Schmierstoff + Schmierung
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2023
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Entwicklung von Gasmotorenölen
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2023
Sven Köhler
Die Nutzung von Blockheizkraftwerken mit Gasmotoren hat im Bereich der erneuerbaren Energien in den letzten Jahrzehnten weltweit einen regelrechten Boom erlebt. Eine Chance nicht nur für Regionen, in denen noch keine ausgebaute Infrastruktur für Elektrizität besteht. Auch Privathaushalte, Unternehmen und Energieversorger in Industrieländern setzen verstärkt auf eigene Kraftwerke, um unabhängig zu sein und Strom- sowie Heizkosten zu senken.
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Schmierstoff + Schmierung · 4. Jahrgang · 1/ 2023 12 FacHartiKEl FacHartiKEl Entwicklung von Gasmotorenölen Sven Köhler, ADDINOL Lube Oil GmbH Die Nutzung von Blockheizkraftwerken mit Gasmotoren hat im Bereich der erneuerbaren Energien in den letzten Jahrzehnten weltweit einen regelrechten Boom erlebt. Eine Chance nicht nur für Regionen, in denen noch keine ausgebaute Infrastruktur für Elektrizität besteht. Auch Privathaushalte, Unternehmen und Energieversorger in Industrieländern setzen verstärkt auf eigene Kraftwerke, um unabhängig zu sein und Stromsowie Heizkosten zu senken. „Mit der wachsenden Nutzung von Erd- und Sondergasen zur Energiegewinnung schreitet die Entwicklung der Motorentechnik bis heute rasant voran. Um höhere Leistungen zu erzielen und gleichzeitig strengere Emissionsstandards zu erfüllen, setzen die Konstrukteure auf neue Materialien, wie z. B. Stahlkolbentechnologie und optimieren außerdem das Design der relevanten Bauteile und nehmen damit Einfluss auf die gesamte Brennraumgeometrie“, erklärt Sven Köhler, Produktmanager für Gasmotorenöle bei ADDINOL. „Diese Entwicklungen haben oft höhere Druckbelastungen und steigende Temperaturen in den Aggregaten zur Folge - eine weitere Herausforderung, die wir bei der Entwicklung neuer Gasmotorenöle berücksichtigen müssen.“ Denn, damit der Betrieb eines BHKW eine lukrative Sache bleibt, müssen alle Aspekte berücksichtigt werden, auch die unterschiedlichen Prozessgase, die zum Einsatz kommen. Sven Köhler Sven Köhler arbeitet seit 2008 bei ADDINOL als Produktmanager in der Abteilung Forschung und Entwicklung. Der gelernte Kraftfahrzeugmechaniker absolvierte zusätzlich ein Maschinenbaustudium, welches er erfolgreich als Diplom- Ingenieur (FH) abschloss. Seine Diplomarbeit erfolgte im damaligen Unternehmen der DaimlerChrysler AG im Werk Berlin-Marienfelde im Bereich der Motorenfertigung. Bei ADDINOL spezialisierte er sich auf die Bereiche Automotive Schmierstoffe, Gasmotorenöle für stationäre Anwendungen und Marineöle. Er entwickelt derzeit neue Formulierungen zur Erweiterung unseres Gasmotorenölsortiments in enger Abstimmung mit bedeutenden Motorenherstellern. 13 Schmierstoff + Schmierung · 4. Jahrgang · 1/ 2023 Fachartikel-|-Entwicklung von Gasmotorenölen Dabei ist die Zusammensetzung des Gases bei jeder Anlage ganz individuell und unterliegt während des Betriebs häufig Schwankungen. Dies hat unmittelbare Auswirkungen auf den Gasmotor. Wie er damit langfristig fertig wird, hängt ganz entscheidend vom eingesetzten Gasmotorenöl ab. Ein Gasmotorenöl, welches ausgerichtet auf die Anforderungen von Motor und Gasart konzipiert wurde, leistet einen entscheidenden Beitrag zu einem störungsfreien Betrieb, einer langen Lebensdauer der Motorkomponenten und damit auch zu einer hohen Wirtschaftlichkeit des stationären Motors. Grundsätzlich können zwei Gasarten unterschieden werden: Erdgas und Sondergase. Gasmotorenöl für den Betrieb mit Sondergasen Viele BHKW zur Erzeugung von Elektroenergie und Wärme werden mit Sondergasen wie Biogas, Grubengas, Deponie oder Klärgas betrieben. Vor dem Hintergrund des Klimawandels und der Verknappung fossiler Energieträger hat vor allem die Verwertung klimaschädlicher Gase aus Deponien und Kläranlagen entscheidende Vorteile. Im Betrieb bringen diese Gase aber durch individuelle, schwankende Gasqualitäten Herausforderungen mit sich. Sie sind meist gekennzeichnet durch eine Belastung mit starken Säurebildnern wie Chlor- oder Schwefelverbindungen. Um eine zuverlässige Schmierung auf höchstem Level sicherzustellen, muss das eingesetzte Gasmotorenöl die entstehenden Säuren während des Betriebes zuverlässig neutralisieren, um den Motor vor Korrosion, Verschleiß und Ablagerungen zu schützen. Deshalb werden Gasmotorenöle im Betrieb mit Sondergasen durch spezielle Additive mit einer alkalischen Reserve ausgestattet, die eine vorzeitige Versäuerung und Alterung des Motorenöles verhindert. Die hier eingesetzten Additive bilden allerdings im Verbrennungsprozess Sulfatasche, die wiederum zu Ablagerungen an Ventilsitzen, Kolbenboden und Kolbenringnuten führen kann. Eine Gradwanderung zwischen Neutralisationsvermögen und der Sauberkeit des Motors, die die Entwickler von Gasmotorenölen lösen müssen. Anhand des Sulfatascheanteils lassen sich Gasmotorenöle unterscheiden. Motorenhersteller schreiben in Abhängigkeit von der Schadstoff belastung im Gas und der Ablagerungstendenz in unterschiedlichen Motorentypen Gasmotorenöle mit unterschiedlichem Sulfataschegehalt vor. WIR BIETEN INDIVIDUELLE LÖSUNGEN! Anzeige Veränderung von Motorkomponenten in Gasmotoren müssen bei der Entwicklung von Gasmotorenölen ebenso berücksichtigt werden wie die Betriebsbedingungen und das Prozessgas. Foto: ADDINOL Lube Oil GmbH Schmierstoff + Schmierung · 4. Jahrgang · 1/ 2023 14 Fachartikel | Entwicklung von Gasmotorenölen Bei der Entwicklung von Gasmotorenölen für den Betrieb mit Biogas, Grubengas, Deponie oder Klärgas liegt der Fokus aufgrund der Belastung durch Verunreinigungen auf dem Neutralisationsvermögen und der dadurch erzielbaren längeren Öleinsatzintervalle. Anforderungen im Betrieb mit Erdgas Im Vergleich zu anderen fossilen Brennstoffen verbrennen Erdgas und gereinigte Sondergase sauberer. Sie sind kaum mit sauren Bestandteilen belastet und erfordern daher eine geringere alkalische Reserve des Motorenöls. Entsprechend fordern die Hersteller von Gasmotoren für den Betrieb mit Erdgas den Einsatz eines ascheärmeren Gasmotorenöles. Gleichzeitig geht der Einsatz von Erdgas und gereinigten Sondergasen mit hohen Verbrennungstemperaturen einher. Die eingesetzten Öle müssen also eine hohe Temperaturstabilität aufweisen. Gasmotorenöle im Erdgasbetrieb zeichnen sich also durch eine geringe Ablagerungsneigung und eine hohe thermische und oxidative Stabilität aus, um den hohen Verbrennungstemperaturen des Erdgases standhalten zu können und eine vorzeitige Alterung des Motorenöles zu verhindern. Sicherer Betrieb und optimal abgestimmte Wechselintervalle durch Ölanalysen Voraussetzung für den stabilen und wirtschaftlichen Betrieb eines BHKW sind nicht nur der Einsatz eines freigegebenen Gasmotorenöls, sondern auch die kontinuierliche Kontrolle des Ölzustands in regelmäßigen Intervallen und die Durchführung von Ölwechseln. Gasmotorenhersteller definieren in ihren Richtlinien und Anweisungen ganz genau, welche Ölkennwerte zu überwachen sind und legen Grenzwerte sowie Intervalle zur Probennahme fest. Ihre Einhaltung ist grundlegend, um den stabilen Betrieb sicherzustellen und Gewährleistungsansprüche im Schadensfall nicht zu verlieren. Auch gegenüber Versicherern ist der Nachweis ordnungsgemäßer Überwachung und die Einhaltung der vorgeschriebenen Wartungsmaßnahmen unabdingbar. Im Fokus der Überwachung stehen unter anderem folgende wichtige Kennwerte, die einen direkten Einfluss auf den Zustand des Motors sowie die Lebensdauer einzelner Bauteile haben: > Alkalistabilität: Aussage zur Neutralisierung saurer Bestandteile Neben der TBN (Total Base Number) als alkalische Reserve des Öls ist bei Sondergasen der i-pH-Wert als Merkmal für freie Säuren aus dem Brenngas Bei der Entwicklung neuer Gasmotorenöle spielen analytische Laboruntersuchungen, wie das Oxidationsverhalten, eine entscheidende Rolle, bevor das Öl im Feld auf dem Prüfstand steht. Foto: ADDINOL Lube Oil GmbH Im Feldtest müssen neu entwickelte Gasmotorenöle ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen - je nach Motorenhersteller bis zu 10.000 Betriebsstunden. Anschließend werden die Motorkomponenten, wie Kolben, Lagerschalen, Zündkerzen und Aus- und Einlassventile auf Verschleiß, Ablagerungen und Verkokungen untersucht. Foto: ADDINOL Lube Oil GmbH 15 Schmierstoff + Schmierung · 4. Jahrgang · 1/ 2023 Fachartikel-|-Entwicklung von Gasmotorenölen und das Verhältnis von TBN zu TAN (Total Acid Number), dem Versäuerungsgrad des Öls, wichtig. Diese Werte zeigen an, wie stark das Öl durch korrosiv wirkende Säuren belastet ist. > Thermisch-oxidative Stabilität (Oxidation): Überwachung der Ölalterung und Vermeidung von Ablagerungen und Verlackungen. > Verschleißelemente: Aussage zum Zustand des Motors, um frühzeitig Hinweise auf Verschleißprozesse oder Schäden an Motorkomponenten zu erhalten. > Verunreinigungen: Hinweise auf ins Öl eingetragene Fremdstoffe, um das Risiko von Leistungsverlust, Verschleiß und Motorschäden zu minimieren. Dabei ist die Öleinsatzzeit keine starre Größe. Sie wird beeinflusst von den Betriebsbedingungen des Motors, der Gasqualität, dem Ölvolumen und der Qualität des Öles. Da die Einflussfaktoren Schwankungen unterliegen können, ist die kontinuierliche Begleitung besonders wichtig. So können Ölwechsel zustandsabhängig durchgeführt und die optimale Öleinsatzzeit bei maximaler Sicherheit für Motor und Betrieb erreicht werden. Entwicklung spezieller Gasmotorenöle seit den 90ern Die Forschung und Entwicklung von Schmierstoffen, die auf extreme oder besondere Betriebsbedingungen einer speziellen Anwendung zugeschnitten sind, gehört zu den Kernkompetenzen der ADDINOL Lube Oil GmbH. In der Entwicklung der Gasmotorenöle wird seit vielen Jahren eng mit führenden OEM zusammengearbeitet. Schließlich ist das Motorenöl heutzutage längst ein Konstruktionselement und nur mit dem richtigen Schmierstoff ein sicherer und stabiler Betrieb der Anlagen möglich. So entstand ADDI- NOL Gasmotorenöl MG 40-Extra Plus in enger Kooperation mit MAN als erstes Gasmotorenöl im Sortiment speziell für den Betrieb mit Sondergasen. Es beherrscht die schwierigen Bedingungen bei der Verbrennung dieser hoch belasteten Gase mit Bravour und setzt bis heute Maßstäbe. Das Gasmotorenöl garantiert höchste Motorsauberkeit, schützt zuverlässig vor Verschleiß und neutralisiert saure Bestandteile im Brenngas wirksam. So sichert es nicht nur den zuverlässigen Betrieb der Anlage, sondern erreicht darüber hinaus auch noch überdurchschnittliche Einsatzintervalle. Für die hohen Anforderungen im Betrieb mit sauberen Brenngasen wurde die ADDINOL Eco Gas XD Serie entwickelt, die jüngst Zuwachs in der SAE- Klasse 50, insbesondere für hohe Wärmerückgewinnungsraten, bekommen hat. Die Gasmotorenöle für den Betrieb mit Erdgas oder gereinigten Biogasen weisen höchste thermische sowie alkalische Stabilität auf und erreichen außerordentliche Motorsauberkeit. Dadurch gewährleisten sie die effektive Reduzierung von Ablagerungen und besten Verschleißschutz. Begleitet wird der Einsatz der ADDINOL Gasmotorenöle durch den ADDINOL Analysenservice. Nachdem die Ölkennwerte, der vom Betreiber gesendeten Gebrauchtölproben in einem unabhängigen Labor bestimmt wurden, werden die anschließend übermittelten Kennwerte von den Anwendungsingenieuren am Unternehmensstandort in Leuna ausgewertet. Basierend auf einer speziellen Matrix, die auf Grenzwerten der Motorenhersteller sowie auf Kennwerten aus Feldtests und praktischen Einsätzen beruht, wird die Ölwechselfrist für jede Anlage individuell bestimmt. Der klar strukturierte ADDINOL Laborbericht hilft dabei, die empfohlene Ölwechselfrist eindeutig zu erkennen, Handlungsbedarf beim Motor oder Kühlsystem aufzuspüren und den Zustand von Öl und Motor im Zeitverlauf im Blick zu haben. »« Eingangsabbildung: © phantom1311 - stock.adobe.com Zwischenbefundung von Motorkomponenten nach 6.000 Betriebsstunden während eines Feldtests mit einem INNIO Jenbacher J416 GS-B02, links: Ventildeckel frei von Ablagerungen und Ölschlammbildung, rechts: Zylinderkopf mit Ventiltrieb ebenfalls frei von Ablagerungen; Foto: ADDINOL Lube Oil GmbH