Schmierstoff + Schmierung
sus
2699-3244
expert verlag Tübingen
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/91
2023
43
Jo Ameye
91
2023
sus430034
Schmierstoff + Schmierung · 4. Jahrgang · 3/ 2023 34 20 MInuten MIt … 20 Minuten mit … Jo Ameye Turbinenschmierung und speziell die Überwachung von Turbinenölen ist seit mehr als 25 Jahren ihr „Spezialgebiet“. Was waren in den letzten 10 Jahren die größten Herausforderungen im Bereich der Turbinenschmierung? Die Forderung der Industrie, Wartungsintervalle zu verlängern, und die wachsende Tendenz von Turbinenherstellern, Turbinen mit geringeren Ölmengen zu bauen, haben die Turbinenbetreiber vor große Herausforderungen gestellt. Hinzu kommt, dass sich der Energiemarkt in den letzten zehn Jahren kontinuierlich verändert hat: Die Umstellung von Kohle auf Gas und der Wechsel von Grundlastzu Spitzenlastbetrieb haben die Belastung auf die Turbinenöle erhöht. Insgesamt müssen Turbinenöle eine längere Lebensdauer unter extremeren oxidativen Bedingungen aufweisen. Das hat zu einer Vielzahl von betrieblichen Herausforderungen geführt. Es ist jedoch bemerkenswert, wie die Ölhersteller und -dienstleister auf diese höheren Anforderungen reagiert haben. Der Schwerpunkt wurde auf die Integration neuerer Grundöl- und Additivchemie in leistungsfähigere Formulierungen und auf der Digitalisierung gelegt. Heute steht die Industrie steht vor einer neuen Herausforderung: Sie muss Zuverlässigkeit, Nachhaltigkeit und Energieeffizienz wirksam miteinander verbinden. Gleichzeitig müssen die Unternehmen ihre Ziele in Bezug auf die Reduzierung ihres CO 2 -Fußabdrucks erfüllen. Was hat Ihrer Meinung maßgeblich dazu beigetragen, dass die Herausforderungen der letzten Jahre überwunden werden konnten? In den letzten Jahrzehnten habe ich persönlich miterlebt, welche positiven Auswirkungen genormte Prüfverfahren auf die Verbesserung der Zuverlässigkeit von Turbinenölen haben. Normungsgremien wie DIN und ASTM haben sich intensiv mit der Entwicklung geeigneter Ölprüf- und -überwachungsstandards und -verfahren beschäftigt, die es den Endanwendern ermöglichen, neue Herausforderungen besser zu meistern. Gleichzeitig hat die Instandhaltungs-Branche durch die steigende Bedeutung der beruflichen Weiterbildung im Bereich der Schmierung an Kompetenz gewonnen. Hervorragende Beispiele hierfür sind ICML oder Unternehmen wie OELCHECK. Sie haben nicht nur mit ihren hochmodernen Labordienstleistungen eine zentrale Rolle in der Branche gespielt, sondern auch mit ihrem Angebot an Schulungen und Seminaren an der OilDoc Akademie die Endanwender in die Lage versetzt, zuverlässigkeitsorientierte Instandhaltungsprogramme zu optimieren. Vor welchen weiteren Herausforderungen steht die Branche in den kommenden Jahren und wie sehen Sie Ihren Beitrag zu deren Lösung? Meiner bescheidenen Meinung nach stellen die Auswirkungen der „grünen Transformation“ eine große Herausforderung für Energieunternehmen dar. Schmierstoffe können bei der Bewältigung dieser Herausforderungen eine zentrale Rolle spielen: Zum Beispiel durch: Jo Ameye Jo Ameye leitet das Fluitec Team Europa. Er hat mehr als 25 Jahre Erfahrung in der Zustandsüberwachung von Hydraulik- und Industrieschmierstoffen und arbeitet eng mit globalen OEMs sowie mit Öl- und Additivunternehmen zusammen. Jo ist Ko-Vorsitzender des ASTM-Unterausschusses für Turbinenöle und Oxidation und außerdem aktives Mitglied in weltweit anerkannten Industrieverbänden und Zertifizierungsorganisationen wie: STLE, ELGI, NLGI und DIN. Er ist außerdem ausgebildeter Biochemie-Ingenieur und hat Dutzende von Veröffentlichungen vorzuweisen. 35 Schmierstoff + Schmierung · 4. Jahrgang · 3/ 2023 20 Minuten mit …-|-Jo Ameye > Verwendung von Materialien aus nachhaltigen Quellen bei der Formulierung von Turbinenölen. > Verbesserung der Energieeffizienz der Maschinen, die sie schmieren. > Verlängerung der Lebensdauer von Schmierstoffen bis zur maximalen technischen Machbarkeit. Ich bin immer wieder erstaunt, wenn ich sehe, dass Kraftwerke an zeitabhängigen Schmierstoff-Wechselintervallen festhalten, obwohl Ölanalysen dies nicht empfehlen. In meiner Firma, Fluitec, haben wir in den letzten 15 Jahren in Strategien zur Verlängerung der Lebensdauer von Schmierstoffen investiert, die wir Fill4Life nennen. Dies wird erreicht, wenn das Öl sauber und trocken gehalten wird, Ölabbauprodukte durch spezielle Filtration und Verbesserung der Löslichkeit kontrolliert werden und das Additivsystem des Schmierstoffs wiederbelebt wird, wenn es erschöpft ist. Ich bin davon überzeugt, dass sich diese Strategie in Zukunft für das Management von Turbinenölen durchsetzen wird, nicht nur bei den innovativen Vorreitern von heute. Das wird ein kleiner, aber wichtiger Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit sein. Ablagerungsbedingte Störungen in ölgefüllten Systemen von Turbinen werden mit der temperaturbedingten Ölalterung in Verbindung gebracht. Sind deshalb Ölsysteme in den eher „kalt“ laufenden Wasserturbinen vor derartigen Störungen gefeit? Es liegt auf der Hand, dass die thermische Belastung eines Öls mit steigender Betriebstemperatur zunimmt und die Wahrscheinlichkeit von Ausfällen aufgrund von Ablagerungen steigt. Auch relativ anspruchslose Anwendungen wie Wasserkraftturbinen sind nicht vor Ablagerungen gefeit, insbesondere bei Regelungssystemen mit modernen digitalen Steuerungen. Unabhängig von der Art der Turbinenanwendung ist das erste Anzeichen für eine Verschlechterung des Ölzustands der Abbau der Antioxidantien und das erste Problem für die Performance die Bildung von Abbauprodukten und potenziellen Ablagerungen. Daher ist die Überwachung dieser Parameter durch Tests wie RULER und MPC wichtig - unabhängig von der Anwendung. Wie können andere Anwendungsbereiche von den in den letzten Jahren im Turbinenbereich gemachten Erfahrungen profitieren? Die Auswirkungen eines versagenden Turbinenöls sind extrem kostspielig. Es ist daher logisch, dass diesem Bereich aus der Sicht des Ölmanagements so viel Aufmerksamkeit geschenkt wird. Die Erkenntnisse, die im Turbinenbereich gewonnen werden konnten, werden mittlerweile auch auf eine Vielzahl anderer Bereiche übertragen. Insbesondere turbinenähnliche Anwendungen, wie z. B. schnelllaufende Kreiselverdichter, stellen aufgrund von Faktoren wie chemischer Gasverschmutzung, hohen Temperaturen und hohen Belastungsfaktoren, die das Versagen von Flüssigkeiten beschleunigen können, besondere Herausforderungen. Hier ist es umso wichtiger, dass professionelle Ölanalysen in angemessenen Zeitabständen durchgeführt werden. Wir beobachten jedoch auch einen Wissenstransfer aus dem Turbinenölbereich in eine Vielzahl anderer Anwendungen wie Hydraulik-, Papiermaschinen- und Getriebeöle. Es ist immer häufiger zu beobachten, dass Tests wie MPC und RULER in diese Überwachungsprogramme integriert werden. Letztendlich werden Strategien, die auf dem Turbinenölmarkt zur Verlängerung der Maschinenlebensdauer eingesetzt werden, auch auf viele andere industrielle Schmierstoffanwendungen übertragen werden können. Werden Ölzustands-Sensoren nach deiner Einschätzung Onsite- und Laboranalysen zukünftig überflüssig machen? Seit mindestens 15 Jahren höre ich die Prophezeiung, dass Ölsensoren die Labors überflüssig machen würden. Aber heute ist das Laborgeschäft immer noch gesund und es gibt nur wenige Turbinen, die online werden. Mit der Zunahme von autonomen und unbemannten Kraftwerken steigt jedoch die Nachfrage nach Sensoren, die eine hohe Qualität aufweisen. Sensoren liefern immer mehr wertvolle Daten, z. B. über die Zersetzungsgeschwindigkeit von Betriebsstoffen, Ablagerungstendenzen und den Zustand der Additiven. Dies bedeutet wahrscheinlich, dass sich Sensoren immer mehr durchsetzen und einen Teil der von Labors durchgeführten Tests ersetzen werden. Werden die Labors aussterben? Wahrscheinlich nicht. Allerdings werden Laboratorien, die über spezielles Fachwissen verfügen und sich stark auf die Kundenbetreuung konzentrieren, in den kommenden Jahren ein größeres Wachstum verzeichnen als Labore mit hohem Volumen und Standardprodukten. Eine letzte Frage: Spielen Antioxidantien nur im Technik-Leben von Schmierölen eine Rolle oder gibt es hier sogar Parallelen zu unserem menschlichen Körper? Seit dem ersten Tag, an dem ich an der Entwicklung der RULER-Technologie (Überwachung von Antioxidantien) mitgearbeitet habe, hat der Erfinder dieser Technologie, Dr. Bob Kauffman (UDRI), immer wieder auf die Ähnlichkeit zwischen dem Blut des menschlichen Körpers und dem Blut der Maschine - dem Öl - hingewiesen. In den letzten 15 Jahren bieten Ölfirmen stärkere und ausgewogene Pakete von Antioxidantien an, um das Basisöl länger und besser zu schützen. Die Überwachung dieser Antioxidantien hat sich als sehr wertvoll für die Zustandsüberwachung von Turbinenschmierstoffen erwiesen. »« Eingangsabbildung: © istock.com/ Comeback Images
