eJournals Schmierstoff + Schmierung 2/2

Schmierstoff + Schmierung
sus
2699-3244
expert verlag Tübingen
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2021
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Schmierstoff trifft auf Schmiersystem

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2021
Raimund Stockhammer
sus220028
Schmierstoff + Schmierung · 2. Jahrgang · 2/ 2021 28 FACHARTIKEL FACHARTIKEL Schmierstoff trifft auf Schmiersystem Förderbarkeit ist der Schlüssel für eine effiziente Partnerschaft in der Nachschmierung von Schmierstellen Raimund Stockhammer, SKF Lubrication Systems Germany Einleitung Die Erfahrung zeigt, dass fast alle Schmierfette mit Schmiersystemen gefördert werden können, wenn die mit der Förderung im Zusammenhang stehenden Eigenschaften und Grenzen von Schmierfett und Schmiersystem bekannt sind. Diese Eigenschaften und Grenzen müssen vor dem Einsatz ermittelt werden, sofern nicht ausreichend Erfahrungen mit dem zu fördernden Schmierstoff oder mit vergleichbaren Schmierstoffen in ähnlichen Anwendungen vorhanden sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Schmiersysteme dazu beitragen müssen, die Verfügbarkeit von komplexen Maschinen und Anlagen zu gewährleisten oder zu erhöhen. Diese Fragen können in der Regel nicht mit den Angaben aus den technischen Datenblättern der Schmierfette beantwortet werden. Daher hat SKF spezifische Prüfverfahren entwickelt, deren Ergebnisse zusammen mit den Angaben der Schmierstoffhersteller und des Anwenders unter Berücksichtigung der Bedingungen in den Anwendungen seriös Aussagen über die erwartete Förderfähigkeit der Schmierfette zulassen. Im Folgenden wird eine kurze Beschreibung der wichtigsten spezifischen Raimund Stockhammer 43 Jahre Erfahrung in den Bereichen Konstruktion, Entwicklung und Test von Schmieranlagen bei der Willy Vogel AG und der SKF Lubrication Systems Germany GmbH. Erfahrung in der Entwicklung von Schmieranlagen und deren Komponenten, inklusive der Steuerungs- und Überwachungsgeräte sowie in der Auslegung von Schmieranlagen und der Bewertung von Schmierstoffen im Hinblick auf deren Einsatz und Förderbarkeit in Zentralschmieranlagen. Leitung des Testbereichs für das komplette Produktportfolio. Auf bau und Leitung des werkeigenen EMV Mess- und Testlabors. Zuständig für Belange des Kraftfahrtbundesamtes im Rahmen der ECE (E1) Typgenehmigung von Produkten. 29 Schmierstoff + Schmierung · 2. Jahrgang · 2/ 2021 Fachartikel-|-Schmierstoff trifft auf Schmiersystem Prüfverfahren, zusammengefasst im SKF Grease Pumpability Test © , gegeben. Schmiersysteme Schmiersysteme werden weltweit in unzähligen Anwendungen eingesetzt. Der Einsatz erfolgt immer dann, wenn der Schmierstoff in den Schmierstellen in regelmäßigen Abständen erneuert werden muss, da die Erstbefüllung mit Schmierstoff nicht ausreicht, um die gewünschte Performance, die Eigenschaften und erwartete Lebensdauer der Schmierstelle sicherzustellen. Diese Art der Schmierung wird auch als Nachschmierung bezeichnet. Mit modernen Schmiersystemen lassen sich die Anforderungen an die Nachschmierung optimal erfüllen und zusätzlich mit kundenorientierten Geschäftskonzepten kombinieren. Hierzu bieten die Schmiersystemhersteller nicht nur Komponenten oder komplette Schmiersysteme an, sondern auch die kundenseitig geforderte industriespezifischen Anforderungen, die über einen zu vereinbarenden Zeitraum gewährleistet werden muss. Für die Planung und Umsetzung derartiger Konzepte müssen Vorgaben vorliegen. Wenn diese Informationen verfügbar sind, kann ein s. g. „Automatic Lubrication System“ (ALS) für den Bereich der Schmierung von Maschinen oder Anlagen „Verantwortung“ übernehmen und so seinen Bediener entlasten. Das Schmiersystem übernimmt dabei die Aufgabe, alle Schmierstellen, die mit dem Schmiersystem verbunden sind, zur richtigen Zeit mit der richtigen Schmierstoffmenge des vorgegebenen Schmierstoffs zu versorgen. Die Auswahl des verwendeten Schmiermittels basiert stets in erster Linie auf den Anforderungen der Schmierstellen und den im Betrieb zu erwartenden Betriebsbedingungen. Erst danach stellt sich die Frage nach der Förderbarkeit des ausgewählten Schmierstoffs mit dem vorgesehenen Schmiersystem und unter den zu erwartenden Betriebsbedingungen und Anforderungen. Förderbarkeit SKF verwendet diesen Begriff mit Bezug auf die Eigenschaften des Schmiersystems, der jeweils zum Einsatz kommenden Komponenten und des Schmierstoffs. Bekanntermaßen ist der chemische Auf bau von Schmierfetten komplex und die Herstellung in s. g. Kochprozessen eine Herausforderung für den Hersteller. In der Folge versteht sich, dass die Qualität der verwendeten Inhaltsstoffe sowie die Stabilität des Herstellungsprozesses nachhaltigen Einfluss auf die Eigenschaften des Schmierfettes und damit auch auf dessen Eigenschaften in Verbindung mit der Förderbarkeit haben. Obwohl die Schmierstoffhersteller hohe Qualitätsstandards erfüllen, kommt es immer wieder zu Abweichungen, den s. g. „Batch-Schwankungen“. Änderungen oder Abweichungen bei den rheologischen Schmierfetteigenschaften wie z. B. der Konsistenz, der Fließfähigkeit und der Ölabscheidung können gleichfalls Einfluss auf die Funktion und Leistung des Schmiersystems und damit auch auf das Schmierergebnis haben. Hinzu kommt, dass die genannten Eigenschaften zusätzlich durch die Umgebungs- und Betriebsbedingungen beeinflusst werden. Hier sind Parameter wie Betriebstemperatur, mechanische Beanspruchung, Lufteinschlüsse, Feuchtigkeit und Verunreinigungen von besonderer Bedeutung. SKF Grease Pumpability Test © Der SKF Grease Pumpability Test © besteht aus verschiedenen Einzeltests, die nach dem Bedarf an er- Schmierstoff + Schmierung · 2. Jahrgang · 2/ 2021 30 Fachartikel | Schmierstoff trifft auf Schmiersystem forderlichen Informationen zusammengestellt werden können. Die Analyse der Einzelergebnisse und deren anschließende Zusammenführung und Bewertung ermöglichen weitgehend belastbare und reproduzierbare Aussagen über die Förderbarkeit des für die Anwendung ausgewählten und getesteten Schmierfetts unter den zu erwartenden Betriebsbedingungen. Förderbarkeitstest empfehlen sich immer dann, wenn keine oder nicht genügend Informationen über die Förderbarkeit einzelner Schmierfette vorliegen. Diese Tests werden besonders auch dann empfohlen, wenn mit dem Ausfall der Schmierung ein hohes Risiko in Bezug auf Kosten, Sicherheit und/ oder Umwelt besteht. Beispiele hierfür finden sich häufig in Anwendungen mit speziellen oder extremen Betriebs- und Umweltanforderungen oder bei sicherheitsrelevanten Systemen, Großanlagen oder Großserienanwendungen. Die Entscheidung, Förderbarkeitstests durchzuführen, liegt beim Konstrukteur oder Anlagenbetreiber und wird in der Regel im Rahmen einer Risikobewertung gemeinsam mit den Partnern, dem Schmiersystemhersteller und dem Schmierstoffhersteller getroffen. Dasselbe gilt für die Auswahl der durchzuführenden Prüfungen, die in Absprache mit dem Schmierfetthersteller durchgeführt werden sollten.Eine Auswahl der zur Ermittlung der Förderbarkeit im Rahmen des SKF Grease Pumpability Test © wichtigsten Tests werden in den folgenden Abschnitten kurz beschrieben. SKF FTG1-Test Im Rahmen der SKF Grease Pumpability Tests wird das FTG1-Prüfgerät zur Durchführung von Kompressibilitätsmessungen eingesetzt. Während der Prüfung wird dabei ein kleines Probenvolumen nach und nach um 10 bar bis 90 bar mit einem Druckkolben hydraulisch unter Druck gesetzt. Bei der stufenweise ausgeführten Druckerhöhung mit sich anschließender Druckentlastung wird die Volumenänderung des in einer Kammer eingeschlossenen Schmiermittels durch Messung des Hubweges des Druckkolbens berechnet. Die Veränderung wird in % als reversible bzw. plastische Kompressibilität ausgedrückt. Öl-Separation und Schmierfettaushärtung Schmierfette bestehen zu einem großen Teil aus Öl. In der Literatur findet man für den Ölanteil bei Schmierfetten der NLGI-Klasse 2 je nach Schmierfett Angaben zwischen ca. 70 % und 90 %. Der verbleibende Rest besteht dann aus dem Eindicker und ggf. anderen Zusatzstoffen. Die Komponenten werden während des Herstellungsprozesses unter Temperatureinfluss gemischt und verbunden. Dabei wird auch die Konsistenz des Schmiermittels eingestellt, das Schmiermittel homogenisiert und am Ende entlüftet. Alles in allem ist es ein komplexer Prozess mit vielen Schritten, an dessen Ende das Schmierfett den erwarteten Anforderungen entsprechen muss. Unter Öl-Separation verstehen wir in diesem Zusammenhang die unbeabsichtigte Trennung von Öl und Eindicker aus dem homogenen Verbund durch das Einwirken von hydraulischen oder mechanischen Kräften. Voraussetzung für Ölseparation ist z. B. das Vorliegen eines Druckgefälles und die Möglichkeit für das Öl sich aus dem Verbund mit dem Eindicker zu trennen. Während derartige Trennvorgänge an den Schmierstellen gewünscht sind, um z. B. die Schmierung zu gewährleisten, können durch die aufgrund der Ölabscheidung entstehenden „Verhärtungen“ bei Teilen des Schmierfetts Funktionsstörungen bis hin zum Ausfall einzelner Komponenten entstehen. Auch können die Schmierstoff-Zuführungsbohrungen zu den Schmierpunkten in den Lagern durch verhärteten („ausgebluteten“) Schmierstoff blockiert werden. Zur Prognose der Ölseparationsneigung von Schmierfetten unter Druckeinwirkung hat SKF den SKF FTG2 Test entwickelt. SKF FTG2 Test Mit dem SKF FTG2-Test kann die Neigung eines Schmierfetts zur Ölabscheidung bei anstehender Druckdifferenz im Labor bestimmt und bewertet werden. Zu diesem Zweck wird eine Probenmenge des Schmierfetts für einen Zeitraum von 24 Stunden im Prüfgerät FTG2 einem definierten Druck ausgesetzt. Der Druck entspricht einem Wert, der auch bei günstigen Betriebsbedingungen z. B. in Schmiersystemen Bild 2: Ergebnisdarstellung FTG2 Test 31 Schmierstoff + Schmierung · 2. Jahrgang · 2/ 2021 Fachartikel-|-Schmierstoff trifft auf Schmiersystem mit Progressivverteilern als Restdruck zu erwarten ist. Die Prüfung wird als Standard bei 25 °C, 30 °C, 40 °C und bei 50 °C durchgeführt. Nach einer Testdauer von 24 Stunden erhalten wir einen ausgehärteten Schmierfettanteil. Dieser ausgehärtete Schmierfettanteil wird zu dem noch förderbaren Anteil und dem Anteil des separierten Öls auf Basis von Erfahrungswerten ins Verhältnis gesetzt und das Ergebnis in einen Risikodiagramm dargestellt. Bild 2 zeigt die Messergebnisse des FTG2 Tests eines Schmierfettes während der Entwicklungsphase. Die Ergebnisse zeigen, dass das Öl-Abscheidungsverhalten eines Schmierfettes im Entwicklungs- und Herstellungsprozess wesentlich beeinflusst werden kann. Die Ergebnisse werden über dem kalkulierten Eindickeranteil eingetragen und entsprechend den 3 Risikozonen bewertet. SKF FTG3 Test Das Druckentlastungsverhalten eines Schmierfetts kann mit dem SKF FTG3 Test bestimmt werden. Bei dem Test handelt es um eine Weiterentwicklung des bekannten „Linoln-Ventmeter-Test“. In dieser automatisierten Variante wird während der Prüfung der zeitliche Verlauf der Druckentlastung in einem definierten Rohrleitungssystem bei unterschiedlichen Betriebstemperaturen aufgezeichnet und gemessen. Die Ergebnisse werden verwendet, um die bei gegebenem Innendurchmesser der Hauptleitung bei Betriebstemperatur maximal möglichen Hauptleitungslängen zu ermitteln. Bild 3 zeigt den Verlauf der Druckentlastung und den erreichten Restdruck eines Schmierfettes bei unterschiedlichen Prüftemperaturen in Abhängigkeit von der Zeit. Bild 3: Ergebnisdarstellung SKF FTG3 Test SKF FTG4 Test Die Ergebnisse des SKF FTG4 ermöglichen eine Aussage über das unter den angenommenen Betriebsbedingungen zu erwartende Fördervolumen je Förderhub bzw. Schmierzeit. Dazu hat SKF den Förderindex eingeführt. Es handelt sich dabei um eine Zahl zwischen 0 und 1. Er wird aus den Messgerbnissen der Fördermenge einer Referenzpumpe unter definierten Betriebsbedingungen mit und ohne Gegendruck bei festgelegten Temperaturen und Prüfzeiten ermittelt. Der Index 1 entspricht einer Fördermenge 100 % des maximal möglichen Fördervolumens während eines Förderhubs. Der Lieferindex von 0,5 entsprechend 50 %. Darüber hinaus werden während des Tests zusätzlich die benötigte elektrische Leistung und die Drehzahl des Pumpenmotors gemessen. Aus den Ergebnissen kann der Förder-Index für jeden Förderhub zu bestimmten Zeitpunkten und auch für einen kompletten Schmierzyklus berechnet werden. Bild 4 zeigt als Beispiel die Entwicklung des Förder-Index über der Betriebszeit der Pumpe in Abhängigkeit von der Schmierfetttemperatur. Bild 4: Ergebnisdarstellung FTG4 Test SKF FTG5-- Pipe-Rheometer Wie bereits erwähnt, kann der erwartete Druckverlust in einer definierten Schmierleitung für jeweils einen Meter z. B. mit dem FTG5 Pipe-Rheometer gemessen werden. Für diese Messungen werden die Pumpenfördermenge, die Betriebstemperatur und der Innendurchmesser der Prüfrohre geändert. Der Druckverlust wird an mehreren Messstellen des Prüfrohrs standardmäßig bei Fördermengen 1, 10, 20, 50, 100, 200 g/ min, bei Prüftemperaturen von 20, 0 und -20 °C und mit Rohren mit einem Rohrinnendurchmessern von 7, 16 und 24 mm gemessen. Bei Bedarf sind auch Messungen bei anderen Prüftemperaturen möglich. Die Förderung des Schmierstoffs erfolgt Weiterbildung in Tribologie Kunststo zahnräder (35708) am 20./ 21. September 2021 in Ostfildern oder online Getriebeschmierung und Ölüberwachung (35503) am 4./ 5. Oktober 2021 in Ostfildern oder online Grundlagen der Tribologie (34916) vom 6. bis 8. Oktober 2021 in Ostfildern Praktische Tribologie und Schmierungstechnik (60081) Zertifikatslehrgang, Start am 6. Oktober 2021 in Ostfildern Maßnahmen zur Minimierung von Verschleiß in der Praxis (35181) am 12./ 13. Oktober 2021 in Ostfildern Schmiersto e in technischen Anwendungen (34917) vom 18. bis 20. Oktober 2021 in Ostfildern oder online Tribometrie, e€ziente Planung und Auswertung tribologischer Versuche vom 8. bis 10. November 2021 in Ostfildern (33998) 23. International Colloquium Tribology - Industrial and Automotive Lubrication vom 25. bis 27. Januar 2022 in Ostfildern (50019) Seit über 40 Jahren: Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.tae.de Vor Ort oder online teilnehmen 33 Schmierstoff + Schmierung · 2. Jahrgang · 2/ 2021 Fachartikel-|-Schmierstoff trifft auf Schmiersystem hierbei über einen mit gleichmäßiger Geschwindigkeit hydraulisch angetriebenen Druckzylinder. Bild 5: Ergebnisdarstellung FTG5, Druckverluste in Rohrleitungen Bild 5 zeigt exemplarisch die Rheometerkurven für ein Schmierfett der NLGI Kl.2. Zusammenfassung Die Ergebnisse der Tests ermöglichen fundierte und belastbare Aussagen zur Förderbarkeit von Schmierfetten und den im Einsatz zu erwartenden Grenzen auf Grundlage physikalischer Randbedingungen. Somit wird die Auslegung von Zentralschmieranlagen unter Berücksichtigung der Schmierstoff- und systemrelevanten Parameter vereinfacht und das Risiko für Fehlauslegungen und Betriebsstörungen deutlich reduziert. »« Eingangsabbildung ©OELCHECK GmbH Max L. J. 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