eJournals Schmierstoff + Schmierung 3/3

Schmierstoff + Schmierung
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expert verlag Tübingen
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Neues aus dem Verband

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Schmierstoff + Schmierung · 3. Jahrgang · 3/ 2022 36 neues aus deM VerBand Rückblick und Ausblick: 75 Jahre VSI Der VSI feierte in diesem Jahr sein 75-jähriges Bestehen. Am 12. Februar 1947 schlossen sich in Hamburg 35 Fetthersteller zum VSI zusammen. Der Verband war nicht die erste gemeinsame Interessenvertretung der deutschen Schmierfett-Hersteller, bereits seit 1935 gab es im Rahmen der damaligen „Marktordnung“ die Vereinigung der Fettfabrikanten Hamburg, zu der 57 Mitgliedsfirmen gehörten. Als der VSI gegründet wurde, entsprach der Verbandsname „Schmierfett-Industrie“ den damaligen Zielsetzungen. Seitdem aber haben sich die Schwerpunkte der Verbandstätigkeit verlagert. Sie wurden auf die Industrieschmierstoffe allgemein ausgeweitet. Folgerichtig wurde deshalb auf der ordentlichen Mitgliederversammlung 1994 der Name des Verbandes in „Verband Schmierstoff-Industrie“ geändert. Seit 1996 können generell Hersteller von Schmierstoffen dem Verband beitreten. Im Jahr 2004 wurde beschlossen, eine Geschäftsstelle mit hauptamtlichem Geschäftsführer und Sekretariat sowie Schmierstoffspezialisten einzurichten. Darüber hinaus können seit 2006 auch Firmen, die nicht selbst Schmierstoffe herstellen, dem VSI als Fördermitglieder beitreten. Heute verbindet der VSI den größten Teil der inländischen Hersteller von Industrieschmierstoffen und einige Produzenten aus dem europäischen Raum, die ihre Schmierstoffe in der Bundesrepublik vertreiben. Der Blick geht aber schon weiter: Immer mehr große Schmierstoffanwender interessieren sich für eine Mitgliedschaft, ein Ausdruck der zunehmenden Komplexität der Lieferketten. Die Internationalisierung der Mitglieder, Regularien und Märkte führt dazu, dass der VSI sich im europäischen Rahmen an den Diskussionen beteiligt und aktiv in internationalen Verbänden und Gremien mitarbeitet. 75 Jahre Verbandstätigkeit des VSI sind nicht nur Anlass, um in die Vergangenheit zurückzuschauen, sondern auch, um einen Blick in die Zukunft zu wagen. Folgende Eckpunkte werden das Geschäft der Mitglieder und damit auch die Arbeit des Verbandes bestimmen: > Der Markt für Industrieschmierstoffe wird in Deutschland und Europa nicht weiter wachsen. Gründe dafür sind Rationalisierungen bei den Industriekunden, ferner Maschinen und Motoren, die mit kleineren Füllungen auskommen, längere Standzeiten und der Trend zu „Life time“-Füllungen. Gegen diesen Trend spricht aber bis zu einem gewissen Grad die „De-Globalisierung“ durch die zahlreichen Krisen der letzten Jahre. > Die Regulierung von Chemikalien und Schmierstoffen hin zu mehr Nachhaltigkeit und Sicherheit sowie die internationale Normung greift immer tiefer in die Verfügbarkeit und die Anforderungen an Schmierstoffe ein. > Erneuerbare Energien und vor allem neue Antriebskonzepte und staatliche Vorgaben werden den Schmierstoffmarkt weitreichend verändern. Dies betrifft sowohl die Produktion als auch den Betrieb von Maschinen und Fahrzeugen. > Mittlere und kleinere Hersteller werden die Entwicklung von Spezialitäten vorantreiben, um in spezifischen Marktsegmenten ihre führende Position auszubauen, da diese stärker von nationalen Gegebenheiten beeinflusst werden. Die Zukunft der Schmierstoffindustrie hängt davon ab, ob und in welchem Umfang es gelingt, die Ertragskraft der Hersteller zu verbessern, die Qualität von Produkten und Service zu steigern und neue Verkaufskonzepte zu entwickeln. Der VSI wird seine Mitglieder auf diesem Weg weiterhin konstruktiv begleiten und seine Rolle als Sachverwalter einer zielgerichteten Weiterentwicklung des Industrieschmierstoffgeschäfts wahrnehmen. Borsäure: neue Kennzeichnungspflichten Mit der 17. ATP (Anpassung an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt) entfällt die spezifische Konzentrationsgrenze für Borsäure von 5,5 %. Künftig gilt die generische Konzentrationsgrenze für reproduktionstoxische Stoffe der Kategorie 1B von 0,3 % für die Einstufung von borsäurehaltigen KSS (Konzentrat bzw. Emulsion). Die Verordnung gilt nach Ablauf der Übergangsfristen ab dem 17. Dezember 2022, d. h., spätestens ab diesem Datum sind Mischungen mit freier Borsäure ab 0,3 % entsprechend als „Reproduktionstoxisch Kategorie 1B“ zu kennzeichnen. Dazu hat der VSI eine Handlungshilfe für Mitglieder und Anwender herausgegeben, der die verschiedenen Optionen und Konsequenzen dieser Neueinstufung näher beleuchtet. Die Handlungshilfe kann auf der Webseite des VSI eingesehen werden. Gaslieferkrise Die Gaslieferkrise macht auch vor den Schmierstoffen nicht halt. Vermehrt erreichen uns derzeit (Juli 2022) Anfragen von Mitgliedsfirmen, die ihrerseits von Kunden gebeten werden, Stellung zur Liefersituation im Zeichen der aktuellen Gaskrise zu beziehen. Es besteht die Sorge bei Anwendern, dass Schmierstoffe in Folge eines Lieferstopps für Gaslieferungen aus Russland nicht mehr hergestellt und ausgeliefert werden können. Die Anwender erwarten eine Abschätzung, welchen Einfluss ein Lieferstopp auf die Verfügbarkeit von Schmierstoffen hätte. Ganz ausdrücklich schreiben diese an VSI-Mitgliedsfirmen (Zitat): „Wir bitten Sie sehr, sich nicht in allgemeinen Sätzen zu verlieren wie ‚wir tun alles Mögliche, um die Versorgung aufrecht zu erhalten‘. Bitte sagen Sie uns klar und deutlich aus heutiger Sicht: Welchen Einfluss hat dies auf ihre Zulieferungen an uns, wenn morgen schon das Erdgas auf Basis der beiden genannten Szenarien reduziert werden würde.“ Eine allgemeine Antwort zur Liefersicherheit können wir als Verband hier natürlich nicht geben, da die Lieferketten und Produktionsverhältnisse der einzelnen Mitgliedsfirmen sehr variieren und damit die Abhängigkeit der Liefersicherheit von der Gasversorgung unterschiedlich ist. Auch sind Schmierstoffhersteller wahrscheinlich keine Großverbraucher im Sinne des „Notfallplans Gas“. Allerdings werden Vorlieferanten, zumindest aus Deutschland, sehr wahrscheinlich betroffen sein. Für den Fall, dass die Notfallstufe ausgerufen wird (nach der bereits aktivierten Frühwarnstufe sowie der Alarmstufe), gilt: In dieser Phase müssen laut dem europäischen Regelwerk „nicht-marktbasierte Maßnahmen“ ergriffen werden, um die Gasversorgung sicherzustellen. Der Staat tritt also in Aktion - im Fall Deutschlands in Form der Bundesnetzagentur. Sie wird nun zum „Bundeslastverteiler“. Das bedeutet: Sie regelt in Abstimmung mit den Netzbetreibern, wie das noch vorhandene Gas verteilt wird. Dabei sind bestimmte Verbrauchergruppen besonders geschützt und müssen nach Möglichkeit bis zuletzt mit Gas versorgt werden. Zu ihnen gehören Haushalte, soziale Einrichtungen wie Krankenhäuser, aber auch Gaskraftwerke, weil sie in vielen Haushalten die Wärmeversorgung sicherstellen. Die Industrie zählt nicht zu den besonders geschützten Verbrauchergruppen. Betriebe müssen also, wenn die Notfallstufe aktiviert wird, damit rechnen, dass ihnen das Gas abgedreht wird. Neues aus dem Verband Anders als die entsprechenden Papiere der Bundesregierung nennt die EU-Kommission auch Beispiele für Branchen, bei denen ein Abschalten unangemessen schwere Auswirkungen hätte (Quelle: Handelsblatt vom 14. 07. 2022): > Als Branchen, bei denen eine Produktionsunterbrechung gesellschaftliche Auswirkungen hätte, werden die Bereiche Gesundheit, Umwelt, Sicherheit sowie die Produktion von Lebensmitteln und Raffinerieprodukten genannt. Als sicherheitsrelevant werden auch die Behandlung von Abfällen und Wasser sowie bestimmte Aspekte von Chemieanlagen betrachtet. > Die Lieferketten für diese wichtigen Bereiche könnten gestört werden, wenn es Probleme in der Medizintechnik- und Pharmaindustrie gibt, in Teilen der chemischen Industrie und in Teilen der Textilindustrie, deren Produkte in der Gesundheits- und Verteidigungsindustrie verwendet werden. Hingewiesen wird auch auf die chemische Grundstoffindustrie und die Glasproduktion, die wichtig für die Verpackung von Lebensmitteln und Medikamenten sowie für Spritzen, Photovoltaik, Windenergie und Energiesparanwendungen ist. > Andere Sektoren könnten ohne Gas einen hohen Schaden erleiden, weil Produktionsanlagen zerstört würden. Genannt werden dabei die biologische Medizin und andere Teile der medizinischen Industrie, einige Teile des Maschinenbaus, die Textilindustrie und insbesondere ihr Veredelungssektor, Pharmazie, die meisten chemischen Prozesse, Düngemittel, Glas, Stahl, Aluminium, Raffinerien, Kalk und Keramik. Die Kommission verlangt, dass in diesen Fällen ermittelt wird, wie viel Gas ausreicht, um die Produktionsanlangen zu schützen. Diese Empfehlungen der EU Kommission sind zwar rechtlich nicht bindend, aber sie nicht zu befolgen, könnte negative Konsequenzen haben. Wenn es zu einer Situation kommt, in der ein Staat kein Gas mehr hat und auf Lieferungen aus anderen Ländern angewiesen ist, wird entscheidend sein, wie sehr sich das Land zuvor bemüht hat, Gas einzusparen. Wenn die Empfehlungen der Kommission nicht beachtet wurden, dürften andere Länder von ihrer Pflicht zur Solidarität befreit sein. »« Anzeige