Schmierstoff + Schmierung
sus
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expert verlag Tübingen
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2025
62
Cellulose in Bewegung: Enzymatisch modifizierte Biopolymere und Glycerin im tribologischen Zusammenspiel
0630
2025
Sandra Kiese
Daniela Leistl
Jan Ulrich Michaelis
Stefan Hofmann
Thomas Lohner
sus620008
Hinweis: Bei diesem Beitrag handelt es sich um eine gekürzte und für die Fachzeitschrift „Schmierstoffe und Schmierung“ adaptierte Fassung des Originalartikels, der unter dem Titel „Elastohydrodynamic lubrication of aqueous hydroxyethyl cellulose-glycerol lubricants“ in der Zeitschrift „Tribology International“ erschienen ist. [1] Schmierstoff + Schmierung · 6. Jahrgang · 2/ 2025 8 FacHartikEl FacHartikEl Cellulose in Bewegung: Enzymatisch modifizierte Biopolymere und Glycerin im tribologischen Zusammenspiel Sandra Kiese 1 , Daniela Leistl 1 , Jan Ulrich Michaelis 1 , Stefan Hofmann 2 , Thomas Lohner 2 Einleitung Die Entwicklung umweltverträglicher Schmierstoffe ist ein zentrales Anliegen der modernen Tribologie. Angesichts der ökologischen Herausforderungen durch fossile Schmierstoffe und des steigenden regulatorischen Drucks rückt der Einsatz bio-basierter, wasserlöslicher Systeme zunehmend in den Fokus der Entwicklung. [2, 3] Schmierstoffe mit funktionalem Wasseranteil bieten durch ihre Umweltfreundlichkeit, hohe Verfügbarkeit und nicht zuletzt ihre nicht entflammbare Natur eine attraktive Alternative zu mineralölbasierten Produkten. [4, 5, 6] Die Kombination von Wasser mit polymeren Viskositätsmodifikatoren ermöglicht es, auch in hochbelasteten tribologischen Kontakten hydrodynamische Schmierfilme zu erzeugen. Die vorliegende Studie beschäftigt sich mit der Entwicklung und Untersuchung solcher Systeme auf Basis von Hydroxyethylcellulose (HEC) und Glycerin - mit besonderem Fokus auf das Verhalten unter elastohydrodynamischer (EHD) Schmierung. Materialien und Methodik Für die Untersuchungen wurden kommerziell verfügbare Hydroxyethylcellulosen eingesetzt, die gezielt mittels enzymatischer Hydrolyse auf verschiedene Molekulargewichte eingestellt wurden. Die gewichtsbezogene mittlere molare Masse konnte auf etwa 19 kg/ mol reduziert werden (siehe Abb. 1). Abb 1: Differenzialverteilung als Funktion des Molekulargewichts für HCL, HCS und HCH in Anlehnung an Michaelis et al.i 1 Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV, Giggenhauser Str. 35, 85354 Freising 2 Forschungsstelle für Zahnräder und Getriebesysteme (FZG), Lehrstuhl für Maschinenelemente, TUM School of Engineering and Design, Technische Universität München, Boltzmannstr. 15, 85748 Garching Greases Multi-purpose greases Low-temperature greases High-temperature greases Special greases Food grade greases High-performance greases High-temperature and specialty oils Gear oils Chain oils Compressor / Vacuum pump oils Hydraulic oils Corrosion protection fluids Specialty oils Pastes Anti-seize pastes Specialty pastes Aerosols Cleaner Corrosion protection Bonded coatings Pastes and greases Oils Metal working Non-water miscible metal working fluids Water miscible metal working fluids Solid lubricants Bonded coatings Additives Cleaners Over 55 years Over 55 years of expertise in the development and production of speciality lubricants & chemical-technical maintenance products. 800+ Products With a portfolio of over 800 products in more than 50 packaging variants, we are a flexible and comprehensive technology partner. 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Die Schmierstoffe wurden so formuliert, dass sie bei 40 °C eine vergleichbare dynamische Viskosität zu konventionellen Schmierstoffen wie Polyalphaolefin (PAO- 09) oder wasserlöslichen Polyethylenglykol (PEG400) sowie eine 86-prozentige Glycerinlösung (G-86) aufwiesen. Zur Charakterisierung wurde die scherratenabhängige Viskosität gemessen und das rheologische Verhalten mittels eines Carreau-Yasuda-Ansatzes modelliert. Reibungseigenschaften wurden auf einem Mini-Traction-Machine(MTM2)-Tribometer ermittelt. Ergänzend kamen optische Interferometrie-Messungen an einem optischen EHD-Tribometer zum Einsatz, um die zentrale und minimale Schmierfilmdicke unter verschiedenen Betriebsbedingungen zu bestimmen. Ergebnisse und Diskussion Die rheologischen Untersuchungen zeigen, dass die ursprünglichen HEC-Derivate mit höherem Molekulargewicht (HCL und HCS) ein stark ausgeprägtes scherverdünnendes Verhalten aufwiesen, was zur Ausbildung sehr dünner Schmierfilmdicken führt. Erst durch die enzymatische Hydrolyse - mit der eine signifikante Reduktion des Molekulargewichts erreicht wurde - tritt im Messbereich keine Scherverdünnung mehr auf und damit eine verbesserte Eignung zur Schmierung von EHD-Kontakten. Die resultierenden Hydroxyethylcellulose-Hydrolysate (HCH) zeigen eine stabile Viskosität im relevanten Scherratenbereich und damit ein signifikant verbessertes Schmierfilmauf bauvermögen. Besonders hervorzuheben ist der Einfluss von Glycerin: Dieser mehrwertige Alkohol fungiert nicht nur als Viskositätsmodulator, sondern erhöht auch den Druckviskositätskoeffizienten. Abbildung 2 zeigt den Einfluss verschiedener HEC-Typen mit variierendem Molekulargewicht und Glycerinanteil auf die Reibungszahl in wässrigen Formulierungen in Abhängigkeit von der mittleren Geschwindigkeit v m . Mit zunehmender Geschwindigkeit sinkt die Reibung in allen Formulierungen erwartungsgemäß ab - allerdings in stark unterschiedlichem Ausmaß. Im Vergleich zur Referenz PEG400 zeigen alle HEC-Glycerin-Mischungen eine verbesserte Reibungsleistung bei mittleren bis hohen Geschwindigkeiten. Abbildung 3 zeigt den Einfluss unterschiedlicher Glycerinkonzentrationen in Kombination mit hydrolysierter Hydroxyethylcellulose (HCH) auf die Reibungszahl. Die Ergebnisse belegen, dass alle Glycerin-HCH- Systeme deutlich niedrigere Reibungszahlen als die Referenzöle PAO-09 und PEG400 sowie die nichthydrolysierten Proben aufweisen. Im Vergleich zu PAO-09 konnte die Reibung um mehr als 90 Prozent reduziert werden. Während PEG400 und PAO-09 nur moderate Reibungsreduktionen mit steigender Geschwindigkeit zeigen, weisen die Glycerin-haltigen Systeme - vor allem bei Glycerinanteilen über 50 Gewichtsprozent - eine klar ausgeprägte Geschwindigkeitsabhängigkeit und einen Übergang von Mischreibung zu Flüssigkeitsreibung ab etwa 1.000 mm/ s auf. In Kombination mit der HCH konnte in Formulierungen mit 50 Gewichtsprozent Glycerinanteil eine Reibungszahl von unter µ = 0,01 erreicht werden - ein Bereich, der nach gängiger Definition als flüssige Supraschmierung gilt. Auch bei höheren Glycerinan- Abb. 3: Reibungszahlen in Abhängigkeit von der mittleren Geschwindigkeit für HCH-Glycerin-Formulierungen in Anlehnung an Michaelis et al.i Gemeinsam Neues bewegen. Maximieren Sie die Betriebszeit und Leistung Ihrer Anlagen mit unseren Hochleistungsschmierstoffen. www.klueber.com Harte Bedingungen brauchen starke Lösungen. Schmierstoff + Schmierung · 6. Jahrgang · 2/ 2025 12 Fachartikel | Cellulose in Bewegung teilen stellt sich ein günstiges Reibungsverhalten ein, wobei ab etwa 70 Gewichtsprozent Glycerin ein leichter Anstieg der Reibungszahlen beobachtet wurde, was auf einen zunehmenden Druckviskositätskoeffizienten zurückgeführt wird. Ergänzend wurde die zentrale Schmierfilmdicke im EHD-Kontakt gemessen (Abb. 4). Hierbei zeigte sich, dass die hydrolysierten HCH-Typen in Kombination mit Glycerin signifikant höhere Schmierfilmdicken ausbilden konnten als die nicht-hydrolysierten Ausgangsprodukte, deren Schmierfilmdicken bei unter 50 nm lagen. Abb. 4: Zentrale Schmierfilmdicken bei unterschiedlichen mittleren Geschwindigkeiten für verschiedene Formulierungen in Anlehnung an Michaelis et al. [1] Die Schmierfilmbildung korreliert stark mit der effektiven Viskosität im Einlauf bereich des EHD-Kontakts, wobei hierfür insbesondere die Glycerinkonzentration eine dominante Rolle spielt. Der Bereich für eine gute Balance aus niedriger Reibung und ausreichender Schmierfilmdicke lag bei den betrachteten Systemen bei etwa 50 bis 60 Gewichtsprozent Glycerinanteil in Kombination mit 3 bis 5 Gewichtsprozent HCH. Bewertung und Ausblick Die vorgestellten Ergebnisse zeigen, dass Schmierstoffe mit funktionalem Wasseranteil auf Basis von Hydroxyethylcellulose und Glycerin Potenzial für technische Anwendungen besitzen. Damit leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung biobasierter Tribologiesysteme und können perspektivisch in zahlreichen Anwendungsfeldern eingesetzt werden, in denen Umweltaspekte eine zunehmend zentrale Rolle spielen. Die gezielte Anpassung der Polymerstruktur über enzymatische Hydrolyse ermöglicht eine signifikante Reibungsreduktion, einen verbesserten Schmierfilmauf bau und ein günstiges rheologisches Verhalten. Gleichzeitig ermöglicht Glycerin eine flexible Steuerung der Viskosität und unterstützt die Schmierfilmausbildung auch unter hohen Druck- und Scherbelastungen. Quellen [1] Michaelis, J. U., Kiese, S., Hofmann, S., Lohner, T., & Eisner, P. (2025). Elastohydrodynamic lubrication of aqueous hydroxyethyl cellulose-glycerol lubricants. Tribology International, 110563. Volltext unter: https: / / www.sciencedirect.com/ science/ article/ pii/ S0301679 X25000581 [2] Shah, R., Woydt, M., & Zhang, S. (2021). The economic and environmental significance of sustainable lubricants. Lubricants , 9 (2), 21. [3] Pichler, J., Maria Eder, R., Besser, C., Pisarova, L., Dörr, N., Marchetti-Deschmann, M., & Frauscher, M. (2023). A comprehensive review of sustainable approaches for synthetic lubricant components. Green Chemistry Letters and Reviews , 16 (1), 2185547. [4] Schmidt, R., Klingenberg, G., & Woydt, M. (2006). Thermophysical and viscosimetric properties of environmentally acceptable lubricants. Industrial Lubrication and Tribology , 58 (4), 210-224. [5] Shetty, P., Mu, L., & Shi, Y. (2020). Polyelectrolyte cellulose gel with PEG/ water: Toward fully green lubricating grease. Carbohydrate polymers , 230 , 115670. [6] Rahman, M. H., Warneke, H., Webbert, H., Rodriguez, J., Austin, E., Tokunaga, K., … & Menezes, P. L. (2021). Water-based lubricants: Development, properties, and performances. Lubricants , 9 (8), 73. »« Eingangsabbildung: © Pixels - stock.adobe.com
