eJournals Schmierstoff + Schmierung 5/3

Schmierstoff + Schmierung
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Bleibt der Schmierstoff bei der Nationalen Wasserstoffstrategie auf der Strecke?

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Manfred Jungk
Für das Erreichen einer Treibhausgasneutralität bedarf es einer Dekarbonisierung der Energie- und Rohstoffversorgung, die bislang noch zu einem großen Teil auf fossilen Brennstoffen beruht.
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Schmierstoff + Schmierung · 5. Jahrgang · 3/ 2024 12 FacHartikEl FacHartikEl Bleibt der Schmierstoff bei der Nationalen Wasserstoffstrategie auf der Strecke? Dr. Manfred Jungk Für das Erreichen einer Treibhausgasneutralität bedarf es einer Dekarbonisierung der Energie- und Rohstoffversorgung, die bislang noch zu einem großen Teil auf fossilen Brennstoffen beruht. Wasserstoff soll nach der im Juni 2020 begonnenen und im April 2022 fortgeschrittenen Nationalen Wasserstoffstrategie einen großen Beitrag leisten; die Bundesregierung will den Einsatz klimafreundlicher Wasserstofftechnologien damit vorantreiben. Klassisch wurde schon früh Wasserstoff aus Kohlevergasung hergestellt, jedoch mit der Exploration von Erdgas und Erdöl durch die Dampfreformierung ersetzt. Diese ist die wirtschaftlichste und am weitesten verbreitete Methode, Wasserstoff zu erzeugen. Die Kohlendioxid-Bilanz ist aber gleich hoch wie die direkte Verbrennung von fossilen Energieträgern, es sei denn, man benutzt Biomasse. Bisher wird Wasserstoff vor allem in der chemischen Industrie, beispielsweise für die Herstellung von Stickstoffdünger, oder beim Cracken von Kohlenwasserstoffen in Erdölraffinerien eingesetzt, was aktuell in Deutschland jährlich einem Umfang von rd. 55 TWh entspricht. Diese Anwendungen müssen so weit wie möglich in eine auf grünem Wasserstoff basierende Produktion überführt werden. Unter grünem Wasserstoff versteht man - im Gegensatz zu dem mithilfe von fossilen Energieträgern erzeugten grauen Wasserstoff - den mit überschüssigem erneuerbarem Strom mittels Elektrolyse erzeugten Wasserstoff. Weitere Anwendungsfelder von grünem Wasserstoff sind die Stahlindustrie oder der Verkehr. Bei den Mobilitätsanwendungen besteht die Möglichkeit, durch Power to X gewonnene Treibstoffe in herkömmlichen Verbrennern oder Wasserstoff direkt in mit Brennstoffzellen betriebenen Fahrzeugen zu verwenden. Diese Mobilität ist für solche Anwendungen eine Alternative, bei denen der direkte Einsatz Dr. Manfred Jungk Als Chemiker begann Manfred Jungk 1988 bei Dow Corning’s Molykote Spezialschmierstoff Entwicklung, wo er an den Standorten München, Plymouth Michigan und Wiesbaden in verschiedene Positionen ausfüllte. Seit 2017 ist er freiberuflich im Feld der Tribologie tätig. Neben seiner Herausgeberschaft der „Tribologie und Schmierungstechnik“ ist er auch Redakteur dieser Zeitschrift. © Pailov/ Shutterstock.com 32. KühlSchmierStoffForum 2024 Praxisforum KSS: Auswahl, Einsatz und Entsorgung 20. und 21. November 2024 Schwabenlandhalle Fellbach Ausstellung • Postersession • Kongress Die industrielle Anwendung, Leistungsfähigkeit und Pflege von Kühlschmierstoff-(KSS)-Systemen im Zusammenspiel mit Arbeitsschutz und moderner Anlagentechnik zur Metallbearbeitung stehen im Mittelpunkt des 32. KühlSchmier- StoffForums. Ein besonderes Augenmerk wird diesmal auch auf Möglichkeiten und Grenzen neuester mineralölfreier Formulierungen sowie Pflege und Mikrobiologie gelegt. Daneben kommen Nachhaltigkeitsaspekte natürlich nicht zu kurz. Die deutschsprachige Fachkonferenz bietet KSS-Anwendern, vom Einzelanlagen-Kleinbetrieb bis zum Großkonzern mit zentraler Prozessstoff-Versorgung, sowie KSS-Anlagenherstellern und Hochschulen die Gelegenheit, sich über neueste technische und regulatorische Entwicklungen zu informieren und aktuelle Fragen intensiv zu diskutieren. © © © Programmbeirat: Dr. Stephan Baumgärtel, Verband Schmierstoff-Industrie e. V. Christian Eckert Dr. Christian Friedmann, FUCHS LUBRICANTS GERMANY GmbH Elisabeth Götze, Verband Schmierstoff-Industrie e. V. Stefan Joksch, Oemeta Chemische Werke GmbH Simon Kleinhenz, IPA Stuttgart Dr. Jens Manikowski, BG Holz und Metall Dr. Carsten Mühl, Petrofer Chemie H.R. Fischer GmbH & Co. KG Matthias Richter, Schaeffler Technologies AG & Co. KG Thomas Wochner, ZF Friedrichshafen AG Michael Ziegler, DMG MORI Pfronten GmbH Bei Interesse an einer Ausstellungsfläche oder eines Sponsorings nehmen Sie bitte Kontakt mit uns auf. Die Anmeldung ist ab sofort möglich. Nähere Informationen finden Sie auf: Schmierstoff + Schmierung · 5. Jahrgang · 3/ 2024 14 Fachartikel | Bleibt der Schmierstoff bei der Nationalen Wasserstoffstrategie auf der Strecke? von Elektrizität nicht sinnvoll oder technisch nicht machbar ist, wie im Luft- oder Seeverkehr. Die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung als wissenschaftlich-technische Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz beschäftigt sich innerhalb ihres „Kompetenzzentrum H2Safety@BAM für Wasserstoff “ eingehend mit den Herausforderungen einer neuen Wasserstoffwirtschaft. Dort wird die Frage „TRIBOLOGIE - Welche Schmierstoffe brauchen wir bei der Nutzung von Wasserstoff? “ erörtert. Die Wasserstoffumgebung stellt besondere Anforderungen an Bauteile wie Lager, Kolbenringe, Dichtungen und Gelenke, da z. B. bei metallischen Werkstoffen einmal abgeriebene, ursprünglich schützende Oxidschichten nicht mehr erneuert werden. Das kann zu erhöhtem Verschleiß führen, außerdem begünstigen derartige Frischflächen das Eindringen von Wasserstoff in Metalle mit einer erheblichen Verschlechterung von deren mechanischen Eigenschaften. Um Volumen zu sparen, wird Wasserstoff für den Langstreckentransport häufig verflüssigt und muss dafür auf -253 °C gekühlt werden. Diese Temperatur liegt weit unter den Erstarrungspunkten herkömmlicher Schmieröle und -fette. Aber auch für den Einsatz als Gas, z. B. für den Betrieb von Brennstoffzellen, welches eine besonders hohe Reinheit erfordert, ist die Auswahl an möglichen Schmierstoffen stark eingeengt. Bei der BAM werden hauptsächlich polymere Verbundwerkstoffe sowie reibungsmindernde, verschleißbeständige Beschichtungen untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass einige Materialien in Wasserstoff, sogar in tief kalt verflüssigter Form, günstigere Eigenschaften aufweisen als an Luft. Das sind z. B. einige Hochleistungskunststoffe in reiner Form oder als Komponenten von Verbundwerkstoffen, aber auch Festschmierstoffe wie Graphit oder Molybdändisulfid. Bei den Beschichtungen sind solche aus amorphem diamantartigem Kohlenstoff besonders interessant, da sie teilweise sogar Reibungszahlen und eine Lebensdauer im Bereich von fett- oder ölgeschmierten Systemen erreichen. Neben der BAM beschäftigen sich Forschungsinstitute in Japan mit den Anforderungen, die Wasserstoff an die Schmierungstechnik stellt. Prof. Joichi Sugimura von der Kyushu University berichtete in der „Tribologie und Schmierungstechnik“ Ausgabe 2/ 2019 und in der „Schmierstoffe und Schmierung“ Ausgabe 1/ 2023 über die Herausforderungen. Das Bild zeigt die Zusammenhänge zwischen Komponenten und Bauteilen von der Entstehung bis zum Verbrauch von Wasserstoff. Eine typische Wasserstofftankstelle besteht aus Kompressoren, Lagertanks, Wasserstoffspendern, Rohren, Kupplungen und Ventilen. Sie werden verwendet, um den Wasserstofffluss zu komprimieren, zu speichern, abzudichten und zu steuern, während das Gas Druck- und Temperaturänderungen erfährt. Kompressoren werden verwendet, um Wasserstoffgas auf über 80 MPa zu komprimieren. Kolbenringe und Stangendichtungen bestehen normalerweise aus Polymermaterialien. Wälzlager werden als Hauptlager der Kurbelwellen- und Pleuellager verwendet. Das Eindringen von Wasserstoff in Stahl kann bei Verwendung in Wasserstoffgas zu frühzeitigem Abplatzen der Lager führen. Durch Wasserstoff verstärkte Ausfälle müs- Bauteile für Wasserstofftechnologie Wasserstofferzeugung Verdichter Speicherung BrennstoffzellenPKW Verbindungen Kupplungen Wasserstofftankstelle Dichtungen Kolbenringe Lager Kolben Ventile und andere Gleitelemente OptimaleAuswahlvon Polymermaterialienfür Dichtungenund Reibpartner Vermeidung Wasserstoff induzierter Reibkontakt Schäden OptimaleAuswahlan Werkstoffenund Beschichtungen für niedrigeReibungund Verschleiss Vermeidung von Wasserstoff - Austritt 15 Schmierstoff + Schmierung · 5. Jahrgang · 3/ 2024 sen vermieden werden, indem die Struktur des Kompressors so gestaltet wird, dass die Lager keinem Wasserstoffgas ausgesetzt sind, oder indem eine Technologie entwickelt wird, die die Diffusion von Wasserstoff in Stahl verhindert. Nadelventile und Kugelhähne werden verwendet, um den Gasfluss zu steuern. Normalerweise werden für die Gleitteile Hartmetalle und Beschichtungen verwendet. Dichtungen sind ebenfalls wichtige Teile in den Ventilsystemen, um ein Austreten von Wasserstoff zu verhindern. Stopf buchsen-Dichtungen, die normalerweise aus Polymeren bestehen, werden als dynamische Dichtungen verwendet. Ihre Gegenfläche besteht gewöhnlich aus dem Material der Ventilkörper, also rostfreiem Stahl, mit oder ohne Oberflächenbehandlungen und Beschichtungen. Statische Dichtungen wie O-Ringe und Nut-Ringe aus Gummi werden an einer Reihe von Eingriffsteilen verwendet. O-Ringe werden manchmal als dynamische Dichtungen eingesetzt. Beispielsweise rutscht die Düse von Zapfsäulen beim Aufsetzen und Abnehmen. Metalle werden auch zum Abdichten von Gas in Kupplungen und Sicherheitsventilen verwendet. Das verwendete Wasserstoffgas muss eine bestimmte Reinheit aufweisen, damit das Gas keine starke Verschlechterung des Elektrodenkatalysators in Brennstoffzellen verursacht. Das bedeutet, dass normale Schmiermittel nicht verwendet werden können und die Komponenten ihre Leistung bei trockenem Kontakt ohne Schmiermittel aufrechterhalten müssen. Um die Eingangsfrage zu beantworten, sollte man die weltweiten Jahreszahlen der letzten 70 Jahre für Bevölkerung, Bruttoinlandsprodukt und Energieverbrauch hinzuziehen. Diese stiegen bis auf sehr wenige Ausnahmen stetig. Im Vergleich blieb aber der Verbrauch an Schmierstoffen in den letzten Jahrzehnten flach. Dies ist nur durch die Innovationskraft der Schmierstoffindustrie in Zusammenarbeit mit ihren Anwendern zu erklären, wenn mit der gleichen Menge an Schmierstoff mehr Menschen bewegt werden und Geld verdient wird. Dieser Schmierstoffindustrie wird es auch gelingen, in Zukunft den Energieverbrauch durch bessere Schmierstofftechnologien, wie eben Beschichtungen, nachhaltiger zu gestalten. »« Eingangsabbildung: © malp - stock.adobe.com KOMPLEXESTER LIGALUB L SERIE vielseitig einsetzbar kundenspezifisch anpassbar biologisch abbaubar verschiedene Viskositätsklassen www.peter-greven.de Besuchen Sie uns auf der Lubricant Expo! 17.-19. September 2024 Messe Düsseldorf, DE Stand 218 KONTAKTIEREN SIE UNS Anzeige