Schmierstoff + Schmierung
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expert verlag Tübingen
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20 Minuten mit ... Peter Weismann
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Schmierstoff + Schmierung · 4. Jahrgang · 4/ 2023 34 20 MInuten MIt … 20 Minuten mit … Peter Weismann Seit mehr als 50 Jahren beschäftigen Sie sich mit dem Thema „Tribologie“. So gaben Sie schon als Maschinenbau-Ingenieur mit Ihrer Diplomarbeit über das Thema „Ölnebelschmierung“ Hinweise zu einer ressourcenschonenderen Verwendung dieser Spezialöle. Seit 1970 haben Sie maßgeblich dazu beigetragen, Themen zum Langzeiteinsatz von Schmierstoffen im Zusammenhang mit einer proaktiven Instandhaltung zu sehen und diese - untermauert mit aktuellen tribologischen Erkenntnissen - in den Fokus von Maschinen- und Anlagenbetreibern zu rücken. Im Rahmen der Jahrestagung 2023 wurden Sie von der GfT (Gesellschaft für Tribologie e. V.) mit dem renommierten Georg-Vogelpohl- Ehrenzeichen geehrt - der höchsten deutschen Auszeichnung für Tribologen, die besonders bei Entwicklung, Anwendung oder Verbreitung schmiertechnischer Erkenntnisse hervorgetreten sind. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung? Es ist für mich eine große Ehre, dass ich aufgenommen wurde in diesen Kreis von renommierten Persönlichkeiten, die sich dem Fachgebiet Reduzierung von Reibung und Verschleiß in Verbindung mit Schmierstoffen beschäftigen. Seit ich als Student vor mehr als 50 Jahren in die Gf T eingetreten bin, habe ich immer aktiv daran mitgearbeitet, dass Schmierstoffe und die damit geschmierten Komponenten länger und ressourcenschonend verwendet werden. Bevor Sie 1991 zusammen mit Ihrer Frau Barbara WEARCHECK (heute OELCHECK) gründeten, waren Sie nach dem Studium viele Jahre als Technischer Leiter für Vertrieb und den Export in 54 Länder von Spezialschmierstoffen bei der Firma Optimol (heute Castrol) zuständig. Sie unterstützten den Vertrieb dabei, sich mit detailliertem schmierstoff-technischen Wissen einen besonderen Markt aufzubauen. Tatsächlich konnten meine Vertriebspartner den Verkauf der relativ teuren Spezialöle nur mit Hilfe von Ölanalysen erfolgreich begründen. Nur anhand der Analysenwerte konnte ein Nachweis für deren Wirtschaftlichkeit, sei es durch längere Ölwechselintervalle oder aufgrund von Verschleißreduzierung und somit längerer Lebensdauer der Komponenten erbracht werden. Peter Weismann Diplom-Ingenieur, startete seine Karriere als Maschinenbauingenieur und übernahm dann die Position des Verkaufsleiters des Technischen Dienstes und Exportmanagers bei einem mittelständischen Hersteller von Spezial-Schmierstoffen. Im Jahr 1991 gründete er zusammen mit seiner Frau Barbara die WEARCHECK GmbH, die heute als OELCHECK bekannt ist und führend in der Analyse von Öl- und Betriebsstoffen in Europa ist. Als unabhängiger Sachverständiger und gefragter Referent vermittelte er sein umfangreiches Wissen im Bereich Schmierstoffe und Ölanalytik. Darüber hinaus bewertete er Schmierstoffproben für Gerichtsgutachten und engagierte sich über viele Jahrzehnte in Schmierstoffnormungsgremien. Er arbeitete zudem aktiv an verschiedenen Forschungsvorhaben zur Entwicklung von Online-Sensoren mit. Heute ist er noch als Beirat für die OELCHECK GmbH aktiv und genießt darüber hinaus seine Freizeit in der malerischen Umgebung des bayerischen Voralpenlands, am italienischen Gardasee und an exotischen Orten in aller Welt. 35 Schmierstoff + Schmierung · 4. Jahrgang · 4/ 2023 20 Minuten mit …-|-Peter Weismann Warum waren Sie dann vor mehr als 30 Jahren davon überzeugt, dass Sie - zunächst als 2-Personen-Betrieb - mit dem Thema „Ölanalytik“ erfolgreich werden würden? Anders als im Ausland, gab es Anfang der Neunziger Jahre noch keine unabhängige Ölanalytik in Deutschland. Ich betrachte es deshalb immer noch als meine beste Leistung als Verkäufer, dass ich meine Frau Barbara davon überzeugen konnte, eine Firma zu gründen, die das Ziel hatte, mit vorbezahlten Analysensets Kunden innerhalb von 24 Stunden darauf hinzuweisen, ob überhaupt, wann und warum Öl gewechselt werden sollte. Im Gegensatz zu Labors, die meist nur Einzelwerte mitteilten, stellten wir eine verständliche Diagnose durch praxiserfahrene Tribologen auf Basis von erfahrungsbasierten Limitwerten, in jedem OELCHECK-Laborbericht in den Mittelpunkt. Von Anfang hatten wir den Anspruch: Höchste Perfektion in der Analytik, kompetente Kenntnisse in allen Branchen, verlässliche Mitarbeiter und immer offen für Innovationen im Analytik- und Maschinenbaubereich. Der Erfolg gibt Ihnen recht! Heute arbeiten mehr als 100 Mitarbeiter im OELCHECK-Labor in Brannenburg. Bis zu 2.000 Proben werden täglich analysiert und durch ein Tribologen- Team beurteilt. Wie können Sie die hohe Anzahl an Proben bewältigen? Von Beginn an automatisierten wir Routinetätigkeiten oder investierten in Laborautomaten. Mit unserem selbst entwicklten Labor-Informations- und Management-System (LIMS) unterstützen wir alle Abläufe und Prozesse im Rahmen jeder Schmier- und Betriebsstoff-Untersuchung - vom Versand der Probengefäße, bis hin zum Weg der Probe durchs Labor und zur Auswertung. Auch unsere Kunden unterstützen uns, wenn sie heute die Probendaten mittels OEL- CHECK APP oder über unser Online-Kundenportal an uns übermitteln oder, wenn sie die Laborbericht direkt online abrufen. Nicht zu vergessen: Die Geschäftsführer, mein Sohn Paul und meine Frau Barbara Weismann, werden durch ein hoch motiviertes Team von kompetenten Mitarbeitenden unterstützt. In den letzten Jahren ist das Thema „Nachhaltigkeit“ immer mehr in den Fokus von Unternehmen gerückt. Sie müssen zukünftig ihren CO 2 -Fußabdruck deutlich verringern. Können sie von regelmäßigen Ölanalysen profitieren? Nachhaltigkeit ist zwar als Begrifflichkeit in der Tribologie relativ neu, aber kein wirklich neues Thema! Seit 1991 wurden von OELCHECK mehr als 5 Millionen Proben, die von mehr als 40.000 Kunden kamen, analysiert. Diese Proben repräsentierten Ölfüllmengen von mehr als 2,5 Millionen Tonnen. Bei 47 % dieser Proben konnten die Tribologen in ihrem Laborbericht eine positive Beurteilung abgeben: Ein Ölwechsel ist nicht erforderlich! Oft hätte man das Ölwechselintervall problemlos verdoppeln können. In diesem Fall werden nicht nur 1,3 kg CO 2 / Liter für das Frischöl, sondern auch deutlich mehr als diese Menge für das Sammeln und Recyclen von Gebrauchtöl, ressourcenschonend und nachhaltig eingespart. Aus dem aktuellen Tagesgeschäft der OELCHECK GmbH haben Sie sich in den letzten Jahren zurückgezogen. Trotzdem sind Sie immer noch aktiv in der Schmierstoff- und Instandhaltungs-Branche unterwegs und immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen. Was ist Ihr aktuelles Herzens-Projekt? Den meisten Verbrauchern ist der CO 2 -Fußabdruck, den Frischöl bzw. ein Ölwechsel verursacht, nicht bewusst. Ich möchte deshalb bei Anwendern von Schmierstoffen und in der Politik ein größeres Bewusstsein für die Relevanz des Themas „zustandsabhängige Ölwechsel“ wecken. Oft lassen sich nämlich Ölwechselintervalle durch den Einsatz von Ölen auf der Basis besserer, oft synthetischer Grundöle, die zusätzlich neuartige, reibungs- und verschleißreduzierende Additive enthalten, erheblich verlängern. Neben Staub und Wasser werden auch Öloxidationsprodukte durch bessere Filtration entfernt. Ölanalysen zeigen dann deutlich, dass Öle erheblich länger im Einsatz bleiben könnten, als in der Bedienungsanleitung angegeben. Erste Gespräche mit Vertretern aus der Politik und der Schmierstoffindustrie darüber, wie Verbraucher über einen ressourcenschonenderen Einsatz von Schmierstoffen informiert werden können, gestalteten sich allerdings recht schwierig. Deshalb entwickelt OELCHECK jetzt eine Online-Anwendung, mit der der Empfänger eines Laborberichts einfach berechnen kann, welchen Beitrag er zur CO 2 -Reduktion leisten kann, wenn er den Ölwechsel erst dann vornimmt, wenn er aufgrund von Verschleiß, Verunreinigungen, Öloxidation und Additivabbau wirklich erforderlich ist. Es ist meine Vision, dass dann vielleicht eine Gesetzesvorlage zustande kommt, die vorschreibt, dass Ölwechsel aus Motoren und Anlagen mit einer Füllmenge von mehr als 100 Litern erst dann erfolgen sollen, wenn durch eine zuvor durchgeführte Analyse beurteilt wird, dass der beabsichtigte Ölwechsel keine reine Umweltverschmutzung ist. Da sind sicher noch einige Schritte zu gehen! Für dieses Projekt und natürlich auch für all Ihre privaten Pläne wünschen wir Ihnen beste Gesundheit, viel Elan und alles Gute! Vielen Dank! »« Eingangsabbildung: © istock.com/ Comeback Images