Schmierstoff + Schmierung
sus
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expert verlag Tübingen
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Warum eFuels?
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2021
Anja Baer
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7 Schmierstoff + Schmierung · 2. Jahrgang · 4/ 2021 FACHARTIKEL Warum eFuels? Anja Baer, eFuel Alliance e. V. Als klimaneutrale Alternative zu fossilen Energieträgern bergen eFuels enormes CO 2 -Einsparpotenzial Damit unser Kontinent bis 2050 klimaneutral wird und wir den globalen Temperaturanstieg auf unter 2° Celsius begrenzen können, müssen alle Sektoren stärker zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen (THG) beitragen. Dem Verkehrssektor kommt dabei eine Schlüsselrolle zu: Insbesondere der Straßenverkehr, der für ein Fünftel des CO 2 -Ausstoßes in der EU verantwortlich ist, birgt ein großes THG-Minderungspotenzial. Verschiedene Technologien stehen im Verkehrssektor zur Verfügung: Die Elektrifizierung ist ein wichtiger Baustein zur Reduktion von CO 2 -Emissionen im Straßenverkehr. Die mit Wasserstoff betriebene Brennstoffzelle kommt als Alternative vor allem für größere Reichweiten und schwere Lasten in Frage. Allerdings bestehen Nutzungsprofile und Kundenanforderungen an Mobilität, die mit batterieelektrischen Fahrzeugen alleine nicht abgedeckt werden können. Zudem stellen wirtschaftliche Einschränkungen einen limitierenden Faktor für die besonders kostenintensiven neuen Technologien dar. Hinzu kommt, dass wir die ambitionierten Klimaziele der EU keinesfalls ausschließlich mit einer Technologie erreichen können, nur ein Technologiemix wird den notwendigen Erfolg mit sich bringen. Das heißt: Es müssen alle verfügbaren Technologieoptionen zur Anwendung gebracht werden, auch der Einsatz von Verbrennern - aber natürlich modifiziert. Denn auch der Verbrenner kann klimaneutral gemacht werden. Entscheidend ist, was er verbrennt. Klimaneutrale synthetische Kraftstoffe, sogenannte eFuels, können und müssen einen entscheidenden Beitrag leisten. Im Gegensatz zu fossilen Kraft- und Brennstoffen setzen eFuels kein zusätzliches CO 2 frei, sie sind in der Gesamtbilanz also nahezu klimaneutral. Im derzeit noch stark von fossilen Kraftstoffen abhängigen Verkehrssektor kann der Einsatz von eFuels als klimaneutrale Alternative zu einer deutlichen Reduzierung der CO 2 -Emissionen beitragen. Wichtig in diesem Zusammenhang sind ebenso klimaneutrale Schmierstoffe, die ebenfalls mit Hilfe von eFuels hergestellt werden können. Als eFuel Alliance vertreten wir die komplette Wertschöpfungskette - von der Produktion von Erneuerbaren Energien zur Herstellung von eFuels über dessen Verteilung mit Hilfe einer existierenden Infrastruktur und den finalen Anwendungen. So sind neben dem Verband der Schmierstoffindustrie e. V. auch wichtige Unternehmen wie Liqui Moly, Avia oder Helios Luboil Mitglieder der eFuel Alliance. Synthetische Schmierstoffe können dezidiert für einen effektiven und umweltfreundlichen Einsatz entwickelt werden und zeigen so das große Zukunftspotenzial der eFuels Technologie auf. eFuels lassen sich problemlos in beliebiger Menge herkömmlichen flüssigen Kraft- und Brennstoffen wie beispielsweise Benzin, Diesel oder Kerosin beimischen und können diese perspektivisch vollständig ersetzen. Somit sind sie flächendeckend für alle Verkehrsträger - Pkws, Lkws, Flugzeuge und Schiffe - einsetzbar. Angesichts der mehr als 1,4 Milliarden Fahrzeuge weltweit, die derzeit mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren angetrieben werden, ist das Defossilisierungspotenzial enorm. Hinzu kommen Schmierstoff + Schmierung · 2. Jahrgang · 4/ 2021 8 Fachartikel | Warum eFuels? etwa 22.000 Flugzeuge und 50.000 Schiffe, für die auf absehbare Zeit keine sinnvolle technische Alternative als Antriebsmöglichkeit in Sicht ist. Eine EU-weite Beimischung von allein 5 % eFuels zum herkömmlichen Kraftstoff hätte bereits im Jahr 2018 zu einer Einsparung von 60 Mio. t CO 2 geführt, was der Versorgung von 40 Millionen Autos für ein ganzes Jahr entsprochen hätte. Vorteile von eFuels Synthetische, aus erneuerbarem Strom, Wasserstoff und CO 2 hergestellte flüssige und gasförmige Kraft- und Brennstoffe haben entscheidende Vorteile: > sie sind leicht zu lagern und sind über weite Strecken ohne Energieverluste transportabel; > für sie ist kein kostenaufwendiger Aufbau von neuen Infrastrukturen notwendig: eFuels lassen sich flächendeckend über die vorhandene Infrastruktur (Tanklager, Tankwagen, Pipelines und Tankstellen) vertreiben und sind so für Verbraucher problemlos erhältlich; > sie können in beliebiger Menge (von 1 bis 100 %) herkömmlichen Kraft- und Brennstoffen beigemischt werden und sind somit in sämtlichen heute und zukünftig bestehenden Motoren und Heizanlagen einsetzbar. Dadurch ist eine nachhaltige Nutzung bestehender Endanwendungen im Verkehrs- und Wärmebereich sowie der chemischen Industrie möglich; > sie haben eine volumetrisch hohe Energiedichte und sie ermöglichen es, aus erneuerbaren Quellen erzeugten Strom in sämtlichen Belangen flexibel nutzbar zu machen. Wirtschaftliches Potenzial von eFuels nutzen - Industriestandort Europa stärken Deutsche und europäische Ingenieure und Ingenieurinnen sind weltweit führend in der Entwicklung von Power-to-X-Technologien, mit denen sich eFuels herstellen lassen. Das Investitions- und Arbeitsplatzpotenzial entlang der Wertschöpfungskette von synthetischen Kraftstoffen ist erheblich. Allein in Deutschland können die Produktion und der Export von Power-to-X-Technologien und -Anlagen pro Jahr 36,4 Milliarden Euro zusätzliche Wertschöpfung ermöglichen und bis zu 470.800 neue Arbeitsplätze schaffen. 1 Gleichzeitig können eFuels mit Blick auf die Bestandssicherheit im Automobil- und Zulieferersektor bis zu 75.000 Arbeitsplätze im Bereich der Antriebstechnik sichern. An welchen Stellschrauben muss die Politik drehen, um den regulatorischen Rahmen für eFuels zu schaffen und die CO 2 -Emission entscheidend zu senken? Um die Potenziale von eFuels heben zu können, ist es entscheidend, deren Markthochlauf zügig zu ermöglichen und die dafür notwendigen regulatorischen Anreize zu schaffen. Damit Kapazitäten im erforderlichen Umfang zeitnah zur Verfügung stehen, ist die Realisierung von Skaleneffekten notwendig. Daher ist der Einsatz von eFuels im Straßenverkehr unausweichlich, denn niedrige Kosten lassen sich nur mit einem entsprechenden Marktvolumen realisieren. Zudem ist die Zahlungsbereitschaft im Straßenverkehr um ein Vielfaches höher als in anderen Sektoren wie etwa dem Flug- oder Schiffsverkehr oder der chemischen Industrie. Gerade für diesen Bereich stellen eFuels auf absehbare Zeit die einzige klimaneutrale Alternative zu Kerosin bzw. Schweröl dar. Das liegt vor allem daran, dass diese Sektoren in einem harten internationalen Wettbewerb stehen und daher relativ geringe regulatorische Vorgaben haben. Weder die Luftnoch die Schifffahrt zahlen Energiesteuer. Ausschließlich innereuropäische Flüge sind Teil des europäischen Zertifikatehandels mit aktuellen CO 2 -Preisen von 50 € pro vermiedene Tonne Klimagase. Im Vergleich dazu ist die regulatorische Zahlungsbereitschaft im Straßenverkehr um den Faktor 10 höher. Deshalb ist es notwendig, einen breiten und Sektor übergreifenden Einsatz von eFuels zu ermöglichen und deren Anwendung nicht nur auf wenige Bereiche einzuengen. Ohne den Einsatz von eFuels im Straßenverkehr wird es keine eFuels für die See- und 1 Synthetische Energieträger - Perspektiven für die deutsche Wirtschaft und den internationalen Handel. Eine Untersuchung der Marktpotenziale, Investitions- und Beschäftigungseffekte. Studie von Frontier Economics und dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW), September 2018. 9 Schmierstoff + Schmierung · 2. Jahrgang · 4/ 2021 Luftfahrt geben, da Investition in deren Produktion sich aktuell schlicht nicht rentieren. Der European Green Deal bietet die einmalige Gelegenheit, die notwendigen regulatorischen Rahmenbedingungen für eFuels zu setzen, und gleichzeitig eine ganzheitliche und ineinandergreifende EU-Klimaschutzpolitik zu schaffen. CO 2 -Flottengrenzwerte: Anrechenbarkeit von eFuels ermöglichen Eine der entscheidenden Maßnahmen, die einen Markthochlauf und Skaleneffekte von grünem Wasserstoff und dessen Folgeprodukten ermöglicht, ist die Anrechenbarkeit von erneuerbaren Kraftstoffen auf die CO 2 -Flottenzielwerte für Pkw sowie leichte und schwere Nutzfahrzeuge. 2 Die ab Juni 2021 anstehende Überarbeitung der entsprechenden Verordnung von CO 2 -Emissionsnormen für Personenkraftwagen und leichte Nutzfahrzeuge muss die Einbeziehung zusätzlicher Erfüllungsoptionen erlauben. Dadurch werden gleiche Bedingungen für die verschiedenen Emissionsminderungstechnologien geschaffen, die dazu beitragen können, die Emissionen des Straßenverkehrssektors effektiv und effizient zu reduzieren. Gleichzeitig haben damit Automobilhersteller eine zusätzliche und freiwillige klimawirksame Option, um die CO 2 -Emissionsnormen einzuhalten und die Verbreitung synthetischer Kraftstoffe zu unterstützen. Klimaneutrale Kraftstoffe ergänzen die notwendigen Maßnahmen auf allen Gebieten im 2 Wie eine solche Anrechenbarkeit in der Praxis umgesetzt werden könnte, wurde bereits wissenschaftlich untersucht: Crediting System for Renewable Fuels in EU Emission Standards for Road Transport. Studie von Frontier Economics und Flick Gocke Schaumburg, Mai 2020. Kampf gegen den Klimawandel. Die Verbraucher profitieren von einem größeren Angebot an sauberen Technologien und den potenziellen Vorteilen für Autos mit Null-/ Niedrig-Emissions-Label. Das kann die Nachfrageseite von eFuels enorm stärken und dafür sorgen, dass zusätzliche Mengen an synthetischen Kraftstoffen auf den Markt kommen. Eine entsprechende Methodik wurde im letzten Jahr vom Bundeswirtschaftsministerium entwickelt und sieht vor, dass nur nachhaltige, zusätzliche Mengen erneuerbarer Kraftstoffe in Betracht gezogen werden. Die nachfolgende Grafik erläutert die Anrechnung von erneuerbaren Kraftstoffen (SuFAK) in anschaulicher Art und Weise. Mit dem Erwerb von Zertifikaten von erneuerbaren Kraftstoffen steht dem Automobilhersteller (OEM) eine weitere Möglichkeit zur Verfügung, Kundenwünsche, die aktuell noch nicht mit der Elektrifizierung zu erreichen sind, zu erfüllen. Anstelle im Notfall Strafzahlungen zu leisten, kann auch in eFuels investiert werden. Hierbei werden nur nachhaltige und zusätzliche Kraftstoffmengen berücksichtigt. Eine Doppelanrechnung der gleichen Kraftstoffmengen in unterschiedlichen Regulierungen kann durch die im Auf bau befindliche europäische Datenbank für erneuerbare Kraftstoffe ausgeschlossen werden. Das System ist unbürokratisch und baut auf etablierte Prozesse und Institute der Kraftstoffindustrie auf. Ein solches Anrechnungsmodell kann zudem zeitnah im Rahmen der Überarbeitung der europäischen CO 2 -Flottenregulierung im „Fit-for-55“-Paket der Europäischen Union eingeführt werden. IMMER DIE PASSENDEN SCHMIERSTOFFE! Spezialfette, Kühlschmierstoffe und Bearbeitungsöle mit Ihrem Label in zahlreichen Gebindevarianten. Siebert. Ihr Private Label Partner. Made in Ger many www.siebertgmbh.com Anzeige Schmierstoff + Schmierung · 2. Jahrgang · 4/ 2021 10 Fachartikel | Warum eFuels? Erneuerbare-Energie-Richtlinie (REDIII): Ehrgeizigere Quoten für erneuerbare Kraftstoffe festschreiben Seit mehr als fünfzehn Jahren stagniert der Anteil der erneuerbaren Kraftstoffe im Verkehr auf einem konstant niedrigen Niveau. 2018 machten erneuerbare Energieträger nur 5,2 % am gesamten Kraftstoffangebot im europäischen Kraftstoffmarkt aus. Damit ist der Anteil der erneuerbaren Energien im Verkehr deutlich geringer als in anderen Sektoren. Um den Einsatz von erneuerbaren und CO 2 -armen Kraftstoffen im Verkehr zu fördern, sind die folgenden politischen Anforderungen bei der Überarbeitung der europäischen Erneuerbare-Energien-Richtlinie erforderlich: 1. Festlegung ehrgeizigerer 2030 EE-Ziele: Im Rahmen einer konsequenten EU-Klimastrategie soll der Anteil der erneuerbaren Energien im Straßenverkehr bis 2030 auf >24 % erhöht werden - ohne dass spezielle Energieträger mehrfach angerechnet werden können. 2. Festlegung einer eigenen Unterquote für erneuerbare Kraftstoffe nicht-biologischen Ursprungs (RFNBOs): Um Anreize für die notwendigen Investitionen zu setzen und ihre Markteinführung zu unterstützen, sollten RFNBOs, wie eFuels und Wasserstoff, zusätzlich gefördert werden, indem ein separates, ehrgeiziges Teilziel von 5 % für RFNBOs für alle Verkehrsbereiche festgelegt wird. Damit werden sofortige Investitionen in Wasserstoff und eFuels ausgelöst. 3. Definition pragmatischer Strombezugskriterien: In einem ausstehenden delegierten Rechtsakt muss die EU festlegen, welche Strombezugskriterien zur Produktion von Wasserstoff und eFuels erfüllt werden müssen. Hierzu sollen Kriterien zur erneuerbaren Herkunft, geographischer und zeitlicher Korrelation und deren Ergänzung definiert werden. Wir fordern am Anfang pragmatische Vorgaben, um den Ausbau einer europäischen Wasserstoffwirtschaft nicht zu behindern oder zu verzögern. 4. Fragmentierung des Binnenmarktes für erneuerbare Energien verhindern: Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen nationalen Gegebenheiten in der EU sollte die Flexibilität, die den Mitgliedstaaten bei Umsetzung der Erneuerbaren- Energien-Richtlinie eingeräumt wird, fein austariert sein, um die Integrität des Binnenmarktes zu gewährleisten und eine Fragmentierung zu vermeiden. Mobilität auf der Straße ist grenzüberschreitend und muss sich daher auf die Verfügbarkeit von erneuerbaren und kohlenstoffarmen Quelle: Frontier Economics Hinweis: Nach RED II, Erwägungsgrund 84, soll eine EU-Datenbank für erneuerbare Transportkraftstoffe geschaffen werden. EUA = Europäische Umweltagentur. 11 Schmierstoff + Schmierung · 2. Jahrgang · 4/ 2021 Fachartikel-|-Warum eFuels? Kraftstoffen verlassen können, um den Zugang und die Bereitstellung von Verkehrsträgern zu gewährleisten. Dies erfordert eine möglichst einheitliche Umsetzung in den Mitgliedsstaaten. 5. Förderung der Produktion von sauberem Wasserstoff und seinen Folgeprodukten in der EU und weltweit: Um den Bedarf an Wasserstoff und eFuels zu decken, muss deren Produktion gefördert werden. Wenn alle in der Erneuerbaren-Energie- Richtlinie festgelegten Nachhaltigkeitskriterien erfüllt sind, müssen Wasserstoff- und eFuels-Projekte aus Regionen, in denen erneuerbare Energie effizient erzeugt werden können, förderfähig sein - innerhalb und außerhalb der EU. Energiesteuer auf eFuels senken Ein wichtiger zentraler Baustein ist die ebenfalls anstehende Überprüfung der europäischen Energiesteuerrichtlinie. Kraftstoffe müssen entsprechend ihres CO 2 -Fußabdrucks besteuert werden, um die Nachfrage nach klimaneutralen Kraftstoffen zu unterstützen. Wenn eine Energiesteuer auf echten Umweltkriterien basiert, führt dies unweigerlich zu einer Senkung der Energiesteuer auf eFuels und nachhaltige Biokraftstoffe, wodurch diese Energieträger gegenüber fossilen Kraftstoffen attraktiver werden. Eine Umstellung der Energiesteuer kann einen der größten wirtschaftlichen Hebel für eFuels darstellen. Allein die heutige Energiesteuer auf Benzin liegt bei 65 ct/ l. Viele erneuerbare Kraftstoffe und eFuels, die in sehr geeigneten Regionen (mit viel Wind und Sonne) produziert werden, sind in dem Moment wirtschaftlich, in dem die Energiebesteuerung sie vernünftig berücksichtigt. Die Umstellung der Energiesteuer erfordert die Einstimmigkeit aller Mitgliedsländer der europäischen Union. Man wird folglich an der Ausgestaltung der Energiesteuer erkennen, wie ernst es der EU mit dem Green Deal tatsächlich ist. »« Eingangsabbildung © scharfsinn86 - stock.adobe.com Sondergetriebe www.gsc-schwoerer.de GSC Schwörer GmbH Antriebstechnik Oberbränder Straße 70 79871 Eisenbach Punktlandung in Präzision und Qualität Anzeige
