Schmierstoff + Schmierung
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expert verlag Tübingen
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Karsten Stahl
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Karsten Stahl
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Schmierstoff + Schmierung · 3. Jahrgang · 1/ 2022 32 20 MInutEn MIt … 20 Minuten mit … Karsten Stahl Wie sehen Sie die Situation des Verbrenners im Antriebsstrang im Allgemeinen? Es gibt klare Signale, dass Fahrzeuge mit Verbrenner zukünftig in vielen Ländern nicht mehr verkauft werden dürfen. Das wird auf der Seite der Legislative ein starker Taktgeber sein. Auf der anderen Seite wird die begrenzte Verfügbarkeit von fossilem Brennstoff automatisch über eine längere Periode zu einem Aussterben des Verbrenners führen. Wir werden uns also vom Verbrenner verabschieden müssen. Die Frage ist, wie schnell das geschehen wird, wie sich der Weg zu einer Alternative gestaltet und was die Alternativen sind. Aus meiner Sicht ist der elektromotorische Antrieb die sinnvollste Alternative, daran führt wohl nichts vorbei. Als Energiequelle für Pkw scheint die Batterie momentan und auf mittelfristige Sicht die sinnvollste Lösung zu sein. Alternativen, wie Wasserstoff, halte ich aktuell nicht für sinnvoll, weil die Infrastruktur dafür nicht gegeben ist und die Energieverluste erheblich sind. Der Wirkungsgrad wellto-wheel des batterie-elektrischen Antriebs ist zweibis dreimal so groß wie der eines wasserstoff-elektrischen Antriebs. Deshalb ist aus meiner Sicht der wasserstoff-elektrische Antrieb mit Brennstoffzellen momentan speziellen Anwendungen vorbehalten, z. B. Schienenfahrzeugen oder Long Haul Lkw, die sehr lange Strecken zurücklegen. Im Verbrenner sollte man grünen Wasserstoff aber keinesfalls nutzen. Bis dieser im Tank des Fahrzeugs landet, hat er schon mehr als die Hälfte der ursprünglichen elektrischen Energie verloren. Im Verbrenner verliert er dann noch einmal die Hälfte seiner Energie bei der Umwandlung in mechanische Energie. Das ist nicht sinnvoll. Sie sprachen vom Wirkungsgrad. Ist es möglich Wirkungsgrade über 50 % zu erzielen? Im Verbrennungsmotor begrenzt der thermische Kreisprozess den Gesamt-Wirkungsgrad. Selbst wenn man alle Reibung vernachlässigen würde, käme man mit dem Gesamt-Wirkungsgrad nicht über den thermischen Wirkungsgrad des Kreisprozesses hinaus. Wirkungsgrade über 50 % sind damit illusorisch. Zu bedenken ist auch, dass der Verbrennungsmotor die meiste Zeit im Teillastbetrieb betrieben wird, wo er deutlich schlechtere Wirkungsgrade aufweist. Sie sagten, das Aus vom Verbrenner ist ein Zeitfrage. Wer wird vom Aus des Verbrenners betroffen sein? Überall dort, wo es festgelegte Grenzwerte für die lokalen CO 2 -, NOx-, Feinstaubetc. Emissionen gibt, Prof. Dr.-Ing. Karsten Stahl Prof. Dr.-Ing. Karsten Stahl studierte Maschinenbau an der Technischen Universität München (TUM) und promovierte dort 2001 zum Dr.-Ing. Anschließend war er 10 Jahre in leitenden Funktionen bei BMW tätig, in Dingolfing, in Oxford und in München. 2011 nahm er den Ruf als Ordinarius am Lehrstuhl für Maschinenelemente an der TUM und leitet seitdem die Forschungsstelle für Zahnräder und Getriebebau (FZG). Seine Forschungsschwerpunkte sind experimentelle, simulative und analytische Untersuchungen zur Dauerfestigkeit, Tribologie, NVH, Werkstoffe und Lebensdaueranalyse von Zahnrädern und Getriebeelementen mit dem Ziel, Methoden und Werkzeuge zur zuverlässigen Bestimmung der Lebensdauer, des Wirkungsgrades und der Schwingungseigenschaften zu entwickeln. Prof. Stahl ist Autor von mehreren Hundert wissenschaftlichen Publikationen, Leiter von DIN- und ISO-Arbeitsgruppen, Editor mehrerer Fachzeitschriften und Präsident der VDI International Conference on Gears. 33 Schmierstoff + Schmierung · 3. Jahrgang · 1/ 2022 wird sich die Umstellung auf den elektromotorischen Antrieb am schnellsten vollziehen, z. B. bei Pkw in Megacitys. Besondere Langstreckenfahrzeuge, Lkw und Züge werden wohl besser nicht auf Batteriebetrieb, sondern auf eine Alternative umgestellt werden. Wer wird branchenmäßig nicht betroffen sein? Auch wenn ich beim Schienenverkehr eine Umstellung von Verbrenner auf Batterie-Elektrik am spätesten erwartet hätte, bieten Zughersteller wie Siemens bereits heute batterie-elektrische Züge an. Bei Lkw war das eher zu erwarten, so plant MAN zum Beispiel einen großen Teil Ihrer Flotte batterie-elektrisch. Tesla hat ja schon früh angefangen einen batterie-elektrischen Lkw auf den Markt zu bringen. Bezüglich des Wasserstoffs gehe ich davon aus, dass Züge am ehesten von Diesel auf wasserstoff-elektrische Antriebe umgestellt werden. Bei der Luftfahrt dagegen ist eine Umstellung auf Batterie-Elektrik sehr kritisch zu betrachten, weil die Leistungsdichte entscheidend ist und flüssiger Brennstoff diesbezüglich die Nase weit vorn hat. CO 2 -neutrale Langstreckenflugzeuge mit batterie-elektrischem Antrieb halte ich auf mittlere Sicht für illusorisch; die Umstellung auf wasserstoffelektrische Antriebe wird herausfordernd sein, aber daran wird intensiv gearbeitet und für bestimmte Strecken kann ein Wasserstoffantrieb sicherlich eine Alternative sein. Mit Blick auf die Leistungsdichte gehe ich aber davon aus, dass Wasserstoff im Flugzeug weniger in Brennstoffzellen in Strom umgewandelt wird, sondern in angepassten Gasturbinen verbrannt werden wird. Wie ist Ihre Meinung zu eFuels? Rund 50 % der Energie gehen bei der Umwandlung von Strom zum eFuel verloren. eFuels kann man im Antrieb nur durch Verbrennung nutzen, wobei mindestens weitere 50 % verloren gehen. D. h., der erwartbare Wirkungsgrad well-to-wheel liegt bei eFuel unter 25 %, beim batterieelektrischen Fahrzeug dagegen im Vergleich bei 80 bis 90 %. Die Nutzung von eFuel kann daher nicht zum Standard werden und wird wohl nur in Nischen sinnhaft sein, z. B. in der Luftfahrt und bei ausgesprochenen Langstrecken-Fahrzeugen, oder bei Fahrzeugen, bei denen der Antrieb eine untergeordnete Rolle spielt, z. B. bei einer Baumaschine. Wenn man an dem bewährten Konzept einer komplexen Baumaschine festhalten möchte, kann es gelingen, über eFuels eine Brücke zur CO 2 -Neutralität zu schlagen. Für die Masse im Personenverkehr ist das allerdings nicht realistisch. Die Lobby für synthetische Kraftstoffe argumentiert, dass trotz nur 25 % Wirkungsgrad vom Sonnenstrahl zum Antrieb die hohen CO 2 -Emissionen bei der Herstellung von Batterien gegenüberstünden. Wie sehen Sie das? Die Frage ist, wo der Strom eigentlich herkommt, wenn wir alles auf Strom umstellen. Das betrifft ja nicht nur die E-Mobilität, sondern auch elektrische Wärmepumpen, Industrieanlagen etc. Die bisherige Stromerzeugung und die aktuelle Geschwindigkeit im Auf bau regenerativer Energiequellen in Deutschland wird nicht ausreichen. Hier kann es eine Alternative sein, aus Ländern mit hoher Sonnenintensität, z. B. nahe des Äquators, eFuels zu importieren. Es ist abzusehen, dass wir nennenswert Energie importieren müssen und das kann in Form von Strom, Wasserstoff oder eFuels sein. Man kann streiten, ob der Transport von Strom, Wasserstoff oder eFuels sinnvoller ist, in der gesamten Betrachtung wird Dieter Brendt, Olaf Mackowiak Führung in der Technik 1., Auflage 2021, 177 Seiten €[D] 34,90 ISBN 978-3-8169-3467-7 eISBN 978-3-8169-8467-2 Mitarbeitende zielgerichtet und effektiv führen zu können, ist ein Schlüssel für nachhaltigen Unternehmenserfolg. In diesem Buch werden den Leser: innen durch die direkte Ansprache und die Praxisbeispiele von Kolleg: innen in vergleichbaren Situationen Denkanstöße und Tipps geboten, um ihren Führungsstil zu analysieren und darauf aufbauend zu optimieren. Es werden bewährte Maßnahmen und Techniken zur effizienten Gestaltung und Beherrschung der vielfältigen Anforderungen im sich schnell verändernden technischen wie gesellschaftlichen Umfeld vorgeschlagen, die praxisgerecht im Führungsalltag eingesetzt werden können. Anzeige Schmierstoff + Schmierung · 3. Jahrgang · 1/ 2022 34 20 Minuten mit … | Karsten Stahl sich wahrscheinlich ein Mix im Wettbewerb einstellen.Es gibt Studien in alle Richtungen und Ausprägungen. Als Ingenieur sollte man die verwendeten Informationen genau unter die Lupe nehmen. Mich ärgern Studien, deren zugrundeliegenden Daten die Ergebnisse bewusst oder unbewusst verfälschen. So müssen für einen fairen Vergleich aktuelle Daten, beispielsweise zum Energie- und Ressourcenverbrauch bei der Herstellung einer Batterie, verwendet werden. Das kritisch diskutierte Kobalt beispielsweise wird heute kaum noch und zukünftig vielleicht gar nicht mehr zur Herstellung der Batterie benötigt. Auch der Energieaufwand zur Herstellung der Batterie wird immer geringer. Es ist nicht mehr so wie vor fünf Jahren, wo die Batterieherstellung die Life-Cycle-Energie-Bilanz so stark geprägt hat, weil die Herstellung immens viel Energie verschlang. Durch eine verbesserte Antriebseffizienz des Fahrzeugs können bei gleicher Reichweite kleinere Batterien eingesetzt werden, und gleichzeitig wurde und wird weiterhin die Energieeffizienz bei der Batterieherstellung deutlich gesteigert. Welche Zukunft sehen Sie für Hybridantriebe? Es gibt unterschiedliche Ausprägungen von Hybridantrieben, Micro-, Mild- und Full-Hybrid und beim Full-Hybrid noch die Plug-In-Variante. Ein Hybrid ist im Sinne der Rekuperation sehr sinnvoll, da die Bremsenergie nicht in Wärme, sondern in gespeicherte Energie umgewandelt wird. Außerdem kann der Verbrennungsmotor durch Lastpunktanhebung oder -absenkung näher an seinem Optimalpunkt betrieben werden. Wegen dieser Vorteile gehe ich davon aus, dass Pkw mit Verbrenner in Zukunft immer wenigstens als Mild-Hybrid gebaut werden. Wenn die Batterie größer wird, über 50 oder gar 80 km, endet nach meiner Meinung die ingenieursmäßige Sinnhaftigkeit des Hybridantriebs. Es kann schließlich nicht im Sinne des Nutzers und der Umwelt sein, zwei komplette Systeme zu produzieren und herumzufahren. Vielmehr sollte man sich entscheiden, entweder für einen vollelektrischen oder einen Vollverbrennungs-Motor mit Micro- oder Mild- Hybrid. Hybride mit 50 km oder mehr Reichweite sind nur rechnerisch im CO 2 -Ausstoß vorteilhaft, aber nicht praktikabel. Bei der Wahl für einen Plugin-Hybrid anstelle eines reinen batterie-elektrischen Fahrzeugs spielt sicherlich die Sorge eine große Rolle, dass die Reichweite des Autos nicht ausreicht und man dann nicht laden kann. Der Hybridantrieb ist aus meiner Sicht eine Brückenlösung, die auch viel mit Kundenakzeptanz zu tun hat. Nach der Gewöhnung an den Elektroantrieb im Plugin-Hybrid werden viele Kunden bei ihrem nächsten Fahrzeug sicher auf den Verbrenner verzichten wollen. Welche Schmierstoffe (Getriebe, Lager etc.) werden noch für e-Autos gebraucht? Leistungsdichte ist in allen Antrieben immer ein Topthema, auch im Hinblick auf die Ressourcen. Wir brauchen hochdrehende Elektromaschinen. Das Drehmoment einer Elektromaschine ist schließlich proportional zum Volumen der aktiven Elemente des Motors. D. h., eine höherdrehende E-Maschine kann bei gleichem Volumen mehr Leistung abgeben. Interessant ist die Frage nach dem Maximum der Drehzahl. Hier wird viel geforscht. Ich gehe davon aus, dass die ideale Drehzahl der E-Maschine deutlich über den heute üblichen ca. 20.000 1/ min liegen wird, in der Größenordnung von 30.000 1/ min. Damit braucht jedes elektrische Fahrzeug ein hochdrehendes und hoch-leistungsdichtes Getriebe mit einer entsprechenden Hochleistungsschmierung. Auf der einen Seite nimmt dabei die Komplexität der Getriebe von Elektrofahrzeugen ab: Pkw werden in der Regel ohne schaltbare Gänge auskommen, besondere Fahrzeuge können ggf. zwei oder maximal drei Gänge benötigen, wodurch die erforderliche Schmierstoffmenge im Antrieb reduziert werden kann. Gleichzeitig steigen aber auf der anderen Seite die Ansprüche an die Getriebe. Alle Anforderungen an den Wirkungsgrad, die Leistungsdichte und das akustische Verhalten werden höher und damit auch die Anforderungen an die Performance des Schmierstoffs, der zwar mit weniger Volumen, aber mit höheren Ansprüchen eingesetzt wird. Der Schmierstoff kann dabei auch Funktionen des thermischen Haushalts übernehmen und mit einer entsprechenden Betriebsstrategie die Komponenten im Antrieb je nach Bedarf heizen oder kühlen. Ich gehe davon aus, dass bei elektrischen Fahrzeugen statt wie bisher je ein Schmier- und ein Kühlfluid zukünftig vermehrt Monofluide eingesetzt werden, um das Getriebe zu schmieren und die Komponenten zu temperieren. »« Eingangsabbildung: © istock.com/ Comeback Images