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PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
pm
2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
0404
2025
361 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.
Herausgeber: GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. Unter Mitwirkung von: spm - Swiss Project Management Association und Projekt Management Austria P R OJ E K T M A N A G E M E N T A K T U E L L www.pm-aktuell.de Bau- und Infrastrukturprojekte Ausgabe 1/ 2025 | 36. Jahrgang  Wertebasierte Führung - auch in virtuellen und internationalen Teams Psychologische Ansätze für resiliente laterale Führung  Future Skills - Kompetenzen für die digitale Arbeitswelt Den Herausforderungen der digitalen Arbeitswelt selbstbewusst begegnen  Projektmanagement im Gleichgewicht Resilienz für Teams und PMOs WELCHES SEMINAR* PASST ZU IHNEN? BUCHEN SIE NOCH HEUTE DER GPM SEMINARTAG AM 17.09.25 ZUM IPMA WORLD CONGRESS IN BERLIN  Konflikte - endlich mit System eektiv lösen! Nutzen Sie die Kraft von Konflikten für erfolgreiches PM  KI-Power: Multiprojekte e…zient managen Mit künstlicher Intelligenz Projekte smarter steuern  Objectives and Key Results (OKR) im Projekt Die Hilfe für eine klare Ausrichtung und Struktur im schwierigen Projektalltag 17.09.25 GPM SEMINARTAG 18.-19.09.25 IPMA WORLD CONGRESS 3 TAGE VOLLER INPUT RUND UM DAS THEMA PROJEKTMANAGEMENT *Änderungen vorbehalten, aktuelles Progamm unter: worldcongress-ipma.com P O W E R E D B Y worldcongress-ipma.com 1 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 Herausgeber: GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. Am Tullnaupark 15, 90402 Nürnberg Unter Mitwirkung von Spm - Swiss Project Management Association Flughofstraße 50, CH-8152 Glattbrugg und Projekt Management Austria Palais Schlick, Türkenstraße 27/ 2/ 21, A-1090 Wien Redaktion: Prof. Dr. Steffen Scheurer, Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (Chefredakteur) Oliver Steeger, Alfter (Ressort Report) Dr. Thor Möller, prometicon projects GmbH, Bremen Redaktionsbeirat: Prof. Dr. Peter Thuy (Präsident GPM) Dr. Dieter Butz Axel Graser, Südwestrundfunk / SWR Prof. Dr. Nino Grau, Grauconsult GmbH Prof. Dr. Katrin Hassenstein, Hochschule der Medien Stuttgart Prof. Dr. Claus Hüsselmann, Technische Hochschule Mittelhessen Dr. Ingrid Giel, spm, Schweizerische Gesellschaft für Projektmanagement Brigitte Schaden, pma (Projektmanagement Austria) Prof. Dr. Doris Weßels, Fachhochschule Kiel G 6010 36. Jahrgang, 01/ 2025 ISSN 2941-0878 Verlag: UVK Verlag - Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5, 72070 Tübingen Telefon: +49 (0)7071 97 97 0 www.projektmanagement.digital © 2025 Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG, Tübingen Nachdruck und fotomechanische Wiedergabe nur mit Genehmigung des Verlages. Namentlich gekennzeichnete Beiträge sowie die Inhalte von Interviews geben nicht in jedem Fall die Meinung der Redaktion oder des Verlages wieder. Zeitschriftenkoordination: Patrick Sorg eMail: sorg@narr.de Anzeigenverwaltung: Oliver Solbach eMail: solbach@narr.de Anzeigenverkauf: Stefanie Richter Telefon: +49 (0) 89 / 120 224 12 Telefon mobil: +49 171 203 46 63 eMail: richter@narr.de Erscheinungsweise: 5 Hefte pro Jahr Bezugspreise für Privatpersonen: Einzelheftpreis: EUR 20,- Jahresbezugspreis (print): EUR 67,- Jahresbezugspreis (print & online): EUR 96,- Bezugspreise für Institutionen: Jahresbezugspreis (print): EUR 67,- Jahresbezugspreis (print & online): EUR 242,- Preisänderungen vorbehalten. Der Bezugspreis für Mitglieder der GPM ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. Alle Preise zzgl. Versandkosten und inkl. MwSt. Die Kündigung ist sechs Wochen vor Ende eines Kalenderjahres schriftlich an den Verlag zu richten. Sonderausgaben werden zusätzlich berechnet. Bei Nichterscheinen der Zeitschrift ohne Verschulden des Verlages oder infolge höherer Gewalt entfällt für den Verlag jegliche Lieferpflicht. Umschlagabbildung: © iStock.com/ Pakorn_Khantiyaporn Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/ w/ d) verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter. Impressum 2 Editorial Reportage 4 Die drei Buchstaben für neue Bürogebäude 12 Agilität als Erfolgsfaktor für Konsortialprojekte Wissen 16 Projektmanagement im deutschen Bauwesen 25 Vom Generalplaner zur Projektallianz 30 Designprinzipien für nachhaltige Projektorganisation 37 Das optimale Level an Agilität erreichen 42 Nahtlose Integration: Impulse für erfolgreiches Post-Merger-Projektmanagement am Beispiel der JENOPTIK-AG 48 Ergebnisse der 8. Studie zu Gehalt und Karriere im Projektmanagement 2024 Berichte aus der GPM 57 Der Countdown für Berlin läuft 60 Die GPM verbindet - manchmal fürs ganze Leben Kolumne 62 Entlang des Stromes Aus den DACH-Verbänden 64 GPM intern 65 pma intern 66 spm intern 68 Auf ein Wort mit-… Thomas Kattermann 2 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0001 EDItoRIAL Bau- und Infrastrukturprojekte Liebe Leserinnen und Leser, mit Bau- und Infrastrukturprojekten haben wir uns mehrfach beschäftigt- - und sie schätzen gelernt. Denn Bauprojekte zeigen alles, was das Management von Projekten spannend macht: Ihr vielseitiger Charakter, der starke Bedarf an Koordination, die hohe organisatorische und technische Komplexität. Es wird Zeit, diese Projekte in den Mittelpunkt eines Hefts der „PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL“ zu rücken. An Bauprojekten beteiligen sich häufig sehr unterschiedliche Partner. Verschiedene Disziplinen und Gewerke kommen auf der Baustelle und in den Planungsbüros zusammen. Die drängenden Termine und knappe Budgets macht das Management solcher Projekte anspruchsvoll, auch bei öffentlichen (Infrastruktur-)Bauvorhaben. Dieser Kosten- und Zeitdruck verlangt ein ausgefeiltes Risiko- und Änderungsmanagement. Hinzu kommen Anforderungen, die sich aus Nachhaltigkeitsaspekten ergeben und für die wir innovative Lösungen brauchen. Was die Bauprojekte der öffentlichen Hand betrifft: Die Vergabeverfahren mit ihren speziellen Regelungen machen das ohnehin herausfordernde Projektmanagement noch schwieriger. Auf Baustellen hat sich eine spezielle Kultur entwickelt, die immer mehr Insider als problematisch erkennen. Die Baubranche neigt dazu, den Zuschlag für ein Projekt durch zu niedrig kalkulierte Kosten zu erhalten. Infolge wird dann versucht, die Renditen in Bauprojekten über möglichst viele Änderungen des ursprünglichen Projektauftrages und den daraus resultierenden Kostenerhöhungen zu erwirtschaften. Die Konsequenz ist dann ein Gegeneinander im Projekt statt einer Orientierung am gemeinsamen Projektziel. Daraus entstehen Projekte, die den zeitlichen Rahmen und das ursprünglich veranschlagte Budget dramatisch sprengen. Nicht gerade wenige der bekanntesten deutschen Infrastrukturprojekte fallen in diese Kategorie. Dass es auch ganz anders gehen kann, zeigt der Beitrag von Jörg-Martin Hohberg, der uns das SIA-Merkblatt 2065 «Planen und Bauen in Projektallianzen» vorstellt. Die Grundidee ist ein partnerschaftliches Modell, das eine Win-win-Situation für alle Projektbeteiligten anstrebt, zu einer transparenten Information über Unsicherheiten / Risiken führt und zu einer Identifikation mit den Projektzielen aller Projektbeteiligten animiert. Nachhaltigkeit im Sinne von ESG (Environment, Social, Governance) ist heute bei Neubauprojekten nicht mehr wegzudenken. Wie Nachhaltigkeit konkret in moderne Bürogebäude einfließen kann und was eine Umsetzung von ESG für das praktische Projektmanagement bei solchen Bauvorhaben bedeutet- - dies haben uns Michael Bauer (Partner und Geschäftsführer von Drees & Sommer) und Markus Schaaf (Vorstandssprecher der Volksbank Mittlerer Neckar eG) erklärt. Mit ihrer Marktstudie beleuchten Christian John und Shervin Haghsheno den deutschen Markt für Bau-Projektmanagement-Dienstleistungen. Sie geben einen umfassenden Überblick zu Anbietern, Leistungsportfolios und typischen Projektabwicklungsmöglichkeiten. Über die Schwerpunktbeiträge hinaus greifen wir weitere aktuelle Themen im Heft auf. Verena Evers stellt die Frage: Wie lassen sich agile Arbeitsformen nachhaltig und ohne Überforderung in einzelnen Projekten, in Teams oder unternehmensweit etablieren? Und: Welches Maß an Agilität ist wirklich nötig- - und wie kann es sinnvoll umgesetzt werden? Michael Frahm stellt vierzehn Designprinzipien zur Analyse und Gestaltung von Projektorganisationen vor, die Ansätze aus der Nachhaltigkeit und dem System Thinking verbinden. Katharina Decher und Alexandra Schirra zeigen, wie es gelingen kann eine übergeordnete Aufbau- und Ablauforganisation für über 600 Projektbeteiligte unterschiedlicher Partnerunternehmen für das Leuchtturmprojekt Factory-X für den Maschinenbau aufzubauen. Ebru Afsin und Martin Barth stellen Schlüsselstrategien eines erfolgreichen Post-Merger-Projektmanagements am Beispiel des Technologiekonzerns JENOPTIK AG vor. Christoph Schneider, Andreas Wald, Timo Braun und Simon Staudigl berichten über die Ergebnisse der 8. Studie zu Gehalt und Karriere im Projektmanagement 2024. Zudem beschreibt Sebastian Wieschowski wie Projektmanagement auch eine Verbindung fürs Leben schaffen kann. Darüber hinaus berichtet er vom 33. IPMA World Congress, der vom 27. bis 29. November 2024 in Kapstadt stattfand und gibt einen Ausblick auf den 34. IPMA World Congress, den die GPM 2025 in Berlin ausrichten wird. In diesem Zusammenhang stellt er den Unternehmer und Jazzpianist Thilo Wolf vor, der als erster Keynote Speaker für den IPMA World Congress 2025 in Berlin gewonnen werden konnte. Ich hoffe, dass Sie das eine oder andere spannende Thema für sich in diesem Heft finden. Vielleicht können wir Sie auch schon ein wenig neugierig auf den diesjährigen IPMA World Congress in Berlin machen. Wir werden Sie auch in den nächsten Heften weiter mit spannenden Ausblicken auf den IPMA World Congress 2025 auf dem Laufenden halten. Ihr Steffen Scheurer Editorial | Editorial 3 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0001 Tipps zur erfolgreichen Planung von Bau- und Infrastrukturprojekten 1. Präzise Planung 2. Risiken früh erkennen 3. Ressourcen optimal einteilen Pro-Tipp: Nutzen Sie Projektmanagement-Software Wir empfehlen PLANTA Project. Weitere Infos: www.planta.de 4. Stakeholder aktiv einbinden Eine solide Planung ist die Grundlage für den Projekterfolg. Klare Meilensteine und Zeitpläne schaffen Struktur und Übersicht. Nehmen Sie sich also genug Zeit für die Planung. Proaktives Risikomanagement schützt das Projekt vor Verzögerungen und zusätzlichen Kosten. Gehen Sie also auf Risiken und Probleme ein, bevor diese richtig entstehen können. Planen Sie von Anfang an Puffer ein, für ungeplante Ausfälle, Änderungen in den Projektbedingungen und allgemeinen Überschreitungen. Beziehen Sie alle Stakeholder frühzeitig und kontinuierlich ein. Transparenz stärkt das Vertrauen und minimiert spätere Konflikte. 4 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0002 Wie ESG in zwei Bauprojekten verwirklicht wurde Die drei Buchstaben für neue Bürogebäude Oliver Steeger, Steffen Scheurer ESG. Diese drei Buchstaben sind in vielen Bürogebäude-Projekten heiß diskutiert. Das „E“ steht für Environment; es geht um energieeffizientes und ressourcenschonendes Bauen. Das „S“ steht für Social: In Bürogebäuden arbeiten Menschen; Bürogebäude können soziale Nachhaltigkeit unterstützen. Das „G“ zielt auf Governance, auf eine neue Art der Führung in einem neuen Gebäude. Wie dies heute in der Praxis funktioniert, zeigen zwei Bürogebäude-Projekte. In Stuttgart-Vaihingen sowie Wendlingen setzten Ingenieure, Organisationsentwickler und Top-Manager ESG beispielhaft um. In Vaihingen hat das auf Bau und Immobilien spezialisierte Beratungsunternehmen Drees & Sommer sein „Innovationsgebäude OWP12“errichtet. Sein Bürogebäude das zeigt, was technisch in Sachen klimagerechtem und umweltfreundlichem Bauen möglich ist. Inspiriert auch von diesem Vorbild, machte sich die Volksbank Mittlerer Neckar eG daran, dem „S“ und „G“ im ESG buchstäblich Raum zu geben- - und zwar in seinem neuen Bürogebäude. Die Volksbank Mittlerer Neckar eG hat vier Fusionen hinter sich; es nennt seinen hochmodernen Neubau ein „neues Nest“ für die Mitarbeiter. Hier will die Bank eine neue Unternehmenskultur und New Work verankern-- und auch moderne Führungsansätze verwirklichen. Wir haben mit Professor Dr. Michael Bauer (Partner von Drees & Sommer) und Markus Schaaf (Vorstandssprecher Volksbank Mittlerer Neckar eG) darüber gesprochen, wie sie ESG in ihren Projekten durchbuchstabiert haben-- und was ESG für das praktische Projektmanagement bei solchen Bauvorhaben bedeutet. Der Buchstabe "E" in ESG Die legendären Hängegärten von Babylon zählten zu den antiken Weltwundern. Doch Pflanzen senkrecht an einer Fassade zum Blühen zu bringen-- auf dieses Wagnis kam damals kaum jemand. Anders die Bauingenieure und Projektmanager in einem Gewerbegebiet in Stuttgart-Vaihingen. Die Nordfassade des „Innovationsgebäude OWP12“ verblüfft seine Gäste mit einem vertikalen Blumenbeet: über 100 Quadratmeter, drei Geschosse überspannend, ein Meer aus vielfarbigen Blumen und Blättern. Diese Technologie hat „Drees & Sommer“ mit der Firma Vertiko für Hochhausgebäude weiterentwickelt. „Es ist faszinierend, wie die einzelnen Pflanzen in die High-Tech-Taschen an der Fassade eingesetzt wurden“, erklärt Michael Bauer, Partner von Drees & Sommer. Die Pflanztaschen sind mit Substrat gefüllt; die Wurzeln der Pflanzen werden von einer Art Fleece gehalten. Das Material ist nicht brennbar (Brandschutz! ), die hängenden Pflanzen werden mit Regenwasser aus einer Zisterne bewässert. „Während des Baus haben Gärtner in Kleinarbeit die Taschen bepflanzt“, berichtet Michael Bauer. Er hat von seinem Bürofenster aus beobachtet, wie die Gärtner in mühsamer Handarbeit die Wurzeln vom Erdreich befreiten und in die Pflanztaschen setzten. Doch anders als bei dem antiken Weltwunder hatte Michael Bauer nicht die Prachtentfaltung im Sinn. Ihm geht es um Nachhaltigkeit: Die innovative Grünfassade hilft das Gebäude kühlen. Zudem produziert sie Sauerstoff, filtert Schadstoffe aus der Luft und leistet einen Beitrag zur Biodiversität. Bei unserem Besuch des „Innovationsgebäude OWP12“ stehen wir mit ihm vor dem Hängegarten „made in Stuttgart“. Michael Bauer sagt uns, dass das Grün auch die Stimmung der Mitarbeiter hebt. Diesen Effekt kann man nicht aufs Komma genau messen, räumt der Ingenieur ein. Zahlen aber Reportage | Die drei Buchstaben für neue Bürogebäude 5 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0002 liefert er uns zu einem anderen Vorteil der Gartenfassade. Sie ist ein Paradies für Bienen. Einige Mitarbeiter bei Drees & Sommer sind Hobby-Imker. Bis zu 90 Kilogramm Honig im Jahr produzieren sie hier an dem Gebäude-- mitten in einem Gewerbegebiet, dicht an einer Autobahn. „Alles andere als ein Mauerblümchen“, wirbt die Website des Unternehmens für seine Grünfassade. Sie soll wie ein Leuchtturm weithin zeigen, was beim nachhaltigen und klimagerechten Bauen heute möglich ist. Das Innovationsgebäude OWP12 (OWP steht für die Adresse: Obere Waldplätze 12): Es ist das Headquarter des Beratungsunternehmens mit seinen weltweit mehr als 6.000 Mitarbeitern. Vor allem aber es gilt als Leuchtturm in Sachen nachhaltigem, klimagerechtem und umweltfreundlichem Bauen. Drees & Sommer ist dafür bekannt, es bei Bauprojekten mit ESG ernst zu meinen. ESG gilt als mächtiger und wichtiger Zukunftstrend der Branche. Das 2022 bezogene Innovationsgebäude OWP12 liefert eine Blaupause dafür, was heute vor allem beim „E“ technisch möglich und sinnvoll ist. Dies zieht Fachleute, Bauherren und Investoren an. Michael Bauer führt sie oft durch die fünf Etagen des Gebäudes und demonstriert ihnen den „State-of-the-Art“ nachhaltigen Bauens. Nicht nur, weil ESG immer mehr Bedeutung gewinnt. Auch, weil Kommunen neuerdings nachhaltiges Bauen vorschreiben können. In Stuttgart ist im Gespräch, Fassadenbegrünung in bestimmten Bebauungsplänen festzuschreiben. Als Michael Bauer uns die Grünfassade erklärt, weist er auf ein weiteres Detail an anderer Stelle hin: die in die Fassade integrierte Photovoltaik. Beim genauen Hinsehen sind in der mattschwarzen Fassade feine, rechteckige Strukturen zu erkennen. Photovoltaik ist sehr wirtschaftlich geworden, sagt uns Michael Bauer bei unserem Besuch. Handelsübliche Solarelemente bieten heute in der Praxis 26 bis 27 Prozent Effizienz. Vor wenigen Jahren noch lag die Effizienz bei nur 20 Prozent. „Mit den modernen Elementen können wir bei Gebäuden nicht nur die reinen Sonnenseiten nutzen“, erklärt er, „es kann sich lohnen, alle Fassaden mit Photovoltaik auszurüsten.“ Auch dort, wo das Gebäude im Schatten liegt. Nachhaltiger Einsatz von Energie hat Michael Bauer bereits während seines Ingenieurstudiums in Stuttgart interessiert. Er spezialisierte sich Anfang der 1990er Jahre auf energiesparende Gebäudetechnik. Dann promovierte er über energiesparende Heizanlagen- - zu einer Zeit, als kaum jemand an CO2-Emissionen und Klimawandel dachte. Heute ist er stolz darauf, dass das Innovationsgebäude nicht nur emissionslos ist, sondern sogar Energie produziert. Dabei hilft auch die Wärmepumpe, die sowohl die Außenluft als auch Geothermie nutzt, mit 20 bis zu 55 Metern tief ins Erdreich gehende Sonden. Im Sommer bringt die Pumpe die Abwärme der Klimaanlage ins Erdreich. Im Winter holt sie die gespeicherte Wärme wieder hervor. „Wir haben übers Jahr gesehen in Summe einen Energieüberschuss“, sagt er. Das rechnet sich. Sehr gut sogar. Beispiel Fassaden-Photovoltaik: Ursprünglich war vorgesehen, dass sie sich nach dreizehn Jahren amortisiert. Wegen der gestiegenen Strompreise macht sich die Anlage schon nach der Hälfte der Zeit bezahlt. Auch solche Zahlen zur Rentabilität interessieren die Besucher, denen Michael Bauer das Innovationsgebäude vorstellt. Nachhaltiges Bauen kostet mehr. Doch auf mittlere bis lange Sicht spielen sich die Investition wieder ein. Ein Beispiel: Die Fassade des Innovationsgebäude besteht aus Modulen. Diese Module wurden gewissermaßen an das Gebäude angesetzt. Man muss eines wissen, um dies zu begreifen: Das Bürogebäude hat ein tragendes Skelett aus Stahl und Beton. Die Außenwände sind quasi wie eine schützende und dämmende Haut-- und anders als etwa bei einem Einfamilienhaus nicht gemauert. Michael Bauer erklärt uns: Nach den aktuellen Wärmeschutz-Standards müssten diese Module ungefähr 55 Zentimeter tief sein. Anders beim Innovationsgebäude. „Uns ist es gelungen, die Fassadenteile auf 22 Zenti- Professor Dr. Michael Bauer führt Gäste durch das „Innovationsgebäude OWP12“. An der Gebäudetechnik auf dem Dach mit Professor Steffen Scheurer, Chefredakteur der „Projektmanagement aktuell.“ Foto: Oliver Steeger Professor Dr. Michael Bauer, Partner von Drees & Sommer, verweist immer auch auf die Rentabilität des nachhaltigen Bauens. Foto: © Drees & Sommer Reportage | Die drei Buchstaben für neue Bürogebäude 6 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0002 meter zu reduzieren“, sagt er, „wir verwenden einen speziellen Dämmstoff, der auch etwa für hochklassige Automobile verwendet wird.“ Durch die innovativen Module spart man mehr als dreißig Zentimeter „Wanddicke“. Das bedeutet auf jeder Seite dreißig Zentimeter mehr Platz im Haus. Gerechnet auf fünf Etagen, einer Gebäudelänge von rund 70 Metern und einer Breite von 30 Metern ergibt dies erheblichen Raumgewinn. Immobilienkaufleute unter seinen Besuchern verstehen sofort: Bei den gängigen Grundstückspreisen rechnet sich die Investition in die schlanken Module. Außerdem wird weniger Baumaterial verarbeitet. Also ressourcenschonend. Als wir im Treppenhaus unterwegs sind, entdecken wir viel unversiegelten Sichtbeton. Ästhetisch zwar, aber auch pures, möglichst reines Baumaterial. Diesen Purismus erklärt uns Michael Bauer vor einem Regal, auf dem Muster der Baustoffe stehen: Proben etwa der verwendeten Hölzer, der Teppiche, der Böden, des Stahls. Damit will er zeigen, wie ressourcenbewusst Drees & Sommer gebaut hat-- nicht nur bei der Auswahl der Materialien, sondern auch bei der Verwendung. „Wir haben in einer Datenbank dokumentiert, wo wir im Haus welches Material verbaut haben“, sagt er. Jede Tür, jedes Fenster, jeder Boden und jede Wand hat einen Ressourcen-Pass. Er hält genau die Eigenschaften des verwendeten Materials fest. Also ein umfassendes, lückenloses Material-Kataster. Die Idee dahinter ist: Wie auch jedes andere Gebäude kommt irgendwann das Innovationshaus ans Ende seines Lebenszyklus. Die Gebäude werden heute abgerissen, der Schutt auf Deponien verbracht. Eine ökologische Einbahnstraße. Den Rückbau des Innovationsgebäudes- - in ferner Zukunft-- stellen sich die Ingenieure anders vor. Es wird auseinandergenommen, die Baustoffe vielfach recycelt und wiederverwendet. Deshalb sind viele Baustoffe hier pur verwendet, ohne sie unnötig mit anderen Stoffen zu verbinden. Nichts ist schwieriger, als die Mischungen später wieder zu trennen. „Cradle-to-Cradle“ nennt sich dieses Konzept, übersetzt von der Wiege zur Wiege, kurz: C2C. Ende der 1990er Jahre entwickelten ein deutscher Chemiker und ein amerikanischer Architekt die Idee der Kreislaufwirtschaft von Baumaterialien. Sie orientierten sich dabei am Vorbild der Natur. In der Natur gibt es keinen Abfall. So soll auch der nachhaltige Umgang mit Baumaterial sein. Das Material wird entweder aufbereitet und als Material wiederverwendet. Oder es kehrt zurück zur Natur, indem es biologisch abgebaut wird. Am Ende-- so das Ideal-- bleibt von dem Gebäude kein Schutt. Michael Bauer vergleicht den Ansatz mit einem Lager. „Das Haus“, sagt er, „ist ein gebautes Materiallager, und unsere Datenbank zeigt, wo sich welches Material befindet.“ Auch hier macht er eine Rechnung auf: Mit diesem Ansatz müssen Unternehmen nicht mehr-- wie bisher-- nach einiger Zeit ihre Immobilien bilanztechnisch als wertlos abschreiben. Die Immobilien behalten Wert: nämlich das verbaute, „eingelagerte“ Material. „Dafür“, sagt er, „muss man anfangs etwas mehr investieren. Unter dem Strich ist dies häufig aber das bessere Geschäftsmodell.“ Auch dies will er seinen Besuchern deutlich machen. Viele haben Berührungsängste mit neuen Technologien und neuen Bauweisen, häufig wegen der Kosten oder der finanziellen Risiken. „Wir wollen ihnen hier im Innovationsgebäude zeigen, dass es sich um sinnvolle Investitionen handelt“, sagt er. Der Buchstabe „S“ in ESG Wir gehen durch die helle, offene Bürolandschaft. In jeder Etage dominiert eine andere Farbe; helles Holz und Pflanzen machen die Büros fast wohnlich. Nach der Pandemie war es nicht immer leicht, die rund 300 hier ansässigen Mitarbeiter ins Büro zurückzuholen. Michael Bauer schätzt, dass seine Kolleginnen und Kollegen heute rund 20 Prozent ihrer Arbeitszeit im Homeoffice verbringen-- ein niedriger Wert verglichen etwa mit Mitarbeitern in den USA. Auch die freundliche, offene Gestaltung lockt die Mitarbeiter zurück ins Büro. Es gibt keine festen Arbeitsplätze mehr; jeder Mitarbeiter, jede Mitarbeiterin kann über eine App den Platz wählen und buchen, den sie gerade brauchen (oder wo sie arbeiten mögen): Einen Schreibtisch, einen Besprechungsraum, einen Rückzugsort für konzentriertes Arbeiten. „Junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wollen coole Projekte und eine coole Arbeitsumgebung“, sagt Michael Bauer. Die Büros sollen dieses Bedürfnis erfüllen. Gleiches gilt für die Kantine, die einem urbanen Café ähnelt. „Die Mitarbeiter verabreden sich bewusst hier“, sagt er, „es ist eines der Attraktionen hier im Viel Raum für Ideen und Kommunikation: Die Bürolandschaft im „Innovationsgebäude OWP12“. Foto: Oliver Steeger Reportage | Die drei Buchstaben für neue Bürogebäude 7 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0002 Praxisnahe Workshops Top Keynotes Netzwerken mit Experten Tag 1 | 14. Mai 2025 Fokus Öffentliche Verwaltung Sie wünschen sich weniger Bürokratie und mehr Effizienz? Lernen Sie, wie Digitalisierung und systematisches Vorgehen das Projektmanagement und die Zusammenarbeit im öffentlichen Sektor verbessern! Tag 2 | 15. Mai 2025 Hauptveranstaltung Projektmanagement-Event 2025 Kämpfen Sie mit komplexen Projekten, digitalen Umbrüchen oder ineffizienten Prozessen? Die PMWelt 2025 liefert Lösungen: von KI-Einsatz über digitale Transformation bis zu Praxiswissen für Ihren Projektalltag. Tag 3 | 16. Mai 2025 Seminare KI und Projektmanagement Sie stehen vor der Herausforderung, Transformationsprozesse effizient zu steuern oder KI sinnvoll in Ihrem Umfeld einzusetzen? Unsere Seminare liefern konkrete Lösungen: von smarter Arbeitserleichterung bis zu strategischem Portfoliomanagement - praxisnah, direkt umsetzbar. Für Ihren Projekterfolg. www.pmwelt.com 14. - 16. Mai 2025 | München Transformation jetzt! Menschen. Projekte. KI. Reportage | Die drei Buchstaben für neue Bürogebäude 8 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0002 Gebäude.“ A „third place“, wie man im Englischen sagt: ein gut erreichbarer Ort der Gemeinschaft jenseits von Büro und Wohnung, geprägt von zwangloser Atmosphäre, Offenheit und Begegnung. Mit der Kantine, sagt er, „adressiere man dieses Bedürfnis.“ Das klingt bereits nach dem S von ESG, dem „Social“. Es ist nicht immer leicht, Investoren, Bauherren und Bauwirtschaft von Strategien für nachhaltiges Bauen zu überzeugen. Viele kommen mit festen Vorstellungen zu diesem Thema. Manchmal ist es schwierig, die Skepsis von Profis in Neugier zu verwandeln. Doch anders die Bauherren, die nicht jeden Tag ein Bauprojekt vorantreiben: Für einige von ihnen ist der Besuch im Innovationsgebäude OWP12 eine Initialzündung, sich mit Nachhaltigkeit im Bauen auseinanderzusetzen. Manchmal sogar so sehr, dass der Funke vom „E“ auf „S“ und „G“ überspringt. Ein solches Unternehmen ist die Volksbank Mittlerer Neckar eG, ein Geldinstitut mit heute 720 Mitarbeitern, 45 Filialen und mehr als 185.000 Kunden. Nach Fusionen ist die Volksbank Mittlerer Neckar jüngst aus vier regionalen Volksbanken hervorgegangen. Ihr neuer Sitz für die internen Bereiche ist in Wendlingen, geographisch in der Mitte ihres Heimat-Landkreises Esslingen. Dort bezieht sie soeben ihr neues Headquarter, ein markanter Bau am Rande der Kleinstadt. Viele der Ideen aus dem Innovationsgebäude OWP12 hat die Volksbank adaptiert, beispielsweise Photovoltaik-Anlagen auch in den Fassaden und die Geothermie-Anlage in Verbindung mit einer Wärmepumpe. In Teilen des Neubaus wurde recycelter Beton verwendet. Die verbauten Hölzer kommen zu mindestens achtzig Prozent aus nachhaltiger Forstwirtschaft. Da schimmert viel „Cradle-to-Cradle“ durch. Die Volksbank will den Neubau jetzt bei der „Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen“ (DGNB) auf der höchsten Stufe zertifizieren lassen, also das Platin-Siegel anstreben. Die Verantwortlichen sind zuversichtlich, dass diese Zertifizierung gelingt. Sie verweisen beispielsweise darauf, dass ihr Haus eine negative primär Energiebilanz ausweist- - dass es also mehr Energie produziert als verbraucht. Wir sprechen mit Markus Schaaf, dem Vorstandssprecher der Volksbank Mittlerer Neckar eG. Wir fragen, wie das Stuttgarter Innovationsgebäude ihn bei seinem Projekt inspiriert hat. „Wir haben uns einige Bürogebäude angeschaut, das Innovationsgebäude war eines darunter“, antwortet Markus Schaaf, „wir wollten die Atmosphäre kennenlernen und uns ein Gefühl dafür verschaffen, wie dort gearbeitet wird.“ Denn die Motivation, mit denen sie ihr Bürogebäude errichtet haben, lag etwas anders als die bei Drees & Sommer. „Nachhaltigkeit ist für uns ein sehr wichtiger Aspekt“, erklärt Markus Schaaf. Doch er dachte beim Neubauprojekt von Anfang an das „S“ und das „G“ mit. Social und Governance. Bei ihren Fusionen gingen die Volksbank Nürtingen eG mit der Volksbank Esslingen eG und der Berkheimer Bank eG zusammen. Im Jahr 2023 kam die VR Bank Hohenneuffen-Teck eG dazu. Heute deckt die Bank einen Großteil des Landkreis Esslingen ab. „Das Gute an der Fusion ist, dass wir größer wurden“, sagt Markus Schaaf, „auf der anderen Seite aber wuchs unsere Organisation auf mehr als das Doppelte.“ Die Zahl der Mitarbeiter, die heute zusammenarbeiten, machte einen Sprung Das Gebäude der Volksbank Mittlerer Neckar eG: Nach vier Fusionen das neue „Nest“ für die Mitarbeiter. Foto: Muffler Architekten, Tuttlingen Markus Schaaf, Vorstandssprecher der Volksbank Mittlerer Neckar eG. Foto: Volksbank Mittlerer Neckar eG Reportage | Die drei Buchstaben für neue Bürogebäude 9 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0002 auf 720. Die Hälfte von ihnen arbeitet in zentralen Bereichen wie interne Revision, Controlling, Rechnungswesen oder die Steuerung der gesamten Bank. „Produktion“ nennt Markus Schaaf dies und grenzt diesen Bereich ab vom „Vertrieb“ vor Ort in den Filialen. Die Produktion, so der Fusionsplan, sollte zentral unter ein Dach kommen. Wobei Markus Schaaf den Begriff Dach sowohl wörtlich als auch metaphorisch versteht: Ein gemeinsames Dach der neuen Unternehmenskultur, und ein physisches Dach, nämlich den Neubau. Ein „Nest“ für die zusammenwachsende Organisation. „Der Neubau hat für uns zwei Funktionen“, sagt er, „wir setzen mit ihm zum einen eine Art grünen Haken an die erfolgreichen Fusionen. Zum anderen wollen wir das neue Wir-Gefühl der Volksbank Mittlerer Neckar eG emotional verankern. Der Neubau gibt der Organisation Orientierung und Struktur beim Zusammenwachsen.“ Das ist das „S“ in seinem Projekt. „Früher kannte ich als Vorstand fast alle Mitarbeiter beim Namen“, sagt Markus Schaaf. Mit dem Wachstum von Bank und Belegschaft kann dies schwierig werden. Gleiches gilt auch für die Mitarbeiter selbst, die von vier unterschiedlichen Instituten kommen. Sie kennen sich nicht. Das neue Miteinander muss sich erst noch finden, die Unternehmenskultur sich entwickeln. Zudem hat die Corona-Pandemie die Fusionen erschwert. Vier sehr unterschiedliche Organisationen sollten zusammenfinden. Doch sich persönlich die Hand reichen durften die Menschen nicht. Der Lockdown verwehrte jede Begegnung. „Es ist unmöglich, eine neue Unternehmenskultur zu entwickeln, wenn sich die Menschen nicht treffen dürfen“, sagt Markus Schaaf. Es half nichts. Die Treffen mussten warten bis nach der Pandemie. „Wir wussten aber, dass diese Begegnungen dann viel intensiver sein mussten als anfangs geplant“, ergänzt er. Eine Art Nachholeffekt. „Während der Pandemie war ein soziales Defizit entstanden. Wir mussten es ausgleichen.“ In der Pandemie erkannte die Volksbank: Das Neubau-Projekt würde eine Schlüsselrolle beim Aufbau der neuen Unternehmenskultur einnehmen können. Der Neubau symbolisiert den Aufbruch in eine neue Organisation. Er gibt buchstäblich Raum für eine neue Unternehmenskultur. Der gemeinsame „Nestbau“ hilft beim Zusammenwachsen. „Wir haben erkannt, dass der Neubau für uns nicht nur ein umweltfreundliches, energieeffizientes Bürogebäude ist, sondern auch ein Ort der sozialen Nachhaltigkeit“, sagt Markus Schaaf, „mit einem Mal stand die Frage im Raum, wie wir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitnehmen können beim Neubau. Wie können wir in dem neuen Gebäude die Organisation dabei unterstützen, kulturell zusammenzuwachsen? Wie können wir den Bau selbst zu einem Werkzeug des Changemanagements machen? “ Für die Bank wuchs das „E“ ihres Projekts mit „S“ zusammen. Und dann auch mit dem „G“. Mit der Governance. Für Projektmanagement bringt dieser konsequente ESG- Ansatz zusätzliche Herausforderungen. Klimagerechtes, umweltfreundliches Bauen fällt zumeist ins Ressort von Ingenieuren und Finanzfachleuten. Wenn jedoch die Dimensionen „S“ und „G“ gleichberechtigt im Projekt eine Rolle spielen sollen, müssen auch die Erwartungen von Mitarbeitern und Führungskräften ins Projekt integriert werden. Die Dimensionen „S“ und „G“ gehen buchstäblich alle an. Markus Schaaf weist darauf hin, wie stark die Pandemie die Arbeitsweise und Kooperation fast aller seiner Mitarbeiter verändert hat. „Heute ist bei uns beispielsweise mobiles Arbeiten selbstverständlich“, sagt er, „vor Corona war dies bei uns unüblich, es gab kein mobiles Arbeiten. Auch die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien waren vor Corona weitgehend unbekannt, etwa Videokonferenzen.“ Hinzu kam das Bedürfnis nach New Work, nach einem Umgang mehr auf Augenhöhe. Markus Schaaf nennt ein Beispiel dafür, wie die Volksbank in dem Neubau eine neue Ära des Arbeitens und Kooperierens eingeläutet hat: Die Mitarbeiter haben nicht mehr ihren „persönlichen“ Schreibtisch. Ähnlich wie im Innovationsgebäude buchen sie ihren Schreibtisch für den jeweiligen Tag. „Das Desk Sharing war für viele unserer Kollegin und Kollegen neu“, erklärt Markus Schaaf, „wir mussten die Menschen auf diesem Weg zu dieser neuen Arbeitsweise mitnehmen und auch Ängsten begegnen.“ Solche Veränderungen gelingen nur, wenn die Mitarbeiter nicht nur Stakeholder am Rande sind-- sondern aktiv an dem Eine moderne Bürolandschaft für die Mitarbeiter der Volksbank. Foto: Muffler Architekten, Tuttlingen Reportage | Die drei Buchstaben für neue Bürogebäude 10 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0002 Projekt mitwirken. „Wir haben unseren Plan in einer Botschaft zusammengefasst: wir tauschen Fläche gegen Qualität“, erklärt Markus Schaaf, „wir bieten vielleicht weniger Fläche, aber dafür investieren wir stark in die Qualität der Arbeitsplätze.“ Was diese Qualität der Arbeitsplätze bedeutet- - dies hat die Volksbank in dem Projekt gemeinsam mit ihren Mitarbeitern bestimmt. Dies ging weit hinaus über die Nutzungsanalyse, die man bei der Konzeption von solchen Bauprojekten macht. Die Volksbank hat gemeinsam mit den Mitarbeitern ausgemessen, was das ein nachhaltige „S“ für dieses Projekt bedeutet. Beispielsweise hat sie nach den Bedürfnissen der Mitarbeiter gefragt und ist ihnen vielfach entgegengekommen. Ein Detail: Erstmals in der Geschichte der Volksbank gibt es im Bürogebäude Duschen und Umkleideräume für Mitarbeiter, die beispielsweise mit dem Fahrrad kommen. Ein anderes Detail: Ins Bürogebäude ist ein Gesundheitszentrum eingezogen, das auch den Mitarbeitern offensteht. Zudem gibt es eine Betreuungsstätte für Kinder, eine Tagesstätte in Zusammenarbeit mit einem örtlichen Elternverein. „Wir haben sogar eine Bürofläche entwickelt für Eltern mit Kindern“, sagt Markus Schaaf, „Eltern können dort ihr Kind mitnehmen, wenn sie beispielsweise keine Betreuung gefunden haben. Das werden wir nun praktisch testen und herausfinden, wie dies optimal funktioniert: Arbeiten, wenn im Hintergrund ein Kind spielt.“ Er spricht von Mehrwerten, die die Volksbank bewusst für die Mitarbeiter geschaffen hat- - auch mit Blick darauf, dass sie sich in dem neuen Nest wohlfühlen. Die Herausforderung für das Projektmanagement: Es hatte das Changemanagement mit dem Bauprojekt zu verbinden. Dies bedeutet mehr als Architekten und Bauingenieure eine Liste von Anforderungen abarbeiten zu lassen. Das „S“ beim ESG für solche Bauprojekte holt die Bauherren und Nutzer ins Projekt. Mit einem Mal sitzen Organisationsentwickler mit am Tisch, Changemanager, HR-Fachleute, Arbeitnehmervertreter, Arbeitspsychologen und die Vertreter der unterschiedlichen Mitarbeiter-Generationen. Nicht nur unterschiedliche Fachdisziplinen arbeiten im Projekt zusammen, sondern auch Menschen mit höchst unterschiedlichen Interessenlagen und Bedürfnissen. Lösungen, die in diesem interdisziplinären Miteinander entstehen, machen die Mehrwerte für die soziale Nachhaltigkeit aus. Der Buchstabe "G" in ESG Markus Schaaf hat erlebt, wie schwierig dies in der Praxis sein kann. Er berichtet von einem Beispiel: Mit Blick auf den Trend zum Home-Office hat die Volksbank die Zahl der Schreibtische reduziert. Nur für 70 Prozent der 350 Beschäftigten stehen Schreibtische bereit. Markus Schaaf nennt das die „Mobilitätsquote“. Sie hat Mitarbeiter anfangs verunsichert („Wie bitte? Es gibt nicht mehr für jeden einen Schreibtisch? ? “). Dass die Mitarbeiter am Ende dem Desk Sharing und der Mobilitätsquote doch zugestimmt haben- - dies hing auch mit der Führung zusammen, dem „G“ im ESG. „Für uns hatte das Einbeziehen und Beteiligen der Mitarbeiter von Anfang an hohe Priorität“, erklärt Markus Schaaf und geht ins Detail: „Wir haben sehr früh die Führungskräfte an Bord geholt und um Akzeptanz geworben. Wir haben ihnen auch anhand anderer Bürogebäude gezeigt, wohin bei uns mit dem Neubau die Reise gehen könnte. Sind die Führungskräfte überzeugt, ist es einfacher, auch die Mitarbeiter mitzunehmen.“ Wir fragen Markus Schaaf, wie er genau dabei vorgegangen ist. „Wir hatten aus jedem Bereich unseres Unternehmens Change-Agents ins Projekt geholt“, erklärt er, „das waren Mitarbeiter, die den Change Prozess begleitet haben.“ Diese Change-Agents wirkten in zwei Richtung. Change-Agents haben zum einen Wünsche und Anregungen einzelner Mitarbeiter aufgenommen und weitergeleitet. Zum anderen haben Sie Informationen aus dem Projekt ihrem Bereich mitgeteilt, meistens zusammen mit ihren Führungskräften. „Uns war es wichtig, uns regelmäßig mit den Change Agents auszutauschen und sie vor Ort mit dem Fortschritt des Bauprojekts bekannt zu machen, etwa auf Baustellenbesichtigungen“, sagt Markus Schaaf. Außerdem waren die Change Agents an den so genannten „Pilotierungen“ beteiligt. „Zum Beispiel haben wir zum Desk Sharing einen Pilotversuch in den Büros von Vertriebsmanagement und der Unternehmenskommunikation unternommen“, erklärt Markus Schaaf. In dem Versuch wurde die Zahl der Schreibtische reduziert auf die Anzahl, die später im Neubau zur Verfügung stehen sollten. „Wir wollten sehen, wie das Desk Sharing und das mobile Arbeiten funktionieren“, fügt Markus Schaaf an, „dabei kamen auch die Change Agents zum Einsatz. Sie waren beispielsweise an der Auswahl der Möblierung beteiligt, an den Möbelierungplänen oder auch beim Farbkonzept.“ Auf eine Sache weist Markus Schaaf hin: Beteiligung heißt nicht, dass jeder Wunsch auf der Liste umgesetzt wird. „Wir haben bei den einzelnen Vorschlägen und Wünschen geprüft, ob sie realisierbar sind und wo der Mehrwert für die Gemeinschaft liegt“, erklärt er. Besonders dieser Mehrwert für alle war ihm wichtig. „Wir wollten sichergehen, dass wir Dinge beschließen, die sich die überwiegende Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wünscht.“ Anderenfalls verzettelt man sich in Einzelinteressen. Ein weiterer Punkt war dem Vorstand der Volksbank wichtig: Die Change Agents der Mitarbeiter waren nicht nur an der Gestaltung beteiligt, sondern auch an den Erfolgen, etwa beim Richtfest oder bei der anstehenden offiziellen Eröffnung. Das Top-Management setzte ein starkes Zeichen. Den feierlichen ersten Spatentisch machte nicht die „Honoratioren“, sondern die Change Agents. „Wir wollten von Anfang an zeigen, dass wir es ehrlich meinen mit der Beteiligung“, erklärt Markus Schaaf, „daraus ist dann eine eigene Dynamik entstanden in den Teams der Change Agents. Sie sind sehr motiviert und andere motivierend mit dem Thema umgegangen.“ Wie ehrlich es Markus Schaaf mit dem Wandel ist, zeigt sich an einem Detail. Auch er wird morgens einen Schreibtisch in der offenen Bürolandschaft buchen. Das gleiche gilt für seine Vorstandskollegen. „Wir haben keine Einzelbüros mehr, sondern sitzen am Tisch gemeinsam mit unseren Kolleginnen und Kollegen“, sagt Markus Schaaf, „wir haben immer gesagt, dass unsere neuen Konzepte für alle gelten. Auch für uns im Vorstand.“ Glaubwürdigkeit, fügt er an, funktioniert nur, wenn für alle die gleichen Regeln gelten-- vom Vorstand zum Azubi. Das zeigt sich das „G“ bei nachhaltigen Bauprojekten. Das Thema Governance. Reportage | Die drei Buchstaben für neue Bürogebäude 11 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0002 Wer mit Bankfachleuten spricht, kommt früher oder später auch auf das Thema Finanzen zu sprechen. Ganz offen fragen wir: Rechtfertigt sich ESG auch betriebswirtschaftlich? Markus Schaaf räumt ein, dass betriebswirtschaftliches Denken bei den Überlegungen für das neue Bürogebäude eine starke Rolle gespielt haben. Ökonomie und Ökologie müssen einander aber nicht ausschließen. „Es war durchaus wichtig, hier eine sinnvolle Investition auch unter ökonomischen Gesichtspunkten zu positionieren“, erklärt er, „wir haben für uns überlegt, wie sich die Betriebskosten in Zukunft entwickeln könnten. Dabei haben wir festgestellt, dass sich das Projekt in einer überschaubaren Zeit amortisieren würde. Aufgrund der Langlebigkeit des Objekts und der Energieeffizienz war der Weg für uns auf jeden Fall sinnvoll.“ Mit anderen Worten: das Bürogebäude hätte sich auch preiswerter errichten lassen. Doch auf lange Sicht rechnet sich die Investition in ESG für die Volksbank. Das betrifft nicht nur das „E“, sondern auch das „S“ und „G“. Eine moderne Unternehmens- und Führungskultur wirkt beispielsweise attraktiv auf Fachkräfte, einer knapper werdenden „Ressource“, die immer mehr Nachhaltigkeit erfordert. Auf eine Fassadenbegrünung- - einen „hängenden Garten“ wie beim Innovationshaus OWP12- - hat die Volksbank allerdings verzichten müssen. Schweren Herzens. „Ich bin ein großer Freund der Fassadenbegrünung“, sagt Markus Schaaf, „ich finde das eine spannende Idee, und sie hätte auch unserem Gebäude ein gewisses Alleinstellungsmerkmal gegeben.“ Indes, die Begrünung scheiterte nicht am Geld, sondern an den Prioritäten. „Unsere Photovoltaikanlagen laufen komplett um das Gebäude herum“, sagt Markus Schaaf, „Es war schlichtweg kein Platz für eine bepflanzte Fassade.“ Da lag die nachhaltige Energiebilanz näher als das Meer aus vielfarbigen Blumen und Blättern. Eingangsabbildung: Die Außenansicht des „Innovationsgebäude OWP12“. Deutlich zu erkennen die markante Grünfassade. © Jürgen Pollak für Drees & Sommer Anzeige 12 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0003 Erstellung einer Aufbau- und Ablauforganisation Agilität als Erfolgsfaktor für Konsortialprojekte Katharina Decher, Alexandra Schirra Für eilige Leser | Um das Leuchtturmprojekt Factory-X für den Maschinenbau erfolgreich an den Start zu bringen, erstellte die Management- und IT-Beratung MHP eine übergeordnete Aufbau- und Ablauforganisation für über 600 Projektbeteiligte unterschiedlicher Partnerunternehmen. Die größten Herausforderungen: Knappe zeitliche, personelle und finanzielle Ressourcen. Neben agilen Projektmanagementmethoden und -tools waren eine gemeinsame Arbeitskultur und eine effiziente Wissensvermittlung von verantwortlichen Projektmanager: innen an ausgewählte Schlüsselrollen die entscheidenden Faktoren im Projektverlauf. Das Ergebnis ist eine hohe Managementqualität. Schlagwörter | Aufbauorganisation, Ablauforganisation, Agiles Projektmanagement, Business Agilität, Scrum Referenzwerte nutzen und Analysen durchführen Normalerweise greifen Projektmanager: innen bei neuen Beauftragungen gerne auf Referenz- und Erfahrungswerte zurück-- vor allem bei besonders komplexen Projekten, wie Factory-X eines ist. Einige Projektbeteiligte hatten zwar schon an Catena-X, einer ähnlichen Initiative für die Automobilbranche, mitgewirkt, in der neuen Konstellation aber noch nie zusammengearbeitet. Außerdem besaßen sie unterschiedliche fachliche, methodische und (unternehmens-)kulturelle Voraussetzungen. Zudem mussten sie in kurzer Zeit remote in einer Aufbau- und Ablauforganisation zusammengeführt werden; es gab keine gemeinsamen Projekträume-- die Beteiligten sitzen in ganz Deutschland verteilt. Leider lagen uns nur wenige vergleichbare Werte vor, die einzige Orientierung bot das agile Vorgehen bei Catena-X. Durch die Übernahme von agilen Schlüsselrollen in Catena-X waren wir als MHP mit den Prozessen und Strukturen des Projekts sehr vertraut und konnten basierend auf unseren Erfahrungen eine passende Herangehensweise wählen. Um das Setup von Factory-X zu definieren, führten wir zunächst persönliche Interviews mit Stakeholder: innen durch, die die Partnerunternehmen ausgewählt hatten. Als Basis diente ein Fragenkatalog, den wir eigens dafür erstellten. Wir wählten sowohl Personen mit Erfahrung aus Catena-X als auch unvoreingenommene Kandidat: innen aus, um einen möglichst diversen Teilnehmerkreis abzudecken. Fragen waren unter anderem: Welche Erfahrungen gab es bei Catena-X, was wünschen sich die Projektleitungen für die Zusammenarbeit und welche Vorkenntnisse bestehen zur agilen Arbeitsweise? Außerdem versuchen wir in den Gesprächen herauszufinden, wie es um die Verfügbarkeit von Ressourcen bei der Bearbeitung von Use Cases steht, wie Engpässe bei bestimmten Ressourcen verhindert werden könnten (die sogenannten Splitterkapazitäten, also Personen, die nur einen Teil ihrer Arbeitszeit fürs Projekt aufwenden), welche Störfaktoren auftreten könnten, wie sich Use Cases sinnvoll bündeln lassen und an welcher Stelle kritische Abhängigkeiten voneinander entstehen könnten. Die Teams wurden inhaltlich und organisatorisch basierend auf den definierten Arbeitspaketen in der Gesamt-Vorhabensbeschreibung geschnitten. Teammitglieder, die nur in Teilzeit in agilen Projekten eingesetzt werden, können aufgrund ihrer reduzierten Kapazität die agilen Kernprinzipien nicht leben. Der Fokus auf ein einziges Team ermöglicht eine bessere Qualität, Teamdynamik und einen größeren Projekterfolg. Reportage | Agilität als Erfolgsfaktor für Konsortialprojekte 13 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0003 Hier blieb keine Zeit für eine tiefere Analyse der Ablauforganisation, wie Arbeit durch die Organisation fließt; definitiv ein Nachteil in Projekten mit unterschiedlichen Partnerinteressen und Zielen, vielen Teams und ungeklärten fachlichen Abhängigkeiten. Wer genug Vorlauf hat, sollte unbedingt diese Reihenfolge wählen: erst die Ablauf- und dann die Aufbauorganisation definieren. Denn: Bei dieser Reihenfolge lässt sich leichter nachvollziehen, wie Arbeitspakete und -prozesse Über Factory-X Der Maschinen- und Anlagenbau steht aktuell vor großen Herausforderungen: Fehlende Resilienzen in Lieferketten, Medienbrüche im Informationsfluss, unzureichende Digitalisierung von Prozessen und Maschinen. Um diese Herausforderungen zu lösen, haben Wirtschaft, Politik und Wissenschaft die Initiative Manufacturing-X gegründet. Ein Teilprojekt ist Factory-X. Dies soll es Unternehmen verschiedener produzierender Branchen ermöglichen, Daten über die gesamte Fertigungs- und Lieferkette unter Wahrung der Datensouveränität austauschen zu können. Im Rahmen der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Mai 2023 vorgestellten Förderinitiative wurde es als Leuchtturmprojekt initiiert. Das Projekt hat eine Laufzeit von 2,5 Jahren; beteiligt sind über 600 Personen aus 47 Verbundpartnern und 10 assoziierten Partner aus Wirtschaft, Forschung und Verbänden. Die Leitung des Konsortiums teilen sich die Siemens AG und SAP SE. Das Budget des gesamten Förderprojekts beträgt gut 150 Millionen Euro, bereitgestellt von der Bundesregierung. Die Leitidee von Factory-X ist, Transformation und Innovation durch Kooperation zu ermöglichen. Das primäre Ziel: Ein offenes, kollaboratives und souveränes Daten-Ökosystem für Fabrikausrüster und -betreiber zu schaffen, in dem Daten der gesamten Produktions- und Lieferkette sicher, souverän und effizient ausgetauscht werden. Dies soll Unternehmen unterstützen, ihre Prozesse besonders auf dem Shopfloor zu optimieren, ihre Produkte und Dienstleistungen kontinuierlich zu verbessern sowie neue datenbasierte Geschäftsmodelle zu entwickeln. Insgesamt sollen die Firmen dadurch sowohl Wirtschaftlichkeit als auch Nachhaltigkeit auf das nächste Level heben. Factory-X soll den Weg für eine zukunftsfähige und nachhaltige Produktion und die Realisierung von Industrie 4.0 ebnen. Factory-X baut auf Konzepten der Plattform Industrie 4.0 sowie Lösungen von Catena-X, einem bereits abgeschlossenen Projekt der Automobilindustrie (es lief von August 2021 bis Juli 2024). Die Catena-X-Konzepte zielen darauf ab, durch einen standardisierten Datenaustausch die Lieferketten der Fabrikausrüster und -betreiber zu digitalisieren und alle Beteiligten enger zu vernetzen. Die bereits existierenden Lösungsansätze wurde im Rahmen von Factory-X teilweise angepasst und erweitert, sodass konkrete Software-Lösungen für Anwendungsfälle der Fabrikausrüster und -betreiber realisiert werden können, beispielsweise wie Hersteller eine übergreifende Datenkonsistenz schaffen, ihren CO2-Fußabdruck messen, Abläufe auf dem Shopfloor verbessern und ihre Lieferketten rückverfolgen können. durch die Organisation fließen und welchen Wert sie am Ende für den Kunden schaffen. Darauf aufbauend wollen wir wissen, wer mit welchen Fähigkeiten und Know-how an einem bestimmten Prozess mitwirkt. Dabei geht es nicht um einen bestimmten Prozess-- vielmehr um die Prozesse bei Factory-X generell, die in ihrer Gesamtsumme durch die Organisation fließen, um Werte zu schaffen und in dem effizient zusammengearbeitet werden kann. Darüber hinaus haben wir das benötigte Know-how fachbereichs- und unternehmensübergreifend an den richtigen Stellen und lösen Potenziale aus den Abteilungsbzw. Team-Silos der Aufbauorganisation. Der absolute Fokus liegt auf der Wertgenerierung. Dafür empfiehlt es sich, eine Wertstromanalyse mit mehreren Workshops durchzuführen und anschließend ein Assessment der Teams zu machen. So lässt sich frühzeitig ein sinnvoller Teamschnitt erzielen. Kurzum: Eine ordentliche Wertstromanalyse ist eine lohnende Investition, denn sie erhöht- - in den meisten Fällen- - später die Effizienz. Flexibel und iterativ vorgehen Für das Factory-X-Projekt entschied sich unser Beratungsteam für einen skalierten agilen Ansatz der Zusammenarbeit, dies vor allem aus der Erfahrung „One size does not fit all“. Das ist auch dann sinnvoll, wenn Projektleitungen in einem schwer vorhersehbaren Umfeld agieren müssen. Agile Tools und Methoden liefern Orientierung und Best Practices, die leicht auf das eigene Projekt übertragbar sind-- gerade, wenn zu Beginn nur wenige Referenz- und Erfahrungswerte zur Verfügung stehen. Beispiele für solche agilen Prinzipien und Methoden sind: • Kurze Entwicklungszyklen (Iterationen), um auf Anforderungen in einem dynamischen Umfeld reagieren zu können. • Cross-funktionale Teams, um alle notwendigen Skills und Know-how in einem Team zu haben und ein Lieferobjekt als selbstorganisiertes Team bereitstellen zu können. • Definition of Ready und Definition of Done, um zu definieren, wann eine Aufgabe bereit ist, entwickelt werden zu können, und welche Qualitätskriterien zur Abnahme vorliegen. • Backlog Refinements, um sicherzustellen, dass alle im Team verstanden haben, welche nächsten Themen anstehen und den Aufwand dahinter kennen. Einzelne Projektschritte können so auf allen Ebenen der Organisation immer wieder angepasst und verbessert werden. Dadurch werden zügig erste Erfolge sichtbar, was die Motivation aller Beteiligten erhöht, und Auftraggebern ein sicheres Gefühl gibt. Außerdem ermöglicht es, die Ressourcen effizient einzusetzen. Best Practices aus der Business-Agilität nutzen Die Anleitung für die Umsetzung stammt aus führenden skaliert-agilen Frameworks. Wir stellten so Leitlinien zu Strukturen, Rollen und Zuständigkeiten und zur Planung und Verwaltung von Aufgaben zur Verfügung. Dies erleichtert die Abstimmung untereinander und stellt die Ergebnisqualität durch entsprechende Qualitätskriterien (Definition of Done, Akzeptanzkriterien) und einen Release-Prozess sicher. Reportage | Agilität als Erfolgsfaktor für Konsortialprojekte 14 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0003 Kombiniert haben wir diese Best Practices mit dem Gedankenmodell zur Business Agilität, das die unterschiedlichen Ebenen zur Betrachtung der Arbeit einer Organisation beschreibt, um ein effizientes Modell der Zusammenarbeit zu kreieren. Kurz zusammengefasst betrachtet man die operative Umsetzung, die Koordination zwischen Teams und die Strategie. Da das Modell auf die Business Agilität einer Organisation insgesamt eingeht, bezieht es sich vor allem auf die übergreifende Wertgenerierung der Teams. Das Modell beantwortet unter anderem folgende Fragen: Wie entsteht Wert, was hat Priorität und wie beeinflussen die verschiedenen Teile in dem komplexen System die Organisation? Diese Fragen erleichtern es neu zusammengestellten Teams, ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln. Beide Modelle ergänzen sich insofern gut, als dass die bekannten agilen Frameworks sehr komplex sind und Teams überfordern können, während das Modell der Business Agilität einen vereinfachten Überblick über die verschiedenen Level der Detailtiefe geben kann. Auf Teamebene entschieden wir uns für zweiwöchige Sprints, um insbesondere den heterogenen Teams einen Anreiz zu geben, in fachlich und zeitlich kleinen Schritten zu planen und zu liefern. Durch diesen iterativen Ansatz entstehen kurze Entwicklungszyklen mit stetigem Feedback, um möglichst eng getaktete Anpassungen vorzunehmen. Zudem hilft es bei vielen Abhängigkeiten, zwischen den Teams eng getaktete Abstimmungsmöglichkeiten und -zyklen zu etablieren. Tool für Kollaboration und Taskmanagement einführen Als Kollaborationsplattform entschieden wir uns für die Kombination aus Jira, Agile Hive und Confluence. Wir führten diese etablierten und weit verbreiteten Tools für Planung, Echtzeitsteuerung, Kommunikation und Dokumentation auch operativ ein. Confluence und JIRA sind verknüpft, was die Ergebnisdokumentation der Lieferobjekte ermöglicht. Trotz der Vielzahl an agilen Tools, die heutzutage am Markt sind, sollten Teams nach dem agilen Leitspruch "people over processes and tools" leben. Bedeutet: Sich vor allem auf das Team und die Wissensweitergabe dort konzentrieren und das Tool eben als Werkzeug sehen. Die Dokumentation im Tool sollte sekundär sein. Wenn ein Projekt sich zu sehr auf Prozesse und Tools konzentriert und außer Acht lässt, dass Projektmitglieder damit überfordert sein könnten oder an der Arbeit behindert werden, muss man Bestehendes überdenken und anpassen. Ein Beispiel hierfür ist folgende Situation: Die Teammitglieder verbringen viel Zeit damit, das Tool zu verstehen und zu bedienen, was zu Frustration und ineffizienter Nutzung führt. Darunter leiden die eigentliche Arbeit und der Wissensaustausch im Team. Ein der agilen Arbeitsweise entsprechender Lösungsansatz besteht darin, das Problem in der Retrospektive anzusprechen und dann entsprechende Maßnahmen zu entwickeln, wie Schulungen, Toolanpassungen und ein stärkerer Fokus auf Kommunikation sowie Zusammenarbeit und somit eine kontinuierliche Verbesserung zu erzielen und die Effizienz zu steigern. Schlüsselrollen definieren und schulen Eine besondere Herausforderung in Vorbereitung auf das erste Big Room Planning war es, alle Teams auf einen zumindest ähnlichen Wissensstand zu bringen und einen gemeinsamen Arbeitsansatz zu schaffen. Während einige Teams Erfahrungen im agilen Arbeiten gesammelt hatten, besaßen viele Teams weder methodisches Vorwissen noch Tool-Kenntnisse. Andere Teams zeichneten sich durch ein ausgeprägt hierarchisches Denken aus und benötigten Zeit, um sich umzustellen auf ein kollaboratives Miteinander und einen fachlichen Führungsstil. Um das Ausrollen in den Teams zu erleichtern, wurden im Vorfeld 80 Personen auf die definierten Schlüsselrollen gestafft: Der agilen Terminologie entsprechend suchten wir Product Owner für die fachliche sowie Agile Coaches für die or- Die Plattform Industrie 4.0 ist ein zentrales Netzwerk von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in Deutschland, um die digitale Transformation in der Produktion zu gestalten. Die Initiative Manufacturing-X ist eine gemeinsame Initiative für eine intelligent vernetzte Industrie, die mehr Resilienz, Nachhaltigkeit und Wettbewerbsstärke ermöglichen soll. Catena-X und Factory-X sind vom BMWK geförderte Projekte, welche konkret die Automobilindustrie beziehungsweise den Maschinen- und Anlagenbau unterstützen. Reportage | Agilität als Erfolgsfaktor für Konsortialprojekte 15 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0003 ganisationale Ebene. Diese schulten wir dann in Enablement Sessions digital über Microsoft Teams. Diese Schlüsselrollen fungierten als Multiplikatoren, um das erlernte Wissen in die Organisation zu tragen. Die Inhalte der Schulungen reichten von der Definition, was Agilität überhaupt ist und wie man sich in seinem Team intern sowie mit anderen Teams in der Zusammenarbeit strukturiert, bis hin zum Umgang mit der Kollaborationsplattform. Widerstände durch Kommunikation überwinden Im Projektverlauf hat sich gezeigt, dass eine enge Begleitung von und eine offene, transparente Kommunikation mit den Schlüsselrollen in Form von Q&A-Sessions, Feedbackschleifen und Abstimmungsrunden die Voraussetzung für eine gute Zusammenarbeit ist. So können Widerstände aus den Teams, beispielsweise gegen die Nutzung neuer Arbeitsweisen und Tools, frühzeitig festgestellt und rascher überwunden werden. Zusätzlich haben wir in einzelnen Teams interimsweise unbesetzte agile Rollen ausgefüllt, um den agilen Reifegrad der Teams zu erhöhen und sie ‚on-the-job‘ zu coachen. Wir haben konkret die Rolle eines Senior Agile Coaches übernommen sowie übergreifend das Coaching der Scrum Master. Bestandteil jedes Big Room Planning Events sind Retrospektiven. Deren Ergebnisse werden auf einem virtuellen Kollaborationsboard festgehalten und dienen den Schlüsselrollen zur Definition von Maßnahmen zur Prozessverbesserung während des nächsten Quartals sowie für das nächste Big Room Planning. Darüber hinaus haben wir festgestellt, dass es in großen Projekten durchaus Sinn ergibt, Schulungen nicht nur für Schlüsselrollen, sondern für alle Teammitglieder anzubieten, beispielsweise zum Thema Moderation. Denn gerade zu Projektbeginn haben Schlüsselrollen oft nicht genug Zeit oder Erfahrung, um Teammeetings selbstständig zu moderieren und das Gelernte eins-zu-eins an die Kolleg: innen weiterzugeben-- es kommt häufig zu Verständnisschwierigkeiten. Daher empfehlen wir, sich als Beratende: r für den Change regelmäßig als stille: r Zuhörer: in oder zumindest als zurückhaltende: r Teilnehmende: r in Teammeetings einzuschalten und den Status quo zu ermitteln. Individuelle Fragen oder Unstimmigkeiten können mit der Projektleitung dann im Nachgang leichter geklärt werden. Reflexion der Projektleitung sicherstellen Damit auch die Projektleitungen selbst den Überblick über die einzelnen Streams und Themen bewahren und Entwicklungen reflektieren, sollten sie sich nicht nur wöchentlich untereinander abstimmen, sondern eine: n Sparringspartner: in im eigenen Beratungsunternehmen benennen. Das Sparring ermöglicht es der Projektleitung, eine andere Perspektive einzunehmen, um künftig ausgewogenere Entscheidungen zu treffen. In diesem Zusammenhang haben wir als Team gelernt, wie wichtig es ist, sich selbst nicht mit dem Status quo zufriedenzugeben und sich immer wieder von seinen Kolleg: innen „challengen“ zu lassen. Durch das gegenseitige Challengen und die kontinuierliche Reflexion der eigenen Arbeitsweisen konnten wir unsere Effizienz und Innovationskraft deutlich steigern. Dies führte zu einer höheren Qualität der Arbeit und einem stärkeren Grad der Zusammenarbeit im Team. Für die bestmögliche Kundenlösung ist es essenziell, sich im Beraterteam abzustimmen und regelmäßig zu brainstormen. Eingangsabbildung: © iStock.com / gremlin Katharina Decher Katharina Decher, Senior Managerin bei MHP, hat einen Bachelor in BWL und einen Master in Marketing and Business Management. Sie ist in verschiedenen Agilen Rollen, sowie als Agile Coach im Portfolio „Agile Transformation“ tätig. Alexandra Schirra Alexandra Schirra, Managerin bei MHP, hat einen Master (M.Sc) in Wirtschaftsingenieurwesen. Ihr Fokus liegt im Enablement und Coaching in agilen Transformationen und hat die Projektleitungsrolle für Factory-X inne. 16 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0004 Charakteristika des Dienstleistungsmarkts Projektmanagement im deutschen Bauwesen (Paul) Christian John, Shervin Haghsheno Für eilige Leser | Das Bau-Projektmanagement nimmt eine entscheidende Rolle bei der Abwicklung von Bauvorhaben ein. Oft sind die Kompetenzen der meist fachfremden Bauherren nicht ausreichend, um die hierbei anstehenden Aufgaben zu bewältigen. Daher wird häufig auf externe Projektmanagement-Dienstleister zurückgegriffen. Diese Nachfrage hat zu einer unübersichtlichen Vielfalt an Ansätzen geführt, die bei Bauherren zu Unklarheit führen kann. In einer Studie wurde daher der deutsche Markt für Bau-Projektmanagement-Dienstleistungen systematisch analysiert. Die Ergebnisse bieten einen Überblick über die auf dem Markt agierenden Anbieter, deren Leistungsportfolios sowie die typischen Projektabwicklungsmöglichkeiten. Ziel dieser Studie ist die Schaffung der nötigen Transparenz, die Bauherren bei der Wahl passender Unterstützung für ihre Bauprojekte benötigen. Schlagwörter | Bau-Projektmanagement, Marktstudie, Dienstleistung, Bauherr, Bauwesen 1 Überblick zum Bau-Projektmanagement In Deutschland wird jedes Jahr eine Vielzahl von Bauprojekten umgesetzt. Im Jahr 2022 (siehe Endnote 1 am Ende des Beitrags) wurden insgesamt 217.586 Baugenehmigungen erteilt (siehe Endnote 2), wobei knapp zwei Drittel der Genehmigungen für die Errichtung neuer Bauwerke und ein Drittel für Baumaßnahmen an bestehenden Bauwerken erteilt wurden [2]. Aufgrund der Tatsache, dass der Zeitraum zwischen der Erteilung der Baugenehmigung und der Fertigstellung des Bauvorhabens in der Regel mehr als ein Jahr beträgt, ist in Deutschland im Hinblick auf die Anzahl der derzeit laufenden Bauvorhaben von mehreren hunderttausend auszugehen. Diese Bauvorhaben werden in Deutschland generell in Form von Projekten organisiert, da mit ihnen weitreichende Risiken und häufig eine hohe Komplexität einhergehen. Initiiert wird ein Bauprojekt typischerweise durch einen sogenannten Bauherrn bzw. eine entsprechende Bauherrnorganisation. Folglich obliegt dem Bauherrn stets die Verantwortung für die Organisation und Durchführung seines Bauprojekts bzw. für das übergeordnete Bau-Projektmanagement, das häufig auch als „bauherrnseitiges Projektmanagement“ bezeichnet wird. Das bauherrnseitige Management eines Bauprojekts weist aufgrund der besonderen Charakteristika des Projekts sowie der Branche teilweise signifikante Unterschiede zum Projektmanagement in anderen Branchen auf [u. a. 3; 4; 5, S. 5 f.]. Folglich ist für die erfolgreiche Realisierung von Bauprojekten eine hohe Ausprägung spezifischer Kompetenzen in diesem Bereich erforderlich. Ein nicht unerheblicher Anteil der Bauherren ist jedoch in anderen Wirtschaftsbereichen tätig, sodass eine fachliche Expertise im Bauwesen nicht vorausgesetzt werden kann. In wirtschaftlich-mittelständischen und privaten Kontexten wird darüber hinaus nur selten bzw. nicht regelmäßig selbst gebaut, sodass die notwendigen Kompetenzen im Bau-Projektmanagement üblicherweise nicht vorhanden sind. Diese Bauherren werden auch als „Einmalbauherren“ bezeichnet. Bei den sogenannten „Wiederholungsbauherren“, also Bauherren, die wiederholt in regelmäßigen Zeitabständen bauen, sind die notwendigen Kompetenzen zwar häufig vorhanden, beispielsweise durch eine eigene Bauabteilung im Unternehmen. Allerdings fehlt es aufgrund des abweichenden Kerngeschäfts in der Regel an der personellen Kapazität, um die eigenen Bauprojekte vollständig allein zu managen [5, S. 2]. Wissen | Projektmanagement im deutschen Bauwesen 17 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0004 Sofern ein Bauherr also das Projektmanagement seines Bauprojekts nicht selbst übernehmen kann, wird in Deutschland in der Regel ein spezialisiertes Unternehmen für Projektmanagement-Dienstleistungen beauftragt. Im Bauwesen werden diese Dienstleister häufig auch als Projektsteuerer oder Bauherrnvertreter bezeichnet [6, S. 26-28]. In Abhängigkeit von der Größe des Projekts sowie der Ausgestaltung der Projektorganisation kann der Bauherr zudem durch weitere klassische Projektbeteiligte bei der Wahrnehmung seiner Managementaufgaben unterstützt werden. Dies können beispielsweise Architekten, Generalplaner (GP) (siehe Endnote-3) oder Generalunternehmer (GU) (siehe Endnote-4) sein. Auf Basis dieser Zusammenhänge lassen sich die vier in Abbildung 1 dargestellten Konstellationen definieren, in die die Funktion des übergeordneten Projektmanagements aufgeteilt werden kann. Der Bauherr ist dabei jedoch grundsätzlich nur in der Lage, einen Teil der Aufgaben im Projektmanagement zu delegieren; ein gewisser Teil verbleibt stets in seiner Verantwortung. Dies umfasst beispielsweise die Finanzierung des Projekts, das Treffen grundlegender Entscheidungen sowie die öffentlich-rechtliche Verantwortung für die Durchführung des Projekts. Daher werden diese Aufgaben häufig auch als „nichtdelegierbare Bauherrnaufgaben“ bezeichnet. 2 Markt für Bau-Projektmanagement- Dienstleistungen Der steigende internationale Wettbewerbsdruck in der deutschen Wirtschaft sowie wachsende technische, soziale und regulatorische Anforderungen sind wesentliche Faktoren, die dazu führen, dass Bauherren zunehmend externe Projektmanagement-Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Diese Entwicklung lässt sich seit einigen Jahren anhand der steigenden Nachfrage sowie anhand des stark wachsenden Angebots unterschiedlicher Ansätze und Leistungskombinationen für Abbildung 1: Typische Projektmanagement-Konstellationen in Bauprojekten das bauherrnseitige Projektmanagement auf dem deutschen Markt beobachten [u. a. 5, S. 2; 6, S. 10 f.; 7, S. 17]. Viele Bauherren sind durch das wildwachsende Angebot überfordert. Die Variantenvielfalt führt insbesondere bei Bauherren, die keine fachlichen Kenntnisse im Bauwesen aufweisen, zu Unsicherheit, Missverständnissen und Unklarheiten. In der Konsequenz werden dadurch teilweise ungeeignete oder überflüssige Dienstleistungen beauftragt oder es kommt zu einer Verzögerung der Beauftragung einer notwendigen Dienstleistung, was sich nachteilig auf das gesamte Bauprojekt auswirken kann. Vor dem Hintergrund dieser identifizierten Problemstellung wurde in den vergangenen zwei Jahren eine Marktstudie vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) durchgeführt, um eine systematische und tiefgreifende Analyse des beschriebenen Marktes vorzunehmen. Das übergeordnete Ziel dieser Studie war es entsprechend, einen Beitrag zur Schaffung von mehr Markttransparenz zu leisten. 3 Aufbau und Ablauf der Marktstudie Die Marktstudie wurde methodisch und thematisch in zwei aufeinander aufbauende Phasen eingeteilt: 3.1 Phase 1-- Desk Research: Identifikation der Marktteilnehmer, die Projektmanagement- Dienstleistungen für Bauherren anbieten Im Rahmen einer umfassenden Recherche wurden hierbei zunächst alle relevanten Marktteilnehmer in Deutschland identifiziert und hinsichtlich allgemeiner Unternehmensmerkmale (z. B. Standortlage und -anzahl, Internationalität und Geschäftsführung) sowie ihres Leistungsportfolios und der Verwendung von Projektmanagementbegrifflichkeiten analysiert. Im Rahmen einer Vorlaufstudie wurden dafür mehrere standardisierte Rechercheansätze entwickelt und evaluiert. Die Grundidee der systematischen und ganzheitlichen Markt- Wissen | Projektmanagement im deutschen Bauwesen 18 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0004 betrachtung basierte auf einer geografischen Aufteilung in kleinere Untersuchungseinheiten. In diesem Zusammenhang wurde die Kreisgliederung aus dem amtlichen Regionalschlüssel der Bundesrepublik Deutschland herangezogen. Im Rahmen einer kombinierten Schlagwortsuche mit vorab definierten Projektmanagementbegriffen (inhaltliches Merkmal) wurden alle 400 Stadt- und Landkreise Deutschlands (geografisches Merkmal) auf unterschiedlichen Plattformen (u. a. Google) einzeln untersucht. Hierbei wurden insgesamt über 10.000 Schlagwortsuchen durchgeführt. Im Rahmen der Recherche wurden ausschließlich öffentlich zugängliche Quellen berücksichtigt, darunter Homepages, Register, Jobinserate und Projektreferenzen. In der nachfolgenden Untersuchung wurden alle identifizierten Unternehmen anhand vorab definierter Ein- und Ausschlusskriterien einer kritischen Überprüfung unterzogen. Nur wenn die Zugehörigkeit zum untersuchten Markt sichergestellt werden konnte, wurden die Unternehmen als Ergebnis in ein Marktregister aufgenommen. Aufgrund der umfassenden Recherche und der hierbei beobachteten Sättigung im Suchvorgang lässt sich argumentieren, dass eine annähernd vollständige Erfassung aller Marktteilnehmer in Deutschland gelungen ist. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung konnten insgesamt 2.692 Dienstleistungsunternehmen in Deutschland identifiziert werden, die von 4.091 nationalen Unternehmensstandorten aus Bauherren bei der Umsetzung ihrer Bauprojekte unterstützen [6, S. 17]. 3.2 Phase 2-- Field Research: Analyse der Marktteilnehmer, ihrer Leistungsportfolios und der typischen Projektabwicklungsmöglichkeiten Im Anschluss an die Identifikation der annähernden Grundgesamtheit des Marktes erfolgte eine vertiefende Untersuchung mittels einer Online-Umfrage. Die Konzeption der Untersuchung erfolgte in Anlehnung an die gängigen Empfehlungen aus der Methodenforschung [8]. Der entwickelte Befragungsbogen wurde anschließend im Rahmen eines Pretests evaluiert. Insgesamt beteiligten sich 350 Unternehmen an der Befragung. Die Umfrage umfasste 38 Fragen, die sich inhaltlich in vier Bereiche untergliedern: Unternehmensstruktur, Leistungsportfolio, Projektabwicklung und Trends. Die Adressaten der Befragung waren das Topmanagement der Marktteilnehmer, da für die Beantwortung der Fragen ein Gesamtüberblick zu den Geschäftstätigkeiten des Unternehmens erforderlich war. Die Umfrage wies eine zahlenmäßige, strukturelle und inhaltliche Repräsentativität auf, sodass die Ergebnisse der Befragung auf den gesamten deutschen Markt verallgemeinerbar sind (weitere Erläuterungen zur Repräsentativität der Marktstudie finden sich im zugehörigen Forschungsbericht [6, S. 33-37]). Die Auswertung der Ergebnisse erfolgte gemäß den gängigen Regeln der Inferenzstatistik [10]. 4 Struktur des Marktes und Typologie der Marktteilnehmer In den Betriebswissenschaften erfolgt eine allgemeine, strukturelle Beschreibung eines Marktes häufig unter Berücksichtigung der Unternehmensgröße der jeweiligen Marktteilnehmer. Diese wird üblicherweise durch die Mitarbeiteranzahl, den Jahresumsatz und die Standortanzahl beschrieben. In Abbildung 2: Geografische Verteilung der Marktteilnehmer Bezug auf den deutschen Markt für bauherrnseitige Projektmanagement-Dienstleistungen lässt sich feststellen, dass dieser vor allem durch kleine und mittelständische Unternehmen (KMUs) geprägt ist, die mehrheitlich primär regional ausgerichtet und von nur einem (nationalen) Standort aus tätig sind [6, S. 38 f.]: • Mitarbeiter: Hinsichtlich der Mitarbeiteranzahl lässt sich feststellen, dass 63 % der Marktteilnehmer weniger als zehn Mitarbeiter beschäftigen. Nur etwa jedes zehnte Unternehmen hat 50 oder mehr Mitarbeiter. Lediglich 2 % der Unternehmen beschäftigen 250 oder mehr Mitarbeiter [6, S. 38 f.]. Bei mehr als der Hälfte aller Marktteilnehmer arbeitet mindestens die Hälfte der Belegschaft schwerpunktmäßig (> 50 % der Arbeitszeit) im Projektmanagement [6, S. 40 f.]. Es lässt sich zudem feststellen, dass in Unternehmen mit geringer Mitarbeiterzahl ein höherer Anteil der Belegschaft im Projektmanagement tätig ist [6, S. 113]. • Umsatz: Hinsichtlich des Jahresumsatzes lässt sich festhalten, dass 87 % der Marktteilnehmer weniger als 5 Mio. € erzielen, während 55 % der Unternehmen einen Jahresumsatz von weniger als 1 Mio. € generieren. Demgegenüber haben lediglich 2 % Prozent der Marktteilnehmer einen Jahresumsatz von 50 Mio. € oder mehr [6, S. 39]. • Standorte: Hinsichtlich der Standorte zeigt sich, dass vier von fünf Marktteilnehmern (81 %) lediglich von einem (nationalen) Standort aus tätig sind. Nur etwa jedes zehnte Unternehmen (9 %) hat mehr als zwei Standorte, während 4 % über fünf oder mehr Standorte verfügen [6, S. 18 f.]. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass lediglich etwa die Hälfte der Unternehmen mit vier oder mehr Standorten auch von sämtlichen Standorten aus Projektmanagement- Dienstleistungen für Bauherren erbringt [6, S. 41 f.]. Hinsichtlich der geografischen Verteilung der Marktteilnehmer in Deutschland lässt sich erkennen, dass diese insbesondere in den ökonomisch starken Zentren konzentriert ist. Diesbezüglich ist hervorzuheben, dass über die Hälfte aller nationalen Unternehmensstandorte (51 %) in den 43 A-, B- und C-Städten lokalisiert ist (siehe Abbildung 2). Die Klassifizierung der Städte in die Kategorien A, B und C erfolgt anhand ihrer nationalen immobilienwirtschaftlichen Relevanz [11]. Wissen | Projektmanagement im deutschen Bauwesen 19 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0004 In Bezug auf den Internationalisierungsgrad des Marktes lässt sich jedoch feststellen, dass lediglich etwa 3 % der Marktteilnehmer mindestens einen Standort im Ausland aufweisen [6, S. 44]. Dies lässt den Schluss zu, dass Projektmanagement-Dienstleistungen im Bauwesen eine ausgeprägte nationale Ausrichtung aufweisen. Als mögliche Erklärungen für die geringe Internationalisierung können die nationalen Besonderheiten bei der Abwicklung von Bauvorhaben in baurechtlich-regulatorischer Hinsicht, die erforderliche regionale Marktkenntnis sowie die anerkannten Standards hinsichtlich Verfahren und Bauqualität herangezogen werden. In Verbindung mit der Unternehmensgröße lässt sich zudem feststellen, dass tendenziell die größeren Unternehmen auch im Ausland vertreten sind [6, S. 116]. Es ist zudem zu beobachten, dass deutsche Marktteilnehmer primär im europäischen (40 % der internationalen Marktteilnehmer sind hier) und asiatischen (32 %) Ausland Standorte haben [6, S. 44 f.]. 5 Leistungsportfolio der Marktteilnehmer Unternehmen im Dienstleistungssektor bieten in der Regel ein breites Spektrum an Leistungen für eine heterogene Kundschaft an. Innerhalb des untersuchten Marktes lässt sich jedoch feststellen, dass etwa vier von fünf Unternehmen auf Projektmanagement-Dienstleistungen für Bauherren spezialisiert sind (siehe Abbildung 3). Im Durchschnitt wird von den auf Projektmanagement spezialisierten Marktteilnehmern mit dieser Tätigkeit auch durchschnittlich über 50 % des Jahresumsatzes erzielt [6, S. 46 f.]. Unter Berücksichtigung der Unternehmensgrößen lässt sich feststellen, dass kleinere Unternehmen in der Regel eine höhere Spezialisierung aufweisen, während größere Unternehmen ein breiteres Leistungsspektrum anbieten und zusätzlich zum Projektmanagement weitere fachliche Schwerpunkte setzen [6, S. 121 f.]. Eine Analyse der vorliegenden Abbildung 3: Anteil der Marktteilnehmer nach fachlichen Schwerpunkten im Leistungsportfolio (n-= 350) Wissen | Projektmanagement im deutschen Bauwesen 20 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0004 Kombinationen im Leistungsportfolio zeigt auf, dass spezialisierte Projektmanagement-Dienstleistungsunternehmen oftmals auch Baumanagementleistungen (Objekt-/ Fachplanungsleistungen nach Leistungsphasen 6-9 der HOAI), Projektentwicklungsleistungen und sonstige Beratungsleistungen anbieten [6, S. 120]. Folglich haben insbesondere große Generalplanungs- und Architekturunternehmen im Laufe der Zeit auch den Markt für bauherrnseitige Projektmanagement- Dienstleistungen für sich erschlossen. In Bezug auf den Leistungsumfang externer Projektmanagement-Dienstleistungen im Bauwesen lassen sich grundsätzlich drei verschiedene Einsatzformen unterscheiden [12, 8], die in Abbildung 4 dargestellt sind. Es lässt sich auf dem Markt beobachten, dass der volle Leistungsumfang des Projektmanagements vor allem von den kleineren und größeren Marktteilnehmern angeboten wird, während dies bei den Unternehmen mit mittlerer Größe weniger häufig der Fall ist. Demgegenüber wird das Projektcontrolling signifikant häufiger von den großen Unternehmen angeboten als von den mittleren und kleineren Unternehmen. Die Auswertung der Daten lässt den Schluss zu, dass die beratende und unterstützende Projektsteuerung am Markt generell am häufigsten beauftragt wird. In dieser Konstellation verbleibt die Projektleitung selbst jedoch beim Bauherrn [6, S. 49 f.]. 6 Markttypische Projektabwicklungsmöglichkeiten Im Folgenden sollen markttypische Projektabwicklungsmöglichkeiten mit Projektmanagement-Dienstleistungen unter Berücksichtigung von vier maßgeblichen Dimensionen erörtert werden. 6.1 Projekttyp Grundsätzlich lassen sich Bauprojekte in zwei Kategorien unterteilen: Neubauprojekte, bei denen ein Bauwerk „auf der grünen Wiese“ von Grund auf neu errichtet wird, und Bestandsbauprojekte, die eine Erweiterung, Sanierung oder Modernisierung eines bereits bestehenden Bauwerks darstellen. In Abhängigkeit des Projekttyps sind spezifische Rahmenbedingungen für das Projektmanagement zu berücksichtigen. Im Falle eines Bestandsbaus sind insbesondere Themen wie Bestandschutz, Denkmalschutz, verborgene Mängel in der bestehenden Bausubstanz, unvollständige Planstände des Bestandsbauwerks sowie ein etwaig laufender Betrieb von Relevanz. Eine Analyse des Marktes zeigt diesbezüglich auf, dass trotz unterschiedlicher Rahmenbedingungen die meisten Marktteilnehmer sowohl Projektmanagement-Dienstleistungen im Neubau (91 %) als auch im Bestandsbau (89 %) anbieten [6, S. 51-53]. Der Schwerpunkt der betreuten Projekte liegt jedoch deutlich im Bereich des Neubaus [6, S. 129-132]. Diese Diskrepanz lässt sich unter anderem damit erklären, dass generell auch eine höhere Anzahl an Neubauprojekten durchgeführt wird als an Bestandsbauprojekten [2]. 6.2 Nutzungsart Des Weiteren variiert das Bau-Projektmanagement in Abhängigkeit der geplanten Nutzungsart von Bauwerken in nicht unerheblichem Maße. Dies hat unter anderem dazu geführt, dass sich eine Vielzahl von Marktteilnehmern auf einzelne Nutzungsarten spezialisiert hat. Eine Betrachtung des Marktes zeigt, dass die meisten Unternehmen insbesondere im Bereich von Büro und Verwaltung (66 %), Wohnen und Hotels (55 %) sowie Handel und Gewerbe (40 %) tätig sind [6, S. 53-55] (siehe Abbildung 5). Im Hinblick auf die Unternehmensgröße ist hierbei erkennbar, dass sich kleinere Unternehmen meist auf einzelne Nutzungsarten spezialisieren, während die größeren Unternehmen (insbesondere ab 100 und mehr Mitarbeitern) nahezu alle Nutzungsarten im Projektmanagement abdecken können. Hinsichtlich der Nutzungsarten lässt sich eine verhältnismäßig hohe Spezialisierung im Bereich Verkehrswege, Wohnen und Hotels sowie Flughäfen beobachten [6, S. 133-140]. Abbildung 4: Stufenmodell für Projektmanagement-Dienstleistungen [6, S. 49] Wissen | Projektmanagement im deutschen Bauwesen 21 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0004 6.3 Projektgröße Die Größe eines Bauprojekts steht in direktem Zusammenhang mit der Art und Weise des Projektmanagements. Mit steigender Projektgröße nimmt in der Regel auch die Projektdauer zu, ebenso die Anzahl und das Interesse von Stakeholdern, der Umfang der Kommunikationsbeziehungen und die Zahl der zu beachtenden Rahmenbedingungen. In Summe führt dies zu einer Zunahme der Komplexität des Bauprojekts. Als ein gängiges Maß für die Projektgröße kann das monetär gemessene Projektvolumen herangezogen werden, welches meist nach den Kostengruppen 200-700 gemäß DIN 276 (5) definiert wird. In Abbildung 6 wird ersichtlich, dass sich Marktteilnehmer auch in Bezug auf die Projektgröße spezialisiert haben. Die Grafik zeigt auf, wie viele Marktteilnehmer prozentual wie viele ihrer Projekte in den jeweiligen Projektvolumina-Klassen mit Projektmanagement betreuen. Ein Viertel der Marktteilnehmer ist hiernach (zumindest im gewählten Bezugszeitraum von den letzten fünf Jahren) lediglich für Projekte mit Abbildung 5: Anteil der Marktteilnehmer nach Nutzungsart (n-= 350) einem Projektvolumen von unter 10 Mio. € im Einsatz. Hierbei handelt es sich jedoch überwiegend um kleine Unternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitern. Darüber hinaus lässt sich erkennen, dass mit steigender Projektgröße immer weniger Unternehmen das Projektmanagement übernehmen. Dies lässt sich einerseits an den damit einhergehenden steigenden Anforderungen im Projekt begründen, andererseits gibt es jedoch auch verhältnismäßig deutlich weniger Projekte in der Größenordnung von 100 Mio. € aufwärts. Folglich haben über drei Viertel der Marktteilnehmer keine Projekte in dieser Größenordnung mehr betreut. Die durchgeführte Erhebung hat jedoch ergeben, dass Unternehmen mit mindestens 50 Mitarbeitern eine ausgewogene Betreuung von Projekten aller Größenklassen aufweisen [6, S. 158-167]. 6.4 Vertragsgrundlage Eine Besonderheit im Bau-Projektmanagement besteht darin, dass die Abwicklung eines Bauprojekts in der Regel nach einem auf die Baubranche zugeschnittenen Leistungsbild er- Wissen | Projektmanagement im deutschen Bauwesen 22 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0004 folgt. Auf dem Markt hat sich ein allgemeines, methodenneutrales Leistungsbild etabliert: das AHO-Heft Nr. 9 „Projektmanagement in der Bau- und Immobilienwirtschaft- - Standards für Leistungen und Vergütung“ [12] (oft auch als „das grüne Heft“ bezeichnet). Das genannte Leistungsbild wird von 69 % der Marktteilnehmer als Vertragsgrundlage genutzt (siehe Abbildung 7). Neben dem AHO-Heft Nr. 9 haben sich inzwischen jedoch auch einige, auf die Bedürfnisse spezifischer Bauherren ausgerichtete Leistungsbilder etabliert, die den externen Dienstleistern seitens der Bauherren vorgegeben werden. Im Kern weisen sie jedoch oftmals eine starke Ähnlichkeit mit dem AHO-Heft Nr. 9 auf [6, S. 63-65]. In Abhängigkeit von der Unternehmensgröße wird das grüne Heft bei mindestens einem Drittel (bis zu 60 %) der Marktteilnehmer in über 50 % aller betreuten Projekte als Vertragsgrundlage eingesetzt [6, S. 171]. In Übereinstimmung mit der seit langem bestehenden These lässt sich somit bestätigen, Abbildung 6: Anteil an Marktteilnehmern nach Anteil der betreuten Projekte in den Projektvolumina-Klassen (n-= 350) Abbildung 7: Anteil der Marktteilnehmer nach Nutzung der gängigen Leistungsbeschreibungen als Vertragsgrundlage für Projektmanagement-Dienstleistungen (n-= 350) dass das AHO-Heft Nr. 9 inzwischen den Marktstandard für externe Projektmanagement-Dienstleistungen im Bauwesen darstellt. 7 Nutzen der Studienergebnisse Die Ergebnisse der durchgeführten Marktstudie tragen wesentlich zur Steigerung der Markttransparenz sowie zu einem vertieften Verständnis des Projektmanagements im deutschen Bauwesen bei. Die vorliegenden Erkenntnisse bieten Bauherren eine Orientierungshilfe bei der Auswahl von Unterstützungsleistungen für ihr Projektmanagement. Gleichzeitig bietet die Marktdarstellung den Marktteilnehmern die Möglichkeit, ihre Positionierung im Wettbewerb zu optimieren und ein klareres Dienstleistungsangebot für Bauherren bereitzustellen. Schließlich wurde auf diese Weise eine solide Basis Wissen | Projektmanagement im deutschen Bauwesen 23 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0004 für künftige Forschungsarbeiten im Bereich des (Bau-)Projektmanagements geschaffen. 8 Schlussbemerkung Die Marktstudie wurde durch den DVP (Deutscher Verband für Projektmanagement in der Bau- und Immobilienwirtschaft), das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und von 23 Marktteilnehmern finanziert. Alle Ergebnisse der Marktstudie sind im zugehörigen Marktbericht „Bauherrnseitige Projektmanagement-Dienstleistungen in Deutschland“ dargestellt. Die Publikation ist über den DVP (Deutscher Verband für Projektmanagement in der Bau- und Immobilienwirtschaft e. V.) digital und in Print erhältlich: www.dvpev.de/ shop/ Endnoten: (1) Im Jahr 2023 ist laut dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie [1, S. 6 f.] ein deutlicher Rückgang der genehmigten Bauvorhaben im Vergleich zu den Vorjahren zu verzeichnen. Als Ursachen hierfür werden unter anderem die gestiegenen Zinsen, die gestiegenen Baumaterial- und Baupreise, der Wegfall von Fördermöglichkeiten sowie die angespannte Wirtschaftssituation auf Seiten der Bauherren / Investoren genannt. Insgesamt wurden im Jahr 2023 lediglich 163.906 Baugenehmigungen erteilt. (2) Verpflichtend einzuholende behördliche Freigabe einer Planung zum Bau oder Umbau eines Bauwerks. (3) Der Begriff „Generalplaner“ (auch GP abgekürzt) bezeichnet ein Unternehmen, das die Verantwortung für (fast) alle Planungsleistungen eines Bauwerks übernimmt. Dies führt dazu, dass der Bauherr lediglich einen Vertragspartner und somit einen zentralen Ansprechpartner für die Planung im Projekt hat. Teilweise erbringt der Generalplaner jedoch nicht alle Planungsleistungen selbst. In diesem Fall werden die fehlenden Planungsleistungen durch den Generalplaner beauftragt, koordiniert und schließlich zusammengeführt. (4) Ein Generalunternehmer (auch als GU abgekürzt) stellt das entsprechende Gegenstück zum Generalplaner im Hinblick auf Bauausführungsleistungen dar. (5) Die DIN 276 „Kosten im Bauwesen“ [13] definiert u. a., welche Kosten wie zu berechnen und welcher Kostengruppe zuzuordnen sind. Literatur [1] Kraus, Petra; Weitz, Heinrich (2024): Bauwirtschaft im Zahlenbild 2023. Online-Jahresbericht vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e. V. [2] Statistisches Bundesamt (Destatis) (2024): Baugenehmigungen im Hochbau: Deutschland, Jahre, Bautätigkeit, Gebäudeart (Datenbank-Code: 31 111-0001). Genesis-Online, Datenbank des Statistischen Bundesamtes. Stand: 13. 09. 2024 [3] Nam, C. H.; Tatum, C. B. (1988): Major Characteristics of Constructed Products and Resulting Limitations of Construction Technology, S. 133-148, in: Construction Management and Economics, Vol. 6 [4] Shenhar, Aaron J.; Dvir, Dov (2004): How projects differ, and what to do about it, S. 1265-1286, in: Morris, Peter W. G.; Pinto, Jeffrey K. (Hrsg.): The Wiley Guide to Managing Projects, John Wiley & Sons, Hoboken / New Jersey (USA) [5] Eschenbruch, Klaus (2021): Projektmanagement und Projektsteuerung für die Immobilien- und Bauwirtschaft, 5. Auflage, Wolters Kluwer, Hürth [6] Haghsheno, Shervin; John, Paul Christian (2024): Marktbericht- - Bauherrnseitige Projektmanagement-Dienstleistungen in Deutschland, herausgegeben durch den DVP-- Deutscher Verband für Projektmanagement in der Bau- und Immobilienwirtschaft e. V. [7] Sundermeier, Matthias; Beidersandwisch, Philipp; Höcker, Thomas; Zeller, Arthur; Hensel, Jörg; Penn, Stefan (2021): Rollenentwicklung des Bauprojektmanagements- - Zukunftsperspektiven, herausgegeben durch den DVP-- Deutscher Verband für Projektmanagement in der Bau- und Immobilienwirtschaft e. V. [8] Schnell, Rainer; Hill, Paul; Esser, Elke (2018): Methoden der empirischen Sozialforschung, 11. Auflage, De Gruyter Oldenbourg, Berlin / Boston (USA) [9] Töpfer, Armin (2012): Erfolgreich Forschen- - Ein Leitfaden für Bachelor-, Master-Studierende und Doktoranden, 3. Auflage, Springer Gabler, Wiesbaden [10] Braunecker, Claus (2023): How to do empirische Sozialforschung- - Eine Gebrauchsanleitung, 2. Auflage, facultas, Wien (Österreich) [11] bulwiengesa AG (o. J.): Klassifikation der Standorte, abgerufen auf RIWIS (Regionales Immobilienwirtschaftliches Informationssystem-- Datenbank zum Immobilienmarkt), Zugang über www.riwis.de [12] AHO-Heft Nr. 9 (2020): Projektmanagement in der Bau- und Immobilienwirtschaft-- Standards für Leistungen und Vergütung, 5. Auflage, erarbeitet von der AHO-Fachkommission „Projektsteuerung / Projektmanagement“, Reguvis, Köln [13] DIN 276-1: 2018-12: Kosten im Bauwesen, herausgegeben durch die DIN Deutsches Institut für Normung e. V. Eingangsabbildung: © TungArt7 / pixabay Wissen | Projektmanagement im deutschen Bauwesen 24 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0004 (Paul) Christian John, M. Eng. • Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) • Forschungsschwerpunkte: Bau- Projektmanagement, Lean Construction und Faktor Mensch • Promotion zum Thema „Lean Project Management im Bauwesen“ • Dozent im Projektmanagement • Karlsruher Institut für Technologie (KIT) • Institut für Technologie und Management im Baubetrieb • Gotthard-Franz-Straße 3, 76 131 Karlsruhe • eMail: christian.john@kit.edu • orcid.org / 0009-0005-0648-9331 Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Kfm. Shervin Haghsheno • Professor am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) • Geschäftsführender Direktor am Institut für Technologie und Management im Baubetrieb • Forschungsschwerpunkte: u. a. Bau-Projektmanagement, kooperative Projektabwicklung, Digitalisierung • Karlsruher Institut für Technologie (KIT) • Institut für Technologie und Management im Baubetrieb • Gotthard-Franz-Straße 3, 76 131 Karlsruhe • eMail: shervin.haghsheno@kit.edu • orcid.org / 0000-0002-0602-6370 Buchtipp UVK Verlag - Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany \ Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ info@narr.de \ www.narr.de Mithilfe von Strategie, Taktik und Psychologie richtig verhandeln Die Everest-Methode®von Jörg Pfützenreuter und Thomas D. Veitengruber ist bei Konzernen und Mittelständlern gefragt. Seit Jahren coachen sie Ein- und Verkäufer: innen gleichermaßen und lassen die eine Seite in die Karten der anderen schauen. Denn am Ende entscheidet die strategische, taktische und psychologische Raf nesse, wer als Sieger: in vom Verhandlungstisch aufsteht. 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Beginnend mit einem Rückblick auf die sinkende Produktivität im Bausektor seit den 1990er Jahren wird auf britische Untersuchungen zur Effizienzsteigerung des Bauens durch bewusstes Beziehungsmanagement, faire Risikoverteilung und neue Vertragsmodelle eingegangen. Im Mittelpunkt steht das SIA-Merkblatt 2065 «Planen und Bauen in Projektallianzen» als dem ersten kodifizierten Vorgehensmodell in Mitteleuropa. Was ist daran neu und bedingt einen längeren Kulturwandel? Und wie spielen andere Trends wie die Integrierte Projektabwicklung und Lean Construction hinein? Schlagwörter | Bauprojektmanagement, Vergabewesen, Vertragsmodelle, Risikoverteilung, Partnering, Integrierte Projektabwicklung (IPA), Lean Construction Die Industrialisierung des Bauens und die Produktivitätsfalle In den Wiederaufbau- und Wirtschaftswunderjahren nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte das Bauwesen eine beispiellose Industrialisierung der Bauverfahren, von Fertigteilen und Raumschalungen im Industriebzw. Wohnungsbau, Kletter- und Gleitschalungen, über Freivorbau und Taktschiebeverfahren, bis hin zur Tunnelbohrmaschine und Feldfabriken für ganz zu versetzende Brückenfelder oder im Wasser abzusenkende Tunnelelemente. Bis etwa 1990 stiegen Kapitaleinsatz und Produktivität im Bausektor kontinuierlich, seither sanken sie gesamthaft von Jahr zu Jahr [1], vermutlich auch unter dem Einfluss des zunehmenden Anteils von Ausbaugewerken an der Bauleistung, da diese die tiefe Produktivität eines Dienstleistungsgewerbes aufweisen. Eine Verlustquelle ist dabei die hohe Mängelquote. Ein weiteres Erklärungsmodell ist der hohe Preisdruck, durch den Rationalisierungsgewinne umgehend an die Bauherren weitergegeben werden, während die Gewinnmarge der Bauunternehmen tief bleibt. Im Verein mit starken Konjunkturschwankungen sanken die Investitionsbereitschaft und die Attraktivität der Branche als Arbeitgeber. In vielen Ländern zeigt sich eine ähnliche Entwicklung. So erschien im Jahr 1991 in Großbritannien der Latham Report [2], der auf der Basis von vielen Umfragen ein desaströses Image der Baubranche aufzeigte, mit sehr tiefen Erwartungen der Bauherren an Qualität, Termintreue und Einhaltung des Kostenvoranschlags. Als Ursachen wurden u. a. die exzessive Weitergabe an Sub(sub)-Unternehmer und eine Disparität zwischen der hohen Intensität der Baustellenüberwachung und dem tiefen Ausbildungsniveau der damit beauftragten Personen genannt. Beleuchtet wurden auch die Vergabe nach dem tiefsten Preis und die Vielfalt der Vertragsmodelle mit erheblichem Streitpotenzial. Ein häufig zitiertes Negativbeispiel ist das 1991-1996 errichtete Scottish Parliament in Edinburgh (Eingangsabbildung), das einen Architekturpreis gewann, aber rund zehnmal so teuer wurde wie veranschlagt. Empfehlungen des Egan Reports 1998 In einem weiteren, deutlich kürzeren und besser lesbaren Report [3] wurden folgende konkrete Empfehlungen gegeben: • Wiederholung der Prozesse, mit Abkehr vom Glauben, jedes Bauobjekt sei einzigartig • Gesamtheitlicher Projektierungsprozess, mit bereinigten Schnittstellen zwischen den Beteiligten • Fokus auf dem Endprodukt, mit kontinuierlicher Weiterentwicklung der Wertschöpfungskette Wissen | Vom Generalplaner zur Projektallianz 26 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0005 • Partnerschaft innerhalb der Lieferkette, zur Vertrauensbildung und Nutzung der Innovation bei Zulieferern • Verbesserung des Produktionsprozesses, in industrieller Qualität mit effizienter Baulogistik (just in time) • Ständige Verbesserung, im Sinne von Lean Thinking zur Vermeidung von Verschwendung. Dabei wird auf die Pflicht der Projektierenden hingewiesen, die Bedürfnisse und Erwartungen des Bauherrn zu eruieren, die Werthaltigkeit der Projektziele zu hinterfragen (Einsparpotenzial), ihn über den Stand der Technik aufzuklären und aus früherer Zusammenarbeit zu lernen. Zur Optimierung der Zulieferkette wiederum gehört die Abstimmung der Ressourcen und Kapazitäten anstatt eines Schwarz-Peter-Spiels unter den Projektbeteiligten. Abbildung 1 zeigt die möglichen Lücken im Informationsfluss zwischen Projektbeteiligten aufgrund unvollständiger Bearbeitung resultierend aus • der Definition der Anforderungen, • der Umsetzung in die Planung, • der Spezifikation in der Ausschreibung, • der Ausführung auf der Baustelle. Die beiden ersten Aufgaben dienen der Vollständigkeit des Bauprojektes als Planungsprodukt, die beiden letzteren der richtigen Projektausführung, Abbildung 2. Einfacher gesagt: Aus wolkiger oder nicht baubarer Planung kann kein erwartungsgerechtes Bauwerk entstehen [5]. Zur Vermeidung von Verschwendung-- z. B. durch schlecht abgestimmte Planung und lange Genehmigungsfristen-- , Parallelisierung und Taktung von Abläufen sowie frühem Einbezug der ausführenden Firmen (Last-Planner-Methode) [6] liegt der Schwerpunkt auf vertrauensvollen Beziehungen in der Lieferkette [7]. Neben der Ausnutzung von Informationsvorsprüngen («adverse selection») können falsche Anreize dazu führen, dass Projektbeteiligte-- ARGE-Partner z. B.-- primär in die eigene Tasche wirtschaften, anstatt sich am Wohl des Projektes zu orientieren («moral hazard problem»). Dies wiederum führt auf Bauherrenseite zu zynischem Verhalten wie Tiefpreisvergaben und Erfüllungsgarantien («lemon probem»). Partnerschaftliche Modelle hingegen zielen auf Win-win-Situation für alle Projektbeteiligten, die zu einer transparenten Information über Unsicherheiten / Risiken und Identifikation mit den Projektzielen animieren. Internationale Ansätze zu Partnering und Allianzen Unter den Oberbegriffen «relational / relationship contracting» und «collaborative delivery models (CDM)» wurden seither in mehreren Ländern Empfehlungen veröffentlicht, die bzgl. ihrer Nomenklatur in [8] besprochen sind. Partnering kann dabei ad-hoc erfolgen oder wiederholte gemeinsame Geschäftstätigkeit beinhalten, z. B. als ständige ARGE. Insbesondere zwischen einem Generalübernehmer (Totalunternehmer in der Schweiz) und seinen Subunternehmern Abbildung 1: Analyse von Informationsverlusten im Bauprozess [4] Abbildung 2: Zusammenspiel von Produkt- und Prozessintegrität [4] Wissen | Vom Generalplaner zur Projektallianz 27 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0005 werden häufiger Zusammenarbeitsvereinbarungen inkl. Risikoverteilung geschlossen. In Japan beinhalten solche Vereinbarungen, die eher einen Code of Conduct darstellen, ein Bekenntnis zu TQM und Lean Manufacturing. Allianzen hingegen fußen auf einem Mehrparteienvertrag, wobei der Einschluss des Bauherrn tendenziell mit dem öffentlichen Beschaffungsrecht kollidiert, das oft nicht einmal ständige Präqualifikationslisten erlaubt, schon gar nicht die Bevorzugung einzelner Anbieter, also als Rahmenvereinbarung für wiederkehrende Projekte nur bei privaten Bauherren in Frage kommt. In der Notiz von einer Konferenz der European International Contractors (EIC, Berlin) mit der Confederation of International Contractors’ Associations (CICA, Paris) [9] ist die Abbildung 3 enthalten, die eine zweistufige Vorgehensweise beinhaltet. Der eigentliche Allianzvertrag wird dabei erst nach der Verhandlung mit mehreren Bietern und Einigung auf die Zielkosten geschlossen («best value for money»). Der Allianzvertrag selbst enthält dann die Vergütung des Angebots, ein initiales Projektbudget mit transparenter Abrechnung («open book»), die Zuteilung der Verantwortlichkeiten und Risiken sowie das Verfahren für eine schnelle Streitschlichtung. Schweizer Merkblatt zu Projektallianzen Unter Leitung von Heinz Ehrbar, ehem. Leiter Tunnelbau & Trassee der ATG als Bauherrin des Gotthardbasistunnels und seit 2013 Berater der DB Netz AG, erarbeitete eine Unterarbeitsgruppe der Werkvertragskommission SIA 118 das Merkblatt 2065 Planen und Bauen in Projektallianzen [10]. Dabei ging es in Zusammenarbeit mit dem Fribourger Institut für Schweizerisches und Internationales Baurecht (SBR) insbesondere um die Verträglichkeit mit dem Verhandlungsverfahren des öffentlichen Beschaffungsrechts. Bei dem Allianzvertrag handelt es sich um einen gesetzlich nicht geregelten sog. Innominatvertrag mit auftragsbzw. werkvertraglichen Regelungen mit besonderen Verpflichtungen zur Entscheidungsfindung, Berechnung der Vergütung und Tragung von Risiken. Dabei werden vier Phasen unterschieden: A Auswahl der Realisierungspartner B Disziplinübergreifende Vorstudien und Auflageprojekt mit verfahrenstechnischer Optimierung durch den ausführenden Unternehmer und Festlegung der Zielkosten C Gemeinsame Ausführungsprojektierung D Integrale Ausführung mit Entscheidungen «best for project» und gemeinsamem Tragen der Risiken. Besonderheiten des Detaillierungsgrads sind: • Angaben zur Festlegung der Zielkosten I aus den Werkkosten, den allgemeinen Geschäftskosten, der Risikovorsorge («contingency») und dem Gewinnzuschlag gemäß Angebot (Vergütungsstufen 1 und 2) • die Zielkosten II als separater Topf für die Mängelbehebung • eine Regelung zur Verteilung von Mehr-/ Minderkosten auf die Planungspartner und den Bauherrn als Erfolgs-/ Verlustbeteiligung (Vergütungsstufe 3) • das Anreizsystem (Bonus / Malus) mit Festlegung der Kriterien, Messprinzipien und Zielwerte (Vergütungsstufe 4) • Rechte auf Anpassung der Zielkosten I, falls Risiken aus der Bauherrnsphäre eintreten, Abnahme und Mängelrechte sowie Regeln zur Auflösung der Projektallianz • Mechanismen zur Konfliktprävention und -lösung • ein ausführlicher Anhang mit Eignungs- und Zuschlagskriterien für die Partnerauswahl in Phase A, einerseits zur Lösung der Aufgabenstellung auf Basis von Lebenszykluskosten, andererseits Konzepte zur Risiko-, Qualitäts-, Termin- und Kostensteuerung, zum Stakeholder-Management und zur Fachkoordination. Interessant ist dabei das zusätzliche Eignungskriterium der kollaborativen Kultur, das im Verhandlungsverfahren durch einen neutralen Dritten bewertet werden soll. Dazu gehören respektvoller Umgang, konstruktives Lösungsverhalten, Verantwortungsübernahme und Vorbildfunktion der Führungskräfte (vgl.a. [11]). Nicht angesprochen wird im Merkblatt das Lean Management. Bestehende Grundlagen in der Schweizer Baukultur Das Merkblatt 2065 konnte auf bereits eingespielten Zusammenarbeitsformen aufsetzen. Dazu gehört das Generalplanermodell (Projektierung des Bauwerks mit Betriebs- und Sicherheitsausrüstung), das TU-Konsortium aus Bauunternehmer und seinen Spezialisten in Planung und Ausführung, sowie der TU-Wettbewerb mit einem gemeinsam durch Planer und Unternehmer optimierten Vorprojekt. Die integrierte Projektabwicklung (IPA) mit frühem Beizug ausführender Unternehmen bzgl. Ausführbarkeit und Kostenvoranschlag ist also im Infrastrukturbau nichts Neues; der gegenwärtige Hype spielt sich eher im komplexen Hochbau ab (Krankenhäuser, Flughäfen u. ä.) [12]. Auch Bonus-/ Malusregeln, die im Gegensatz zu einseitigen Pönalen ausgewogen sein müssen, sowie Rechte des Auftragnehmers auf Fristerstreckung bzw. Vergütung bei nicht durch ihn zu vertretenden Erschwernissen gab es bereits. Neu sind das Vergütungsmodell mit «pain / gain sharing», die genaue Zuteilung von Risiken und die Reservetöpfe für Risiken und Mängelbehebung. Die Darlegung eines projektbezogenen Qualitätsmanagements bereits mit dem Angebot (PQM-Konzept) fußt auf dem Merkblatt SIA 2007: 2001, das von einer gemeinsamen Q- Abbildung 3: Zweistufiger Prozess mit Bieterverfahren vor dem Abschluss des Allianzvertrags [9] Wissen | Vom Generalplaner zur Projektallianz 28 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0005 Plattform aus Bauherren, Planern und Unternehmern erarbeitet und sogar ins Englische übersetzt wurde [13]. In der Praxis bleiben die vorgeschlagenen Maßnahmen zu QM und RM leider oft Makulatur, wenn der Bauherr sie nicht aktiv einfordert [4]. Im Allianzmodell bestehen deutlich bessere Aussichten für eine reflektierende kulturelle Metaebene im Projekt, wie sie das PQM vorsieht (Projektaudits, Wirksamkeitsbeurteilung von Maßnahmen und periodische Neubeurteilung von Risiken). Erfahrungen aus Deutschland und Österreich In Deutschland bestehen verschiedene Projekte, in denen in der einen oder anderen Form eine Projektallianz ausprobiert wird (Abbildung 4). Ein solches Konzept ist die Partnerschaft Schiene der DB [14]. Am Beispiel des Pfaffensteigtunnels der Gäubahn bei Sindelfingen wird erläutert, dass zum Schutz kleinerer Partner Minderleistungen im Tunnelvortrieb von dem für den Ausbruch verantwortlichen Unternehmer allein zu tragen sind, «sofern er sie verursacht» [15]. Das ist freilich ein heikler Punkt, weil sie den Baugrund als Risikosphäre des Bauherrn betrifft und der Unternehmer nicht wie im Spezialtiefbau die Möglichkeit hat, in einem Probefeld sein Bauverfahren und den Verschleiss zu validieren. Deshalb schiene es sinnvoll, die Zielkosten z. B. erst nach dem Bohren eines Sondier- oder Lüftungsstollens festzulegen. Falls der Zahlungsplan sich nach der Vortriebsleistung richtet, müssten im Partnerschaftsmodell die unbestrittenen Vergütungen trotzdem erfolgen, vgl. das Debakel beim Schweizer Adlertunnel, wo das Auftragnehmerkonsortium mit TBM-Unternehmervariante durch Schlichtung vor dem Konkurs bewahrt werden musste [16]. Die Österreichische Bautechnikvereinigung ÖBV veröffentlichte 2021 ebenfalls ein Merkblatt zu alternativen Vergabe- und Vertragsmodellen, das beim Zulauf zum Brenner-Basistunnel verwendet wurde, inklusive Umgang mit Änderungen, Behinderungen und Optimierungen [17], z. B. dem gemeinsam getragenen archäologischen Risiko. Ein Integrales Risikomanagement ist in [18] besprochen. Ein weiteres Problem kann sich ergeben, wenn in der Planungsphase (Stufe 1) nicht die Zielkosten erreicht werden, die sich der Bauherr vorstellt [19]. Dieses Problem besteht prinzipiell zwar auch bei anderen Verfahren (wie der 2-Couvert-Methode), wenn das Preisschild erst nach der Partnerwahl offenbar wird, doch sind in Stufe 1 dann bereits hohe Transaktionskosten aufgelaufen. Bricht der Bauherr dann das Verfahren ab und schreibt neu aus, stellt sich u. a. die Frage nach Wahrung des geistigen Eigentums. Weiterhin kann es schwierig werden, im Mehrparteienvertrag über Methoden und Prozesse zu entscheiden, die von den Eigeninteressen der Parteien geprägt sind. Deshalb sollten nicht nur die Anbieter ihr PQM-Konzept einreichen müssen, sondern auch der Bauherr seinen Entwurf eines Projekthandbuchs inkl. Risikoanalyse schon der Ausschreibung beilegen. In der SIA 2065 [10] gibt es einen Absatz zu den Ausnahmen, in denen der Bauherr allein entscheidet, z. B. Änderungen in den Qualitätsanforderungen. Deshalb empfiehlt die SIA 2065 den Beizug eines unabhängigen «Allianz-Coaches» und die Führung einer Liste möglicher Konfliktpotenziale zwischen den Parteien, die der Coach proaktiv moderieren soll. Abbildung 4: Pilotprojekte für IPA und Projektallianzen in Deutschland und Österreich [19] Fazit Es ist kein Zufall, dass in diesem Beitrag vor allem der Untertagbau zur Sprache kommt. Er ist wohl diejenige Bausparte mit den größten Unsicherheiten im Projekt und Lebensgefahr für alle Beteiligten - wo sonst gibt es einen gemeinsamen Gottesdienst zu Baubeginn (Barbarafeier)? Entsprechend war die International Tunneling Association (iTA) schon immer Vorreiterin der fairen Risikoverteilung [20]. Literatur [1] Meier, Carsten-Patrick (2023): Kapitalintensität und Arbeitsproduktivität im Baugewerbe. Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, Bonn. BBSR Online-Publikation 45, https: / / www.bbsr.bund.de [2] Latham, Michael (1991): Constructing the Team. Final report of the government / industry review of procurement and contractual arrangements in the UK construction industry, HMSO. https: / / constructingexcellence.org.uk [3] Egan, John (1998): Rethinking Construction. The report of the Construction Task Force on the scope for improving the quality and efficiency of UK construction, HSMO. https: / / constructingexcellence.org.uk [4] Hohberg, Jörg-Martin (2008): Qualität im Bauprozess - eine Frage der Ausschreibung? Bauen mit Qualität - Herausforderungen für Bauherren, Planer und Unternehmer; Bau und Wissen, TFB Wildegg. Wissen | Vom Generalplaner zur Projektallianz 29 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0005 [5] Winch, Graham M. (2002): Managing Construction Projects- - an information processing approach. Blackwell Science Publ., Oxford [6] Tommelein, Iris u. a. (2007): The last planner production system workbook- - improving reliability in planning and work flow. Ed. 2.0, Project Production Systems Lab. UC Berkeley. https: / / www.researchgate.net vgl. https: / / leanconstruction.org [7] Pryke, Stephen; Smyth, Hedley, Edts. (2008): The Management of Complex Projects-- a relationship approach. Blackwell Science Publ., Oxford [8] McDonald, Charles C.: What are the important differences between partnering and alliance procurement models and why are the terms so seldom confused? http: / / alliancecontractingelectroniclawjournal.com [9] CICA-EIC Conference on Collaborative Approaches in Construction-- concept note. Paris, 26. 11. 2024. https: / / cms.eic-federation.eu [10] SIA 2065: 2024: Planen und Bauen in Projektallianzen. SNR 592 065: 2024, SIA Zürich. http: / / shop.sia.ch [11] Ehrbar, Heiz: Das SIA-Merkblatt 2065- - ein neues Werkzeug zur Projektrealisierung. Einführungsvortrag 16. 1. 2024. https: / / www.swissbau.ch [12] Fischer, Martin; Ashcraft, Howard; Reed, Dean; Khanzode, Atul (2017): Integrated Project Delivery. Wiley. [13] SIA 2007: 2001: Quality in the Construction Industry- - establishment and application of management systems (wird durch eine neue SIA-Ordnung 130 abgelöst). [14] DB Netz AG; Hauptverband der Dt. Bauindustrie; VBI; TU Berlin (2022): Abschlussdokument zum Arbeitskreis Partnerschaftsmodelle. https: / / www.vbi.de [15] Berghorn, Robert (2024): Anwendung des Partnerschaftsmodells Schiene beim Pfaffensteigtunnel (ABS Gäubahn Nord). 8. Münchner Tunnelbausymposium, Neubiberg. https: / / www.bahnprojekt-stuttgart-ulm.de [16] Knechtli, Peter (1997): Den SBB droht ein Tunneldesaster. https: / / archiv.onlinereports.ch [17] Hofmann, Michael; Heil, Frédéric; Arnold, Roland (2024): Rohbaustollen Angath- - erste Erfahrungen mit dem Allianzvertrag der ÖBB Infrastruktur. Geomechanics and Tunnelling, Vol. 17. No. 6, 651-659. [18] Sander, Philip; Becker, Simon Christian (2024): Gemeinsames Risikomanagement bei Großprojekten mit der Integrierten Projektabwicklung (IPA). Bauwirtschaft H. 2, 45-63. [19] Spiegl, Markus; Sander, Philip; Becker, Simon Christian (2024): Vergleich und erste Bilanz Integrierter Projektabwicklungsmodelle (IPA) in Deutschland und Allianzmodelle in Österreich. Geomechanics and Tunnelling, Vol. 17. No. 6, 667-675. [20] Salem, M. E. Abdel,/ WG 3 (1995): Contractual sharing of risks in unterground construction - iTA views. https: / / about.ita-aites.org Eingangsabbildung: https: / / commons.wikimedia.org / w/ index.php? curid=427 009 Dr. J.-Martin Hohberg Martin Hohberg studierte Konstruktiven Ingenieurbau in Berlin und London, arbeitete zwei Jahre bei der Dyckerhoff & Widmann AG in München und promovierte an der ETH Zürich zu Bogenstaumauern. Seither ist er als Geotechnikspezialist in Bern bei der IUB Engineering AG tätig. Fast 30 Jahre lang auditierte er ISO 9001 im Bausektor. Er engagiert sich bei SIA, EFCA, FIDIC und Engineers Europe, war Mitglied in der PMI Risk SIG und baut derzeit in der SPM eine Fachgruppe „Infrastruktur- & Anlagenbau“ auf. martin.hohberg@spm.ch 30 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0006 Designprinzipien für nachhaltige Projektorganisation Michael Frahm Für eilige Leser | Der Artikel verbindet Konzepte aus dem Projektmanagement mit Ansätzen aus der Nachhaltigkeit und dem System Thinking für eine wirksamere Analyse und Gestaltung von Projektorganisationen und ein besseres Verständnis von Komplexität. Hierzu werden 14 Designprinzipien anhand von Beispielen vorgestellt, welche anschließend direkt angewendet werden können und somit den Werkzeugkasten des Projektmanagers um eine wertvolle Methodik erweitern. Schlagwörter | System Thinking, Komplexität, Designprinzipien, Nachhaltigkeit 1. Einleitung Projekte werden nicht zuletzt aufgrund von technologischen Neuerungen oder zunehmenden Regelungen immer komplexer. Mit den klassischen streng hierarchischen Organisations- und Abwicklungsmodellen kann diese Komplexität nur unzureichend bewältigt werden und das Risiko von Termin- und Kostenüberschreitungen steigt. Konventionelle Projektorganisationen beruhen zumeist auf einem linear-mechanistischen Verständnis und berücksichtigen die in komplexen Systemen auftretende Dynamik und Varietät aufgrund von unvorhergesehenen Störgrößen nur bedingt [1]. Aus diesem Grund werden in verschiedenen Branchen verschiedene Ansätze der Komplexitätsbewältigung wie zum Beispiel klassisches Management, Projektmanagement, Lean Management oder Agiles Management angewendet [2]. Nachstehend werden basierend auf dem System Thinking nachhaltige Designprinzipien wiedergegeben, welche universell für Organisationen angewendet werden können. System Thinking integriert methodische Vielfalt zur Problemlösung und betont Vernetzung, Selbstorganisation, Emergenz und Nachhaltigkeit. Es betrachtet die Dynamik und Ganzheitlichkeit komplexer Systeme zur umfassenden Analyse und effektiven Lösung von Problemen. Die hier vorgestellten Designprinzipien sind dabei nicht an ein Organisationsmodell oder eine Branche gebunden und können der Empirie aus Beobachtung und demnach der Heuristik zugeordnet werden. Diese Prinzipien fördern die Nachhaltigkeit, denn ein wirksamer Umgang mit Komplexität zeichnet sich durch ein ganzheitliches und langfristig ausgerichtetes Denken und Handeln aus. Nachhaltigkeit wird in diesem Zusammenhang insbesondere als ein Netz aus Verbindungen verstanden, welches Systeme und Umwelten miteinander verbindet. Durch die Anwendung von Designprinzipien wird ein anderes Systemverständnis im Umgang mit Komplexität gefördert, wobei grundsätzlich ein Gleichgewichtszustand zwischen System und Umwelt angestrebt wird, in welchem Ressourcen optimal, d. h. mit hoher Effizienz und verschwendungsarm genutzt werden. Dies wiederum führt zu einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Der Kontext lässt sich nachfolgenden Sustainable Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen zuordnen: • SDG 8: Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum: Durch effektives Management komplexer Prozesse und Systeme können Organisationen effizienter arbeiten, Innovationen fördern und dadurch nachhaltiges Wirtschaftswachstum und menschenwürdige Arbeitsbedingungen schaffen. • SDG 9: Industrie, Innovation und Infrastruktur: Organisationen können durch das wirksame Management von Komplexität innovative Lösungen entwickeln und implementieren, die zur nachhaltigen Industrialisierung und widerstandsfähigen / ultrastabilen Infrastrukturen beitragen. • SDG 12: Verantwortungsvoller Konsum und Produktion: Unternehmen können ihre Produktionsprozesse optimieren, Abfall reduzieren und Ressourcen effizienter nutzen, Wissen | Designprinzipien für nachhaltige Projektorganisation 31 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0006 indem sie komplexe Lieferketten und Produktionsnetzwerke effektiv verwalten. • SDG 17: Partnerschaften zur Erreichung der Ziele: Durch die Handhabung von Komplexität in interorganisationalen Partnerschaften können Unternehmen und andere Akteure wirksamer zusammenarbeiten, um gemeinsame Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Ziel dieses Artikels ist ein erweitertes Verständnis von Analyse und Gestaltung von Projektorganisationen. 2. Verständnis von Komplexität Die Sichtweise auf die Komplexität ist im System Thinking geprägt von „Ashbys Law of Requisite Variety“, welches besagt: „Only variety can absorb variety“ [3]. Ashbys Law gibt dabei das Gleichgewichtstheorem zwischen System und Umwelt wieder, welches sich im dynamischen Gleichgewicht befinden soll. Varietät fließt zwischen System und Umwelt und im System im Sinne einer mathematischen Gleichung der Informationsverarbeitung. Die Varietät ist dabei Ausdruck der Handlungsvielfalt, welche ein System benötigt, um in seiner Umwelt zu funktionieren [4]. Ist ausreichend Varietät vorhanden, ist ein System in seiner Umwelt stabil, überwiegt die Systemvarietät, liegt Ultrastabilität vor, ist dies nicht der Fall, führt dies zur Instabilität [2]. Als Beispiel kann eine Schachpartie herangezogen werden. Zu Beginn des Spiels ist die Varietät beider Spieler gleich, erhält ein Spieler im Verlauf eine zweite Dame, so hat er gegenüber dem anderen Spieler eine höhere Varietät. Um den Varietätsfluss in Organisationen wirksam zu gestalten, sind Designprinzipien potenziell nützlich, wobei Ashbys Law selbst ein Designprinzip ist. 3. Handlungsfelder in Projektorganisationen Nachstehend werden wichtige Handlungsfelder zur Gestaltung von Projektorganisationen beschrieben [5]. Die Handlungsfelder sind über das ADA Heuristic Model den Management Systemen operatives Management, strategisches Management und normatives Management zugeordnet [6]. Diese Handlungsfelder können über den Lebenszyklus anhand des ADA Heuristic Models fortgeschrieben werden. Im darauffolgenden Abschnitt werden unter den Handlungsfeldern die Designprinzipien subsumiert. Abbildung 1: Ashbys Law Abbildung 2: ADA Heuristic Model Wissen | Designprinzipien für nachhaltige Projektorganisation 32 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0006 3.1 Entscheidungsfindung Hier sind Entscheidungen in Projektorganisationen verankert und wie schnell diese getroffen werden können. Im Weiteren ist hier der Bereich negativer Effekte durch kognitive Verzerrungen aus menschlichem Verhalten wie z. B. Optimism Bias, Hirschmanns Hiding Hand, Escalating Commitment, Strategic Misrepresentation verortet. 3.2 Strategische Ausrichtung In diesem Handlungsfeld findet die oberste normative und strategische Ausrichtung statt, wo Themen wie Sicherheit, Transparenz, Kooperation und Gleichrichtung der Interessen platziert sind. Die richtige Weichenstellung eines Projektes von Beginn an und ein durchgängiger adaptiver Kurs sind erfolgsentscheidend. 3.3 Organisatorische Verwaltung Die organisatorischen Rahmenbedingungen spielen eine sehr wichtige Rolle, wenn es um den Erfolg von Projekten geht. Daher finden sich in diesem Handlungsfeld Themen der organisatorischen Verwaltung, welche Aufbau, Prozess und Steuerungsorganisation im Kontext Lebenszyklus umfassen. 3.4 Risiko und Unsicherheit In diesem Handlungsfeld sind Themen wie faire Risiko-Verteilung, Risikominimierung durch Einsatz erprobter Technologie, aber auch das Phänomen des „Black Swans“ platziert. Im Kontext des Projektverlaufes ist zu berücksichtigen, dass insbesondere in frühen Projektphasen mit Risiken besser umgegangen und darauf Einfluss genommen werden kann. 3.5 Stakeholder-Management In diesem Handlungsfeld ist das sehr wichtige Stakeholder- Management festgehalten. Erfahrungsgemäß spielt dies insbesondere vor Produktion oder einer baulichen Umsetzung eine entscheidende Rolle, insbesondere um abstrakte komplizierte Sachverhalte zu transportieren. Ist man mit einem Projekt in Produktion, kann man oft mit der Umsetzung begeistern. 3.6 Planung Hier ist das Handlungsfeld der Planung und Vorbereitung angesiedelt. Insbesondere bei Großprojekten dauert diese sehr lange. Erfolgsevident ist hier die sehr hohe Planungstiefe in frühen Planungsphasen, aber auch das wirksame Management von Änderungen und Schnittstellen. Die Planung hat ihren Schwerpunkt vor der Produktion bzw. Umsetzung, spielt aber über den gesamten Projektverlauf eine erfolgsentscheidende Rolle. 3.7 Produktion Ist die Projektvorbereitung im Sinne der vorgenannten Handlungsfelder erfolgreich verlaufen, dann ist diese Phase die stabilste in Projektorganisationen, wenn es um die Bewältigung der Komplexität geht. Wenn nicht, dann kann diese Phase im Lebenszyklus einer Organisation sehr chaotisch und instabil sein. 4. Designprinzipien Nachstehend sind vierzehn ausgewählte Designprinzipen den oben beschriebenen Handlungsfeldern zugeordnet. 4.1 Designprinzipien zur Entscheidungsfindung Das Prinzip der verstärkenden Rückkopplung: Bei der Entscheidungsfindung können Verhaltensmuster wie das Escalating Commitment zu sich selbst verstärkenden Rückkopplungen führen. In einer positiven Rückkopplungsschleife führt daher „mehr zu mehr“ und dies kann einen Eskalationszyklus oder exponentielle Ergebnisse in Gang setzen. Der Begriff „positiv“ impliziert nicht, dass der Kreislauf gut ist, „positiv“ bezieht sich auf die Wirkung der Beziehung in Bezug darauf, dass sich eine Variable erhöht / verstärkt. Positive Rückkopplungen können zu Wachstum oder entgegengerichtet zur Instabilität führen, man sollte sie daher nicht sich selbst überlassen. Im konkreten Fall des Escalating Commitments kann mit Debiasing entgegengewirkt werden. Dabei handelt es sich um Maßnahmen zur Reduktion negativer Effekte durch kognitive Verzerrungen aus menschlichem Verhalten (z. B. unabhängige Experten, Vergleichsprojekte oder Reference Class Forecasting). Der Gegenmechanismus entspricht dann dem Prinzip der ausgleichenden Rückkopplung [7]. Das Prinzip der Redundanz des potientiellen Befehls: Dieses Prinzip ist inspiriert von neuronalen Netzwerken auf Warren McCulloch zurückzuführen. Es besagt: „power resides where information resides“. Das bedeutet, Macht und Verantwortung, Entscheidungen zu treffen, sollte nicht rein hierarchisch in der Organisation platziert sein, sondern dort, wo situativ die „meiste“ und „beste“ Information vorhanden ist, die Entscheidung zu treffen. Als ein Beispiel hierfür kann das Passagierfliegen herangezogen werden, nicht der Flughafenchef steuert das Flugzeug, sondern letztlich der Pilot im Cockpit [8]. 4.2 Designprinzipien zur Strategischen Ausrichtung Das Prinzip der Agilität: Das Prinzip der Agilität beschreibt die Frage, wie schnell sich eine Projektorganisation verändern kann, um mit der Veränderung seiner Umwelt Schritt zu halten. Das Maß, die Geschwindigkeit und die Ressourcen, sich anzupassen, ist dabei Ausdruck der Agilität. Veränderungsraten von Projektorganisationen und deren Umwelten unterscheiden sich. Es ist unwahrscheinlich, dass diese sich gleichzeitig in einer gleichen Geschwindigkeit verändern. Selbst die Veränderungsraten einzelner Abteilungen sind unterschiedlich. Projektorganisationen und deren Umwelten sollten aber zusammenpassen. Insofern ist auf die Änderungsrate der Projektorganisation und der Abteilungen im Verhältnis zur Änderungsrate deren Umwelt zu achten und entsprechend zu handeln [9]. Adams 3. Gesetz: Dieses Gesetz besagt, dass ein System, das aus einer Reihe von Komponenten besteht, die so ausgewählt werden, dass sie jeweils die am wenigsten riskante Option darstellen, einem höheren Gesamtrisiko ausgesetzt ist. Beispiel: Honigbienen führen einen Schwänzeltanz auf, um den anderen Bienen im Bienenstock die genaue Richtung mitzuteilen, in der sie eine gute Pollenquelle finden können, sodass das Befolgen Wissen | Designprinzipien für nachhaltige Projektorganisation 33 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0006 der Anweisungen natürlich die Option mit dem geringsten Risiko für jede einzelne Biene darstellt. Jeder einzelne „Zufallsflug“ birgt ein höheres Risiko, aber wenn alle Bienen dieselbe Quelle aufsuchen würden, wäre das Bienenvolk als Ganzes einem hohen Risiko ausgesetzt, da es an Alternativen fehlt, sobald die Quelle erschöpft ist. Flüge mit höherem Risiko für die einzelne Biene verringern das Risiko für den Bienenstock, und umgekehrt erhöht eine Minimierung des Risikos für jeden einzelnen Flug das Gesamtrisiko [9]. 4.3 Designprinzipien zur organisatorischen Verwaltung Das Prinzip der Lebensfähigkeit: Stafford Beer's Prinzip der Lebensfähigkeit besagt, dass „the viability of a system is a function of the balance maintained along two dimensions: 1) the autonomy of sub-systems versus integration of the system as a whole and 2) stability versus adaptation“ [9]. Das Spannungsfeld dieser beiden Dimensionen aus Autonomie der Einzelteile einer Projektorganisation hin zur Ausrichtung als Ganzes und der Stabilität eines Systems versus der Anpassungsfähigkeit auf Anforderungen aus der Umwelt gilt es zu beachten. Lebensfähigkeit ist hierbei nicht im biologischen Sinne eines Metabolismus zu verstehen, sondern im organisatorischen Sinne, dass eine Projektorganisation alle Funktionen hat, um in einer sich verändernden Umwelt existieren zu können. Ein Management-Modell, welches dieses Spannungsverhältnis durch eine intelligente Steuerungsorganisation hinreichend abbildet, ist das Viable System Model [8]. Das ordnungs-osmose-Prinzip: Das Ordnungs-Osmose-Prinzip gibt die organisatorische Diffusion von Systemelementen von weniger geordneten Zuständen hin zu geordneten wieder. Das bedeutet, dass Elemente eines Systems über poröse Grenzen von weniger organisierten Systemen zu stärker organisierten Systemen wandern [9]. Beispiel hierfür ist eine Abteilung mit schlechtem Führungsstil des Vorgesetzten (z. B. Mikrocontrolling, cholerisch, unfair, Intransparenz etc.), diese verliert kompetente und selbständige Mitarbeiter an Konkurrenten mit besseren Randbedingungen. Es gilt: Systeme und Menschen tendieren zur Ordnung [10]. 4.4 Designprinzipien zu Risiko und Unsicherheit Prinzip der Dunkelheit: Das Prinzip der Dunkelheit besagt, dass kein System vollständig erfasst werden kann. Systeme sind dynamisch und verändern sich, während man sie beobachtet. Dies muss akzeptiert werden- - mit der verbleibenden Unsicherheit muss umgegangen werden [9]. Ein Beispiel hierfür sind die schwarzen Schwäne, diese befinden sich gehäuft im Fat Tail von Projekten und treten insbesondere bei längeren Projektlaufzeiten in Erscheinung und können Projektorganisationen im Bereich von Risiken sehr hart treffen [7]. Daher empfiehlt es sich, in Projektorganisationen entsprechende Prozesse und Institutionen zu etablieren, welche sich mit diesem Aspekt des Risikos und der Unsicherheit beschäftigen. Black-Box-Prinzip: Gemäß dem Black-Box-Prinzip ist es nicht notwendig, das Innenleben der Black-Box zu verstehen, um zu verstehen, wie diese funktioniert. Entscheidend ist das Verhalten und nicht primär das Innenleben des Systems (z. B. Abteilung, Umwelt, Stakeholder etc.). Komplexität wird bewusst ausgeblendet- - der Fokus liegt auf der Input-Output-Beziehung bzw. auf dem Verhalten. Ein Beispiel hierfür ist: Man muss nicht im Detail verstehen, wie ein Auto (Motor, Getriebe etc.) technisch funktioniert, damit es fährt, aber man muss wissen, wie es reagiert, wenn man es lenkt [10]. 4.5 Designprinzipien zum Stakeholdermanagement Das Prinzip der strukturellen Kopplung: Das Prinzip der strukturellen Kopplung ist von seiner Grundidee auf Humberto Maturana und Francisco Varela zurückzuführen. Das Prinzip beschreibt den Evolutionsprozess der strukturellen Dynamik der Beziehung zwischen einem System und seiner Umwelt. Das System verändert seine Umwelt und die Umwelt verändert das System. Wenn sich System und Umwelt in dieselbe Richtung entwickeln, sind diese strukturell gekoppelt. Es sind hierbei die Veränderungsraten von System und Umwelt, also zum Beispiel Projektorganisation und Sta- Abbildung 3: Bienenstock-- Rückkehr und Erkundung, Unsplash, Eric Ward 2017 Wissen | Designprinzipien für nachhaltige Projektorganisation 34 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0006 keholder, zu betrachten. Divergieren die Veränderungsraten auseinander, verliert sich die Kopplung. Ein Beispiel hierzu ist die Öffentlichkeitsarbeit von Projekten, gelingt diese gut, kann sich das Projekt besser mit seiner Umwelt koppeln [7]. Das System-Resonanz-Prinzip: Bei diesem Prinzip geht es um das Ausmaß, in dem zwei oder mehr Systeme (zum Beispiel Abteilungen miteinander oder mit ihrer Umwelt oder Organisationen) miteinander kommunizieren und in Beziehung treten. Dies hängt davon ab, ob sie Ähnlichkeiten aufweisen, entweder strukturell oder in Bezug auf ihre Dynamik. Jeder kennt das auf einer persönlichen Ebene, wenn von „Gemeinsamkeiten“ oder „Wellenlänge“ gesprochen wird. Dies führt zu zwei Erkenntnissen: 1.) Die Qualität und Effektivität der Kommunikation hängen vom System-Resonanz-Prinzip, also von der Resonanz miteinander ab. 2.). Wo die Resonanz stark ist, ist ein potenziell gutes Milieu für Selbstorganisation [9]. 4.6 Designprinzipien zur Planung Das Wurzel-Strukturierungs-Prinzip: Das Wurzel-Strukturierungs-Prinzip besagt, dass der optimale Strukturierungsgrad eines Systems zur Verringerung seiner Instabilitätstendenz bei sonst gleichen Faktoren die Quadratwurzel aus der Anzahl der Elemente ist. Als Beispiel können 100 Mitarbeiter herangezogen werden: Bildet man die Quadratwurzel aus 100- = 10, würde das zu einer Bildung von 10 Teams führen. Das Prinzip ist ein einfacher Gegenentwurf zu exponentiellem Wachstum und kann entsprechend skaliert genutzt werden [9]. Das Prinzip des instabilen Netzwerkes: Das Prinzip des instabilen Netzwerkes beschreibt die Pathologie, dass Systeme mit zu vielen aktiven, voneinander abhängigen Teilen dazu neigen, instabil zu sein [9]. Als Beispiel hierfür kann ein Prüfprozess einer technischen Planung bei Projekten mit z. B. 20 Testinstanzen herangezogen werden. Hierbei entstehen lange Rückkopplungswege, verzögerte Reaktionen und zu viele Entscheidungsebenen, was zu einem trägen Systemverhalten und zu Instabilität führt. Kurze Rückkopplungswege mit 4-6 Instanzen sind empfehlenswert [11]. 4.7 Designprinzipien zur Produktion Das Relaxationszeitprinzip: Systemstabilität ist nur möglich, wenn die Relaxationszeit des Systems kürzer ist als die mittlere Zeit zwischen den Störungen [9]. Beispiel 1: Ein Mitarbeiter, ein Team, eine Abteilung oder eine Organisation ist so organisiert, dass eine Aufgabe nicht „der Reihe nach“ erledigt werden kann. Entsprechend müssen die Produktionsplanung verbessert und Engpässe vermieden werden. Beispiel 2: Bei wiederkehrenden organisatorischen Veränderungen wird die stabile Leistung gestört-- werden zu oft Veränderungen vorgenommen, wird die Stabilität nie erreicht [10]. Das Prinzip der Selbstorganisation: Selbstorganisation wird häufig mit Selbstverwaltung verwechselt. Selbstorganisation entsteht durch interne und externe Dynamik und Anpassung, während Selbstverwaltung formale Strukturen und festgelegte Verantwortlichkeiten innerhalb eines definierten Rahmens nutzt. Selbstorganisation passiert ständig „im positiven Sinne“ für Projektorganisationen, wenn gute Randbedingungen und eine passende Resonanz dafür vorhanden sind. Selbstorganisation lässt sich wie folgt differenzieren: 1.) Es entstehen neue übergeordnete Strukturen aus Systemen aus zuvor disparaten Teilen. 2.) Innerhalb eines bestehenden Systems zerfallen Teilsysteme und fügen sich (oder nicht) anderweitig wieder zusammen und bilden neue Teilsysteme. Selbstorganisation erfordert Führung, die Flexibilität, Kreativität und neue Strukturen fördert [9]. 5. Zusammenfassung Effektives Komplexitätsmanagement fördert Innovation, nachhaltiges Wachstum, effiziente Produktion und starke Partnerschaften, was zu menschenwürdiger Arbeit (SDG 8), nachhaltiger Industrialisierung (SDG 9), verantwortungsvollem Konsum (SDG 12) und globaler Zusammenarbeit (SDG 17) führt. Alle vorgestellten Designprinzipien fördern diese Nachhaltigkeitsziele und sind daher potenziell wirksam. Die vierzehn Designprinzipien sind nachstehend zusammengefasst mit Definition und Handlungsanweisung auf Basis des ADA Heuristics Models wiedergegeben und können so direkt angewendet werden. 1. Das Prinzip der verstärkenden Rückkopplung: Definition: verstärkende Rückkopplungen Handlung: ausgleichende Rückkoppelung 2. Das Prinzip der Redundanz des potentiellen Befehls: Definition: Die Macht liegt dort, wo die Information liegt Handlung: Entscheidungskompetenz mit Informationsqualität koppeln Abbildung 4: Wurzel-Strukturierungs-Prinzip [9] Wissen | Designprinzipien für nachhaltige Projektorganisation 35 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0006 3. Das Prinzip der Lebensfähigkeit: Definition: 2 Dimensionen, 1.) Autonomie vs Kohäsion 2.) Stabilität vs Anpassung Handlung: Projektorganisation hat alle Funktionen, um in einer sich verändernden Umwelt existieren zu können. Empfehlung: Viable System Model 4. Das ordnungs-osmose-Prinzip: Definition: Systeme und Menschen tendieren zur Ordnung Handlung: Ordnung, Struktur, gute Rahmenbedingungen, Transparenz 5. Das Prinzip der Agiltiät: Definition: Veränderungsrate Projektorganisation zu Veränderungsrate Umwelt Handlung: Das Maß, die Geschwindigkeit und die Ressourcen, sich anzupassen, ist Ausdruck der Agilität. Eine Projektorganisation muss die Kapazitäten haben, um als Organisation agil zu sein. 6. Adams 3. Gesetz: Definition: Ein System, dessen Einzelteile jeweils die am wenigsten riskante Option wählt, ist einem höheren Gesamtrisiko ausgesetzt. Handlung: In der strategischen Risikoabwägung ist ein ausgewogenes Maß an risikoreichen und risikoarmen Vorgehensweisen zu wählen. 7. Das Prinzip der Dunkelheit: Definition: Kein System kann vollständig erfasst werden. Systeme sind dynamisch und verändern sich, während man sie beobachtet. Handlung: Akzeptanz, Kommunikation und Umgang mit Risiken und Unsicherheit. 8. Das Black-Box-Prinzip: Definition: Es ist nicht notwendig, das Innenleben der Black-Box zu verstehen, um zu verstehen, wie sie funktioniert. Handlung: Komplexität wird bewusst ausgeblendet- - der Fokus liegt auf der Input-Output-Beziehung und auf dem Verhalten. Abbildung 5: ADA Heuristic Model mit Designprinzipien 9. Das Prinzip der strukturellen Kopplung: Definition: Das Prinzip beschreibt den Evolutionsprozess der strukturellen Dynamik der Beziehung zwischen einem System und seiner Umwelt. Handlung: Einflussnahme, damit die strukturelle Kopplung stattfinden kann. 10. Das System-Resonanz-Prinzip: Definition: Ausmaß, in dem zwei oder mehr Systeme miteinander kommunizieren und in Beziehung treten. Eine gute Resonanz hängt von Ähnlichkeiten ab. Handlung: Eine gute Resonanz ist ein gutes Milieu für Selbstorganisation. 11. Das Wurzel-Strukturierungs-Prinzip: Definition: Der optimale Strukturierungsgrad eines Systems zur Verringerung seiner Instabilitätstendenz ist die Quadratwurzel aus der Anzahl der Elemente. Handlung: Strukturierung aufgrund des Prinzips. 12. Das Prinzip des instabilen Netzwerkes: Definition: Pathologie, dass Systeme mit zu vielen aktiven, voneinander abhängigen Teilen dazu neigen, instabil zu sein. Handlung: Wenig Instanzen mit kurzer und schneller Rückkopplung. 13. Das Relaxationszeitprinzip: Definition: Systemstabilität ist nur möglich, wenn die Relaxationszeit des Systems kürzer ist als die mittlere Zeit zwischen den Störungen. Handlung: Störungen reduzieren. 14. Das Prinzip der Selbstorganisation: Definition: Selbstorganisation entsteht durch interne und externe Dynamik und Anpassung. Handlung: Selbstorganisation erfordert Führung, die Flexibilität, Kreativität und neue Strukturen fördert. Mit diesem Artikel wurde eine Einführung in die Designprinzipien auf Basis von System Thinking zur nachhaltigen Gestaltung von Projektorganisationen gegeben. Die Designprinzipien sind nicht zwingend mit den Handlungsfeldern verbunden. Der Autor verfolgt nicht die Philosophie, dass sich Ansätze gegenseitig ersetzen oder ausspielen sollen (vergleiche z. B. die Wissen | Designprinzipien für nachhaltige Projektorganisation 36 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0006 Wasserfall / Agil-Diskussion). Viel wichtiger ist der spezifische Einsatz der geeigneten Methode im Projektmanagement. Die hier aufgezeigten Designprinzipien erweitern daher das Verständnis und den Werkzeugkasten des Projektmanagers, wenn es um die nachhaltige Gestaltung und die Analyse von Projektorganisationen und das Verständnis von Komplexität geht. Für eine Vertiefung der Designprinzipien empfiehlt sich insbesondere der Systems Grammar [9] von Hoverstadt oder dessen deutsche Übersetzung [12]. Literatur [1] Frahm, M., Pfiffner, M. (2023). Decrypting the DNA of Megaprojects-- A Model-based Management Approach using the Viable System Model (VSM). PM World Journal, Vol. XII, Issue II, February [2] Frahm, M., Roll C. (2022). Designing Intelligent Construction Projects. Wiley ISBN-10: 111 969 082X [3] Ashby. W. R. (1956). Introduction to Cybernetics. Chapman & Hall. ISBN 9 781 614 277 651 [4] Frahm, M. (2011). Beschreibung von komplexen Projektstrukturen. PM Aktuell, Fachzeitschrift der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement [5] Frahm, M. (2021). Erfolgsfaktoren in Großprojekten. PM aktuell, Fachzeitschrift der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement [6] Frahm, M. (2023). Vortrag- - Erfolgsmuster in Großprojekten. Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement, GPM, Regionalgruppe Chemnitz [7] Frahm, M., Rahebi, H. (2021). Management von Groß- und Megaprojekten. Springer ISBN: 978-3-658-30983-1 [8] Pfiffner, M. (2020). Die dritte Dimension des Organisierens. In Springer eBooks. https: / / doi.org / 10.1007 / 978- 3-658-29247-8 [9] Hoverstadt, P. (2022). The Grammar of Systems: From Order to Chaos & Back, SCiO Puplication, ISBN-13: ‎ 979-8 414 307 754 [10] Frahm, M. (2024). The VSM Guide, Version 1.2., retrieved from www.thevsmtest.org [11] Frahm, M. (2015). Kybernetisches Bauprojektmanagement: Gestaltung lebensfähiger Baustrukturen auf Grundlage des Viable System Models. BOD, Dez. 2015 [12] Hoverstadt, P. (2022). 33 Systemgesetze und -prinzipien: Auszug aus dem Buch The Grammar of Systems, SCiO Puplication, ASIN: ‎ B0BNGL6WW5 Eingangsabbildung: © iStock.com / alphaspirit Michael Frahm Michael Frahm, Ausbildung in Stuttgart, Kaiserslautern, Saarbrücken in Bauingenieurwesen und Wirtschaftsrecht. Im Jahr 2010 Gewinner des Young Projektmanagement Awards der GPM. Zertifizierung zum Advanced System Thinking Practitioner der SCiO. Verfasser von Bauprojektmanagement-Büchern mit System-Perspektive. Zahlreiche Artikel und Vorträge zu Ingenieurwesen und Management. Seit 2005 als Projektleiter in Infrastruktur- und Bau-Großprojekten tätig. 37 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0007 Mit Fingerspitzengefühl und Strategie Das optimale Level an Agilität erreichen Verena Evers Für eilige Leser | Agilität ist unverzichtbar, um im Wandel zu bestehen. Doch oft bremsen starre Strukturen und Prozesse den Erfolg. Welche Erfolgsfaktoren helfen, Agilität nachhaltig zu verankern? Entscheidend sind Kontext, Kultur, Strategie, Struktur und Führung. Schlagwörter | Agilität, Transformation, Führung, Teamentwicklung, Organisationsentwicklung, Kulturwandel Wer heute über agiles Arbeiten spricht, stößt nicht selten auf genervtes Augenrollen oder gelangweiltes Abwinken. Dabei ist unbestritten, dass sich die Art der Zusammenarbeit in Organisationen weiterentwickeln muss. Starre Strukturen und eine träge Unternehmenskultur erschweren es, mit immer komplexeren Anforderungen und stetigen Veränderungen Schritt zu halten. Doch der Begriff „Agilität“ ist teilweise negativ besetzt. Woran liegt das? Viele Unternehmen haben bereits erste Erfahrungen mit agilem Arbeiten gesammelt. Oft wurde versucht, Methoden wie Scrum, Kanban oder SAFe einzuführen-- teils erfolgreich, teils weniger. Stand-up-Meetings, Retrospektiven und neue Rollen sind eingeführt, aber die tiefgreifende Transformation bleibt häufig aus. Produktivitätssteigerungen, schnellere Markteinführungszeiten und mehr Innovationskraft stellen sich nicht von heute auf morgen ein. Auch die Unternehmenskultur verändert sich nicht immer wie erwartet. Angesichts anderer drängender Herausforderungen wie Digitalisierung, künstlicher Intelligenz, Fachkräftemangel und Nachhaltigkeit ist die Versuchung groß, das Thema Agilität abzuhaken und ad acta zu legen. Doch gerade angesichts der zunehmenden Komplexität ist es wichtiger denn je, flexible Strukturen, weniger Bürokratie und eine dynamische Kultur zu schaffen, die auch für Mitarbeitende attraktiv ist. Daher stellt sich die Frage: Wie lassen sich agile Arbeitsformen nachhaltig und ohne Überforderung etablieren? Ob in einzelnen Projekten, Teams oder unternehmensweit-- es lohnt sich, innezuhalten und genau zu überlegen, welches Maß an Agilität wirklich nötig ist und wie man es sinnvoll umsetzen kann. In Farbe statt Schwarzweiß Als Beraterin für agile Führung, Team- und Organisationsentwicklung habe ich im Laufe der Jahre zahlreiche agile Transformationen in verschiedensten Organisationen miterlebt und begleitet-- von kleinen Teams bis hin zu großen Unternehmen. Dabei ist mir eine der größten Hürden immer wieder begegnet: das Schwarzweiß-Denken. Agil oder nicht agil, richtig oder falsch, „neue“ oder „alte“ Arbeit. Solche Gegensätze führen oft zu endlosen Diskussionen, die wertvolle Zeit und Energie kosten und meist mehr Schaden anrichten, als sie nutzen. Doch wie kann es anders gehen? Wenn wir einmal kurz die gängigen agilen Methoden und Frameworks zur Seite legen, müssen wir uns fragen: Worum geht es eigentlich? Im Kern geht es um die Fähigkeit einer Organisation, sich flexibel an Veränderungen anzupassen und komplexe Herausforderungen zu bewältigen. Je dynamischer und komplexer die Anforderungen von außen sind, desto agiler muss die Organisation- - oder Teile davon- - sein. Dabei kann und sollte es Unterschiede zwischen den Abteilungen geben: Während die Buchhaltung beispielsweise weniger Agilität erfordert, ist in der Produktentwicklung ein höheres Maß sinnvoll. Entscheidend ist die Integration dieser unterschiedlichen Agilitätsstufen, ohne sie zu bewerten. Es geht nicht darum, ein Maximum an Agilität zu erreichen, sondern das richtige Maß für den jeweiligen Kontext zu finden. Agilität ist keine Einheitslösung, sondern ein Spektrum-- keine Schwarzweiß-Malerei, sondern eine vielfältige Farbpalette. Was ist dabei die Rolle von Methoden und Frameworks wie Scrum, SAFe oder Holokratie in diesem Prozess? Sie können Wissen | Das optimale Level an Agilität erreichen 38 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0007 helfen, Teams und Organisationen auf das passende Agilitätsniveau zu bringen. Dabei sollten sie jedoch nicht als universelle Blaupause betrachtet werden. Jede Organisation sollte ihren eigenen Kontext und ihre spezifischen Herausforderungen genau analysieren, bevor sie sich für einen Ansatz entscheidet. Für einige mag ein klassischer Projektmanagement- Ansatz sinnvoller sein, während andere von der Einführung agiler Frameworks profitieren. Manchmal kann die Einführung eines agilen Frameworks sogar ein Rückschritt in puncto Agilität darstellen, wenn es nicht zum jeweiligen Kontext passt. Was heißt das konkret für Projektleiter: innen, Führungskräfte und Organisationsentwickler: innen, die ihre Teams und Organisationen auf das passende Level an Agilität führen wollen? In der Praxis haben sich einige Erfolgsfaktoren als besonders wertvoll erwiesen. 1. Erfolgsfaktor: Kontext herstellen Ob auf der Ebene des gesamten Unternehmens, in Projekten oder in einzelnen Teams- - der erste wichtige Schritt ist, realistisch einzuschätzen, welches Level an Agilität bereits erreicht ist. Diese ehrliche Bestandsaufnahme bildet die Grundlage für den nächsten Schritt: herauszufinden, welches Maß an Agilität im spezifischen Kontext tatsächlich benötigt wird. Dabei ist es entscheidend, ein möglichst konkretes Zielbild zu entwickeln, das Klarheit schafft und später Energie spart. Oft liegen die Erwartungen der Beteiligten weit auseinander: Während einige lediglich agile Methoden im Team einführen wollen, träumen andere von der kompletten Transformation hin zu einer fluiden Organisationsform mit selbstorganisierten Einheiten. Zwischen diesen beiden Extremen besteht eine große Spannbreite, die leicht zu Missverständnissen und Reibungen führen kann, wenn keine klare Abstimmung erfolgt. Wenn diese unterschiedlichen Erwartungen nicht frühzeitig geklärt und abgestimmt werden, drohen später hohe Energieverluste und endlose Diskussionen darüber, wer „richtig“ agil arbeitet und wer nicht. Auch wenn nicht jede Nuance der Veränderung im Vorfeld genau geplant werden kann, ist es von großer Bedeutung, ein gemeinsames Zielbild zu entwickeln und dieses kontinuierlich mit der Realität abzugleichen. Ein klares Ziel hilft, den Fokus zu bewahren und unnötigen Aufwand zu vermeiden. Wesentlich ist auch, dass alle Beteiligten das „Warum“ und „Wozu“ der Veränderung verstehen und sich damit identifizieren können. Warum und wozu ist diese Veränderung notwendig? Geht es um eine höhere Anpassungsfähigkeit, eine schnellere Reaktionszeit auf den Markt oder um mehr Innovationskraft? Vielleicht stehen eine gesteigerte Produktivität oder eine höhere Mitarbeitermotivation im Vordergrund. Eventuell wird die Veränderung auch durch äußere Einflüsse, wie Marktveränderungen, Innovationsdruck oder Disruptionen, vorangetrieben. Welche Geschichte steckt hinter dieser Entscheidung? Diese Fragen sollten klar beantwortet sein. Ein regelmäßiges Rückbesinnen auf diese grundlegenden Fragen kann entscheidend dazu beitragen, die Motivation der Beteiligten auch in herausfordernden Phasen aufrechtzuerhalten. Besonders, wenn die Transformation anstrengend wird, kann das „Warum“ und „Wozu“ als wichtiger Kompass dienen, um den Weg nicht aus den Augen zu verlieren. Die klare Kommunikation dieser Ziele und Hintergründe ist somit unerlässlich, um den Veränderungsprozess erfolgreich und nachhaltig zu gestalten. 2. Erfolgsfaktor: Kultur beobachten „Denkt agiler.“ „Führt agiler.“ „Seid agiler.“ Diese Aufforderungen hört man häufig in Unternehmen, doch sie bewirken oft das Gegenteil. Anstatt Agilität zu fördern, führen solche Appelle häufig zu Widerstand, Frustration oder sogar Zynismus. Besonders problematisch sind dabei die Widersprüche zwischen den offiziell verkündeten Werten und dem tatsächlichen Verhalten im Alltag. Ein typisches Beispiel ist die Einführung einer neuen Fehlerkultur: Fehler sollen als Lernchancen betrachtet werden, doch sobald ein Fehler passiert, geht es vor allem darum, einen Schuldigen zu finden. Solche Inkonsistenzen untergraben das Vertrauen in die Führung und die Glaubwürdigkeit der Veränderungsprozesse. Wie kann man also die Unternehmenskultur beeinflussen, wenn direkte Appelle nicht funktionieren? Die Antwort ist ernüchternd: Kultur lässt sich nicht direkt steuern. Doch es gibt gute Nachrichten: Über indirekte Wege-- „über Bande gespielt“- - lassen sich Impulse setzen, die die Kultur in die gewünschte Richtung lenken können. Unternehmenskultur basiert auf ungeschriebenen Regeln und Verhaltensmustern, die sich aus Werten, Motiven und bisherigen Erfahrungen der Mitarbeitenden formen. Diese beeinflussen sich gegenseitig und bestimmen, wie Menschen im Unternehmen agieren und Entscheidungen treffen. Wenn sich in der Kultur unerwünschte Muster zeigen, lohnt es sich, die zugrunde liegenden strukturellen Anreize zu hinterfragen. Welche offenen oder verdeckten Anreize fördern diese Verhaltensweisen? Oft haben Leistungswettbewerbe, individuelle Zielvereinbarungen oder Prämien einen erheblichen Einfluss auf die Kultur der Zusammenarbeit. Beispielsweise könnte die Einführung von Teamzielen helfen, die Zusammenarbeit zu verbessern, anstatt Einzelziele zu fördern, die eher zum Silodenken beitragen. Es ist wichtig, den Wandel der Kultur mit Fingerspitzengefühl anzugehen, indem realistische Zwischenschritte gewählt werden, die zur bestehenden Kultur passen. Zu große oder unpassende Schritte führen oft zu Überforderung oder Abwehrreaktionen. Daher ist es entscheidend, die aktuellen Verhaltensmuster, Regeln, Rituale und Kommunikationsformen genau zu beobachten und zu verstehen. Nur so kann der Wandel von der bestehenden Kultur hin zur gewünschten Kultur gelingen. Zudem sollte man die aktuelle Kultur erst einmal akzeptieren, wie sie ist. Es bringt wenig, sich ständig an dem zu reiben, was die Kultur eigentlich sein sollte. In einer sehr hierarchisch geprägten Organisation kann es zielführender sein, mit klaren Anweisungen von oben zu arbeiten, anstatt darauf zu hoffen, dass Selbstorganisation in den Teams von allein entsteht. Das gilt auch dann, wenn langfristig eine stärkere Selbstorganisation angestrebt wird. Der Erfolg liegt darin, die richtigen Schritte zur richtigen Zeit zu gehen. 3. Erfolgsfaktor: Strategisch experimentieren „Wir müssen lernen, uns voranzuscheitern.“ Dieser Satz fiel in einem Vortrag über die Herausforderungen deutscher Unternehmen im Zusammenhang mit Künstlicher Intelligenz [1]. In der agilen Welt ist Experimentierfreude fest verankert, und manchmal entsteht der Eindruck, Agilität und Strategie könnten sich gegenseitig ausschließen. Auch das bekannte Zitat von Peter Drucker, „Culture eats strategy for breakfast“, trägt manchmal dazu bei, dass die Bedeutung von Strategien in Wissen | Das optimale Level an Agilität erreichen 39 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0007 der agilen Transformation unterschätzt wird. Vor allem in Umgebungen, in denen agile Veränderungen über Pilotprojekte oder Graswurzel-Initiativen starten, fehlt oft eine klare Agilitätsstrategie-- also eine übergeordnete Strategie für die agile Entwicklung von Teams und Organisationen. Doch eine klare Strategie ist unerlässlich. Sie schafft Orientierung und setzt einen Rahmen, innerhalb dessen experimentiert werden kann, ohne ins Chaos zu fallen. Ein solider strategischer Rahmen hilft, Unsicherheiten zu minimieren und den Mitarbeitenden klare Ziele und Leitplanken zu bieten. Wichtig ist dabei, dass die Verantwortung für die Entwicklung einer solchen Agilitätsstrategie auf allen Führungsebenen wahrgenommen wird, auch wenn je nach Kontext gegebenenfalls Mitarbeitende in den Prozess der Strategieentwicklung einbezogen werden sollten. Wie lässt sich nun Strategie mit der Idee des „Voranscheiterns“ in Einklang bringen? Durch sogenanntes „strategisches Experimentieren“. Das bedeutet, dass die Agilitätsstrategie den Rahmen vorgibt, innerhalb dessen Experimente stattfinden können. Basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen werden die Strategie und ihre Ziele regelmäßig reflektiert und angepasst. Dies erlaubt es, flexibel zu bleiben und dennoch einer klaren Richtung zu folgen. Und was ist nun mit dem bekannten Spruch, dass die Kultur die Strategie „zum Frühstück verspeist“? Dies passiert nur, wenn die Kultur bei der Strategieentwicklung ignoriert wird. Wird die Unternehmenskultur jedoch von Anfang an realistisch in die Planung integriert und regelmäßig überprüft, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Strategie auch in der Praxis umgesetzt werden kann. Entscheidend ist dabei die Bereitschaft, die Strategie kontinuierlich an die sich verändernde Kultur und die Rahmenbedingungen anzupassen. Nur so bleibt sie langfristig wirksam und ermöglicht nachhaltige Fortschritte in der agilen Transformation. 4. Erfolgsfaktor: Konsequent Strukturen anpassen „Überprüfen und Anpassen“ ist ein zentrales Prinzip agiler Ansätze [2]. In der Praxis bezieht sich dies jedoch oft vor allem auf die Optimierung der Arbeitsmethoden in einzelnen Teams. Die teamübergreifenden Organisationsstrukturen und Prozesse hingegen bleiben häufig unberührt. Das ist nachvollziehbar, denn hier handelt es sich oft um komplexe und tief verwurzelte Herausforderungen- - „harte Nüsse“, an denen sich viele die Zähne ausbeißen. Ein typisches Beispiel dafür ist, dass agile Methoden in Einzelteams oder Projekten eingeführt werden, während die übergeordneten Produktentwicklungsprozesse unverändert bleiben. Dies führt oft zu halbherzigen Experimenten, die kaum sichtbare Erfolge bringen, was wiederum den falschen Schluss nahelegt, dass Agilität im Unternehmen „nicht funktioniert“. Um das volle Potenzial des agilen Arbeitens auszuschöpfen, kommt man jedoch nicht umhin, auch diese strukturellen Hürden anzugehen. Wie geht man dabei am besten vor? Ein wichtiger Schritt ist, die bestehenden strukturellen Anreizsysteme kritisch zu hinterfragen und anzupassen, um die gewünschten Verhaltensweisen zu fördern. Dabei sollte die Frage im Vordergrund stehen: Warum verhalten sich die Menschen in der Organisation so, wie sie es aktuell tun? Welche versteckten Anreize in den bestehenden Strukturen begünstigen unerwünschte Verhaltensmuster? Ein klassisches Beispiel ist das Silodenken. Anstatt den Mitarbeitenden vorzuwerfen, sie würden zu isoliert arbeiten, sollte man überlegen, ob die Strukturen dieses Verhalten fördern. Häufig sind es individuelle Zielvereinbarungen und Gehaltsprämien, die an den Erfolg einzelner Mitarbeitender geknüpft sind. Solange diese Anreize bestehen bleiben, wird man durch Appelle kaum etwas an der bestehenden Arbeitsweise ändern können. Es ist deshalb unerlässlich, diese Anreizsysteme zu überdenken und so zu gestalten, dass sie kooperative Verhaltensweisen belohnen und das Silodenken überwinden helfen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, die Verbreitung dieser Muster zu analysieren. Betreffen sie nur ein bestimmtes Team oder einen Bereich, oder ziehen sie sich durch die gesamte Organisation? Je umfassender die Muster, desto entscheidender ist es, sich mit anderen Entscheidungsträgern zusammenzutun, um die strukturellen Anpassungen gemeinsam durchzusetzen. Dabei muss jedoch strategisch und mit Fingerspitzengefühl vorgegangen werden. Jeder Schritt sollte sorgfältig gewählt werden: Ist er zu groß oder unpassend, erzeugt dies oft starke Abwehrreaktionen. Genau hier zeigt sich wieder, wie wichtig es ist, die Unternehmenskultur stets im Blick zu behalten-- sie kann eine starke Kraft sein, die unbedacht eingeführte Veränderungen schnell zurückweist. Dies zeigt, dass die Anpassung von Strukturen und Anreizen eine entscheidende Rolle spielt, um den agilen Wandel erfolgreich und nachhaltig zu gestalten. Ohne solche Anpassungen bleibt das Potenzial agiler Methoden oft ungenutzt, und der Veränderungsprozess läuft ins Leere. 5. Erfolgsfaktor: Führung neu denken Auch in agilen Teams und Organisationen bleibt Führung unverzichtbar. Die Art der Führung hängt jedoch stark davon ab, welches Level an Agilität angestrebt wird und- - oft übersehen-- auf welchem Level sich die jeweiligen Teams oder Organisationseinheiten aktuell befinden. Nur weil das Ziel selbstorganisierte Teams vorsieht, heißt das nicht, dass diese Teams heute schon bereit dafür sind und dementsprechend geführt werden können. Während einer agilen Transformation, selbst bei kleineren Projekten, ist es notwendig, Führung kontinuierlich neu zu denken, zu reflektieren und anzupassen. Dies stellt hohe Anforderungen an Personen in Führungsrollen. Zudem wird die Führungsverantwortung oft auf mehrere Rollen verteilt und teilweise direkt an die Teams übertragen, was zusätzlichen Klärungsbedarf schafft: Wie soll Führung in der Praxis aussehen? Bestehende Rollen, insbesondere auf höheren Ebenen, sollten überdacht und angepasst werden. Neue Rollen wie Agile Coaches, Scrum Master oder Product Owner sollten nicht nur klar definiert, sondern auch als Führungsrollen anerkannt werden. Wichtig ist, dass diese Rollen Zugang zu entsprechenden Weiterbildungsangeboten und klaren Entwicklungsmöglichkeiten erhalten. Gute Führung ist entscheidend, wie die Gallup-Studie [3] zeigt: Es gibt einen starken Zusammenhang zwischen Mitarbeiterengagement und wirksamer Führung. Besonders in Zeiten des Fachkräftemangels ist es für Organisationen unabdingbar, diesen Aspekt nicht zu vernachlässigen. Besondere Aufmerksamkeit erfordert die hohe Zahl an Quereinsteigern in agile Führungsrollen. Zum Beispiel werden Agile Coaches, Scrum Master und People Leads oft mit wenig Erfahrung und ohne ausreichende Kompetenzen ins kalte Wissen | Das optimale Level an Agilität erreichen 40 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0007 Wasser geworfen. Eine kurze Schulung reicht meist nicht aus, um die komplexen Anforderungen zu bewältigen. Es fehlt oft an langfristiger Unterstützung durch Weiterbildung, Coaching oder praxisnahe Begleitung. Hinzu kommt, dass viele dieser Führungskräfte gleich mehrere Teams parallel betreuen müssen, was zu Überlastung führen kann. Auch die Besetzung neuer Rollen sollte gründlich durchdacht werden. Es ist wichtig, sicherzustellen, dass die Person tatsächlich für die jeweilige Rolle geeignet ist und nicht einfach nur eine „alte“ Rolle auf die neue übertragen wird. Oft werden klassische Führungskräfte zu Product Ownern ernannt, ohne dass sich an ihrer Arbeitsweise etwas ändert. So wird lediglich der Titel in der E-Mail-Signatur ausgetauscht, während die alten Arbeitsweisen fortbestehen. Fazit und Ausblick Agile Entwicklung ist kein Projekt mit einem festen Endpunkt, sondern ein kontinuierlicher Prozess, der ständige Aufmerksamkeit und Anpassung erfordert. Selbst wenn das aktuell passende Level an Agilität erreicht wurde, ist es wichtig, regelmäßig zu überprüfen, ob weitere Anpassungen notwendig sind. Dies gelingt am besten durch etablierte Lern- und Feedback-Zyklen, in denen alle relevanten Themenbereiche reflektiert werden: Kontext, Kultur, Strategie, Struktur und Führung. Diese Zyklen sollten nicht nur interne Akteure einbeziehen, sondern auch Kunden, Kooperationspartner und externe Experten, um eine ganzheitliche Sicht zu gewährleisten. Nur durch fortlaufendes Lernen auf allen Ebenen bleibt die Organisation anpassungsfähig und zukunftssicher. Veränderungsfähigkeit entsteht nicht automatisch, sondern muss kontinuierlich erarbeitet werden. Gerade in Zeiten raschen Wandels und steigender Komplexität ist dies entscheidend, um langfristig erfolgreich und wettbewerbsfähig zu bleiben. Verena Evers Verena Evers begleitet seit 2011 Führungskräfte, Projektleiter: innen und Organisationsentwickler: innen in der Transformation, mit einem Fokus auf Führung in agilen Organisationen. www.levelsofagility.de/ pmaktuell E-Mail: mail@levelsofagility.de Es geht darum, eine agile Denkweise tief in der Organisation zu verankern, sodass sie nicht nur auf akute Veränderungen reagieren kann, sondern proaktiv die Zukunft gestaltet. Agilität ist somit nicht nur eine Methode, sondern der Motor für eine kontinuierliche und erfolgreiche Team- und Organisationsentwicklung. Weiterführende Ressourcen Eine Checkliste, die hilft, das optimale Level an Agilität zu finden sowie weiterführende Informationen sind unter dem Link www.levelsofagility.de/ pmaktuell zu finden. Literatur [1] Lobo, Sascha: Wie künstliche Intelligenz die Welt verändert und was das für B2B und den deutschen Mittelstand bedeutet. Hinterland of Things 2024 [2] Schwaber, Ken / Sutherland, Jeff (2020): Scrum Guide https: / / scrumguides.org/ docs/ scrumguide/ v2020/ 2020- Scrum-Guide-German.pdf (Stand: 13. 09. 2024) [3] Gallup: State of the Global Workplace: 2024 Report; https: / / www.gallup.com/ workplace/ 349484/ state-of-theglobal-workplace.aspx (Stand: 13. 09. 2024) Eingangsabbildung: © iStock.com / laflor Wissen | Das optimale Level an Agilität erreichen 41 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0007 All you can read Alles zusammen zum Superpreis: Die Papierausgabe in hochwertigem Druck, das ePaper zum Blättern am Bildschirm und auf dem Smartphone, dazu alle bisher erschienenen Ausgaben im elektronischen Archiv - so haben Sie Ihre Fachzeitschrift für den urbanen Wandel immer und überall griffbereit. AboPlus: Print + ePaper + Archiv www.transforming-cities.de/ magazin-abonnieren | abo@narr.de expert verlag - Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Foto von Jon Tyson auf Unsplash 42 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0008 Nahtlose Integration: Impulse für erfolgreiches Post-Merger- Projektmanagement am Beispiel der JENOPTIK AG Ebru Afsin, Martin Barth Für eilige Leser | In diesem Artikel werden die Schlüsselstrategien eines erfolgreichen Post-Merger-Projektmanagements am Beispiel des Technologiekonzerns JENOPTIK AG vorgestellt. Das Projekt einer Post-Merger-Integration (PMI) spielt im Rahmen von Merger & Acquisitions eine entscheidende Rolle. Daher ist ein effektives PMI-Projektmanagement unerlässlich. Trotz der klaren Evidenz um die hohe Bedeutung scheitern Akquisitionen häufig daran, die Projektziele im Rahmen der PMI zu erreichen. Um diese Problematik eingehend zu untersuchen, wurde im Rahmen einer Masterarbeit eine qualitative Studie mittels leitfadengestützter Experteninterviews durchgeführt. Die Ergebnisse werden der Leserschaft in Form von konkreten und praxisnahen Handlungsempfehlungen im Rahmen eines strukturierten Maßnahmenkatalogs präsentiert. Darauf aufbauend konnten diese PMI-Maßnahmen den Clustern Voraussetzungen, Struktur, Methodik und Kompetenzen zugeordnet werden. Dieser Artikel liefert sowohl einen wesentlichen Beitrag zur maßnahmenuntersetzten Projektführung einer Post-Merger-Integration als auch eine stringente Reduktion der PMI-Maßnahmenvielfalt auf vier inhaltliche Kernbereiche. Schlagwörter | Post-Merger-Integration, Integrationsmanagement, Projektmanagement, Post-Merger-Projekt, Mergers & Acquisitions 1. Post-Merger-Integration: Grundlagen und Perspektiven Mergers & Acquisitions (M&A) sind strategische Unternehmensaktivitäten, welche sich mit Fusionen und Übernahmen von Unternehmen befassen. [1] Die Post-Merger-Integration (PMI) kann als Projektphase des M&A-Projektes [2] oder als eigenes PMI-Projekt interpretiert und abgegrenzt werden (Abb. 1). In dieser Ausarbeitung betrachten wir die PMI als eigenständig definiertes Projekt. Das Integrationsmanagement ist somit im Wesentlichen das Projektmanagement der Post-Merger-Integration. Es umfasst alle Aktivitäten und Strategien, die notwendig sind, um das akquirierte Unternehmen erfolgreich im übernehmenden Unternehmen zu verorten. Strukturiertes Integrationsmanagement ist demnach entscheidend, um einerseits einen nahtlosen Implementierungsablauf zu gewährleisten und anderseits den Erfolg der gemeinsamen Geschäftstätigkeit sicherzustellen. Im Vordergrund steht dabei nicht die detaillierte Planung, Durchführung und Überwachung sämtlicher Integrationsmaßnahmen, sondern vielmehr ist darauf zu achten, dass sämtliche Integrationsaktivitäten an den Integrationszielen ausgerichtet sind. Der Fokus der Post-Merger-Integrationsgestaltung liegt somit auf dem zielführenden Management des Integrationsprojektes. [3] Eine Vielzahl von Studien zeigt auf, dass die Ziele dieser Integrationsprojekte oft nicht erreicht werden. Gerade im Bereich vertikaler Akquisitionen werden angestrebte, effizientere Wertschöpfungsketten und andere Synergieziele immer wieder verfehlt. [4] Weiterhin haben die Auswirkungen von Corona-Lockdowns und internationale Segmentierungstendenzen die globalen Lieferketten in den letzten Jahren mitunter dramatisch erschüttert. Bei Sourcing-Entscheidungen Wissen | Nahtlose Integration: Impulse für erfolgreiches Post-Merger-Projektmanagement 43 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0008 scheint die Minimierung der Beschaffungskosten nicht länger das hinreichende Entscheidungskriterium zu sein, vielmehr nimmt die Gewährleistung der Versorgungssicherheit der eigenen Produktion den Platz des prioritären Entscheidungskriteriums ein. [5] Standortverlagerungen und die Erhöhung des Insourcing-Volumens könnten in den nächsten Jahren die Folge sein. [6] Die vertikale Integration-- die Erweiterung des intraorganisationalen Wertschöpfungsumfangs- - scheint somit, vor der ersten Renaissance seit Henry Ford zu stehen. [7] Derzeit fehlt es allerdings an einem generischen Konzept mit konkreten, praxisnahen Handlungsempfehlungen für das zielführende Management einer solchen vertikalen Post-Merger-Integration. [8] 2. Methodische Vorgehensweise: Ansätze und Verfahren Im Zuge einer Masterthesis an der IU Internationalen Hochschule wurde am Beispiel des global agierenden Technologiekonzerns JENOPTIK AG ein erster Beitrag zu diesem Lückenschluss erarbeitet. Auf Basis einer systematischen Literaturanalyse, mit Erfassung der aktuellen, wissenschaftlichen Forschungslandkarte zu zielführendem Post-Merger-Integrationsdesign, konnten erste Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren dargelegt werden. Diese wurden im weiteren methodologischen Forschungsablauf einer kritischen Prüfung unterzogen und durch weiterführende Erkenntnisse ergänzt. Die Kernaussagen dieses Artikels beruhen, neben den Ergebnissen der systematischen Literaturanalyse, auf den Ergebnissen einer empirischen Studie mit qualitativem Forschungsansatz. Hierbei erfolgte die Datenerhebung mittels leitfadengestützter, halbstrukturierter Experteninterviews. Es wurden zehn Experten der JENOPTIK AG zu ihren Erfahrungen und Aufgaben in Integrationsprojekten befragt. [9] Für die strukturierte Auswertung und Interpretation des so erzeugten Textmaterials wurde die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring eingesetzt. [10] Die Ergebnisse der qualitativen Studie bestehen im Wesentlichen aus konkreten, praxisorientierten PMI-Handlungsempfehlungen. Auf Grundlage dieser Handlungsimplikationen wurde ein nach Clustern strukturierter und praktisch einsetzbarer PMI-Maßnahmenkatalog abgeleitet. Diese Systematisierung bietet neben wesentlichen Effizienzpotenzialen auch den Grundstein für die Entwicklung eines intraorganisationalen PMI-Handbuchs. [11] Allerdings sind weder der dargelegte Maßnahmenkatalog noch das vorgeschlagene PMI-Handbuch als statische Dogmen zu verstehen, vielmehr gilt es diese kontinuierlich weiterzuentwickeln und eine Art Wissensmanagementsystem für das organisationale Integrationsgedächtnis zu entwickeln. 3. Praktische Empfehlungen: Maßnahmen für die Unternehmenspraxis Der PMI-Maßnahmenkatalog gliedert sich in vier Cluster (Abb.-2). Jedes Cluster adressiert unterschiedliche Aspekte des Post-Merger-Projektmanagements. Während Cluster 1 die notwendigen Vorbereitungen und Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Integration identifiziert, beleuchtet Cluster 2 die organisationalen und prozessualen Strukturen einer Integration. Cluster 3 konzentriert sich auf die methodischen Werkzeuge eines erfolgreichen Integrationsprojektes. Das letzte Cluster hebt die Notwendigkeit der Integrationskompetenzen aller Projektverantwortlichen im Unternehmen als wesentliche Voraussetzung für eine Integration hervor. Auf der Grundlage dieser vier Cluster werden die verschiedenen Facetten im PMI-Projektmanagement eingefangen und damit die Entwicklung einer ganzheitlichen Lösung sichergestellt. Die Ergebnisse aus Cluster 1 (Abb. 3) verdeutlichen, dass für einen erfolgreichen PMI-Start eine solide Ausgangsbasis entscheidend ist. Ein geeigneter Strategic sowie Cultural Fit, ein guter Deal und eine sorgfältig durchgeführte Due Diligence sind dabei unverzichtbar. Die Grundlage dazu bildet eine realistische Einschätzung des Business Cases und der Synergiepotenziale auf Basis einer systematischen Risikoanalyse. Es ist anzuraten, die getroffenen Annahmen und Transaktionsergebnisse während der Due Diligence gründlich Abbildung 1: Phasen eines Akquisitionsprojektes [Eigene Darstellung] Abbildung 2: Die Cluster des PMI-Maßnahmenkatalogs [Eigene Darstellung] Wissen | Nahtlose Integration: Impulse für erfolgreiches Post-Merger-Projektmanagement 44 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0008 zu dokumentieren, um eine reibungslose Übergabe an das spätere PMI-Projektmanagement zu gewährleisten. Dies ist insbesondere im Fall der JENOPTIK AG ein entscheidender Faktor, da Integrationsmanager dort meist erst nach Abschluss der Due Diligence eingebunden werden. Mithilfe eines konsequenten Erfolgscontrollings kann der Prozess der Synergieerreichung verfolgt werden. Ein wirksames Erfolgscontrolling erfordert klare Erfolgskennzahlen, eindeutige Erfolgskriterien und eine belastbare Datenbasis zur Auswertung. Ergebnisse der untersuchten Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren verdeutlichen zudem, dass Unternehmen den personellen sowie zeitlichen Aufwand des PMI-Projektes meist unterschätzen. Genügend personelle Ressourcen sowie eine umfangreiche Vorbereitungsphase sind somit entscheidend. Dies erfordert in vielen Fällen eine frühere Einbindung projektrelevanter Personen. Der Integrationsmanager sollte zudem von seiner Linienverantwortung entbunden und durch ein Integrationsbüro, dem PMI-Backoffice, unterstützt werden. Eine nähere Betrachtung der organisationalen und prozessualen Strukturanforderungen liefert Cluster 2 (Abb. 4). Eine wesentliche Schwachstelle im PMI-Prozess ergibt sich für akquirierende Unternehmen häufig in der mangelnden Standardisierung des PMI-Vorgehens. Die Folge sind die Heterogenität der Integrationsgestaltung und die Inkonsistenz der Resultate über verschiedene Integrationsprojekte hinweg. Standardisierte Prozesse und klare Strukturen sind entscheidend für die wirkungsvolle und erfolgreiche Projektdurchführung. Zunächst sollte eine einheitliche M&A-Richtlinie mit definierten Meilensteinen, Verantwortlichkeiten und dem PMI-Zielprozess erstellt und allen Mitarbeitern zugänglich gemacht werden. Die M&A-Richtlinie und die PMI-Prozessbeschreibung bilden die ersten Grundsteine für die Entwicklung eines organisationalen PMI-Regelwerks. Um dem Integrationsmanager im PMI-Projekt mehr Handlungsspielraum zu ermöglichen, sollte ein individuelles Projektbudget festgelegt werden. Darüber hinaus wird empfohlen, die klassische Projektorganisation um zusätzliche Workstreams für Prozesse, Strategie sowie Personal und Marketing zu ergänzen, um die Integration effizienter zu gestalten. Im Sinne des aktiven Wissensmanagements wird zu der Durchführung von kontinuierlichen Lessons Learned-Veranstaltungen geraten, um wertvolle Erkenntnisse für zukünftige Projekte zu gewinnen und die organisationale Integrationskompetenz stetig weiterzuentwickeln. Zu guter Letzt ist eine IT-Lösung zum sicheren und zentralen Austausch von Arbeitsergebnissen zwischen dem akquirierenden und dem zu integrierenden Unternehmen zu errichten, um die systemgestützte Zusammenarbeit sicherzustellen. Letztlich sorgen die beschriebenen Strukturanforderungen aus Cluster 2 (Abb. 4) dafür, dass ein strukturiertes und systematisches Integrationsmanagement überhaupt durchführbar ist. Die Ergebnisse der im Rahmen der Masterarbeit durchgeführten Literaturanalyse zeigen die Relevanz dieser Anforderungen und bestätigen, dass sie wesentliche Erfolgsfaktoren für eine gelungene Integration darstellen. In der Literatur herrscht Einigkeit darüber, dass dem systematischen Integrationsmanagement eine Schlüsselrolle für den Erfolg einer Integration zukommt. [12] [13] [14] Dieses Ergebnis zeigte sich sowohl im Rahmen der untersuchten Misserfolgsfaktoren als auch bei der Auswertung konkreter Erfolgstreiber. Unter das systematische Integrationsmanagement fallen das Abbildung 3: Cluster 1: Voraussetzungen [Eigene Darstellung] Abbildung 4: Cluster 2: Struktur [Eigene Darstellung] Wissen | Nahtlose Integration: Impulse für erfolgreiches Post-Merger-Projektmanagement 45 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0008 Vorhandensein eines Integrationskonzepts, die Fähigkeit des Managements, dieses strukturiert in die Praxis umzusetzen und falls erforderlich, die Bereitschaft zur Kursänderung. Klarheit im Rahmen der strategischen Zielsetzung, der Prozesse, Rollen und Prioritäten sind dabei ebenfalls eine Grundvoraussetzung für den Integrationserfolg. In Cluster 3 geht es um die methodischen Aspekte eines PMI-Projektmanagements (Abb. 5). Die Schlüsselfaktoren fokussieren auf den Einsatz bewährter methodischer Instrumente und Fähigkeiten der PMI-Projektverantwortlichen. Zur Optimierung des PMI-Prozesses sollten akquirierende Unternehmen daher über eine allgemeine Day 1-Checkliste und eine Vorlage für das erste 100-Tage-Programm verfügen, die flexibel auf verschiedene Targets anpassbar sind. Eine Mastercheckliste mit PMI-Abschlusskriterien sowie eine Liste zur Übergabe an die operative Linienorganisation sind ebenfalls essenziell. Ein standardisiertes Vorgehen wird durch eine offizielle PMI-Toolbox gefördert. Ein zentrales Austauschlaufwerk sollte alle internen und externen Templates sowie Eigenlösungen sammeln. Ein umfassender Kommunikationsplan für den gesamten Akquisitionsprozess sowie ein detaillierter Maßnahmenplan zur Berücksichtigung weicher Erfolgsfaktoren runden den Prozess ab. Alle Projektverantwortlichen sollten ein anwendbares methodisches Grundwissen besitzen. Die Schlüsselrolle standardisierter Mustervorlagen zeigte sich auch im Fall der JENOPTIK AG. Das Fehlen standardisierter methodischer Templates erschwerte den Integrationsmanagern die Arbeit. So gaben die befragten Experten an, dass sie aufgrund fehlender Templates eigene Lösungen erarbeiten mussten, was wiederum Ressourcen beansprucht hat. Hinzu kommt, dass bei der JENOPTIK AG die Integrationsverantwortlichen üblicherweise nicht von ihrer Linientätigkeit freigestellt werden. Generell zutreffend ist jedoch, dass eine sorgfältige Vorbereitung im Vorfeld sowohl den Integrationsplan als auch den Integrationsmanager in der Steuerung der PMI dynamischen Veränderungen gegenüber resistenter macht. Cluster 4 betont die Notwendigkeit einer ausgeprägten organisationalen Integrationskompetenz (Abb. 6). Auch die Ergebnisse im Rahmen der Literaturanalyse bestätigen dies. Zahlreiche Autoren sehen den Grund für den Misserfolg von M&A-Geschäften insbesondere in einem fehlerhaft gestalteten Integrationsprojekt. [15] [16] [17] [18] Deshalb wird zu einer frühzeitigen Investition in den Aufbau von Integrationskompetenz geraten. Praktische PMI-Erfahrung und methodisches Wissen gehören zu den erforderlichen Kernkompetenzen eines Integrationsmanagers. Grundvoraussetzung für die organisationale Kompetenzentwicklung ist ein aktives Wissensmanagement im Unternehmen. Dieses setzt sich zusammen aus Wissensgenese und Wissenstransfer. Regelmäßige PMI-Audits, Lessons Learned-Runden und ein PMI-Handbuch, welches die Best Practices in sich bündelt und als Orientierungshilfe für zukünftige Projekte dient, sind dabei essenziell. Dieser Aspekt ist eng verflochten mit der in Cluster 2 beschriebenen Forderung nach einem standardisierten Prozess und klaren Strukturen im PMI-Praxisumfeld eines Unternehmens. Zusätzlich ist der Aufbau eines internen Kandidatenpools an potenziellen Integrationsmanagern und der gezielten Schulung und Weiterentwicklung dieser entscheidend für den Aufbau einer organisationalen Integrationskompetenz. Die Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse verdeutlichten in diesem Zusammenhang noch ungenutzte Optimierungspotenziale für die JENOPTIK AG. Die Mehrheit der befragten Experten der JENOPTIK AG beklagten, kein vorheriges PMI- Know-how zu besitzen. Die M&A-Abteilung arbeitet daher mittelfristig an einer Lösung, künftige PMI-Verantwortliche besser auf ihre Rolle vorzubereiten. Des Weiteren stellte sich die gleichwertige Berücksichtigung von harten und weichen Faktoren als Erfolgsfaktor Abbildung 5: Cluster 3: Methodik Abbildung 6: Cluster 4: Kompetenzen [Eigene Darstellung] Wissen | Nahtlose Integration: Impulse für erfolgreiches Post-Merger-Projektmanagement 46 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0008 heraus. Während harte Faktoren unter anderem die Integrationsstrategie, -kosten und -geschwindigkeit umfassen, beziehen sich weiche Faktoren auf die Aspekte Mensch, Kultur und Kommunikation. In der Literatur finden sich verschiedene Ansätze und Empfehlungen zu der Ausgestaltung dieser Parameter. Allen Autoren ist gemein, dass sie weiche Erfolgsfaktoren besonders hochrangig in Bezug auf den Integrationserfolg bewerten. [19] [20] [21] [22] Trotz der umfassenden Handlungsempfehlungen liegt die zentrale Erkenntnis in der Einzigartigkeit eines jeden Integrationsprojektes. Unternehmen sind angehalten, sich für jedes Integrationsprojekt erneut mit den vorliegenden Rahmenbedingungen auseinanderzusetzen und einzelne PMI-Projektparameter neu zu bewerten. Insgesamt ist festzuhalten, dass die Gründe sowohl für Erfolg als auch Misserfolg stark miteinander verflochten sind, weshalb jedes PMI-Projekt eine ganzheitliche Situationsanalyse erfordert. 4. Ausblick und Fazit: Neue Perspektiven Im dynamischen Umfeld von Unternehmenszusammenschlüssen ist ein effektives Post-Merger-Projektmanagement unverzichtbar. „Treiben Sie als Projektleiter selbst- und eigenständig Dinge voran, um Veränderung und Fortschritt zu bewirken“. [23] In diesem Sinne erfordert die erfolgreiche PMI nicht nur eine gründliche Planung und Ausführung, sondern auch die Fähigkeit, auf unvorhergesehene Veränderungen flexibel und schnell reagieren zu können. Die im Rahmen der Masterarbeit gewonnenen Kernergebnisse unterstreichen, wie erfolgskritisch konkrete Voraussetzungen, die sich in einer umfassenden Vorbereitung und der Sicherstellung unterstützender Rahmenbedingungen äußern, für den Integrationsprozess sind. Im Bereich der Strukturen wird deutlich, dass eine robuste organisationale, strukturelle und prozessuale Grundlage von entscheidender Bedeutung ist, um die Integration nahtlos durchzuführen. Methoden, die auf wissenschaftlichen Vorgehensweisen und bewährten Best Practices beruhen, bieten wertvolle Orientierungshilfen, um das Integrationsprojekt effizient zu steuern. Ein gewisser Standardisierungsgrad im Rahmen vordefinierter Prozesse und der einzusetzenden methodischen Werkzeuge schafft zusätzliche Klarheit über das Vorgehen und spart Ressourcen in der Vorbereitung. Gleichzeitig zeigt sich, dass das Vorhandensein einer organisationalen Integrationskompetenz ein weiterer, wesentlicher Schlüssel zum Erfolg ist. Entwickelt werden kann diese über ein aktives Wissensmanagement zum Aufbau einer intraorganisationalen Integrationsgedächtnisses. Zu guter Letzt muss sichergestellt sein, dass weiche Erfolgsfaktoren wie die Faktoren Mensch, Kommunikation und Kultur in gleichem Maße berücksichtigt werden wie die harten Erfolgsfaktoren. Zudem kann ein geeigneter Change- und Kommunikationsplan, der sich über den gesamten Akquisitionsprozess erstreckt, von erheblichem Nutzen sein. Eine klare Empfehlung für akquirierende Unternehmen ergibt sich in der Entwicklung eines sorgfältig ausgearbeiteten PMI-Handbuchs, das diese Praktiken beinhaltet, einen einheitlichen, internen PMI-Standard benennt und den Grundstein für einzuleitende Maßnahmen liefert, um die erforderlichen Fähigkeiten und Strukturen im Unternehmen zu stärken. Abschließend ist anzumerken, dass eine erfolgreiche Integration immer Anstrengungen auf beiden Seiten erfordert. Eine neue Perspektive ergibt sich durch den zunehmenden Einsatz KI-gestützter Technologien. KI wird zweifelsohne auch innerhalb von PMI-Projekten zielführend eingesetzt werden können. Klar ist allerdings, dass der menschliche Faktor im Post-Merger-Projektmanagement- - zumindest auf absehbare Zeit- - unersetzlich bleibt. Während KI bei der Analyse von Daten und der Automatisierung von Prozessen hilfreich sein kann, bleibt die emotionale Intelligenz des Menschen unerreicht. Denn der Mensch kann, im Gegensatz zu einer KI, Emotionen wahrnehmen, nachfühlen und vermitteln, was in der sensiblen Phase einer Integration entscheidend ist. [24] Anders als eine KI, deren Reaktionsfähigkeit immer von einem externen Trigger abhängt, ist der Integrationsmanager in der Lage, proaktiv auf subtile Veränderungen im Projektumfeld einzugehen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Literatur [1] DePamphilis, D. M. (2019). 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Weiterhin untersucht er spezifische Transformations-, Reorganisations- und Restrukturierungsprojekte aus der Perspektive des professionellen Projektmanagements. Kontaktanschrift: https: / / www.iu.de / hochschule / lehrende / barth-martin/ eMail: martin.barth@iu.org 48 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0009 Ergebnisse der 8. Studie zu Gehalt und Karriere im Projektmanagement 2024 Christoph Schneider, Andreas Wald, Timo Braun, Simon Staudigl Für eilige Leser | An der Gehaltsstudie 2024 beteiligten sich 1.193 Personen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, wobei der überaus starke Anstieg des Frauenanteils um 44 % hervorsticht, so viele wie noch nie seit Beginn der Studienreihe. In Deutschland lag das durchschnittliche Jahresgesamtgehalt (brutto) im Projektmanagement inklusive aller flexiblen und leistungsorientierten Bezüge bei 112 TEUR, was einer Steigerung gegenüber der letzten Studie von 2019 um knapp 30 % entspricht. Die besten Verdienstmöglichkeiten bestehen in großen Unternehmen der Finanzindustrie. Auch in dieser Studie kann ein deutlicher geschlechtsspezifischer Gehaltsunterschied festgestellt werden, der bei 21 % zu Ungunsten der Frauen liegt. Die wichtigsten Treiber der Gehaltshöhe sind das Hierarchielevel, die Übernahme von Verantwortung und Berufserfahrung. Erfreulich ist die Entwicklung beim Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die im Vergleich zu 2019 deutlich positiver gesehen wird. Auf der anderen Seite hat das Thema Weiterbildung seit 2019 stark an Bedeutung verloren. Schlagwörter | Gehaltsstudie, Gehalt im Projektmanagement, Einkommensunterschied, Karriere, Entwicklung, Zertifizierung Einleitung Die seit 2005 im Auftrag der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. durchgeführte Studienreihe zu Gehalt und Karriere im Projektmanagement bietet differenzierte Informationen zu Gehalt im Projektmanagement, der Einkommenssituation von Freiberuflern sowie der Gehaltstruktur in Abhängigkeit von der Branchenzugehörigkeit, Zertifizierungen und Karrierestufen. Sie bietet damit Projektmanagern, Freiberuflern und Unternehmen einen Orientierungsrahmen. Nach einer Pause von fast fünf Jahren wurde 2024 die achte Erhebung der Studienreihe durchgeführt. Die Ergebnisse wurden mit besonderer Spannung erwartet, da in diesem Zeitraum große politische und sozioökonomische Veränderungen stattgefunden haben: von den Folgen durch die Covid-Pandemie, über die Kriege in der Ukraine und Gaza, bis hin zur Inflation und gesamtwirtschaftlicher Stagnation. 1 Studiendesign und Stichprobe Die Befragung wurde als standardisierte Online-Erhebung konzipiert, an der im Zeitraum vom 3. Juni bis 6. August 2024 insgesamt 1.616 Personen teilnahmen. Nach Entfernung nicht vollständig ausgefüllter und nicht plausibler Datensätze verblieben für die weiteren Analysen 1.193 Fälle. Davon stammen 937 aus Deutschland (78,5 %), 200 aus Österreich (16,8 %) und 56 aus der Schweiz (4,7 %). In den folgenden Ausführungen wird der Fokus auf die Antworten aus Deutschland gelegt. Wie bereits in den Gehaltsstudien zuvor ist auch dieses Mal der Anteil der Frauen erneut gestiegen. Im Vergleich zur letzten Studie [4] hat sich der Anteil sehr deutlich von 23 % auf 33 % erhöht, was einer Steigerung von knapp 44 % entspricht. Da zudem die weiblichen Beteiligten jünger als ihre männlichen Kollegen sind, ist davon auszugehen, dass der Frauenanteil in Zukunft weiter steigen wird. An der Studie beteiligten sich im Wesentlichen angestellte Personen aus großen Unternehmen des Dienstleistungssektors mit einem abgeschlossenen Studium (78 %), das überwiegend in den Bereichen Ingenieurwesen (36 %) und Wirtschaftswissenschaften (35 %) absolviert wurde. Eine abgeschlossene Ausbildung können 11 % vorweisen, von denen mehr als die Hälfte (6 %) einen Meister- oder Technikerabschluss erworben hat. Wissen | Ergebnisse der 8. Studie zu Gehalt und Karriere im Projektmanagement 2024 49 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0009 Das durchschnittliche Alter der Befragten liegt bei 42 Jahren, wobei der Altersdurchschnitt der Frauen mit 40 Jahren um drei Jahre niedriger liegt als der der Männer, der 43 Jahre beträgt. Der überwiegende Anteil der Studienteilnehmenden ist im Kontext von Einzelprojekten (40 %) oder im Multiprojektmanagement (38 %) beschäftigt. Im Programm- und im Portfoliomanagement sind jeweils 11 % aktiv. Etwa 50 % der Studienteilnehmenden stammen aus großen Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern bzw. mindestens 100 Mio. Euro Umsatz. Ungefähr 20 % der Befragten sind Kleinunternehmen mit bis zu 100 Mitarbeitern oder einem Umsatz bis 10 Mio. Euro zuzuordnen. Der Dienstleistungssektor ist wie in der Studie von 2019 mit 35 % der Befragten am stärksten vertreten, danach folgen mit 11 % Projektmanagerinnen und Projektmanager aus dem Bereich IT / Telekommunikation. Alle anderen Branchen kommen auf einen Anteil unter 10 %, 12 % der Befragten haben hierzu keine Angabe gemacht. Der weitaus größte Teil der Studienteilnehmenden ist zu mehr als 70 % seiner Arbeitszeit mit Projektmanagementtätigkeiten beschäftigt, wobei 43 % fast ausschließlich in diesem Bereich aktiv sind. Lediglich 7 % der Befragten verbringen nur maximal 30 % ihrer Arbeitszeit mit Projektmanagementaufgaben. Eine deutliche Mehrheit der Befragten aus Deutschland und Österreich bekleidet leitende Funktionen im Projektmanagement. 83 % der Befragten aus Deutschland und sogar 86 % derjenigen aus Österreich haben eine Funktion auf dem 1. (z. B. Projekt-Direktor, Partner, Leiter PMO), dem 2. (z. B. Seniorprojektleitung, Principal) oder dem 3. Projektmanagement-Level (z. B.Projektleiter/ -manager) inne. Die übrigen Studienteilnehmer verteilen sich auf das 4. (z. B. Teilprojektleiter) und 5. Projektmanagement-Level (z. B. Mitarbeiter in Projekten bzw. im PMO), sind Projekt-Coaches oder haben eine sonstige Position inne. Die hohen Positionen spiegeln sich auch in den übertragenen Verantwortungsfunktionen wider: 15 % der Befragten haben eine vollumfängliche Gesamtverantwortung, die sowohl die fachliche Führung als auch die Budget- und die disziplinarische Verantwortung umfasst. Lediglich 14 % der Befragten tragen in keinem dieser Bereiche Verantwortung. 23 % wurde eine disziplinarische Verantwortung übertragen, fast zwei Drittel (63 %) stehen in der Budgetverantwortung. Im Durchschnitt blicken die Befragten auf 11 Jahre Berufserfahrung im Projektmanagement. Nur 12 % können maximal zwei Jahre Berufserfahrung vorweisen, bei etwa 40 % der Befragten umfasst diese Erfahrung zwei bis zehn Jahre und bei weiteren 40 % über zehn Jahre. 2 Gehaltsstrukturen im Projektmanagement Die Höhe des Gehalts wird von einer Vielzahl verschiedener Faktoren bestimmt (vgl. Abbildung 1). Grob lassen sich diese Faktoren in zwei Merkmalsgruppen einteilen, die einerseits individuell bestimmt sind, wie z. B. die eingeschlagene Ausbildung bzw. das Studium, durchlaufene Weiterbildungsmaßnahmen, Übernahme von Verantwortung oder die Entwicklung spezifischer Berufserfahrung. Andererseits wird das Gehalt aber auch von strukturellen Faktoren beeinflusst, die individuell zumeist nicht steuerbar sind, wie z. B. die Unternehmensgröße oder die Branche. Darüber hinaus spielen auch nicht beeinflussbare persönliche Merkmale wie Geschlecht, Herkunft oder Alter eine Rolle. Die Messung des Jahresgesamtgehalts wurde folgendermaßen operationalisiert: Es wurden zunächst das monatliche Grundgehalt (brutto), die Anzahl der Monatsgehälter pro Jahr und der prozentuale Stellenumfang erfasst. Anschließend wurden die Befragten gebeten, ihre jährlichen flexiblen Bezüge wie leistungsbezogene Gehaltsanteile bzw. Boni, Sonderzahlungen und Prämien, vermögenswirksamen Leistungen sowie sonstige Leistungen wie Dienstfahrzeug, Diensthandy oder sonstige Sachbezüge anzugeben. Die Berechnung des Jahresgesamtgehaltes wurde so vorgenommen (vgl. Abbildung 2): Die Angaben von Teilzeitbeschäftigten (8,5 %) wurden zunächst in Angaben für Vollzeitbeschäftigte umgerechnet, das monatliche Festgehalt mit der Abbildung 1: Einflussfaktoren auf die Höhe des Gehalts Abbildung 2: Berechnung des Jahresgesamtgehalts Wissen | Ergebnisse der 8. Studie zu Gehalt und Karriere im Projektmanagement 2024 50 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0009 Tabelle 1: Grundgehalt und leistungsbezogene Entlohnungsanteile 2024 Abbildung 3: Gehaltsstruktur nach Branchen Anzahl der Monatsgehälter multipliziert und schließlich die flexiblen jährlichen Gehaltsbestandteile sowie die Sonderzahlungen aufsummiert. Seit der letzten Messung von 2019 ist das Gehalt im Tätigkeitsbereich Projektmanagement um knapp 30 % gestiegen. Umgerechnet auf eine jährliche Wachstumsrate (CAGR) entspricht dies einer jährlichen Gehaltssteigerung um durchschnittlich 5,2 %. Umfasste das durchschnittliche Jahresgesamtgehalt (brutto) inklusive aller flexiblen Bezüge 2019 in Deutschland noch 87,2 TEUR, liegt es in der aktuellen Messung bei 112,4 TEUR (vgl. Tabelle 1). Wie auch in den vergangenen Messungen von 2017 und 2019 entfallen im Durchschnitt etwa 91 % des Jahresgehaltes auf das fixe Grundgehalt und 9 % auf die flexiblen Entlohnungsanteile. Zu den individuell nicht beeinflussbaren Rahmenbedingungen, die einen Einfluss auf das Gehalt haben können, gehören Merkmale wie Branche und Unternehmensgröße. Zwischen den Branchen offenbaren sich dabei deutliche Unterschiede bei den Jahresgesamtgehältern (vgl. Abbildung 3): Die durchschnittlich höchsten Gehälter lassen sich mit 141,9 TEUR im Finanzdienstleistungssektor verdienen, die geringsten in der Pharma- und Chemieindustrie (94,4 TEUR). Alle anderen Branchen haben vergleichsweise homogene Gehaltsstrukturen, die von 103 bis 120 TEUR reichen. Abbildung 4: Zusammenhang zwischen Gehalt und Unternehmensgröße Auch die Größe eines Unternehmens wirkt sich auf das Einkommen aus: Grundsätzlich steigen die Gehälter mit zunehmender Unternehmensgröße bis 5.000 Mitarbeitern oder einem Jahresumsatz von 1 Mrd. Euro kontinuierlich an. Bei Unternehmen mit über 5.000 Mitarbeitern und einem höheren Umsatzvolumen als 1 Mrd. Euro oder mehr scheinen die Gehälter allerdings wieder leicht rückläufig zu sein (vgl. Abbildung 4). Wissen | Ergebnisse der 8. Studie zu Gehalt und Karriere im Projektmanagement 2024 51 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0009 Tabelle 2: Gehaltsstruktur nach Geschlecht und PM- Level Tabelle 3: Gehaltsstruktur nach Geschlecht und Verantwortung Abbildung 5: Jahresgesamtgehalt nach Verantwortung 3 Individuell beeinflussbare Faktoren Individuell beeinflussbare Faktoren, die einen Einfluss auf die Höhe des Gehalts haben können, sind z. B. Weiterbildungsaktivitäten, die Übernahme von Verantwortung, die Größe des Projekts, die Wahl des Projektbereichs (Einzelprojekt, Multiprojekt, Programm, Projektportfolio) oder die Entwicklung von Berufserfahrung im konkreten Berufsfeld. Die Übernahme von Verantwortung macht sich bezahlt, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verdienen im Projektmanagement mit umfassender Verantwortung (Budget-, Disziplinar- und fachliche Verantwortung) deutlich mehr (135,2 TEUR) als jene ohne jegliche Verantwortung (78,7 TEUR) (vgl. Abbildung 5). Seit Beginn der Studienreihe zu Gehalt und Karriere im Projektmanagement lässt sich ein deutlicher Einkommensunterschied zwischen Frauen und Männern feststellen [1, 2, 3, 4]. Auch in der aktuellen Befragung ist dieser geschlechtsspezifische Gehaltsunterschied nachweisbar. Im Durchschnitt verdienen im Projektmanagement tätige Frauen (um Teilzeitanteile bereinigt) 21 % weniger als Männer, wobei bei den Geschlechtern zwischen Fixgehalt und variablen Gehaltsanteilen kaum Unterschiede erkennbar sind. Der um Projektmanagement-Level (nach dem GPM / IPMA- Modell, das fünf Stufen umfasst) bereinigte Gehaltsunterschied ergibt, dass Frauen bis auf das zweite Hierarchie-Level (z. B. Senior-Projektleiter, Principal) auf allen Ebenen weniger verdienen als Männer. Besonders groß ist der Unterschied zu den männlichen Kollegen auf dem höchsten Level (Projektdirektor) mit einer Differenz von 40,6 %. Am geringsten ist die Differenz im 4. Level (z. B.Teilprojektleiter/ -leiterinnen): Dort beträgt die Gehaltslücke 1,6 % (vgl. Tabelle 2). Die Befunde bestätigen frühere Erkenntnisse, nach denen Geschlechterstereotype auch im Projektmanagement für das Gehaltsniveau eine Rolle spielen [5]. Ähnlich wie bei den Hierarchie-Leveln finden sich teilweise eklatante geschlechtsspezifische Unterschiede nach übernommenen Verantwortungsbereichen. So verdienen beispielsweise Frauen mit einer Gesamtverantwortung über 40 % weniger als Männer, bei einer disziplinarischen Verantwortung sind es immer noch knapp 35 % (vgl. Tabelle 3). Wissen | Ergebnisse der 8. Studie zu Gehalt und Karriere im Projektmanagement 2024 52 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0009 Abbildung 10: Themen der Weiterbildungsmaßnahmen Die Tagessätze der befragten Freiberufler liegen im Durchschnitt bei 1.300 Euro EUR, wobei sich diese in einer Spanne von 187,5 Euro bis 3.000 Euro bewegen. Am häufigsten werden Tagessätze zwischen 1.000 und 1.250 Euro (33 %) und von mehr als 1.500 Euro (28 %) aufgerufen. 5 Zufriedenheit und Karriereperspektiven Die Zufriedenheit mit verschiedenen Aspekten der Vergütung ist überwiegend unterdurchschnittlich ausgeprägt (vgl. Abbildung 8). Vor allem mit der Gesamtvergütung sind die Befragten unzufrieden, auf einer Skala von 0 (trifft überhaupt nicht zu) bis 100 (trifft voll und ganz zu) werden lediglich 29 Skalenpunkte erreicht. Auch die Transparenz der Vergütungsstrukturen (43) und eine leistungsorientierte Vergütung in Projekten (44) werden unterdurchschnittlich bewertet. Lediglich der Aspekt einer transparenten Vergütungsstruktur im Projektmanagement wird leicht überdurchschnittlich bewertet (52). Für viele Unternehmen stellt die Schaffung dezidierterer Karrierepfade im Projektmanagement eine große Herausforderung dar. Seit Beginn unserer Studienreihe ist die Unzufriedenheit mit den Karriereperspektiven im Projektmanagement hoch. Den hierzu gestellten Fragen werden mehrheitlich Werte deutlich unterhalb der Skalenmitte zugeordnet (vgl. Abbildung 9). So verfügen nur die wenigsten Befragten in ihrem Unternehmen über die Möglichkeit, verschiedene Karrierepfade im Projektmanagement zu wählen (29 von 100 Skalenpunkte). Ebenso sind klar definierte, transparente Karriereperspektiven im Projektmanagement nur in einer Minderheit der Unternehmen vorzufinden (43). Immerhin gibt es in einer Mehrheit der Unternehmen mittelbis langfristige Karrieremöglichkeiten im Projektmanagement (52), umgekehrt negiert die Mehrheit der Befragten, dass es Karrierepfade nur in der Linie gäbe (44). Zusätzlich zu den Fragen zur Karriere wurde auch eine Frage zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestellt, die ganz überwiegend positiv beantwortet wird (72). Im Vergleich zur Studie von 2019 wird dieser Aspekt um 7 Skalenpunkte höher bewertet [4]. Einen wichtigen Bestandteil von Karrieren im Projektmanagement stellen Weiterbildungsangebote zum Thema Projektmanagement dar. Diese werden auch umfangreich angenommen. Nur 7 % der Befragten gaben an, an keinerlei einschlägigen Weiterbildungsmaßnahmen teilgenommen zu haben. Wurde eine Weiterbildung besucht, waren es insbesondere Kurse zu den Grundlagen (78 %), zur sozialen Kompetenz (58 %) und zur Methodenkompetenz (56 %) im Projektmanagement. Weitere Schwerpunkte lagen auf Weiterbildungen zum Agilen PM (50 %) und zur Führungskompetenz im PM (49 %). Alle anderen Themen wurden von 40 % oder weniger besucht. (vgl. Abbildung 10). Abbildung 8: Einschätzung verschiedener Aspekte der Vergütung Abbildung 9: Einschätzung der Karrieremöglichkeiten im Projektmanagement Wissen | Ergebnisse der 8. Studie zu Gehalt und Karriere im Projektmanagement 2024 53 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0009 uvk.de Wissen | Ergebnisse der 8. Studie zu Gehalt und Karriere im Projektmanagement 2024 54 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0009 Abbildung 6: Jahresgesamtgehalt nach Projektkontext Abbildung 7: Zusammenhang zwischen Gehalt und Zertifizierungsstand Tabelle 4: Umsätze und Aufwendungen von Freiberuflern Die Projektgröße gemessen am Projektbudget hat Auswirkungen auf die Höhe der Entlohnung, wenngleich der Zusammenhang nicht linear ist. Tendenziell kann aber bei einem zunehmenden monetären Projektumfang mit einer höheren Entlohnung gerechnet werden. Je nach Projektkontext (Einzelprojekt, Multiprojekt-, Programm- oder Projektportfoliomanagement) variiert das durchschnittliche Gehalt. Dabei lässt sich insbesondere im Programmmanagement am meisten verdienen, im Kontext von Einzelprojekten werden durchschnittlich die geringsten Gehälter erzielt (vgl. Abbildung 6). Eine wichtige Rolle bei der Höhe des Gehalts spielt die Berufserfahrung im Projektmanagement. Dieser Zusammenhang ist- - bis auf den Übergang von der Berufseinstiegskohorte zur Kohorte von 2 bis 5 Jahren-- weitgehend linear. Vom Berufseinstieg bis hin zu einer Erfahrung von über 20 Berufsjahren verdoppelt sich in Deutschland das Gehalt. Insgesamt zeigt sich, dass sich Investitionen in Fort- und Weiterbildungen lohnen. Während Personen ohne jegliche projektmanagementspezifische Zertifizierung ein durchschnittliches Jahresgehalt von 97,7 TEUR erzielen, gehören die Absolventen der höheren GPM / IPMA-Zertifikatslevel B (Senior-Projektmanager) und A (Projektdirektor) sowie Zertifikatsinhaber von PMP (Project Management Professional) zu den Gruppen mit den höchsten Einkommen im Projektmanagement. Im Ergebnis zeigt sich, dass insbesondere die Absolventen der höheren GPM / IPMA-Zertifikatslevel B (Senior-Projektmanager) und Level A (Projektdirektor) sowie Zertifikatsinhaber von Hybrid+ GPM zu den Gruppen mit dem höchsten Einkommen im Projektmanagement gehören (vgl. Abbildung 7). Diese Erkenntnisse bestätigen frühere Befunde über die wichtige Funktion von Zertifizierung bei der weiteren Professionalisierung und Berufsbildung im Projektmanagement [6]. 4 Einkommenssituation von Freiberuflern An der Befragung beteiligten sich insgesamt 51 Freiberufler aus Deutschland, wobei diese gebeten wurden, ihre Angaben für das abgelaufene Geschäftsjahr 2023 zu tätigen. Die Freiberufler erzielten im Jahr 2023 im Durchschnitt einen Umsatz von knapp 171,2 TEUR (ohne Mehrwertsteuer), das sind etwa 22 TEUR mehr als noch in der Befragung von 2019. Bereinigt um Aufwendungen für Material, Reisen, Büro sowie Sozialversicherungen etc. ergibt sich ein durchschnittlicher Verdienst (vor Steuern) von 129,4 TEUR. Damit verdienen Freiberufler im Durchschnitt knapp 20 TEUR mehr als Angestellte, haben dafür aber auch das unternehmerische Risiko zu tragen (vgl. Tabelle 4). Wissen | Ergebnisse der 8. Studie zu Gehalt und Karriere im Projektmanagement 2024 55 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0009 Abbildung 11: Erworbene PM- Zertifikate Im Vergleich zu 2019 fällt auf, dass fast alle Weiterbildungsprogramme weniger frequentiert wurden. Dies könnte noch eine Nachwirkung der Corona-Pandemie sein, in der die Teilnahme an Weiterbildungskursen insbesondere aufgrund der Kontaktbeschränkungen dramatisch eingebrochen war. Scheinbar konnte bis heute nicht das Niveau der Vorpandemiezeit erreicht werden. Eine weitere Ursache könnte in der-- zumindest bis ins Jahr 2023 reichenden-- positiven wirtschaftlichen Entwicklung vieler Unternehmen und der damit verbundenen hohen Auslastung bzw. geringen Kapazität für Aktivitäten jenseits des Tagesgeschäfts liegen. Insofern kann im Bereich der Weiterbildung ein gewisses Nachholpotenzial konstatiert werden. Mehr als zwei Drittel der Befragten können eine Zertifizierung im Projektmanagement vorweisen (68 %). 35 % verfügen sogar über zwei oder mehr Zertifikate. Im Vergleich zu den Ergebnissen der Studie von 2019 hat sich der Anteil der Befragten, die ein Zertifikat vorweisen können, um 19 % reduziert. Am häufigsten wurde das Zertifikat Level D der IPMA / GPM erworben, das 26 % aller Studienteilnehmer vorweisen können. Weitere 17 % verfügen über das Zertifikat Level C (IPMA / GPM) und 11 % über das Zertifikat Level B (IPMA / GPM). Den Professional Scrum Master / Certified Scrum Master® haben 17 % durchlaufen. Alle anderen Zertifikatskurse wurden von weniger als 10 % der Studienteilnehmer abgeschlossen (vgl. Abbildung 11). 6 Fazit Vor fünf Jahren wurde die letzte GPM-Gehaltsstudie veröffentlicht. Seitdem hat sich die wirtschaftliche und politische Situation in Deutschland stark verändert. In Zeiten tiefgreifender Veränderungen ist das Projektmanagement gefordert. Da Projekte zur Gestaltung und Umsetzung von Veränderungen geeignet sind, ist davon auszugehen, dass die Bedeutung von Projektarbeit weiter zunehmen wird. Dies trifft sowohl mit Blick auf die großen gesellschaftlichen Herausforderungen mit Blick auf Digitalisierung und Nachhaltigkeit als auch mit dem Heben von Rationalisierungspotenzialen in wirtschaftlich angespannten Zeiten zu. Die empirischen Ergebnisse bestätigen, dass das Berufsfeld Projektmanagement eine hohe Bedeutung genießt: die Gehälter sind seit 2019 überproportional gestiegen. Allerdings bleiben auch einige Herausforderungen bestehen: So werden einerseits die Karriereperspektiven für Projektmitarbeiter als unbefriedigend empfunden. Diese sind häufig wenig transparent, unklar definiert, überhaupt nicht oder nur in der Linie vorhanden. Andererseits liegt im Berufsfeld Projektmanagement, wie auch in anderen Tätigkeitsfeldern, ein deutlich beobachtbarer „Gender Pay-Gap“ vor. Literatur [1] Futterer, F.; Schneider, C.; Schneider, S.; Schoper, Y. (2013): Wer verdient wie viel in der PM-Branche? 4. GPM Gehalts- und Karrierestudie für Projektpersonal 2013. GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V., Nürnberg. [2] Futterer, F.; Schneider, C.; Schoper, Y.; Spannuth, T.; Wald, A. (2015): Gehalt und Karriere im Projektmanagement in Deutschland und Österreich. 5. GPM Gehaltsstudie. GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V., Nürnberg. [3] Gröber, M.; Scheurer, S.; Schneider, C.; Wald, A. (2017): Gehalt und Karriere im Projektmanagement 2017- - Das Gehaltsbarometer für Projektmanagerinnen und Projektmanager im deutschsprachigen Raum. 6. GPM Gehaltsstudie. GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V., Nürnberg. [4] Schneider, C.; Wald, A.; Schoper, Y.; Treiber, C. (2019): Gehalt und Karriere im Projektmanagement 2017- Das Gehaltsbarometer für Projektmanagerinnen und Projektmanager im deutschsprachigen Raum. 7. GPM Gehaltsstudie. GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V., Nürnberg. [5] Sieben, B.; Braun, T.; Ferreira, A. I. (2016). Reproduction of ‘Typical’ gender roles in temporary organizations-- No surprise for whom? The case of cooperative behaviors and their acknowledgement. Scandinavian Journal of Management, 32(1), 52-62. [6] Nicklich, M.; Braun, T.; Fortwengel, J. (2020). Forever a profession in the making? The intermediate status of project managers in Germany. Journal of Professions and Organization, 7(3), 374-394. Wissen | Ergebnisse der 8. Studie zu Gehalt und Karriere im Projektmanagement 2024 56 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0009 Christoph Schneider Christoph Schneider studierte Soziologie und Politische Wissenschaften an der Ruprechts-Karls-Universität Heidelberg. Seit 2007 ist er als Forschungsdirektor und Institutsleiter an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht tätig. In Kooperation mit der GPM leitete er viele Studien zum Thema Projektmanagement wie z. B. die Makroökonomische Vermessung der Projekttätigkeit in Deutschland (2015 und 2023), die Gehalts- und Karrierestudie im Projektmanagement 2013, 2015, 2017 und 2019, Mit Projekten Unternehmen erfolgreich führen (2012), Global Project Management Survey (2010), Potentiale und Bedeutung des Projektmanagements aus der Perspektive des Topmanagements (2009). https: / / www.ebs.edu / forschung / institute-center-labs / institute-for-technology-innovation-customer-centricity eMail: christoph.schneider@ebs.edu Andreas Wald Andreas Wald (Dr. rer. pol. habil.) Professor für Strategie an der School of Business and Law der University of Agder in Kristiansand. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Temporäre Organisationen, Entrepreneurship, Management Control und Innovation. Seine Arbeiten erscheinen unter anderen in wissenschaftlichen Zeitschriften wie Project Management Journal, International Journal of Project Management und International Journal of Managing Projects in Business. https: / / www.uia.no / en / kk / profile / andreasw eMail: andreas.wald@uia.no timo Braun Timo Braun (Univ.-Prof. Dr. habil.) ist Geschäftsführender Direktor des Instituts für Arbeitswissenschaft und Prozessmanagement und leitet das Fachgebiet „Projektmanagement in der Digitalen Transformation“ an der Universität Kassel. Er kooperiert in verschiedenen Projekten und Gremien seit fast 15 Jahren mit der GPM und ist wissenschaftlicher Leiter der aktuellen GPM Gehalts- und Karrierestudie. Web: http: / / uni-kassel.de / go / pmdt eMail: timo.braun@uni-kassel.de Simon Staudigl Simon Staudigl ist seit 2023 als Projektleitung im Projekt Management Office der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. tätig. Hier leitet er Projekte des Portfolios, so auch die Umsetzung der aktuellen GPM Gehalts- und Karrierestudie. Darüber hinaus unterstützt Simon Staudigl Projektmanagerinnen und Projektmanager in der Linienorganisation der GPM methodisch. eMail: s.staudigl@gpm-ipma.de Eingangsabbildung: © GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. 57 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0010 Ausblick auf den IPMA World Congress 2025 Der Countdown für Berlin läuft Sebastian Wieschowski Besondere Ereignisse im Herbst werfen ihre Schatten schon zu Beginn des Jahres 2025 voraus: Die hauptamtlichen MitarbeiterInnen der GPM haben bereits jetzt alle Hände voll zu tun, um den IPMA World Congress 2025 zu einem unvergesslichen Ereignis zu machen. Keynote-Speaker und Sponsoren werden gewonnen, Werbeanzeigen platziert-- und Anregungen vom IPMA World Congress 2024 verarbeitet. Impulse aus Kapstadt für Berlin Eine Delegation der GPM brachte wertvolle Impulse vom 33. IPMA World Congress, der vom 27. bis 29. November 2024 im DHL-Stadion in Kapstadt, Südafrika, stattfand, mit. Die Veranstaltung machte deutlich, wie Projektmanagerinnen und Projektmanager aus aller Welt mit zukunftsweisenden Projekten neue Hoffnung stiften. Fast 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen zusammen, um unter dem Leitthema „Hope“ die transformative Kraft von Hoffnung im Projektmanagement zu beleuchten. Der letztjährige Kongress stellte die Bedeutung von Hoffnung als treibende Kraft hinter Projekten in den Mittelpunkt. Unter dem Motto „People, Purpose, Performance“ zeigte das Event, wie die Verbindung von menschlichem Potenzial, klaren Zielen und herausragender Leistung zu außergewöhnlichen Ergebnissen führen kann. „Gerade in Zeiten globaler Herausforderungen ist Hoffnung ein wichtiger Faktor, um Veränderungen anzustoßen und zu meistern“, sagt GPM Präsident Prof. Dr. Peter Thuy weiter. Das Programm umfasste fünf Keynotes, darunter Vorträge renommierter Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft, 32 praxisorientierte Fallstudien und 28 akademische Präsentationen. Besonders hervorgehoben wurden die zwölf „Hope Presentations“, die praktische Beispiele für die Umsetzung hoffnungsvoller Projekte präsentierten. Themen wie Business-Agilität, Künstliche Intelligenz im Projektmanagement und emotionale Intelligenz standen in mehreren Vorträgen im Fokus. Die Veranstaltung wurde feierlich vom Bürgermeister von Kapstadt und dem Infrastrukturminister Südafrikas eröffnet. Beide betonten in ihren Ansprachen die Relevanz von Projektmanagement für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung. „Die Unterstützung auf kommunaler und ministerieller Ebene zeigt, dass Projektmanagement weltweit an Bedeutung gewinnt“, resümiert GPM Präsident Prof. Dr. Peter Thuy. Ein Höhepunkt war der Vortrag von Dr. Wolfgang Glitscher, ehemaliger GPM Delegierter, zum Thema ESG-Standards. Unter dem Titel „We are in the Driver’s Seat-- A Magic Carpet Ride“ stellte er die Führungsrolle der Projektmanagement- Community in der nachhaltigen Transformation heraus. Auszeichnungen für herausragende Projekte Höhepunkt des zweiten Kongresstages war die Verleihung der IPMA Project Excellence Awards. Der Stromnetzbetreiber TenneT erhielt für seinen Ostbayernring, der die Versorgungs-, Netz- und Ausfallsicherheit für Oberfranken und die Oberpfalz Wissen | Der Countdown für Berlin läuft 58 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0010 sicherstellen soll, den dritten Platz und verdeutlichte, wie deutsche Projekte international Maßstäbe setzen. „Die Verbindung von technischer Exzellenz und gesellschaftlichem Nutzen war inspirierend“, kommentierte Lukas Jochum, Leiter des Präsidialbüros der GPM, der ebenfalls Teil der deutschen Delegation war-- dazu gehörten auch Vertreterinnen und Vertreter der Young Crew, dem Netzwerks junger Projektmanagerinnen und Projektmanager bis 35 Jahre, das Studierende, Auszubildende und Young Professionals mit Interesse am Projektmanagement zusammenbringt. Vor Ort waren auch Sandro Meile, Mitglied des Young Crew Management Boards der GPM und zuständig für das internationale Netzwerk, der Ehrenvorsitzende der GPM und ehemalige Präsident der IPMA Reinhard Wagner sowie Peter Pürckhauer, der sich unter anderem als Leiter der Fachgruppe "PM macht Schule" und als Delegierter für die GPM engagiert. Gesellschaftliche Relevanz im Fokus Neben der fachlichen Expertise betonte der Kongress auch die Verbindung zur Gesamtgesellschaft. „Es war beeindruckend zu sehen, wie sehr Projektmanagement nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in sozialen und kulturellen Projekten verankert ist“, sagte Prof. Dr. Peter Thuy, Präsident der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement. Diese Brücke zur Gesellschaft wurde als eine der zentralen Erkenntnisse des Kongresses hervorgehoben: „Berlin wird die Tradition fortsetzen, Hoffnung und Innovation im Projektmanagement zu fördern“, so GPM Präsident Prof. Dr. Peter Thuy. Das Fazit der deutschen Delegation: Der IPMA World Congress 2024 hat eindrucksvoll gezeigt, dass Hoffnung im Projektmanagement weit mehr ist als nur ein Gefühl. Sie ist der Motor für Innovation, Zusammenarbeit und gesellschaftlichen Fortschritt- - eine Botschaft, die von Kapstadt aus in die ganze Welt ausgestrahlt wurde und bis nach Berlin zum World Congress im Herbst 2025 tragen wird. Erste Keynote für Berlin bestätigt: Was hat Jazz mit Projektmanagement zu tun? Als erster Keynote Speaker für den IPMA World Congress 2025 in Berlin konnte der Unternehmer und Jazzpianist Thilo Wolf gewonnen werden. Er wird seinen „Jazz Thinking“- - Ansatz für Kreativität und Dynamik im klassischen und agilen Projektmanagement vorstellen und zeigen, wie die Prinzipien des Jazz und der Orchesterarbeit auf das Projektmanagement übertragen werden können. „Jazz Thinking“ ist mehr als nur ein Konzept- - es ist ein Weg, Teams zu inspirieren, kreative Lösungen zu finden und neue Wege zu gehen, ohne dabei die Stabilität zu verlieren. Die Teilnehmenden am IPMA World Congress können seine Verbindung aus klassischen Führungsprinzipien, Improvisation und agiler Dynamik entdecken und Anregungen gewinnen, wie musikalische Ansätze Ihre Projekte und Teams bereichern können. „Projektmanagement ist ein Balanceakt zwischen Struktur und Flexibilität. In einer Welt, in der klassische und agile Ansätze immer mehr verschmelzen, kommt es darauf an, beide Welten harmonisch zu verbinden“, erklärt Wolf. Sein Ziel: Bewährte Methoden mit innovativem Denken und Spontaneität kombinieren. Anhand von Beispielen aus der Welt der Musik und Orchesterarbeit-- von Big Bands bis hin zu Sinfonieorchestern-- verdeutlicht Thilo Wolf, wie kleine Variationen innerhalb bestehender Strukturen große Veränderungen bewirken können. Themen wie Fehler(un)kultur, Silodenken und die Überwindung von Generationenkonflikten werden dabei praxisnah beleuchtet. Moderation: Zwischen Technologie, Innovation und Berliner Kreativwirtschaft Für die Moderation des IPMA World Congress 2025 in Berlin zeichnet AC Coppens verantwortlich- - AC ist international renommiert und bringt breite Erfahrung in der Moderation und Speaking-Engagements an der Schnittstelle von Technologie, Kreativwirtschaft und Innovation mit. AC Coppens hat die Agentur „The Catalysts“ gegründet, die Vordenkerinnen und Vordenker aus den Bereichen Film, Medien, Design und digitale Technologien begleitet und komplexe Themen mit Präzision, Leidenschaft und visionärem Weitblick vermittelt. AC Coppens hat sich auf globalen Bühnen einen Namen gemacht, darunter die re: publica, die TED Conference in Atlanta-- dort als Teil des exklusiven TED Red Circle-- sowie zahlreiche internationale Innovations- und Technologiekonferenzen. Die Moderationen sind geprägt von einer dynamischen, inspirierenden und zugleich analytischen Herangehensweise, die es ermöglicht, zukunftsweisende Themen greifbar zu machen und interdisziplinäre Verbindungen zu schaffen. Beim IPMA World Congress 2025 wird AC Coppens nicht nur souverän durch das Programm führen, sondern den Teilnehmenden auch wertvolle Impulse für die Zukunft des Projektmanagements bieten. Mit internationaler Erfahrung und einem feinen Gespür für Trends wird AC Coppens die Diskussionen bereichern, Perspektiven erweitern und das Event zu einer unvergesslichen Plattform für Austausch und Inspiration machen. Call for Papers: Viele gute Ideen für ein rundes Programm Auf großes Interesse ist der Call for Papers für den IPMA World Congress gestoßen. Zahlreiche renommierte SpeakerInnen, PraktikerInnen, WissenschaftlerInnen oder VordenkerInnen- - haben die Gelegenheit genutzt, ihre Ideen einzubringen und die globale Projektmanagement-Community zu inspirieren. Die Einreichungsmöglichkeit für praxisorientierte Vorträge hat am 28. Februar 2025 geendet und die Vielzahl und Bandbreite der vorgeschlagenen innovativen Methoden, Tools und Techniken sowie Beispiele erfolgreicher Projekte und Lösungen zu aktuellen Herausforderungen ist eine starke Grundlage für ein attraktives Programm. Alle Einreichenden erhalten eine Rückmeldung zur Annahme bis Mitte / Ende März 2025. Es folgt eine Durchsprache des Vortrags mit einem Mitglied Wissen | Der Countdown für Berlin läuft 59 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0010 des Programmkomitees sowie Abgabe des finalen Foliensatzes zwischen Mitte Juli und Ende August 2025. Wissenschaftliche Arbeiten mit Paper können noch bis zum 27. April 2025 eingereicht werden. Gesucht werden originale Forschungsergebnisse, neue Ansätze und theoretische Beiträge. Forschende erhalten die Möglichkeit einer Präsentation ihres Papers auf dem World Congress sowie der Veröffentlichung in den IPMA Publications nach dem Kongress. Eine Rückmeldung erfolgt bis Ende Mai 2025. Earlybird-Buchung: Tickets mit doppelter Spar- Möglichkeit für Mitglieder Bereits jetzt können sich Interessierte ihre Teilnahme am IPMA World Congress zu einem besonders attraktiven Preis sichern: Die Early Bird Buchung hat begonnen. Noch bis zum 25. Juni 2025 sind Kongresstickets mit einem Preisnachlass von rund 10 Prozent erhältlich- - solange der Vorrat reicht. Mitglieder der GPM oder IPMA profitieren zudem von einem zusätzlichen Rabatt von etwa 15 Prozent. Früh zu buchen lohnt sich also für Mitglieder doppelt! Der IPMA World Congress bietet flexible Ticket-Optionen, die individuell auf die Bedürfnisse der Teilnehmenden zugeschnitten sind. Das Congress-Ticket umfasst den Zugang zum Kongress sowie eine umfassende Verpflegung während der Veranstaltung. Neben der klassischen Kongressbuchung stehen Pakete mit Seminar- oder Gala-Zugang sowie ein Komplettpaket zur Auswahl. Ein weiteres Highlight ist die Global Award Gala, bei der das 60-jährige Bestehen der IPMA gefeiert wird- - ein exklusiver Abend, der inspirierende Impulse und beste Networking-Möglichkeiten bietet. Seminartag: Add-On mit Mehrwert für Projektmanagement-Profis Wer sich rund um den IPMA World Congress weiter spezialisieren möchte, kann den Seminartag als Ergänzung buchen, der vor dem Kongress stattfindet. Es werden sechs Seminare zu aktuellen Trend-Themen angeboten, darunter wertebasierte Führung, Kompetenzen für die digitale Arbeitswelt, Resilienz, Konfliktlösung, KI-Nutzung und Struktur im schwierigen Projektalltag. Die Seminare finden im Vorfeld des IPMA World Congress am 17. September 2025 von 10: 00 bis 18: 00 Uhr statt, es schließt sich direkt danach bis 20: 00 Uhr eine Welcome Reception an. IN BERLIN MEET US 17.-19. SEPTEMBER 2025 worldcongress-ipma.com JETZT TICKET SICHERN Erleben Sie die neuesten Trends, Innovationen und Best Practices im Projektmanagement! P O W E R E D B Y 60 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0011 Wie zwei Projektmanagement-Profis über das Ehrenamt zueinander fanden-- und welche Rolle das Thema „Projektmanagement“ in ihrer Partnerschaft spielt. Die GPM verbindet-- manchmal fürs ganze Leben Sebastian Wieschowski Fachverbände wie die GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. bieten weitaus mehr als „nur“ Wissen oder Weiterbildung und ihre Aktivitäten gehen weit über den Einsatz für ein konkretes Thema in Gesellschaft und Politik hinaus. Sie schaffen auch Verbindungen- - die GPM hat sich als weitreichendes Netzwerk für Projektmanagement-Expertinnen und -Experten. Und dieses Netzwerk kann auch Verbindungen schaffen, die ein Leben lang reichen-- wie bei Stephan Reinisch: Er hat durch sein ehrenamtliches Engagement in der GPM Young Crew seine heutige Ehepartnerin Fenja Reinisch-Gengelazky kennengelernt. Der Wirtschaftsingenieur kam mit dem Thema „Projektmanagement“ erstmalig während des Studiums in Berührung, als er an einem Formula Student Wettbewerb teilnahm und seitens eines Sponsors einen PM-Basiskurs erhielt. Sein damaliger Trainer machte ihn auf die GPM aufmerksam- - und Reinisch war daran beteiligt, die Local Group der GPM Young Crew in Hannover ins Leben zu rufen. Das war 2012 und Reinisch blieb der GPM über die Jahre hinweg bei diversen Ehrenamtsveranstaltungen treu. Als Energieeffizienzberater arbeitet er projektbasiert und konnte die neuen Erkenntnisse stets praxisorientiert anwenden. Im Jahr 2019 traf Stephan Reinisch beim Young Crew Summit in Frankfurt seine künftige Frau. Fenja ist beruflich im internationalen Projektmanagement in deutsch-dänischen Projekten tätig und wohnte in Kiel, Stephan in einem kleinen Ort südwestlich von Hildesheim: „Die Wahrscheinlichkeit, dass man sich da über den Weg läuft, ist also normalerweise gering-- außer beim GPM Young Crew Summit“, sagt Stephan Reinisch. Die beiden kamen ins Gespräch, wurden ein Paar und lebten künftig auf Autobahn und Bahngleisen, um die Distanz von rund 300 Kilometer zu überbrücken. Dabei verbrachten sie viel gemeinsame Zeit unterwegs, um Veranstaltungen zu besuchen und dabei immer wieder gegenseitig Projekte zu reflektieren. Während der Corona-Pandemie konnten sie aus den heimischen Wohnzimmern an beiden Standorten viel zusammenarbeiten-- und dabei auch gemeinsame Pläne für die Zukunft schmieden. Einer davon: Der Young Crew Summit 2022, den sie gemeinsam organisiert haben. Eine andere Idee: Eine Projektberatung, die sie in Form einer kleinen Firma ins Leben gerufen haben. Instrumente reflektieren, die nächsten Schritte planen-- das Ehepaar Reinisch-Gengelazky ist also auch durch die gemeinsame Projektmanagement-Leidenschaft miteinander verbunden. Und vereinzelt lassen sich Projektmanagement-Ansätze auch auf das Privatleben übertragen, so Stephan Reinisch: „Durch die Projektmanagement-Erfahrung legen wir beide Wert darauf, dass es immer eine Person gibt, die einen Hut für etwas aufhat“, erklärt Stephan. Außerdem kommt es durchaus vor, dass er und seine Partnerin auch bei privaten Projekten wie Sanierungsvorhaben oder Sommerfesten in „Arbeitspaketen“ denken, um gemeinsame Ziele über das Jahr hinweg realistisch zu halten. Die Arbeit wird wohl früher oder später in jeder Partnerschaft zu einem wiederkehrenden Thema. Stephan Reinisch beschreibt den gemeinsamen Nenner des Projektmanagements als große Bereicherung: „Fachlich sind wir eigentlich in total unterschiedlichen Gebieten unterwegs, wir arbeiten aber dank Projektmanagement mit ähnlichen Lösungsinstrumentarien. Dadurch haben wir einen unverstellten Blick, Aus den DACH-Verbänden | Die GPM verbindet manchmal fürs ganze Leben 61 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0011 wenn wir uns mit den Themen des anderen beschäftigen, und jeder nimmt vom anderen was mit.“ Zudem schätzt Stephan Reinisch die Impulse, die seine Frau aus ihrer Arbeit einbringt: „Ich lerne dabei unheimlich viel dazu-- beispielsweise zu Moderation und Stakeholderkommunikation. Fenja ist in wesentlich größeren Konsortien tätig, bei mir gibt es normalerweise wenige Stakeholder. Sie hat deshalb weitaus mehr Erfahrung mit Moderationsmethoden und dem Interessenaustausch.“ Für Stephan Reinisch ist ein Schlagwort wie „GPM verbindet“ also viel mehr als ein blumiger Slogan: „Ich habe durch mein Engagement für die GPM unheimlich viele Menschen kennengelernt.“ Vereinzelt sind dabei auch private Freundschaften entstanden-- und ein Bund fürs Leben. Beste berufliche Weiterbildung 2025 Zwei Auszeichnungen für die GPM vom SZ-Institut Die GPM wurde im aktuellen Ranking „Beste berufliche Weiterbildung 2025“ des SZ-Instituts ausgezeichnet. Die Ergebnisse, heute in der Süddeutschen Zeitung und online unter dem Titel „Die besten Karriere-Booster“ veröffentlicht, würdigen die herausragenden Leistungen der GPM in mehreren Kategorien. Besonders erfolgreich schnitt die GPM in den Bereichen Projekt- und Prozessmanagement mit einer Bewertung von 85,8 von 100 Punkten sowie Soft Skills und Zeitmanagement mit 87,7 von 100 Punkten ab. Diese Resultate unterstreichen die Relevanz und Qualität der Bildungsangebote der GPM, die sich gezielt an den modernen Bedürfnissen von Berufstätigen im Projektmanagement orientieren. Das Ranking basiert auf einer Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts Schad (SWI), die sowohl Kundenbefragungen als auch Social Listening auswertete. Zu den untersuchten Kriterien zählen u.a. der persönliche Nutzen, die Aufbereitung der Inhalte sowie das Preis-Leistungs-Verhältnis - alles Aspekte, die der GPM seit Jahren ein besonderes Anliegen sind. „Diese Anerkennung zeigt, dass wir mit unserer Vision, Projekte als Schlüssel zur Zukunft zu verstehen, den richtigen Weg gehen. Weiterbildung im Projektmanagement ist nicht nur ein individueller, sondern auch ein gesamtgesellschaftlicher Erfolgsfaktor“, betont GPM Präsident Prof. Dr. Peter Thuy. Deutscher Studienpreis Projektmanagement 2024 Innovative Ideen, frische Perspektiven und zukunftsweisende Ansätze Die GPM hat im Jahr 2024 drei herausragende Studienarbeiten mit dem „Deutschen Studienpreis Projektmanagement“ (kurz „DSPM“) ausgezeichnet. Die Auszeichnung unterstreicht die Relevanz von Projektmanagement als Schlüsselkompetenz zur Bewältigung aktueller Herausforderungen in Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft und honoriert gleichzeitig die Exzellenz und den Einsatz junger Talente. Der Preis für die beste Bachelorarbeit zum Projektmanagement geht in diesem Jahr an Peter Kühn von der Technischen Hochschule Mittelhessen. Der Titel seiner Arbeit lautet: „Implementierung ökologischer Nachhaltigkeitsaspekte in die Prozesse des Projektmanagements.“ Die beste Masterarbeit wurde von Leon Herrlich von der Technischen Universität Darmstadt mit dem Titel: „Bedeutung von Projektportfolio-Risikomanagement in Zeiten zunehmender Komplexität und Unsicherheit.“ verfasst. Die Auszeichnung für die beste Dissertation erhält Jadena Bechtel von der Technischen Universität Darmstadt. Der Titel ihrer Arbeit lautet: „Managing Tensions: Agile and Sustainable Strategies in Project Portfolio Management.“ Seit 1997 zeichnet die Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement (GPM) herausragende Abschlussarbeiten und Dissertationen im Bereich „Projektmanagement“ aus. Ziel des Deutschen Studienpreises Projektmanagement ist es, herausragende Leistungen sichtbar zu machen, den Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Praxis zu fördern und gleichzeitig die Weiterentwicklung der Projektmanagement-Disziplin zu unterstützen: „Seit jeher ist die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und die Unterstützung des Transfers von der Wissenschaft in die Praxis ein Kernanliegen der GPM. Mit dem Deutschen Studienpreis Projektmanagement ehren wir akademische Höchstleistungen“, betont GPM Präsident Prof. Dr. Peter Thuy. 62 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0012 Kolumne Entlang des Stromes Jens Köhler Die Kolumne „Ehrlich und Priesberg“ möchte mit unterhaltsamen Dialogen rund um das Thema „Mensch-- Kommunikation, Verhalten, Entscheidungen“ Denkanstöße für den PM-Alltag geben. Priesberg und Ehrlich treffen sich bei der Essensausgabe. Es geht schleppend voran, da sich manche nicht entscheiden können, was sie essen möchten. Priesberg legt los: „So geht es auch in meinem Projekt zu. Es gibt keine Entscheidungen mehr, sondern nur noch Stillstand.“ Sie nehmen schließlich ihre Tabletts und setzen sich in eine ruhige Ecke in der Kantine. Ehrlich holt einen Zettel hervor und beschreibt ihn bedeutungsvoll auf beiden Seiten. „Hier, lies dir das durch“, spricht er zu Priesberg, als er ihm den Zettel übergibt. Priesberg schaut ungläubig auf die Worte und dreht ihn um. Er schüttelt den Kopf und dreht ihn abermals um. „Was soll das? “, ruft er. „Auf dem Zettel steht jeweils ‚bitte wenden‘.“ „Das ist die Situation, in der sich entscheidungsunfähige Projekte befinden“, erläutert Ehrlich. „Das weiß ich selbst“, entgegnet Priesberg gereizt, „warum zeigst du mir das? “ „Ganz einfach. In vielen Situationen spielen Teile des Projekts mit sich selbst oder den Stakeholdern Ping-Pong. Sie merken es nur nicht im Gegensatz zu dir beim Zettel.“ Priesberg wechselt das Thema: „Werden wir mal konkret. Ich bin in einem größeren Projekt zur Einführung von Generativer KI. Mit ihr soll das Lesen technischer Dokumentationen weitestgehend automatisiert werden. Durch Fragen an einen KI-gesteuerten Assistenten erhält man gleich die benötigte Antwort.“ Ehrlich entgegnet: „Interessant. Und wo ist das Problem? Das ist doch schon Stand der Technik.“ „Im Team gibt es zwei Gruppen. Die einen sind sich nicht sicher, ob bei der automatischen Zusammenfassung wichtige technische Details übersehen werden. Sie weisen häufiger darauf hin, dass Generative KI von der Tagesform abhängt und so manches Mal sich weigert, Begriffe zu nennen“, erläutert Priesberg. „Lass mich raten, auf der anderen Seite gibt es die Teammitglieder, die den Einsatz von KI befürworten“, fällt ihm Ehrlich ins Wort. „Ja, so kann man es in etwa sagen. Es gibt dann endloses Abwägen. Bislang liegt kein Projektergebnis vor“, schließt Priesberg ab. „Und du bist sicher, dass euer Team nicht merkt, dass es in einer Endlosschleife steckt? “, hakt Ehrlich nach. „Ganz sicher. Das Team stört sich nicht daran, dass es kein Ergebnis hat, sondern erfreut sich an den Diskussionen“, antwortet Priesberg resigniert. „Kannst du mir die Blockade genauer beschreiben? “, bohrt Ehrlich nach, „wie äußern sich denn die Skeptiker? “ „Zum Beispiel mit der Aussage: ‚Ich möchte nur anmerken, festgestellt zu haben, dass KI manche Erinnerungslücken hat.‘“, führt Priesberg aus. Ehrlich fragt weiter: „Wie ist die Atmosphäre im Team? Ist sie freundlich oder auf Krawall? “ „Definitiv freundlich. Deswegen bin ich auch so verwundert“, antwortet Priesberg. Ehrlich fragt weiter: „Und wie reagieren die Enthusiasten auf die Blockade? “ Priesberg übernimmt: „Sie wiegeln ab und verweisen auf die Zukunft. ‚Es wird sicher Mittel und Wege geben, dies zu lösen‘, versuchen sie zu beruhigen.“ „Und das wiederum bestärkt die Skeptiker“, spricht Ehrlich, „ich glaube, ich habe es: Die Teammitglieder versuchen sich gegenseitig die Schwierigkeiten im Projekt zu erklären. Kein Wunder, dass Entscheidungen in den Hintergrund rücken.“ Priesberg überlegt: „Also eine übertragbare Situation, wie bei meinem Zettel vorhin. Wie kommt man denn da raus? “ Ehrlich erklärt: „Ganz einfach. Bitte deine Skeptiker, sie sollen nicht immer sagen, sie hätten ein Problem gefunden, sondern bitte die Enthusiasten im Team um eine Lösung. Etwa: ‚Ich habe festgestellt, dass sich die KI seltsam verhält. Wie können wir diese Herausforderung stemmen? ‘ Ich bin mir dann sehr sicher, schnell eine konkrete Lösung auf dem Tisch zu haben.“ Priesberg ist skeptisch und fragt: „Woher nimmst du die Gewissheit? “ Ehrlich grinst: „KI liegt im Strom der Zeit. Niemand wird sich ihr verschließen können. Wie das ausgeht - ungewiss. Aber es hat eine magnetische Wirkung.“ Priesberg stutzt: „Geht das auch ein wenig konkreter? “ „Klar. Wenn die Skeptiker anerkennen, dass man gegen die KI nicht schwimmen sollte, dann blockieren sie sich nicht mehr mit den Enthusiasten, sondern können sich auf die technische Umsetzung der gestellten Aufgabe fokussieren“, fasst Ehrlich zusammen. Priesberg schließt nachdenklich ab: „Mit der Strömung gelangt man leichter zum Ziel - wenn diese in Richtung des Ziels fließt.“ Eingangsabbildung: © iStock.com / Comeback Images Jens Köhler Dr. Jens Köhler, BASF SE, fokussiert sich auf die Digitalisierung in Forschung und Entwicklung. Sein Spezialgebiet ist die Regulation sozialer Komplexität zur Effizienz- und Effektivitätssteigerung von Projektteams. Anschrift: BASF SE, RGQ / IM, 67 056 Ludwigshafen, eMail: Jens.Koehler@basf.com 63 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0012 Modelle, Methoden und Instrumente der Projektdiagnose praxisnah vermittelt uvk.de 64 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0013 Aus den DACH-Verbänden | GPM intern Neue Firmenmitglieder stellen sich vor-… Firma Hauptgeschäftsgebiet PM-Aufgaben und -Bedeutung Erwartungen an die GPM Bundesstadt Bonn www.bonn.de Nicole Malso, nicole.malso@bonn.de Die Stadtverwaltung als kommunale Verwaltung der Bundesstadt Bonn ist zentrale Anlaufstelle für Bürgerinnen und Bürger und bewältigt vielfältige Aufgaben: Sie führt das Alltagsgeschäft der Verwaltung, nimmt staatliche Aufgaben im ihr übertragenen Rahmen wahr, bereitet Beschlussvorlagen für den Rat vor und setzt die von ihm beschlossenen Projekte und Maßnahmen um. Vor dem Hintergrund zunehmender sowie vielfältiger projektbezogener Arbeit in der Verwaltung und einem komplexen Umfeld, ist Projektmanagement eine essenzielle Basis, um diesen Herausforderungen begegnen zu können. Um die Professionalisierung zu unterstützen, gibt es für die Mitarbeitenden bereits ein Angebot aus Vorlagen, Hilfsmitteln, Coaching und Schulungsmaßnahmen, welches schrittweise erweitert wird. Die Firmenmitgliedschaft ist eine wertvolle Ergänzung zu den bisherigen Angeboten. Als Teil der GPM freuen wir uns auf den Erfahrungsaustausch und die Möglichkeiten unser Wissen zu erweitern. 3m5. Media GmbH www.3m5.de Seit mehr als 25 Jahren begleiten wir namenhafte Kunden wie ZDF, BMW, Ravensburger, Maggi, Puma oder Gardena bei der Digitalisierung. Wir bieten als erfahrene Internetagentur die Entwicklung komplexer Websites, Apps, Individualsoftware und Onlineshops an. Projekte sind unser Tagesgeschäft und damit spielt Projektmanagement, insbesondere im Multiprojektmanagement, für uns eine entscheidende Rolle. Projektmanagement bedeutet für uns, dass sich die Methoden und Prozesse fortwährend an die Kunden und Projekte anpassen. Wir erhoffen uns einen regen Austausch und Zuwachs im Bereich Projektmanagement- - von neugierigen Studenten bis hin zu erfahrenen Seniors bieten wir jedem eine Chance, 3m5. zu bereichern. PSW automotive engineering GmbH www.psw-engineering.de Als 100-prozentige Tochter der AUDI AG und Generalentwickler gestaltet PSW mit rund 1.000 Mitarbeitenden an den Standorten Ingolstadt und Neckarsulm die Mobilität der Zukunft aktiv mit. PSW übernimmt für seine Kunden die Derivate- oder Modulentwicklung und erarbeitet innovative Lösungen für technische Herausforderungen. Professionelles Projektmanagement ist für uns bei PSW eine unerlässliche Kernkompetenz, um unsere Generalentwicklungsprojekte in der Automobilbranche erfolgreich umzusetzen. Das Magische Dreieck bestehend aus Kosten, Termin und Qualität ist bei uns tief verankert und wir garantieren eine durchgängige Projektsteuerung vom Konzept bis zur Serie. Wir erwarten uns von der GPM wertvolle Einblicke in aktuelle Best Cases im Projektmanagement aus verschiedenen Branchen und Anregungen für unsere eigene Arbeit. Besonders interessieren uns dabei die Weiterbildungsangebote, Fachveranstaltungen und der Austausch mit anderen Mitgliedern. Die GPM Fach- und Regionalgruppen Die derzeit 39 Regionalsowie 31 Fachgruppen der GPM bieten eine Plattform zum branchenübergreifenden Networking und Erfahrungsaustausch. Sie leisten damit wichtige fachliche Basisarbeit innerhalb des Vereins. Die Regional- und Fachgruppen bieten darüber hinaus ein breites Angebot von in der Regel kostenlosen Veranstaltungen zum Projektmanagement. Weitere Informationen und Ansprechpartner der einzelnen GPM Fach- und Regionalgruppen finden Sie auf der GPM Website unter: www.gpm-ipma.de / know_how / fachgruppen.html bzw. www.gpm-ipma.de / ueber_uns / regionen.html 65 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0014 Aus den DACH-Verbänden | pma intern Wasserbaulabor der BOKU Wien: Meilenstein für das Projektmanagement Das Wasserbaulabor der Universität für Bodenkultur (BoKU) ist ein weltweit einzigartiges Forschungszentrum in Wien. Das team rund um Professor Helmut Habersack wurde mit dem pma project excellence award 2024 ausgezeichnet. Das Team der Boku Wien bei der Überreichung des project excellence awards 2024. © pma / Hörmandinger Das BOKU-Wasserbaulabor in Wien beschäftigt sich mit der Analyse von Flusssystemen und deren Verhalten bei Extremereignissen. Am Beginn des Projekts stand die Erkenntnis, dass bisherige Modelle im kleinen Maßstab nicht die Realität widerspiegelten und eine größere Skala notwendig ist, um Theorie und Praxis besser abzustimmen. Durch den Klimawandel und Extremereignisse wie Hochwasser und Dürreperioden gewinnt die Forschung zunehmend an Relevanz Best of Projektmanagement Sowohl die Planung als auch die Errichtung des Wasserbaulabors war auch aus Projektmanagement-Sicht eine bemerkenswerte Leistung. So mussten 12.000 Quadratmeter verbaut und Platz für 100 Wissenschafter*innen und 200 Studierende geschaffen werden. Die Bauzeit betrug drei Jahre, inklusive Ideenfindung und Planung waren es insgesamt 14 Jahre. Das Gesamtvolumen betrug rund 50 Millionen Euro. Ganz wesentlich für den Erfolg des Projekts war die komplexe Zusammenarbeit und das Einbinden sowohl von nationalen wie auch internationalen Finanzierungspartnern. Nur durch die enge Kooperation zwischen Stadt Wien, Land Niederösterreich, zuständigen Ministerien und der EU war es möglich, dieses Projekt erfolgreich umzusetzen. Nachhaltigkeit spielte von Anfang an eine zentrale Rolle. Das Labor ist etwa mit einer Geothermie-Heizung ausgestattet und produziert über eine Photovoltaikanlage mehr Energie, als es verbraucht. Diese Herangehensweise war mit ein Grund für die PM-Auszeichnung: „Nachhaltigkeit, Umwelt- und Naturschutz sind in die gesamte Planung und Umsetzung eingeflossen“, sagt pma Präsidentin Brigitte Schaden. „Und auch das herausragende Krisenmanagement, das über die Jahre hinweg immer wieder gefordert war, hat die Jury überzeugt.“ Learnings für zukünftige Projekte Die Umsetzung des Wasserbaulabors setzt Projektstandards für weitere Forschungsprojekte. So betonte Projektleiter Helmut Habersack, wie es gelungen ist, bei den beteiligten Personen Begeisterung für das Projekt zu wecken und damit Hürden aus dem Weg zu räumen. Weiters hat sich gezeigt, wie die intensive und auch operative Überwachung der Bautätigkeiten durch die Projektleitung entscheidend dazu beitrug, Kosten zu reduzieren. In Zukunft könnte diese Aufgabe durch Bauaufsicht-Expert*innen weiter optimiert werden. Mitglied vor den Vorhang Karl-Farkas-Gasse 22, 1030 Wien Kontakt: Fabian Kromer Tel: +43 681 2063 6314, fabian@kromit.at www.kromit.at Hauptgeschäftsgebiet Wir beraten unsere Kund*innen zu Projekt-, Ressourcen- & Portfoliomanagement mit Planisware Enterprise- - einer skalierbaren, webbasierten Projekt- und Portfoliomanagement (PPM) Lösung. Unsere zertifizierten Berater*innen unterstützen Sie von der Anforderungsanalyse bis zum Go-live. PM-Aufgabe und Bedeutung Projektmanagement ist unsere Leidenschaft: durch jahrelange Erfahrung mit der Einführung von PPM Software haben wir eine umfangreiche Expertise aufgebaut. Es ist uns ein großes Anliegen, unsere bewährten Methoden für Effizienz und Erfolg im Projekt- und Portfoliomanagement mit unseren Kunden zu teilen. Hörtipp: Helmut Habersack war zu Gast in der pma Podcast Folge 25, in der er über seine Tätigkeit als Projektleiter des Wasserbaulabors spricht. pma.at / podcast 66 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0015 Aus den DACH-Verbänden | spm intern spm.unterwegs im Zukunftsbahnhof Bern Am letzten Tag im Oktober war spm wieder unterwegs-- nicht, um Schrecken zu verbreiten und «trick or treat» zu rufen, sondern um einen Blick in die Zukunft zu werfen, die des Bahnhofs Bern. Im Infopavillon begrüsste uns Christian Marty, der Leiter des Programmmanagements bei SBB und stellte sich und das Programm Zukunft Bahnhof Bern (ZBB) vor: Bauingenieur, MAS Wirtschaftspsychologie und IPMA Level B sind die wichtigsten Stichworte zu seinen Skills, die er für diese anspruchsvolle Aufgabe mitbringt. Dass er dazu noch beim VZPM Assessor Projekt- und Programmmanagement Level B und C ist und dieses wärmstens empfohlen hat, passt bestens zum spm, war aber wirklich nicht abgesprochen! Siehe: https: / / zukunftbahnhofbern.ch/ Seit 2016 werden Betrieb, Erhalt und Ausbau der Bahninfrastruktur vom Bund über den BIF finanziert, der u. a. von der Schwerverkehrsabgabe gespeist wird. Die Projekte und Programme sind damit natürlich von der Politik abhängig und bewegen sich stets im Spannungsfeld zwischen Angebot <-> Rollmaterial <-> Infrastruktur. Daraus ein stabiles Planungsdreieck zu machen, erscheint uns fast unlösbar. Alle Projekte in den Ausbauschritten haben das Bauen in dicht besiedeltem Gebiet als besondere Herausforderung. Die Bauvorhaben brauchen Platz und so sind Einsprachen und Beschwerden vorprogrammiert. Kommunikation und Stakeholdermanagement sind daher die Schlüsselkompetenzen der 20 Personen im Programmmanagement der SBB und den über 1000 regionalen Projektleitern und Projektleiterinnen. Die vier grössten Herausforderungen für sie sind: 1. Ausbau versus Substanzerhalt 2. Terminplanung versus Einsprachen, Beschwerden, Genehmigungsverfahren 3. Umgang mit Mehrkosten: wird das Geld am richtigen Ort investiert? 4. Fahren versus Bauen (z. B. Nachtzüge) Risikomanagement ist somit ein weiterer sehr wichtiger Baustein für das Managen der komplexen Projekte und des Programms. Als nächstes erläuterte uns Andreas Hofer, der nach 30 Jahren bei der SBB als Pensionär Gruppen wie unsere durch den Infopavillon und Baustellen führt, am Modell und in Bildern, was ‚Zukunft Bahnhof Bern‘ konkret bedeutet. Wie wahrscheinlich schon alle von uns erlebt haben, ist der Bahnhof Bern ein Flaschenhals für die immer zahlreicheren Reisenden. Waren es 2016 270’000 Passagiere, wird 2030 mit 375’000 gerechnet. Der RBS-Bereich, der für 12'000 Passagiere gebaut wurde und neu 65'000 Passagieren Platz bieten sollte, wird 20 Meter tiefer, unter den SBB-Bereich gebaut. Der Zugang Länggasse wird mit Fokus Uni viele neue Veloplätze bieten und neu wird der Bahnhof Bern Tageslicht zur besseren Orientierung erhalten. Was Bauen inmitten der Stadt bedeutet, veranschaulichte er an den Bildern der verschiedenen Installationsplätze von SBB und RBS. Da kann der Fund von Altöl oder ein Sandsteinblock oder auch der Denkmalschutz zu grossen Verzögerungen und Bauanpassungen führen. Aber auch die Frage, wie der Bahnhof Bern trotz Kurven doch möglichst behindertengerecht ausgebaut werden kann, wird im Projekt beantwortet. Nicht Gleis 9 ¾ wie in den Harry Potter-Romanen, sondern Gleis 49 / 50 war unser nächstes Ziel, wo uns Herr Hofer den Eingang in die Unterwelt, zu einer der Baustellen, zeigte. Den würdigen Abschluss dieses interessanten spm.unterwegs-Anlasses bildete ein Apéro im Restaurant Grosse Schanze, der wie immer gute Gelegenheit für Netzwerken und Austausch bot. termine für weitere spm Veranstaltungen siehe: https: / / spm.ch / veranstaltungen/ Margarete Nuber Margarete Nuber ist in Zürich Geschäftsführerin von Mitigo GmbH, die sie 2009 gegründet hat. Externe Qualitätssicherung in IT-Projekten und Organisationsberatung sind die Hauptpfeiler ihres Service-Portfolios. Das Konzept des «Projektschutzes» hat sie nach vielen Jahren Erfahrung als De-Eskalationsmanagerin bei SAP Schweiz entwickelt und mit ihrem Wissen als Mediatorin und Organisationsberaterin kombiniert, um IT-Projekte umfassend analysieren zu können. In allen Services von Mitigo geht es um den Abgleich der verschiedenen Interessen, wobei genaues Zuhören das Fundament bildet. 67 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0015 UVK Verlag - Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany \ Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ info@narr.de \ www.narr.de BUCHTIPP In einer Zeit, in der Nachhaltigkeit und Umweltschutz zu den zentralen Herausforderungen unserer Gesellschaft zählen, bietet diese Studie wertvolle Einblicke und praxisnahe Empfehlungen. Sie beleuchtet, wie Unternehmen Nachhaltigkeitsüberlegungen in ihre Projektmanagementprozesse integrieren und welche Rolle die SDGs dabei spielen. Mit einer detaillierten Analyse und fundierten Ergebnissen zeigt die Untersuchung auf, welche Fortschritte bereits erzielt wurden und wo noch Handlungsbedarf besteht. Die „Projektportfolio Sustainability Monitor 2024“-Studie untersucht den Status quo der Berücksichtigung von Nachhaltigkeit als Kriterium im Projektportfoliomanagement deutscher Unternehmen. Im Fokus steht dabei insbesondere die Integration der UN Sustainable Development Goals (SDGs). Ziel der Studie ist es zu erfassen, welche Bedeutung Nachhaltigkeitskriterien in der Projektselektion und -priorisierung haben und wie sich dies in der Einbindung der SDGs sowie in der Einhaltung relevanter Nachhaltigkeitsgesetze zeigt. GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. Projektportfolio Sustainability Monitor 2024 Studie in der deutschen Unternehmenspraxis mit Fokus auf die UN Sustainable Development Goals GPM Science 1. Au age 2024, 96 Seiten €[D] 65,00 ISBN 978-3-381-13061-0 eISBN 978-3-381-13062-7 68 PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL · 36. Jahrgang · 01/ 2025 DOI 10.24053/ PM-2025-0016 Auf ein Wort mit-… Thomas Kattermann Martina Peuser Zur Person | Thomas Kattermann, Projektleiter im Werk Dortmund bei DB Fernverkehr Wie sind Sie zum Projektmanagement gekommen? Nach meinem Abitur machte ich eine Tischlerlehre und schloss ein Holztechnik-Studium mit dem Bachelor of Engineering ab. Danach arbeitete ich ein Jahr in der Spanplattenindustrie im Vertrieb und in der technischen Beratung. Anschließend wechselte ich zur Deutschen Bahn, zuerst als Teamleiter Produktionsvorbereitung und Steuerung, anschließend als Leiter Anlagemanagement, wo ich meine ersten kleineren und später größeren Projekte leitete. Seit Januar 2024 bin ich im ICE Werk Dortmund Projektleiter. Falls Sie kein Projektmanager geworden wären-- was stattdessen? Ich wäre im Instandhaltungsmanagement bei der DB geblieben. Welches Projekt hat Sie besonders geprägt oder war für Sie besonders wichtig? Mein erstes Projekt war die Sanierung einer 1500 qm großen Dachanlage eines Hauptbahnhofs, bei dem die Kosten die Millionengrenze überschritten. Dabei habe ich viel über eigenständige Projektleitung und Stakeholder-Kommunikation gelernt, insbesondere, wie wichtig eine gute Kommunikationsebene ist. An welchem Projekt arbeiten Sie gerade? Aktuell betreue ich 5 bis 6 Projekte, darunter die Instandhaltung der Außenreinigungsanlage für ICE-Züge, den Neubau eines Sozialgebäudes für 120 Mitarbeiter und den Umbau zweier Instandhaltungsgleise inkl. anliegender Infrastruktur in der Werkshalle. Zusätzlich kümmere ich mich um kleinere Projekte wie die Sanierung von Gleisen im Werksbereich. Gelten in Ihrem Bereich bestimmte Standards und Methoden? Im Eisenbahnbetrieb gibt die Aufsichtsbehörde Eisenbahnbundesamt bestimmte Vorgaben. Als Methode ist Lean Management bei der Deutschen Bahn immer mehr verbreitet. Welche historischen Projekte bewundern Sie am meisten? Das Projekt im Jahr 2017 Algora Garden Tower in Taipeh. Das Projekt ist äußerst spannend, da es sowohl durch sein nachhaltiges und innovatives Design als auch durch Themen wie Statik und Baugenehmigung heraussticht. Was wäre Ihr Traumprojekt? Es gibt für mich kein Traumprojekt. Als Projektleiter finde ich es spannend, dass ich bei jedem Projekt etwas dazulerne und mit den Aufgaben wachse. Was zeichnet Sie als Projektmanager besonders aus? Ich bin zielstrebig und kommunikationsfähig. Ich habe auch immer das Projektziel vor Augen und kann mit der Komplexität bei mehreren Projekten gut umgehen. Was motiviert Sie, in Projekten zu arbeiten und Projekte zu leiten? Es motiviert mich, dass ich in Projekten der Deutschen Bahn immer etwas für die Gesellschaft beitrage. Ich leiste meinen Teil dazu, dass die Angebote der Deutschen Bahn der Gesellschaft zugutekommen. Welche Tipps haben Sie für den Projektmanagement-Nachwuchs? Wichtig ist, die Perspektiven von allen Beteiligten wie Handwerkern, Planern und Behörden zu verstehen, um besser auf sie einzugehen und das Projekt zu steuern. Das Nachvollziehen aller Sichtweisen erleichtert die Zusammenarbeit. Welche Eigenschaften schätzen Sie an Projektmanagern*innen am meisten? Zuverlässigkeit und Transparenz sind entscheidend. Ziele müssen klar definiert werden, und der Projektleiter muss festlegen, was wann am besten funktioniert-- nach dem SMART- Prinzip. Was ist für Sie als Projektmanager das größte Glück? Die Abwechslung- - ich lerne immer neue Themen und neue Menschen kennen. Ich weiß morgens manchmal nicht, was tagsüber passiert. Was ist für Sie als Projektmanager das größte Unglück? Wenn wir bei einer Ausschreibung keinen Anbieter finden. Was geben Sie den Lesern mit auf den Weg? Es gibt immer einen Weg, um ein Ziel zu erreichen. Weitere Bücher, Audios, Informationen und Bestellmöglichkeit auf www.junfermann.de Beate Brüggemeier Wertschätzende Kommunikation im Business Wer sich ö net, kommt weiter Kennen Sie das? Ein Gespräch mit einer Kollegin oder einem Mitarbeiter entwickelt sich zu einer Abfolge von Angrien, Verteidigungen und Rechtfertigungen? Dabei ist Ihnen doch eigentlich an einem respektvollen Miteinander gelegen! Hinter missglückten Kommunikationssituationen stecken häufig keine bösen Absichten. Vielmehr sind es mangelnde Kenntnisse darüber, wie sich Kommunikationsprozesse so gestalten lassen, dass Ziele erreicht werden und das Gegenüber Wertschätzung erfährt. Das geeignete Tool: die Wertschätzende Kommunikation, deren vier Schritte auf Marshall Rosenbergs Gewaltfreier Kommunikation basieren. In diesem Buch erfahren Sie, wie Sie mithilfe dieses Ansatzes Ihr Führungs- und Kommunikationsverhalten professionalisieren und mit Ihrer Sprache Einfluss, Erfolg und Menschlichkeit erreichen. 208 Seiten, E-Book inside • € (D) 35,00 • ISBN 978-3-7495-0174-8 • Auch als E-Book erhältlich Fü r e i n re s p e ktvo ll e s M ite i n a n de r Liv Larsson Seminare authentisch leiten Gewaltfreie Kommunikation und Gruppendynamik 216 S., E-Book inside • € (D) 32,00 ISBN 978-3-95571-842-8 • Auch als E-Book erhältlich Marshall B. Rosenberg Kartenset Gewaltfreie Kommunikation Empathische Impulse für den Alltag 60 Karten • € (D) 38,00 • ISBN 978-3-95571-766-7 Oliver Kruth & Jörg Schmidt FlipBox Mit professionellen Flipcharts Lern- und Dialogprozesse unterstützen 169 Karten • € (D) 58,00 • ISBN 978-3-7495-0257-8 Vom Kleinunternehmer über den Mittelstand bis hin zu weltweit agierenden Konzernen: Mit Projektron BCS und Projektron BCS.start bieten wir Ihnen die passende Lösung. 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