Schmierstoff + Schmierung
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expert verlag Tübingen
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Fluorverbindungen und Schmierstoffe. Muss das sein?
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Stephan Baumgärtel
Schmierstoffe dienen der Vermeidung von Reibung, Verschleiß und Korrosion. Eine Studie zeigt, dass 23 % des weltweiten Energieverbrauchs auf Reibung und Wiederaufbereitung verschlissener Komponenten zurückzuführen sind.
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Schmierstoff + Schmierung · 5. Jahrgang · 3/ 2024 16 FacHartikEl FacHartikEl Fluorverbindungen und Schmierstoffe. Muss das sein? Dr. Stephan Baumgärtel Schmierstoffe dienen der Vermeidung von Reibung, Verschleiß und Korrosion. Eine Studie zeigt, dass 23 % des weltweiten Energieverbrauchs auf Reibung und Wiederaufbereitung verschlissener Komponenten zurückzuführen sind. Neue Technologien zur Reduzierung der Reibung könnten den Energieverlust kurzfristig um 18 % und langfristig um 40 % reduzieren. Dies würde die CO 2 - Emissionen kurzfristig um 1.460 Millionen Tonnen und auf lange Sicht um 3.140 Millionen Tonnen mindern. Eine der Menge nach kleine, aber immens wichtige Rolle spielen Schmierstoffe auf Fluorpolymerbasis. Diese werden pauschal auch als „PFAS“ bezeichnet. PFAS steht für Per- und Polyfluoralkylsubstanzen. Diese Gruppe von synthetischen Chemikalien umfasst Tausende von Verbindungen, von denen die Industrie jedoch nur wenige nutzt. Einige PFAS sind nachweislich gefährlich für Mensch und Umwelt, andere sind es aber nicht. Einige der für Mensch und Umwelt gefährlichen PFAS gelangten in der Vergangenheit als Nebenprodukte in die Umwelt. Die Industrie hat seither jedoch sehr große Anstrengungen unternommen, um die Entstehung der gefährlichen PFAS zu unterbinden. Um jegliche Gefährdung durch PFAS auszuschließen, haben dennoch einige Staaten der Europäischen Union, u. a. auch Deutschland, den Antrag gestellt, die Herstellung und Verwendung aller PFAS zu verbieten, unabhängig von der Gefährlichkeit der einzelnen Moleküle. Das wäre in etwa so, als ob man den Genuss von Pilzen wie Champignons, Pfifferlingen usw. ganz allgemein verbieten würde, weil es auch giftige Pilze wie etwa Fliegenpilze gibt. Dr. Stephan Baumgärtel Nach dem Studium der Chemie war Dr. Baumgärtel in verschiedenen Positionen in Frankreich, Deutschland und England in Forschung und Entwicklung von Schmierstoffen für einen internationalen Konzern tätig, bevor er die Position des Abteilungsleiters Schmierstoffe beim VSI übernommen hat. Seit 2010 ist er Geschäftsführer des VSI. Braun Fluidservice GmbH Osterholten 23 46348 Raesfeld Fon: +49 (0) 2865 26699 66 info@bfs-fluidservice.de www.bfs-fluidservice.de SAUBERES ÖL — PROFESSIONELLER SERVICE WIR BIETEN INDIVIDUELLE LÖSUNGEN! Ölanalytik Ölfiltration Öltrocknung Varnishbehandlung Systemoptimierung oder Revision kompletter Ölsysteme #OIL IS AN ASSET Schmierstoff + Schmierung · 5. Jahrgang · 3/ 2024 18 Fachartikel | Fluorverbindungen und Schmierstoffe. Muss das sein? Eigenschaften von PFAS-haltigen Spezialschmierstoffen PFAS-basierte Schmierstoffe, Gleitlacke und Schmierfette sind eine sehr spezielle Nischenkategorie von Schmierstoffen (geschätzt: weniger als 1 % des Marktvolumens) mit einzigartigen Eigenschaften. Die chemische Struktur verleiht PFAS-basierten Schmierstoffen außergewöhnliche Eigenschaften, wie: 1. Hohe thermische Stabilität: Sie können extreme Temperaturen aushalten, sowohl hohe als auch niedrige. 2. Chemische Beständigkeit: Sie sind resistent gegen aggressive Chemikalien, Säuren und Basen. 3. Nichtbrennbarkeit: PFAS sind oft schwer entflammbar und bieten daher erhöhte Sicherheit in Anwendungen, bei denen Brandgefahr besteht. 4. Geringe Flüchtigkeit: PFAS haben eine sehr niedrige Verdampfungsrate, was ihre Lebensdauer verlängert und diese in Spezialanwendungen wie etwa Optik (Risiko des Beschlagens) und Vakuumtechnik (Dampfdruck) unverzichtbar machen. 5. Geringe Reibung und Verschleiß: Sie reduzieren Reibung und Verschleiß effizient, was die Lebensdauer von Maschinen und Komponenten verlängert. Für Schmierstoffe werden aus der PFAS-Familie dabei Polyfluorether (PFPE) und Perfluorpolyether (PTFE) genutzt. Schmierstoffe mit diesen Bestandteilen gelten als physikalisch und chemisch sehr stabil, langlebig, nicht brennbar, extrem inert, strahlungsbeständig und verfügen über einen hohen elektrischen Widerstand. Verwendung PFPE/ PTFE-basierte Schmierstoffe und Schmierfette sind sehr teure Produkte, verglichen mit konventionellen Ölen und Fetten. Daher werden diese i. d. R. nur dann verwendet, wenn die Anwendung dieser Produkte aufgrund der Umgebungsbedingungen zwingend erforderlich ist. Beispielsweise werden diese Produkte in Automobilkomponenten wie Abgasrückführungsventilen, hydraulischen Kupplungssystemen und speziellen, hoch belasteten Lagern eingesetzt. Die aufgetragene Menge pro System liegt meist zwischen 0,3 g und 3 g, abhängig von der Produktfunktion und der Anwendung. In den meisten Fällen wird der Schmierstoff oder das Fett in einem sehr dünnen Film eingebracht und während der gesamten Lebensdauer des Systems in geschlossener Umgebung geführt, um Produktverluste zu vermeiden, die zu einer Verkürzung der Lebensdauer des Systems führen könnten. Aufgrund der herausragenden Eigenschaften von PFPE und PTFE werden Schmierstoffe mit diesen Bestandteilen speziell für die folgenden kritischen Anwendungen eingesetzt, bei denen andere Schmierstoffe nicht hinreichend leistungsfähig sind. Einige Anwendungen seien hier beispielhaft genannt: > Hochtemperaturanwendungen: Fluorpolymerbasierte Schmierstoffe werden zur Schmierung der Wälzlager von Maschinen zur Produktion von Wellpappe oder aber der Vulkanisierung von Gummi (Reifenherstellung) verwendet, bei denen hohe Temperaturen und Feuchtigkeit herrschen. Auch die Lager von Öfen zur Wärmebehandlung von Kunststofffolien werden ebenso wie die Lager in automatisierten Öfen mit PFPE-Schmierstoffen geschmiert. > Kontakt mit reaktiven, korrosiven oder explosiven Flüssigkeiten und Gasen: PFPE-basierter Schmierstoff wird als Dichtungs- und Arbeitsflüssigkeit in Vakuumpumpen und Ventilen eingesetzt, die aggressiven Umgebungen (chemisch und thermisch) ausgesetzt sind. > Anwendungen, die geringe Ausgasung erfordern: Bei Hochvakuumpumpen, optischen Instrumenten und Einhausungen, in denen die Kondensation des Schmierstoffs vermieden werden muss, sind PFPE/ PTFE-basierte Schmierstoffe die ideale Wahl aufgrund des außerordentlich geringen Dampfdrucks. > Stromerzeugung: In Kernkraftwerken wird PFPEbasierter Schmierstoff als Lagerschmierstoff für Pumpen verwendet, die radioaktiver Strahlung ausgesetzt sind. Strahlung zersetzt gewöhnliche OKS Spezialschmierstoffe GmbH www.oks-germany.com HALLE 9, STAND 753 MESSE DÜSSELDORF 17. - 19.09.2024 TREFFEN SIE UNS Anzeige 19 Schmierstoff + Schmierung · 5. Jahrgang · 3/ 2024 Schmierstoffe schnell, aber PFPE-basierte Schmierstoffe funktionieren über lange Zeiträume ohne nennenswerte Veränderung. > Lebensdauerschmierung in Automobil- und Maschinenbau: PTFE-basierter Schmierstoff kann nicht einfach durch einen anderen Festschmierstoff ersetzt werden, ohne dass die Funktionalität, einschließlich der Geräuschreduzierung, beeinträchtigt wird. Die Verträglichkeit mit Kunststoffen/ Elastomeren sowie die Schmiereigenschaften unter variablen Belastungen und Umgebungsbedingungen müssen immer gegeben sein. Diese Lebensdauerschmierungen müssen z. B. mit sehr großen Temperaturspannen zurechtkommen. > Notfallaggregate: PTFE- und PFPE-basierte Schmierstoffe werden auch für Notfallanwendungen verwendet, wenn Maschinen nach jahrelangem Stillstand schnell starten müssen (z. B. Brandschutztüren, Notstromaggregate, Getriebe etc.). Darüber hinaus werden PFPE- und PTFE-basierte Schmierstoffe aufgrund ihrer hervorragenden Oxidationsstabilität und der Unterdrückung von Ablagerungen in allgemeinen industriellen Anwendungen eingesetzt, z. B. für stark belastete Lager und Drehzapfen. Sie reduzieren die Anzahl der Schmierstoffwechsel und damit die Menge der eingesetzten Schmierstoffe erheblich. Eine Eintragung von PFPE/ PTFE durch Industrieprodukte in die Umwelt findet so gut wie nicht statt. Zu bedenken ist, dass PTFE-haltige Schmierstoffe aufgrund ihrer Stabilität und Unlöslichkeit praktisch nicht durch Witterungseinflüsse oder -bedingungen aus Bauteilen ausgewaschen/ oxidiert werden. Daher sind direkte Emissionen in die Umwelt nicht zu befürchten. Außerdem stellen Schmierstoffe auf PFPE/ PTFE- Basis ein sehr geringes Volumen dar, bezogen auf die Bauteile, da es sich oft um eine einmalige Schmierung über die gesamte Lebensdauer handelt. Auch das gesamte Volumen an Schmierstoff ist sehr gering, da diese Schmierstoffe nur in absolut notwendigen Fällen eingesetzt werden und kleinste Mengen ausreichen. Geschmierte Bauteile und Schmierstoffe, die in geschlossenen Systemen/ Teilen eingesetzt werden, werden gemäß der EU-Abfallliste kontrolliert entsorgt; üblicherweise werden sie nach den EU-Vorschriften verbrannt/ eingeschmolzen. Nach einer Studie ( KIT/ Conversio) werden die in Schmierstoffen verwendeten PFAS bei den üblichen Bedingungen einer Hausmüllverbrennungsanlage weitestgehend zerstört. NEU Ferrous wear sensor Par�kelzähler mit digitaler Bildverarbeitung Wassergehalt Dichte Viskosität Temperatur Prü�ericht via QR Code powered by par�clepal.com filtertechnik.co.uk +49 176 97781528 davide.scaffidi@filtertechnik.co.uk Advanced on-site fluid analysis Anzeige Schmierstoff + Schmierung · 5. Jahrgang · 3/ 2024 20 Fachartikel | Fluorverbindungen und Schmierstoffe. Muss das sein? Eine Beschränkung von PFPE- und PTFE-basierten Schmierstoffen würde sich auf ein breites Spektrum nachgeschalteter Anwender auswirken Der Ersatz von PFAS-basierten Schmierstoffen für bestimmte Anwendungen ist kaum möglich. Denkbar wäre in Einzelfällen die Verwendung von Mikroplastik, dessen Verwendung aber derzeit auch beschränkt wird. Eine komplette Neukonstruktion von Anlagen, Maschinen und Bauteilen wäre wahrscheinlich und brächte Einbußen bei Leistungsfähigkeit und Langlebigkeit. Das Verbot von PFPE/ PTFE-Schmierstoffen hätte nach Einschätzung der Industrie gravierende Folgen: > Hohe Investitionen der Industrie, um alternative Schmierstoffe zu finden oder ihre Technologien zu ändern, falls dies überhaupt möglich ist. > Einige kritische Systeme in sensiblen Branchen zu betreiben, wird nicht möglich sein. > Dichtungen auf Fluorkautschukbasis würden verschwinden und zu extrem hohen Wartungsaufwendungen bei der gesamten Industrie führen. > Reduzierung der Sicherheit beim Umgang mit reaktionsfreudigen Stoffen (Sauerstoff/ Wasserstoff etc.). > Umweltverschmutzung, erhöhter Energieverbrauch und CO 2 -Ausstoß durch höheren Schmierstoffverbrauch und/ oder geringere Leistung/ Ausbeute. > Verlust von Marktanteilen und Arbeitsplätzen in EU-Unternehmen zugunsten von Nicht-EU-Unternehmen, die diese Produktionshilfsmittel verwenden dürfen. Offenbar wurde dies alles auch in der Politik erkannt und nun werden Wege gesucht, Ökonomie und Ökologie in Einklang zu bringen. Schade nur, dass dies erst nach einem massiven Aufschrei der Industrie geschieht und unsere Stimme im Vorfeld ignoriert wurde. »« Eingangsabbildung: © Anzhela - stock.adobe.com www.narr.de/ technik/ zeitschriften/ sus-schmierstoff-und-schmierung Hier können Sie die Zeitschrift kostenlos abonnieren. ERSCHEINT VIERMAL IM JAHR Call for Papers 2024 Wir freuen uns über Ihre Beitragsvorschläge. Die Zeitschrift SCHMIERSTOFF + SCHMIERUNG bietet einen umfassenden Überblick über alle Themen der Schmierstoffbranche. Dabei werden neueste Trends und Technologien ebenso behandelt, wie grundlegendes Basiswissen und wirtschaftliche Entwicklungen. Das sind die Themen für 2024: 1 E-Mobilität 2 Kühlschmierstoffe / Schmierung von Werkzeugmaschinen 3 Kompressoren / Luft / Kälte / Gas 4 Metallbearbeitung Eine Zeitschrift des Verband Schmierstoff-Industrie e. V. SCHMIERSTOFF SCHMIERUNG Anzeige
