Schmierstoff + Schmierung
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expert verlag Tübingen
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Was sind WEC-Schäden?
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Ferdinand Wikidal
„In einem Seminar zur Schmierung von Industriegetrieben fiel das Schlagwort ‚WEC‘ als eine besondere Form von Wälzlagerschäden. Was verbirgt sich dahinter?“
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Dr. Ferdinand Wikidal … ist Ingenieur und Experte für die Verzahnung und Wälzlagerung in Getrieben. Nach dem Studium promovierte er an der FZG der TU München und arbeitete in der Getriebeentwicklung für die A. Friedrich Flender AG. Später war Dr. Wikidal als Gutachter für Industriegetriebe (Windkraft und andere Bereiche) im Allianz Zentrum für Technik, AZT tätig. Seit 2008 ist er als freiberuflicher Gutachter für Getriebe- und Wälzlagerschäden tätig (www.gearconsult.de). Schmierstoff + Schmierung · 3. Jahrgang · 2/ 2022 30 FaQs Was sind WEC-Schäden? Dr. Ferdinand Wikidal „In einem Seminar zur Schmierung von Industriegetrieben fiel das Schlagwort ‚WEC‘ als eine besondere Form von Wälzlagerschäden. Was verbirgt sich dahinter? “ Der Schadenstyp WEC („white etching cracks“) beschreibt Schäden an Wälzlagern, bei denen im angeätzten Gefügeschliff weiße, nicht anätzbare Bereiche nachweisbar sind. Obwohl derartige Gefügeveränderungen auch bei sehr hohen Belastungen auftreten, entstehen WEC-Schäden schon bei moderaten Beanspruchungen im Bereich oder unterhalb der üblichen Ermüdungsgrenze des Werkstoffs nach relativ kurzen Laufzeiten. Das makroskopische Schadensbild entspricht bei Kugellagern meist einem Pittingschaden, wie er auch bei starker Überlastung des Lagers auftreten würde (Abb. 1). Dieses Schadensbild wird auch als „white structure flaking“ bezeichnet. Insbesondere bei Rollenlagern treten WEC-Schäden auch in Form von axialen Rissen auf. Bereits in den 1990er Jahren wurde dieses Schadensbild in Japan im Zusammenhang mit Wälzlagerschäden in Nebenaggregaten im Automotive-Bereich beschrieben [1]. Aufgrund von zahlreichen, vorzeitigen Lagerausfällen vor allem in Windkraftgetrieben wurde die Forschung zu diesem Thema seit ca. 10 Jahren intensiviert und es hat sich die Bezeichnung WEC durchgesetzt. Aus den Untersuchungsergebnissen lassen sich folgende potentielle Einflüsse auf die Bildung von WEC-Schäden ableiten: > Mischreibungsbedingungen, (negativer) Schlupf, > Vibrationen, (axiale) Schwingungen, > Stromdurchgang, > reduzierte Werkstofffestigkeit durch eindiffundierten Wasserstoff, > Lagertemperatur (> 100 °C), > Schmierstoff (allerdings noch widersprüchliche Aussagen zur Art der Additivierung), > oberflächennahe, nichtmetallische Einschlüsse. Bisher werden im Wesentlichen zwei Schadensmechanismen diskutiert [2]. In der ersten Hypothese wird davon ausgegangen, dass sich zunächst durch Mischreibung und Schlupf in Verbindung mit nicht- FaQs 31 Schmierstoff + Schmierung · 3. Jahrgang · 2/ 2022 FAQs-|-Was sind WEC-Schäden? metallischen Einschlüssen oder durch Vibrationen oberflächennahe Anrisse bilden, in die Schmiermittel eindringt. Im Riss kommt es zu Spaltkorrosion und der dadurch entstehende Wasserstoff beschleunigt das Risswachstum und reduziert die Werkstofffestigkeit. Entsprechend der zweiten Hypothese kommt es deutlich unterhalb der Oberfläche zu einer lokalen Plastifizierung des Materials mit Gefügeveränderungen und davon ausgehend zu innenliegenden Anrissen. Auch dieser Vorgang kann durch Wasserstoff begünstigt werden. Beide Hypothesen sind noch nicht ausreichend verifiziert. Aufgrund der unterschiedlichen Einflüsse und der noch nicht vollständig verstandenen Schadensmechanismen ist die Vorhersage eines WEC-Schadens und damit auch eine betriebssichere Auslegung von Lagerungen - bezogen auf dieses Schadensbild - nicht möglich. Gleichzeitig erschwert dies auch im Schadensfall eine eindeutige Zuweisung, wer den Schaden zu vertreten hat. Entsprechend der bisher erkannten Einflüsse auf die Bildung von WEC-Schäden und der Erfahrung in der Praxis lassen sich allerdings folgende Gegenmaßnahmen angeben, um das Ausfallrisiko zu reduzieren: > Erhöhung der Schmierfilmdicke durch höherviskoses Öl oder bessere Lagerkühlung, > Verringerung von Schwingungen und Vibrationen, > Vermeidung von Stromdurchgang, > Änderung des Schmiermittels (möglichst dünne Schutzschichtbildung), > Einsatz von carbonitrierten Werkstoffen, > Oxidbeschichtung der Lager (z. B. Brünieren). Quellen: [1] K. Tamada, H. Tanaka: Occurrence of brittle flaking on bearings used for automotive electrical instruments and auxiliary devices, Wear 19 (1996) S. 245-252. [2] F. Gutierrez Guzman, M. Özel, S. Pinard: Risse auf Lagerringen; FVA 707 II, Heft Nr. 122 Forschungsvereinigung Antriebstechnik e. V., Frankfurt, 2017. »« Abb. 1 Anzeige Eine Zeitschrift des Verband Schmierstoff-Industrie e. V. JETZT ONLINE LESEN! www.sus.expert SCHMIERSTOFF SCHMIERUNG