eJournals lendemains 37/148

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Narr Verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2012
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H. E. Bories-Sawala: Dans la gueule du loup. Les français requis du travail en Allemagne

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2012
Sandra Schmidt
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144 Comptes rendus HELGA ELISABETH BORIES-SAWALA: DANS LA GUEULE DU LOUP. LES FRANÇAIS REQUIS DU TRAVAIL EN ALLEMAGNE. VILLENEUVE D’ASCQ, PRESSES UNIVERSITAIRES DU SEPTENTRION, 2010, 387 S. Auf dem Titelbild hebt sich die dunkle Gestalt eines alten Mannes gegen das helle Grau einer Baracke ab. Der Mann mustert, auf einen Stock gestützt, mit ernster Mine seine Umgebung. Er war einer der mehr als 700.000 zwangsverpflichteten französischen Zivilisten, die zwischen 1940 und 1944 von der deutschen Kriegswirtschaft als billige Arbeitskräfte verschlungen wurden. 60 Jahre nach Kriegsende ist er noch einmal an den Schauplatz dieser schwarzen Jahre zurückkehrt. Für Helga E. Bories-Sawala, Historikerin an der Universität Bremen, ist die Erforschung des Schicksals französischer Zwangsarbeit seit langem eine Herzensangelegenheit. 1995 legte sie mit ihrer Dissertation Franzosen im „Reichseinsatz“ eine 1500 Seiten umfassende 3-bändige Studie zu „Deportation, Zwangsarbeit, Alltag, Erfahrungen und Erinnerungen von Kriegsgefangenen und Zivilarbeitern“ vor. Seitdem betreibt sie eine Form der aktiven Geschichtswissenschaft, die ihresgleichen sucht. Als ausgewiesene Expertin präsentiert sie ihre Forschungsergebnisse in Deutschland wie in Frankreich. Darüber hinaus hat sie Begegnungen von ehemaligen Zwangsarbeitern mit deutschen und französischen Historikern und Studierenden initiiert. Ein weiterer Meilenstein ihres Engagements für dieses Kapitel der deutsch-französischen Beziehungen war 2010 das Erscheinen einer aktualisierten und ins Französische übersetzten Version ihrer Dissertation unter dem Titel Dans la gueule du loup. Im Vorwort hebt der französische Geschichtswissenschaftler Yves Durand ausdrücklich hervor, dass die besondere Perspektive einer deutschen Historikerin, sozusagen vom ehemaligen Ort des Geschehens aus, einen bereichernden Beitrag für die französische Wissenschaftslandschaft leistet. Im ersten Teil der Arbeit zeichnet die Autorin fachwissenschaftlich fundiert die verschiedenen Etappen der aktiven deutsch-französischen Kollaboration nach. Während das Vichy-Regime vergeblich auf partnerschaftliche Beziehungen hoffte, war der NS-Staat, entgegen allen rassistisch-ideologischen Bedenken, auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen. Anfangs beschränkte man sich angesichts der hohen französischen Arbeitslosigkeit auf die Anwerbung von Freiwilligen. Zunehmend entstand ein Zwangssystem der Arbeiterrekrutierung, dem sich immer mehr Franzosen zu entziehen suchten. Die Autorin analysiert die verschiedenen Aktionen und Abkommen unter der Federführung des deutschen Gauleiters Fritz Sauckel, der seit 1942 als Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz mit dem kooperationsbereiten Vichy-Regierungschef Laval Verhandlungen führte. Gerade angesichts dieser Kollaboration in der Frage der Zwangsarbeit verlor die Vichy-Regierung für einen großen Teil der Bevölkerung jede Glaubwürdigkeit (88). Der zweite Teil der Arbeit ist den Facetten des täglichen Lebens und Überlebens der Zwangsarbeiter gewidmet. Es geht Helga E. Bories-Sawala dabei nicht allein um die historische Faktenlage. In zahlreichen Interviews mit französischen Zwangs- 145 Comptes rendus arbeitern gelang es der deutschen Historikerin, Zeitzeugen zum Sprechen zu bringen. Mit behutsamen Fragen regte sie ihre Gesprächspartner dazu an, lange verschüttete Erinnerungen in Worte zu fassen, leidvolle Erlebnisse zu schildern und persönliche Erinnerungsstücke hervorzukramen. Mit dieser Methode mündliche Quellen und individuelle Erinnerungen einzubeziehen, betrat die Autorin 1995 Neuland in der Geschichtsforschung. Eingebettet in die wissenschaftliche Darstellung vermitteln transkribierte Interviewsequenzen einen lebendigen Eindruck, wie sich das Erinnern in der Sprache vollzieht. Damit macht die Autorin die ehemaligen Zwangsarbeiter zu Individuen mit Namen, Beruf, Herkunft, mit vielschichtigen Erinnerungen und einer eigenen Sprache. So berichtete Robert G. von seiner Ankunft in Bremen: „C'étaient des des des enfants civils, ils savaient que c'étaient des Franzouse, alors ils nous bombardaient de patates.“ (104) Während ihres Aufenthalts in Deutschland waren die ausländischen Arbeitskräfte dazu gezwungen, eine Notgemeinschaft zu bilden, in der sich bestimmten Formen des Zusammenlebens entwickelten. Oft als „Messagers du „mauvais vent“ soufflant sur Vichy“ (204) wahrgenommen, kamen die zivilen Zwangsarbeiter mit Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen aus Frankreich, sowie mit Zwangsarbeitern anderer Länder in Kontakt. Trotz vorsichtiger Solidaritätsgesten und geteilter Erfahrungen waren die Schicksalsgenossen weit davon entfernt, sich „dans la gueule du loup“ in einem „europäischen Geist“ (248) zusammenzufinden. Wiederum anhand vielfältiger Interviewpassagen werden zum Abschluss des mit „Représentations, Regards croisés et Interactions“ überschriebenen dritten Kapitels die Beziehungen von französischen Zwangsarbeitern zu unterschiedlichen Kategorien von Deutschen beleuchtet. Jene „Chleuhs“, wie die Deutschen umgangssprachlich genannt wurden, waren den Zwangsarbeitern nicht nur in Gestalt von Funktionsträgern, Bewachern und Schikanierenden begegnet. Auch mit der Zivilbevölkerung, mit deutschen Arbeitskollegen und Frauen kamen sie vor Ort in Berührung. Im letzten Kapitel spannt die Autorin einen weiten Bogen von der unmittelbaren Nachkriegszeit bis in die Gegenwart. Die unterschiedlichen Gruppen der in Deutschland festgehaltenen Franzosen kamen 1945 in ein befreites Frankreich, das längst damit beschäftigt war, die Schatten des Vichy-Regimes vom Glanz der Résistance überstrahlen zu lassen. Der Wahlspruch „Ils sont unis“, mit dem ehemalige Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge zu einer Einheit stilisiert werden sollte, erwies sich rasch als Illusion. In der „Hierarchie der Opfer“ rangierten die Zwangsarbeiter an unterster Stelle. Der pauschale Vorwurf der Kollaboration blieb lange haften. Tabuisiert und aus der kollektiven Erinnerung ausgeschlossen, traten die ehemaligen Zwangsarbeiter den Rückzug in weitgehend individualisierte Formen des Erinnerns an. Die langwierige öffentliche Diskussion um den Opferstatus fand ihren Höhepunkt im offenen Streit zwischen Opferverbänden von ehemaligen KZ-Häftlingen und Zwangsarbeitern um die Bezeichnung „Deportierte“. Von der im Jahr 2000 eingerichteten Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ wurden ehemalige Zwangsarbeiter aus den westeuropäischen Ländern nicht bei der Entschädigung berücksichtigt. Auch wenn es seit 2008 offiziell 146 Comptes rendus den Titel „Personne contrainte au travail en pays ennemi, Victime du Travail Forcé en Allemagne nazie“ gibt, bleibt viel tun, um das Vermächtnis der Zwangsarbeiter nicht nur bei Historikern sondern auch in der Erinnerung der nationalen und europäischen Öffentlichkeit wach zu halten. Helga E. Bories-Sawala beklagt, dass selbst das deutsch-französische Geschichtsbuch dem Thema Zwangsarbeit keinen angemessenen Raum gibt. Mitte Oktober 2010 wurde Dans la gueule du loup im Heinrich-Heine-Haus von Paris dem französischen Publikum präsentiert. Zu sehen war bei dieser Gelegenheit auch der Dokumentarfilm Reichseinsatz. Zwangsarbeiter in Deutschland (1995, Wolfgang Bergmann), an dem Helga E. Bories-Sawala mitgewirkt hat. Sandra Schmidt (Clermont-Ferrand) ALAIN MONTANDON: LES YEUX DE LA NUIT. ESSAI SUR LE ROMANTISME ALLEMAND. CLERMONT-FERRAND: PRESSES UNIVERSITAIRES BLAISE PASCAL, 2010 (COLLECTION REVOLUTIONS ET ROMANTISMES). 460 P., 30 € Depuis le livre inaugural de Germaine de Staël De L’Allemagne et malgré les mises en garde de Heine, le romantisme allemand n’a cessé de fasciner la critique française, donnant lieu en particulier, pour se limiter au vingtième siècle, aux ouvrages inspirés d’Albert Béguin, L’Ame romantique et le rêve (1937) et de Marcel Brion, L’Allemagne romantique (1962-1963), la recherche universitaire n’étant pas en reste avec la somme de Roger Ayrault, La genèse du romantisme allemand (1961-1976) ou bien encore avec la belle étude de Bernhild Boie, L’Homme et ses simulacres (1979). Il faut en outre considérer la publication en deux volumes des Romantiques allemands dans la Bibliothèque de la Pléiade (1963, 1973) comme la consécration éditoriale de ce courant esthétique en matière de réception. Avec son beau titre - même s’il a déjà été utilisé pour la version française du film de John Farrow, Night Has a Thousand Eyes (1948) - et malgré son absence de bibliographie, qu’il faut reconstituer au fil des notes de bas de page, le livre d’A. Montandon, comparatiste français spécialiste du domaine germanique, s’inscrit dans cette lignée tout en abordant le sujet sous un angle inattendu: celui de l’histoire des techniques - en l’occurrence la révolution de l’éclairage, dont les incidences avaient déjà été explorées dans les études que l’auteur avait réunies sous le titre de Promenades nocturnes (Paris, 2009), tandis que Pierre Frantz en avait souligné toute l’importance en matière d’art dramatique dans son étude sur L’esthétique du tableau dans le théâtre du XVIIIe siècle (Paris, 1998) -, alors que le romantisme passe précisément pour hostile à tout ce qui a pu contribuer au „désenchantement du monde“. S’il n’est pas surprenant de voir un tel essai s’ouvrir sur l’évocation des Hymnes à la nuit de Novalis, il est moins courant, dans la tradition des études littéraires, de situer le texte fondateur du romantisme allemand dans le contexte des