Schmierstoff + Schmierung · 5. Jahrgang · 4/ 2024 24 20 MInuten MIt … 20 Minuten mit … Dr. Markus Burckschat: „Die wunderbare Welt des Walzens“ Walzöle spielen eine zentrale Rolle in der Produktion von Stählen und werden zunehmend zu einem Schlüsselfaktor für die Effizienz und Qualität in der Metallverarbeitung. Im Walzprozess wird metallisches Material durch mechanische Einwirkung in dünnere Formen gebracht. Hierbei wird das Ausgangsmaterial in Form von Brammen oder Bändern zwischen rotierenden Walzen eingeführt, die Druck auf das Material ausüben um es im Spalt zwischen ihnen auf die gewünschte Dicke umzuformen. Dieser Vorgang kann kalt oder heiß erfolgen, abhängig von den gewünschten Eigenschaften des Endprodukts. In diesem Interview spricht Elisabeth Götze, VSI, mit Walzölexperte Dr. Markus Burckschat, der auf jahrzehntelange Erfahrung im Bereich Walzöle zurückblickt. Er teilt seine wertvollen Einsichten zu den Anforderungen, Herausforderungen und den aufkommenden Trends in der Welt des Walzens. 1. Walzwerke und ihre Peripherie - das Herzstück der Produktion Herr Dr. Burckschat, Walzwerke sind zentrale Anlagen in der Metallverarbeitung. Können Sie uns einen Überblick geben, wie diese Anlagen arbeiten und welche Peripherie dabei entscheidend ist? Das Walzen von Flachprodukten ist eine sehr komplexe Angelegenheit, die ein hohes Maß an Flexibilität und technischer Präzision erfordert. Es gibt eine Vielzahl von Materialien, die gewalzt werden - von Aluminium über Edelstahl bis hin zu Buntmetallen sowie Nickel, Titan oder Magnesium. Neben den Materialien spielen technische Spezifikationen wie Walzgeschwindigkeit, Walzkräfte und die Bauart des Walzgerüstes eine entscheidende Rolle. Das Herzstück eines jeden Walzwerks ist immer das Walzgerüst. Es gibt hier verschiedene Typen wie beispielsweise das Quarto-, Sexto-, oder 20-Rollen- Walzgerüst, das vor allem beim Edelstahl zum Einsatz kommt. Peripherieelemente wie die Filtration, Abluftreinigung oder Glühöfen sind ebenfalls von großer Bedeutung, da sie Einfluss auf das zu verwendende Walzöl und die Qualität der Walzprodukte haben. 2. Die Rolle von Walzölen und Additiven-- maßgeschneiderte Lösungen für anspruchsvolle Prozesse Wie genau beeinflussen Walzöle den Walzprozess und welche Anforderungen müssen sie erfüllen? Walzöle sind unverzichtbar, um die Reibung zwischen Walzen und Werkstücken zu minimieren und in einem definierten Rahmen zu optimieren, um gleichzeitig die gewünschte Dickenreduktion sowie Oberflächenqualität zu erzielen. Jedes Walzgerüst stellt dabei unterschiedliche Anforderungen an die Schmierstoffe. Ein zentraler Punkt ist die richtige Viskosität des Walzöls. Oft arbeiten wir mit einem sehr engen Viskositätsrahmen, um maximale Präzision zu gewährleisten. Zusätzlich spielen Additive eine entscheidende Rolle - sie können gezielt eingesetzt werden, um spezielle Effekte zu erzielen, wie etwa einen höheren Glanzgrad oder eine schnellere Walzgeschwindigkeit. Es gibt keine „Einheits- Dr.-Ing. Markus Burckschat Studium: Chemische Technologie; Promotion: Wiederverwertung von Kunststoffabfällen; 1990-2024: Mobil Oil AG jetzt Exxon Mobil - unterschiedliche technische Positionen in der Raffinerie sowie im Schmierstoffsektor mit Schwerpunkt Kühlschmierstoffe; seit 2002: Walzölexperte und Problemlöser; aktuell: MABUSOL Consulting - Schmierstoff beratung, Projekte & Problemlösungen rund ums Walzen - markus. burckschat@mabusol.de 25 Schmierstoff + Schmierung · 5. Jahrgang · 4/ 2024 20 Minuten mit …-|-Dr. Markus Burckschat lösung“ - jedes Walzwerk ist einzigartig, und die Schmierstoffe müssen in enger Abstimmung mit dem Kunden entwickelt werden, um den optimalen Produktionsprozess zu gewährleisten. 3. Technische Betreuung und Analysen - der Schlüssel zur Prozessoptimierung Wie wichtig ist die kontinuierliche technische Betreuung der Walzprozesse und welche Bedeutung haben Schmierstoffanalysen? Die technische Betreuung und regelmäßige Analysen sind unerlässlich, um mögliche Probleme frühzeitig zu erkennen und zu beheben.Es reicht nicht aus, ein einmaliges Setup zu haben - Schmierstoffe unterliegen ständigen Veränderungen durch den Walzprozess und müssen kontinuierlich überwacht und angepasst werden. Moderne Analysen, wie z. B. Online-Überwachungssysteme, ermöglichen es, den Zustand des Walzöls in Echtzeit zu analysieren. Besonders beim Walzen von Aluminium ist dies wichtig, da hier häufiger Additive nachjustiert werden müssen, um optimale Ergebnisse zu erzielen. Der Schmierstofflieferant muss zudem flexibel reagieren können, um auf die spezifischen Bedürfnisse des jeweiligen Walzgerüsts und die wechselnden Anforderungen der Produktion einzugehen. Eine erfolgreiche Schmierstoffstrategie basiert immer auf enger Zusammenarbeit zwischen dem Schmierstoffhersteller und dem Walzwerksbetreiber. 4. Nachhaltigkeit und CO 2 -Reduktion-- die Trends der Zukunft Nachhaltigkeit und CO 2 -Reduktion gewinnen in der Industrie zunehmend an Bedeutung. Wie wirkt sich das auf Walzöle und deren Formulierung aus? Es besteht ein klarer Trend hin zur CO 2 -Reduktion und nachhaltigeren Prozessen. Walzöle müssen dabei ebenfalls angepasst werden. Eine Möglichkeit besteht darin, Basisöle aus recycelten Materialien oder gebrauchten Walzölen herzustellen. Dies kann durch innovative Verfahren wie das Re-Refining oder die Verwendung von Kunststoffen aus der Kreislaufwirtschaft geschehen. Die Herausforderung besteht darin, die gleichen hohen Qualitätsstandards wie bei herkömmlichen Schmierstoffen zu erreichen. Darüber hinaus wird es auch notwendig sein, Additive so zu optimieren, dass der Schmierstoff bei möglichst geringem Verbrauch maximale Wirkung zeigt. Dies erfordert Forschung und eine ständige Weiterentwicklung der Schmierstofftechnologien. Besonders bei neuen Materialien und der steigenden Nachfrage bei Aluminium, welches zum Beispiel in der Batteriefertigung eingesetzt wird, müssen wir als Schmierstoffhersteller darauf reagieren. 5. Herausforderungen bei der Implementierung neuer Lösungen Sehen Sie besondere Herausforderungen bei der praktischen Umsetzung dieser Trends? Die größte Herausforderung bei der praktischen Umsetzung neuer Trends im Walzprozess besteht darin, bestehende Walzgerüste an moderne Anforderungen anzupassen. Oft sind diese Anlagen Jahrzehnte alt, was eine Umstellung des gesamten Systems erschwert. Viele Walzwerksbetreiber neigen dazu, an bewährten Lösungen festzuhalten - das Prinzip „Never change a running system“ prägt häufig ihre Entscheidungsfindung. Dies bedeutet, dass Innovationen schrittweise eingeführt werden müssen, um den laufenden Betrieb nicht zu stören. Zusätzlich müssen Schmierstofflösungen entwickelt werden, die mit der vorhandenen Infrastruktur kompatibel sind, ohne dass umfangreiche Modifikationen erforderlich werden. Ein weiterer kritischer Punkt ist der Korrosionsschutz, insbesondere bei der Verarbeitung von Materialien mit hohem Recyclinganteil, da diese Materialien verstärkt zu Korrosion neigen. Daher ist es entscheidend, dass diese Herausforderungen in enger Abstimmung mit den Kunden angegangen werden, um maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln, die auf die spezifischen Prozesse abgestimmt sind. 6. Zusammenarbeit und Innovationskraft Abschließend: Wie wichtig ist die Zusammenarbeit zwischen Walzwerksbetreibern und Schmierstoffherstellern, um diese Herausforderungen zu meistern? Die Zusammenarbeit zwischen Walzwerksbetreibern und Schmierstoffherstellern ist der Schlüssel zum Erfolg in der Branche. Walzölhersteller müssen flexibel auf die Anforderungen ihrer Kunden reagieren und maßgeschneiderte Lösungen anbieten können. Umgekehrt ist es für die Kunden unerlässlich, ihre Prozesse transparent darzulegen und offen für Innovationen zu sein. Nur durch kontinuierlichen Austausch und enge Kooperation kann das optimale Ergebnis erzielt werden. In meiner Erfahrung ist es wichtig, Schritt für Schritt vorzugehen: Kleine Änderungen in der Schmierstoffzusammensetzung sollten vorgenommen und deren Auswirkungen genau analysiert werden, um nachhaltige Verbesserungen zu erzielen. »« Eingangsabbildung: © istock.com/ Comeback Images