannt zu machen, indem man es dem Publikum vorstellt. Das erklärt sicherlich, warum die Inszenierung zeitgenössischer Theaterstücke, selbst wenn sie von der äußerst spektakulären Arbeit mit den Klassikern in den 50er, 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts „gedopt“ ist, ein weniger ausgeprägtes Profil hat und die Exzesse und Effekte anscheinend ablehnt. Der Beginn der 80er Jahre markiert einen Wendepunkt: Die Krise, die mit den (visuellen und finanziellen) Exzessen der Bühne verbunden ist, führt zu einer gewissen Zähmung der Künstler und kommt dem Aufschwung der Dramenproduktion zugute, die vom System der Subventionen und Stipendien und der Notwendigkeit, leichte und kostengünstige Produktionen zu machen, befördert wird. Von der Krise in der Theaterproduktion profitiert der Autor: „Au début des années quatre-vingt, l’auteur français est un être livré à lui-même, défendant sa langue propre et son imaginaire singulier lors même que, tel Koltès, il s’affronte aux bouleversements du monde contemporain“. 3 Patrice Chéreaus Inszenierungen der Stücke von Koltès seit 1982 und dessen vorzeitiger Tod 1989 kennzeichnen den Übergang vom „Goldenen Zeitalter“ der aufwändigen Inszenierung zu einem neuen Schreiben. Beispielhaft zeigt das ein Stück wie Bernard-Marie Koltès’ Combat de nègre et de chiens, das Chéreau 1983 inszenierte und das Dimiter Gotscheff 2004 an der Berliner Volksbühne wieder auf- 54 nahm. Die anderen Beispiele unseres Korpus, Inszenierungen von Stücken von Marie NDiaye, Catherine Anne, Noëlle Renaude und Eugène Durif aus den Jahren 2002 bis 2005, bestätigen diese Erschütterungen der Welt und die Schwierigkeiten einer wirklich zeitgenössischen Inszenierung. Combat de nègre et de chiens Gotscheffs Inszenierung von Combat de nègre et de chiens 4 widerspricht Punkt für Punkt der Chéreaus, und vor allem scheint sie sich polemisch zu Koltès’ Thesen zu verhalten. Chéreau hatte im Théâtre des Amandiers in Nanterre eine afrikanische Atmosphäre geschaffen: Hitze, Nebel, Geräusche, Kostüme, europäische und afrikanische Schauspieler. Bei seiner ersten Inszenierung stigmatisierte das Stück in manichäischer Weise den Rassismus der Weißen. Alboury, Bruder des Opfers, war eine schwarze Antigone; der forderte den Leichnam seines Bruders zurück und tötete Cal, den weißen Mörder. Bei Gotscheff versucht Horn, der weiße Ingenieur, gegen Ende des Stücks ein letztes Manöver, um Albourys Schweigen zu erkaufen. Dieser, der von einem weißen Schauspieler dargestellt wird, der plump als Schwarzer verkleidet ist, macht sich einen Spaß daraus, den Stereotypen zu entsprechen, die die weißen Rassisten von ihm erwarten. Er verkleidet sich wie für eine Farce, um Horn besser täuschen zu können, dessen erbärmliche Niedertracht und Hinterlist zu entlarven. Wie die Figur eines Ausgestoßenen bei Genet liefert er ein bewusst negatives Bild des Schwarzen und projiziert alle Erwartungen, Ängste und Aggressionen der Weißen auf ihn. Er konstruiert seine Figur eines groben, schmutzigen, unerziehbaren Wilden. Um die Funktionsweise des Rassismus und der Macht aufzuzeigen, führt er die Konstruktion einer künstlichen Identität vor. Weit entfernt von Koltès’ Essentialismus, von seiner „schwarz-weißen“ Sicht rassistischer Konflikte. Gotscheff unterstellt so, dass jeder einzelne von uns ein potentieller Rassist ist und die rassische Identität nur eine Konstruktion ist, die sich dem Blick des anderen verdankt. Daher rührt die Umkehrung aller Stereotype: Der Schwarze riecht angeekelt den Weißen, der sich mit einem Blätterrock ausstaffiert hat etc. Gotscheff (der in den 80er Jahren dasselbe Stück im Stil des Chéreauschen Realismus inszeniert hatte) kehrt so die zeitgenössische Tragödie der Vorurteile in eine spöttische Maskerade um, indem er suggeriert, dass jede Identitätskonstruktion sowohl konals auch dekonstruiert werden kann. Auch er verurteilt zweifellos den Rassismus und die Feigheit der Weißen, aber er tut dies, indem er mit den Identitäten spielt und den Schauspielern die Möglichkeit lässt, ihre eigene rassische Identität zu erschaffen oder zu zerstören. Die Auffassungen von einer festen Identität, von Authentizität und Präsenz werden in einem unendlichen Spiel der Dekonstruktionen und Differenzen lächerlich gemacht. So gesehen, stellt Gotscheffs Inszenierung die Formulierung des Konfliktes in Frage. Der Rassismus präsentiert sich nicht als Konflikt der Ideologien, als eine unversöhnliche Vision der Welt, sondern wie ein Konstruktionsspiel. Alboury ist nur 55 eine leere Konstruktion, eine Projektion des Hasses und der Ängste der Rassisten. Diese Konstruktion - gewollt überzogen und parodistisch - erlaubt zu verurteilen, wie der Rassist das, was er nicht erträgt, auf den anderen projiziert und ihm als Makel anlastet. Indem er die humanistischen und liberalen Schemata lächerlich macht, wählt Gotscheff ein gänzlich anderes Fiktionsniveau und stützt sich auf Spielkonventionen, die eher denen der Music Hall oder der Stand up comedy ähneln. Afrika ist eine leere weiße Fläche, auf die vom Schnürboden herab unablässig Konfetti herabrieselt. Alboury ist ein weißer Spielführer, der sich mit dem Mikrophon direkt an das Publikum wendet, sich vor ihm schminkt, es mit einbezieht, die Aufführung mit rassistischen Scherzen über die Neger und die Bulgaren beendet. Gotscheff führt auf seine Art den Brecht des Mann ist Mann wieder ein: Das Thema wird vor uns konstruiert, das Theater ist ein Mittel, mit einem kritischem Abstand die Konstruktion „natürlicher“ Identitäten zu zeigen. Die Inszenierung hat sich also nicht damit begnügt, das Stück dem aktuellen Geschmack anzupassen. Sie hat den Aussagemodus vollkommen verändert, den Text um zwei Drittel gekürzt und vor allem das ursprüngliche ideologische Programm in Frage gestellt. Das Stück behandelt nicht mehr das Thema der neo-kolonialen Ausbeutung, sondern das der Identitätskonstruktion. Die Aufführung berücksichtigt die Veränderung des Klimas, die „weiche“ Zunahme der Globalisierung. Hinter einem provokanten und spielerischen Äußeren aktualisiert sie das Stück, passt es der neuen Situation an, macht sich lustig über die realistische und moralisierende Behandlung des Rassismus, über die Normen der „political correctness“, einschließlich der Vorstellung auf einer öffentlichen Bühne. Ihre Provokation ist eine Persiflage, sowohl des Stücks als auch der 80er und 90er Jahre und der Art und Weise, in der Länder wie Deutschland und die anglo-amerikanische Welt, in denen die „political correctness“ besonders herrscht, mit Rassismus umgehen. Sie kündigt einen Gegenangriff auf den kleinbürgerlichen und apolitischen Moralismus an, auf das Denken, das zu korrekt ist, um ehrlich zu sein. Papa doit manger Gotscheffs Antwort ist eine Reaktualisierung eines schon älteren Stückes und entspricht erstaunlicherweise der Uraufführung des letzten Stückes von Marie NDiaye, Papa doit manger, 5 die André Engel 2003 an der Comédie-Française herausgebracht hat. Da es in diesem Stück ebenfalls um Rassismus geht, ist seine vergleichende Lektüre äußerst aufschlussreich. Wie behandeln dieses Stück und seine Inszenierung dieselbe Frage und bieten beide ähnliche, aber doch unterschiedliche szenische Lösungen in einem genauso heiklen ideologischen Kontext an? Die Autorin Marie NDiaye ist väterlicherseits afrikanischer Herkunft, sie ist jedoch in Frankreich geboren und hat immer dort gelebt. Sie ist also keinesfalls eine afrikanische Schriftstellerin oder der Frankophonie zuzuordnen. Ihr Stück erzählt die Geschichte von Papa, einem Schwarzen, der nach zehn Jahren Abwesenheit 56 zu seiner weißen Frau zurückkehrt. Man begreift schnell, dass er nur zurückgekehrt ist, um ihr das Geld aus der Tasche zu ziehen. Alles erscheint ihm legitim, da er „essen muss“. Man entdeckt, dass er bereit ist zu stehlen, zu verraten, zu lügen, das Kind zu verlassen, das er mit einer anderen Frau bekommen hat, seiner Tochter auf der Tasche zu liegen und ein zweites Mal zu seiner ehemaligen Frau zurückzukehren. Die Figur ist eindeutig unsympathisch, aber sie ist auch immer wieder das Opfer des gewöhnlichen Rassismus ihrer Schwiegerfamilie gewesen. Maman hat bis zum Schluss „eine unerklärliche Liebe“ (95) für ihn empfunden. Wird sie ihn wieder aufnehmen? Papa doit manger hat nichts von einem Thesenstück. Es gibt weder Antworten noch Rezepte, es zwingt den Regisseur, Stellung zu beziehen zum Verhalten der Hauptfigur und damit zugleich zur Fabel. Ist dies nicht die Mission der Inszenierung oder zumindest eine ihrer Missionen seit ihren Anfängen am Ende des 19. Jahrhunderts, nämlich dem Publikum eine verworrene oder delikate Geschichte verständlich zu machen, ihm den ideologischen und psychologischen Gehalt zu vermitteln, gegenüber Realität und Fiktion einen Standpunkt einzunehmen? Im Laufe der letzten 20 Jahre hat man ein wenig vergessen, dass die Inszenierung auch ein Instrument sein kann, um eine Schwierigkeit zu signalisieren, herauszuarbeiten, zu beurteilen oder eine Lösung anzudeuten. Die Arbeit der Darsteller besteht ihrerseits darin, unser Urteil über die Handlung und die Figuren zu beeinflussen. Bakary Sangaré, ein aus Mali gebürtiger Schauspieler und der erste afrikanische Pensionär der Comédie-Française erschafft zunächst eine in ihrer Redseligkeit und Naivität sympathische und dann wirklich verabscheuungswürdige Figur. Der Text und die Aufführung versetzen den Zuschauer in Zelners Lage, Mamans Freund, der die Karikatur eines Professors, aber maßvoll und anständig ist. Er bietet uns einen Blick auf die Handlung, mit dem wir uns identifizieren können und der unser Verhältnis zum anderen, zum Fremden, zum Schwarzen thematisiert: La couleur de sa peau m’a abusé. Je croyais n’avoir pas le droit de le haïr. Toute haine à son encontre est politiquement condamnable. […] Il s’est mal comporté, soit. Mais un Noir, me disais-je, n’est pas responsable de ses actes car un Noir est avant tout et essentiellement une victime. Il n’y a pas de Noir, me disais-je, qui soit coupable sur notre sol. […] Tout est de notre faute, pensé-je. […] Et si j’osais, je lui balancerais mon poing dans la figure. […] Mais peut-on frapper un Noir? Je n’en suis pas encore sûr. (65-67) Könnte die Schriftstellerin Marie NDiaye ihre Figur diese Worte sagen lassen, könnte sie sie moralisch verurteilen, wenn sie nicht selbst schwarz wäre? Selbst das ist „pas encore sûr“! Und es hängt natürlich auch von den Kontexten ab. Außerdem: muss man die Hautfarbe des Autors oder des Regisseurs oder des Schauspielers kennen, um zu wissen, ob seine Kritik einer unsympathischen, aber schwarzen Figur erlaubt ist oder nicht? Sobald das Publikum weiß, dass der Autor ein Schwarzer ist, und wenn es nicht vermutet, dass die Autorin dem Selbsthass 57 verfallen ist und einem anti-schwarzen Rassismus anhängt, wird es sich veranlasst sehen, das Verhalten von Papa objektiv und demzufolge auch streng zu beurteilen. André Engel scheint in diese Richtung zu gehen, und so scheint der Sinn seiner Inszenierung dem Text zu entsprechen. Aber in letzter Instanz hat das Publikum zu entscheiden. Und wenn man Engels Notizen zur Inszenierung im Programmheft liest, fällt ein gewisser Gegensatz zu dem auf, was man im Spiel sieht. Engel fühlt sich gezwungen - oder ist es tatsächlich? -, die Figur des Papa zu rechtfertigen, was nicht dem Text entspricht. Zelner, schreibt er, sei von Papas Hautfarbe besessen. Aber wenn Zelner diese Hautfarbe so beschäftigt, dann (unserer Meinung nach) nicht auf rassistische Weise. Oder ist die Abwesenheit von Kritik eines moralisch zu verurteilenden Verhaltens aus Angst, als rassistisch zu gelten, nicht auch eine Form von Rassismus, eine Feigheit aus Angst, nicht „politisch korrekt“ zu handeln? Eben darin liegt vielleicht die „indirekte Botschaft“ des Stücks, sicherlich seine wichtigste. Dennoch ergreift Engel im Programm Papas Verteidigung, der „abandonné par sa femme et renié par sa fille“, weil „trop lourd, encombrant et inutile“ sei (3). Als guter Brechtianer hinterfragt er den möglichen politischen Sinn der Fabel: Er sieht in diesem Verlassen eine Metapher für jene Einstellung, die „certains d’entre nous ont été amenés à entretenir avec ce qu’ils appelaient ‘le jeune continent africain’“. Dies scheint jedoch eher Engels persönliche Ansicht als eine Wahrheit des Textes zu sein. Es ist auch ein Zugeständnis an die Theaterinstitution, die befürchtet, des Rassismus bezichtigt zu werden, wenn sie einen Schwarzen verurteilt, obwohl sie sich über allen Zweifel erhaben glaubt, weil sie doch gerade einen Afrikaner eingestellt hat. Vergleicht man es mit Gotscheffs Blick auf dasselbe Thema, muss man den „retard“ oder die „prudence“ der französischen Künstler konstatieren. Es stimmt, dass das Stück von Koltès nicht mehr taufrisch ist, dass die Diskussion um die Identität, besonders außerhalb Frankreichs, große Fortschritte gemacht hat und dass man sich von der romantischen Haltung eines Chéreau oder eines Koltès zum ‘jungen afrikanischen Kontinent’ entfernt hat. Der destruktiven Parodie eines Gotscheff steht die eher subtile und doppeldeutige Ironie Engels gegenüber. Wenn die Inszenierung, wie die Ironie, die Kunst ist zu sagen, ohne zu sagen, sind wir mit NDiaye und Engel mitten auf dem Feld der Ironie, Rationalität und Kritik. Die Diskussion ist eröffnet, obwohl die Verneinung, die jeder künstlerischen Schöpfung eigen ist, es erlaubt, nicht zu entscheiden und dem Leser und Zuschauer selbst das Urteil zu überlassen. Le Bonheur du vent Dieses von Catherine Anne geschriebene und im Théâtre de l’Est Parisien von ihr im Jahr 2003 inszenierte Stück erlaubt uns zu untersuchen, wie der Text umgesetzt wird, wenn die Regisseurin theoretisch all seine Geheimnisse kennt. Wirkt sich die Geste der Autorin direkt auf die der Regisseurin und ihrer Schauspieler aus? Ist der gute Regisseur jener, der die Geheimnisse der Herstellung kennt? 58 Frei inspiriert vom Leben der Calamity Jane, erzählt Le Bonheur du vent 6 die Geschichte von Jane. Diese musste ihr Baby einem reichen Paar, Helen und Jim, überlassen. Die drei Akte drehen sich um die drei Frauen: die Mutter, die Adoptivmutter und die Tochter. Das Kind wechselt von einer Frau zur anderen, ohne nach dem Tod der Adoptivmutter zur leiblichen Mutter zurückkehren zu können. Als sie hinter das Geheimnis ihrer Geburt kommt, ist ihre leibliche Mutter, Jane, bereits auf die andere Seite hinübergewechselt, die des Alters und des Todes. Wenn eine solche Geschichte so tief in uns nachhallt, so weil sie allgemeinmenschliche Fragen berührt: Mutterschaft, Bindung an das Kind, Trennungsschmerz, Tod der Mutter. Diese elementaren Emotionen werden durch den Text wie durch die Bühne in einer emotionalen Falle und mit einer maximalen Spannung hervorgerufen. Die unterschiedlichen Szenen scheinen deutlich durch die dramatische Konstruktion vorbereitet zu sein: die Begegnung, das fast Wiedererkennen, der Moment, in dem Mutter und Tochter - als die Wahrheit bekannt ist - „peut-être se parlent, malgré les milliers de kilomètres qui les séparent“ (87), wo der Tod der einen mit dem Beginn des Lebens der anderen zusammenfällt. Der Leichtigkeit der Schreibweise - meistens kurze freie Verse, die einem wie ein Luftholen vorkommen - entspricht die Leichtigkeit der szenischen Einschreibung: schnelle, verstohlene Bewegungen, Szenen, die blitzartig beginnen und genauso vergehen, eine minimale Charakterisierung, ein Vorhang, der auslöscht, was gerade gezeigt wurde. Schreiben und Spiel stimmen in der Schnelligkeit und Einfachheit des Strichs überein: kein peinlich genau rekonstruierter Wilder Westen, kein bürgerliches Interieur, keine Kutsche, die von Jane überfallen würde, keine Fabel, die in wieder erkennbarer Weise in Zeit oder Raum eingeschrieben wäre. Wenige Worte bilden die Kulisse, ein Vorhang, der sich plötzlich schließt, erschafft den Ort, der sofort verschwindet, sobald sich der Vorhang bewegt. Einige Repliken, ein Kostümelement oder ein Geräusch vom Band, und schon erscheint die ganze Außenwelt und gibt den Wörtern ihren Sinn. „Sur scène, dans le plus grand dépouillement, nous cherchons à donner les traces extérieures des mondes intérieurs“, 7 sagt Catherine Anne. Auf der leeren Bühne, die nur manchmal durch den Vorhang begrenzt wird, schaffen die dichten und rätselhaften Worte unmerklich eine Epoche, eine Situation, einen Ort, einen Moment des Lebens. Daher an manchen Textstellen der Effekt der Fokalisierung, der Nahaufnahme, des Zooms. „Einstellungen“ unterschiedlicher Länge folgen wie in einer Filmmontage aufeinander und verleihen der Aufführung einen Rhythmus. Das Spiel hebt diese Nahaufnahmen auf einen Ausdruck, eine Geste, eine Beziehung zum anderen hervor. Assonanzen, Wiederholungen, lapidare Formulierungen, Verkürzungen im Ausdruck, Maximen, die das Stück resümieren („je préfère le bonheur du vent au confort des maisons“, 29), das alles schafft ein Phänomen des Gleichmaßes, der Abstraktion, „stellt“ den Text förmlich auf die Bühne, stabilisiert ihn, erspart ihm eine schwerfällige Illustrierung. Auf der riesigen Bühne des TEP, auf der zu bespielenden und beschreibenden Oberfläche, ist die Skizze sowohl visuell als auch diskursiv. Die Schreibweise för- 59 dert die Schnelligkeit der Skizze und des Strichs, die Momente des Bruchs und des Schweigens, die Momente, in denen das Echo der Worte hörbar wird. Ein Beispiel unter vielen: JANE: Pas besoin d’argent L’argent toujours achète Je me débrouille Gardez votre fric Jim merci pour la visite Dehors Sortez tous J’ai besoin d’être seule. (30). Das Fehlen von Interpunktion verhindert die Pausen nicht, sondern erleichtert sie stattdessen und macht sie unverzichtbar. Keine syntaktische Doppeldeutigkeit, nur das Bewusstsein für die Einheiten der Atmung, die auch das Denken strukturieren. Die Typographie des Stücks entspricht der Atmung, sie hilft dem Schauspieler, die Phrasierung und später die Gestik zu finden. Das Spiel von Marie-Armelle Deguy gibt diese verschobene Phrasierung körperlich wieder, diese Struktur sowohl der Atmung als auch der Emotion und Semantik. Die leicht erkennbare, aber auch genauso leicht durch die Stimme und den Körper veränderbare rhythmische Struktur wird zur Basis der Interpretation und auch, durch Addition, der Inszenierung in ihrer Gesamtheit. Diese Inszenierung geht nicht von einem vorgegebenen Schema oder Bild aus, das die Regisseurin von außen herantragen würde. Sie baut sich Einheit für Einheit durch die Abfolge und Addition der Wortwechsel auf, wie eine Lesung, die von vornherein versucht, sich auf Haltungen und Bewegungen der Schauspielerin ebenso wie auf ihre Betonung und Intonation zu stützen. Da die Autorin auch Regisseurin und ausgebildete Schauspielerin ist, entstehen die rhythmische Strukturierung und schließlich die Einrichtung der Sequenzen (le blocking) quasi gleichzeitig. Man kann davon ausgehen, dass die Regisseurin Catherine Anne nicht nach dem Sinn ihres Textes zu suchen braucht und auf natürliche Weise wieder zu seiner rhythmischen Basis, seinem Tempo, seiner Phrasierung und Intonation findet, kurz, zu dem ganzen psycho-motorischen Apparat, von dem jede szenische Interpretation ihren Ausgang nehmen muss. Die Rhythmisierung gibt dem Text seinen Sinn. A fortiori in einem Werk, in dem die Stille eine so große Rolle spielt. So wird es uns, mit den Worten Michel Corvins, möglich, „de voir le silence charnel de la mise en scène influer, par rebond, sur l’écriture“. 8 Zweifellos bestätigt, aber modifiziert die Inszenierung auch das, was der Text anbietet. Das Eine bereichert das Andere ohne inhaltliches oder zeitliches Primat. Der Körper der Autorin besteht weiter im Körper der Regisseurin und schließlich in dem ihrer Interpretin (die Schauspielerin wie die Zuschauerin). Es bleibt für jene, die später kommen werden, die Möglichkeit, anders zu lesen und den Prozess der Interpretation wieder neu in Gang zu bringen. Ein Regisseur „von außen“ wird dann das wieder in Bewegung setzen, was zu erstarren, sich im Text festzusetzen und ein wenig zu selbstsicher zu werden droht. 60 A tous ceux qui... Unabhängig davon, ob die Inszenierung vom Autor oder einer anderen Person gemacht wird, kommt es darauf an, auf den diskursiven und rhetorischen Bau des Textes zu achten. Der Regisseur kann nicht umhin, den Text zu lesen und dabei seine Interpunktion und seinen Rhythmus zu analysieren, seine sprachliche und diskursive Spur herauszuarbeiten. Diese Aufmerksamkeit für den Text scheint wichtiger als der Beitrag an Bildern und Impulsen von außen zu sein, zumindest für die Inszenierung von Texten der Gegenwart. Als zusätzlicher Beleg möge die Inszenierung des Stücks von Noëlle Renaude, A tous ceux qui…, 9 dienen, das 2005 auf dem Festival von Avignon von Claude Maurice und Joël Collot vorgestellt wurde. Die Regisseure des Ensembles Art Mixte, die auch die beiden einzigen Darsteller der ungefähr 30 Rollen sind, hatten den guten Einfall, die Reden - jedes Mal unterstrichen durch einen Toast - bei einem Bankett oder Familienfest um einen Tisch herum zu situieren. Die Gäste scheinen einander manchmal zu antworten, und der Ort wie die Zeit des Geschehens treten dadurch noch besser hervor. Diese Entscheidung der Inszenierung folgt der Empfehlung von Noëlle Renaude, sich so nah wie möglich an den Text zu halten: „Il faut prendre la parole pour s’emparer du plateau. Aimer le suspens qu’offre la ponctuation. Avoir le goût du croisement, de l’hésitation, de l’effraction, du risque que prend la langue à nous raconter des histoires! A qui sait regarder, tout est là indiqué. Et le personnage, s’il existe, finira toujours par arriver“. Diese Empfehlung ist im Grunde jene eines Copeau, der den Atem oder die Stille des Autors wieder zu finden sucht, eines Jouvet auf der Suche nach dem „sentiment“ oder dem Atemproblem Molières, eines Vitez, der die „voix de son maître“ wiederherstellt. Diese Weisungen sind nützlich, um in das lexikalische und rhythmische Universum eines Autors einzudringen, statt sich auf den Protagonisten zu stürzen und ihn zum Dreh- und Angelpunkt der Erzählung zu machen. Sicher sind die Schauspieler immer begierig, ihre Figur zu finden, ihr einen Körper und eine Stimme zu geben, aber wenn sie sich etwas gedulden, wenn es ihrem Regisseur gelingt, sie zurückzuhalten, ihren Elan zu bremsen, wenn sie auf die Spannung, die Stille, die Rhythmuswechsel hören, werden sie eine globalere Vision vom Bau des Stücks erhalten und umso leichter die Gesamtkonstruktion erkennbar werden lassen, aus der ihre Figur mit mehr Sicherheit hervorgehen wird. Die Schreibweise des Stücks gehorcht dem doppelten Prinzip, das Noëlle Renaude beschreibt: eine sehr strenge Gesamtstruktur, sehr starke mimetische Effekte bei den Figuren. Die dem Alter der Figuren nach ansteigende Progression der Monologe erleichtert den Vergleich zwischen den je nach Alter, Geschlecht und sozialer Herkunft der Sprecher unterschiedlichen Standpunkten. Dank der Beschreibungen desselben Ereignisses durch verschiedene Stimmen lernt man ein ziemlich homogenes Figurenensemble kennen. Ein Netz aus Anspielungen, Sprachfehlern, sprachlichen Eigenarten jener Epoche, Ähnlichkeiten wird nach und 61 nach gesponnen. Aber diese farbige Portraitgalerie ermuntert die Schauspieler eher, die Unterschiede herauszuheben, sei es auch nur, um sich in der Kunst der Verwandlung und Nachahmung hervorzutun, einer Kunst, in der Maurice und Collot brillieren. Die Figureneffekte sind das, was bei der ersten Lektüre wie auch bei dieser szenischen Umsetzung zunächst den stärksten Eindruck macht. Noëlle Renaude ist es gelungen, die Eigenarten der Umgangssprache jener Zeit zu treffen. Ihr Schreiben ist dennoch nicht naturalistisch und unmittelbare Niederschrift des Gehörten, denn die Berichte wurden nicht einfach aus der Perspektive und mit der sprachlichen Kompetenz der Figur niedergeschrieben, sie zielen nicht auf sprachliche Glaubwürdigkeit und lexikalische Richtigkeit der Formulierungen. Wenn etwa Baba (4 Jahre) von seiner „sœur Lili morte il y a cinq ans en plein chaos historique“ (13) erzählt, spricht nicht nur er, sondern auch eine unsichtbare Erzählerin, die ihm seinen Monolog diktiert. Sein Zeugnis ist nicht historisch oder authentisch, es versucht keineswegs, über seinen eigentlichen Ursprung zu täuschen. Die Autorin ist auf allen Ebenen erkennbar: lexikalisch, syntaktisch, diskursiv, aber sie ist diskret genug, um den Sprecher lebensecht erscheinen zu lassen. Ihre Rhetorik dient ihr dazu, sich in die Rede des Anderen zu schleichen, um sie von innen zu bearbeiten, sie zu vervollständigen, ihr ironisch zu widersprechen, sie mit den anderen Aussagen zu verknüpfen. Die Arbeit von Maurice und Collot besteht darin, Ton und Stimme für ihre Geschöpfe zu finden, ohne deswegen die Formen und Verfahren des Textes zu vernachlässigen. Ihre Bewegungen sind minimal und immer überzeugend. Die rhythmische Umsetzung des Textes im Spiel ist kohärent genug, um eine gewisse Dynamik zwischen der einen und der anderen Rolle erkennen zu lassen. Den Geist einer Epoche wieder finden zu wollen zwingt die Schauspieler, eine Sprachfärbung, eine Körperhaltung, eine umgangssprachliche Aussprache anzunehmen, die ihre eigenen Charakteristika transzendieren und eine ganzheitliche Lektüre erleichtern. Bei jedem Versuch erfinden sie einen Körper jener Epoche: eine Art sich zu bewegen, sich zusammenzukauern, sich vor dem Blick der anderen zu verstecken, sich aufzuregen, was letztendlich zu einer lebendigen Dokumentation jener verschwundenen Epoche führt, die in der Erinnerung jener lebt, die gleich nach dem Krieg geboren wurden. Indem sie den Habitus 10 ihres Körpers suchen, seine „sozialisierte Subjektivität“, 11 finden sie intuitiv diese Bewegung, diese Körpersprache einer vergangenen Epoche, werden sie zu ihrer fleischgewordenen Enzyklopädie. Wenn das Spiel der Schauspieler darin besteht, glaubwürdige Zeichen für ihre Figuren zu finden, stellt die Inszenierung das Puzzle ihrer Worte wieder her und sichert dabei die Einheit der Gestik und des Verhaltens. Claude Maurice und Joël Collo halten die Schreibweise von Noëlle Renaude wie ihre eigene Schöpfung in einem prekären Gleichgewicht zwischen einer eher abstrakten Gesamtkomposition und einer Überfülle realistischer Notationen. Ein prekäres Gleichgewicht, denn wenn die Komposition zu starr ist, wird das Spiel formalistisch und droht, jeglichen 62 Reiz zu verlieren; wenn hingegen die Einfälle des Spiels zu mimetisch und sklavisch imitativ sind, entsteht kein Gesamteindruck mehr und wird der Zeitgeist nicht mehr spürbar. Geleitet von den Empfehlungen Renaudes, finden sie ein unerwartetes Gleichgewicht und ihre Arbeit hält alle Versprechen des Textes. Der Schlüssel einer „gelungenen“ Inszenierung der Texte von Noëlle Renaude liegt anscheinend in der Kunst, für die Gestik und die Inszenierung ein ausreichend einfaches, kohärentes und abstraktes Vokabular zu finden, das es dem Zuschauer erlaubt, sich zu orientieren, wie komplex auch immer der Text und wie zahlreich auch immer die Rollen sein mögen. Überzeugend hat dies Jean-Paul Dias unter der Regie von Frédéric Maragnani in dem Stück Quarante églogues, natures mortes et motifs 12 vorgeführt. Dias hat, um die verschiedenen Rollen zu interpretieren, ein eher abstraktes System von Gesten gefunden, in der Art von Etienne Decroux’ Pantomime. Nicht nur aufgrund der Latzhose mit den langen weißen Webkanten, die die Kontur des Körpers und der Haltungen betonen, wie in dem im Film festgehaltenen Mimodrama L’usine, sondern insbesondere wegen der Beherrschung der sehr sparsamen Haltungen und Gesten. Wie bei Decroux geht jede Sequenz von einem zentrierten und im Gleichgewicht befindlichen Körper aus und kehrt zu ihm zurück, materialisiert durch einen Punkt auf dem Boden und ein imaginäres Zentrum im Körper. Erfreulicherweise vermeidet Jean-Paul Dias bei der Rhythmik den von Emile Jaques-Dalcroze begangenen Fehler: die vollkommene Übereinstimmung von Geräuschen und Gesten. Hier, c’est mon anniversaire In den ersten Minuten der Inszenierung von Hier, c’est mon anniversaire von Eugène Durif stellt sich das Problem des prekären Gleichgewichts zwischen der Stärke des mimetischen Spiels und dem globalen Sinn der Komposition erneut. Jimmy erzählt, wie er die „Experten“ einfach stehen ließ. Von dieser Exposition an vermischt Durif in seinem Schreiben Elemente der sozialpsychologischen Realität und philosophische Betrachtungen. Jimmy legt gleich zu Beginn seine persönliche Überzeugung dar. Seine Auffassung der Zeit ist reversibel: „Hier, c’est mon anniversaire“ (5). Seine Fragen sind epistemologisch: „c’est quoi imaginer? “. Seine Verunsicherungen metaphysisch: „Quand sous nos pieds il n’y a rien, à quoi ça peut servir un chemin? “. Die Inszenierung von Olivier Couder und Patricia Zehme hat Mühe, im Spiel diese zwei Darstellungsarten zu unterscheiden: die abstrakte Struktur und die Nachahmung des Konkreten. Sie neigt dazu, die philosophische Fragestellung auf die Psychologie zurückzuführen, ja eine Geisteskrankheit: Jimmy mit dem gedrungenen Körper eines Autisten spricht eher wie ein Zurückgebliebener als ein von Philosophie begeisterter Erleuchteter. Die erste Szene wird auf zwei Arten gespielt, aber mit einem zu scharfen Schnitt nach „Le car s’est arrêté…“: Jetzt wird der Ton konkret, die Figur bekommt eine psychologische, anekdotische Dimension. 63 Dabei bearbeitet Eugène Durif, wie Renaude oder Minyana, seine Charaktere nicht nur mit realistischer und mimetischer Feder, sondern auch und vor allem mit den Mitteln der auktorialen Sprache, die die „persönlichen“ Worte der Charaktere durchdringt. Dieses Verschlungensein realistischer Notationen und philosophischer oder poetischer Äußerungen (in der Form des chinesischen Koan bei Durif) hat etwas Überraschendes. Doch es ist nur die Konsequenz des neuen Status, den die Sprache seit ungefähr dreißig Jahren im Theater innehat. Jean-Marc Lantéri beschreibt es treffend: „La langue de l’auteur dramatique n’est plus instrument des passions ou vecteurs d’un théâtre critique mais se constitue en une sphère autonome, tel le langage est apparu comme une entité absolue aux yeux de la linguistique structurale ou de la psychanalyse lacanienne“. 13 Die Theaterpraxis kann dieser Autonomie der Sprache nur schwer gerecht werden. Diese Inszenierung insistiert auf der realistischen Erzählung und weiß nicht recht, was sie mit der philosophischen Anspielung machen soll. Einmal mehr verdrängt die Mimesis der Rolle die Poesie und Komplexität des Textes, lässt zu wenig Stille zur Entfaltung der Reflexion, vertraut nicht genügend der Form des Geschriebenen. All diese Beispiele zeigen sehr gut die Schwierigkeit der Inszenierung, die Struktur in ihrer Gesamtheit deutlich zu machen und dabei genügend „Körper“, Materie und Realitätseffekte zu bieten. Die Schwierigkeit, ein Gleichgewicht oder einen Kompromiss zwischen abstrakter Struktur und konkreter Figur, Textualität und Mimesis zu finden. Die Originalität dieser Inszenierung (und jene des Théâtre du Cristal von Olivier Coudert und Patricia Zehme) besteht darin, ausschließlich behinderte Schauspieler einzusetzen, die fast alle in einer psychiatrischen Anstalt gewesen sind und durch spezialisierte Einrichtungen betreut werden. Ihre Behinderungen sind mehr oder weniger sichtbar: Einige werden vom Publikum erkannt, andere weniger, zumindest im Rahmen der Aufführung. Das relativiert die Auffassung von normal und pathologisch und zeigt dem Publikum, dass seine Definition von Wahnsinn und Normalität zum Teil auch kulturell kodiert ist. Für den Regisseur spielt sich alles auf einem schmalen Grad ab. Einerseits bedroht die Schwere der Behinderungen die Theateraufführung, die auf Präzision und der Wiederholbarkeit einer Reihe früherer ästhetischer Entscheidungen basiert. Andererseits kann man diese Schauspieler nicht nach den geltenden ästhetischen Normen spielen lassen oder ihnen eine Dressur und Imitation aufzwingen, die ihrer wahren Natur nicht entsprechen. Diese delikate Situation ist im übrigen typisch für jede Inszenierung: Diese muss in der Lage sein, ihre ästhetischen Entscheidungen und Effekte zu reproduzieren und gleichzeitig offen bleiben, einzigartig, unvorhersehbar und nicht auf eine definierte und definitive ästhetische Norm rückführbar. Im Stück wie auf der Bühne ist der Unterschied zwischen Wahnsinn und Normalität nicht mehr wirklich deutlich, obwohl dem Zuschauer die Arbeit jedes einzelnen Künstlers bewusst ist und insbesondere die Schwierigkeit, Behinderte spielen zu lassen und darauf zu achten, dass sie ihren Einsatz zum richtigen Zeitpunkt bringen. Indem sie ihre Behinderung nicht vertuschen, bringen sie die Aufführung und 64 somit das klassische System der Inszenierung in Gefahr oder zumindest in eine Krise, aber sie verleihen ihr auch eine zusätzliche Authentizität, ein autonomes Leben über die Fiktion und die Konventionen hinaus. Anstatt einer gefälligen freak show oder einer zu gut geregelten und abgeschlossenen Aufführung erhält man ein Ereignis, das die Risiken einer jeden Darbietung des Lebendigen, Unvollkommenen, Unvorhersehbaren akzeptiert: Ereignistheater, wo nur die wirklichen Taten der Schauspieler zählen; Theater der menschlichen Präsenz und nicht der fiktionalen und ästhetischen Darstellung. Resultat des Ausgleichs zwischen Fiktion und Ereignis, ist die Inszenierung ein Akt, von dem man nie weiß, ob er verrückt oder vernünftig ist. Um sie zu erhalten, muss man riskieren, sie zu verlieren, Unfälle, Fehler, Ungereimtheiten akzeptieren. Man regelt nichts im Voraus: weder die perfekte Leitung der Schauspieler noch die Irrtümer der Atypischen (Kinder, Geisteskranke, menschliche Wesen, Schauspieler...). Eine Inszenierung, das ist immer auch die Kunst, die Unwägbarkeiten der Bühne zu bewältigen. Im Grunde genommen gibt es zwei Arten von Inszenierungen: die Inszenierung eines unveränderbaren Textes, der immer erläutert, illustriert und mit der Bühnensituation konfrontiert werden muss, in die man ihn einpasst, und die Inszenierung als Umsetzung ins Spiel und Integration von Materialien (darunter der Text), die alle gleich behandelt werden. Schlussfolgerungen Anhand dieser wenigen Einzelbeispiele ist es recht schwierig, zu generalisieren und die großen Prinzipien der Inszenierung zeitgenössischer Texte zu bestimmen. Man kann lediglich einige große Tendenzen anführen, eher Hypothesen als Thesen. 1. Man kann nicht behaupten, dass die Inszenierungen von Gegenwartstexten neue Methoden erfunden hätten, die sich radikal von denen der Klassiker unterscheiden würden. Das gilt umso mehr, als sich der Abstand, ja der Unterschied, zwischen Inszenierungen der Klassiker und der Modernen heutzutage immer mehr reduziert. Die Mittel sind weniger spektakulär, die Regie begnügt sich zunehmend mit einer „Servolenkung“ der Schauspieler, ohne übermäßigen Aufwand beim Bühnenbild zu betreiben und sich um schwerfällige Elaborate der Dramaturgie zu kümmern. Eine solche Konzentration führt manchmal zu einer „konzeptionalistischen“ Inszenierung, die auf einer simplen und sich wiederholenden Idee beruht, die wenig sinnlich ist, zwar intelligent, aber schnell langweilig. 2. Man muss also wieder den Mut finden zu inszenieren: die Aufführung nicht auf die dramatisierte Lektüre beschränken, die szenische Lesung oder eine andere Art der öffentlichen Lektüre, die oft nur Billiginszenierungen sind und ein Stück vorstellen, um anschließend um so leichter auf seine Aufführung verzichten zu können. Man darf sich nicht mit einem „Schauspieler als Vorleser“ begnügen noch die 65 Ergebnisse eines Workshops - so explosiv sie auch sein mögen - mit der öffentlichen Aufführung eines Werkes verwechseln. 3. Die Inszenierung sucht einen Mittelweg zwischen der aufwändigen (und teuren) Superproduktion und dem simplen Vortrag eines Textes auf der Bühne durch Schauspieler. Denn von der von Michel Vinaver kritisierten „Mise-en-trop“ („Überinszenierung“) sind wir beinahe bei der „Mise-en-pas-assez“ („Unterinszenierung“) angelangt. 4. Statt von Inszenierungsstil, wie bei den Klassikern üblich, spricht man bei zeitgenössischen Arbeiten eher von Methode. Wobei es sich allerdings um eine Methode handelt, die ausschließlich an das aufzuführende Stück angepasst ist - oder höchstens an einen Autor - und die daher nur schwer wieder verwendbar ist und jeder Theorie widersteht. Man spricht niemals vom Stil eines Regisseurs, der sich auf Gegenwartstexte spezialisiert hat. Jede Inszenierung eines neuen Textes zwingt dazu, einen Raum, eine Handlung, einen Rhythmus neu zu erfinden, die beim Lesen des Textes nicht vorhersehbar sind. Diese rhythmische Arbeit mit der Stimme und deren szenischer „Performanz“ sind wichtiger als der Sinn des Textes. 5. Im Gegenzug stellt man fest, dass gewisse heutige Autoren nur nach einer anerkannten und bewährten Methode gespielt werden. Einerseits Sieg der Methode, geradezu des „Discours de la méthode“, gleichzeitig aber auch die Gefahr der Sklerose, wenn sie zur Norm wird, sich von einer Aufführung zur anderen wiederholt, so dass sie schließlich aufgewärmt wirkt. 6. Um jede verfrühte Kanonisierung oder Fossilisierung zu vermeiden, ist es unerlässlich, andere ikonoklastische Versuche zu unterstützen. Die Aufnahme ins Repertoire oder in den schulischen Kanon von Autoren wie Koltès, Vinaver, Minyana, Renaude oder Durif droht, den Prozess der Kanonisierung zu beschleunigen und die Standardisierung des Spiels voranzutreiben. Wir warten voller Ungeduld auf die Einfälle der nächsten Generation von Regisseuren. 7. Möglicherweise aber sind neue Methoden und Ansätze der Inszenierung erst noch zu erfinden, während die dramatische Literatur gleichzeitig eine Expansion ohne gleichen erfährt. Verärgert durch die häufige Bemerkung des Publikums, aber auch der Regisseure, wonach es keine Autoren mehr gäbe, gibt Eugène Durif die Frage an sie zurück: „Il y a peut-être peu de metteurs en scène qui soient capables de prendre en charge, de donner à entendre et à voir, avec jubilation, dans le désir, ces textes qui s’inventent aujourd’hui et pour lesquels il est à inventer des approches théâtrales nouvelles, singulières, imaginatives“. 14 Es ist nicht einfach, diese neuen Ansätze zu beschreiben, eben weil der Regisseur auf eine totale Kontrolle bei der Wahl der Materialien verzichtet. 8. Ein Neuansatz etwa betrifft die Rolle der Ideologie, des Sinns und der Thesen. Eine Ideologie wird nicht mehr vorausgesetzt, ist nicht mehr von vornherein bekannt, akzeptiert, sondern das, was es dank des Theaters zu entdecken oder zu erfinden gilt. Was will Gotscheff mit dieser Maskerade des Weißen als Schwarzer sagen? Was denkt Engel vom anti-weißen Rassismus? Ihre Inszenierungen haben zumindest das Verdienst, das Problem zu thematisieren, statt es als bereits gelöst 66 zu betrachten. Das Theater ist ein hermeneutisches Instrument, um die Politik kennen zu lernen, und kein Anwendungsfeld der Politik. 9. Das ist der Grund, warum die Inszenierung der Klassiker wie der Hypermodernen in den letzten 20 Jahren ein wenig ausgeprägtes Profil angenommen hat. Sie hat nicht mehr den Anspruch, der Welt entgegenzutreten oder sie neu aufzubauen noch ihr eigenes Universum schaffen zu wollen, das fähig wäre, mit der Welt zu rivalisieren. Der Regisseur ist nicht mehr stets ein „cultural critic“, 15 der die Welt analysiert und ihr trotzt. Er ist eher ein Dekonstrukteur, ein „brouilleur des catégories génériques, un ‘entremetteur’“, 16 wie Robert Cantarella sagen würde. Das einzige, was man von seiner Inszenierung verlangt, ist, „das Theater in Schwung zu bringen“, insbesondere in Zusammenarbeit mit dem Bühnenbildner: „Nous travaillons à déterminer les températures, les consistances des matériaux qui nous apparaissent dans le texte. Je vais lui dire par exemple: ‘Ce texte me fait penser à quelque chose qui est fin et tendu’, ou: ‘La blancheur doit être lue dans ce texte’“. 17 Gegenüber der Gegenwartsliteratur ist die Kritik oftmals hilflos, sie verfügt nicht mehr über das Werkzeug noch die Berechtigung, darüber zu urteilen, und überlässt es dem Zuschauer, sich sein eigenes Bild zu machen und die Inszenierung nach seinen eigenen subjektiven Kriterien zu beurteilen. 10. Wo bleibt also die Inszenierung? Der Text hat einen Großteil von ihr absorbiert, so als ob der Autor vorab schon viele szenische Fragen geklärt hätte: nicht lösbare Doppeldeutigkeiten, nicht darstellbare Figuren, ständige Veränderungen der Spiel-Regeln, der Konventionen und Realitätsebenen. Der Regisseur ist nicht mehr „Herr des Spiels“ oder zumindest nicht sein einziger Herr, er ist nur mehr ein Partner des Autors und des Schauspielers, ein „homme sans importance“. Es ist fast unmöglich geworden, den Text von der Inszenierung zu trennen, selbst wenn die frühere Arbeitsteilung weiterhin zwischen den Funktionen des Autors, Schauspielers, Regisseurs (und Zuschauers) unterscheidet. „Mise en jeu“ wäre ein adäquaterer Begriff als „mise en scène“. 11. Dennoch gelingt es der Inszenierung der letzten 20 Jahre manchmal, auf das schriftlich Fixierte einzuwirken. Nicht im früheren Sinne, als der Text noch aus einer Schreibwerkstatt stammte und die Spur einer szenischen Praxis war, sondern weil die Spielerfahrungen heute den zu interpretierenden Text, der auf dem Papier praktisch unlesbar ist, hinterfragen, ihn erschüttern und provozieren. Es liegt in der Natur der Inszenierung, den Text zu erhellen, aber hier geht es eher darum, ihn überhaupt lesbar zu machen, ihn zu konstituieren, ihn buchstäblich zum Leben zu erwecken, insbesondere in seinen Interaktionen mit der übrigen Aufführung. 12. Manchmal allerdings ist die Inszenierung genauso unlesbar (also unverständlich) wie der Text. Man kann sich über diese künstlerische Freiheit freuen; man kann es aber auch bedauern, denn das Publikum möchte, wenn schon nicht verstehen, dann wenigstens sein Unverständnis beurteilen können. Oftmals finden die Autoren ihren Regisseur nicht mehr, also auch nicht ihr Publikum; manchmal aber, wenn sie ihn gefunden haben, lassen sie die Zuschauer sprachlos: sowohl 67 stumm als auch um ihren Anspruch auf Widerrede betrogen, als wenn die Künstler ihnen sagten: „Love it or leave it! “ 13. Aber selbst wenn die Inszenierung dem Exegeten unverständlich bleibt, ist es paradoxerweise immer noch möglich, sich auf den Text zu beziehen, um zu prüfen, inwieweit er die Arbeit des Regisseurs inspiriert hat. Eine Prüfung, die jedoch den Professionellen und Theoretikern vorbehalten ist, die die Freiheit besitzen, zum Text zurückzukehren, wenn die Aufführung einmal beendet ist. Eine Art „umgekehrter Logozentrismus“. 14. Und ein weiteres Paradox: In den gut informierten und etablierten Theaterkreisen ist die Literatur nicht mehr der Erb- und Todfeind des Theaters, das Schreckgespenst, das das Theater daran hindert, in den Himmel des Dramatischen aufzusteigen. Sie ist es, die die Aufführung erst hervorruft, die diese zwingt, die Routine zu überwinden und die Mittel zur ihrer Verteidigung zu finden. Heiner Müller hat diese gnädige Wiederaufnahme der Literatur gefeiert: „Ich glaube grundsätzlich, dass Literatur dazu da ist, dem Theater Widerstand zu leisten. Nur wenn ein Text nicht zu machen ist, so wie das Theater beschaffen ist, ist er für das Theater produktiv, oder interessant.“ 18 Die Inszenierung überlebt und erneuert sich nur, wenn die Autoren wie Heiner Müller Texte erfinden, die für das Theater eine Herausforderung darstellen. Und darum bemüht sich die heutige Literatur mit der Kraft der Verzweiflung. 19 (aus dem Französischen übersetzt von Nathalie Crombée) 1 Koltès, Bernard-Marie: Dans la solitude des champs de coton, Paris, Minuit, 1987, 60. 2 Darley, Emmanuel: „Une forme de partage“, in: Théâtre Ouvert (ed.): Programme de la saison 1999-2000, 16-17, 17. 3 Jean-Marc Lantéri: „Les écritures théâtrales en Grande-Bretagne (1980-2000)“, in: Ecritures contemporaines 5. Dramaturgies britanniques (1980-2000), Paris, Minard, 2002, 3- 21, 5. 4 Paris, Minuit, 1983. 5 Paris, Minuit, 2003. 6 Paris, Actes Sud-Papiers, 2003. 7 Anne, Catherine: „Notes“, in: Théâtre de l’Est Parisien: Dossier de presse, 5. 8 Corvin, Michel: „Mise en scène et silence“, in: Revue d’esthétique, 26, 1994, 123-128, 126. 9 Paris, Editions théâtrales, 1994. 10 Bourdieu, Pierre/ Wacquant, Loïc: Réponses, Paris, Le Seuil, 1992. 11 Ibid., 101. 12 Aufführung in Cork am 3. September 2005, und Wiederaufnahme im Théâtre Ouvert im Januar 2006. 13 Lantéri: „Les écritures théâtrales en Grande-Bretagne“, 5. 14 Zit. nach Théâtre Ouvert (ed.): Programme de la saison 1999-2000, 1-20, 11. 68 15 Siehe die Sondernummer „The Director as Cultural Critic“ der Contemporary Theatre Review, 13, 2003. 16 Cantarella, Robert: „La main d’œuvre“, in: Revue d’esthétique, 26, 1994, 191. 17 Cantarella, Robert: „Mettre en scène le théâtre contemporain“, in: Françoise Spiess (ed.): Trois pièces contemporaines. Paris, Gallimard, 2002, 147. 18 Müller, Heiner: „Literatur muss dem Theater Widerstand leisten. Ein Gespräch mit Horst Laube über die Langweiligkeit stimmiger Stücke und eine neue Dramaturgie, die den Zuschauer bewusst fordert“, in: ders.: Gesammelte Irrtümer, Frankfurt/ M., Verlag der Autoren, 1986, 14-30, 18. 19 Der vorliegende Text beruht auf einem Vortrag, den der Verfasser beim Kolloquium La scène française contemporaine: écrire, jouer, enseigner, organisiert von Mary Noonan, 2.-4. September 2005, University College Cork, gehalten hat. Mein Dank gilt Mary Noonan, Paul Allain und der Leverhulme Stiftung. Résumé: Patrice Pavis, La mise en scène de pièces contemporaines se demande s’il existe une manière spécifique de mettre en scène les textes contemporains. Doit-on utiliser pour des textes montés pour la première fois le terme de mise en scène? Celui de „mise en jeu“ ne convient-il pas mieux? C’est ce qu’on examine en prenant divers exemples récents.