Schmierstoff + Schmierung
sus
2699-3244
expert verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/1215
2020
13
Innovationen im Bereich Emulgatoren für die Metallbearbeitung
1215
2020
Michael Stapels
Seit jeher versuchen Entwickler von Schmierstoffen für die Metallbearbeitung, die Schmiereigenschaften von Öl mit den Kühleigenschaften von Wasser zu kombinieren. Unverzichtbarer Bestandteil solcher Kühlschmierstoffe ist die chemische Produktgruppe der Emulgatoren.
sus130019
19 Schmierstoff + Schmierung · 1. Jahrgang · 3/ 2020 FACHArtiKEl Innovationen im Bereich Emulgatoren für die Metallbearbeitung Dr. Michael Stapels, Technical Manager Kao Chemicals GmbH Seit jeher versuchen Entwickler von Schmierstoffen für die Metallbearbeitung, die Schmiereigenschaften von Öl mit den Kühleigenschaften von Wasser zu kombinieren. Unverzichtbarer Bestandteil solcher Kühlschmierstoffe ist die chemische Produktgruppe der Emulgatoren. Der Artikel beschreibt die aktuellen Trends und Innovationen im Bereich Emulgatoren, mit denen Endanwender in die Lage versetzt werden sollen, sowohl den ständig ändernden Herausforderungen bei der Bearbeitung als auch den immer höheren Umweltanforderungen gerecht zu werden. Emulgatoren sind Schlüsseladditive für wassermischbare Metallbearbeitungsflüssigkeiten. Sie haben die Aufgabe, das Öl und andere öl-lösliche Komponenten im Wasser zu dispergieren, so dass sich nach dem Anmischen mit Wasser eine stabile Öl in Wasser Emulsion einstellen kann. Emulgatoren gehören chemisch zur Gruppe der Tenside. Vereinfacht kann man sich ein Tensidmolekül als ein Streichholz vorstellen ( Abbildung 1 ). Der „Kopf “ des Tensidmoleküls ist wasserliebend (hydrophil), der Stab hingegen ist wasserabweisend (hydrophob). Die unterschiedliche Polarität der beiden Strukturbauteile eines Tensidmoleküls ist der Grund für seine grenzflächenaktiven Eigenschaften. Ein Tensid Abbildung 1 Schematische Darstellung von Tensiden, © PharmaWiki. Schmierstoff + Schmierung · 1. Jahrgang · 3/ 2020 20 Fachartikel | Innovationen im Bereich Emulgatoren für die Metallbearbeitung In vielen Fertigungsprozessen sind heutzutage wesentlich höhere KSS Zufuhrdrücke, verglichen mit der klassischen Überflutungskühlung, zu beobachten, was vor allem in Kombination mit den immer kompakter dimensionierten Werkzeugmaschinen zu erhöhter Schaumbildung der KSS Emulsion führt. Die dadurch verringerte Schmierleistung führt zu erhöhtem Werkzeugverschleiß und damit zu reduzierten Standzeiten. Emulgatorsysteme für moderne Kühlschmierstoffe müssen daher zwingend geringere Schaumneigung haben als in der Vergangenheit. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, werden zunehmend rein ethoxylierte Emulgatoren durch sowohl propoxylierte als auch ethoxylierte Emulgatokann je nach vorhandener Grenzfläche verschiedene Funktionen, wie z. B. Emulgator (Grenzfläche Wasser - Öl), Korrosionsinhibitor (Grenzfläche Metall - Wasser) etc. übernehmen. An der Grenzfläche Wasser/ Luft sind Tenside maßgeblich an allen Prozessen zur Schaum(de)stabilisierung beteiligt. Der hydrophobe Anteil besteht bei den allermeisten Tensiden aus einem langkettigen, ungeladenen Kohlenwasserstoffrest. Der hydrophile Anteil kann sehr unterschiedlich sein und begründet die Unterteilung der Tenside in vier Klassen: Anionische, kationische, nichtionische und amphotere (= zwitterionische) Tenside. Zu den Emulgatoren, die häufig in Kühlschmierstoffformulierungen eingesetzt werden gehören hauptsächlich nichtionische und anionische Verbindungen. Eine Auswahl von gebräuchlichen Emulgatoren inclusive ihrer Vor- und Nachteile ist in Tabelle 1 aufgeführt. Wie aus der Tabelle 1 ersichtlich, steht ein Formulierer von ausgeklügelten Emulgatorsystemen vor der Herausforderung die jeweiligen Vor- und Nachteile der entsprechenden Produkte geschickt auszubalancieren. Chemische Beschreibung Vorteile Nachteile Natürliche und synthetische Na-Sulfonate Anionisch Emulgiervermögen Korrosionsschutz Schaum Hartwasserintoleranz Fettsäuren (resp. Seifen) Anionisch Kostengünstig Korrosionsschutz Emulgiervermögen Hartwasserintoleranz Ethercarbonsäuren Anionisch Hartwasserstabilität Co-Emulgator Netzvermögen; Hydrotrop Schaum Phosphatester Anionisch Korrosionsschutz(Leichtmetalle) Co-Emulgator Schaum Hartwasserintoleranz Amide (auch: ethoxyliert) Nichtionisch Co-Emulgator Korrosionsschutz (Eisen) Schaum Hartwasserintoleranz Ethoxylierte Alkohole Nichtionisch Emulgiervermögen Netzvermögen Bandbreite bzgl. HLB Korrosionsschutz Schaum Propoxylierte-ethoxylierte Alkohole Nichtionisch Emulgiervermögen Netzvermögen Schneller Schaumzerfall Verminderter Korrosionsschutz Limitierte Wasserlöslichkeit Ethoxyliertes Castor Öl Nichtionisch Kostengünstig Bandbreite bzgl. HLB Emulgiervermögen Schaum Tabelle 1 Marktübliche Emulgatoren für Kühlschmierstoffe R= C16-18 & C18‘ EO Emulgator R= C16-18; n+m ≥ 10 POEO Emulgator Tabelle 2 Chemische Struktur von nichtionischen Emulgatoren basierend auf alkoxylierten Alkoholen. 21 Schmierstoff + Schmierung · 1. Jahrgang · 3/ 2020 Fachartikel-|-Innovationen im Bereich Emulgatoren für die Metallbearbeitung ren ersetzt, welche eine Reihe von Vorteilen bieten. Die chemische Struktur der unterschiedlichen Produkte ist in Tabelle 2 veranschaulicht. Die beschriebenen POEO Emulgatoren zeichnen sich neben einer hervorragenden Emulgierleistung durch ein optimiertes Schaumverhalten aus. Der schnelle Schaumzerfall macht diese Emulgatoren in besonderer Weise geeignet für ihre Anwendung in modernen Kühlschmierstoffformulierungen. Ihre Molekularstruktur ermöglicht darüber hinaus auch eine günstigere Einstufung gemäß den Richtlinien des Europäischen Ausschusses für organische Tenside und ihre Zwischenprodukte (CESIO) verglichen mit konventionellen rein ethoxylierten Emulgatoren, welche mit GHS09 (Umweltgefährlich) gekennzeichnet werden müssen. Die Optimierung des Schaumverhaltens durch den zusätzlichen Block von Propylenoxideinheiten in der Molekülstruktur wurde auch bei anderen Emulgatormolekülen, wie z. B. Phosphatestern und Ethercarbonsäuren mit Erfolg umgesetzt. In der einschlägigen Literatur wird für die Auswahl von geeigneten Emulgatoren häufig das Konzept des HLB (Hydrophilic-Lipophilic-Balance) Systems empfohlen. Dieses Konzept funktioniert für bestimmte, klar definierte chemische Strukturen wie z. B. nichtionische Fettalkoholethoxylate relativ gut. Sobald die chemischen Strukturen jedoch komplexer werden (zusätzliches Propylenoxid, anionischer Charakter) stimmen die gemachten Prognosen nur noch sehr eingeschränkt mit der Realität überein. In diesem Zusammenhang hört man auch öfters die Aussage, dass ein hoher HLB Wert eines Emulgators gleichbedeutend mit einer hohen Schaumneigung sei. Diese unzulässige Vereinfachung verstellt den Blick auf ein besseres Formulierkonzept eines modernen KSS, wie im Folgenden gezeigt werden soll ( Abbildung 2 und Tabelle 3 ). Um ein möglichst schaumarmes Emulgatorsystem zu formulieren, wurde lediglich ein schaumarmer nicht-ionischer Emulgator mit einem niedrigen HLB Wert eingesetzt und auf weitere Additive mit einem höheren HLB Wert verzichtet (Formulierung 1). Dementsprechend ergibt sich ein KSS, der über ein gutes Schaumverhalten verfügt aber gleichzeitig eine sehr limitierte Hartwassertoleranz und Korrosionsschutz aufweist. Möchte man diese Eigenschaften ebenfalls optimieren, ist man mit einem alleinigen Fokus auf einen niedrigen HLB Wert der möglichen Kandidaten nicht gut beraten. Setzt man dagegen Emulgatoren mit erhöhter Dispergierkraft ein (Formulierung 3), welche zwangsläufig einen höheren HLB Wert aufweisen, ist man bei geschickter Additivauswahl in der Lage ein Emulgatorsystem zu formulieren, welches signifikant besseren Korrosionsschutz und dank der eingesetzten Ethercarbonsäure auch eine deutlich größere Toleranz gegenüber Hartwassereinflüssen aufweist. Gleichzeitig ist ein solches System im Schaumverhalten mindestens ebenbürtig - wenn nicht sogar besser - als die Ausgangsformulierung. Hierbei macht man sich die entschäumende Wirkung von dispergierten Kalkseifen zu Nutzen. Ist die Dispersität des Systems nicht optimal eingestellt (Formulierung 2), verliert man allerdings deutlich an Schaumkontrolle. Bemerkenswerterweise wären gerade die Additive, welche für die verbesserte Gesamtleistung von Formulierung 3 bezogen auf KSS-Lebensdauer, Korrosionsschutz und Schaumkontrolle verantwortlich sind, bei alleiniger Fokussierung auf den HLB Wert zur Emulgatorauswahl gar nicht erst in eine KSS Formulierungsentwicklung einbezogen worden. Emulgatoren HLB Formulierung 1 Formulierung 2 Formulierung 3 Tallöl-Fettsäure Nein Ja Ja Nichtionischer Emulgator 4 Ja - - Nichtionischer Emulgator 8 - Ja Ja Ethercarbonsäure 9 Nein Ja - Ethercarbonsäure 11 - - Ja Formulierungseigenschaften Schaumkontrolle *** - *** Korrosionsschutz - *** ** Hartwasserstabilität * ** *** Tabelle 3 Schematische Zusammensetzung des Emulgatorpaketes von drei unterschiedlichen KSS sowie die Auswirkung auf ausgewählte Eigenschaften in der Endanwendung. Schmierstoff + Schmierung · 1. Jahrgang · 3/ 2020 22 Fachartikel | Innovationen im Bereich Emulgatoren für die Metallbearbeitung Ein offener technisch-wissenschaftlicher Austausch zwischen Additivherstellern und Formulieren von Kühlschmierstoffen ist die Basis für eine möglichst detaillierte Produktkenntnis und ein vertieftes Verständnis der komplexen Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Additivgruppen, die einen Formulierer in die Lage versetzt moderne, schaumarme KSS zu entwickeln. »« Dr. Michael Stapels Technical Manager Kao Chemicals GmbH; Kupferstr. 1; D-46446 Emmerich Email: michael.stapels@kaochemicals.de Web: http: / / www.kaochemicals-eu.com Eingangsabbildung ©peterschreiber.media - stock.adobe.com Abbildung 2 Schaumverhalten (10 s Anschäumen - 20 s Schaumzerfall) von KSS mit unterschiedlichem Emulgatorpaket. Eine Zeitschrift des Verband Schmierstoff-Industrie e. V. JETZT ONLINE LESEN! www.sus.expert SCHMIERSTOFF SCHMIERUNG
