Schmierstoff + Schmierung
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expert verlag Tübingen
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2023
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Herausforderungen bei der Schmierung von Anlagen in der Stahlindustrie
061
2023
Tim-Oliver Mattern
Viele Anwendungen in der Stahlindustrie sind äußerst anspruchsvoll in Bezug auf Schmierung und Versorgung mit geeigneten Schmierstoffen. Wälzlager, eines der am häufigsten verwendeten Konstruktionselemente, stehen dabei unter hohen Beaufschlagungen mit Wasser- und Staubverunreinigungen sowie Strahlungswärme, Vibrationen und Stoßbelastungen. Im Folgenden werden drei typische Beispiele der Wälzlagerschmierung in der Stahlindustrie diskutiert.
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Schmierstoff + Schmierung · 4. Jahrgang · 2/ 2023 18 FacHartiKEl FacHartiKEl Herausforderungen bei der Schmierung von Anlagen in der Stahlindustrie Dipl.-Ing. (FH) Tim-Oliver Mattern (VDI) Viele Anwendungen in der Stahlindustrie sind äußerst anspruchsvoll in Bezug auf Schmierung und Versorgung mit geeigneten Schmierstoffen. Wälzlager, eines der am häufigsten verwendeten Konstruktionselemente, stehen dabei unter hohen Beaufschlagungen mit Wasser- und Staubverunreinigungen sowie Strahlungswärme, Vibrationen und Stoßbelastungen. Im Folgenden werden drei typische Beispiele der Wälzlagerschmierung in der Stahlindustrie diskutiert. Diese sind: 1.1 Lagerung von Walzgerüsten in Warm- und Kaltwalzwerken 1.2 Lager von Strangführungsrollen von Stranggießanlagen 1.3 Nicht kontinuierlich betriebene Lager wie z. B. in Kranen oder Konvertern 1.1 Lagerung von Rollgängen in Warm- und Kaltwalzwerken Rollgänge sind Transporteinheiten für massive Stahlprodukte oder Halbzeuge. Sie sind Kaskaden paralleler Rollen senkrecht zur Transportrichtung der darauf liegenden Güter. In Walzwerken sind sie über die gesamte Länge vorhanden. Da dies zu einem gewissen Abstand und einer beachtlichen Anzahl von Lagern führt, werden diese meist über Zentralschmieranlagen geschmiert. Daher ist die erste Anforderung an den ausgewählten Schmierstoff die Förderbarkeit Tim-Oliver Mattern Head of global lubricants business - Steel Industry Head of global steel team beim ersten deutschen Schmierstoffhersteller BECHEM Tim-Oliver Mattern hat mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Metallindustrie, von denen er mehr als 22 Jahre bei internationalen Schmierstoffunternehmen in den Bereichen Marketing, Vertrieb und Geschäftsentwicklung tätig war. Aktuell leitet Herr Mattern bei BECHEM den Core Market Steel und das Globale Steel. 19 Schmierstoff + Schmierung · 4. Jahrgang · 2/ 2023 Fachartikel-|-Herausforderungen bei der Schmierung von Anlagen in der Stahlindustrie Vinkocide BB WM - Effektive Nachkonservierung für Kühlschmierstoffe Vinkocide BB WM ist eine innovative Konservierungslösung auf Basis des bioziden Wirkstoffs BBIT und wurde speziell für die Nachkonservierung von Kühlschmierstoffen in der metallbearbeitenden Industrie entwickelt. Es ist hochwirksam gegen Schimmelpilze, Hefen sowie Bakterien, und das über einen langen Zeitraum. Egal ob synthetische, halb-synthetische oder mineralölbasierte Kühlschmierstoffe: Vinkocide BB WM ist in allen Arten von Kühlschmierstoffen einsetzbar. 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KG | Eichenhöhe 29, 21255 Kakenstorf, Germany www.vink-chemicals.com durch die Zentralschmieranlage. Darüber hinaus treten bei jedem Durchlauf des Stahls Stoßbelastungen auf. Üblicherweise haben sich für diese Zwecke Fette mit ausreichender Grundölviskosität bewährt, um ein Viskositätsverhältnis von κ > 1 zu gewährleisten. Bei Ölschmierung sollte das Viskositätsverhältnis um ein Vielfaches höher sein, etwa κ≈ 4. Es besteht immer ein gewisses Risiko der Verschmutzung durch Staub und Wasser. Dies bezieht sich insbesondere auf die Kühlzone in Warmwalzwerken, wo der Stahl und der Walztisch mit enormen Wassermengen gespült werden. Dieses Wasser wäscht die Oxide des Walzzunders vom Stahl und ein Eindringen dieses kontaminierten Wassers gefährdet die Lagerlebensdauer. Daher ist die ordnungsgemäße Abdichtung der Lager von entscheidender Bedeutung. Im üblichen Fall der Fettschmierung über Zentralschmieranlage sorgt die kontinuierliche Nachschmierung für ausreichende Dichteigenschaften. Das setzt auch voraus, dass der Schmierstoff geeignet ist, ohne zu großen Druckverlust durch die engen Rohrleitungen von Zentralschmieranlagen zu fließen, um die maximale Pumpenleistung nicht zu überschreiten. Ein Verfahren zur Beurteilung dieser Eignung und zur Berechnung des erforderlichen Drucks der Pumpe wurde mit der Bechem-Rheometerkurve vorgestellt. Um eine übermäßige Nachschmierung zu vermeiden und eine ordnungsgemäße Abdichtung aufrechtzuerhalten, sollte das Fett eine ausreichende Wasserbeständigkeit aufweisen. Eine gängige Methode zur Beurteilung des Wasserauswaschverhaltens von Schmierfetten aus Lagern ist die Prüfung nach DIN ISO 11009. In dem Abb. 1: Schematische Darstellung einer Stranggießanlage mit Strangführungsrollen (Quelle: CARL BECHEM GMBH) Anzeige Schmierstoff + Schmierung · 4. Jahrgang · 2/ 2023 20 Fachartikel | Herausforderungen bei der Schmierung von Anlagen in der Stahlindustrie entsprechenden Prüfstand wird Wasser auf ein laufendes Lager gesprüht und die Wasserauswaschung des Fettes nach anschließender Wägung des getrockneten Lagers mit dem Restfett bestimmt. In Warmwalzwerken sind die ersten Walzgerüste nach dem Ofenausgang nicht Wasser, sondern starker Strahlungswärme ausgesetzt. Dabei besteht die Gefahr, dass die Temperaturbeständigkeit des Fettes überschritten wird, was in manchen Fällen zu einer Erweichung mit daraus resultierenden Undichtigkeiten oder in anderen Fällen zu einer Verhärtung mit daraus resultierenden Verstopfungen des Lagers oder mehr noch der Rohrleitungen der Zentralschmieranlage führen kann. In beiden Fällen leidet das Lager unter Mangelschmierung. Daher muss für die Bereiche der Rollgänge ein Schmierstoff mit ausreichender Hitzebeständigkeit gewählt werden. Zur Schmierung von Rollgängen werden meist Fette über Zentralschmieranlagen zugeführt. Eine weitere bewährte Option sind Öl-Luft-Schmiersysteme. In diesen Systemen sind die Lager mit Rohrleitungen verbunden, die einen konstanten Luftstrom zu den Lagern liefern, der sie auf einem höheren Druckniveau hält, das sie vor dem Eindringen von Wasser und anderen Verunreinigungen schützt. Zusätzlich wird eine kleine Menge Öl in das System dosiert und durch den Luftstrom zu den Lagern befördert. Mittlerweile sind solche Systeme in der Stahlindustrie recht häufig anzutreffen, da sie sich als zuverlässig erwiesen haben. Im Vergleich zur Fettschmierung sind die Investitionskosten von Öl-Luft-Systemen jedoch höher. Hinsichtlich der Betriebskosten wurden widersprüchliche Erfahrungen gemacht. 1.2 Lager von Strangführungsrollen von Stranggießanlagen Bei der Lagerung von Strangführungsrollen in Stranggießanlagen, insbesondere Brammengießanlagen, wird der Strang von einer Vielzahl von Rollen mit jeweils zwei oder mehr Wälzlagern geführt wie in Abb. 1 dargestellt. Die Schmierung dieser Strangführungsrollen in Stranggießanlagen ist ein zentrales Instandhaltungsproblem in der Stahlindustrie. Alles, was in Abschnitt 1.1 zur Rollgangsschmierung besprochen wurde, bezieht sich auch auf die Schmierung von Strangführungsrollen in Stranggießanlagen. Die Anforderung ist jedoch noch anspruchsvoller da zu den bereits beschriebenen Problemen des Kühlwassers und Schmutz, einschließlich abrasiver Partikel, noch Wärmestrahlung des Strangs auftritt. Je nach Betrieb der Gießanlage kann es vorkommen, dass das Lager einmal mit hohen Wassermengen gespült wird und es ein anderes Mal zu Kühlwassermangel und extremer Strahlungswärmebelastung kommt. Auch bei ausreichender Lagerkühlung kann der Schmierstoff in den Rohrleitungen der Zentralschmieranlagen unter Strahlungswärme leiden. Abb. 2 zeigt Strangführungsrollen einer Knüppelgießanlage im Betrieb und gibt einen Eindruck von den harten Betriebsbedingungen. Ebenso wie Lager von Rolltischen sind auch die Lager von Strangführungsrollen in Zentralschmieranlagen meist an Zentralschmieranlagen angeschlossen. Auch hier kommen meist Fettschmiersysteme zum Einsatz, aber auch Öl-Luft-Schmiersysteme sind heutzutage häufig anzutreffen. Eine weitere besondere Herausforderung an die Schmierung von Strangführungsrollen ergibt sich aus deren extrem niedrigen Drehzahlen von meist n < 10 min -1 . Der mittlere Lagerdurchmesser wird üblicherweise dm < 200 mm betragen. Daraus Abb. 2: Blick auf Strangführungsrollen einer Knüppelgießanlage im Betrieb (Bildquelle: Industrieblick) 21 Schmierstoff + Schmierung · 4. Jahrgang · 2/ 2023 Fachartikel-|-Herausforderungen bei der Schmierung von Anlagen in der Stahlindustrie lässt sich nach bekannten Berechnungsverfahren eine Nennviskosität > 470 mm²/ s errechnen, die für minimalen Verschleiß sorgt. Unter Berücksichtigung einer realistischen Temperatur ϑ > 80 °C des Lagers ergibt selbst ein extrem hochviskoses Mineralöl von ν = 1200 mm²/ s, bei ϑ = 40 °C ein Viskositätsverhältnis von κ< 0,28. Normalerweise werden solche hochviskosen Schmiermittel nicht verwendet, da sie ernsthafte Probleme bei der Nachschmierung verursachen. In der Praxis von Strangführungsrollen werden typischerweise Grundölviskositäten von 100 < ν < 500 mm²/ s bei 40 °C angewendet und das Viskositätsverhältnis ist im Bereich von 0,02 < κ < 0,2 zu erwarten. Nach den bekannten Berechnungsverfahren ist in diesem Anwendungsfall die Drehzahl zu gering einen hydrodynamischen Schmierfilm zu bilden. Das bedeutet die Kontaktflächen werden nur unzureichend getrennt und es kommt zu Metall auf Metall Kontakten, was letztendlich zu Verschleiß führt. Unter solchen Bedingungen reduziert sich die Lebensdauer der Lager üblicherweise auf 10 oder max. 20 % der nominellen Lebensdauer L10. Da die nominelle Lebensdauer L10 jedoch in Millionen Umdrehungen angegeben wird und die Drehzahl n extrem niedrig ist, ergibt sich dennoch eine ausreichende Lebensdauer in Betriebsstunden bezogen auf Ermüdungsschäden. Es werden überwiegend Wälzlager eingesetzt und Aufgrund des extrem dünnen Schmierfilms sind die Wälzlager sehr anfällig für Verschmutzungen. Selbst kleine Partikel, die kaum aus dem Linienkontakt der Rollen entweichen, können sehr hohe lokale Belastungen verursachen und möglicherweise zu Schäden führen. Daher ist das Abdichten der Lager vor Verunreinigungen mit harten und abrasiven Partikeln das wichtigste Thema bei der Schmierung der Lager von Strangführungsrollen in Stranggießanlagen. 1.3 Nicht kontinuierlich betriebene Lager wie z. B. in Kränen oder Konvertern Neben den bereits erwähnten Lagern mit extrem niedrigen Drehzahlen gibt es auch einige Lager, die nicht kontinuierlich betrieben werden. Typische Beispiele in der Stahlindustrie sind Kranlager oder Konverterhauptlager. Wie bereits erwähnt, basiert der Schmierfilm von Ölen und Fetten auf der Bewegung der Oberflächen. Wenn nicht kontinuierlich betriebene Lager die Drehung stoppen, kommt es unweigerlich bei den Oberflächen zu Metallauf Metall-Kontakt. Ohne weitere Bewegung des Lagers entsteht theoretisch keine Schubspannung und damit kein Verschleiß. Aber auch im Stillstand können Vibrationen zu einer Mikroschwingung des Lagers führen. Diese Bewegungen können unter Umständen zu Schäden führen. Das oben beschriebene Phänomen wird unter dem Stichwort False Brinelling diskutiert. Diese Formulierung ist ziemlich gebräuchlich, aber gleichzeitig verwirrend. Diese Schäden resultieren nicht nur aus einer Einkerbung, sondern vielmehr aus Scherspannungen, die durch Mikrobewegungen verursacht werden, die das Nachfüllen von Schmiermittel behindern. Bisher wurde keine gemeinsame Theorie gefunden, wie die sogenannten False-Brinelling-Schäden vermieden werden können. Je nach Anwendung haben sich unterschiedliche Strategien durchgesetzt. Im Allgemeinen hat sich herausgestellt, dass Öle oder Fette mit niedriger Konsistenz und hoher Ölabscheidung vorteilhaft sind. Weiterhin haben sich Festschmierstoffpartikel als Zusatz von Fetten und in seltenen Fällen von Ölen als hilfreich erwiesen. Schließlich haben spezielle Additive oder Verdickungsmittel, die für Triboschichten sorgen, positive Wirkungen gezeigt. Die Herausforderungen bei der Schmierung von Anlagen in der Stahlindustrie haben sich in den letzten Jahrzehnten nicht nur aufgrund der gestiegenen Produktionskapazität der Anlagen aber auch durch die genauere Berechnung und Auslegung der einzelnen Komponenten erhöht. Ein Mehrzweck- oder Universalschmierstoff, wie er in den 1980er Jahren noch bei Neubauten von Gießanlagen und Walzwerken zur Vereinheitlichung und Reduzierung der einzusetzenden Schmierstoffe, insbesondere Schmierfette, geplant und umgesetzt wurde, konnte sich nicht durchsetzen. Zu unterschiedlich und zu speziell sind die einzelnen Anforderungen, von denen in diesem Artikel lediglich drei Beispiele exemplarisch betrachtet wurden, um alle Anwendungen mit einem Universalschmierstoff zu betreiben. Quellenangabe: BHM Berg- und Hüttenmännische Monatshefte volume 167, pages 207-214 (2022) Lubrication of Rolling Bearings by Frank Reichmann »« Eingangsabbildung: © ABCDstock - stock.adobe.com
