eJournals Schmierstoff + Schmierung6/3

Schmierstoff + Schmierung
sus
2699-3244
expert verlag Tübingen
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2025
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Vom Dampfross zum ICE: Zur Schmierung von Eisenbahngetrieben

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2025
Rüdiger Krethe
Anfang des 20. Jahrhunderts waren nur Dampflokomotiven in der Lage, die immens hohen Leistungen aufzubringen, um einen schweren Güterzug von A nach B zu ziehen. Heute sind die imposanten Dampfrösser aus dem Alltag verschwunden und das nicht nur aus Umweltgründen.
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Schmierstoff + Schmierung · 6. Jahrgang · 3/ 2025 4 FacHartikEl FacHartikEl Vom Dampfross zum ICE: Zur Schmierung von Eisenbahngetrieben Rüdiger Krethe, OilDoc GmbH Anfang des 20. Jahrhunderts waren nur Dampflokomotiven in der Lage, die immens hohen Leistungen aufzubringen, um einen schweren Güterzug von A nach B zu ziehen. Heute sind die imposanten Dampfrösser aus dem Alltag verschwunden und das nicht nur aus Umweltgründen. Ihrem sehr überschaubaren Wirkungsgrad (anfangs ca. 10 %) standen immens hohe Wartungs- und Betriebskosten gegenüber. Kein Wunder, dass sie heute nur noch in Museen oder als Touristenattraktion zu bewundern sind. Der Antrieb mittels Dampfs, im Eisenbahnjargon „Dampftraktion“ genannt, ist seit Ende der 70-er Jahren im Bereich des planmäßigen Verkehrs („Plandampf “) der Deutschen Bundesbahn vollständig abgelöst worden. In punkto Aufmerksamkeit schlägt die Dampflok jedoch den ICE-Triebwagen, wenn sie bei selten gewordenen Sonderfahrten wahre Besucherströme anzieht. Wer sich anhand dieser nostalgisch anmutenden Fortbewegungsweise auf eine persönliche Zeitreise begeben möchte, kann das beispielsweise auf der Insel Rügen mit der berühmten „Molli“ -Schmalspurbahn tun, die noch heute einen täglich dampfenden Linienverkehr anbietet (www. molli-bahn.de). Schienenfahrzeuge sind vielfältig Schienenfahrzeuge gehören zum Bereich der spurgeführten Fahrzeuge und werden systematisch in folgende Bereiche unterteilt: > Eisenbahnfahrzeuge Rüdiger Krethe Rüdiger Krethe ist Geschäftsführer der OilDoc GmbH, der Akademie für Weiterbildung rund um Schmierstoffanwendung, Ölanalysen und proaktive Instandhaltung. Nach seinem Studium des Maschinenbaus und der Tribotechnik war er im Produktmanagement für Industrieöle einer Mineralölgesellschaft tätig. Anschließend leitete er 15 Jahre das Diagnose-Team von OELCHECK. Seit mehr als 30 Jahren gibt Rüdiger Krethe als IHK-zertifizierter Trainer in Seminaren sein Know-how zu Tribologie, Schmierstoffen und Ölanalysen erfolgreich weiter. Außerdem ist er seit der ersten Ausgabe aktives Mitglied des Redaktionsteams der Schmierstoff+Schmierung. 5 Schmierstoff + Schmierung · 6. Jahrgang · 3/ 2025 Fachartikel-|-Vom Dampfross zum ICE > Stadtverkehrsfahrzeuge > Sonstige Schienenfahrzeuge Während Eisenbahnfahrzeuge hauptsächlich dem Personen- und Gütertransport in Nah- und Fernverkehr dienen, kommen Stadtverkehrsfahrzeuge wie beispielsweise Straßen- und S-Bahnen überwiegend im Öffentlichen Personennahverkehr zum Einsatz. Sonstige Schienenfahrzeuge sind all die, die nicht zu den ersten beiden Gruppen gehören, z. B. Fahrzeuge für Standseilbahnen oder Materialbahnen. So unterschiedlich die Anforderungen in diesen Gruppen sind, so verschieden ist auch seine technische Umsetzung. Eines haben alle Lösungen gemeinsam: Der Schienenverkehr stellt höchste Anforderungen an > Sicherheit > Verfügbarkeit bei hoher Laufleistung > Fahrkomfort (Personenverkehr) > geringe Unterhalts- und Wartungskosten > niedrige Emissionen, incl. Lärm > Nachhaltigkeit Der Antrieb (Traktion) Heute dominieren im Schienenverkehr die Traktion mittels moderner Elektro- oder Dieselmotoren, auch Gasturbinen kommen zum Einsatz. Nicht nur in Bezug auf Zugkraft und Leistung haben sie die Dampftechnik überholt. Neben diesen zwei Parametern, die zudem in verschiedenen Anwendungsbereichen nicht immer auf gleichem Niveau und im Dauerstress verfügbar sein müssen, bieten moderne Antriebe eine ganze Reihe anderer Vorteile, werden jedoch auch durch den Wettbewerb zwischen den verschiedenen Transportsystemen immer wieder hinterfragt und weiter vervollkommnet. So müssen moderne Dieselmotoren auch im Schienenverkehr hohe gesetzliche Vorgaben an die Emissionsarmut erfüllen. Auch die Elektromotorentechnik entwickelt sich stetig weiter, Hybrid-Antriebe gehören zum heutigen technischen Portfolio ebenso dazu, wie auch die Brennstoffzelle den Eingang in den Schienenverkehr gefunden hat. Brennstoffzellen sind heute in Pilotprojekten im Einsatz. In diesen wird Wasserstoff zu Elektroenergie umgewandelt und auf diese Weise die Vorteile beider Welten miteinander kombiniert: Hohe Reichweite auf Schienenwegen ohne elektrische Versorgungsleitung und ohne schwere Batteriespeicher auf der einen Seite, die smarte Verteilung und Steuerung der elektrischen Antriebsenergie auf der anderen Seite. Angesichts der im Vergleich zum Privat-PKW immens hohen Laufleistung bei vielfach höheren Drehmomenten spielen Eisenbahnanwendungen „in einer eigenen Liga“. Robustheit und technischer Fortschritt müssen Hand in Hand gehen, um die Herausforderungen von heute bestmöglich zu erfüllen. Why do leading formulators worldwide trust TC ® ? 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Während der Güterverkehr hohe Lasten bei mittleren Geschwindigkeiten zu transportieren hat und dabei Beschleunigung, Bremsverhalten und Fahrkomfort eher eine untergeordnete Rolle spielen, ist es im Personenverkehr praktisch umgekehrt: Relativ niedrige Lasten bei hohen Geschwindigkeiten, mit hohem Beschleunigungs- und Bremsvermögen und entsprechendem Fahrkomfort. Dazu ist es auch im Personenverkehr ein erheblicher Unterschied, ob es sich um einen ICE-Triebwagen handelt, einen Nahverkehrszug oder eine Straßenbahn. Rangierlokomotiven oder Sonderfahrzeuge, z. B. für Gleisbau oder Reparaturarbeiten haben wiederum ein sehr spezielles Anforderungsprofil. Nicht nur Leistung, Wirkungsgrad und Emissionen einer Antriebsquelle sind wichtig. Der gesamte Antriebsstrang muss mit der Antriebsquelle und den Einsatzbedingungen bestmöglich harmonieren. Passt beispielsweise für eine dieselgetriebene Lokomotive ein hydrodynamisches Turbo-Getriebe mit integriertem Retarder und einem hydrodynamischen Drehmomentwandler, um die Traktion über das Getriebe auf eine einzelne Antriebsachse zu übertragen, kann ein elektrisch angetriebener Triebwagen im Nah- oder Fernverkehr die von der Fahrleitung aufgenommene Elektroenergie ohne großen Aufwand gleichzeitig über mehrere Antriebsachsen auf die Schiene bringen. Das kann wiederum über ein auf der Achse „Huckepack“ sitzendes Getriebe pro Antriebsachse erfolgen oder direkt an einem Rad über eine E-Motor- Getriebe-Kombination. Turbogetriebe In Lokomotiven, Triebwagen und Sonderfahrzeugen mit Dieselmotor kommen Turbogetriebe zum Einsatz. Diese hydrodynamischen Mehrkreislaufgetriebe bestehen aus den Baugruppen > Hydrodynamischen Kupplung > Drehmomentwandler (einer oder zwei) > Hydrodynamischen Bremse (Retarder). Je nach Anforderung sind sie mit zwei oder drei Kreisläufen ausgelegt. Zwei Drehmomentwandler erlauben die Trennung von Anfahrbereich und Streckenbetrieb. Es werden je nach Einsatzzweck Nennleistungen von einigen Hundert Kilowatt und Drehmomente von mehreren Tausend Newtonmetern abgedeckt. Automatikgetriebe Hauptsächlich in dieselgetrieben Triebzügen kommen hydromechanische Automatikgetriebe zum Einsatz. Diese sind vergleichbar mit Automatikgetrieben, die in Bussen zum Einsatz kommen, jedoch den erhöhten Anforderungen des Eisenbahnbetriebs angepasst. Eisenbahn-Turbogetriebe (J.M. Voith SE) 7 Schmierstoff + Schmierung · 6. Jahrgang · 3/ 2025 Fachartikel-|-Vom Dampfross zum ICE Radsatzgetriebe Radsatzgetriebe übertragen die Antriebsmomente des Traktionsmotors auf Rad und Schiene. Je nach Anwendung und Einsatzbedingungen haben sich verschiedene Varianten etabliert: > Quer- oder Längseinbau (Motor- und Getriebeachse parallel oder im rechten Winkel zueinander) > Mechanisch und/ oder hydrodynamische Kraftübertragung > Ein- oder zweistufig, Stirnradsätze, je nach Einbau mit oder ohne Kegelradstufe > Motor und Getriebe in getrennter Bauweise, mit Kardanwelle oder Kupplung „dazwischen“, auch den Bewegungsausgleich übernehmend > Achsreitend (dominierend) oder nicht > Ungefedert („Tatzlager“), teil- oder vollabgefedert Eines haben die Radsatzgetriebe jedoch gemeinsam: Im Vergleich zu den klassischen Fahrzeuggetrieben liegt eine deutlich höhere mechanische Beanspruchung vor: Dazu kommen sehr hohe jährliche Laufleistungen und vor allem im Fernverkehr sehr hohe Betriebstemperaturen bei unterschiedlichsten Einsatzbedingungen. Der ICE Bei einem ICE-Triebwagen ist die Antriebseinheit, bestehend aus dem elektrischen Traktionsmotor und dem Getriebe, mit spezieller Kardan-Hohlwelle miteinander verbunden in einer Einheit untergebracht. Diese Antriebseinheit ist etwa in Fahrzeugmitte in einer vollgefederten Aufhängung am Drehgestellt befestigt. Die Schmierung Ohne die zuverlässige Schmierung kann selbst das beste Antriebskonzept die gestellten Erwartungen nicht erfüllen. Schmierstoffe werden deshalb zunehmend ebenso als Konstruktionselement gesehen wie beispielsweise ein Lager oder ein Zahnrad. Gerade im Eisenbahnverkehr liegt die Messlatte für Sicherheit, Zuverlässigkeit und Kosteneffizienz sehr hoch. Deshalb werden Schmierstoffe für Eisenbahngetriebe von den jeweiligen Getriebeherstellern geprüft und namentlich freigegeben. Es ist zu berücksichtigen, dass im Eisenbahnverkehr besondere Gesetze und Vorschriften hinsichtlich Sicherheit und Gefährdungspotenzial greifen. Dazu kommt, dass die Getriebe, den Schmierstoff eingeschlossen, in Eisenbahnanwendungen im Vergleich zum klassischen Straßenverkehr > Deutlich höheren Beanspruchungen (Drehmoment, Leistung) bei ungünstigen Einbauverhältnissen unterliegen > Vielfach höhere Laufleistungen pro Jahr erreichen > Unter extremen Einsatzbedingungen (Temperaturen, Feuchtigkeit, …) arbeiten > Lange Lebensdauer und sehr hohe Ausfallsicherheit zu garantieren sind > Wartungs- und Energiekosten extremen Anforderungen unterliegen Schmieröle für Turbogetriebe In hydrodynamischen Getrieben treffen hoch-dynamische Volumenströme auf hohe Öltemperaturen, vor allem im Dauerbzw. Langstreckeneinsatz aber auch in Sonderanwendungen. Blick ins Innere eines Radsatzgetriebes (GGT Gmeinder Getriebetechnik GmbH) Schmierstoff + Schmierung · 6. Jahrgang · 3/ 2025 8 Fachartikel | Vom Dampfross zum ICE Das Getriebeöl muss ein exzellentes Luft- und Wasser-Abscheidevermögen haben, schaumarm im Betrieb sein und neben den Fließeigenschaften ausrechende Schmierwirkung aufweisen. Dazu sind sehr gute Alterungsstabilität auch bei erhöhten Öltemperaturen und eine geringe Neigung zur Ablagerungsbildung wichtig. Zum Einsatz kommen ausschließlich von dem Getriebehersteller freigegebene, niedrigviskose Spezialgetriebeöle (z. B. ISO VG 32) auf der Basis moderner, hoch raffinierter Mineralöle der API- Gruppe II oder besser. Schmieröle für Automatikgetriebe Wie in einem klassischen Automatikgetriebe muss das eingesetzte Getriebeöl sowohl den hydrodynamischen Anforderungen genügen, die dem eines Turbinenöls nahekommen, jedoch gepaart mit den Schmier- Anforderungen des mechanischen Getriebeteils (Stirnbzw. Planetenräder) und der Schalteinrichtungen (Reibeigenschaften für Lamellenkupplungen). Des Weiteren ist eine exzellente oxidative und thermische Stabilität vonnöten, um den sehr langen Ölwechselintervallen gerecht zu werden. Auch hier ist darauf zu achten, dass das Getriebeöl den erhöhten Anforderungen des Bahnbetriebs Rechnung trägt. Zum Einsatz kommen ATF’s (ATF = Automatic Transmission Fluid) mit OEM-Freigabe, meist auf der Basis teil- oder vollsynthetischer Grundöle. Schmieröle für Radsatzgetriebe An die Getriebeöle für Radsatzgetriebe werden höchste Anforderungen an die Schmiersicherheit und Langlebigkeit auch unter extremen Einsatzbedingungen gestellt. Im Fernverkehr in Flächenländern wie beispielsweise China kann ein Zug durchaus 6 Stunden oder mehr ohne Pause bei hoher Reisegeschwindigkeit unterwegs sein und das bei hoher Luftfeuchtigkeit, die beim Abkühlen zur gefährlichen Kondensatbildung führen kann. Daher sind auch an die Abdichtung der Getriebe höchste Anforderungen gestellt, Zum Einsatz kommen überwiegend vollsynthetische Getriebeöle, z. B. der SAE-Klasse 75W-90 mit Schmiereigenschaften nach API GL-5 „LS“ mit OEM- Freigabe. An die Scherstabilität und Alterungsbeständigkeit sind sehr hohe Anforderungen gestellt, um auch bei den extremen Einsatzbedingungen und Laufzeiten des Eisenbahnbetriebs die Schmiersicherheit zu gewährleisten. Diese Anforderungen übertreffen die die des allgemeinen Fahrzeugeinsatzes erheblich. Daher sind auch hier nur vom Getriebehersteller für den Eisenbahnbetrieb namentlich freigegebene Öle zulässig. Ölüberwachung Den hohen Anforderungen des Eisenbahneinsatzes Rechnung tragend, gewinnt die regelmäßige Überwachung des Getriebeöls zunehmend an Bedeutung. Anhand der regelmäßigen Überwachung des Alterungszustandes, des Abriebs und des Eintrags von Verunreinigungen können Unregelmäßigkeiten frühzeitig erkannt und anstehende Inspektionsbzw. Wartungsarbeiten besser geplant werden, da die Verbringung der Schienenfahrzeuge in die Reparaturbetriebe in der Regel mit sehr hohem Aufwand verbunden ist. Außerdem kommen so Betriebssicherheit, Nachhaltigkeit und Kosteneffizienz zusammen. Denn nicht nur hier gilt: „Wer gut schmiert, der gut fährt.“ »« Eingangsabbildung: generiert mit Chat GPT Das Getriebeöl im Einsatz (Adobe Stock…)