eJournals

Transforming cities
tc
2366-7281
2366-3723
expert verlag Tübingen
36
2017
21
Mit veränderten Bedingungen leben Hochwasserschutz und Hitzevorsorge | Gewässer in der Stadt | Gründach als urbane Klimaanlage |Baubotanik 1 · 2017 Stadtklima URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN aber NUR WASSER ALLES VOM WASSER WASSER- AUFBEREITUNG IT-DIENST- LEISTUNG QUALITÄTSSICHERUNG/ WISSENSCHAFT/ FORSCHUNG BRAUCHWASSER- NUTZUNG ENERGIE- GEWINNUNG ENERGIEEFFIZIENZ/ MESS-, REGEL- UND ANALYSETECHNIK WASSER- GEWINNUNG WASSER- VERTEILUNG FLOOD MANAGEMENT/ HOCHWASSERSCHUTZ ABWASSER- TRANSPORT ABWASSERBEHAND- LUNG - KLÄRTECHNIK BAULEISTUNG / NO DIG KONGRESS OHNE ZUSATZKOSTEN Informationen unter www.wasser-berlin.de 1 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES EDITORIAL Liebe Leserin, lieber Leser, es war eine gute Nachricht: Ende 2015 haben Vertreter von fast 200 Ländern in Paris das internationale Klimaschutzabkommen unterzeichnet. Darin wurde vereinbart, den weltweiten Temperaturanstieg gegenüber dem vorindustriellen Wert auf unter zwei Grad oder sogar auf unter 1,5 Grad zu begrenzen. Eine Erderwärmung um zwei Grad gilt unter Fachleuten als noch beherrschbar, wenn es auch verschiedene Szenarien gibt, wie sich steigende Temperaturen generell auf das globale, aber auch auf das lokale Klima tatsächlich auswirken werden. Lässt sich die Welt also doch noch retten? Nach wie vor gibt es Kreise, die den durch Menschen verursachten Klimawandel kleinreden oder abstreiten und einfach weiter machen wollen wie bisher. Doch die Fakten lassen sich nicht so einfach unter den Tisch kehren: Nach Angaben des Weltklimarates hat sich die Erde seit Beginn systematischer Aufzeichnungen im Jahr 1880 bis 2012 um durchschnittlich 0,85 K erwärmt. Die drei wärmsten jemals gemessenen Jahrestemperaturen in Folge gab es aufsteigend in den Jahren 2014, 2015 und 2016. Selbst wenn sich alle Welt in einem Akt der Vernunft darauf verständigte, sofort drastisch weniger Treibhausgase produzieren zu wollen und die Regenwälder zu verschonen - die Veränderungen sind bereits in vollem Gange: Gletscher schmelzen ab, Meeresspiegel steigen an und extreme Wetterereignisse nehmen zu. Die Auswirkungen des Klimawandels sind auch hierzulande deutlich spürbar: Winter sind öfter als früher nass und mild, Sommer vermehrt heiß und trocken. Unwetterlagen mit Sturm und sintflutartigen Regenfällen - sogenannte Jahrhundertregen - treten häufiger, mitunter mehrfach pro Jahr auf, mit weit reichenden Folgen für Menschen, Umwelt und Siedlungsstrukturen. Gerade in dicht bebauten Städten mit stark versiegelten Flächen macht die steigende Sommerhitze den Menschen zu schaffen. Zwischen 2001 und 2010 ereigneten sich für mindestens 65 % der Fläche Europas die wärmsten Sommer der letzten 500 Jahre. Besonders kranke und ältere Personen leiden unter den hohen Temperaturen. Allein die Mega-Hitzewelle 2003 in Europa hat nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation WHO etwa 70 000 zusätzliche Todesopfer gekostet. Starkregenereignisse wiederum überfordern die städtischen Infrastrukturen und verursachen hohen wirtschaftlichen Schaden. Es reicht also nicht, darauf zu hoffen, dass das Zwei-Grad-Ziel eingehalten werden wird. Es gilt, Städte und Gemeinden an die bereits heute spürbaren klimatischen Veränderungen anzupassen. Welche Vorschläge und Pläne Wissenschaftler und Ingenieure zum Erhalt der urbanen Lebensqualität trotz der gewaltigen bevorstehenden Herausforderungen haben, lesen Sie in diesem Heft. Ihre Christine Ziegler Redaktionsleitung „Transforming Cities“ Stadtklima - mit sich ändernden Bedingungen leben 2 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES INHALT 1 · 2017 Seite 19 Seite 22 © pixabay © Sieber © Optigrün Seite 9 FORUM 4 Tagungsbericht KOMMUNAL 4.0 Fachkongress für eine digitalisierte Wasserwirtschaft Günter Müller-Czygan 6 Weltkongress Gebäudegrün in Berlin Dr. Gunter Mann, Präsident des FBB und Organisator des WGIC 2017 im Interview 8 Ideenschmiede für Wassertechnik 9 Smart Data für den Katastrophenschutz von morgen Informationssystem für effizientes Katastrophenmanagement Stefan Jäger 12 Global verhandeln, lokal umsetzen Forschung für die integrierte Umsetzung von Klimapolitik und Nachhaltigkeitszielen Steffen Bauer 16 Grüne Infrastruktur sichern Stadtklimatologie mit lebendigem Grün Peter Menke 19 Nachhaltige Planung - Nachhaltige Pflege? Stadtgrün und seine Pflege im Kontext des Stadtklimawandels Sandra Sieber PRAXIS + PROJEKTE 22 Hochwasserschutz und Hitzevorsorge durch begrünte Dächer Dachbegrünung als wichtiger Bestandteil der Regenwasserbewirtschaftung Gunter Mann 25 Urbane Freiräume erschließen Ressourcen Der Dresdner Verein UFER-Projekte Gregor Scholtyssek 28 Gewässer in der Stadt Lebensraum und Klimafaktor Christa Hecht 32 Logistikzentrum in Hückelhoven Regenwasserbehandlung bei sehr großen Liegenschaften Barbara Rockstroh 36 Pionierarbeit in Schleswig-Holstein Regenwasserreinigung 38 Stadtentwässerung Dresden Mit Gütezeichen THEMA Stadtklima 40 Schafft besseres Klima: integrale urbane Wasserwirtschaft Wassersensible Stadtentwicklung in der Emscherregion Emanuel Grün, Michael Becker, Ralf Schumacher 45 Stets genügend freie Kapazität Regelung und Überwachung von Regenbecken Thomas Geiz 48 Städtisches Hochwassermanagement braucht digitale Niederschlagsdaten Günter Müller-Czygan 52 Starkregen in Deutschland Siedlungsentwässerung und Haustechnik stellen sich auf Extremwetter ein Klaus W. König 3 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES INHALT 1 · 2017 58 Hitze in städtischen Quartieren Messergebnisse der Karlsruher AERO-TRAM und die Implikationen für die Stadtplanung Julia Hackenbruch, Martin Schulwitz, Rowell Hagemann 63 Hamburgs Gründachstrategie Warum die Förderung von Gründächern sinnvoll ist Bart Jan Davidse, Marie Hliwa, Hanna Bornholdt 68 Das Gründach als Schwamm und Klimaanlage der Stadt Michael Richter, Elke Kruse, Zamna Rodriguez Castillejos 74 Das Grüne Zimmer Ludwigsburg Freistehende Vertikalbegrünung für das Stadtklima Bernd Eisenberg 78 Klimaaktive baubotanische Bautypologien Modellprojekte und Planungswerkzeuge für innovative Stadtquartiere und grüne Infrastrukturen Ferdinand Ludwig, Daniel Schönle, Moritz Bellers 83 Der Umweltnutzen von ZFarming Potenzial produktiv genutzter Dächer und Fassaden für Gebäudeklima, Stadtklima und Klimaschutz Axel Dierich, Kathrin Specht, Susanne Thomaier FOKUS Forschung + Lehre 88 Lebenslanges Lernen - Transformationen gestalten und lenken Die OHM Professional School in Nürnberg bildet Fach- und Führungskräfte berufsbegleitend aus 89 Planungsprozesse optimieren, interkommunale Zusammenarbeit verbessern Forschungsprojekt zur Entwicklung von Planungswerkzeugen für die Wasserwirtschaft Steffen Krause 92 Stadträume mit Kommunikationsfakor Öffentlicher Raum: Form, Funktion, Struktur und Ort menschlicher Begegnung Jeremy Klemens Seite 25 Seite 48 © Gartennetzwerk Seite 63 © LBUE/ Isadora Tast © Heino Schütte PRODUKTE + LÖSUNGEN 96 Sensus Ludwigshafen weiterhin staatlich anerkannte Prüfstelle 97 Nachhaltige Lösung für Zitronensafthersteller 98 Bessere Stadtluft Reduzierung von Feinstaub, Hitze und Lärm mit dem „CityTree“ Tina Hensel 100 Kompakte Lösung zur Versickerung Neuer Graf Drainstar Filter für Graf Sicker-Tunnel 100 Impressum 4 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES FORUM Veranstaltungen Im Rahmen des Vorhabens KOMMUNAL 4.0, einem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Projekts aus dem Technologieprogramm Smart Service Welt, engagiert sich die Stadt Schwäbisch Gmünd als assoziierter Projektpartner in besonderer Weise bei der Erprobung digitaler Entwicklungen für die kommunale Wasserwirtschaft. Zusammen mit dem Projektkoordinator HST Systemtechnik GmbH & Co. KG wurde daher die erste Veranstaltung zu KOMMUNAL 4.0 nach Baden- Württemberg geholt. Den Tagungsteilnehmern wurden im Congress-Centrum Stadtgarten interessante Vorträge zum Stand der Digitalisierung in der kommunalen Wasserwirtschaft präsentiert. In seiner Begrüßung betonte der Erste Bürgermeister Dr. Joachim Bläse die Bedeutung der digitalen Möglichkeiten für die Stadt Schwäbisch Gmünd, insbesondere für die lokale Wasserwirtschaft durch Teilnahme an KOMMUNAL 4.0. Nachdem die Hochschule Aalen in Kooperation mit der Hochschule für Gestaltung am Standort Schwäbisch Gmünd zum Wintersemester 2015/ 2016 den Studiengang „Internet der Dinge“ eingerichtet hat, ist die Teilnahme am Projekt ein weiterer Meilenstein in Richtung digitaler Zukunft für die Stadt im Remstal. Die enge Kooperation der Stadt mit den Hochschulen zeigte sich am direkten Engagement der Hochschullehrer im Rahmen der Tagung. Prorektor Professor Ulrich Schendzielorz von der Hochschule für Gestaltung führte als Moderator durch die Tagung und Professor Markus Weinberger von der Hochschule Aalen zeigte in seinem Eröffnungsvortrag, was in der digitalen Welt alles möglich ist. Anschließend erklärte Günter Müller-Czygan von der HST Systemtechnik GmbH & Co. KG in seiner Funktion als Projektleiter des Vorhabens KOMMUNAL 4.0, dass sich auch die Wasserwirtschaft darin versteht, digitale Lösungen zu entwickeln und einzusetzen. Egal ob es um smarte, also intelligente Maschinen geht oder um die Vernetzung von wasserwirtschaftlichen Anlagen oder ganzer Kanalinfrastruktursysteme, die Verschmelzung von Maschinen und IT ist in der kommunalen Wasserwirtschaft bereits weit fortgeschritten. Mit KOMMUNAL 4.0 wird hier wie bei Industrie 4.0 die nächste digitale Entwicklungsrunde eingeläutet, damit Kommunen mit den Möglichkeiten webbasierter Daten- und Serviceplattformen ihre wasserwirtschaftlichen Systeme effizienter und sicherer planen, bauen und betreiben können. Einen besonderen Schwerpunkt bilden im Vorhaben KOMMUNAL 4.0 sogenannte Pilotprojekte. Hierbei werden über einen Zeitraum von bis zu einem Jahr neu entwickelte digitale Lösungen bei Kommunen wie der Stadt Schwäbisch Gmünd in realer Anwendung auf ihre Praxistauglichkeit geprüft. Drei ausgewählte Pilotprojekte wurden dann auch dem Fachpublikum vorgestellt. Frieder Steinhilber von den Stadtwerken Schwäbisch Gmünd berichtete über die datentechnische Verknüpfung eines abgelegenen Hochbehälters zur Wasserversorgung eines Segelflugplatzes. Die bisherige unkontrollierte Befüllung des nicht am Stromnetz hängenden Wasserspeichers erfolgt demnächst mit einem akkubetriebenen Füllstandsmessgerät per Webanbindung durch die Zentrale. Uwe Siemann und David Storhas von den Entsorgungsbetrieben Siegen stellten anschließend die Entwicklung eines neuartigen Managementtools zur optimierten Wartung und Kontrolle von Sinkkästen vor. Hierbei werden verschiedenartige zusätzliche Informationen erfasst und digital verarbeitet, um eine bessere Vorhersage treffen zu können, wann welche Sinkkästen im nächsten Starkregenfall verstopfen und volllaufen können. Tagungsbericht KOMMUNAL 4.0 Erster Fachkongress für eine digitalisierte Wasserwirtschaft in Schwäbisch Gmünd Günter Müller-Czygan Rund 50 Teilnehmer aus Kommunen, Wissenschaft und Wirtschaft folgten der Einladung der Stadt Schwäbisch Gmünd und des Co-Veranstalters HST Systemtechnik GmbH & Co. KG zum ersten Fachkongress KOMMUNAL 4.0 am 9. Februar 2017 ins Congress-Centrum Stadtgarten. 5 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES FORUM Veranstaltungen Dies können neben technischen Daten auch visuelle oder beschreibende Informationen sein, die mittels moderner Digitalisierungslösungen auswertbar sein werden. Im dritten Pilotprojekt dreht sich alles um die Einflüsse von Starkregen auf den Betrieb von Kanalnetzabschnitten. Horst Geiger von der Großen Kreisstadt Öhringen berichtete über ein besonderes Regenereignis im Mai 2016, bei dem sein Team dank der Prognosedaten des Niederschlagsdatenportals NiRA.web die stattfindende Landesgartenschau Baden-Württemberg vor einem Hochwasserschaden bewahren konnte. Mit Hilfe von Niederschlagsprognosen konnten rechtzeitig Maßnahmen ergriffen werden, die ein unkontrolliertes Abfließen der Wassermassen in das Gelände der Landesgartenschau verhinderten. Im Pilotprojekt von KOMMUNAL 4.0 sollen nun digitale Niederschlagsdaten mit den Steuerungen wasserwirtschaftlicher Bauwerke verknüpft werden, damit Maßnahmen zum Hochwasserschutz auch automatisch erfolgen können. Zum Abschluss der Veranstaltung referierte Nico Suchold vom ifak Institut für Automation und Kommunikation aus Magdeburg über die Notwendigkeit einer ausreichenden IT-Sicherheit in der Wasserwirtschaft. Nicht erst seit den Cyberattacken auf die Bundesregierung im Jahr 2016 wird der Stellenwert der IT-Sicherheit in öffentlichen Verwaltungen diskutiert. Mit Inkrafttreten des IT-Sicherheitsgesetzes sind Betreiber kritischer Infrastrukturen, zu denen auch die kommunale Wasserwirtschaft zählt, zu Maßnahmen hinsichtlich eines ausreichenden IT- Schutzes verpflichtet. Im Mittelpunkt steht dabei das sogenannte ISMS (Informations-Sicherheits- Management-System), auf dessen Basis kommunale Verantwortliche ihre notwendige IT-Sicherheit analysieren und organisieren können. Nico Suchold stellte hierzu den Stand der Entwicklungsarbeiten im Projekt KOMMUNAL 4.0 vor. Am Vorabend des ersten Fachkongresses wurde auf Einladung von Oberbürgermeister Richard Arnold im historischen Barocksaal des Schwäbisch Gmündener Rathauses der Verein KOMMUNAL 4.0 e. V. gegründet, um die Weiterführung der im Vorhaben KOMMUNAL 4.0 entwickelten Ideen und Konzepte auch über das Projektende hinaus sicherzustellen. Der Verein dient der Vernetzung von Fachleuten und Interessierten und wird spezielle Angebote zur Aus- und Weiterbildung rund um das Thema Digitalisierung in der kommunalen Wasserwirtschaft anbieten. Kommunen, Hochschulen und Unternehmen, die an einer Mitgliedschaft interessiert sind, wenden sich an den Projektkoordinator des Vorhabens KOMMUNAL 4.0 unter: www.kommunal4null.de Immer eine Idee mehr! praxisorientiert - flexibel - innovativ Kanalrohrsysteme Formteile Sonderprodukte Regenwasserbewirtschaftung 02388 3071-0 www.funkegruppe.de Funke Kunststoffe GmbH 6 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES INTERVIEW Stadtgrün Wer veranstaltet den Kongress? Der Weltverband der Bauwerksbegrüner, auf Englisch: World Green Infrastructure Network WGIN, führt den World Green Infrastructure Congress (WGIC), also den Weltkongress Gebäudegrün jedes Jahr in einem anderen Mitgliedsland durch. Der jeweilige Landesverband, in Deutschland ist es die Fachvereinigung Bauwerksbegrünung e. V. (FBB), organisiert die Veranstaltung. Beim diesjährigen Weltkongress in Berlin gibt es nun die besondere Konstellation, dass auch der Europäische Verband der Bauwerksbegrüner (EFB) mit als Veranstalter fungiert und so den Schulterschluss Welt-, Europa- und Landesverband vollzieht. Weltkongress Gebäudegrün in Berlin Namhafte Referenten mit Vorträgen zu Dach-, Fassaden- und Innenraumbegrünung auf dem WGIC 2017 vom 20. bis 22. Juni 2017 in Berlin Vom 20. bis 22. Juni 2017 treffen sich Fachleute der Gebäudebegrünung, Stadtplaner und Architekten sowie Vertreter aus Wissenschaft, Politik und Verwaltung zum zweitägigen Kongress (WGIC) mit anschließendem Exkursionstag in der Hauptstadt. Unter der Schirmherrschaft der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Dr. Barbara Hendricks, und dem Regierenden Bürgermeister Berlins, Michael Müller, wird die Fachwelt im Mercure Hotel MOA über die Möglichkeiten der Dach-, Fassaden- und Innenraumbegrünung diskutieren, das Klima in Städten und Gemeinden und somit die Lebensqualität zu verbessern. Welche Akteure sich für mehr Grün in der gebauten Umwelt engagieren und welche Themen auf dem Programm des Kongresses stehen, erklärt Dr. Gunter Mann, Präsident Fachvereinigung Bauwerksbegrünung e.V. (FBB) und Organisator des WGIC 2017 im Interview. Also eine gemeinsame Veranstaltung nationaler und internationaler Begrünungsverbände...? ...mit großartiger Unterstützung vieler Kooperationspartner aus Stadt und Land. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt unterstützt uns bei der fachlichen und organisatorischen Vorbereitung, hierbei ist vor allem Brigitte Reichmann zu erwähnen. Auf der Liste der Unterstützer stehen weiterhin zahlreiche Partnerverbände und Institutionen: Architektenkammer Berlin, Bund Deutscher Architekten e. V., Bund Deutscher Landschaftsarchitekten e. V., Verband Beratender Ingenieure e. V., Verband Deutscher Architekten- und Ingenieurvereine e. V., Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e. V., Fassadenbegrünungen sind neben Dach- und Innenraumbegrünungen ein Schwerpunkt des Weltkongresses Gebäudegrün. © FBB 7 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES INTERVIEW Stadtgrün Berliner Wasserbetriebe, Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V., Institut Bauen und Umwelt e. V. IBU, Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e. V., die Internationale Gartenausstellung IGA Berlin 2017 GmbH und das Kompetenzzentrum Wasser Berlin gGmbH. Gefördert wird der Kongress mit Mitteln der Forschungsinitiative Zukunft Bau. Als Gold-Sponsoren unterstützen namhafte FBB-Mitglieder die Veranstaltung: Optigrün international AG, Sika Deutschland GmbH, Bauder GmbH & Co. KG. Welche Themen sind geplant? Wir behandeln sämtliche Bereiche der Gebäudebegrünung: Dach-, Fassaden- und Innenraumbegrünung in einer spannenden Zusammenstellung. Ein Fokus wird auf der Dachbegrünung liegen, weitere Schwerpunktthemen sind: nachhaltiges Bauen, gesetzliche Rahmenbedingungen, Förderungen und Städtestrategien, Biodiversität, Pflege und Wartung, stadtklimatische Wirkungen, unterlegt mit zahlreichen Beispielen aus der Praxis. Auf besonders großes Interesse stoßen aktuell Themen rund um die Regenwasserbewirtschaftung, um Fördermöglichkeiten und um nachhaltiges Bauen. Stehen die Referenten bereits fest? Viele hochkarätige Redner haben schon zugesagt und - soviel ist sicher - sie stehen alle für spannende Vorträge und Diskussionen. So freuen wir uns beispielsweise auf Patrick Blanc, den bekanntesten Fassadenbegrüner der Welt, Prof. Hagen Eyink, den Verantwortlichen des Weißbuchs Stadtgrün, Prof. Matthias Uhl und Prof. Heiko Sieker, zwei Größen aus der Siedlungswasserwirtschaft, Karl Friedrich Falkenberg, Sonderberater für nachhaltige Entwicklung beim Europäischen Zentrum für politische Strategie (EPSC) und Prof. Maria Auböck und Janos Karasz, die renommierten Landschaftsarchitekten aus Wien. Wie ist das Programm aufgebaut? Wir haben Beginn und Ende des Weltkongresses im großen Saal geplant, um hier alle Teilnehmer zu versammeln. Nach der Begrüßung werden in zwei großen und drei kleineren Vortragsräumen je fünf Themenblöcke parallel vorgestellt. Dabei werden in vier Vortragsräumen (Raum 1 bis 4) Themen der Dach- und Fassadenbegrünung und im fünften Vortragsraum (Raum 5) ausschließlich das Thema Innenraumbegrünung behandelt. Ein Themenblock umfasst drei Vorträge à 30 Minuten - einschließlich Diskussion - und wird durch einen Moderator geleitet. Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern wird die Möglichkeit gegeben, zwischen den parallel abgehaltenen Themenblöcken und Vorträgen zu wechseln. Was erwartet die Teilnehmer auf den Exkursionen? Wir organisieren gerade im Detail die geplanten fünf Exkursionen am dritten Tag der Veranstaltung, mit denen jeweils ein Schwerpunkt auf Dach-, Fassaden- und Innenraumbegrünungen gelegt werden soll. Dabei wollen wir auch Berliner Sehenswürdigkeiten in das Programm einbeziehen. Die Exkursionen werden von Fachpersonal und in kleinen Gruppen durchgeführt und enden nachmittags bei der Internationalen Gartenausstellung (IGA), die dann im Anschluss besucht werden kann. Wo finden Interessierte aktuelle Informationen und wie kann man sich anmelden? Der aktuelle Stand lässt sich auf der Kongress- Internetseite www.wgic2017Berlin.com verfolgen. Dort sind alle relevanten Informationen hinterlegt, insbesondere ein kurzer Werbefilm zum Kongress. Die Seite wird täglich aktualisiert, wir sind derzeit dabei, das Programm zu vervollständigen und die Exkursionen detailliert zu planen. Ab Ende März soll das vollständige Programm auf der Kongress- Homepage veröffentlicht sein. Zum Kongress werden dann die Kurzfassungen sämtlicher Referate im Tagungsband nachzulesen sein. Weltkongress - erwarten Sie also Gäste aus aller Welt? Wir schätzen, dass rund 25 bis 30 Prozent der Besucher aus dem Ausland kommen werden, die meisten Gäste wohl aus Europa. Wir haben jetzt schon Anmeldungen aus Belgien, China, England, Neuseeland, Österreich, Schweden und der Schweiz. Die meisten Vorträge werden zwar auf Deutsch gehalten. Aber in den beiden größeren Räumen ist eine Simultanübersetzung Deutsch - Englisch vorgesehen. Was wünschen Sie sich für den Kongress in Berlin? Schön wäre, wenn alle, die sich für die Gebäudebegrünung interessieren nach Berlin kommen würden - Architekten, Bauherren und Städtevertreter. Besonders wünsche ich mir, dass der Kongress reibungslos verlaufen wird und alle Beteiligten drei schöne, interessante und erlebnisreiche Tage in Berlin verbringen können. Dr. Gunter Mann, Präsident Fachvereinigung Bauwerksbegrünung e. V. (FBB) und Organisator des WGIC 2017. © FBB 8 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES 8 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES FORUM Veranstaltungen Für das in Ravensburg ansässige und international tätige Unternehmen HydroGroup ist die WASSER BERLIN INTERNATIONAL die wichigste deutsche Wasserfachmesse, mit langer Tradition und mit interessantem Kongress- und Informationsangebot sowohl für Aussteller als auch für Besucher. Grund für die HydroGroup, an der Messe teilzunehmen, ist zudem das geänderte Konzept der Messe mit verstärkter internationaler Ausrichtung und dem Fokus auf den gesamten Wasserkreislauf. Behälter in großem Maßstab Als kompetente Ansprechpartner für alle Fragen der Wassertechnik - beginnend bei der Wasserförderung, über die Wasseraufbereitung für kommunale und industrielle Zwecke, der zentralen Trinkwasserenthärtung bis zur Wasserspeicherung - lädt das Team der Hydrogroup Besucherinnen und Besucher zum infomativen Gespräch auf den Messestand. Im Mittelpunkt stehen die HydroSystemTanks ® aus Edelstahl. In den letzten Jahren wurden damit immer größere Projekte verwirklicht, zunehmend international und für technisch wachsende Herausforderungen. Auch richtig große Objekte, mit Volumen bis zu 15 000 m³, sind lösbare Aufgaben. Weiches Trinkwasser Früher als Luxus betrachtet, wird die zentrale Enthärtung von Trinkwasser mehr und mehr zum Thema. Auf dem Messestand in Berlin werden verschiedene Enthärtungsverfahren vorgestellt und die jeweils optimalen Anwendungsbereiche aufgezeigt. Anhand individueller Wasseranalysen und Verbrauchsmengen lassen sich kundenspezifische Anforderungen direkt und detailliert besprechen. Über den virtuellen Marktplatz der Messe kann bereits vorab ein Termin mit einem Ansprechpartner von Hydrogroup vereinbart werden. Ozonung und Membranfiltration Viele Ozonanlagen in Wasserwerken sind technisch veraltet und arbeiten nicht mehr energieeffizient. Neue Techniken erlauben höchste Ozonkonzentrationen und hohe Ozonmengen bei vergleichsweise geringem Platz- und Energiebedarf. Im Bereich der Membranfiltration eröffnet das HG-MFO-Verfahren (DBPa) neue Anwendungsbereiche. Neue Module auf keramischer Basis mit hervorragenden Leistungswerten für die Mikro- und die Ultrafiltration ermöglichen weitergehende Einsätze für diese Techniken und einen chemiefreien Anlagenbetrieb. Schwimmbadwasseraufbereitung Das Ozon-Brom-Verfahren zur Schwimmbadwasseraufbereitung - als HYDROZON ® -Verfahren seit Jahrzehnten bekannt - macht Chlor als Desinfektionsmittel überflüssig. Das Verfahren ist als Normentwurf (Gelbdruck) DIN 19643-5 veröffentlicht. HydroGroup/ Hydro-Elektrik GmbH Angelestr. 48/ 50 88214 Ravensburg sales@hydrogroup.de www.hydrogroup.de Halle 2.2. | Stand 424 Ideenschmiede für Wassertechnik Mit neuen Produkten präsentiert sich die Firmengruppe HydroGroup auch im Jahr 2017 wieder auf der WASSER BERLIN INTERNATIONAL. © pixabay © Hydrogroup Wassertechnik auf der WASSER BERLIN INTERNATIONAL. © pixabay Messestand mit Themen rund um die Wassertechnik. © Hydrogroup 9 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES FORUM Standpunkt Ausgelöst durch das Tief „Axel“ traf Anfang Januar die stärkste Sturmflut seit zehn Jahren die Küsten Deutschlands und richtete insbesondere an den Küsten Mecklenburg-Vorpommerns Schäden in Millionenhöhe an. Schnelle Hilfe ist in Fällen wie diesen dringend erforderlich. Leider benötigen Hilfskräfte meist viel Zeit, um sich ein Bild von der aktuellen Lage zu machen. So geht wichtige Zeit verloren, in der Menschenleben gerettet werden und Infrastrukturen verschont bleiben könnten. Das Sammeln, Strukturieren und Auswerten von Geo- und Wetter-Daten in Echtzeit kann entscheidende Informationen für Rettungsstäbe zu Tage fördern und ein schnelles und gezieltes Agieren ermöglichen. Schon lange haben Apps auf dem Smartphone und Plug-Ins auf dem Computer, die uns über die gegenwärtige und zukünftige Wetterlage informieren, Einzug in unseren Alltag gehalten. Lokale Wetterstationen können per SMS oder App vor schweren Unwettern und möglichen Hochwassern in der Region warnen. Doch aufhalten kann der technische Fortschritt diese Naturgewalten nicht. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, in einem Katastrophenfall einen möglichst umfassenden Überblick über die Situation zu bekommen und rechtzeitig Rettungsmaßnahmen einzuleiten. Das ist heute jedoch oft noch schwierig. Häufig gibt es kein aktuelles und umfassendes Bild von der Lage in den betroffenen Gebieten, beispielsweise in Bezug auf das Ausmaß und die Intensität des Hochwassers. Informationen über drohende Deichbrüche, Schäden an Gebäuden und Gefahren für deren Bewohner bleiben lange unbekannt. Eine zerstörte Infrastruktur zwingt Rettungskräfte zudem zu Umwegen. Die Verantwortlichen können die Lage vor Ort oft nur schlecht einschätzen und dadurch nicht schnell und gezielt genug reagieren. Intelligente Daten schaffen einen Überblick Eine Plattform, die die wichtigsten Informationen bündelt und einen gegenwärtigen Überblick bietet, kann helfen. Das Projekt „sd-kama - Smart Data Katastrophenmanagement“, das im Rahmen des Technologieprogramms „Smart Data - Innovationen aus Daten“ vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert wird, unterstützt Katastrophenstäbe sowie alle Akteure des vorbeugenden und aktiven Katastrophenschutzes wie Rettungskräfte oder Behörden aktiv. Das Projekt entwickelt derzeit ein geointelligentes und echtzeitfähiges Informationssystem, das ein zielgerichtetes Katastrophenmanagement ermöglicht. Smart Data für den Katastrophenschutz von morgen Geointelligentes und echtzeitfähiges Informationssystem für ein effizientes Katastrophenmanagement Smart Data, Big Data, Katastrophenmanagement, Katastrophenschutz Stefan Jäger Rund zwei Milliarden Euro haben Elementarschäden wie Stürme und Überschwemmungen laut dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft alleine im Jahr 2016 verursacht. Bedingt durch den Klimawandel könnten solche Naturereignisse laut Experten noch häufiger werden. Umso wichtiger wird es deshalb, in Zukunft gut vorbereitet zu sein, um schnell und souverän auf solche Ereignisse reagieren zu können. Das Projekt „sd-kama - Smart Data Katastrophenmanagement“ entwickelt ein geointelligentes und echtzeitfähiges Informationssystem, das mithilfe von Smart Data zielgerichtetes Katastrophenmanagement ermöglicht. Dr. Stefan Jäger, leitet das Smart- Data-Projekt „sd-kama - Smart Data Katastrophenmanagement“ und ist Mitglied der Geschäftsleitung der geomer GmbH in Heidelberg. © Wolfgang Borrs 10 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES FORUM Standpunkt Hierfür sammelt und analysiert sd-kama relevante Informationen aus unterschiedlichen Quellen. Dazu zählen etwa Meldungen von Betroffenen und Helfern vor Ort, aber auch Satellitenbilder oder Nachrichten. Diese heterogene Datenflut wird von der Datenanalyse des Complex Event Processings von sd-kama automatisiert gefiltert und aufbereitet, sodass hilfreiche Informationen schneller und akteursbezogen gewonnen werden - aus Big Data werden Smart Data. Dank dieser intelligenten Daten können sich Rettungskräfte schnell ein vollständiges Bild über das Katastrophengebiet und die betroffenen Menschen machen und zielgerichtet helfen. Das System filtert nur Informationen heraus, die für die Krisenstäbe wirklich relevant sind. Dadurch sind diese in der Lage, Gefahren besser einzuschätzen, die richtigen Entscheidungen zu treffen sowie Einsatzkräfte und Ressourcen effizienter koordinieren und nutzen zu können. Zwei Informationssäulen für ein klares Bild Das Grundgerüst des Systems bilden hier die beiden Informationssäulen „Raum“ und „Mensch“. Für die Säule „Raum“ erstellt sd-kama zunächst ein aktuelles und dynamisches Bild des betroffenen Gebiets. Hierfür werden Daten wie Pegelstände aus unterschiedlichen, bisher voneinander getrennten Informationssystemen gesammelt und verknüpft. Ergänzt werden diese mittels Satellitenfotos, die etwa Aufschluss über den Zustand von Gebäuden und Infrastruktur geben können. Zudem wertet die Plattform auch dynamische Datenströme aus Bild- und Videodateien aus, die von freiwilligen Helfern oder Einsatzkräften übermittelt werden. An dieser Stelle kommt die zweite Informationssäule „Mensch“ zum Tragen: So liefert das System Meldungen über die Verfassung der Einsatzkräfte. Mithilfe von Wearables wie Armbändern, die die Vitaldaten der Träger erfassen, wird die Einsatzzentrale regelmäßig über den psycho-physiologischen Zustand der Helfer informiert. Sind Rettungskräfte oder Helfer überlastet, kann Unterstützung geordert werden. Sind sie gar erschöpft, ist der Einsatzleiter früh informiert und kann die Ablösung organisieren. Zusätzlich können die Helfer über die sd-kama-App auf ihrem Smartphone ihre Eindrücke von der Lage vor Ort nicht nur schildern, sondern auch mit Videos und Fotos dokumentieren und an die Einsatzzentrale weiterleiten. Insgesamt verbessert sd-kama so die Informationsgrundlage und hilft, Fehler oder die Konsequenzen von versagenden Schutzeinrichtungen frühzeitig zu erkennen und eine Eskalation der Lage zu vermeiden. Ein weiterer Vorteil ist, dass sd-kama gleichzeitig einen Blick in die nahe Zukunft wirft. Das Informationssystem vergleicht verschiedene, bereits bewältigte Überflutungsszenarien und vereint sie in einer Simulation, die den weiteren Verlauf des derzeitigen Hochwassers präziser als bisher vorherzusagen vermag. So trifft der Einsatzstab seine Entscheidungen auf Basis genauerer Prognosen und kann sich früher und besser vorbereiten. Weitere Einsatzmöglichkeiten Derzeit steht das Projekt sd-kama vor zwei konkreten Entwicklungen: Zum einen soll eine Erweiterung auf zusätzliche Einsatzgebiete über den Testbetrieb Köln beziehungsweise den Rhein hinaus erörtert werden. Hierfür ist die Architektur des Systems von vorne herein offen angelegt. Außerdem ist eine Öffnung der App für weitere Nutzer angestrebt. Dies können etwa private oder ehrenamtliche Helfer aber auch betroffene Bevölkerungsgruppen sein, die - wie in der Vergangenheit an der Elbe und Donau gezeigt - ebenfalls sinnvolle Beiträge zum Katastrophenmanagement leisten können. Die App wird dazu so angepasst, dass je nach Nutzerkreis unterschiedliche Optionen verfügbar sind. So wird beispielsweise das Hochladen von Fotos, Videoclips und Nachrichten jedem zur Verfügung stehen, die Beurteilung und Kategorisierung von Schadenslagen aber den professionellen Einsatzkräften vorbehalten sein. Darüber hinaus ist eine allgemeine Verwendung für externe Nutzer denkbar. So könnte sd-kama ähnlich wie ein Navigationssystem Autofahrern bestimmte Routen vorschlagen und zum Beispiel Straßen melden, die wegen einer Überschwemmung nicht passierbar sind. Neben Privatpersonen könnten davon auch Logistikunternehmen oder Dienstleister wie Taxifahrer Das Informationssystem liefert auch Meldungen über die Verfassung der Einsatzkräfte. © pixabay 11 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES FORUM Standpunkt profitieren. Diese Funktionalitäten erprobt das Projekt gemeinsam mit dem Projekt iTESA, welches ebenfalls im Smart-Data-Programm gefördert wird. Datenschutz als entscheidender Faktor für den Erfolg Wie im Allgemeinen bei der Verwendung von Massendaten, sind auch bei sd-kama die Aspekte Sicherheit und Datenschutz von zentraler Bedeutung. Um Missbrauch vorzubeugen, muss etwa beim Sammeln von Orts- und Bewegungsdaten per Wearables sichergestellt werden, dass per Default keine Rückschlüsse auf Einzelpersonen möglich sind. Während bei der Erhebung der physiologischen Daten der Einsatzkräfte eine räumliche Zuordnung zumindest zu einer Gruppe von Einsatzkräften für die Einsatzplanung gegeben sein muss, ist bei der Dokumentation per Foto oder Videoclip eine anonyme Nutzung ausreichend. Da letztere Funktionalität auch einem größeren Nutzerkreis zur Verfügung stehen soll, wurden die Anwendungen letztlich vollständig voneinander getrennt in separaten Apps realisiert. Für den Erfolg und die gesellschaftliche Akzeptanz von Smart-Data-Lösungen ist es zentral, entsprechende rechtliche Rahmenbedingungen und eine Basisinfrastruktur zu schaffen, in der ein datenschutzkonformer Informationsaustausch möglich ist, beispielsweise durch die Verwendung geeigneter Pseudonymisierungs- und Anonymisierungsverfahren. Über ein durchdachtes Rechte- und Rollenkonzept ist sicherzustellen, dass nicht vermeidbare Daten mit Personenbezug ausschließlich durch dazu befugte Mitarbeiter abgerufen werden können. Vor dem Hintergrund des Technologieprogramms „Smart Data - Innovationen aus Daten“ wird jedoch allgemein deutlich, dass der Einsatz von Smart-Data-Lösungen eine enorme Chance für den Standort Deutschland darstellt. Das Projekt „sd-kama - Smart Data Katastrophenmanagement“ ist nur eines der Beispiele für die große Vielfalt als auch für das Potenzial von Anwendungen und Dienstleistungen, die auf dieser Technologie aufbauen. Ob für Großunternehmen oder kleine und mittelständische Betriebe: Die Einbindung von Smart Data ist in Zukunft grundlegend für den Erfolg der Digitalisierung in Deutschland. Eine Investition in bleibende Werte Auftraggeber und Auftragnehmer gemeinsam für Qualität Gütesicherung Kanalbau RAL-GZ 961 www.kanalbau.com 12 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES FORUM Standpunkt Als die Vereinten Nationen im Jahr 2015 binnen weniger Monate die Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung samt ihrer globalen Ziele (Sustainable Development Goals, SDGs) und das Pariser Klimaabkommen verabschiedeten, war der Jubel groß. Die internationale Gemeinschaft hatte zwei starke Lebenszeichen gegeben und der multilateralen Kooperation damit nicht nur einen kaum mehr für möglich gehaltenen neuen Schwung, sondern vor allem auch eine klare Richtung gegeben. Der transformative Anspruch der beiden internationalen Politikprozesse ist dabei offenkundig, zumal sie sich in ihrer jeweiligen Umsetzung wechselseitig verstärken müssen. Die Notwendigkeit dieser Wechselbeziehung zeigt sich nicht zuletzt im Bereich der Entwicklungspolitik. Tatsächlich haben Klimawandel und Klimapolitik weitreichende Implikationen, die praktisch alle Bereiche menschlicher Entwicklung betreffen, wie sie auch in den insgesamt 17 SDGs adressiert Global verhandeln, lokal umsetzen Die integrierte Umsetzung von Klimapolitik und Nachhaltigkeitszielen braucht anwendungsorientierte Forschung Steffen Bauer Im Rahmen des Postgraduiertenprogramms des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) untersucht ein Team angehender Entwicklungsexperten zur Zeit in ausgewählten kenianischen Mittelstädten das Ineinandergreifen nationaler Klimapolitiken und lokaler Entwicklungsstrategien. An den konkreten Herausforderungen städtischer Wasser- und Energieversorgung wird exemplarisch erforscht, wie realitätstauglich die international ausgehandelten Ziele der Klima- und Entwicklungspolitik in der städtischen Praxis eines dynamisch wachsenden Entwicklungslandes wie Kenia sind. Savanne in Kenia, im Hintergrund die Haupstadt Nairobi. © pixabay 13 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES FORUM Standpunkt werden. Dies mag bei konkreten sektoralen Zielen, wie etwa denen zur Energieversorgung oder der Ernährungssicherheit, offensichtlich sein. Es trifft aber ebenso auf abstraktere Ziele etwa zu Fragen der Regierungsführung, der Verminderung sozialer Ungleichheit und der Steuerung von Urbanisierungsprozessen zu. Die mit dem Pariser Abkommen verbundenen Vereinbarungen über die Anpassung an den Klimawandel, entsprechende Finanzierungsbedarfe und die Bereitstellung geeigneter Technologien speziell für arme Entwicklungsländer werden schon deshalb die Entwicklungszusammenarbeit der kommenden Jahre und Jahrzehnte prägen. New Urban Agenda Mit den Versuchen, die hehren globalen Beschlüsse nun für die praktische Umsetzung auf nationaler und lokaler Ebene handhabbar zu machen, werden zunehmend auch die Hindernisse und Zielkonflikte sichtbar, die bei der Abkehr von einem „business as usual“ unweigerlich auftreten. Die zwischenzeitlich auf dem Habitat III-Gipfel der Vereinten Nationen im Oktober 2016 in Quito verabschiedete „New Urban Agenda“ verdeutlicht, dass dies insbesondere auch für Fragen der Stadtentwicklung gilt. 1 Diese betreffen naturgemäß Entscheidungen über langlebige Infrastrukturen, die maßgeblich sind für die sozio-ökonomische wie ökologische Nachhaltigkeit urbaner Entwicklungsprozesse. Da Städte schon heute mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung beheimaten und mehr als 70 % der weltweiten Treibhausgasemissionen ausstoßen, sind sie zwangsläufig auch wesentliche Schauplätze für das Gelingen oder Scheitern transformativer Politik. Schon im Jahr 2012 betonte der damalige UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, dass der Kampf um globale Nachhaltigkeit in Städten entschieden würde. 2 Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) untermauerte diese Einschätzung im vergangenen Jahr in einem umfassenden Gutachten über die transformative Kraft der Städte. 3 Demnach können Wucht und Geschwindigkeit der globalen Verstädterung und ihrer Auswirkungen für Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung kaum überschätzt werden. Allein der bereits projizierte Aufbau neuer Infrastrukturen in Schwellen- und Entwicklungsländern entspricht schon einem runden Drittel des insgesamt noch verfügbaren CO 2 -Budgets, wenn die 1 Siehe https: / / habitat3.org/ the-new-urban-agenda/ [24.1.2017] 2 Siehe http: / / www.un.org/ press/ en/ 2012/ sgsm14249.doc.htm [24.1.2017] 3 Siehe http: / / www.wbgu.de/ hauptgutachten/ hg-2016-urbanisierung/ [24.1.2017] Erhöhung der globalen Durchschnittstemperatur - wie im Pariser Abkommen gefordert - auf weniger als 2 °C begrenzt werden soll. 4 Schon 2050 werden zwei Drittel aller Menschen in Städten leben, wobei geschätzte 90 % dieses „Umzugs der Menschheit“ (WBGU) in Schwellen- und Entwicklungsländern stattfinden wird. Um die damit verbundenen Herausforderungen im Sinne der Agenda 2030 und des Pariser Abkommens zu bewältigen, braucht es also dringend ein besseres Verständnis, ob und wie übergeordnete globale Ziele auf städtischer Ebene sinnvoll verzahnt und wie dabei auftretende Zielkonflikte, wenn nicht vermieden, so doch eingehegt und bearbeitet werden können. 5 Dabei hat sich an den Schnittstellen von Entwicklungs- und Urbanisierungsforschung zunehmend die Erkenntnis durchgesetzt, dass die aus globaler Perspektive entscheidenden Weichenstellungen weniger in den großen Metropolen und Megacities vorzunehmen sind, sondern in den vielerorts rasant wachsenden Klein- und Mittelstädten, speziell in Asien und Afrika. Dies lässt sich auch in der ostafrikanischen Republik Kenia beobachten, deren Wirtschaft zuletzt mit robusten 5-6 % des Bruttoinlandsprodukts pro Jahr wuchs. Wenngleich die Urbanisierung Kenias nach Angaben der Weltbank relativ zu anderen afrikanischen Ländern noch moderat verläuft, so ist sie mit durchschnittlich 4-5 % pro Jahr durchaus dynamisch und birgt große Potenziale für die weitere sozio-ökonomische Entwicklung des Landes. 6 4 Bzw. mehr als drei Vierteln des CO 2 -Budgets, wenn der Klimawandel auf 1,5 °C begrenzt werden soll. Ebd. 5 Siehe Dick (2016) Städtische Governance für nachhaltige globale Entwicklung: Von den SDGs zur New Urban Agenda, Analysen & Stellungnahmen 6/ 2016, Bonn: Deutsches Institut für Entwicklungspolitik, http: / / www.die-gdi.de/ uploads/ media/ AuS _6.2016n. pdf [24.1.2017] 6 Siehe http: / / documents.worldbank.org/ curated/ en/ 639231468043512906/ pdf/ AUS8099-WP-P148360-PUBLIC-KE- Urbanization-ACS.pdf [24.1.2017] Bild 1: Sustainable Development Goals. © Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), CC-BY-ND 14 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES FORUM Standpunkt Die Urbanisierung Kenias wird angetrieben vom Wachstum einer Vielzahl kleiner und mittlerer Städte jenseits der international bekannten und ebenfalls weiter wachsenden Metropolen Nairobi und Mombasa. Dies gilt vor allem für den dicht besiedelten und vergleichsweise gut vernetzten Westen Kenias mit Städten wie Kisumu, Eldoret, Kericho und Nakuru. Zur weiteren Erforschung der eingangs beschriebenen Herausforderungen ist das Land Kenia wegen mindestens zweier Besonderheiten von hervorgehobenem Interesse. Erstens hat Kenia sich in besonderem Maße in die einschlägigen multilateralen Prozesse eingebracht. So stellte Kenia in Macharia Kamau zum einen den Ko-Vorsitzenden der Open Working Group der Vereinten Nationen, welche die SDGs erarbeitete. Zudem wurde Kenia im Kontext der UN-Klimaverhandlungen als eines der „middle countries“ identifiziert, die durch unilaterale klimapolitische Absichtserklärungen dazu beigetragen haben, die festgefahrene Verhandlungsdichotomie zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern zu überwinden. 7 Zweitens verfolgt Kenia im Zuge seiner Verfassungsreform von 2010 eine ambitionierte Dezentralisierungspolitik, die seit 2012 zu einer tatsächlichen Verlagerung maßgeblicher Umsetzungsbefugnisse und Ressourcen auf die subnationale Ebene - konkret bezieht sich dies auf insgesamt 47 counties - geführt hat. 8 Die politischen Zentren der einzelnen counties liegen in aller Regel in deren jeweiligen (de facto) Hauptstädten. Betrachtet man die Schlüsselrolle dieser urbanen Zentren für die weitere Entwicklung Kenias, kommt drittens eine in Afrika einzigartige Konstellation hinzu. Während sich die absolute Urbanisierungsrate Kenias immer noch auf dem Niveau ärmster Entwicklungsländer wie Bangladesh oder Zimbabwe bewegt, übertrifft seine relative Urbanisierungsdynamik diejenige von aufstrebenden Ökonomien wie Vietnam oder Indien. 9 Daraus ergeben sich besondere Gestaltungsmöglichkeiten für eine transformative Politik, gepaart mit dem Risiko, entsprechende Chancen dauerhaft zu verspielen. In Bezug auf Klimaschutz, Klimaanpassung und die Erhaltung wesentlicher Ökosysteme und Öko- 7 Siehe Mbeva & Pauw (2016) Self-differentiation of countries‘ responsibilities: Addressing climate change through Intended Nationally Determined Contributions, Discussion Paper 4/ 2016, Bonn: Deutsches Institut für Entwicklungspolitik http: / / www.die-gdi.de/ uploads/ media/ DP_4.2016.pdf [24.1.2017] 8 Siehe Cheeseman et al. (2016) Decentralisation in Kenya: the governance of governors, Journal of Modern African Studies 54 (1), 1-35, doi: 10.1017/ S0022278X1500097X. 9 Siehe Weltbank, Fußnote 6. Wie werden Städte nachhaltiger? Globaler Megatrend Urbanisierung: www.klimalog.info #Klimalog Creative Commons Licence CC-BY-ND Neue Siedlungen Informelle Wohngebiete Integrierte Aufwertung Aufgrund des rasanten Zuwachses der Stadtbevölkerung wird mehr Wohnraum benötigt. Um den Bedarf zu decken, müssen neue Siedlungen gebaut werden. In Indien werden beispielsweise bis 2030 rund 500 neue Städte entstehen. Klimagerechter Städtebau Neue Gebäude oder Quartiere können von vornherein nachhaltig angelegt werden, z.B., indem nachhaltige Stadtplanungsprinzipien (kompakte Städte und Stadt der kurzen Wege), CO 2 -arme Baustoffe und klimagerechte Bauweisen verwendet werden. Jeder 7. Mensch lebt in urbanen Armutsgebieten. In den nächsten Jahrzehnten können noch 1-2 Mrd. dazukommen. Auf Grund der Wohnlage (z.B. erosionsgefährdete Hanglage) und unsicheren Bauweise sind diese Gebiete besonders anfällig für Folgen des Klimawandels. Durch den verbesserten Zugang zu Basisinfrastrukturen kann die Widerstandsfähigkeit erhöht und die Armut reduziert werden. Eine Beteiligung der Stadtbewohner ermöglicht, dass diese Umsetzung dem tatsächlichen Bedarf entspricht. Sogenannte reife Städte sind historisch gewachsen. Sie verfügen über einen festen Baubestand und etablierte, aber nur mit viel Aufwand veränderbare Infrastrukturen. Die Herausforderung besteht darin, diese Städte nachhaltig umzubauen, ohne ihre Identität zu verleugnen. Eine Sanierung und Nachverdichtung im Baubestand sollte unter Berücksichtigung stadtspezifischer Bauformen und Kultur erfolgen. Nachhaltige Energie- und Mobilitätsinfrastrukturen sowie neue Technologien und Digitalisierung tragen zur Entkopplung von direkten Emissionen bei. Reife Städte Nachhaltiger Stadtumbau „Der Kampf um die globale Nachhaltigkeit wird sich in Städten entscheiden.“ (UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, April 2012) Verkehrschaos Emission von Treibhausgasen Infrastrukturdefizit Flächen- und Ressourcenverbrauch Governance Herausforderungen Soziale Ungleichheit CO 2 Szenarien 2030: Verschiedene Wege zur Nachhaltigkeit Städte bedecken nur 2% der Erdoberfläche, beheimaten aber heute bereits über 50% der Weltbevölkerung. Der Trend ist steigend: Bis 2030 werden voraussichtlich 60% der Menschen in Städten leben, bis zum Jahr 2050 sogar zwei Drittel. 90% des zu erwartenden Anstiegs der städtischen Bevölkerung erfolgt in Schwellen- und Entwicklungsländern, insbesondere in Asien und Afrika. Verstädterung birgt dabei Chancen, aber auch erhebliche Risiken für eine nachhaltige Entwicklung. Herausforderungen = Probleme und Herausforderungen = Stadt- und Siedlungstypen weltweit Quellenhinweis: Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) 2016: Der Umzug der Menschheit: Die transformative Kraft der Städte. Hauptgutachten. WBGU: Berlin. S. 359 - 380. Sustainable Development Goal 11 der Agenda 2030 fordert, „Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig [zu] gestalten“. Und 65% der Unterziele können nur erreicht werden, wenn sie mit lokalen Akteuren umgesetzt werden. 2016 wurde in Quito auf der UN-Konferenz für Wohnen und nachhaltige Stadtentwicklung (Habitat III) die New Urban Agenda verabschiedet. Sie ist für die Umsetzung der globalen Entwicklungsziele von entscheidender Bedeutung. 65% 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 Wichtige Rolle der Städte für die globale Entwicklung 15 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES FORUM Standpunkt systemleistungen bei gleichzeitiger Verbesserung der sozio-ökonomischen wie politischen Teilhabe der kenianischen Bevölkerung an der Entwicklung ihres Landes besteht hier großer Forschungsbedarf. Die sozio-ökonomische Ungleichheit in den kenianischen Städten, gekoppelt mit der hohen Diskrepanz zwischen formalen und informellen Sektoren, bedarf dabei besonderer Aufmerksamkeit. Das unübersehbare Infrastrukturdefizit der kenianischen Städte veranschaulicht vielerorts drastisch, dass die Bereitstellung zentraler städtischer Dienstleistungen der Urbanisierungsdynamik gegenwärtig nicht gewachsen ist. Entsprechend groß sind die Gefahren, das Transformationspotenziale im Sinne einer ressourcenschonenden Stadtentwicklung ungenutzt und einschlägige Entwicklungsziele außer Reichweite bleiben. Das seit November 2016 im Rahmen des Postgraduiertenprogramms des DIE unter dem Arbeitstitel „Aligning climate policies and sustainable development in urban Kenya“ entwickelte Forschungsprojekt setzt genau hier an. Ab Februar 2017 wird es in einer zehnwöchigen Feldphase die städtische Infrastrukturentwicklung bezüglich des Zugangs zu sauberem Wasser und sauberer Energie untersuchen und hinsichtlich ihrer Kohärenz mit der nationalen Klimapolitik bewerten. Unter Berücksichtigung der jeweiligen spezifischen Ortsfaktoren sollen derart anwendungsorientierte Empfehlungen für städtische Entscheidungsträger im veränderten Umfeld einer dezentralisierten Governance-Architektur erarbeitet werden. Ein empirisch vertieftes Verständnis der konkreten Ausgangsbedingungen für eine systematische Nutzung der in Kenia durch Wirtschaftswachstum, Dezentralisierung und der spezifischen Urbanisierungsdynamik gegebenen Gestaltungsmöglichkeiten sollte fundierte Schlussfolgerungen über die lokalen Erfolgsaussichten einer klimaverträglichen Umsetzung der globalen Nachhaltigkeitsziele ermöglichen, die gegebenenfalls auch über den spezifisch kenianischen Kontext hinaus weisen können. Fest steht schon jetzt, dass die Agenda 2030, das Pariser Klimaabkommen und auch die „New Urban Agenda“ nicht mehr und nicht weniger als international verbindliche Bezugspunkte bieten können. Nur wenn sie nationale und subnationale Politikprozesse in der Praxis anleiten, können sie zu Katalysatoren transformativer Politik werden. Eine zielführende Verknüpfung der internationalen Klima-, Nachhaltigkeits- und Urbanisierungsagenden muss also auf nationaler und lokaler Ebene Wirkung entfalten. Dies gilt universell, aber vordringlich in energie- und konsumhungrigen Entwicklungs- und Schwellenländern mit ihren rasant wachsenden Siedlungen und Städten. Dabei ist zu erwarten, dass die transformativen globalen Ansprüche sich rasch im lokalen Tagesgeschäft verflüchtigen werden, wenn sie nicht durch angemessene Investitionen und eine entsprechende technische, institutionelle und vor allem politische Unterstützung nationaler und multilateraler Akteure flankiert werden. Dies zu erleichtern, bedarf es weiterer anwendungsorientierter Forschung im Sinne inklusiver, gerechter und dabei nachhaltiger Stadtentwicklung. Bild 2: H.E. Macharia Kamau, Ambassador & Permanent Representative of Kenya © United Nations Conference on Trade and Development, CC BY-SA 2.0 AUTOR Dr. Steffen Bauer Politikwissenschaftler in der Abteilung Umweltpolitik und Ressourcenmanagement am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE) in Bonn Leitung des abteilungsübergreifenden Klimalog- Projekts (www.klimalog.info) Betreuung der Länderarbeitsgruppe Kenia des laufenden 52. Postgraduiertenkurses des DIE Kontakt: steffen.bauer@die-gdi.de 16 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES FORUM Standpunkt Kommunen verfolgen inzwischen verschiedene Strategien zur sogenannten „doppelten Innenverdichtung“. Diese zielt darauf ab, vorhandene Flächenreserven innerhalb des Siedlungsraums baulich sinnvoll zu nutzen, gleichzeitig aber auch die Freiraumversorgung und -nutzbarkeit zu erhalten. Dahinter steht auch das übergreifende bundespolitische Ziel, die Flächenversiegelung zu reduzieren - Städte sollen nicht weiter in die Peripherie wachsen. Das kommunale Dilemma aber zeigt sich deutlich, wenn man die schon heute spürbaren Veränderungen des Klimas in den Fokus nimmt. Es ist offensichtlich, dass insbesondere die bebaute Umwelt auf veränderte Rahmenbedingungen eingestellt werden muss. Schon jetzt nehmen zum Beispiel Starkregenereignisse nachweislich zu und stellen neue Herausforderungen an die Entwässerungssysteme. Hierzu zählen der Ausbau der Dach- und Fassadenbegrünung ebenso wie die Entsiegelung befestigter Flächen durch neue, durchlässige Materialien oder der gebäudenahe Ausbau von Retentionsflächen. Zu erwarten sind auch Zunahmen der Extreme bei Wind und sommerlichen Hitzeperioden, denen die Gebäude und Infrastruktureinrichtungen standhalten müssen. Eiko Leitsch, Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung DIE GRÜNE STADT, sieht hier große Aufgaben für die kommunalen Grünverwaltungen: „Freiräume, insbesondere Wasser- und Grünflächen, haben in Städten eine besondere Aufgabe zur Klimaregulierung und gelten als die wirksamsten Instrumente in der Stadtklimatologie: Bäume filtern Schadstoffe, sie befeuchten und kühlen die Stadtluft, sie liefern Sauerstoff und binden CO 2 . Unversiegelte Grünflächen nehmen Oberflächenwasser auf und entlasten so die Kanalisation, die insbesondere bei Starkregen überfordert ist.“ Grüne Infrastruktur Die Ruhrgebietsstadt Essen ist 2017 die von der EU ausgezeichnete „Grüne Hauptstadt“. Dieser Titel wird von einer Jury der EU-Kommission seit 2010 jährlich an Städte vergeben, die nachweislich hohe Umweltstandards erreicht haben und fortlaufend ehrgeizige Ziele für die weitere Verbesserung des Umweltschutzes und der nachhaltigen Entwicklung verfolgen. Dabei ist das Label „Grüne Stadt“ nicht exklusiv auf lebendiges Grün ausgerichtet - vielmehr sind verschiedenste Umweltaspekte zu erfüllen. Dies betrifft Mobilität, Abfall- und Wassermanagement, aber auch Energieeffizienz, Lärmschutz und natürlich Grünflächen. Eben diese Grünflächen spielen - auch jenseits des EU-Wettbewerbs zur Grünen Hauptstadt - eine zentrale Rolle. Grüne Infrastruktur sichern Stadtklimatologie mit lebendigem Grün Peter Menke In den letzten Jahren sind die Forderungen nach mehr Grün in den Städten immer lauter geworden. Gleichzeitig ist der Druck auf die Grün- und Freiflächen gewachsen - er zeigt sich vor allem in wachsenden Städten infolge des hohen Wohnraumbedarfs. Bepflanzte Dächer und Fassaden tragen zur Begrünung der Stadtlandschaft bei. © BGL 17 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES FORUM Standpunkt Naheliegend, wenn man zur Kenntnis nimmt, dass grüne Städte vielfältige Grünräume haben, die sich in private und öffentliche Sphären teilen. Parkanlagen, Spielplätze, Uferräume, Friedhöfe, Alleen aber auch das Straßenbegleitgrün machen den öffentlichen Teil aus. Die Summe aus privaten Gärten, bepflanzten Balkons und Hinterhöfen, begrünten Dächern und Fassaden sind die andere Hälfte des lebendigen Erscheinungsbildes einer Kommune. „Zusammengenommen bilden all diese Grünflächen die Grüne Infrastruktur einer Stadt und im Zusammenspiel entfalten sie ihre positive Wirkung. Entscheidend ist, dass es vor Ort starke Grünverwaltungen gibt, die ihr Potenzial in kommunale Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung einbringen,“ so Eiko Leitsch: „Zur Umsetzung der Pariser Beschlüsse der UN-Klimakonferenz ist eine enge Zusammenarbeit von Kommunalpolitik, Verwaltung, lokaler Wirtschaft und Bürgerschaft zum Ausbau der grünen Infrastruktur in den Städten und Gemeinden von enormer Bedeutung.“ Wärmeinseln und Wassermanagement Die Menschen in Städten und Ballungszentren sind von steigenden Temperaturen, wie sie in Folge des Klimawandels erwartet werden, in besonderem Maße betroffen. Dichte Bebauung bzw. ein insgesamt hoher Versiegelungsgrad führen in Verbindung mit hohem Verkehrsaufkommen und der Emission von Haus- und Gewerbeflächen zu einer hohen Wärmeproduktion und -speicherung insbesondere in den Innenstädten. Die Folgen zeigen sich in sogenannten „Wärmeinseln“. Da in Zukunft häufigere und längere Hitzeperioden zu erwarten sind, in denen sich die Luft in den Innenstädten auch nachts nicht ausreichend abkühlen kann, drohen gesundheitliche Risiken für Stadtbewohner. Vor allem sensible Personengruppen, wie ältere oder kranke Menschen und auch kleine Kinder, sind gefährdet. Auch aus gesundheitspolitischen und aus sozialen Gründen ist also eine angepasste Städteplanung dringend angezeigt. So können beispielsweise Pflege- und Altenheime ebenso wie Schulen und Kindertagesstätten in dichtbebauten Innenstadtbereichen zukünftig aus klimatologischer Sicht problematisch sein. Gleichzeitig wird in den dichtbebauten Innenstadtbereichen das Wassermanagement zu einem wachsenden Problem: Es gibt in den Stadtzentren zumeist nur wenige Versickerungsflächen und Rückhalteräume für Regenwasser, was die Wahrscheinlichkeit von Überflutungen bei starken Niederschlägen erhöht. Überschwemmungen führen zu erheblichen wirtschaftlichen Schäden an Gebäuden und Infrastruktureinrichtungen, beeinträchtigen die lokale Wirtschaft und stellen nicht zuletzt für Versicherungen nur schwer kalkulierbare Risiken dar. Aktuelle Projektionen gehen zwar davon aus, dass die Sommer durch den Klimawandel trockener werden, wir jedoch gleichzeitig mit öfter auftretendem und heftigerem Starkregen rechnen müssen. Grün als Instrument der Stadtklimatologie Wie sehr die Folgen des Klimawandels konkrete Probleme in den einzelnen Städten verursachen, hängt davon ab, ob und welche Anpassungsmaßnahmen Wie werden Kommunen gleichzeitig dem Zwang zur Nachverdichtung und dem wachsenden Bedürfnis der Öffentlichkeit nach Grün in den Städten gerecht? © BGL In mehreren Studien wurde belegt, dass mit Hilfe von grünen Wänden in stark befahrenen Innenstädten die Belastungen durch Stickoxide und Feinstaub massiv senken lassen. An Kletterpflanzen wie Efeu bleiben die giftigen Partikel regelrecht kleben. Auch die Energiebilanz der Wohnräume profitiert von einer Pflanzendecke, denn diese wirkt bei jedem Wetter isolierend. Im Winter erfüllt sie eine Dämmfunktion und es muss weniger geheizt werden. Wenn es dagegen draußen heiß ist, absorbieren Pflanzen auf dem Dach und an der Fassade die UV-Strahlen und verhindern ein starkes Aufheizen der Gebäude. Bei Dächern verlängert sich durch eine schützende Begrünung sogar die Lebensdauer der Dachhaut, denn sie wird von der Witterung nicht mehr so stark beeinträchtigt. Selbst die Kanalisation profitiert von einer grünen Abdeckung: Bei starken Regenfällen kommt es in den städtischen Abwasserleitungen regelmäßig zu Überlastungen und in der Folge zu Überschwemmungen. Durch grüne Dächer wird ein Großteil des Regens abgefangen und von den Pflanzen, beziehungsweise dem darunterliegenden Substrat, festgehalten. Was nicht von den Pflanzen benötigt wird, verdunstet langsam und das hat gleich zwei weitere positive Effekte: Weil weniger Regenwasser in die Kanalisation abgeführt wird, sinken die Abwassergebühren, und weil das im Substrat gespeicherte Wasser langsam verdunstet, steigt die Luftfeuchtigkeit in der unmittelbaren Umgebung, die Luft kühlt ab und es lässt sich einfach besser durchatmen. DACH- UND FASSADENBEGRÜNUNG 18 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES FORUM Standpunkt ergriffen werden. Die Größe einer Stadt, ihre Einwohnerzahl und die geografische Lage beeinflussen natürlich die Intensität der Klimaveränderung, aber entscheidend wird es sein, frühzeitig lokal Maßnahmen zur Anpassung an die zu erwartenden Folgen umzusetzen. Leitsch: „Eine zentrale Rolle in der Stadtklimatologie spielt hierbei die Begrünung. Dabei kommt es auf individuelle Lösungen an. Je nach Bebauung kann es geboten sein, Bäume zu pflanzen, Dächer oder Fassaden zu begrünen, ein Netz von kleinen Grünflächen, sogenannten Pocket-Parks, vorzusehen.“ Andererseits sei es aber auch wichtig, für einen uneingeschränkten Luftaustausch zu sorgen. Der Zustrom von Kaltluft aus dem Umland dürfe nicht durch Gebäude und auch nicht durch zu dichte Bepflanzung behindert werden. Es sei also wichtig, bei Begrünungsmaßnahmen die jeweilige örtliche Lage sorgfältig zu berücksichtigen, betont Leitsch. Innovative Konzepte seien gefragt - nicht nur bei der Begrünung von Dächern, Fassaden und Hinterhöfen, sondern auch von Straßenbahngleisen und Haltestellen. Strategien entwickeln „Begrünungsmaßnahmen wirken vor allem lokal und im näheren Umfeld. Mikroklimatische Untersuchungen zeigen jedoch, dass sich mit einem Zusammenspiel mehrerer Maßnahmen das Stadtklima verbessern lässt“, so Hans-Georg Dannert vom Umweltamt der Stadt Frankfurt am Main. Er ist dort Klimaexperte und Leiter der Koordinierungsgruppe Klimawandel. „Bei Wärmeinseln kann Begrünung und Entsiegelung bezüglich der Anzahl heißer Tage eine Verbesserung von bis zu 50 Prozent bewirken.“ Dannert bezieht sich hierbei auf eine gemeinsame Studie mit dem Deutschen Wetterdienst (DWD). Es stelle sich jedoch die Frage, wie man die Umsetzung solcher Maßnahmen fördert. Kleine, mittlere und große Städte stehen vor der Aufgabe, geeignete Strategien zu entwickeln. In Frankfurt gelten zum Beispiel auch Fassaden- und Dachbegrünung als Ausgleich bei Neubebauung. Mit dem städtischen Programm „Der geschenkte Baum“ würden zusätzliche Anreize für eine Begrünung geschaffen. „Private Bauherren, Planer und Bürger werden in Frankfurt mit einer Broschüre über das Thema Klimawandel und Umweltschutz informiert“, so Dannert. Allen Beteiligten müsse klar sein, dass Begrünung eine gute Investition ist. „Die Lebensqualität steigt in jedem Fall - unabhängig davon, um wie viel Grad sich die Durchschnittstemperatur in den nächsten Jahrzehnten erhöht. Mehr unter: www.die-gruene-stadt.de Peter Menke Vorstand Stiftung DIE GRÜNE STADT Kontakt: peter.menke@die gruene-stadt.de AUTOR Dachterrassen tragen Sitzgelegenheiten, Sport- und Spielplätze, Wasserbecken oder große Gehölze. © BGL Die Stiftung DIE GRÜNE STADT hat sich zur Aufgabe gemacht, das Bewusstsein von Bürgern und Entscheidungsträgern in Bezug auf den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wert von Grün zu schärfen. Dazu sammelt und veröffentlicht sie Informationen, die deutlich machen, dass Investitionen in den öffentlichen Raum, insbesondere in Grünflächen in der Stadt, direkte und indirekte Auswirkungen auf Gesundheit, Lebensqualität, Sicherheit, Wohnen und Erholung haben. Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung DIE GRÜNE STADT ist Eiko Leitsch Kontakt: info@die gruene-stadt.de DIE GRÜNE STADT 19 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES FORUM Standpunkt Die Anpassung an den Klimawandel ist inzwischen ein fester Bestandteil im stadtplanerischen Diskurs. Die Resilienz (Widerstandsfähigkeit) urbaner Räume gegenüber Starkregen, Hitzewellen und Sturmereignissen soll gestärkt werden. Oft sind es urbane Freiflächen, die hier als Potenzial gesehen werden. Im Zuge einer nachhaltigen, klimagerechten Stadtentwicklung sollen Grün- und Freiflächen erhalten oder ihr Bestand ausgeweitet werden. An diese Zielstellung knüpft die Frage nach deren Unterhaltung und Pflege an. Steigende Kosten und sinkende Budget treffen in der Freiflächenunterhaltung nicht erst seit der Eurobzw. Finanzkrise aufeinander. Im Folgenden soll daher ein Blick auf die Praxis der Freiflächenpflege geworfen werden. Was ist der Status Quo und wie passt er zur Forderung nach Klimaschutz und Klimaanpassung durch Stadtgrün? Wie kommt ‘s? Diese Frage stellt sich mir immer wieder beim Anblick von Gehölzen, die Jahr für Jahr (oder auch zweimal jährlich) zu kompakten, grob kugelförmigen „Puscheln“ zurechtgestutzt werden. Sei es in einem kleinstädtischen Park, der Außenanlage einer Firma, einer Hochschule, oder anderswo. Eigentumsverhältnisse und Nutzung mögen andere sein, das Niveau der Pflege hingegen gleich. Gleich gering? Und auch wenn es fast müßig ist, stellt sich die Frage, warum die Maßnahmen so durchgeführt werden, wie sie durchgeführt werden. Bei der Außenanlage an Firma oder Büro mag die Antwort „Hat der Hausmeisterservice halt so gemacht“ noch gelten. Früher war der Hausmeister für den „Hausmeisterschnitt“ verantwortlich, heute der Hausmeisterservice. Altes Problem, neue Benennung. Aber bei öffentlichen Außenanlagen, öffentlichen Grünflächen? In seinem Buch „Gehölzschnitt“ (8. Auflage 1998) hat Heinrich Beltz noch geschrieben, der Hausmeisterschnitt sei ja zum Glück nicht (mehr) so häufig anzutreffen. Ein Blick auf die nächste Freifläche kann Nachhaltige Planung - Nachhaltige Pflege? Stadtgrün und seine Pflege im Kontext des Stadtklimawandels Sandra Sieber Urbanes Grün und seine stadtklimatischen Funktionen haben im Zuge des Klimawandels wieder an Bedeutung gewonnen. An der Praxis der Freiflächenpflege ist dieser Bedeutungswandel bislang zum Teil vorbeigegangen. Gerade in der Gehölzpflege hat sich ein Standard etabliert, der als sichtbares Zeichen für bestehende Probleme bei der Planung, Ausschreibung und Pflege von urbanen Freiflächen gelten kann. Wenn Stadtgrün Teil einer nachhaltigen Stadtentwicklung bleiben soll (und muss), dann müssen auch Planung und Pflege wieder enger verzahnt und aufeinander abgestimmt werden. diese Aussage nicht bestätigen. Es kann natürlich sein, dass die meisten Gehölze einen radikalen jährlichen Rundschnitt (inzwischen? ) einfach benötigen. Dann bliebe für mich aber immer noch die Frage im Raum stehen, welcher gestalterischen Absicht diese „Puschel-Paraden“ denn folgen? „Das machen alle so, also mache ich es auch so“? Die Ursachen für diese „Puschel-Paraden“ sind sicher vielfältig und meist kommen wohl mehre Ursachen einfach unglücklich zusammen:  Der Planende hat sich über die spätere Pflege schlicht keine Gedanken gemacht oder er hat für die jeweilige Situation ungeeignete Gehölze gewählt (zu groß, zu wüchsig, zu wenig robust),  die Pflegenden (und Ausschreibenden) haben nie erfahren, wie die Pflanzung in der Vorstellung des Planers einmal aussehen sollte und „machen einfach wie sie denken“, Bild 1: Mit dem sogenannten „Hausmeisterschnitt“ werden Pflanzen aufs Minimum zurechtgestutzt. © Sieber 20 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES FORUM Standpunkt  den Ausschreibenden und/ oder den Pflegenden fehlt die Sachkenntnis,  niemand (mit Sachkunde) kontrolliert das Ergebnis  … Eine Begründung, die naheliegend erscheint, ist das fehlende Geld der Kommunen. Gerade in kleineren Städten und Gemeinden mag es nur noch einen Gärtner geben, der zwischen einem Trupp Ungelernter und dem (einen) beauftragten Sachbearbeiter, für „Umwelt, Friedhof, Parkanlagen und, und, und...“ vermitteln muss. Hier ist die kleine Gemeinde vielleicht näher an der Ausgangssituation eines Unternehmens, das die Pflege seiner Außenanlagen vergibt, aber letztlich nur prüfen kann, ob die gestellte Rechnung rechnerisch richtig ist. Die fachliche Qualität der erbrachten Leistung kann nicht beurteilt werden. Eine andere Ausgangssituation haben größere Städte, die noch über ein eigenes Gartenamt mit differenzierten Aufgaben und vielleicht sogar noch über eigene Stadtgärtner verfügen. Was den „Schnippelschnitt“ in größeren Städten allerdings auch nicht verhindert. Ist das die Ausgangssituation für die „Green City“ der Zukunft? Zumindest keine tragfähige Basis. Mit dieser Pflegepraxis werden urbane Freiflächen den Anforderungen des Stadtklimawandels nicht gewachsen sein. „Nachhaltige Planung“ wäre hier ein Stichwort, eine Planung die Entwicklung und Pflege mitdenkt und damit eventuell noch kosteneffizienter ist. Denn wenn eine kleine Gemeinde kein Personal oder keine finanziellen Mittel hat, um eine fachlich sinnvolle Pflege auszuführen, warum dann überhaupt eine schwer oder nur intensiv zu pflegende Anlage/ Pflanzung in Auftrag geben? Oder warum Geld für den jährlichen „Puschelschnitt“ ausgeben, der letztlich zum Ausfall (Absterben) ganzer Gehölze führen wird? Warum zu nah am Weg stehende Gehölze nicht einmal rausnehmen und fertig? Warum den fachlich falschen (also nicht erforderlichen) einbis zweimal jährlichen „Puschelschnitt“ nicht einfach sein lassen? Im schlimmsten Fall wird Steuergeld ausgegeben, um von Steuergeldern bezahlte Parkanlagen „herunterzuwirtschaften“ bis nur noch Rasen, Stümpfe und ein paar (dem Schnippelschnitt glücklich entwachsene) Gehölze übrig bleiben. Da hätte man sich das Geld für die Gehölze (und deren „Pflege“) auch gleich bei der Planung sparen können. Sicher, die gezeigten Bilder mögen Extreme zeigen. Meist ist es nicht ganz so schlimm. Aber es fasst doch die „Fallhöhe“ oder die realen Hindernisse zusammen, wenn es um Begriffe wie „nachhaltige Bild 2: Üppig bepflanztes Straßenbegleitgrün mit u.a. Rosen, Lavendel, Kornelkirschen und an manchen Stellen auch Walnuss und essbare Johannisbeeren. Alles aufwändig in Form geschnitten - Absicht, missglückte Planung oder Pflegefehler? © Sieber Bild 3: Kreis mit „Puschel“ , hatte der Planer sich das so vorgestellt? © Sieber Bild 4: Nur keinen Wildwuchs zulassen. © Sieber Bild 5: Ein Klassiker - Hecke mit Lücke: Das unfreiwillig vereinzelte Gehölz wird so in Form gebracht . © Sieber 21 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES FORUM Standpunkt Planung“ oder gar „nachhaltige Stadtentwicklung“ geht. Der Planer steht (ob er sich dessen bewusst ist oder nicht) möglicherweise vor dem Problem, nicht nur Normen, Nutzeransprüche und Sicherheitsaspekte in seiner Planung unter einen Hut zu bringen, er muss seine Planung auch gegen den „Vandalismus“ der Pflegenden absichern. Schlimmstenfalls muss er auch Planungen abliefern, von denen er selbst weiß, dass sie in der Praxis dauerhaft nicht funktionieren können. Nur „Rasen und Bäume“ kann natürlich auch keine Lösung sein und das muss es ja auch nicht. Vielleicht reicht es ja, nicht zum dritten Mal am trockenen Standort eine Baumart nachpflanzen zu lassen, die mit einem trockenen Standort nicht klarkommt? Oder einfach mal die Nachbargemeinde fragen, ob sich die mähbare Staudenmischung bewährt hat? Oder der Pflegetruppe sagen, dass man Amelanchier lamarckii nicht schneiden muss und Efeu oder gar Miscanthus keinen Rundschnitt brauchen? So gesehen, ist „nachhaltige Pflege“ bzw. „nachhaltige Planung“ nichts Neues, nichts Innovatives und vor allem nichts Unmögliches:  Mit den vorhandenen Ressourcen Geld und Personal sollte man entsprechend haushalten, im Bau wie in der Unterhaltung.  In Dekaden denken, ein Ziel vor Augen haben, wie die Anlage einmal aussehen soll.  Entwicklung und Pflege bei der Planung miteinbeziehen, Pflegeziele bei der Ausschreibung kommunizieren.  Gegebenenfalls (wenn möglich) bei fachlich falscher Pflege auch mal Schadensersatz fordern? Dass es nicht so einfach ist, beweisen die „Puschel“ da und dort. Denn irgendwo zwischen Planung, Ausschreibung, Vergabe, Ausführung und Kontrolle läuft immer mal wieder etwas schief. Was haben die „Puschel“ nun mit Stadtklima und der Anpassung an den Klimawandel zu tun? Genau: nichts. Hier wird ohne Not CO 2 emittiert, die Gehölze können ihre stadtklimatischen Potenziale nicht ausspielen und sie kämpfen schlimmstenfalls um ihr Überleben. Resilienz müsste anders aussehen. Dipl.-Ing. (FH) Sandra Sieber Technische Universität Darmstadt Fachbereich Architektur Fachgebiet Entwerfen und Freiraumplanung Kontakt: ssieber@la.rwth-aachen.de AUTORIN Bild 6: Rundgeschnittene Rose mit stehengelassener Blüte - hier hatten die Pflegekräfte wohl Skrupel. © Sieber Bild 7: Gras mit Rundschnitt wer dafür Geld ausgibt ist selber Schuld. © Sieber Bild 8: Das klassische Straßenbegleitgrün zu hoch, zu breit und daher rundgeschnitten. © Sieber Bild 9: Mit einer passenden Pflanzenauswahl hätte man hier im Laufe der Jahre möglicherweise einige Pflegekosten einsparen können. © Sieber 22 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum Neue Regelwerke und Annäherung von Siedlungswasserwirtschaftlern und Dachbegrünern Es tut sich was in Sachen Regenwasserbewirtschaftung, vor allem unter Berücksichtigung von Dachbegrünungen. Das spiegelt sich eindrucksvoll in dem aktuellen Projekt „Grün trifft Blau“ wieder, das von der Fachvereinigung Bauwerksbegrünung e. V. (FBB) initiiert und derzeit von der Hafen City Universität Hamburg federführend betreut wird. Hier fand Ende letzten Jahres ein erster Erfahrungsaustausch namhafter Siedlung s was ser wir t schaf tler und Dachbegrüner statt, bei dem unter anderem über die verschiedenartigen Anwendungen von Abflussbeiwerten diskutiert wurde. Neue Regelwerke gehen richtungsweisend auf die zuvor Hochwasserschutz und Hitzevorsorge durch begrünte Dächer Dachbegrünung als wichtiger Bestandteil der Regenwasserbewirtschaftung heute und morgen Gunter Mann Täglich wird in Deutschland die Fläche von etwa 70 Hektar Natur versiegelt. Die Hälfte dieser Flächen verschwindet langfristig aus dem natürlichen Wasserkreislauf. Die Kanalisation ist in fast allen Städten veraltet und unterdimensioniert. Investitionen und Erweiterungen im bestehenden System sind sehr kostenintensiv und werden deshalb vermieden. Die kostengünstigere Lösung ist die Beschränkung der zulässigen Einleitung in die überlasteten Kanalnetze. Zudem hat der Überflutungsnachweis nach DIN 1986-100 in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Die anfallende Wassermenge soll nachweislich auf dem eigenen Grundstück zurückgehalten werden, ohne dass es zur Überflutung von Gebäuden kommt. Neben dem Flächenverbrauch zwingen uns Klimawandel (Urban Heat Island Effect und Extrem-Regenereignisse), Bevölkerungs- und Städtewachstum zum Umdenken und Handeln. Bild 1: Begrünte Dächer, hier die Waldspirale in Darmstadt, zur Verbesserung des Stadtklimas © Optigrün 23 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum angesprochene Situation ein und berücksichtigen immer mehr die vielseitigen positiven Wirkungen begrünter Dächer mit Wasserrückhaltung und -speicherung, Abflussverzögerung und Verdunstung. Dabei sind in erster Linie das DWA-Regelwerk Arbeitsblatt DWA-A 102/ BWK-A 3 „Grundsätze zur Bewirtschaftung und Behandlung von Regenwetterabflüssen zur Einleitung in Oberflächengewässer“ und die DIN 1986-100 „Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke - Teil 100“ zu nennen. Im Arbeitsblatt DWA-A 102 geht es um das Ziel, den bebauten Zustand dem vorherigen, unbebauten Zustand gleichzusetzen und den natürlichen Wasserhaushalt in den Vordergrund zu stellen. Die Stellschrauben dazu sind Abflussverhalten, Grundwasserneubildung und Verdunstung. Die Dachbegrünung mit ihrer großen Kühlleistung ist dabei die effektivste Möglichkeit, Wärme aktiv abzuführen. Mit ihr lassen sich der lokale Wasser- und Energiehaushalt intakt halten und urbane Hitzeinseln verhindern. Die DIN 1986-100 gibt für begrünte Dächer modifizierte Spitzenabflussbeiwerte Cs in Anlehnung an die FLL-Dachbegrünungsrichtlinie an und führt den mittleren Abflussbeiwert Cm ein. Mit dem Cm können nun Retentions- und Versickerungsberechnungen durchgeführt werden. Die etwa Mitte 2017 neu erscheinende Dachbegrünungsrichtlinie der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V. bedient sich erstmals des Begriffs „Retentionsdach“ und verbindet dies mit einem Anstaudach plus gedrosseltem Ablauf. Ebenso werden Spitzen- und Jahresabflussbeiwerte in Abhängigkeit der Schichthöhe benannt und auf Langzeitsimulationen verwiesen. Innovationen der Gründach-Branche Retentionsdach und Drossel 4.0 Smart Flow Control Die Optigrün international AG hat diesen Entwicklungen Rechnung getragen und die Systemlösung „Retentionsdach“ Typ Drossel mit den Varianten „Gründach“ und „Verkehrsdach“ entwickelt. Damit gibt es nun innovative Lösungen, um einen vorgegebenen Maximalabfluss einzustellen und somit die Einleitbeschränkung in den Kanal zu erfüllen. Das Grundprinzip sieht wie folgt aus: Auf dem Dach wird ein Wasserspeicher (Stauraum) geschaffen, über dem zusätzlich entweder eine Dachbegrünung oder eine Verkehrsfläche eingebaut wird. Das bedeutet also Retentionsraum plus zusätzliche Dachnutzung mit Begrünungsbzw. Verkehrsfläche. Basis des Systems ist die Wasserretentionsbox WRB, mit der ein mögliches Wasseranstauvolumen von bis zu 140 Liter pro Quadratmeter geschaffen werden kann. Aufgrund des integrierten Kapillarsystems wird das zwischengespeicherte Niederschlagswasser aus der Wasserretentionsbox WRB in den Begrünungsbau gezogen und über die Vegetation verdunstet - mit den verbundenen positiven Wirkungen der primären Kühlung und der Verbesserung des Stadtklimas. Diese wichtige Eigenschaft wurde schon 2012 in „Kosten und Nutzen von Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel“ vom Umweltbundesamt beschrieben und als eine der bevorzugten Maßnahmen der Hitzevorsorge benannt. Mit dem Retentionsdach Typ „Drossel“ lässt sich die maximale Abflussspende einstellen und bis auf 1 - 10 Ll/ s x ha „drosseln“. Die Anstauhöhe kann mit dem Regenwassersimulationsprogramm RWS 4.0 exakt berechnet werden. Doch damit nicht genug, die Optigrün international AG stellte gerade auf der Messe GaLaBau in Nürnberg erstmals die zum Patent angemeldete Drossel 4.0 „Smart Flow Control“ vor - und gehörte auch gleich zu den Gewinnern der GaLaBau-Innovationsmedaille. Innovaive Entwicklungen wie etwa präzisere Wettervorhersagen, verbunden mit einer Wetter-App-gesteuerten Ablaufdrossel eröffnen neue technische Möglichkeiten, das Bild 2: Multifunktionale Dachnutzung: begehbarer Dachgarten und darunter Retentionsraum. © Optigrün 24 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum Retentionspotenzial von Dachbegrünungen wesentlich besser zu nutzen. Das Funktionsprinzip der Drossel 4.0 „Smart Flow Control“ sieht wie folgt aus: Es wird so viel Regenwasser wie möglich in der Wasserretentionsbox gespeichert und der Vegetation zur Verdunstung über Kapillarsäulen zur Verfügung gestellt. Ein verzögerter Abfluss erfolgt nur, wenn der Speicher voll ist. Ansonsten steht das Wasser wie oben beschrieben den Pflanzen zur Verfügung. Kündigt sich ein Regenereignis an, stellt die Drossel 4.0 „Smart Flow Control“ mittels einer über Internet verbundenen Wetter-App sicher, dass der Ablauf geöffnet und der Stauraum auf dem Dach wieder soweit verfügbar wird, dass die angekündigte Regenmenge aufgenommen werden kann. Wenn beispielsweise ein Starkregenereignis von 35 mm angekündigt ist, lässt die Drossel 4.0 „Smart Flow Control“ vorher genau so viel Wasser ab. Der Abfluss vom Dach erfolgt in der Regel nur vor einem Regenereignis - also dann, wenn die Kanalisation (noch) nicht belastet ist. Während einem Regenereignis wird die Kanalisation durch den Regenrückhalt in den Wasserretentionsboxen auf dem Dach entlastet. Da die Drossel 4.0 „Smart Flow Control“ nicht nur automatisch, sondern auch manuell aus der Ferne überwacht und gesteuert werden kann, eröffnen sich auch für die kommunale und überregionale Wasserwirtschaft ganz neue Möglichkeiten: Wenn viele Dächer in einer Stadt mit dieser Technik ausgestattet und diese miteinander vernetzt werden, lässt sich der Regenwasserhaushalt und die Hochwasservorsorge flächendeckend aktiv steuern. So erhält jede Stadt die Möglichkeit, sich ein großes steuerbares Regenüberlaufbecken auf verschiedenen, jedoch miteinander vernetzten Dächern der Stadt anzulegen. Regenwassersimulationsprogramm RWS 4.0 Mit dem erst seit kurzem verfügbaren Regenwassersimulationsprogramm RWS 4.0, basierend auf der Software STORM der Ingenieurgesellschaft Prof. Dr. Sieker mbH, werden die vorgenannten neuen Richtlinien, Normen und Innovationen berechenbar und neue Maßstäbe der Regenwas serbewir t s chaf tung mit Dachbegrünungen gesetzt. Die gesamte Wasserbilanz aller möglichen Maßnahmen (Dachbegrünung, Versickerung, Teiche, Zisternen) können gekoppelt und die Gesamtwasserbilanz berechnet werden. So werden Verdunstungsleistungen auch bei komplexen Bauvorhaben darstellbar und Überlaufhäufigkeiten und Überflutungsnachweise berechenbar. Zusammenfassung Eine moderne Regenwasserbewirtschaftung unter Berücksichtigung begrünter Dächer, innovativer Systeme und dem Nachweis durch Langzeitsimulationen hat für das Stadtklima viele Vorteile, unter anderem Hitzevorsorge und lokalklimatische Verbesserungen. Für Bauherr und Planer ergeben sich viele Vorteile, etwa die hohe Planungssicherheit, Einsparung von Baugrund und Kostenreduzierung (zum Beispiel: Niederschlagswassergebühr). www.optigruen.de (Webcode „web244“) Dr. Gunter Mann Prokurist Optigrün international AG und Präsident Fachvereinigung Bauwerksbegrünung e.V. (FBB) Kontakt: mann@optigruen.de AUTOR PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum Bild 3: Funktionsprinzip der Drossel 4.0 „Smart Flow Control“ © Optigrün 25 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum Gemüse & Gemeinschaft Urbane Gärten als Experimentier- und Erfahrungsräume Urbane Gemeinschaftsgärten zu schaffen und zu fördern, ist der Kerngedanke der UFER-Projekte. Mittlerweile hat der Verein die Trägerschaft für vier Gartenprojekte im Stadtgebiet übernommen. Hier gedeihen neben einer großen Vielfalt an Obst- und Gemüsesorten neue Erfahrungsräume für interessierte Stadtbewohner. Um für möglichst viele Menschen aus der Umgebung erreich- und erfahrbar zu sein, wird der Zugang zu den Gärten durch dauerhaft offene Gartentore oder öffentlich beworbene Gartenzeiten möglichst niedrigschwellig gestaltet. In den einzelnen Gärten sind über die Jahre ganz unterschiedliche Gemeinschaften entstanden, die selbstständig ihr jeweiliges Gartenjahr organisieren. Die Automie der Projekte wird stets groß geschrieben, um möglichst tragfähige und sinnvolle Entscheidungen durch die Beteiligten vor Ort selbst entstehen zu lassen. Eine Rückkopplung zum Trägerverein wird durch die sogenannte Orga-Gruppe gewährleistet, in der Menschen aus allen Projekten des Vereins vertreten sind. Urbane Freiräume erschließen Ressourcen In Dresden erkundet der Verein UFER-Projekte vielfältige Perspektiven auf städtische Freiräume und stellt den Wert von Stadtgrün aus Gemeinschaftsgärten, Ökosystemleistungen, Stadtgrün Gregor Scholtyssek Die Dresdner UFER-Projekte wurden 2011 als Trägerverein für urbane Gemeinschaftsgärten und Bildungsprojekte für nachhaltige Entwicklung gegründet, seither bietet der Verein eine organisatorische Plattform für eine wachsende Zahl inspirierender Projekte. Die Abkürzung UFER steht für „Urbane Freiräume erschließen Ressourcen“. Für die Aktiven des Vereins sind urbane Freiräume Orte, an denen nicht alles vorgegeben ist. Es sind Räume, in denen Menschen sich ausprobieren, sich den herausfordernden Fragen unserer Zeit stellen und neue Lösungen entwerfen. In ihnen entsteht ein neues Miteinander, es sind Orte in denen wertvolle Erfahrungen für die Gestaltung unserer Zukunft gesammelt werden können. Bild 1: Grundlagen natürlicher Prozesse und nachhaltiger Gestaltung kennen lernen. © Gartennetzwerk 26 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum Auf der Website der UFER-Projekte werden laufend Dresdner Forschungsarbeiten aus allen wissenschaftlichen Richtungen zu den Phänomenen des urbanen Gemeinschaftsgärtnerns gesammelt. Sie zeigen unter anderem: Urbane Gemeinschaftsgärten können durch die Begrünung und Belebung von (oftmals ehemaligen Brach-)Flächen die Lebensqualität im Stadtteil erhöhen. Als Begegnungs- und Betätigungsräume fördern sie Integration, Selbstständigkeit und die Entstehung sozialer Netzwerke. Sie sind Orte des toleranten Zusammenlebens und -wirkens: Menschen aus allen Generationen, Einkommensschichten, Berufen, Religionen begegnen sich hier auf der Basis des Interesses am gemeinsamen Selbermachen. Sie wollen nicht mehr nur fertige Waren und Angebote konsumieren, sondern selbst kreativ werden und dabei erfahren, wie das eigene Handeln mit der Umwelt verbindet. Über die Beschäftigung mit dem Anbau von Obst und Gemüse hinaus wird z. B. auch beim Bauen von Kompost-Toiletten oder Recycling-Gewächshäusern sowie bei anderen praktischen Bildungsangeboten das Bewusstsein für ökologische Lebensweisen vergrößert. Und: Da urbane Gemeinschaftsgärten nicht an ökonomische Verwertungslogiken angebunden sind, bieten sie Freiräume für grundlegende Lebensbedürfnisse wie soziale Kontakte und das freie Sich-Ausprobieren. Bildung & Begegnung Nachhaltige Erlebnisse für Jung und Alt Die Macher der UFER-Projekte beobachten, dass in Gemeinschaftsgärten durch die aktive Gestaltung des eigenen Lebensumfelds und gelebte Partizipation in der Nachbarschaft häufig politisch relevante Fragen entstehen: Wem gehört die Stadt? Wer gestaltet die Stadt? Und wie soll sie sich in Zukunft entwickeln? Aus den Erfahrungen in der gemeinschaftlichen Gestaltung lebendiger Ökosysteme hat der Verein im letzten Jahr die Ausstellung „Kostbares Stadtgrün“ produziert, die einen innovativen Blick darauf wirft, welchen praktischen Wert Ökosysteme in der Stadt haben bzw. haben könnten. Stadtgrün bietet heute bereits attraktive Räume für Freizeit und Erholung, doch in der Ausstellung wird deutlich, dass Stadtgrün nicht nur schön ist, sondern ganz entscheidende Beiträge für die Zukunftsfähigkeit von Städten leisten kann. Die Ausstellung zeigt - in kindgerechter Sprache - welchen lebenswichtigen Nutzen Menschen von Ökosystemen haben. In Zeiten von Klimawandel und Ressourcenknappheit ist es wichtig, dass Ökosysteme mehr Platz in unseren Städten bekommen, um sie lebenswert gestalten zu können. Die Ausstellung ist angereichert mit Beispielen die zeigen, wie Stadtgrün auch für eine nachhaltige lokale Wirtschaft genutzt werden kann. Anregende Fragen laden die Betrachtenden dazu ein, selbst Visionen zu entwickeln, wie sich urbane Ökosysteme noch vielfältiger nutzen klassen. Um die Ausstellung an den unterschiedlichsten Orten zeigen zu können (die Premiere zum Tag der Stadtnatur 2016 fand natürlich in einem Gemeinschaftsgarten statt) sind die Exponate wasserfest gedruckt und transportabel verpackt. Damit möglichst viele Menschen die Ausstellung sehen können, verleiht der Verein sie an Institutionen und Initaitiven, die Umweltbildung oder partizipative Stadtentwicklung gestalten. Weitere Bildungsangebote der UFER-Projekte zielen darauf, das nötige Wissen für die Gestaltung von (Gemeinschafts-)Gärten zu vermitteln und nachhaltiges Handeln im Alltag zu verankern. Seit 2014 gibt es das Projekt „Seitentriebe“: eine Bildungsreihe für Erwachsene rund um die praktischen Themen des nachhaltigen Gärtnerns in der Stadt. Seitdem finden alljährlich über die Saison verteilt mehr als ein Dutzend Workshops mit professionellen Referenten in den Gärten des Gartennetzwerks statt. Die Teilnehmenden erwerben dabei gärtnerische Kompetenzen, probieren sich in der Verarbeitung und Haltbarmachung von Lebensmitteln aus und erlernen handwerkliche Fähigkeiten. Darüber hinaus dienen die Veranstaltungen der Vernetzung der Gemeinschaftsgärten in der Stadt. Sie sind grundsätzlich kostenlos, um allen die Teilnahme zu ermöglichen. Für die Finanzierung werden Spenden gesam- Bild 2: Menschen verschiedener Generationen, Einkommensschichten, Berufen, Religionen begegnen sich. © Gartennetzwerk 27 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum melt und Fördermittel genutzt. Langjähriger Partner ist dabei die Stiftungsgemeinschaft anstiftung & ertomis, die Gemeinschaftsgärten und Offene Werkstätten in Deutschland vernetzt und finanziell und mit KnowHow unterstützt. Seit 2015 bietet das Projekt „Junges Gemüse“ Umweltbildung für Kinder und Jugendliche. Auf Schulhöfen, in Kitas oder bei Ausflügen in Gemeinschaftsgärten können Kinder eigene Beete und Pflanzungen anlegen, die Ernte verarbeiten und mit Naturmaterialien basteln und bauen. Dabei lernen sie Grundlagen natürlicher Prozesse und nachhaltiger Gestaltung kennen. Das Projekt wurde 2015 vom Lions Club und der Dresdener Agenda 21 mit dem Preis „Think global - Act local“ als Projekt ausgezeichnet, das dem Leben in der Stadt nachhaltig positive Impulse verleiht. Im Jahr 2016 wurde das Angebot für den Deutschen Engagementpreis nominiert. Vernetzung & Verantwortung Zusammen Zukunft pflanzen Um die wachsende Zahl der Gemeinschaftsgärten miteinander zu verbinden, wurde auf Initiative der UFER-Projekte 2012 das Dresdner Gartennetzwerk gegründet. Unter dem Motto „Eine andere Stadt ist pflanzbar“ vernetzen sich mittlerweile über 20 Projekte in und um Dresden als Ausdruck dieser Bewegung. Gegenseitige Unterstützung sowie projekt- und gartenübergreifendes Lernen stehen im Mittelpunkt. Auf einer gemeinsamen Internetseite können sich die Gemeinschaftsgärten als Mitmach- Orte vorstellen und zu Veranstaltungen einladen. Gleichzeitig tritt das Netzwerk als Ansprechpartner, sowohl für interessierte Bürgergruppen, als auch für die Stadtverwaltung auf. Diese Schnittstelle hilft, neue Projekten ins Leben zu rufen, Flächen ausfindig zu machen sowie bereits bestehende Projekte langfristig im Stadtbild zu etablieren. Als Verbund vieler anschaulicher Projekte will das Netzwerk die Qualitäten urbaner Gärten stärker in den städtischen Fokus rücken und damit Anregungen für die Gestaltung zukunftsfähiger Stadträume geben. 2015 erhielt das Gartennetzwerk den Publikumspreis der Stories of Change. Als Preis konnte die professionelle Produktion eines Kurzfilms realisiert werden, der nun als Vorfilm in Dresdener Kinos läuft und im Internet neue Menschen für das Thema begeistert. Neben dem Engagement für das Gartennetzwerk beteiligen sich Aktive des Vereins an vielfältigen Formaten in der lebendigen Verlässliche und exakte Echtzeitdaten als Schlüssel zum intelligenten Netzwerk. Aktuelle Kommunikationsplattformen für mobile oder stationäre Funkauslesung, zum Aufbau einer zukunftssicheren, erweiterbaren Infrastruktur. Info.de@sensus.com www.sensus.com Initiativenlandschaft der Stadt Dresden. In der bürgerschaftlich organisierten Transition-Town- Bewegung, die sich hier „Dresden im Wandel“ nennt, oder auch im verwaltungsseitig initiierten Projekt „Zukunftsstadt“ bringen sich Aktive der UFER-Projekte mit kreativen Impulsen ein, um grüne Begegnungsräume in der Stadt zu schaffen. Ein weiteres spannendes Zukunftsthema ist die aktuelle Diskussion über Ernährungsstrategien für Dresden: Wie kann die Versorgung mit Lebensmitteln in der Stadtregion nachhaltiger und krisensicherer gestaltet werden? Ob hier nicht auch urbane Freiräume Ressourcen erschließen könnten? Links: www.ufer-projekte.de, www.dresden-pflanzbar.de, www.junges-gemüse-dresden.de, www.seitentriebe.de www.stories-of-change.org, www.anstiftung.de 28 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Ressourcen · Infrastruktur Die Einbeziehung der Wasser- und Abwasserbetriebe, der Stadtentwässerungsbetriebe und der Träger der Gewässerunterhaltung sind neben Stadtplanung und Stadtentwicklung für die Gestaltung des Lebensraums Wasser wichtig. Dies wird hier anhand einiger Beispiele von Mitgliedern der Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft e. V. herausgearbeitet. Regenrückhaltebecken Langwasser in Nürnberg Die Regenwasserableitung aus einem Stadtteil Nürnbergs wurde durch eine Umgestaltung des Langwassergrabens zum Dutzendteich ökologisch aufgewertet. Durch die Reinigung von belastetem Regenwasser mit Sedimentation und Schilfpoldern in einem Retentionsweiher werden künftig Nährstoffe, insbesondere Phosphor, ausgefiltert. Durch regelmäßiges Mähen der Schilfpolder und die Entnahme der Sedimente werden die Nährstoffe später entsorgt. Im Rahmen eines landschaftspflegerischen Begleitplans wurden dabei der Gewässerquerschnitt erweitert, die Ufer abgeflacht und Überflutungsflächen angelegt. So entstanden neue feuchte und wechselfeuchte Strukturen. Damit Gewässer in der Stadt Lebensraum und Klimafaktor Lebensraum Wasser, Wasserrahmenrichtlinie, Renaturierung, Regenwasser, Entwässerung Christa Hecht Lange Zeit waren Stadtplanung und Gewässerbewirtschaftung im urbanen Raum darauf ausgerichtet, Niederschlagswasser schnell von Siedlungs- und Verkehrsflächen abzuleiten. Das wird heute anders gesehen, nicht zuletzt durch die neuen Erkenntnisse über die Auswirkungen und den Umgang mit den in den letzten Jahren öfter aufgetretenen „Jahrhundert“-Hochwassern. Die Einbeziehung von Gewässern in die städtische Klimapolitik und die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie haben neue Aufgaben und ganzheitliche Ansätze in der Wasserwirtschaft gebracht. Immer mehr Menschen schätzen Wasser, das im städtischen Raum erlebt werden kann. Städtische Brunnen oder das Wohnen am Wasser gewinnen ebenfalls stark an Wertschätzung. Bild 1: Der Wahlebach wurde im Stadtgebiet Kassel naturnah umgestaltet. © AÖW 29 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Ressourcen · Infrastruktur wird auch der Hochwasserschutz bei Starkregen gewährleistet und die ökologische Qualität des Gewässers erhöht. Im Zuge dieser Maßnahme wurden bis 2015 ein mäandernder Bach angelegt, weiterer Rückhalteraum und neue Lebensräume für Tiere und Pflanzen geschaffen. Sämtliche Maßnahmen wurden zum Schutz von Natur und Landschaft unter der ökologischen Bauleitung von Stadtentwässerung und Umweltanalytik Nürnberg (SUN) durchgeführt. Dieser städtische Betrieb war dafür zuständig, weil der Stadtteil Langwasser im Trennsystem entwässert wird, wobei Schmutz- und Regenwasser in getrennten Kanalsystemen abfließen. Mit den Maßnahmen wurde der Große Dutzendteich vor Belastungen aus den Regenwassereinleitungen geschützt und die Gewässergüte und der ökologische Zustand verbessert. Das Dutzendteichgebiet ist ein bedeutender Naherholungsraum innerhalb der Stadt. Durch die Verbesserungen beim Gewässerschutz wurde auch der Erholungswert noch verbessert. Am Langwassergraben wurden durch das Zurückschneiden von Gehölzen freie Ausblicke auf den Bach geschaffen. Sitzplätze wurden umgestaltet, indem Betonplatten entfernt und neue Bänke aufgestellt wurden. So ist das Wasser wieder erlebbar. Die biologische Vielfalt wurde zudem erhöht durch eine Strukturanreicherung mit Totholz, wie im Wald verbliebenen Stämmen, Ästen und Wurzelstöcken, sowie durch Anbringen von Fledermausnistkästen und Freistellen und Sichern von Höhlenbäumen für Fledermäuse und Käfer. Mit der Entnahme des nährstoffreichen Oberbodens in den Böschungsbereichen entstehen neue Standorte für heimische Pflanzen. Naturnahe Umgestaltung des Wahlebaches im Stadtgebiet Kassel Die naturnahe Entwicklung innerstädtischer Fließgewässer ist erklärtes Ziel der Stadt Kassel sowie des Kasseler Entwässerungsbetriebes (jetzt KASSELWASSER). Ahne und Losse und der Lauf des im Stadtgebiet Kassel rund 8,5 km langen Wahlebaches wurden naturnah umgestaltet (Bild 1). Allein mit der Herstellung der Durchgängigkeit des Bachlaufes wurde ein „ökologischer Mindeststandard“ entsprechend der EU-Wasserrahmenrichtlinie erreicht. Zusätzlich wurde zu der gewässerökologischen Aufwertung auch das stadtnahe Naherholungsgebiet aufgewertet. In dem sehr umfangreichen Projekt wurden:  Das denkmalgeschützte Wehr der ehemaligen Herkules- Brauerei umgestaltet;  Ein Bachabschnitt neu angelegt;  Der Fließquerschnitt lokal aufgeweitet;  Der Sohlen- und Uferverbau zurückgebaut;  Das Gewässer auf engem Raum strukturell aufgewertet;  Eine Verzweigungsstrecke angelegt;  Zusätzlich eine temporär durchströmte Flutrinne geschaffen. Die Projektleitung und Koordination hatten der Kasseler Entwässerungsbetrieb. Die fachliche Betreuung das Regierungspräsidium Kassel. Finanziert wurde es vom Hessischen Ministerium für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz und der EU (Urban II 2000). Umbau der Inde Mit der EU-Wasserrahmenrichtlinie wurden in Europa Ziele für die Wasserpolitik gesetzt. Die Gewässer sollen in einen „guten Zustand“ versetzt werden, denn die meisten Gewässer sind durch Eingriffe des Menschen und bauliche Maßnahmen stark verändert worden. Außerdem sind sie oft durch Einleitungen belastet, die das Gewässer als Lebensraum von Pflanzen und Tieren gefährden. Jedoch ist die Rückversetzung von Flüssen und Bächen in ihren natürlichen Zustand oft schwierig, ja manchmal sind Veränderungen sogar irreversibel. Der Wasserverband Eifel-Rur setzt auf Maßnahmen, die im Einverständnis mit der Bevölkerung vorgenommen werden. Wichtig ist dabei auch, dass nicht danach umgekehrt Menschen und menschliche Ansiedlungen gefährdet werden. Entlang der Inde hatte der Wasserverband schon einige Bild 2: Ökologisch wirksame Gewässermaßnahmen entlang der Inde. © AÖW 30 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Ressourcen · Infrastruktur ökologisch wirksame Gewässermaßnahmen vor Inkrafttreten der Wasserrahmenrichtlinie vorgenommen (Bild 2). Unter anderem wurden folgende Maßnahmen durchgeführt:  Gewässerneugestaltung zwischen Nothberg und Hücheln im Stadtgebiet von Eschweiler mit dem Rückbau von zwei Steilwehren und der Umgestaltung einer Sohlgleite. So wurde eine Sekundäraue mit einem Retentionsraum von 110 000 m 3 geschaffen.  Die Umgestaltung der Indemündung bei Kirchberg durch Verlängerung des Laufs. Dafür wurde ein Steilwehr rückgebaut und eine Sekundäraue mit einem Retentionsraum von 25 000 m 3 geschaffen.  Geplant ist in Eschweiler-West weiterhin die Gewässerentwicklung durch den Umbau von zwei Wehren, der Laufverlängerung und der Schaffung von Retentionsraum.  Im Stadtgebiet von Stolberg soll zudem die eigendynamische Gewässerentwicklung durch die Beseitigung einer Ufermauer zwischen Zweifall und Vicht gefördert werden. Dafür wurde der Uferrandstreifen vom Wasserverband erworben. Uferpaten in Wuppertal Die Wupper in Wuppertal ist in den letzten Jahren stärker in das Bewusstsein der Bevölkerung gerückt. Die Stadt Wuppertal und der Wupperverband entwickeln gemeinsam den jetzt kanalartig durch die Stadt laufenden Fluss durch naturnahe Umgestaltung mehr und mehr zur Lebensader. Dadurch wenden sich die Bürger dem Fluss wieder gerne zu. Aus der Bevölkerung kam dafür die Idee, dass Firmen, Vereine oder Bürger die Patenschaft für einen Wupperabschnitt übernehmen sollten. Was bei der Nordbahntrasse in Wuppertal hervorragend funktioniert, sollte auch auf die Wupperufer übertragen werden. So entstand die Idee der Wupperpaten, die von der Stadtverwaltung, dem Verein Neue Ufer Wuppertal e. V. und dem Wupperverband weiter ausgearbeitet wurde. Wupperpaten können Einzelpersonen, Familien oder auch Firmen sein. Sie übernehmen in bürgerschaftlicher Verantwortung ehrenamtlich die Patenschaft für einen Abschnitt des Flusses. Sie kümmern sich um ihren Abschnitt, sammeln Müll und sensibilisieren andere Bürger dafür, dass die Wupper sich zur Lebensader entwickelt, die erlebt werden kann und die geschützt werden muss. Die Wupperpaten geben ein positives Vorbild und tragen dazu bei, dass ihr Wupperabschnitt ein Aushängeschild für den jeweiligen Stadtteil ist. Die Patenschaft wird über den Verein Neue Ufer Wuppertal e. V. angebahnt. Der Verein kann anhand von Karten den interessierten Bürgern ihren (Wunsch-) Abschnitt zuweisen. Dabei werden Eigentumsverhältnisse und Schutzgebiete berücksichtigt. Die Wupperpaten bekommen von diesem Verein ein Merkblatt und die Patenurkunde ausgehändigt. Der Verein pflegt auch die Liste der aktiven Paten. Das Merkblatt enthält alle wichtigen Informationen, z. B. über Verhaltensweisen und Ansprechpartner (bei Stadt oder beim Wupperverband). An diese kann sich der Wupperpate um Hilfestellung und mit Fragen und Anregungen wenden. Für die Patenschaften stehen überwiegend die öffentlichen Flächen, die im Eigentum der Stadt sind, zur Verfügung. Am Ufer ansässige Firmen oder andere Grundstückseigentümer sind vielleicht selbst schon auf ihrem Gelände aktiv und engagiert, können aber auch ihr Engagement im Rahmen der Wupperpaten einbringen. Renaturierung der Emscher und Bau des Phoenix-Sees Vor 150 Jahren schlängelte sich die Emscher durch eine idyllische Landschaft. Dann siedelten sich Bergbau- und Stahlbetriebe dort an, zogen Arbeiter, Angestellte mit ihren Familien sowie andere Firmen in die schnell wachsenden Städte entlang des Flusses. Um Überschwemmungen durch Bergsenkungen abzufangen und vor allem das viele Abwasser der Industrie und der Städte abzuführen, wurde die Emscher begradigt und in ein Betonbett gezwängt. Jahrzehnte war das Wasser verseucht und stank buchstäblich zum Himmel. „Köttelbecke“ hieß in dieser Zeit die Emscher, die Menschen hielten sich davon fern. Mit dem Ende des Bergbaus und der Schwerindustrie tat sich die Gelegenheit auf, das Abwasser unterirdisch abzuleiten, die Kanäle in den Untergrund zu verlegen. So wurde im Jahr 1992 das größte Renaturierungsprojekt Europas - der Emscher-Umbau - begonnen, bis 2020 soll er weitgehend abgeschlossen sein. Das Projekt kostet geschätzte 5,266 Milliarden Euro, die Emschergenossenschaft plant und setzt es um (Bild 3). Ein Teil dieses Projektes ist die Anlage des Phoenix-Sees auf dem Gelände der stillgelegten Phoenixhütte in Dortmund. Zusammen mit den Planern der Emschergenossenschaft beschloss die Stadt Dortmund, das ehemalige Hüttengelände auszuheben und zu fluten, nachdem die Hüttenanlagen abgebaut waren. So entstanden ein See so groß wie die Binnenalster in Hamburg, Wohnraum am See, Cafés und 31 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Ressourcen · Infrastruktur Restaurants in Uferlage und eine Marina. Die Emscher schlängelt sich dazu gemächlich am See vorbei durch den Stadtteil. Die Menschen können wieder Wasser erleben und mit ihm leben, der Wohn- und Freizeitwert ist gestiegen. Aber auch die Natur, Pflanzen und Tiere holen sich ihren Anteil zurück. Teichhühner und Schleiereulen, Graureiher und sogar Störche wurden schon gesichtet, Fische sind in das Gewässer gewandert. Zusätzlich dient der künstliche See der Emscher als Rückhaltebecken bei Hochwasser. Historische Wasserwirtschaft und Wasserkunst in Augsburg In Augsburg sind ab dem Mittelalter gebaute Kanäle und Wassertürme, Monumentalbrunnen der späten Renaissance sowie mehrere Wasserkraftwerke des frühen 20. Jahrhunderts als authentische Denkmäler erhalten. Der seit den Römern betriebene Wasserbau hat das Stadtbild geprägt. In Augsburg stehen die drei ältesten Wassertürme Deutschlands und wohl sogar Mitteleuropas - fünf Wasserwerke mit sieben Wassertürmen wurden bewahrt. Ein Industriedenkmal von internationalem Rang ist das historische Wasserwerk am Hochablass von 1878/ 79. Augsburg liegt auf einer von den beiden aus den Alpen kommenden Flüssen Lech und Wertach sowie von der Singold bzw. nach 1590 vom Senkelbach umflossenen Schotterhochterrasse. Der Wasserreichtum dieser Lage ermöglichte die römische Brauchwasserversorgung sowie, seit dem Mittelalter, die Wasserkraftnutzung durch das Handwerk und - ab 1836 durch mechanische Kraftübertragung und ab 1901 durch Strom erzeugende Wasserkraftwerke - die rasch wachsende Maschinenbau- und Textilindustrie. Die Trinkwasserversorgung der hoch über den wasserführenden Schichten liegenden Kernstadt erforderte ab 1412 - erstmals in Deutschland - Wasserhebung durch wasserradgetriebene Kolbenpumpen bzw. Archimedische Schrauben. Die Stadt exportierte das Wissen ihrer Brunnenmeister europaweit und war zugleich Anziehungspunkt für Wasserspezialisten aus ganz Europa. Die Bedeutung seines Wasserreichtums zeigte Augsburg durch drei Monumentalbrunnen mit hochrangiger Bronzegießkunst: die ältesten bestehenden Anlagen im Stil des Manierismus nördlich der Alpen. Hydrotechnische Modelle in der weltweit einzigartigen Modellkammer des Maximilianmuseums Augsburg sowie die Bestände des Stadtarchivs Augsburg, der Kunstsammlungen der Stadt Augsburg und der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg haben das Wissen und die Kunst der historischen Wasserwirtschaft über ein halbes Jahrtausend bewahrt. Augsburg ist somit ein weltweit bemerkenswertes und einmaliges „Archiv der Wasserwirtschaft“ für das Zeitfenster zwischen 1412 und 1922. Das Wasser und die Brunnenkunst sind im Bewusstsein der Augsburger verankert. In den letzten Jahren ist das Wasser wegen der Bewerbung der Stadt mit ihrer historischen Augsburger Wasserwirtschaft als UNESCO- Welterbe noch stärker in den Vordergrund getreten. Von Mai bis Oktober finden jährlich an jedem ersten Sonntag im Monat die Augsburger Wassertage statt. Dann können Denkmäler von „Wasserbau und Wasserkraft, Trinkwasser und Brunnenkunst in Augsburg“ - wie das Wasserwerk am Roten Tor und das Wasserwerk am Hochablass - besichtigt und erlebt werden. Seit 2015 dreht sich auch das 2012 abgebaute Wasserrad am Schwallech wieder, als Denkmal für die Wasserkraftnutzung. Möglich wurde dieser Wiederaufbau im Lechviertel durch Spenden der Bevölkerung, von Unternehmen, von am Aufbau beteiligten Handwerksfirmen und von den Stadtwerken Augsburg. Christa Hecht Geschäftsführerin der Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft e.V. (AöW) Kontakt: hecht@aoew.de AUTORIN Bild 3: im Jahr 1992 wurde das größte Renaturierungsprojekt Europas - der Emscher- Umbau - begonnen. © EGLV 32 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Ressourcen · Infrastruktur Hückelhoven im Kreis Heinsberg liegt in Nordrhein-Westfalen, unweit der niederländischen Grenze. Fünf Gewerbegebiete mit zusammen 160 ha sind belegt. In Rurtal, dem sechsten Areal, gab es Ende 2016 noch 13 von 53 ha. Eigentlich Platz für weitere 10 mittelgroße Betriebe. Doch in der Dimension des fertiggestellten neuen Logistikzentrums reicht es noch knapp für einen. Dimensionen von morgen Wer braucht derart gigantische Hallen? Jürgen Wilscher, verantwortlicher Projektmanager bei Panattoni Germany Properties GmbH, nennt das Bauwerk in Hückelhoven die größte zusammenhängende Immobilie seiner Firma. Die Panattoni GmbH tritt als Bauherrenvertreter im Auftrag international tätiger Investoren auf und hat einen „hohen zweistelligen Millionenbetrag“ investiert. Der Nutzer steht schon fest. Es ist der Online-Händler Jago mit Produkten für Heimwerken, Freizeit und Fitness, Heim und Garten. Auch Tierbedarf und Spielzeug gehören in das Sortiment. Er garantiert, dass jedes seiner 7000 Produkte, wenn die Bestellung bis 15 Uhr eingeht, am nächsten Tag beim Kunden ist. Der neue Standort ist dafür ideal. Die Waren kommen überwiegend per Containerschiff aus Asien bis ins niederländische Born, unweit von Hückelhoven. Die Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Kreises Heinsberg, hilfreich bei der Ansiedlung in Gewerbegebieten des Landkreises, betont die kurzen Wege zu den Seehäfen auf holländischer Seite und die gute Anbindung an das Straßennetz in Deutschland. Mit Bezug des neuen Gebäudes in Hückelhoven soll die Zahl der Mitarbeiter bei Jago von 500 auf 800 steigen, die Transportkosten sinken. In vier Bauabschnitten wird das Gebäude mit 122 000 m² Dachfläche bis August 2017 bezogen. Fertigstellung war schon ein Jahr vorher, dazu sind Fahr- und Stellflächen mit weiteren 38 000 m² entstanden, zusammen ein versiegelter Bereich von 160 000 m². Die Regenwasserableitung war eine der großen Herausforderungen für Planer und Genehmigungsbehörden, denn die Halle ist 505 m lang und 240 m breit. Der vom Dach stammende Regen ist nicht so verschmutzt, dass er behandelt werden müsste. Anders der Oberflächenabfluss von 120 Stellflächen der LKW, die gleichzeitig am Gebäude zum Be- und Entladen andocken. Dazu kommen 400 Auto- und 100- LKW-Park- und Wendeflächen. Niederschlag hiervon wird in Sedimentationsanlagen gereinigt und zusammen mit dem Dachablauf verzögert abgeleitet. Regenwasserbewirtschaftung heute Eine Voraussetzung für Neubaumaßnahmen oder Umbau (sofern Änderungen an der Entwässerung geplant sind) ist ein Entwässerungsgesuch. Die untere Wasserbehörde beurteilt dann unter anderem, ob die Regenwasserableitung den Vorschriften entspricht. War früher Niederschlag in die Kanalisation abzuleiten, so soll dies jetzt vermieden werden. Insbesondere Anschlüsse an den Mischkanal Logistikzentrum in Hückelhoven Regenwasserbehandlung bei sehr großen Liegenschaften Barbara Rockstroh Logistikzentren haben heutzutage mitunter schon mehr als 100 000 m² Dachfläche. Dazu kommt zu ebener Erde noch die Fahr- und Stellfläche für LKW. Die Regenentwässerung zu planen, mit den Behörden abzustimmen und auszuführen erfordert Planer mit speziellen Kenntnissen sowie Produkte mit hoher Leistungsfähigkeit und dauerhaft zuverlässiger Betriebsweise. Bild 1: Luftbild mit neuem Logistikzentrum in Hückelhoven- Ratheim. © Panattoni GmbH 33 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Ressourcen · Infrastruktur sind tabu laut Wasserhaushaltsgesetz (WHG 2009), gültig seit 1.- März 2010. Die Landeswassergesetze der Bundesländer und die örtlichen Abwassersatzungen der Kommunen wurden entsprechend angepasst, in NRW z. B. durch den Runderlass Niederschlagswasserbeseitigung [1]. Vor allem beim Bau großflächiger Liegenschaften wie Industriebetrieben, Verkehrsflächen und öffentlichen Gebäuden werden deshalb zunehmend dezentrale Anlagen zur Rückhaltung und Behandlung von Regenwasser eingesetzt. Dieses wird vor Ort verdunstet, alternativ gedrosselt und gereinigt in ein Oberflächengewässer eingeleitet oder in den Untergrund versickert - eine ökologische und zugleich ökonomische Alternative zum Ableiten in Mischkanälen und Mitbehandeln in kommunalen Kläranlagen. Verdunstung durch Dachbegrünung, Nutzung mit Hilfe von Zisternen, Versickerung sowie Einleitung in Oberflächengewässer ergänzen sich. Für jede Baumaßnahme hat die Bauherrschaft und deren Planer die Wahl zwischen verschiedenen Möglichkeiten, sofern örtliche Entwässerungssatzung, Baugenehmigung, Verordnungen und Gesetze nichts anderes fordern. Entscheidend ist, von welchen Flächen das Regenwasser stammt und wie es dem natürlichen Wasserkreislauf wieder „einverleibt“ werden soll. Woher - Dach oder Verkehrsfläche? Zunächst wird grob unterschieden in die Herkunft des Regenwassers von:  Dachflächen,  Verkehrsflächen mit Betrieb von Kraftfahrzeugen,  sonstigen Flächen (Verkehrsflächen ohne Betrieb von Kraftfahrzeugen). Innerhalb dieser drei Gruppen kann weiter unterteilt werden, je nach Belastungspotenzial in Bezug auf das abfließende Regenwasser. Dabei spielt eine Rolle, ob den natürlichen Wasserhaushalt belastende Stoffe dabei sind und wie groß der vom Grundstück abfließende Volumenstrom in Liter pro Sekunde ist. Begrünte Dächer haben beispielsweise kaum Belastungspotenzial, unbeschichtete metallgedeckte Dachflächen jedoch wegen des schnellen Wasserabflusses und des Abtrags von Schwermetallverbindungen deutlich mehr. Wohin - Grundwasser oder Oberflächengewässer? Ist das Grundwasser oder ein Oberflächengewässer Ziel der Ableitung, gilt zunächst WHG 2009. Darin bestimmt der Gesetzgeber seit 1. März 2010 laut §- 57- (1): „Eine Erlaubnis für das Einleiten von Abwasser in Gewässer (Direkteinleitung) darf nur erteilt werden, wenn die Menge und Schädlichkeit des Abwassers so gering gehalten wird, wie dies bei Einhaltung der jeweils in Betracht kommenden Verfahren nach dem Stand der Technik möglich ist, …“. Im Sinne des Gesetzgebers ist auch das Grundwasser ein öffentliches Gewässer. Zum Stand der Technik laut WHG 2009 sind die Ausführungen der Abwasserverordnung, speziell Anhang Regenwasser, maßgeblich. Doch dieser Anhang fehlt bisher. Deshalb gelten für Regenabflüsse von Verkehrsflächen zur Einleitung in Oberflächengewässer noch örtlich spezifische Auflagen mit Verweis auf technische Regeln. In Nordrhein-Westfalen ist eine dieser Auflagen der so genannte Trennerlass des Umweltministeriums [2]. Regenwasser wird im neuen Verteilzentrum in Hückelhoven seit Fertigstellung 2016 an drei Stellen gesammelt, im Süden, Südwesten und im Norden der 38 000 m² großen Verkehrsfläche. Die Versickerung ist durch die Beschaffenheit des Untergrundes auf der ehemaligen Gelände-/ Lagerfläche einer Steinkohlenzeche nicht möglich und nicht zulässig. Nach Auflage des zuständigen Wasserwirtschaftsamtes muss der Oberflächenabfluss vor Verlassen des Grundstücks gereinigt und verzögert mit begrenztem Volumenstrom in das nächstgelegene Fließgewässer eingeleitet werden. Gesetzliche Grundlage hier war der Runderlass NRW mit seinen Anforderungen an die Niederschlagsentwässerung im Trennverfahren [2]. Dort heißt es unter andrem im Abschnitt 1.1 „Grundsätze“: „… Die in Anlagen zur Niederschlagswasserbehandlung anfallenden Rückstände sind unter Beachtung der einschlägigen wasser- und abfallwirtschaftlichen Bestimmungen ordnungsgemäß zu entsorgen. Den nachfolgend unter Ziffer 3 aufgeführten technischen Möglichkeiten zur Niederschlagswasserbehandlung stehen Lösungen gleich, bei denen im Zulassungsverfahren nachgewiesen wird, dass hinsichtlich des Schadstoffrückhalts und des dauerhaften Betriebs eine Vergleichbarkeit vorliegt und die Alternativlösung die Anforderungen des die Einleitung zulassenden Bescheides erfüllt. ...“ Bild 2: Niederschlagswasserbehandlung, Anlage Süd. Lamellenklärer in ovaler Bauweise aus Betonfertigteilen. © Mall 34 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Ressourcen · Infrastruktur IKT-Zulassung und Teilstrombehandlung in NRW Die im Logistikzentrum in Hückelhoven eingesetzten Anlagen zur Behandlung des Oberflächenabflusses, aus Betonfertigteilen zusammengesetzt und unterirdisch eingebaut, wurden in Labor und Praxis geprüft. Dafür zuständig war das Institut für Unterirdische Infrastrukturen (IKT) im Auftrag des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV). „Durch integrierte Lamellenpakete lassen sich in verhältnismäßig kleinen Bauwerken große angeschlossene Flächen behandeln, um die aktuellen Kriterien des Gewässerschutzes zu erfüllen“, sagt Stephan Klemens. Er ist Leiter der Entwicklung beim Hersteller Mall in Donaueschingen. Es ist ein physikalischer Effekt, der hier genutzt wird: Beim Durchströmen der Kunststoff-Lamellen von unten nach schräg oben sedimentieren mitgeführte Partikel schneller als im freien Wasservolumen. Die wirksame Oberfläche des Beckens wird damit vervielfacht, die Absetzwirkung insbesondere kleiner Partikel verbessert. Walter Kolditz vom Ingenieur- Büro Redeker in Detmold hat die Niederschlagsableitung der gigantischen Immobilie geplant. „Laut Trennerlass des Landes Nordrhein-Westfalen dürfen wir für die zu behandelnden Abflüsse das Teilstromverfahren durchführen, d. h. dass mindestens 15 L/ s x ha gereinigt werden müssen. Damit sind weit über 90 % der jährlichen Niederschlagsmenge abgedeckt, die in Deutschland eine durchschnittliche Intensität von etwa 5 L/ s x a hat. Die darüber hinaus gehenden Mengen (bis rund 90 % bei den seltenen Starkregenereignissen) sind erfahrungsgemäß relativ wenig verschmutzt“. Der vor dem Lamellenklärer eingebaute Drosselschacht staut bei Starkregen in das Trennbauwerk zurück. Dort beginnt der Bypass an einer Überlaufschwelle. Dem Konzept von Kolditz folgend wurden an mehreren Seiten des Geländes gleichartige Behandlungsanlagen im Untergrund gebaut. Mit dieser parallelen Anordnung wird vermieden, dass durch das erforderliche Leitungsgefälle, hier fünf Promille, eine zu große Tiefe an der Grundstücksgrenze erreicht wird. Denn der Abfluss des gereinigten Wassers von 38 000 m² Fahr-, Rangier- und Fahrzeugabstellfläche soll schließlich im fast ebenen Gelände noch das nächstgelegene Fließgewässer erreichen. Zuvor wird es zusammen mit dem unbehandelten Niederschlag des 122 000- m² großen Daches, das mit einer PVC-Folie abgedichtet ist, in einem etwa 400 m langen offenen Betonkanal gesammelt. Dieser verläuft parallel zum Gebäude entlang der Längsseite des Grundstücks und dient dazu, die beim Bemessungsregen maximal abfließenden Regenmengen zurückzuhalten, bevor sie mit begrenztem Volumenstrom in das nächstgelegene Fließgewässer abgeleitet werden. Wegen drohender „Bergschäden“ und der fehlenden Flächenverfügbarkeit auf dem ehemaligen Zechengelände konnte die übliche Bauweise eines Regenrückhalte-Erdbeckens nicht realisiert werden. Behandlungsbedarf, Stand der Technik Wie bei allen Abwässern fordert das WHG konsequent auch bei der Einleitung von Niederschlagswasser den Stand der Technik. Dabei hängen die Verfahren nicht allein von der Art der Verschmutzung, sondern insbesondere auch von der Leistungsfähigkeit der betreffenden Gewässer ab. Bild 3: Niederschlagswasserbehandlung, Anlage Südwest. Trennbauwerk, Drosselschacht und Lamellenklärer (links im Bild). © Mall Bild 4: Niederschlagswasserbehandlung, Anlage Nord. Trennbauwerk, Drosselschacht und Lamellenklärer (links im Bild). © Mall 35 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Ressourcen · Infrastruktur Barbara Rockstroh Sachverständigen- und Fachpressebüro König Kontakt: mail@klauswkoenig.com AUTORIN So gestaltet sich die Formulierung von Grenzbedingungen schwieriger, als dies bei klassischem Abwasser der Fall ist. Bisher fehlen Vorgaben zur Einhaltung physikalischer Parameter bei der Einleitung in Oberflächengewässer. Jedoch kristallisieren sich die feinen abfiltrierbaren Stoffe (AFS Fein) als Leitparameter für die Grenzbedingungen heraus. In den meisten Fällen wird der Behandlungsbedarf mit Hilfe von Merkblatt DWA-M 153 aus dem Quotient der ermittelten Punkte von Gewässerart und Belastung des Zulaufs festgestellt. Das heißt, Niederschlagswassereinleitungen durften nur erfolgen in Abhängigkeit von einerseits zumutbarer Verkehrsbelastung/ Exposition der Flächen und andererseits ausreichender Selbstreinigungskapazität des Gewässers, in das eingeleitet wird. Der Durchgangswert der jeweiligen Behandlungsanlage gibt den Frachtanteil, der im Jahresmittel nicht zurückgehalten wird, an. Dabei gilt die Reinigungsleistung als ausreichend, wenn der Durchgangswert D ≤ G/ B (B = Belastungspunkte, G = Gewässerpunkte) beträgt. Die beim Logistikzentrum in Hückelhoven eingesetzten Lamellenklärer erreichen bei einer Oberflächenbeschickung qA 9 m/ h und der Kritischen Regenspende rkrit den Durchgangswert 0,2 [3]. Neue Regeln für Regenwetterabflüsse in Siedlungsgebieten In Zukunft gilt für Einleiten in Oberflächengewässer das Regelwerk DWA-A 102 (im September 2016 als Entwurf erschienen) bzw. BWK-A 3. Das neue Arbeitsblatt wird inhaltsgleich in beiden Verbänden DWA und BWK erscheinen und trägt den Titel „Grundsätze zur Bewirtschaftung und Behandlung von Regenwetterabflüssen zur Einleitung in Oberflächengewässer“. Es gliedert sich in den Teil A „Emissionsbezogene Bewertungen und Regelungen für Regenwetterabflüsse in Siedlungen“ (Bearbeitung durch DWA) und den Teil B „Immissionsbezogene Bewertungen und Regelungen für Regenwetterabflüsse in Oberflächengewässer“ (Bearbeitung durch BWK). Dabei wird beim Einleiten von Niederschlagswasser, noch spezifischer als nach den bisherigen technischen Regeln, die Belastbarkeit eines Gewässers berücksichtigt. Grundlage ist die so genannte Wasserhaushaltsgleichung, nach der die Anteile von Verdunstung, Versickerung und Abfluss am jeweiligen Ort den Werten entsprechen sollen, die vor der Bebauung im natürlichen Zustand gegeben waren. „Ein wichtiges Ziel unserer technischen Regeln muss sein, die Veränderungen des lokalen Wasserhaushalts durch (zukünftige) Siedlungsaktivitäten in mengenmäßiger und stofflicher Hinsicht so gering zu halten, wie es technisch, ökologisch und wirtschaftlich vertretbar ist“, meint Prof. Dr.-Ing. Theo G. Schmitt von der Technischen Universität Kaiserslautern [4]. Er ist Sprecher der für das Arbeitsblatt A 102 zuständigen DWA-Arbeitsgruppe ES-2.1 und stellvertretender Vorsitzender des DWA-Hauptausschusses „Entwässerungssysteme“. Zusammenfassung Für besonders große Immobilien, wie das Logistikzentrum in Hückelhoven, ist die Bewirtschaftung und Behandlung von Regenwetterabflüssen zur Einleitung in ein kleines Oberflächengewässer eine Herausforderung. Nordrhein-Westfalen nennt die technischen und ökologischen Erfordernisse im Trennerlass und in der zugehörigen Produktliste des IKT. Dank der neuen technischen Regeln DWA-A 102/ BWK- A 3 sind auch bundesweit künftig ökologisch schützenswerte Fließgewässer besonders berücksichtigt. Mit einem Lamellenklärer, der dem Stand der Technik entspricht, lassen sich in verhältnismäßig kleinen unterirdischen Schachtbauwerken Abflüsse von sehr großen angeschlossen Flächen reinigen. Durch die Teilstrombehandlung wird der Aufwand wirtschaftlich vertretbar, ohne die Effektivität der Behandlung nennenswert zu verringern. LITERATUR [1] NRW Runderlass. Niederschlagswasserbeseitigung gemäß § 51 a des Landeswassergesetzes. RdErl. d. Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft - IV B 5 - 673/ 2- 29010 / IV B 6 - 031 002 0901 v. 18.5.1998. Stand 1.11.2016 auf https: / / recht.nrw.de/ [2] NRW Runderlass. Anforderungen an die Niederschlagsentwässerung im Trennverfahren. RdErl. d. Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - IV-9 031 001 2104 - v. 26.5.2004. Stand 1.11.2016 auf https: / / recht.nrw.de/ [3] Regenwasserbewirtschaftung und Niederschlagswasserbehandlung, Planerhandbuch. Hrsg.: Mall GmbH, Donaueschingen. Aktueller Stand auf www.mall.info [4] Schmitt, T. G.: Neue Regeln für Regenwetterabflüsse in Siedlungsgebieten. In: Ratgeber Regenwasser. Rückhalten, Nutzen, Versickern und Behandeln. Ratgeber für Kommunen und Planungsbüros. Hrsg.: Mall GmbH, Donaueschingen. 6. Auflage, 2016. 36 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Ressourcen · Infrastruktur Mit der Planung des Vorhabens wurde das ortsansässige Ingenieurbüro MaasKonrad planen plus GbR beauftragt. Da das Land Schleswig-Holstein fordert, dass Regenwasser vor der Einleitung in die Kanalisation auf Leichtstoffe gefiltert wird, musste eine entsprechende Lösung gefunden werden. Ein Regenklärbecken kam sowohl mit Blick auf die beengten Platzverhältnisse vor Ort als auch auf die Kosten nicht in Frage. Für die Regenwasserbehandlung setzte die mit der Ausführung der Arbeiten beauftragte OTG Baugesellschaft für Tief- und Rohrleitungsbau GmbH auf das INNOLET ® -System der Funke Kunststoffe GmbH. Ausschlaggebend für die Entscheidung zugunsten des Schnellfilters, der zum ersten Mal bei einer Baumaßnahme in Schleswig-Holstein Anwendung fand, waren die einfache Handhabung sowie die gute Reinigungswirkung, die sich aus der Kombination von Oberflächenfiltration, Volumenfiltration und Adsorption ergibt. Große Leistung auf kleinem Raum Die rund 1,5 km lange Göhler Straße dient als Haupteinfahrtsstraße und Ortsdurchfahrt von Oldenburg in Holstein, damit ist dieser Abschnitt der Landesstraße 59 eine der wichtigsten Verkehrsadern der nördlich von Lübeck gelegenen Stadt. Eine durch die Kommunalen Dienste Oldenburg in Holstein routinemäßig durchgeführte Kanaluntersuchung zeigte Schäden an der in einer Tiefe zwischen 1,75 und 4,00 m unter der Straße verlaufenden, im Trennsystem verlegten Kanalisation. 1700 m Regenwasserkanal DN 300 bis DN 600 sowie 675 m Schmutzwasserkanal DN 200 bis DN 250 mussten erneuert werden, auch die Hausanschlussleitungen für Regenwasser und Schmutzwasser wurden auf einer Länge von 365 respektive 345 m ausgetauscht. Zusätzlich wurden 17 Schmutzwasserschächte mit einem GFK- Inliner saniert. Die mit Blick auf den Gewässerschutz vorgeschriebene Behandlung des Oberflächenwassers stellte die Beteiligten insofern vor eine besondere Herausforderung, als die Verhältnisse vor Ort nach einer besonders platzsparenden Lösung verlangten. Thomas Voß, stellvertretender Werkleiter der Kommunalen Dienste Oldenburg in Holstein, erläutert die Gegebenheiten: „Für den ersten Bauabschnitt, in dem 800 m Regen- und Schmutzwasserkanal saniert wurden, beschlossen wir, für die geforderte Regenwasserbehandlung ein zentrales Regenklärbecken mit einem Fassungsvermögen von 2500 m 3 zu installieren.“ Für den zweiten Bauabschnitt sei geprüft worden, ob ein offenes Regenklärbecken oder ein geschlossenes, unterhalb der Fahrbahn gelegenes Becken installiert werden könne. „Beides war aber keine Option“, so Voß. Die vorhandene Fläche vor Ort sei aufgrund der dichten Bebauung des Abschnitts zwischen Schützenhof und der Einmündung in das Gewerbegebiet Am Voßberg für ein offenes Becken nicht ausreichend gewesen, zudem hätte die Stadt für diese Lösung erst zusätzlichen Grund erwerben müssen. Ein geschlos- Pionierarbeit in Schleswig-Holstein INNOLET ® von Funke reinigt das Regenwasser Im Zuge eines in zwei Abschnitte aufgeteilten Bauvorhabens mit rund 3,5 Mio. Euro Gesamtvolumen sanierten die Kommunalen Dienste Oldenburg in Holstein rund 1700 m Regenwasser- und 1500 m Schmutzwasserkanal, auch Geh- und Radwege entlang der Landesstraße 59 wurden auf einer Länge von 1500 m erneuert. Bild 1: V.l.n.r.: Thomas Voß, stellvertretender Werkleiter Kommunale Dienste Oldenburg in Holstein, OTG- Geschäftsführer Dipl.-Ing. FH Thorsten Kraus, Planerin Dipl.-Ing. (FH) Petra Maas, Erich Wulf, Werkleiter Kommunale Dienste der Stadtverwaltung Oldenburg in Holstein, Funke- Fachberater Ewald Michels- Lübben und OTG- Schachtmeister Jan Cruse. © Funke Kunststoffe GmbH 37 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Ressourcen · Infrastruktur Funke Kunststoffe GmbH Siegenbeckstr. 15 Industriegebiet Uentrop Ost 59071 Hamm-Uentrop info@funkegruppe.de www.funkegruppe.de senes Becken unter der Fahrbahndecke kam wegen der dort verlaufenden Regenwasser- und Schmutzkanäle nicht in Frage, auch wären die Kosten für eine solche Lösung zu hoch gewesen. Premiere in Schleswig-Holstein Als Alternative bot sich eine dezentrale Lösung an. „Für die Regenwasserbehandlung vor Ort wurden 30 neu eingebaute Straßenabläufe mit dem von der Funke Kunststoffe GmbH in Hamm entwickelten Schnellfilter-System INNOLET ® ausgerüstet“, erläutert Dipl.-Ing. (FH) Petra Maas vom ortsansässigen Ingenieurbüro MaasKonrad planen plus GbR. Auf das System aufmerksam geworden sei man im Rahmen des Oldenburger Rohrleitungsforums, vor der Anwendung habe man jedoch Überzeugungsarbeit bei den zuständigen Behörden leisten müssen. Frank Horstmann, Leiter Produktmanagement Geschäftsbereich Tiefbau bei der Funke Kunststoffe GmbH, stellte das System persönlich bei der Oberen Wasserbehörde in Kiel vor und überzeugte diese von den Vorzügen, sodass die Obere Wasserbehörde kurzfristig ihre Zustimmung zum Einbau erteilte. Kombination für gute Reinigungsleistung „INNOLET ® ist ein Schnellfilter für die gezielte dezentrale Reinigung, mit dem sich Schadstoffe zuverlässig aus Niederschlag herausfiltern lassen, bevor dieser in Gewässer eingeleitet wird. Die gute Reinigungswirkung ergibt sich aus einer Kombination von Oberflächenfiltration, Volumenfiltration und Adsorption“, erläutert Funke-Fachberater Ewald Michels-Lübben das Prinzip. INNOLET ® sorge für einen hohen Rückhalt von Schwermetallen, polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) und abfiltrierbaren Stoffen (AFS). „Das System bietet sich nicht nur bei der Installation neuer Straßenabläufe an, wie das bei der Baumaßnahme in Oldenburg in Holstein der Fall war, sondern eignet sich auch hervorragend für die Nachrüstung vorhandener Straßenabläufe“, so Michels- Lübben. Erforderlich sei lediglich eine Mindesteinbautiefe von 90 cm - gemessen zwischen Oberkante Gussrost bis zum Ablauf -, standardmäßig eigne sich INNOLET ® für die Verwendung mit sämtlichen Straßenabläufen, die für Quadrat- oder Rechteckaufsatz mit der Abmessung 500 x 500 mm bzw. 300 x 500 mm gefertigt sind. Sollten abweichende Gussabdeckungen verwendet werden, lassen sich vor Ort entsprechende Anpassungen vornehmen. Die Ausrüstung von 30 auf der Göhler Straße neu installierten Straßenabläufen vollzog sich reibungslos, dafür sorgte auch die gute Betreuung durch den Hersteller. Der Fachberater von Funke, Michels-Lübben, begleitete den Einbau der ersten Einsätze mit Rat und Tat und stand der OTG Baugesellschaft für Tief- und Rohrleitungsbau GmbH vor Ort als Ansprechpartner zur Verfügung. Jan Cruse, OTG-Schachtmeister: „Offene Fragen ließen sich so schnellstmöglich klären, das hat zusätzlich für reibungslosen Ablauf auf der Baustelle gesorgt.“ Sämtliche Beteiligten waren von der einfachen Handhabung des Systems überzeugt, die Kommunalen Dienste Oldenburg in Holstein sind sich sicher, mit der Entscheidung zugunsten INNOLET ® eine gute Wahl getroffen zu haben. Bild 2: 30 neue Straßenabläufe mit Rechteckaufsatz wurden mit dem INNOLET ® - Filtersystem von Funke ausgerüstet. © Funke Kunststoffe GmbH Bild 3: Aufgrund der dichten Bebauung im Abschnitt musste eine dezentrale Lösung für die Regenwasserbehandlung gefunden werden. © Funke Kunststoffe GmbH 38 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Ressourcen · Infrastruktur Nachgefragt Frau Hansen, wie sind Ihre persönlichen Erfahrungen mit dem RAL- Gütezeichen Kanalbau? Das Gütezeichen Kanalbau begleitet mich, seit ich beruflich bei der Stadtentwässerung Dresden tätig bin. Schon zu Beginn habe ich den damaligen Geschäftsführer der Gütegemeinschaft Kanalbau, Dr.-Ing. Helmuth Friede, kennengelernt. Wir haben uns bei vielen Anlässen immer wieder über das Thema Gütesicherung ausgetauscht. 2006 wurde die Stadtentwässerung Dresden Mitglied in der Mitgliedsgruppe 2. Auf der Mitgliederversammlung 2008 in Hannover wurde ich dann in den Vorstand der Gütegemeinschaft Kanalbau gewählt. Was ist für Sie das Besondere an der Gütesicherung Kanalbau? Die Gütesicherung RAL-GZ 961 ist ein von Auftraggebern und Auftragnehmern gemeinsam geschaffenes Instrument zur Beurteilung der Bietereignung und damit zur Sicherung der Qualität. Dazu wird die fachtechnische Eignung in Bezug auf konkrete Bauverfahren beurteilt. So stützen sich bei der Gütesicherung RAL-GZ 961 sowohl die Beurteilungsgrundlagen als auch die Beurteilung und die Bestätigung der Eignung selbst auf einen zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern erzielten Konsens. Das ist eine hervorragende Sache und Neutralität, ein einheitliches Anforderungsniveau und damit ein fairer Wettbewerb zwischen den Bietern sind damit sichergestellt. In diesem Sinne kenne ich keine andere Organisation, in der Auftragnehmer und Auftraggeber gemeinsam versuchen, die Qualität in der Erneuerung und Sanierung von Abwasserkanälen zu verbessern. Stadtentwässerung Dresden Nachhaltig und effizient dank Güteschutz Kanalbau Die Stadtentwässerung Dresden GmbH (SEDD) ist eine öffentlichprivate Partnerschaft zwischen der Landeshauptstadt Dresden und der GELSENWASSER AG. Nach einem europaweiten Wettbewerb hatte die Landeshauptstadt Dresden im Jahr 2004 49 Prozent der Anteile der Stadtentwässerung Dresden GmbH an die GELSENWASSER AG verkauft - eine der größten Teilprivatisierungen in der deutschen Abwasserbranche. Rund 400 Mitarbeiter sind für die Aufgaben rund um die Abwasserentsorgung in der Landeshauptstadt Dresden zuständig. Sie betreuen 1800 Kilometer Kanalnetz mit mehr als 40 000 Schächten, unterhalten, sanieren und bauen neue Abwasseranlagen. Zwei Drittel des Schmutz-, Fremd- und Regenwassers werden im Mischsystem abgeführt, ein Drittel im Trennsystem. Das Einzugsgebiet endet nicht an Dresdens Stadtgrenzen, sondern reicht bis an die tschechische Grenze. Freital, Pirna, Heidenau, Radebeul und weitere Nachbarkommunen leiten ihr Abwasser ebenfalls nach Dresden. Insgesamt sind 650 000 Einwohner an die Kläranlage Dresden-Kaditz angeschlossen. „Der Anlagewert beträgt etwa 610 Mio. Euro, und seit 1990 wurden rund 450 Mio. Euro in das Kanalnetz investiert“, erläutert Dipl.-Ing. (FH) Ingrid Hansen, Gebietsleiterin Investitionen, Stadtentwässerung Dresden GmbH. Auf die Qualifikation kommt es an Bei der Auswahl der Baupartner achtet die Stadtentwässerung Dresden konsequent auf deren Qualifikation und nutzt mit Erfolg Instrumente wie die Gütesicherung Kanalbau. Die Ergebnisse von Sanierungs- und Neubaumaßnahmen erfüllen in der Regel die gestellten Anforderungen und entsprechen damit dem Anspruch in puncto nachhaltiger und effizienter Bewirtschaftung des Kanalnetzes. Ein Anspruch, der auch für die Mitarbeiter des Gebietes Investitionen gilt, welche im Zuge der Einführung der sogenannten „Strategie 2007“ bei der Stadtentwässerung Dresden dem Team Eigenplanung zugeordnet wurden. Mit dem Gütezeichen Flagge zeigen „Ingenieurleistungen wie fachgerechte Planung, fundierte Ausschreibung und seriöse Bauüberwachung tragen ganz maßgeblich zum Ergebnis einer Tiefbaumaßnahme bei“, erklärt Hansen. „Deshalb setzen wir auch in diesem Bereich auf Mitarbeiter und Baupartner mit besonderer Erfahrung und Zuverlässigkeit.“ Um diesem Anspruch gerecht zu werden, zeigt die Stadtentwässerung Dresden, die seit 2006 Mitglied in der Mitgliedsgruppe 2 der RAL- Gütegemeinschaft Kanalbau ist, auch in anderer Hinsicht Flagge: In diesem Jahr wurde für den hausinternen Planungsbereich das Gütezeichen für den Ausführungsbereich ABAK - Ausschreibung und Bauüberwachung bei Einbau und Prüfung von Abwasserleitungen und -kanälen aller Werkstoffe und Nennweiten in offener Bauweise mit den dazugehörigen Bauwerken - beantragt. 39 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Ressourcen · Infrastruktur Wie wirkt sich das im (Bau-)Alltag aus? Wir haben hiermit gute Erfahrungen gemacht. Als Auftraggeber nutzen wir Instrumente wie die Gütesicherung Kanalbau RAL- GZ 961 zum Nachweis der fachtechnischen Eignung der Bieter. Die Eignungsprüfung durch den RAL-Güteausschuss erspart uns aufwendige Einzelprüfungen in Bezug auf Personal, Weiterbildung, Schulung, Referenzen und Erfahrung. Dadurch werden Prozesse und Personalaufwendungen verschlankt. Inwieweit nutzt die Stadtentwässerung Dresden die Gütesicherung Kanalbau bzw. profitiert von ihr? Als Mitglied der Gruppe 2 nutzen wir zum Beispiel das umfangreiche Veranstaltungsangebot der Gütegemeinschaft - etwa in Form der Teilnahme an den Auftraggeber-Fachgesprächen zu den Themen Kanalbau in offener Bauweise, Vortrieb, Sanierung, Inspektion, Reinigung oder Dichtheitsprüfung. Mitarbeiter nehmen an Erfahrungsaustauschen von Auftraggebern, Ingenieurbüros und Auftragnehmern zur Ausführungsqualität teil. Die Website www.kanalbau.com kann man bei Fragen „rund um den Kanalbau“ ebenfalls gut nutzen. Der Internetauftritt ist informativ - das Konzept der Gütesicherung Kanalbau wird ebenso erläutert wie die Grundlagen von Auftragsvergabe und Bietereignung. Zudem stehen umfangreiche Informationen zum Thema Qualitätssicherung zur Verfügung, zum Beispiel Informationsbroschüren und Arbeitshilfen. Außerdem finden wir hier auch eine Aufstellung der Unternehmen mit Gütezeichen. Gibt es noch weitere Berührungspunkte? Ein wesentlicher Baustein ist auch die Beratung durch einen Prüfingenieur als neutraler Ansprechpartner. Etwa wenn es um Fach- oder Baufragen rund um ein bestimmtes Projekt geht oder auch - wie den letzten Wochen - bei der Beantragung des Gütezeichens ABAK. Hier werden offene Fragen diskutiert, zum Beispiel in Bezug auf Normen und Regelwerke oder zur Bauausführung. Was war die Veranlassung für die Beantragung des Gütezeichens? Jeder, der sich mit unserer Infrastruktur beschäftigt, trägt ein hohes Maß an Verantwortung. Das gilt nicht nur für die Ausführung, sondern auch für die zugehörigen Ingenieurleistungen wie Planung, Ausschreibung und Bauüberwachung. Da die frühen Phasen eines Projektes in besonders hohem Maße Einfluss auf das Bauergebnis und die Qualität haben, liegt es im Interesse aller Beteiligten, geeignete Rahmenbedingungen für die Qualifikation der Verantwortlichen zu definieren. Diese Messlatte legen wir nicht nur bei externen Partnern an, sondern natürlich auch bei uns selbst. Deshalb war es nach den vielen guten Erfahrungen mit der Gütesicherung Kanalbau ein konsequenter Schritt für uns, ein Gütezeichen Ausschreibung und Bauüberwachung auch für uns zu beantragen. Unsere Botschaft lautet: Auch unsere Arbeit ist gütegesichert. Ist das ein großer Aufwand für den Antragsteller? Wenn man wie wir fachgerecht arbeitet, ist der Aufwand angemessen und vertretbar und dient gleichzeitig der eigenen Überwachung und Kontrolle. Die einzelnen Schritte bis zur Verleihung des Gütezeichens sind natürlich mit Aufgaben verbunden. Wir haben Anforderungen zu erfüllen und müssen die entsprechenden Nachweise zusammenstellen. Die meisten Daten in Bezug auf Personal, Schulungen oder Referenzen liegen in unserem Unternehmen vor. Von der Beschäftigung mit den verschiedenen Themen profitieren letztendlich auch wir. So haben wir einen Erfahrungsaustausch mit einem Prüfingenieur durchgeführt und uns mit ihm über Grundlagen und Inhalte eines Fehlervermeidungsmanagements ausgetauscht. Die Einrichtung eines solchen Systems hilft dabei, Fehler von vornherein zu vermeiden, statt sie nachträglich zu entdecken und zu korrigieren. Damit werden Folgekosten ebenso vermieden wie eine mögliche Wiederholung der Fehler. Wann rechnen Sie mit der Verleihung des Gütezeichens? Ich gehe davon aus, dass wir die organisatorischen Dinge schon bald abgearbeitet haben werden und rechne im Frühjahr im Rahmen der ersten Güteausschusssitzung mit der Verleihung des Gütezeichens. RAL-Gütegemeinschaft Güteschutz Kanalbau Postfach 1369 53583 Bad Honnef info@kanalbau.com www.kanalbau.com Dipl.-Ing. (FH) Ingrid Hansen, Gebietsleiterin Investitionen, Stadtentwässerung Dresden GmbH. © Peter Hilbert 40 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima Schafft besseres Klima: integrale urbane Wasserwirtschaft Zukunftsinitiative „Wasser in der Stadt von morgen“ - wassersensible Stadtentwicklung in der Emscherregion Integrale Wasserwirtschaft, Zukunftsinitiative, dezentrale Regenwasserbewirtschaftung, Klimaanpassungsmaßnahmen Emanuel Grün, Michael Becker, Ralf Schumacher Der Klimawandel sorgt auch in der Emscherregion vermehrt für Wetterextreme wie Starkregen oder Hitzewellen - eine besondere Herausforderung für die Wasserwirtschaft und die Stadt- und Freiraumplanung in diesem urban geprägten Raum. Mit der Zukunftsinitiative „Wasser in der Stadt von morgen“ haben die Emscherkommunen gemeinsam mit der Emschergenossenschaft und dem Land Nordrhein-Westfalen eine Antwort darauf gefunden, wie man dieser Herausforderung - und einigen anderen - wirkungsvoll begegnen kann: wassersensible Stadtentwicklung lautet das Stichwort. Die lässt sich jedoch nur durch integrales Handeln realisieren. Verstärkte interkommunale und interdisziplinäre Kooperation ist gefragt. Innovative Formate der Vernetzung und Zusammenarbeit geben hierfür den passenden Rahmen. Dem Wandel mit Kooperation begegnen 28. Juli 2008: Ein Sturzregen setzt in Dortmund Universität und umliegende Stadtviertel unter Wasser. 2. Juli 2015: An der Ruhruniversität in Bochum wurde ein Temperaturmaximum von 37,5 °C gemessen. Juni 2016: Emschergenossenschaft und Lippeverband registrierten im Schnitt 161 mm Niederschlag in der Region - die höchste in einem Juni gemessene Niederschlagssumme seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1891. Im Juli 2016 hingegen gesellte sich zu den überdurchschnittlichen Temperaturen auch noch ein deutliches Niederschlagsdefizit. Keine Frage: Der Klimawandel ist in der Emscherregion angekommen. Das belegen auch langfristige Beobachtungen. So hat die Häufigkeit von Starkregen über 20 mm pro Tag zwischen 1991 und 2010 signifikant zugenommen [1]. Diese Extremwetterereignisse führen vermehrt zu Überlastungen bestehender Entwässerungssysteme und stellen neue Anforderungen an die Kühlung und Durchlüftung der Städte. Die nötige Anpassung der wasserwirtschaftlichen und städtischen Infrastrukturen an den Klimawandel macht integrales Handeln zwingend erforderlich, denn nur wenn Wasserwirtschaft sowie Stadt- und Freiraumplanung an einem Strang ziehen, sind nachhaltige Lösungen realisierbar - und Bild 1: Das Einzugsgebiet der Emscher. © Emschergenossenschaft Bild 2: Jährliche Anzahl von Starkregen über 20 mm pro Tag in der Emscher-Lippe-Region. © Emschergenossenschaft 41 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima finanzierbar. Das gilt ebenfalls für die Herausforderungen, die sich aus den Vorgaben der EU-Wasserrahmenrichtlinie ergeben: Hier steht der integrierte Gewässerschutz im Mittelpunkt, der nicht an Verwaltungsgrenzen endet, sondern jeweils ein ganzes Flussgebiet betrachtet. Auch die daraus resultierenden Aufgaben lassen sich nur gemeinsam angehen. Zudem generieren wirtschaftlicher Strukturwandel und der demografische Wandel neue Nutzungsansprüche an städtische Räume: Für die Gestaltung attraktiver Stadtquartiere ist Wasser ein unverzichtbares Element - mit großem Potenzial für Klimaanpassungsmaßnahmen. So liefert die Anlage von offenen Wasserflächen wie beispielsweise des Niederfeldsees in Essen-Altendorf nicht nur einen wertvollen Beitrag zur städtebaulichen Gestaltung [2]. Auch die Lebens- und Aufenthaltsqualität des Quartiers hat sich deutlich erhöht. Gespeist wird der See u. a. über Regenwasserabkopplungen benachbarter Platz-, Wege- und Dachflächen. An heißen Tagen trägt das Wasser zudem maßgeblich zum klimatischen Ausgleich bei. Solch ein Potenzial lässt sich nur durch interdisziplinäres Arbeiten (hier im Rahmen der Programme „Stadtumbau West“ und „ESSEN. Neue Wege zum Wasser“) vollständig erschließen. Denn so können Synergien entstehen, die neue finanzielle und planerische Spielräume eröffnen. Um diese Synergien systematisch zu heben, wurde 2014 in der Emscherregion die Zukunftsinitiative „Wasser in der Stadt von morgen“ ins Leben gerufen, mit der sich die Emscherkommunen, die Emschergenossenschaft und das Land Nordrhein- Westfalen zum Planungsleitbild einer integralen urbanen Wasserwirtschaft bekennen. Durch fachübergreifende interkommunale Kooperationen gilt es, die Stadt- und Freiraumplanung verstärkt mit wasserbezogenen Planungen wie naturnaher Regenwasserbewirtschaftung, Stadtentwässerung oder Gewässerumbauten zu verzahnen. Die Region zwischen Holzwickede und Dinslaken bietet dafür gute Voraussetzungen: Denn seit Anfang der 1990er-Jahre treibt die Emschergenossenschaft dort den Umbau des Emschersystems voran, bei dem nach und nach die im Zuge der Industrialisierung gebauten offenen Abwasserkanäle wieder zu naturnahen Gewässern umgebaut werden [3]. Dieses Generationenprojekt eröffnet die Chance, durch innovative interdisziplinäre und interkommunale Planungsansätze neue Impulse für die Stadt- und Regionalentwicklung zu schaffen [4]. In diesem Zusammenhang spielt auch die 2005 initiierte „Zukunftsvereinbarung Regenwasser“ eine relevante Rolle: Bis 2020 sollen in der Region 15 % weniger Abflüsse in die Mischkanalisation gelangen - viel Wasser, welches nicht nur als Gestaltungs- und Erlebniselement eingesetzt werden kann, sondern das durch seine Verdunstung auch Kühlungsprozesse fördern kann. Dass Wasserwirtschaft und Stadtentwicklungsplanung sehr gut Hand in Hand gehen, zeigt exemplarisch ein weiteres Praxisbeispiel: In einem Modellprojekt haben die Stadt Herten und die Emschergenossenschaft städtische Planungsbereiche systematisch verknüpft, um Synergieeffekte bei den zu realisierenden Maßnahmen zu erzeugen [5]. Dafür wurde eigens das GIS-gestützte Kooperationsmodul ZUGABE (ZUkunftschancen GAnzheitlich BEtrachten) entwickelt, mit dem sich diese Synergien herausarbeiten und bewerten lassen. Das Kooperationsmodul unterstützt so den Dialog zwischen den Fachgebieten. ZUGABE steht allen Kommunen in der Emscherregion für ihre Projektarbeit zur Verfügung [6]. Bild 4: Naturnah umgebaut: der Hellbach in Recklinghausen. © Emschergenossenschaft/ Rupert Oberhäuser Bild 3: Der Niederfeldsee in Essen. © Allbau 42 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima Gemeinsam auf dem Weg in die Zukunft Integrales Handeln lautet das Gebot der Stunde. Dass es nur miteinander gehen kann, bekräftigten die Emscherkommunen, das NRW-Umweltministerium und die Emschergenossenschaft im Mai 2014 mit der Unterzeichnung einer Absichtserklärung zur Zukunftsinitiative [7]. Die Partner stehen damit zu der gemeinsamen Verantwortung für die Entwicklung einer zukunftsfähigen Emscherregion. Zurzeit wird die Zielsetzung, eine nachhaltige Stadtentwicklung insbesondere auch mittels integraler Wasserwirtschaft zu verfolgen, über Beschlüsse der politischen Gremien der 16 Emscherstädte weiter verankert. Damit werden die Weichen für eine neue Planungskultur gestellt: Die Spitzen aus Verwaltung und Politik haben sich explizit für einen integralen Ansatz entschieden. Innovative Formate für Vernetzung Und wie sieht die Umsetzung aus? Im Rahmen der Zukunftsinitiative wurden verschiedene Formate etabliert, die die Zusammenarbeit fördern - über kommunale, fachliche und institutionelle Grenzen hinweg. So treffen sich einmal jährlich die Bau-, Planungs- und Umweltdezernenten aus der Emscherregion mit dem technischen Vorstand der Emschergenossenschaft. Denn die offizielle Rückendeckung durch die Führungsebene der Beigeordneten und Stadtbauräte ist maßgeblich, wenn es um fachübergreifendes und interkommunales Arbeiten geht. In jeder Stadt gibt es zudem einen Koordinator, der quasi als Gesicht der Zukunftsinitiative fungiert. Offiziell benannt in den Kooperationserklärungen zwischen den Städten und der Emschergenossenschaft, ist es seine Aufgabe, als Fürsprecher und Anwalt der Zukunftsinitiative zu wirken und ein Bewusstsein für die Potenziale - gerade auch im Hinblick auf Klimaanpassungsmaßnahmen - zu schaffen. Die Devise des Stadtkoordinators lautet: „Redet miteinander! “, innerhalb der eigenen Verwaltung und interkommunal. Er baut ein stadtinternes Netzwerk auf und setzt sich dafür ein, dass integrale Projekte auf den Weg gebracht werden. Alle Stadtkoordinatoren der Region treffen sich vierteljährlich zum gemeinsamen Austausch. Experten-Netzwerke: Hier findet die Basisarbeit statt Die Umsetzung der Zukunftsinitiative läuft zu einem wesentlichen Teil in den Experten-Netzwerken. In diesen regelmäßig tagenden Runden stehen verschiedene Themenkomplexe zur Bearbeitung wie beispielsweise Vernetzung und Zusammenarbeit, Kommunikation oder Wirtschaftlichkeit. Innerhalb einiger dieser Netzwerke wiederum kümmern sich noch unterschiedliche AGs um spezielle Fragestellungen. Wie kann man sich diese Arbeit vorstellen? Einige Beispiele: Die Urban-Heat-Problematik steht im Fokus des Experten-Netzwerks „Verdunstungskühlung“. Dieses Netzwerk setzt sich dafür ein, der Problematik in der Bauleitplanung verstärkt Berücksichtigung zu verschaffen, auch in Lehre und Forschung soll das Thema mehr Präsenz erhalten. Weiteres Ziel ist die Förderung der Verdunstung auf Grünflächen und Gebäuden zur Kühlung innerstädtischer Bereiche. Dabei reichen Fassaden- oder Dachbegrünungen einzelner Gebäude allerdings nur zur jeweiligen Innenraumkühlung aus. So kann im Gebäude der Einsatz von Kältemaschinen reduziert werden - und damit der Stromverbrauch. Will man im Außenbereich signifikante Effekte erreichen, sind größere Grünflächen vonnöten, zum Beispiel in Form von begrünten Fassadenzügen. Um die Förderung von Vernetzung und Zusammenarbeit durch Austausch und Lernen von Goodpractice-Beispielen geht es in der gleichnamigen AG Bild 6: Die Säulen der Zukunftsinitiative © Emschergenossenschaft Bild 5: Kooperationsmodul ZUGABE: GIS-gestütztes Instrument zur übergreifenden Planung © Emschergenossenschaft 43 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima des Experten-Netzwerks „Vernetzung & Zusammenarbeit“. Die Arbeitsgruppe baut eine Sammlung auf, in der realisierte Projekte der integralen Wasserwirtschaft und der wassersensiblen Stadtentwicklung vorgestellt werden. Das Ziel lautet: von den anderen zu lernen. Was macht diese Projekte erfolgreich? Welche Schwierigkeiten traten auf? In reich bebilderten Booklets ist dargestellt, was genau geplant und was umgesetzt wurde. Auch Aspekte wie Bürgerbeteiligung, Erlebbarkeit von Wasser oder finanzielle Förderung werden beleuchtet. Die Bandbreite reicht vom Regenspielplatz über ein Krankenhausgelände bis hin zum 150 Hektar großen Wohnquartier. Besonders spannend: Bei allen Projekten sind Ansprechpartner für den persönlichen Austausch aufgeführt. So lässt sich von den Erfahrungen der Praktiker direkt profitieren. Im Experten-Netzwerk „Leitbilder & Standards“ widmet sich die AG „Checkliste für wassersensitive Bebauungspläne“ der Aufgabe, frühzeitige Berücksichtigung einer wassersensitiven Stadtentwicklung in der Bauleitplanung zu erreichen. Entwickelt wird hier eine Arbeitshilfe in Form einer Checkliste, die alle, die sich mit Bebauungsplanung beschäftigen, darin unterstützen soll, das Thema in Bebauungsplanverfahren von Anfang an einzubringen. Was zeichnet die Arbeit der Experten-Netzwerke aus? Die zu behandelnden Themen werden größtenteils auf der Expertenebene selbst generiert - und nicht von der Führungsebene vorgegeben. Abhängig davon, welche Fragen sich im Laufe der Umsetzung der Zukunftsinitiative stellen, konstituieren sich während des Prozesses neue AGs und Netzwerke. Für alle gilt: Mitmacher sind immer willkommen. Auch der Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen den einzelnen Gruppen muss funktionieren. Darum kümmert sich das Netzwerk der Koordinatoren. Ebenfalls wichtig: Das Format der Experten- Netzwerke schafft Freiräume für Selbststeuerung und -beauftragung. Es gibt viel Raum für eigenverantwortliches Handeln. Da der Austausch direkt auf Expertenebene erfolgt, steigt die Effizienz der Arbeit. Experten-Forum: jährlicher Aufruf zum Mitmachen Vernetzung und Zusammenarbeit wird auch auf dem Experten-Forum großgeschrieben - einer weiteren tragenden Säule der Zukunftsinitiative. Die interaktive Austauschplattform findet einmal jährlich in wechselnden Gastgeberstädten statt: Im Jahr 2015 in Bochum, 2016 in Dortmund, 2017 nun in Essen. Hier treffen sich Experten aus unterschiedlichen Fachdisziplinen zum Dialog - vom Architekten über Bildungs- und Gesundheitsexperten, Biologen, Geologen, Stadt- und Freiraumplaner, Wasserwirtschaftler bis hin zum Soziologen, Umweltrechtler, Verkehrs- und Straßenplaner und Wirtschaftswissenschaftler. Das Forum ist nicht als klassische Fachkonferenz konzipiert, sondern steht als Beispiel dafür, wie sich interdisziplinär und hierarchieübergreifend Planungsprozesse so organisieren, dass Spielräume und neue Ideen für die Gestaltung zukunftsfähiger Städte entstehen. Was kann man auf so einem Experten-Forum alles erwarten? Neben interessanten Impulsvorträgen aus Wissenschaft und Praxis stehen immer attraktive Dialogformate auf dem Programm, die alle Gäste einbeziehen. Auf dem 2. Experten-Forum in Dortmund, bei dem im November 2016 rund 220 Teilnehmer mitmachten, war dies u. a. ein „Schwarzmarkt Bild 8: „Schwarzmarkt des Wissens“ auf dem 2. Experten- Forum in Dortmund © Emschergenossenschaft/ Rupert Oberhäuser Bild 7: Beispielsammlung zu Good-Practice- Projekten © Emschergenossenschaft 44 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima des Wissens“: 25 Experten standen für konkrete Themen als Gesprächspartner zur Verfügung. Je zwei Teilnehmende des Forums meldeten sich über ein Ticketangebot zu einem der Themen an, um mit dem Fachmann darüber zu diskutieren. Die Teilnehmer ohne Ticket profitierten vom Zuhören und konnten am Ende der Gespräche Fragen stellen und Kommentare abgeben. Dabei wurde Wissen geteilt und vermehrt - und so mancher neue Kontakt geknüpft. Anschließend luden Arbeitsgruppen der Experten-Netzwerke, der Stadtkoordinatoren und anderer Initiatoren zu 20 Mini-Workshops ein, in denen spezifische Fragestellungen diskutiert wurden. Darunter zum Beispiel: „Wie mache ich meine Grundstücksentwässerung klimafest? Wen muss man neben den Grundstückseigentümern noch für dieses Thema sensibilisieren? “ oder „Welche Erfahrungen wurden in den einzelnen Kommunen zum Thema Dachbegrünung gemacht? Wie lassen sich dafür gemeinsame Standards entwickeln, um die Akzeptanz bei Investoren und Bauherren zu fördern? “. Zentrales Anliegen der Zukunftsinitiative ist es, dass sich die Menschen einbringen können, selbst aktiv werden und Verantwortung übernehmen. Dafür geben Formate wie die Experten-Netzwerke und das Experten-Forum den passenden Rahmen. Und so konstituierte sich auf dem 2. Experten-Forum auch gleich noch eine neue AG: „Straße und Wasser - wie können Straßen technisch zum Überflutungsschutz beitragen? “. Der Aufruf zum integralen Handeln trägt schon viele Früchte. Fazit Die Umsetzung einer wassersensiblen Stadtentwicklung trifft in der Emscherregion auf gute Rahmenbedingungen: Durch den Emscher-Umbau bieten sich viele Möglichkeiten, wasserwirtschaftliche Planungen mit der Stadt- und Freiraumplanung zu verzahnen und so beispielsweise Klimaanpassungsmaßnahmen zu realisieren, die gleichzeitig zur Aufwertung städtischer Freiräume beitragen. Die Zukunftsvereinbarung Regenwasser hat zudem bereits maßgeblich dazu beigetragen, dass das Thema dezentrale Regenwasserbewirtschaftung in den Stadtverwaltungen präsent ist. Ebenfalls positiv zu Buche schlägt die genossenschaftliche Organisationsform: Die Zusammenarbeit der Emschergenossenschaft mit den Emscherkommunen hat Tradition und ist von langjährigem Vertrauen geprägt - insbesondere im Bereich der Daseinsvorsorge. Keine schlechten Voraussetzungen also für eine erfolgreiche Zukunftsinitiative. LITERATUR [1] Pfister, A.: Langjährige Entwicklung von Starkregen - Handlungsempfehlungen für die Zukunft, 49. Essener Tagung, 2.-4. März 2016, Essen, 2016. [2] Emschergenossenschaft: Niederfeldsee Essen, Beispielsammlung zur Zukunftsinitiative „Wasser in der Stadt von morgen“, Essen, 2016. [3] Grün, E., Becker, M., Raasch, U., Hurck, R.: Regen- und Mischwasserbewirtschaftung im Emschergebiet, Korrespondenz Abwasser 7 (2015). [4] Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH: Emscher 3.0. Von Grau zu Blau oder wie der blaue Himmel über der Ruhr in die Emscher fiel, Wuppertal, 2013. [5] Emschergenossenschaft: Grün durch Blau - Abschlussbericht „Integrale Wasserwirtschaft als Motor der Stadt- und Freiraumentwicklung in Herten“, Essen, 2014. [6] Grün, E., Lindner, V., Sieker, H., Spengler, B.: Grün und Blau zusammen denken - das Kooperationsmodul ZUGABE, Korrespondenz Abwasser 9 (2016). [7] Emschergenossenschaft: Gemeinsame Absichtserklärung der Emscherkommunen, der Emschergenossenschaft und des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, Essen, 2014. AUTOREN Dr. Emanuel Grün Vorstandsmitglied Wassermanagement und Technische Services, Emschergenossenschaft Kontakt: gruen.emanuel@eglv.de Dipl.-Ing. Michael Becker Abteilungsleiter Wasserwirtschaft, Emschergenossenschaft Kontakt: becker.michael@eglv.de Dipl.-Ing. Ralf Schumacher Stabsstellenleiter Nachhaltige Entwicklung, Emschergenossenschaft Kontakt: schumacher.ralf@eglv.de 45 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima Vor diesem Hintergrund gibt es in Deutschland seit einiger Zeit Verordnungen, die beispielsweise beim Bau einer Wohnsiedlung die Umsetzung von Regenrückhalte-Maßnahmen fordern. So lassen sich Kanäle und Vorfluter sowie Kläranlagen entlasten. Als Branchenexperten haben sich die Unternehmen Krohne Messtechnik, Phoenix Contact, VAG Armaturen, Videc und Wilo der Thematik angenommen und gemeinsam eine Lösung zur Regelung und Überwachung von Regenbecken erarbeitet (Bild 1). Durch die Regenbecken, die der Zwischenspeicherung von Niederschlagswasser in Kanalnetzen dienen, kann der Zufluss zur Kläranlage oder zum Vorfluter gesteuert werden. In diesem Zusammenhang ist zwischen folgenden Typen zu unterscheiden:  Regenrückhaltebecken für Misch- und Trennsysteme  Regenüberlaufbecken für Mischsysteme  Regenklärbecken für Trennsysteme (Bild 2). Neue gesetzliche Rahmenbedingungen sowie strukturelle Änderungen bei den Betreibern bedingen hier zunehmend eine Automatisierung und ununterbrochene Kontrolle der Bauwerke. Stets genügend freie Kapazität Regelung und Überwachung von Regenbecken Thomas Geiz In den letzten Jahren hat die fortschreitende Urbanisierung - also die Nutzung flussnaher Überflutungszonen als Wohngebiet oder die Versiegelung städtischer Flächen - in Kombination mit dem Klimawandel immer wieder zu erheblichen Hochwasserschäden geführt. Hinzu kommt, dass Kanäle und Kläranlagen nicht für derartige Naturereignisse ausgelegt sind und auch nicht sinnvoll konzipiert werden können. Die Errichtung von Regenentlastungs-Bauwerken kann Abhilfe schaffen. 46 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima Berechnung der relevanten Regelgrößen Während eines Starkregenereignisses wird das überschüssige Wasser aus der Kanalisation zum Beispiel in einem Regenrückhaltebecken zwischengespeichert. Die geregelte Weiterleitung des Niederschlags an die Kläranlage oder Vorflut schützt diese Bauwerke vor einer möglichen Überlastung und bewahrt die umliegende Region vor Hochwasser. Sobald der Regen aufgehört hat, beginnt der Entleerungsprozess des Regenbeckens. Hierbei wird der Vorgabewert - die maximale Zuflussmenge zur Kläranlage oder Vorflut - mit der Durchflussmessung im Zulaufkanal der Anlagen verglichen, der in der Regel als Freispiegelleitung ausgeführt ist. Als Ergebnis des Vergleichs steht die Regelgröße für den Regelschieber der Abflussregelung des Regenbeckens zur Verfügung (Bild 3). Die im Regenbecken installierte Füllstandmessung sowie die Durchflussmessung sorgen darüber hinaus für die ununterbrochene Überwachung der Abschlagmenge und somit der Auslastung des Beckens. Eine optional vorhandene Leitfähigkeitsmessung ermöglicht die Kontrolle der Beschaffenheit und Belastung des Regenwassers. Auf diese Weise werden zukünftig notwendige analytische Messanforderungen bereits heute umgesetzt. Kommunikation über das Mobilfunknetz Die Ansteuerung und Berechnung der Regelgröße für den Entleerungsprozess des Regenbeckens erfolgt über die eingesetzte Automatisierungstechnik. Sie verbindet die Messeinrichtungen auch mittels standardisierter Fernwirkprotokolle mit der Leitwarte. Dabei spielt die Modularität, Verfügbarkeit und einfache Handhabung der Automatisierungstechnik eine immer größere Rolle. Um dem Aspekt der Bedienerfreundlichkeit Rechnung zu tragen, haben die Partner ihre Lösung gemäß dem Prinzip „Parametrieren statt Programmieren“ erstellt und auf Basis der speziell für die Wasserwirtschaft entwickelten Automatisierungs-Bibliothek Waterworx von Phoenix Contact realisiert. Der Überwachung wichtiger Kenngrößen - wie der Häufigkeit der Nutzung des Beckens, den Aufschlagmengen und weiteren Messwerten - kommt ebenfalls eine große Bedeutung zu. Im Rahmen der gemeinsamen Lösung werden die Daten in der Steuerung zwischengespeichert. Sollte die Verbindung zur Leitwarte ausfallen, überträgt die SPS die Werte nach der Wiederherstellung der Kommunikation zeitfolgerichtig an das Protokolliersystem der Kläranlage, beispielsweise Acron von Videc. Zur Kontrolle vor Ort im Bauwerk oder durch ein mobiles Endgerät verfügt die Lösung optional über einen Panel-PC, FORDERUNG NACH GLEICHMÄSSIGEM ZULAUF Das Regenwasser-Management wird immer mehr zu einer globalen Herausforderung. Daher hat Deutschland vor einiger Zeit entsprechende Verordnungen erlassen. Sie besagen beispielsweise, dass beim Bau einer Wohnsiedlung Regenrückhalte-Maßnahmen zu errichten sind, um Kanäle, Vorfluter und Kläranlagen zu entlasten. Der Zulauf zur Kläranlage sollte möglichst kontinuierlich und gleichmäßig erfolgen. Ein Starkregenereignis beeinflusst die Zulaufmenge sowie die maximale Reinigungsleistung der Kläranlage erheblich. Deshalb erweisen sich Regenbecken zur Zwischenspeicherung des Wassers und die spätere permanente Abgabe der maximalen Menge an die Kläranlage als wichtig. Gleiches gilt im Trennsystem für die Vorflut in Bäche oder Flüsse. In diese kann ebenfalls nur eine bestimmte Zulaufmenge pro Stunde eingeleitet werden, damit Hochwasser vermieden wird. Vor diesem Hintergrund haben erste Bundesländer, wie Nordrhein-Westfalen, eine Verordnung in Kraft gesetzt, die eine Überwachung und Regelung dieser Bauwerke fordert. Bild 1: Modell der gemeinsamen Lösung zur Regelung und Überwachung von Regenbecken © Krohne Messtechnik Bild 2: Regenentlastungs- Sammler an der Wupper. © Krohne Messtechnik 47 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima auf dem die HMI-/ Scada-Software Atvise läuft. Zum Datenaustausch wird häufig die Mobilfunktechnik verwendet, weil die wenigsten Betreiber Datenleitungen zu den Regenbecken verlegt haben. Damit die Daten vor unbefugten Zugriffen geschützt sind und der Aspekt der IT-Sicherheit erfüllt ist, nutzt die Lösung ein Mobilfunkmodem FL Mguard mit integrierter Hardware-Firewall von Phoenix Contact. So ist sichergestellt, dass nur berechtigte Personen aus der Ferne Regelparameter verändern sowie umgehend gemeldete Störungen quittieren können. Kontrolle aus der Ferne Die Lösung umfasst zudem eine unterbrechungsfreie Stromversorgung der Produktfamilie Quint UPS-IQ für die Automatisierungs- und Messtechnik. Sie sorgt für die hohe Verfügbarkeit der Anlage und der Daten. Aufgrund der IQ-Technology kann der Anwender sogar aus der Ferne sehen, wie lange der Akku beispielsweise noch einwandfrei arbeiten wird. Somit entfällt die Vor-Ort-Prüfung des Zustands der Batteriezellen, was Zeit und Geld spart. Im letzten Schritt des Entleerungsprozesses säubert ein Stahlrohrreiniger von Wilo das Regenbecken. Das Gerät beginnt bei einem frei einstellbaren Höhenstand seine Arbeit, um Verunreinigungen und Ablagerungen im Regenbecken zu verhindern (Bild 4). Die gemeinsame Lösung der Partner trägt folglich zu einer nachhaltigen Bewirtschaftung des Kanalnetzes und einem aktiven Gewässerschutz bei. Außerdem ist das Bauwerk bestens für zukünftige technologische Entwicklungen gerüstet. Als Beispiel sei ein zentrales Regenwasser-Management genannt, das auf Basis der Wetterdaten Vorkehrungen trifft, damit bei Bedarf stets genügend Kapazität im Regenbecken zur Verfügung steht. Bild 4: Stahlrohrreiniger von Wilo zur Säuberung des Regenbeckens. © Krohne Messtechnik Bild 3: Regelschieber der Abflussregelung des Regenbeckens von VAG Armaturen. © VAG Armaturen Thomas Geiz Senior Specialist Water and Wastewater Treatment im Industry Management Infrastructure Phoenix Contact Electronics GmbH, Bad Pyrmont Kontakt: info@phoenixcontact.de AUTOR 48 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima Bild 1: Überflutung nach einem Starkregenereignis in Schwäbisch- Gmünd am 29.05.2016. © Heino Schütte, Rems-Zeitung im Verlag Remsdruckerei Sigg, Härtel u. Co. KG, Schwäbisch- Gmünd Städtisches Hochwassermanagement braucht digitale Niederschlagsdaten Wasserwirtschaft, Regenwassermanagement, Infrastruktur, Digitalisierung, KOMMUNAL 4.0 Günter Müller-Czygan Seit im Sommer 2016 zahlreiche Städte in Deutschland und Europa von lokalen Starkregenereignissen heimgesucht wurden, steht die Überprüfung der Leistungskapazität von Kanalnetzen verstärkt im Fokus der Diskussionen. Für viele Kommunen waren die zum Teil verheerenden Folgen meist einzeln aufgetretener lokaler Starkregenereignisse nicht erwartet worden. Betroffene und Verantwortliche in Städten und Gemeinden stellen sich nicht nur seit diesen Tagen die Frage, ob derartige Ereignisse zukünftig besser vorhersehbar sein werden und was man präventiv tun kann. 49 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima Für den Umgang mit den Gefahren aus extremen Wetterereignissen bieten zahlreiche Lösungsansätze Hilfestellung, es gibt Empfehlungen und Hinweise aus nahezu 40 Forschungs- und Entwicklungsvorhaben [1, 2]. Allerdings entfalten viele dieser Empfehlungen ihre Wirkung erst mittel- und langfristig wie beispielsweise eine gezielte Flächennutzung für die Aufnahme massiver Regenwassermengen oder der Rückbau von Versiegelungen. Von digitalen Werkzeugen erhofft man sich dagegen bereits in absehbarer Zeit eine bessere Gefahrenbeurteilung sowie die Vorhersage möglicher Starkregenereignisse. Webbasierte Niederschlagsportale [3] sowie die digitale Auswertung von Luftbildkarten [4] und Kanalnetzdaten [5] werden als Möglichkeit angesehen, um das lokale Risikopotenzial bei Starkregenereignissen frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig präventive Maßnahmen treffen zu können. Niederschlag ist die wesentliche Eingangsgröße der Wasserwirtschaft Die wichtigste Eingangsgröße für nahezu alle Belange der Wasserwirtschaft ist der Niederschlag. Sein Einfluss wird nicht nur bei Starkregenereignissen deutlich, sondern ist auch die Grundlage für viele Berechnungen bzw. die Dimensionierung technischer Einrichtungen. Üblich ist hierbei der Zugriff auf statistische Bemessungsniederschläge, bei denen in der Vergangenheit der lokale Bezug nur unzureichend erfasst werden konnte. Auf dieser Basis erfolgt nach wie vor die Bemessung technischer Bauwerke zum Schutz vor Hochwasser und Überflutungen, aber auch die Festlegung einer effizienten Mischwasserableitung und -behandlung unter Einbezug von Modellsystemen und Beachtung entsprechender Regelwerke (z.B. [6]). Mittlerweile hat man in Fachkreisen die enorme Bedeutung lokaler Datengenauigkeiten erkannt und den Weg eingeschlagen, lokale Daten wirksamer mit in Modelle einzubeziehen. Damit können lokale Besonderheiten besser in Bemessungen berücksichtigt werden [7]. Auch für den Betrieb wasserwirtschaftlicher Infrastruktureinrichtungen sind verlässliche Niederschlagsdaten von großer Bedeutung. Die Zunahme einzelner Starkregenereignisse stellt Kanalnetzbetreiber vor die Aufgabe, eine vorausschauende Bewirtschaftung von Speicherräumen (Regenbecken, Hochwasserrückhaltebecken, Stauraumkanäle etc.) zu ermöglichen, um jederzeit die anfallenden Wassermengen sicher und gezielt abführen oder speichern zu können. Verlässliche Niederschlagsvorhersagen über Ort, Zeit und Menge werden immer wichtiger, wenn drohenden Gefahren präventiv und wirksam begegnet werden soll. Als am 29. und 30. Mai 2016 in Baden-Württemberg extreme lokale Starkregenereignisse auftraten, gab es in Orten wie beispielsweise in Schwäbisch Gmünd und Braunsbach enorme Schäden und sogar Tote. In der nicht weit von Braunsbach liegenden Stadt Öhringen konnten größere Schäden auf der damals stattfindenden Landesgartenschau dank eines webbasierten Niederschlagsprognosesystems vermieden werden. Etwa 12 Stunden vor dem Eintreffen der Starkregenfront bekam der technische Betrieb Öhringen über die App des Portals NiRA.web die ersten Informationen, dass ein Regenereignis mit bis zu 80 L/ m² zu erwarten war. Der Prognoseverlauf des angekündigten Unwetters wurde über mehrere Stunden beobachtet. Als sich die Prognose immer weiter verdichtete, wurde vom Betriebspersonal entschieden, vorsorglich mehrere Schieber an einem speziellen Hochwasserrückhaltebecken (HRB) manuell zu bedienen, um die erwarteten Regenmassen frühzeitig im HRB zu speichern und eine Überflutung des nahe gelegenen Landesgartenschauareals zu verhindern. Der Regen kam so massiv und schnell, dass ohne die Prognosedaten trotz vorhandener Automatik am HRB nur ein Teil der Wassermassen von der Landesgartenschau fern gehalten worden wäre. Die Ereignisse vom 29. Mai 2016 noch vor Augen schätzt Horst Geiger vom Eigenbetrieb Technische Werke Öhringen die Notwendigkeit digitaler Niederschlagsdaten enorm hoch ein: „Durch die Zunahme von Starkregenereignissen sehen wir uns mit neuen wasserwirtschaftlichen Herausforderungen konfrontiert, die verlässliche lokale Niederschlagsdaten verlangen. Mit einer Niederschlags-App bekomme ich von den ausgewählten Gebieten neben den aktuellen Niederschlagsdaten auch 72-Stunden-Prognosen und kann erkennen, wann und wo welche Niederschlagsmengen zu erwarten sind. Mit diesen Daten sind wir in der Lage, unsere wasserwirtschaftlichen Einrichtungen besser auf kommende Bild 2: Erfassung Starkregenereignis Schwäbisch Gmünd am 29.05.2016 per Niederschlagsdatenportal. © NiRA.web [3] 50 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima Ereignisse einzustellen“. Im Rahmen des Fördervorhabens KOMMUNAL 4.0 wird der Einsatz digitaler Niederschlagsdaten zum Hochwasserschutz in mehreren Pilotprojekten unter anderem mit den damals von Starkregenereignissen stark betroffenen Städten Öhringen und Schwäbisch Gmünd in der Praxis erprobt [8]. Radarbasierte, also digitale Niederschlagsdaten bieten Rechtssicherheit Die hohe Bedeutung radarbasierter, also digitaler Niederschlagsdaten zeigt sich auch in Rechts- und Haftungsfragen. Gutachter, die im Zuge des Haftungsnachweises bei Starkregenereignissen für Kommunen und Städte tätig sind, verwenden solche Daten für ihre Nachweisberechnungen [9]. Sie weisen damit nach, ob eine Kommune für aufgetretene Schäden haftbar gemacht werden kann oder nicht, oder ob der Versicherungsschutz in Anspruch zu nehmen ist. Werden generell für tägliche Betriebszwecke radarbasierte Niederschlagsdaten aus Webportalen verwendet, stärkt dies jede Kommune hinsichtlich einer Nachweispflicht bei Extremereignissen. Zudem stehen belastbare Daten unmittelbar nach dem Ereignis zur Verfügung, so dass der Informationspflicht schnellstmöglich nachgekommen werden kann. Digital verfügbare Niederschlagsdaten können auch für alle erdenklichen Berichte verwendet werden und man spart sich zusätzlich die Kosten für Installation und Wartung mechanischer Niederschlagsmessstationen. Bei der Auswahl webbasierter Niederschlagsportale ist allerdings auf folgende Mindestanforderungen zu achten:  Aufbereitung von Niederschlagsdaten sowohl von stationären Messeinrichtungen als auch in Form von Radardaten  Nutzung der höchsten Stufe der Bildqualitäten verwendeter Radardaten  Qualitätskontrolle durch Aneichung von Daten aus mehreren Quellen, z.B. Wetterstationsnetze oder Wettermodelle  Plausibilitätsprüfung durch spezielle Software inkl. der Überprüfung detektierter „Ausreißer“ durch einen erfahrenen Meteorologen Betriebseffiziente Anlagentechnik dank digitaler Niederschlagsdaten Auch im Bereich der Anlagentechnik spielt der Einsatz digitaler Niederschlagsdaten eine zunehmend wichtige -Rolle wenn es darum geht, Maschinen und Anlagen noch effizienter zu betreiben. Die bisherigen Bemühungen zur Steigerung der Maschinen- und Anlageneffizienz beschränkten sich auf die Maschine bzw. die Anlage selbst. Ein viel größeres Potenzial liegt in einer intelligenten Vernetzung von Maschinen und Anlagen in einem gesamten Infrastruktursystem unter Nutzung weiterer Daten. Jede Maschine, bei der ein unnötiger Betrieb vermieden Bild 3: Webbasierte Auswertung verschiedener Portalquellen nach einem Starkregenereignis. © HST Systemtechnik GmbH & Co. KG 51 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima werden kann, spart mehr Energie als die bestens optimierte Technik, deren Einsatz nicht erforderlich ist. Dies kann am Beispiel des richtigen Betriebs sogenannter Strahlreiniger verdeutlicht werden, die zur Reinigung von Regenbecken eingesetzt werden. Moderne Strahlreiniger sind dank der sogenannten Intelli-Systeme [10, 11] in der Lage, anhand einer optischen Schmutzerkennung nur dort zu reinigen, wo auf der Bodenfläche eines Regenbeckens tatsächlich Schmutz liegt. Ob dieser, wenn auch sehr effiziente, Reinigungsvorgang, überhaupt notwendig ist, erkennt die smarte Maschine selbst nicht. Mit der zunehmenden Verfügbarkeit lokaler digitaler Niederschlagsdaten und der Vernetzung von Datenportal und smarter Maschine erhalten die Steuerungssysteme aufbereitete Prognosedaten aus einem webbasierten Niederschlagsportal. Durch die permanente Auswertung einer 72-h-Niederschlagsprognose wird in Echtzeit geprüft, ob sich ein Reinigungsvorgang überhaupt lohnt. Ermittelt das System beispielsweise, dass innerhalb der nächsten drei Tage mehrere größere Regenereignisse anstehen, ist ein Reinigungsvorgang eigentlich ineffizient. Der Betreiber kann dann entscheiden, ob er unter solchen Bedingungen einen bislang üblichen Reinigungsvorgang in einem sparsameren Eco-Modus fährt oder ganz darauf verzichtet. Liegen künftig ausreichend Erfahrungen vor, können solche Entscheidungsprozesse dann automatisch ablaufen. Die Verknüpfung von Maschinen und Anlagen mit Niederschlagsportalen fördert das Ziel von Netzbetreibern, Speicherräume nach Möglichkeit optimal freizuhalten. Mit einer zentralen und effizienten Datenauswertung aller Bauwerke kann zukünftig einfacher und sicherer entschieden werden, wann welches Regenbecken entleert werden muss, um ausreichend Speicherkapazitäten frei zu halten bzw. um die Kapazitäten optimal zu nutzen. Das ist aktiver Hochwasserschutz. Auch die gezielte Steuerung von Entlastungsereignissen aus Regenbecken im Sinne eines optimalen Gewässerschutzes ist zukünftig ein wichtiger Anwendungsfall für die digitale Nutzung echtzeitbasierter Niederschlagsdaten [12]. Dieser kann durch webbasierte Auswertung von Einstaudaten und -häufigkeiten bzw. Entlastungsdaten und -häufigkeiten zunehmend automatisiert ablaufen. Ihre optimale Wirksamkeit entfalten solche digitalen Lösungen, wenn eine Ankopplung an entsprechende Datenportale vorgenommen wird, wie dies Gegenstand im Projekt KOMMUNAL 4.0 ist. Dabei werden unter anderem verschiedene Intelli-Systeme/ Smarte Maschinen an eine neuartige, zentrale und webbasierte Daten- und Serviceplattformen angeschlossen, in die auch das Niederschlagsdatenportal NiRA.web integriert wird. Dank der Einbettung in das Projekt KOMMUNAL 4.0 erhalten smarte Maschinen zugleich die richtigen Standardschnittstellen sowie Sicherheitsapplikationen für zukünftige Entwicklungen. Besonders beachtet werden dabei die Anforderungen, die sich durch das IT- Sicherheitsgesetz [13] sowie die aktuelle EU-Datenschutzverordnung [14] ergeben. LITERATUR- UND QUELLENNACHWEIS [1] h t t p : / / w w w . b b s r. b u n d . d e / B B S R / D E / V e r o e f f e n t l i c h u n g e n / S o n d e r v e r o e f f e n t l i c h u n g e n / 2 0 16 / a n p a s s u n g k l i m a w a n d e l d l . p d f ? _ _ blob=publicationFile&v=2 [2] https: / / um.baden-wuerttemberg.de/ de/ umwelt-natur/ schutz-natuerlicher-lebensgrundlagen/ wasser/ starkregen/ [3] www.nira-web.de [4] ht t p s : / / w w w. h s t .d e / pro d u k te / i ta u to m a tio n / betriebsfuehrung.html [5] h t t p : / / w w w . s p i e g e l . d e / w i s s e n s c h a f t / n a t u r/ starkregen-karten-sagen-risiko-von-sturzflutenvorher-a-1102125.html [6] Arbeitsblatt DWA-A 531 „Starkregen in Abhängigkeit von Wiederkehrzeit und Dauer“ (September 2012) [7] Haberlandt, U.: Ergebnisse eines Expertengesprächs zum Bemessungsniederschlag, Korrespondenz Wasserwirtschaft, 6 (2016) S. 340 ff. [8] https: / / www.kommunal4null.de/ pilotprojekte/ pilotprojekte.html [9] Gutachten zu Entstehung und Verlauf des extremen Niederschlag-Abfluss-Ereignisses am 26.07.2008 im Stadtgebiet von Dortmund´, Quelle: http: / / www. gruene-luedo.de/ download/ gutachten_neu.pdf [10] Müller-Czygan. G.: „Digitalisierung öffentlicher Infrastrukturen am Beispiel der Wasserwirtschaft“, Automation Blue 1 (2016). [11] Müller-Czygan. G., Becker, C.: „Mit smarten Maschinen in die digitale Wasserwirtschaft starten“, WASSER und ABFALL, 9 (2016). [12] Lieb, W: . „Strangbetrachtung - eine einzugsbezogene RÜB-Auswertung“, Tagungsband der Tagung der DWA-Kläranlagen- und Kanal-Nachbarschaften Baden Württemberg, April 2016. [13] ht tps : / / w w w.bmi.bund.de / S haredDoc s / Dow n loads/ DE/ Gesetzestexte/ it-sicherheitsgesetz.pdf ? _ _ blob=publicationFile [14] http: / / w w w.europarl.europa.eu/ news/ de/ newsroom/ 20160407IPR 21776/ parlament-verabschied e te u d a t e n s c h u t z r e f o r m - % E 2 % 8 0 % 9 3 e u fit-f%C3%BCrs-digitale-zeitalter Dipl.-Ing. Günter Müller-Czygan Leiter M&A Objekte / KOMMUNAL 4.0 HST Systemtechnik GmbH & Co. KG, Meschede Kontakt: guenter.mueller-czygan@hst.de AUTOR 52 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima Änderungen auf Quartiersbeziehungsweise Siedlungsebene In Hamburg hat die Zukunft bereits begonnen. Bei Neubaugebieten und Bestandsquartieren werden neue Wege beschritten. Ein allmählicher Stadtumbau ist das Ziel. Die Behörde „Umwelt und Energie“ und das Versorgungsunternehmen „Hamburg Wasser“ haben gemeinsam das Projekt Regen-InfraStruktur-Anpassung (RISA) 2009 gestartet und 2015 erfolgreich abgeschlossen. Absicht war, nachhaltige Ideen und Konzepte für den Umgang mit Regenwasser zu entwickeln. Ergebnis ist ein dezentrales Konzept, das Regenwasser dort, wo es anfällt, erfasst und - soweit möglich - an Ort und Stelle durch geeignete Starkregen in Deutschland Siedlungsentwässerung und Haustechnik stellen sich auf Extremwetter ein Klimawandel, Regenwasserbewirtschaftung, Hochwasserschutz , Infrastruktur, Entwässerungssysteme, Dachbegrünung Klaus W. König Im ersten Halbjahr 2016 traten Starkregenereignisse besonders kleinräumig und heftig auf. Trotz professioneller Wetterdienste, stündlicher Vorhersagen und lokaler Unwetterwarnungen konnten die Betroffenen nicht ausreichend vorsorgen. Sach- und Personenschäden waren erheblich. Das hat Auswirkungen auf die Siedlungsentwässerung und Haustechnik der Zukunft. Der Artikel richtet sich an TGA-Planer, die Architekten bei Hochbauprojekten darin unterstützen wollen, im Gebäude und auf dem Grundstück zu annähernd 100 % Regenwasserbewirtschaftung zu erreichen. Anlagen wieder dem natürlichen Wasserkreislauf zuführt. Die übergeordneten Ziele des Projektes sind ein naturnaher lokaler Wasserhaushalt, weitergehender Gewässerschutz und Überflutungs-/ Binnenhochwasserschutz. Dies zu erreichen, setzt eine interdisziplinäre Zusammenarbeit voraus, die sich in der Projektstruktur von RISA widerspiegelt: Wasserwirtschaftler sowie Stadt-, Landschafts- und Verkehrsplaner erarbeiteten gemeinsam mit wissenschaftlicher Unterstützung durch Universitäten und Ingenieurbüros zukunftsfähige Lösungen für das Leben mit Regenwasser in Hamburg, die im „RISA Strukturplan Regenwasser 2030“ zusammengefasst sind und gemeinsam mit Begleitdokumenten zum Download zur Verfügung stehen [1]. THEMA Stadtklima Bild 1: Gefährlich wird es, wenn Cumulonimbus-Wolken entstehen und in kurzer Zeit bis in eine Höhe von 12 km gelangen. Dort kommt es in kühler Atmosphäre zu schlagartiger Kondensation, was zu Hagel und Starkregen führt. © König 53 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima Im Hamburger Projekt RISA ist die Hafen City Universität (HCU) Partner und liefert wissenschaftliche Unterstützung. Professor Dr.-Ing. Wolfgang Dickhaut leitet dort das Fachgebiet „Umweltgerechte Stadt- und Infrastrukturplanung“ (USIP). Dr.-Ing. Elke Kruse ist wissenschaftliche Mitarbeiterin. In ihrem Buch „Integriertes Regenwassermanagement für den wassersensiblen Umbau von Städten“ [2] empfiehlt sie:  ein „grünes Netzwerk“ (begrünte Versickerungsflächen) für Städte, deren Bodenbedingungen eine Versickerung ermöglichen,  ein „temporär blaues Netzwerk“ (multifunktional gestaltete Flächen, z. B. Stadtplätze, Spiel- und Sportplätze, die temporär überschüssiges Regenwasser speichern können) als Alternative dazu für Städte, deren innere Quartiere keinen Platz für Versickerungsflächen aufweisen oder die über größere, ehemals industriell genutzte Bereiche verfügen,  ein „blau-grünes Netzwerk“ aus Wasserläufen und -flächen in Kombination mit bisher verrohrten Gewässerabschnitten. Änderungen auf Grundstücks- und Gebäudeebene Obwohl dezentrale Maßnahmen auf privaten Grundstücken durch die Niederschlagswassergebühr direkt gefördert werden, könnte die Politik laut Elke Kruse mit einem zusätzlichen finanziellen Förderprogramm Anreize schaffen, z.B. für den Bau von Versickerungsmaßnahmen. „Es kommt darauf an, ob die gesplittete Abwassergebühr als alleiniger Anreiz genügt, damit eine ausreichende Anzahl von Maßnahmen in überflutungsgefährdeten Gebieten realisiert wird. Sollte dies nicht der Fall sein, müsste das Förderprogramm entweder stadtweit aufgestellt oder für ausgewählte Bereiche der Stadt zugeschnitten werden. Eine direkte Ansprache von Grundstücksbesitzern in den gefährdeten Gebieten würde die Wirksamkeit der Programme verstärken“, stellt Elke Kruse fest. In Bestandsgebieten, vor allem im Zentrum der Städte und Gemeinden, kann es eng werden. Zu ebener Erde fehlt oftmals die Fläche für „grüne Maßnahmen“. Dann bietet sich an, Regenwasser auf dem Dach von Gebäuden zu sammeln und zu bewirtschaften. Zusätzliche Flächen, Rohre und Speicher werden so gespart. Bei großen Liegenschaften zeichnet sich mittlerweile die Verdunstung als Trend ab. Eine Variante ist das begrünte Flachdach mit zusätzlichem Retentionsvolumen als Starkregenpuffer. Im Nebeneffekt kühlt die Verdunstung aus dem Gründach die Umgebung - ideal für aufgeheizte Städte im Sommer. Eine andere Version ist das Nutzen des Niederschlags, im Regenspeicher bevorratet, für die energiesparende Kühlung des Gebäudeinnern. Dies gelingt mit wenig Aufwand bei großen Bauten, die ohnehin mit Klimaanlage und Wärmeübertrager für Zu-/ Abluft ausgestattet sind. Adiabate Abluftkühlung mit Regenwasser Meist wird im Plattenwärmeübertrager die Zuluft mit der Abluft vorgekühlt, ohne dass die sich begegnenden Luftströme direkt miteinander in Kontakt treten. Der Wärmeübertrager ist derselbe, der im Winter zur Wärmerückgewinnung dient. Im Sommer wird Regenwasser in den Abluftstrom gesprüht, wobei dieser durch den hohen Energiebedarf des Phasenübergangs flüssig/ gasförmig um mehrere Kelvin abkühlt. Die dafür erforderliche Wärme wird permanent der entgegenströmenden Außenluft entzogen. Vorteil: In der konventionellen Kältebereitstellung Bild 3: Lokaler Starkregen mit Überflutung in Frickingen/ Bodenseekreis am 22.07.2016. © Jäckle Bild 2: Überflutung einer Tiefgarage nach intensivem Starkregenereignis in Ditzingen/ Landkreis Ludwigsburg am 4. Juli 2010. © Deutscher Dachgärtnerverband 54 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima treten in der Regel Zirkulationsverluste auf. Sie entfallen bei der adiabaten Abluftkühlung, da die Kälte mit hoher Effizienz direkt in der Lüftungsanlage erzeugt wird. Im Idealfall verlässt die Abluft den Wärmeübertrager im Temperaturniveau der Außenluft bei einer Luftfeuchte von 100 %. Weitere Vorteile dieser Technik: Regenwasser hat eine sehr geringe elektrische Leitfähigkeit als Indikator für einen minimalen Salzanteil. Gegenüber der Verwendung von Trinkwasser zur Erzeugung von Verdunstungskälte wird nur halb so viel Wasser benötigt und kein Abwasser erzeugt. Außerdem ist die Verdunstung von Wasser energetisch positiv zu bewerten, denn bei der Verdunstung eines Kubikmeters werden etwa 680 kWh Verdunstungskälte erzeugt. Gegenüber der Verwendung von Strom oder Fernwärme zur Gebäudekühlung ergeben sich bis zu 90 % Einsparpotenzial pro Jahr. Das ist primär abhängig von der Innenraumbzw. Abluftfeuchte sowie der technischen Ausführung des „Back-ups“ zur Sicherstellung der Zieltemperaturen. Hinweise zu Planung, Bau, Betrieb und Wartung von raumlufttechnischen Anlagen sowie hygienische Anforderungen an die Anlagen sind den VDI- Richtlinien 3803 und 6022 zu entnehmen. Adiabate Abluftkühlung, Anwendungsbeispiele Schule in Mössingen: Ein Schwerpunkt in der Haustechnik des im Jahr 2014 neu erstellten Gebäudes ist die Regenwassernutzung, die den Sanitärbereich mit Betriebswasser versorgt sowie das Betriebswasser für die adiabate Kühlung liefert. Bei den Klimaanlagen wurde bewusst auf ein Back-up durch eine konventionelle Kompressionskältemaschine verzichtet. Hierdurch sinken die Investitions- und Betriebskosten [3]. Gegenüber der konventionellen Lösung mit Kompressionskältemaschine entstehen pro Tag bei 8 h Volllastbetrieb Einsparungen von 178 EUR Stromkosten. Im Vergleich zu einer Absorptionskälteanlage sind es sogar 369 EUR pro Tag für Wärme, Strom, Wasser und Abwasser. Die Stromkosten für den Pumpenbetrieb der Regenwassernutzungsanlage und der adiabaten Abluftkühlung fallen mit etwa 4 EUR pro Tag dagegen verschwindend gering aus. Der Betriebskostenvergleich wurde aus einem Forschungsprojekt des Bundeswirtschaftsministeriums im Programm www.eneff-stadt.info abgeleitet [4]. Institut für Physik der Humboldt-Universität zu Berlin auf dem Campus Adlershof: Wissenschaftlich begleiten die Hochschule Neubrandenburg und die Technische Universität Berlin dieses stadtökologische Modellvorhaben der Senatsverwaltung Bild 4: Prinzip der adiabaten Abluftkühlung in Klimatisierungsanlagen. Das von den Dächern gesammelte Regenwasser wird innerhalb eines Wärmeübertragers in die Abluft gesprüht und kühlt diese deutlich ab. Der Effekt überträgt sich auf die Zuluft. © Mall Bild 5: Gymnasium Riedberg in Frankfurt am Main. Das Regenwasser von 2500 m² Dachfläche wird gesammelt und zur adiabaten Abluftkühlung verwendet. © König Bild 6: Gymnasium Riedberg in Frankfurt am Main. Klimaanlage im Untergeschoss inkl. adiabater Abluftkühlung mit Verdunstung des Regenwassers aus dem unterirdischen Speicher. © König 55 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima für Stadtentwicklung Berlin bereits seit Baubeginn vor 15 Jahren. Eines der Ergebnisse: Die naturnahen klimatisch wirksamen Prozesse sparen nahezu 90 % der Betriebskosten für die Gebäudekühlung im Vergleich zu konventionellen Systemen [5]. Gymnasium Riedberg in Frankfurt: Der Neubau für 1350 Schüler ist seit 2013 in Betrieb [6]. Das Regenwasser wird von 2500 m² Dachfläche gesammelt, Fassungsvermögen des Regenspeichers 36 m³, Kapazität der Druckerhöhungsanlage mit zwei Tauchmotorpumpen 16,5 m³/ h. Die Betriebskosteneinsparung im Vergleich zu einer herkömmlichen Kompressions-Kältemaschine liegt bei etwa 1000 EUR pro Jahr. Zusätzlich entfallen Gebühren für die Niederschlagsableitung. Hochschule Pforzheim: Neubau Erweiterung Fakultät für Technik mit adiabater Abluftkühlung, fertiggestellt 2015. Retentionsdach kappt Niederschlagsspitzen Wird Regenwasser nicht oder nur teilweise im Speicher zum Beispiel für die adiabate Abluftkühlung gebraucht, ist die Dachbegrünung eine sehr effektive Möglichkeit, Niederschläge zeitverzögert abfließen bzw. auf dem Dach verdunsten zu lassen. Das neu entwickelte Retentions-Gründach der ZinCo GmbH vervielfacht ganz gezielt diesen Effekt und gleicht damit Niederschlagsspitzen aus. Eine gewöhnliche Extensivbegrünung speichert zwischen 20 und 40 L/ m² Wasser, eine Intensivbegrünung zwischen 50 und 100 L/ m², in Einzelfällen sogar darüber. Im Hinblick auf lokale Überflutungsereignisse soll die Dachbegrünung möglichst viel Niederschlag speichern können. Andererseits führt ein Zuviel an pflanzenverfügbarem Wasser zu Vegetationsumbildungen und damit zu erhöhtem Pflegeaufwand oder gar zu Staunässe und Wurzelfäulnis. Daher ist das Retentions-Gründach zweiteilig aufgebaut: Regenrückhaltung und Begrünungsaufbau sind getrennt. Abstandshalter (Spacer) bestimmen die frei wählbare Höhe des Retentionsvolumens. Beispiel: Ein 10 cm hoher Abstandshalter gewährleistet, unabhängig vom Substrat der Begrünung, eine zusätzliche Regenwasser-Speicherung von etwa 80 L/ m². Angestautes Wasser fließt kontinuierlich über ein Drosselelement ab, das im Gully verankert ist. Dies geschieht in einem für das jeweilige Objekt definierten Zeitraum, zwischen 24 Stunden und mehreren Tagen. Das nach Computersimulation berechnete Drosselelement und der Gully liegen geschützt innerhalb eines fein geschlitzten Kontrollschachts, welcher das Einschwemmen von Fremdstoffen verhindert [7]. Meteorologisch haben wir es bei Starkregen immer öfter mit einem Phänomen zu tun, das seinen Ursprung im sogenannten „Tief Mitteleuropa“ hat. Laut Deutschem Wetterdienst (DWD) handelt es sich dabei um ein Tiefdruckgebiet mit riesigen Ausmaßen, welches sich in mehr als fünf Kilometern Höhe über weite Teile Mitteleuropas erstreckt und wenig bewegt. Deshalb ziehen während dieser Zeit die bodennahen Tiefdruckgebiete nur langsam über uns hinweg. In feuchtwarmer Luft bilden sich schließlich Gewitter mit stationären Wolken, deren gewaltige Wassermassen als anhaltende lokale Regenschauer einzelne Orte außergewöhnlich hart treffen. Ein solches „Tief Mitteleuropa“ hatte laut DWD auch die Hochwasserereignisse an der Elbe 2002 und in Süddeutschland 2013 ausgelöst. Im Jahr 2016 war besonders, dass die bedrohliche Wettersituation mehrere Wochen andauerte und über einen längeren Zeitraum sehr viele einzelne Katastrophen in Kommunen verschiedener Bundesländer auslöste. Eine mögliche Ursache für die außergewöhnlich langsame Wetterverlagerung beim Tief Mitteleuropa sieht das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung darin, dass sich die Arktis gegenüber südlicheren Regionen durch die Klimaveränderung überproportional erwärmt habe, was zu schwächeren Westwinden führe. Beim DWD ist man noch zurückhaltend, den Klimawandel als unmittelbaren Verursacher extremer Wetterlagen zu bezeichnen - stellt aber fest, dass wärmere Luft physikalisch bedingt mehr Wasser gasförmig aufnehmen kann und damit auch mehr Starkregenpotenzial vorhanden ist. Gefährlich wird es, wenn daraus Cumulonimbus-Wolken entstehen, die in kurzer Zeit bis in eine Höhe von 12 km gelangen. Dort kommt es in kühler Atmosphäre zu schlagartiger Kondensation, was zu Hagel und Starkregen führt. Den Rekord mit dem höchsten in Deutschland gemessenen Niederschlag hält Zinnwald im Erzgebirge mit 312 L/ m² in 24 Stunden. Das war ein großräumig auftretender Starkregen, der am 12./ 13. August 2002 stattfand und das verheerende Elbehochwasser auslöste. Quelle: Hörmann, B.: Die Flut reißt alles mit sich. In: Südkurier Nr. 126 vom 03.06.2016. Südkurier GmbH Medienhaus Konstanz TIEFDRUCKGEBIET MITTELEUROPA Bild 7: Das Retentions-Gründach von ZinCo ist zweiteilig aufgebaut. Regenrückhaltung und Begrünungsaufbau sind getrennt. Abstandshalter bestimmen die frei wählbare Höhe des Retentions-Volumens. © ZinCo Bild 8: Angestautes Wasser fließt kontinuierlich über ein Drosselelement ab, das im Gully verankert ist. © ZinCo 56 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima Objektgerechte Planung Der über dem Retentionsvolumen liegende Begrünungsaufbau stellt alle für das Funktionieren der Dachbegrünung wichtigen Aspekte sicher. Das sind der Luft-Wasser-Haushalt im Wurzelraum, die Dränage und die Wasserspeicherung für die Pflanzen. So sind alle Dachbegrünungs- und Nutzungsformen möglich, auch Geh- und Fahrbeläge. Abhängig von Klima, Niederschlagsmengen und gewünschter Retention werden die Parameter für das Retentions- Gründach objektspezifisch festgelegt und durch Simulationsrechnungen geprüft. Dazu gehören maximales Einstauvolumen, maximale Entwässerungsmenge pro Zeiteinheit und die Zeitdauer, bis der Stauraum wieder zur Verfügung stehen soll. Eine Referenz ist das neue Büro- und Verwaltungsgebäude der Mitsubishi Electric Europe B.V. in Ratingen mit 3800 m² Extensivbegrünung und 640 m² Intensivbegrünung. Unter beiden Begrünungsvarianten befinden sich, vollflächig verlegt, 6 cm hohe Spacer- Elemente und damit ein zusätzliches Retentionsvolumen von bis zu 40 L/ m² Wasser [7]. Auch die Optigrün international AG hat diesen Entwicklungen Rechnung getragen und die Systemlösung Retentionsdach Typ Drossel mit den Varianten Gründach und Verkehrsdach entwickelt. Damit gibt es alternative Lösungen, um einen vorgegebenen Maximalabfluss einzustellen und somit die Einleitbeschränkung in den Kanal zu erfüllen. Basis dieses Systems ist die Wasserretentionsbox, mit der bis zu 140 L/ m² angestaut werden können. Mit Hilfe eines Kapillarsystems wird das zwischengespeicherte Niederschlagswasser in den darüber liegenden Begrünungsbau gezogen und über die Vegetation verdunstet - mit allen damit verbundenen positiven Wirkungen. Die maximale Abflussspende lässt sich einstellen auf 1-10 L/ s x ha. Die gewünschte Anstauhöhe kann mit dem Regenwasser-Simulationsprogramm RWS 4.0 exakt berechnet werden [8]. Wetter-App steuert Abfluss situationsbezogen Erst seit 15 Jahren macht der Deutsche Wetterdienst (DWD) eine flächendeckende, hochaufgelöste Radarbeobachtung. Das ist Voraussetzung, um gezielt für einzelne Landkreise Wetterwarnungen herausgeben zu können. Beim DWD erfolgt eine Warnung vor „markantem Wetter“ bereits, wenn in einer Stunde mindestens 15-25 L/ m² (bzw. in 6 Stunden 20-35 L/ m²) erwartet werden. Die nächste Stufe heißt „Unwetter“ bei einer Prognose ab 25 L/ m² (oder in 6 Stunden mehr als 35 L/ m²). Die höchste Warnstufe ist das „extreme Unwetter“ ab 40 L/ m² (oder in 6 Stunden über 60 L/ m²) [9]. „Risikomanagement in der kommunalen Überflutungsvorsorge für Entwässerungssysteme bei Starkregen“ ist der Titel des Merkblatts aus dem DWA-Regelwerk, das im November 2016 erschienen ist. Auf 53 Seiten befasst es sich mit der Analyse der Überflutungsgefährdung und des Schadenspotenzials zur Bewertung der daraus resultierenden Überflutungsrisiken durch lokale Starkregen in Bezug auf kommunale Entwässerungssysteme. Das Merkblatt baut unmittelbar auf den Vorgaben und Empfehlungen der Norm DIN EN 752 „Entwässerungssysteme außerhalb von Gebäuden“ sowie des Arbeitsblattes DWA-A 118 „Hydraulische Bemessung und Nachweis von Entwässerungssystemen“ zur hydraulischen Leistungsfähigkeit dieser Systeme auf. Es enthält Erläuterungen, Empfehlungen und Hinweise zur methodisch fundierten Bearbeitung der Überflutungsproblematik mit Erarbeitung qualifizierter Planungsgrundlagen zur Entwicklung wirkungsvoller, wirtschaftlich vertretbarer, notwendiger Schutzmaßnahmen. Die Ausführungen gelten in erster Linie für öffentliche Entwässerungssysteme. Dies entspricht dem Anwendungsbereich des Arbeitsblattes DWA-A 118 und ist abweichend vom Gültigkeitsbereich der DIN EN 752. Im übertragenen Sinne sind die Informationen auch für Bewertungen der Überflutungsgefährdung größerer privater Flächeneinheiten (Gewerbe- und Industriebetriebe, Wohnanlagen etc.) nutzbar. Das Merkblatt richtet sich sowohl an planende Ingenieure, kommunale Entwässerungsbetriebe und fachlich zuständige Behörden als auch an die mit der Risikokommunikation befassten oder von ihr angesprochenen Gruppen. Vertrieb: www.dwa.de/ shop Quelle: DWA-Presseinformation 40/ 2016 MERKBLATT DWA-M 119 NEU ERSCHIENEN 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES Bild 9: Durch viele miteinander vernetzte Dächer mit Retentionsbox der Optigrün-Systemlösung Drossel 4.0 lassen sich Regenwasserhaushalt und Überflutungsvorsorge flächendeckend aktiv steuern. © Optigrün Bild 10: Begrüntes Retentionsdach Typ Drossel 4.0 mit „Smart Flow Control“. © Optigrün 57 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima Das Unternehmen Optigrün international AG präsentierte auf der Messe GaLaBau 2016 in Nürnberg erstmals die zum Patent angemeldete Drossel 4.0 „Smart Flow Control“ - und gehört damit zu den Gewinnern der GaLaBau-Innovationsmedaille. Grundsätzlich wird so viel Niederschlag wie möglich in der Wasserretentionsbox gespeichert und der Vegetation über Kapillarsäulen zur Verfügung gestellt. Steht Regen bevor, öffnet sich (durch eine mit dem Internet verbundene Wetter-App) der Ablauf, so dass die vorhergesagte Niederschlagsmenge abfließt. Somit ist das für den bevorstehenden Regen erforderliche Retentionsvolumen vorhanden. Der Abfluss vom Dach erfolgt in der Regel nur vor einem Regenereignis - also dann, wenn die Kanalisation noch nicht belastet ist. Während des Niederschlags schließt sich der Ablauf und die Kanalisation wird durch den Regenrückhalt in den Wasserretentionsboxen auf dem Dach entlastet. Da die Drossel 4.0 „Smart Flow Control“ nicht nur automatisch, sondern auch manuell aus der Ferne überwacht und gesteuert werden kann, eröffnen sich für die kommunale und überregionale Wasserwirtschaft neue Möglichkeiten: Wenn viele Dächer in einer Kommune mit dieser Technik ausgestattet und miteinander vernetzt werden, lassen sich der Regenwasserhaushalt und die Überflutungsvorsorge flächendeckend aktiv regeln. Das bietet die Möglichkeit, ein großes steuerbares Regenüberlaufbecken auf verschiedenen, jedoch miteinander vernetzten Dächern anzulegen [8]. Zusammenfassung In den Jahren 2011 bis 2014 ging in Deutschland der tägliche Zuwachs bebauter Flächen langsam zurück. Im 4-Jahres-Durchschnitt waren es 69 ha beiehungsweise 0,69 km² [10] - eine gute Nachricht. Doch etwa die Hälfte dieser Siedlungs- und Verkehrsfläche ist versiegelt, so dass Tag für Tag immer noch mehr als 30 ha Fläche aus dem natürlichen Wasserkreislauf verschwinden. Dem kann mit den vorgenannten Maßnahmen des Stadtumbaus, der Dachbegrünung, Regenrückhaltung und Verdunstung wirkungsvoll begegnet werden. Die Kanalisation ist im Zentrum vieler Städte veraltet und unterdimensioniert. Investitionen und Erweiterungen im bestehenden System sind sehr kostenintensiv und werden deshalb nach Möglichkeit vermieden. Die kostengünstigere Lösung ist eine Beschränkung der zulässigen Einleitung in überlastete Kanalnetze - Hamburg hat damit in einzelnen Quartieren bereits begonnen. TGA-Fachplaner betrachten dies vor dem Hintergrund der erwähnten Maßnahmen (Retentionsdächer und adiabate Abluftkühlung mit gesammeltem Regenwasser) als lösbare Herausforderung. Der Überflutungsnachweis nach DIN 1986-100 hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Die anfallende Wassermenge soll nachweislich auf dem eigenen Grundstück zurückgehalten werden, ohne dass es zur Überflutung von Gebäuden kommt. Auch das gelingt mit den genannten Methoden besser, da der Regenwasserabfluss vom Gebäude auf das Grundstück verringert wird. LITERATUR [1] Leben mit Wasser. Das Projekt RISA. http: / / www. risa-hamburg.de/ [2] Kruse, E.: Integriertes Regenwassermanagement für den wassersensiblen Umbau von Städten. Fachbuch mit 246 Seiten und zahlreichen farbigen Abbildungen. Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart, 2015. [3] Schmidt, M., Sperfeld, D.: Adiabate Kühlung mit Regenwasser. In: fbr-wasserspiegel 4/ 14, S. 14. (Hrsg.: ) Fachvereinigung Betriebs- und Regenwassernutzung e. V., Darmstadt, 2014. [4] TU Berlin: Abschlussbericht „HighTech-LowEx: Energieeffizienz Berlin Adlershof 2020“ Teil 8 Energieeffiziente Gebäude, BMWi Förderkennzeichen 03ET1038A und 03ET1038B, 144 S. Berlin, 2014. [5] Konzepte der Regenwasserbewirtschaftung. Gebäudebegrünung, Gebäudekühlung. Leitfaden für Planung, Bau, Betrieb und Wartung. (Hrsg.: ) Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin, Broschüre, 1. Auflage, Berlin, 2010. [6] Kaiser, M. und Schmidt, M.: Einsatz von Regenwasser zur Kühlung von Gebäuden und Prozessen, in: Ratgeber Regenwasser. Für Kommunen und Planungsbüros. Rückhalten, Nutzen und Versickern von Regenwasser im Siedlungsgebiet. 5. Auflage. (Hrsg.: ) Mall GmbH, Donaueschingen, 2014. [7] Appl, R.: Dieser Dachaufbau reduziert die Hochwassergefahr. ZinCo Pressebericht, 2016. www.zinco.de [8] Innovatives Regenwassermanagement: Wetter-App steuert Abfluss von Gründach. Optigrün-Pressemitteilung, 2016. www.optigruen.de [9] Warnkriterien für Unwetterwarnungen des DWD. http: / / www.wettergefahren.de/ warnungen/ unwetterwarnkriterien.html [10] Das Tempo des Flächenverbrauchs geht zurück. Umweltbundesamt, Pressemitteilung vom 01.07.2016. http: / / www.umweltbundesamt.de/ daten/ flaechennutzung/ siedlungs-verkehrsflaeche Dipl.-Ing. Klaus W. König Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Bewirtschaftung und Nutzung von Regenwasser, Fachjournalist kwkoenig@koenig-regenwasser.de AUTOR 58 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima Städte weisen ein abweichendes Lokalklima gegenüber ihrem Umland auf. Charakteristisch für das Stadtklima ist das Auftreten einer städtischen Wärmeinsel. Der Begriff beschreibt einen positiven Temperaturunterschied zugunsten dicht bebauter städtischer Gebiete gegenüber dem geringer verdichteten Umland. Dieser Unterschied nimmt allgemein mit der Stadtgröße zu, zeigt sowohl tages- und jahreszeitliche als auch kleinräumige Unterschiede und wird von den meteorologischen Bedingungen maßgeblich beeinflusst. Die städtische Wärmeinsel ist in den meisten Städten im Sommer bzw. der warmen Jahreshälfte am stärksten ausgeprägt. In der Nacht treten dabei die größten Temperaturunterschiede auf, wohingegen es in der Stadt am Tag oft ähnlich warm oder sogar kühler ist als im Umland[1]. Bei Hitze sind die negativen Auswirkungen der städtischen Wärmeinsel für weite Teile der Bevölkerung wahrnehmbar. Höhere Temperaturen in der Stadt, besonders in so genannten Tropennächten 1 , erhöhen die körperliche Belastung der BewohnerInnen, weil die Erholung durch die verringerte nächtliche Abkühlung beeinträchtigt ist. Zusätzliche Relevanz erlangt dieses Thema auch vor dem Hintergrund des Demografischen Wandels und der damit einhergehenden, verstärkten Alterung der Gesellschaft. In besonders heißen Sommern wurden in der Vergangenheit, insbesondere bei älteren Menschen, erhöhte Morbiditäts- und Mortalitätsraten beobachtet [2, 3]. Umgekehrt kann die städtische Wärmeinsel bei Kälte positive Effekte haben, beispielsweise einen niedrigeren Heizenergiebedarf [4]. Da sich die Temperaturen je nach Bebauungsstruktur deutlich unterscheiden können, ist für die Planung und Implementierung konkreter Maßnahmen zur Anpassung an Hitze eine kleinräumige Betrachtung unabdingbar. Mikroklimatische Unterschiede innerhalb eines Stadtkörpers sind vorwiegend auf die lokalen Bebauungsstrukturen zurückzuführen. Es konnte festgestellt werden, dass Baustrukturen, die zur Überwärmung im Sommer neigen, meist ähnliche Eigenschaften aufweisen. Dazu gehören auf der stadtplanungsrelevanten Mesoebene eine hohe städtebauliche Dichte mit einem erhöhten Anteil versiegelter Flächen, eine integrierte Lage, eine geschlossene Bauweise, die den 1 Eine Nacht, in der die niedrigste Lufttemperatur nicht unter 20 °C fällt. Hitze in städtischen Quartieren Messergebnisse der Karlsruher AERO-TRAM und die Implikationen für die Stadtplanung Stadtstrukturtypen, Hitzebelastung, mobile Temperaturmessungen, städtische Wärmeinsel, Methodik Julia Hackenbruch, Martin Schulwitz, Rowell Hagemann Städtische Wärmeinseln können gerade bei Hitze das Wohlbefinden und die Gesundheit der Bevölkerung belasten, insbesondere, wenn die nächtliche Abkühlung in der Stadt verringert ist. Ein geeignetes Verfahren, um kleinräumige Temperaturunterschiede im Stadtgebiet zu quantifizieren, ist die mobile Messung mit einer Stadtbahn als Messgeräteträger. Die so erhobene, räumlich detaillierte Datengrundlage kann über die Verschneidung mit Stadtstrukturtypen die Stadtplanung darin unterstützen, geeignete Anpassungsmaßnahmen planen und implementieren zu können. Bild 1: AERO-TRAM - Messungen der Temperatur mit der Straßenbahn. © Patrick Langer, KIT 59 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima Luftaustausch erschwert sowie ein niedriger Anteil an Grünstrukturen, vor allem an öffentlichen Grünflächen. Da die flächendeckende Erhebung dieser Indikatoren mit einem hohen Aufwand verbunden ist, bietet sich eine Annäherung an die tatsächlichen lokalen Gegebenheiten über eine Verallgemeinerung zur ersten Abschätzung von Risikobereichen, beispielsweise über den Bodenversiegelungsgrad, an. Auch der im Zusammenhang mit der Infrastruktureffizienz und den Infrastrukturfolgekosten vielfach verwendete Siedlungsstrukturtypenansatz scheint für die flächendeckende Abschätzung der oben genannten Indikatoren geeignet [7, 8]. Im Folgenden werden die Temperaturunterschiede in verschiedenen Stadtstrukturtypen bei Hitze am Beispiel der Stadt Karlsruhe (rund 308 000 EinwohnerInnen [5]) gezeigt. Diese ist für eine derartige Untersuchung geeignet, da Karlsruhe aufgrund der Lage im Oberrheingraben zu den wärmsten Städten Deutschlands gehört und im Sommer Temperaturen von deutlich über 35 °C auftreten können. Auch die subjektiv empfundene Hitzebelastung der Bevölkerung in der Stadt Karlsruhe ist recht hoch, wie eine Umfrage nach zwei Hitzewellen im Sommer 2013 gezeigt hat [6]. Auf den zu Hause empfundenen Hitzestress wirken sich dabei die Eigenschaften des Wohnumfeldes, wie Lage des Stadtteils, Stockwerkslage der Wohnung, hitzerelevante Bauelemente (Verdunklungsmöglichkeiten, Dämmstandard) und die Möglichkeiten draußen zu sitzen, signifikant aus [6]. Messmethodik der Karlsruher AERO-Tram Zur Präzisierung der Einschätzung der unterschiedlichen Exposition der Bevölkerung gegenüber Hitze in verschiedenen Stadtstrukturtypen sind kleinräumige meteorologische Messungen über längere Zeiträume unersetzlich. Für die Stadt Karlsruhe liegt mit mobilen Messungen, die auf einer Stadtbahn durchgeführt wurden, eine außergewöhnliche Datengrundlage vor. Das Institut für Meteorologie und Klimaforschung des Karlsruher Instituts für Technologie setzt seit 2010 eine Stadtbahn, die AERO- TRAM, als Messgeräteträger ein, um die meteorologischen Parameter Temperatur, Feuchte, Luftdruck und Wind sowie Luftbeimengungen in der Stadt und in ihrem Umland zu messen [9]. Die Vorteile des Verfahrens liegen in der sehr hohen räumlichen Auflösung und der Regelmäßigkeit der Messfahrten, da die Messwerte während des regulären Bahnbetriebs im öffentlichen Nahverkehr kontinuierlich entlang zweier Messstrecken erhoben werden. So werden regelmäßig Temperaturquerschnitte gemessen, die im Umland beginnen und enden und das Karlsruher Stadtgebiet einschließen. Dieser Datensatz bietet ein räumlich sehr differenziertes Bild der Temperatur für Stadt- und Umlandgebiete im Ballungsraum Karlsruhe zu unterschiedlichen Tages- und Jahreszeiten. Kleinräumige Bau- und Nutzungsstrukturtypen in der Stadtplanung In der Raumforschung wurde der so genannte Strukturtypenansatz in der Vergangenheit vor allem verwendet, um die Infrastrukturausstattung und die Infrastruktureffizienz großflächig abzuschätzen, ohne dafür die konkreten örtlichen Gegebenheiten erheben zu müssen. Der Ansatz beruht auf der Erkenntnis, dass sich die meisten Städte größtenteils aus wiederkehrenden baustrukturell-räumlichen Konfigurationen zusammensetzen, welche ähnliche Eigenschaften aufweisen [7, 8]. Diese, in sich relativ homogenen, Gebietseinheiten werden hier als Bau- und Nutzungsstrukturtypen (BNT) bezeichnet. Sie weisen jeweils eine charakteristische Baumorphologie und Gebäudeanordnung auf, die oftmals schon anhand von Luftbildern idealtypisch zu erkennen ist. Anhand empirischer Analysen wurden diesen BNT spezifische Kennwerte zum Versiegelungsgrad, der Straßenmeter je Hektar, der Einwohnerdichte oder der Infrastrukturausstattung zugewiesen. Exemplarisch soll für einige BNT entlang der Fahrtstrecke der AERO- TRAM in diesem Beitrag untersucht werden, ob sich auch Temperaturunterschiede innerhalb einer Stadt feststellen lassen. Tabelle 1 illustriert in Form von Kurzsteckbriefen wesentliche Charakteristika der ausgewählten BNT. BNT Schematische Darstellung Versiegelungsgrad (%) Einwohner / ha Traditionelle Blockrandbebauung 70-80 204-254 Innerstädtische Mischbebauung 70-95 204-254 Freistehende Ein- und Zweifamilienhäuser 30-40 30-41 Dorfkern / Ortslage 45-55 30-41 Tabelle 1: Kurzsteckbriefe für vier exemplarische BNT. © Eigene Darstellung, Datengrundlage: [8] 60 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima Messergebnisse für unterschiedliche BNT in Karlsruhe Der Temperaturunterschied zwischen der Kernstadt Karlsruhe und ihrem Umland ist in den Abendstunden heißer Tage nach Sonnenuntergang besonders ausgeprägt. Die Messungen der AERO-TRAM an diesen Tagen erlauben eine sehr kleinräumige Quantifizierung der räumlichen Unterschiede und die Untersuchung des Zusammenhangs mit den Bebauungsstrukturen. Exemplarisch werden im Folgenden die räumlichen Temperaturunterschiede in Karlsruhe und dem Umland an zwei Tagen im Sommer 2015 gezeigt. An der Messstation Rheinstetten des Deutschen Wetterdienstes südwestlich von Karlsruhe wurden am 29. und 30. Juni 2015 Höchsttemperaturen von 29,9 °C und 31,5 °C sowie Tiefsttemperaturen von 13,8 °C und 13,4 °C gemessen. Besonders der 30. Juni war zudem sehr sonnig (14,1 Sonnenstunden [10]). Die Wetterbedingungen begünstigten demzufolge die Entwicklung einer stark ausgeprägten städtischen Wärmeinsel an beiden Tagen. Da der Schwerpunkt der Auswertungen auf der Quantifizierung der städtischen Wärmeinsel liegt, werden im Folgenden die Temperaturen im Stadtgebiet als Differenz gegenüber einer festen Messstation im Umland dargestellt. Als Referenz dient die Messstation Rheinstetten. In Bild 2 sind die durchschnittlichen Temperaturabweichungen (gemittelte Werte) zu unterschiedlichen Tageszeiten am 29. und 30. Juni aufgeführt. Es wird deutlich, dass die städtische Wärmeinsel am Vormittag und Nachmittag kaum ausgeprägt ist und die Temperaturabweichungen in den meisten Gebieten zwischen 0 und 1 K liegen. Am Abend ist die Temperaturabweichung in den hoch verdichteten Bereichen (z. B. zwischen den Streckenkilometern 5 und 15) deutlich höher als in schwach versiegelten Bereichen, während die Temperaturunterschiede in der Nacht am größten sind. Eine einzelne Messfahrt kurz nach Mitternacht (MESZ) am 30. Juni zeigt Temperaturabweichungen zwischen 1,1 und 5,4 K (Median: 2,7 K) (siehe Bild 3). Die Abweichungen sind im Stadtzentrum von Karlsruhe am größten und nehmen mit zunehmender Entfernung vom Stadtzentrum ab. Allerdings lassen sich auch im Umland räumliche Unterschiede erkennen: Während die Temperaturabweichungen im unbebauten Gelände am geringsten sind, sind einzelne Orte als „kleine Wärmeinseln“ im Vergleich mit ihrer direkten Umgebung zu erkennen. Da entlang der gezeigten Messstrecke fast keine Höhenunterschiede auftreten, können Temperaturunterschiede auf unterschiedliche Landnutzung und Bebauungsstrukturen zurückgeführt werden. Zwischen der Stärke der Temperaturabweichung gegenüber dem Umland und dem Versiegelungsgrad ist ein Zusammenhang zu erkennen. In der Nähe von unversiegelten Grünflächen und durchgrünten Bereichen treten auch geringere Temperaturabweichungen und damit niedrigere Temperaturen als in der direkten, hoch versiegelten Umgebung auf. Auch wird aus Bild 2 und 3 deutlich, dass die Temperatur umso mehr ansteigt, je größer ein dicht besiedelter, zusammenhängender Siedlungskörper ist. Bild 2: Mittlere Temperaturabweichung gegenüber der Messstation Rheinstetten (DWD) während Fahrten zu verschiedenen Tageszeiten am 29. und 30. Juni 2015. In Grau hinterlegt ist der Bodenversiegelungsgrad. © Eigene Darstellung; Bodenversiegelungsgrad aus: [11, 12] 61 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima Einen Blick auf zwei Ausschnitte entlang der Fahrstrecke der AERO-TRAM mit idealtypischen Temperaturveränderungen zwischen unterschiedlichen BNT zeigt Bild 4. In den Ausschnitten wurden, soweit möglich, die vier exemplarischen BNT (vgl. Tabelle 1) zugeordnet. Der erste Kartenausschnitt (links in Bild 4) zeigt einen Streckenabschnitt im Karlsruher Stadtzentrum einschließlich der umliegenden Bebauung. Die Bahn fährt von Westen aus einem Quartier homogener Blockrandbebauung kommend in den Kartenausschnitt ein. Dort wechselt der Bebauungstypus zu einer sehr hoch verdichteten, innerstädtischen Mischbebauung, die durch einen Mix aus gewerblicher Nutzung und Wohnnutzung innerhalb der Gebäude kennzeichnet ist. Die Temperatur liegt, mit einer Verzögerung von drei Messpunkten im Übergang der beiden BNT, im Bereich der innerstädtischen Mischbebauung um etwa 0,6 K höher als im Bereich der Blockrandbebauung. Dies bestätigt sich auch durch das Absinken der Temperatur beim erneuten Übergang in einen Bereich vorwiegender Blockrandbebauung im Süd-Osten des Untersuchungsgebietes. Der zweite Kartenausschnitt (rechts in Bild 4) zeigt den Ortsteil Stutensee-Blankenloch im Umland von Karlsruhe. Dort fährt die Bahn aus einem Bereich mit freistehenden Ein- und Zweifamilienhäusern im Süden durch einen Bereich, der dem BNT Dorfkern / Ortslage zuzuordnen ist. Auch hier ist ein Temperaturanstieg um etwa 0,7 K zu Gunsten des höher verdichteten BNT festzustellen. Im Norden des Gebietes sinkt die Temperatur dann erneut ab. Ergebnisverwertung und Anwendung in der Stadtplanung Das Klima in Städten wird von regionalen Klimaänderungen überlagert. Für den Südwesten Deutschlands projizieren Klimamodellsimulationen eine signifikante Erwärmung in allen Jahreszeiten sowie häufigere, stärkere und längere Hitzeperioden [13]. Die Themen der Klimafolgenabschätzung und der klimaadaptiven Stadtplanung, sowohl in Bezug auf Hitze als auch in Bezug auf Starkniederschläge, Hagel und Sturm, haben in den letzten Jahren vermehrt Eingang in die Diskussions- und Planungsprozesse erhalten. Das Bewusstsein für die vielfältigen Folgen und Risiken des Klimawandels im urbanen Kontext wurde somit deutlich geschärft [3, 4]. ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! D D D D D D D D ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ± A B ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ± Bild 3: Temperaturabweichungen gegenüber der Messstation Rheinstetten des Deutschen Wetterdienstes im Umland von Karlsruhe während einer nächtlichen Fahrt (0: 28 - 1: 31 MESZ) der AERO- TRAM am 30. Juni 2015. © Eigene Darstellung; Geodatengrundlage: Esri, [11,12]. Die gestrichelt markierten Ausschnitte sind im Detail in Bild 4 dargestellt. Bild 4: Detaillierte Darstellung der Zuordnung der Beispiel-BNT in zwei Quartieren sowie der AERO-TRAM Messpunkte. © Eigene Darstellung; Geodatengrundlage: Esri 62 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima Eine Quantifizierung aktueller Hitzebelastungen erlaubt auch die Abschätzung kleinräumiger Auswirkungen des Klimawandels in der Stadt. Die Kombination des vorgestellten Messsystems mit dem Strukturtypenansatz stellt einen vielversprechenden Ansatz zur Identifikation besonders exponierter Bereiche in der Stadt dar. Konkrete Zusammenhänge zwischen BNT und Temperatur konnten im vorliegenden Beitrag exemplarisch gezeigt werden, ebenso wie der Zusammenhang zwischen Versiegelungsgrad und Temperatur. Weitere Untersuchungen sollten eine breitere Datenbasis schaffen und weitere Faktoren, die die Temperaturentwicklung in den BNT maßgeblich beeinflussen, detaillierter untersuchen. Genauere Erkenntnisse zum Einfluss der BNT auf die städtische Wärmeinsel würden die bisher verfügbare Datengrundlage wesentlich ergänzen. Lokale Maßnahmen im Sinne einer klimaadaptiven Raumplanung könnten somit spezifischer an die Ortsgegebenheiten angepasst werden. Der gezeigte positive Einfluss von Grünflächen unterstreicht die Bedeutung von Grünzügen und Kaltluftschneisen für vulnerable BNT. In Hinblick auf den Demografischen Wandel können beispielsweise Abschätzungen getroffen werden, welche BNT eine geringere Exposition gegenüber Hitze zeigen und sich daher besser als Wohnort für vulnerable Bevölkerungsgruppen, also beispielsweise für altersgerechtes Wohnen, eignen. Literatur [1] Oke, T. R.: The energetic basis of the urban heat island. Quarterly Journal of the Royal Meteorological Society 108 (1982), S. 1-24. [2] Scherer, D., Fehrenbach, U., Lakes, T., Lauf, S., Meier, F., Schuster, C.: Quantification of heat stress related mortality hazard, vulnerability and risk in Berlin, Germany. DIE ERDE 144 (2013), S. 238-259. w w w.die erde.org / inde x .php/ die erde / ar ticle / view/ 49 (letzter Zugriff: 20.1.2017 [3] Barata, M., Legeti, E., De Simone, G., Dickinson, T., Jack, D., Penney, J., Rahman, M., Zimmerman, R.: Climate change and human health in cities. In: C. Rosenzweig, W. D. Solecki, Hammer, S. A., Mehrotra, S. (Hrsg.): Climate Change and Cities: Fifth Assessment Report of the Urban Climate Change Research Network. Cambridge University Press: Cambridge, UK, (2011), S. 179-213. [4] Fekkak, M., Fleischhauer, M., Greiving, S., Lucas, R., Schinkel, J., von Winterfeld, U.: Resiliente Stadt - Zukunftsstadt, 2016. http: / / www.mbwsv.nrw.de/ service/ downloads/ Stadtentwicklung/ Forschungsgutachten-Resiliente-Stadt---Zukunftstadt.pdf (letzter Zugriff: 03.1.2017). [5] Statistisches Landesamt Baden-Württemberg (2016): http: / / www.statistik.baden-wuerttemberg. de/ (letzter Zugriff: 20.10.2016). [6] Kunz-Plapp, T., Hackenbruch, J., Schipper, J. W.: Factors of subjective heat stress of urban citizens in contexts of everyday life. Nat. Hazards Earth Syst. Sci. 16 (2016), S. 977-994, doi: 10.5194/ nhess-16-977-2016. [7] Blum, A., Gruhler, K. (Hrsg.): Typologien der gebauten Umwelt. Modellierung und Analyse der Siedlungsentwicklung mit dem Strukturtypenansatz. Shaker Verlag: Aachen, 2010. [8] Siedentop, S., Schiller, G., Koziol, M., Walther, J., Gutsche, J.-M.: Siedlungsentwicklung und Infrastrukturfolgekosten - Bilanzierung und Strategieentwicklung - Endbericht Mai 2006. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg.). Bonn. [9] Hagemann, R., Corsmeier, U., Kottmeier, C., Rinke, R., Wieser, A., Vogel, B.: Spatial variability of particle number concentrations and NOx in the Karlsruhe (Germany) area obtained with the mobile laboratory ‘AERO-TRAM’. Atmospheric Environment 94 (2014), S. 341-352. [10] Deutscher Wetterdienst: Historische tägliche Stationsbeobachtungen (Temperatur, Druck, Niederschlag, Wind, Sonnenscheindauer, etc.) für Deutschland, 2015. URL: ftp: / / ftp-cdc.dwd.de/ pub/ CDC/ observations_ germany/ climate/ daily/ kl/ historical/ (letzter Zugriff: 20.1.2017). [11] IÖR-Monitor©Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung: Monitor der Siedlungs- und Freiraumentwicklung, 2017. URL: http: / / www.ioer-monitor. de/ (letzter Zugriff: 20.1.2017). [12] European Environmental Agency: Copernicus High Resolution Layer Imperviousness, 2017. URL: http: / / land.copernicus.eu/ pan-european/ high-resolutionlayers/ imperviousness (letzter Zugriff: 20.1.2017). [13] Wagner, S., Berg, P., Schädler, G., Kunstmann, H.: High resolution regional climate model simulations for Germany: Part II—projected climate changes. Climate Dynamics 40 (1) (2013), S. 415-427, doi: 10.1007/ s00382-012-1510-1. Julia Hackenbruch Dipl.-Geographin Institut für Meteorologie und Klimaforschung - Department Troposphärenforschung Karlsruher Institut für Technologie (KIT) Kontakt: julia.hackenbruch@kit.edu Martin Schulwitz M.Sc. Raumplanung Forschungsgruppe „Metropole und Region“ ILS - Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung gGmbH, Dortmund Kontakt: martin.schulwitz@ils-forschung.de Rowell Hagemann Dipl.-Meteorologe Institut für Meteorologie und Klimaforschung - Department Troposphärenforschung Karlsruher Institut für Technologie (KIT) Kontakt: rowell.hagemann@kit.edu AUTOR I NNEN 63 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima Hamburg soll noch grüner werden - und zwar von ganz oben: Die Freie und Hansestadt Hamburg unterstützt seit April 2014 den Bau von Gründächern in der Stadt mit einer groß aufgelegten Gründachstrategie (Bild 1). Ziel ist es, insgesamt 100 Hektar Dachfläche in einer Dekade im Stadtgebiet zu bepflanzen. Das entspricht einer Fläche von knapp 140 Fußballfeldern. Das Potential ist groß, gerade einmal 4 % aller potenziellen Dachflächen in Hamburg sind bereits begrünt. Und das, obwohl Gründächer richtige Alleskönner sind: Sie halten Regenwasser zurück, binden Feinstaub, wirken lärmmindernd, verbessern das Mikroklima in den Quartieren, sie bieten neue Lebensräume für Pflanzen und Tiere und sorgen außerdem für eine erhöhte Lebensqualität. Gezielt wirken sie auch gegen den zunehmenden Druck schwindender Grün- und Freiflächen in immer dichter werdenden Städten (Bild 2). Mit anderen Worten: Gründächer bieten eine Antwort oder einen Teil der Antwort auf mehrere Herausforderungen - Klima- Hamburgs Gründachstrategie Warum die Förderung von Gründächern sinnvoll ist Dachbegrünung, Gründachstrategie, Freiraumentwicklung, Klimapolitik Bart Jan Davidse, Marie Hliwa, Hanna Bornholdt Hamburg ist eine wachsende Stadt; jedes Jahr werden 10 000 Neubauwohnungen benötigt, um die wachsende Bevölkerung im urbanen Raum unterzubringen. Im Stadtstaat mit beschränkter Fläche bedeutet das einen hohen Grad an Versiegelung in kompakten Quartieren. Als erste deutsche Großstadt hat Hamburg eine umfassende Gründachstrategie ins Leben gerufen, um mehrere politische Ziele einer nachhaltigen Stadtentwicklung zu vereinen und voranzubringen. Die Begrünung von Dächern ist kein Privileg mehr, sondern unabdingbar, um die Lebensqualität in Städten im 21. Jahrhundert zu erhalten. Vor allem aus städtischer Sicht ist eine Förderung sinnvoll. Bild 1: Mit einer Vision von einem Mosaik von Grünflächen auf den Dächern gab der Erste Bürgermeister Olaf Scholz den Startschuss für die Erarbeitung und Umsetzung der Hamburger Gründachstrategie. © BUE/ TH Treibhaus Landschaftsarchitektur/ Matthias Friedel 64 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima wandel, Luftreinhaltung, Lärmschutz, biologische Vielfalt und Freiraumentwicklung im urbanen Raum. In diesem Artikel stellen wir die Handlungsschwerpunkte der Hamburger Gründachstrategie vor, betrachten die Argumente, die für eine städtische Förderung von Dachbegrünung sprechen, die Hintergründe der Aufgabe und die aus unserer Sicht notwendigen Schritte, um die Dachbegrünung großzügig voranzutreiben. Hamburger Gründachstrategie Hamburg erkennt die großen Potenziale der Dachbegrünung und hat Anfang 2014 die Hamburger Gründachstrategie ins Leben gerufen. Die Strategie verbindet mehrere politische Ziele der Stadtentwicklung; die Ziele der Klimapolitik sollen mit den Zielen der Wohnungsbaupolitik, des Regenwassermanagements, der Umweltpolitik und der Freiraumpolitik in Einklang gebracht werden. Um diese auferlegten Ziele zu erreichen, setzt die Stadt unterschiedliche Handlungsschwerpunkte: Fördern, Dialog, Fordern und wissenschaftlich Begleiten. Auf der Ebene des Förderns wurde unter anderem ein Förderprogramm mit Mitteln in Höhe von 3 Mio. Euro aufgelegt, um Bauherren bei der freiwilligen Begrünung von privaten oder gewerblichen Dächern finanziell zu unterstützen: Die Stadt Hamburg finanziert bis zu 60 % der Herstellungskosten. Das Gründach muss mindestens 20 m 2 groß sein, auf einem oberirdischen Geschoss liegen, darf bis zu 30 ° geneigt sein, muss freiwillig sein und eine Mindestaufbaudicke von 8 - 12 cm aufweisen. Auf dem begrünten Dach halten die Pflanzen und das Substrat je nach Bauweise zwischen 40 und 90 % des Regenwassers zurück und geben vieles direkt davon durch Verdunstung wieder in die Atmosphäre zurück, so dass Eigentümer zusätzlich 50 % der Niederschlagswassergebühr sparen. Auch das Abwassersystem wird bei Starkregenereignissen durch den verzögerten Wasserabfluss entlastet. Weitere Voraussetzungen erklärt die „Förderrichtlinie für die Herstellung von Dachbegrünung auf Gebäuden“ unter www.ifbhh.de/ gruendachfoerderung. Im Dialog werden die Gründachstrategie und die vielseitigen Möglichkeiten von Dachbegrünungsmaßnahmen der breiten Öffentlichkeit sowie dem Fachpublikum vorgestellt. Zudem findet ein reger Austausch über technische Aufbauten, Hemmschwellen und Realisierungen grüner Dächer statt, um Vorbehalte abzubauen sowie Gründächer in die Stadtentwicklung einzubetten. Aktive Akteure im Dialog stellen unter anderem die Fachbehörden, die Bezirke, die Wohnungswirtschaft, der Schulbau Hamburg und diverse Wirtschaftsverbände dar (www.hamburg.de/ gruendach). Auf der dritten Handlungsebene werden formale Voraussetzungen für eine konsequente Nutzung zur Verfügung stehender planerischer und gesetzgebender Instrumente geprüft. Den Möglichkeiten für eine Forderung nach Dachbegrünung, z. B. in Bebauungsplänen und städtebaulichen Verträgen, wird nachgegangen und verstärkt umgesetzt. Der ganze Prozess wird wissenschaftlich von der HafenCity Universität Hamburg (HCU) unter der Leitung von Prof. Dr. Wolfgang Dickhaut begleitet. Unter anderem werten die Wissenschaftler internationale Erkenntnisse zu Gründächern aus, entwickeln eigene Empfehlungen für den Hamburger Gründachaufbau mit dem Schwerpunkt der Übertragbarkeit der Strategie auf andere Städte. Mit einem Messprogramm wird zudem unter realen Bedingungen auf verschiedenen Dächern der Stadt das Regenwasserrückhaltepotential bei Starkregenereignissen als wasserwirtschaftliche Wirksamkeit von Gründächern untersucht (Bild 3). Bild 2: Ein gemeinschaftlicher Dachgarten für die Hausbewohner und -bewohnerinnen der Elbarkaden in der Hamburger HafenCity. © BUE/ Isadora Tast Bild 3: Das Messprogramm zum Regenwasserrückhaltepotential von Dachbegrünung bei Starkregenereignissen auf dem Dach der HafenCity Universität Hamburg. © BUE/ Isadora Tast 65 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima Förderung von Gründächern Als Vorreiterstadt geht Hamburg mit gutem Beispiel voran und viele Städte ziehen mittlerweile nach, wie zum Beispiel Leipzig, Nürnberg und Berlin. Trotz der oben genannten positiven Auswirkungen wird häufiger die Frage gestellt, ob es von Seiten der Stadt überhaupt notwendig ist, den Bau von Gründächern so zu unterstützen. Das Produkt an sich ist extrem vielseitig: Es bringt viele Vorteile mit sich, sowohl für die gesamte Stadt als auch für die einzelnen Gebäudeeigentümer. Die Kosten sind sehr überschaubar, auf Dauer sparen Gründacheigentümer sogar Geld ein. Trotzdem können wir, wenn wir die aktuelle Gründachfläche in Hamburg betrachten, nur feststellen, dass die Begrünung von Dächern trotz ausgereifter Technik und jahrzehntelanger Erfahrung aktuell eher eine Nische darstellt. Lediglich 2 % der Hamburger Gesamtdachfläche, beziehungsweise 4 % der Flachdachfläche ist momentan begrünt (Quelle: Landesbetrieb Geoinformation und Vermessung Hamburg, 2016; Hamburg Wasser, 2016). Immerhin übertrifft diese Zahl den Anteil der Elektrofahrzeuge im deutschen Fahrzeugbestand. Für beide gilt, dass die Potenziale bei weitem noch nicht ausgeschöpft sind. Es gibt sehr gute Gründe, warum wir uns als Landesverwaltung für die Dachbegrünung einsetzen und eine Erhöhung der Gründachfläche vorantreiben (Bild 4). Vor allem der Regenwasserrückhalt spezifisch und die Vorteile von Dachbegrünung in der Siedlungswasserwirtschaft generell sind ein sehr wichtiges Argument. Denn, auch ohne Klimawandel müssen wir Lösungen finden, um die bereits vorhandenen großen Niederschlagsmengen zu bewältigen. Gerade in einer wachsenden Stadt nimmt auch die Versiegelung zu und es verschwinden die Möglichkeiten für Regenwasserrückhalt, Versickerung und Verdunstung in der Fläche. Damit sind, wenn nichts unternommen wird, Überschwemmungen vorprogrammiert und andere Lösungen müssen gefunden werden, um mit dem Regenwasser umzugehen. Somit gibt es sehr gute politische Argumente für die Dachbegrünung; bei diesen Argumenten fällt aber auch auf, dass sie sich lediglich auf die gesamtstädtischen Vorteile der Dachbegrünung beziehen und den direkten Nutzen für die Eigentümerinnen und Eigentümer eher außer Betracht lassen. Bei der Förderung von einem Produkt wie der Dachbegrünung, ist es unserer Meinung nach sehr wichtig, nicht nur die gesamtstädtischen Vorteile zu betonen, sondern auch die Interessen und Wünsche der Eigentümerinnen und Eigentümer zu bedienen. Um diese Thematik aufzugreifen, nutzen wir eine mittlerweile 26 Jahre alte Marketingtheorie, die beschreibt, wie innovative Produkte positioniert und vermarktet werden und wie somit die breite Masse erreicht werden kann. Geoffrey Moore publizierte 1991 sein Buch „Crossing the Chasm“ - zu Deutsch: „Die Kluft überwinden“. In diesem Werk präsentiert er seine Analyse zur Entwicklung und Vermarktung von Softwareprodukten und zeigt auf, welche Marketingtechniken erfolgreiche Firmen anwenden, um ihre Produkte auf dem Markt zu platzieren und dort langfristig zu halten. Eine seiner Haupterkenntnisse ist, dass die breite Masse der Kundinnen und Kunden mit ganz anderen Argumenten erreicht wird, als die anfänglich interessierten Kundinnen und Kunden, die ohnehin eine Affinität zu dem neuen Produkt haben und daher eher geneigt sind, es zu kaufen. Um diese Theorie verständlicher zu machen, präsentiert Moore eine Grafik (Bild 5), die einer Standardnormalverteilung ähnelt. Auf der horizontalen Achse stehen die Zielgruppen: die Innovatoren oder Early Adopters, die frühe Mehrheit, die späte Mehrheit und die Nachzügler. Die vertikale Achse entspricht dem Marktanteil des Produktes. Die sogenannte Kluft entsteht zwischen den Innovatoren bzw. Early Adopters und der frühen Mehrheit und markiert den Schritt zur breiten Vermarktung des entsprechenden Bild 4: Die Hamburger Behörde für Umwelt und Energie hat 10 000 m² begrünte Dächer und Tiefgaragen und möchte als gutes Beispiel vorangehen. © BUE/ Isadora Tast Bild 5: Crossing the Chasm, eigene Darstellung nach G. Moore, 1991. 66 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima Produkts. Moores Theorie ist, dass Unternehmer, wenn sie diese Kluft überwinden möchten, das Produktmarketing neu überdenken und oft komplett andere Marketingstrategien anwenden müssen, um die frühe Mehrheit zu erreichen. Die Theorie lässt sich einfach anhand der Entwicklung und Vermarktung des Smartphones erklären. Mittlerweile hat fast jeder ein Smartphone. Die ersten Käuferinnen und Käufer (die Early Adopters) von Smartphones, noch vor der Zeit von Touchscreens, waren hauptsächlich Geschäftsleute und Technikfreaks. Die Werbung für diese Smartphones konzentrierte sich auf Vorteile wie Faxfunktion, Kalenderfunktion oder Internetfunktion. Die Darstellung der technischen Möglichkeiten sprach eindeutig Menschen an, die viel unterwegs sind und auch hier auf die mobilen Vorteile nicht verzichten möchten. Als Steve Jobs das erste iPhone vorstellte, veränderte das die Werbung radikal. Statt eine Nische anzusprechen, wurde das Smartphone als Alltagsgerät präsentiert, sogar als Gerät, welches das gesamte Leben, die gesamte Welt verändern wird. Nun, zehn Jahre später, ist das Smartphone nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken und hat Änderungen bewirkt, die vor zehn Jahren noch gar nicht absehbar waren. Vom Smartphone zurück zum Gründach ist es nur ein kleiner Schritt. Wenn wir die aktuelle Gründachfläche anschauen, können wir feststellen, dass die Dachbegrünung noch nicht aus der Nische der Innovatoren und Early Adopters herausgekommen ist und es gilt nun, die Kluft zur frühen Mehrheit zu überwinden. Für ein Produkt, das gesamtstädtisch vielversprechend ist, gilt es, vorhandene Barrieren zu definieren und zu entfernen. Insbesondere die, welche durch die Rahmenbedingungen der Stadtentwicklung verursacht werden und zumindest zum Teil in unserer Verantwortung liegen. Um noch einmal den Vergleich zur Elektromobilität zu ziehen: Für eine bessere Implementierung müssen Städte eine Infrastruktur unter anderem aus Ladesäulen bereitstellen und mögliche andere Hemmschwellen beseitigen. Der Bund kann den Markt unterstützen, zum Beispiel mit einer Kaufprämie oder Steuervorteilen. Die Handlungsschwerpunkte der Gründachstrategie sind so angelegt, dass damit die in unserem Einflussbereich liegenden Hemmschwellen oder Barrieren untersucht und weitgehend entfernt werden können. In der eigentlichen Produktvermarktung sind die staatlichen Möglichkeiten jedoch eingeschränkt, die Industrie muss die Produkte weiterentwickeln und vermarkten. In dieser Vermarktung ist es nach der Theorie von Moore jedoch sehr wichtig, andere Argumente als bisher nach außen zu tragen und das Produkt Dachbegrünung an sich weiterzuentwickeln, damit es im Alltag an Bedeutung gewinnt. Die Stadt Hamburg regt einen Dialog an, fördert, stellt finanzielle Anreize und fordert zuletzt vor allem auch auf politischer Ebene. Die Gründachstrategie setzt innovative Ziele, um die Ressource Dach als eine der Lösungen für vielfältige Herausforderungen der Stadtentwicklung zu nutzen. Wir sind davon überzeugt, dass die Dachbegrünung eine Bereicherung für unsere Städte ist und sehen zum Beispiel mit begehbaren Dachgärten (Bild 6) und Retentionsdächern 1 , die in der Siedlungswasserwirtschaft eine bedeutsame Rolle spielen, interessante Produktentwicklungen. In der Bewerbung von Gründächern kommt es darauf an, neben den gesamtstädtischen Vorteilen, vor allem die Vorteile für die Gebäudeeigentümerinnen und -eigentümer, bzw. für die Nutzerinnen und Nutzer des Gebäudes hervorzuheben. 1 Retentionsdächer: Begrünte Dächer, welche einen hohen Wasserrückhalt ermöglichen. Bild 6: Eine Bewohnerin des Hamburger Senioren- Zentrums „Am Inselpark“ pflegt den Dachgarten, auf dem auch Gemüse wächst. © BUE/ Isadora Tast Bild 7: Eröffnung des ersten geförderten Gründachs, Streit´s Haus am Jungfernstieg 2016. © BUE/ Isadora Tast 67 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima Im Gewerbebereich sehen wir zum Beispiel große Potenziale für die Dachbegrünung im Firmenmarketing. Mit einer Dachbegrünung können Firmen auf einfache und kostengünstige Art und Weise zeigen, wie sie ihre Nachhaltigkeitsziele gestalten. Außerdem sind begehbare Dachgärten besondere Orte für Kundengespräche und bieten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Gelegenheit, sich im Grünen zu erholen oder neue Ideen zu sammeln. Ein regelmäßiger Blick auf ein Gründach erhöht sogar die Arbeitsproduktivität und die Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, somit entstehen Kostenvorteile an ganz anderer Stelle und die Investition in ein Gründach ist eine Investition in das Wohlbefinden der Belegschaft. Auch im Wohnbereich bieten Gründächer große Vorteile. Viele Hausbesitzer in der Stadt träumen vom eigenen Garten - mit einem Gründach ist das möglich. Vergleicht man die Grundstückspreise mit den Herstellungskosten eines Gründachs, wird klar, dass dieser Traum sogar in der inneren Stadt auf dem eigenen Dach relativ kostengünstig zu realisieren ist. Ganz nebenbei profitiert man auch noch vom angenehm kühlen Raumklima unter dem Gründach und vom verbesserten Schallschutz. Fluglärm und Verkehrslärm dringen nicht mehr so stark durch, so dass man tiefer schläft und die Lebensqualität steigt. Bilanz Hamburger Förderprogramm Im intensiven Dialog haben wir festgestellt, dass die Herstellungskosten für die Dachbegrünung in der Praxis eine Hemmschwelle darstellen, auch wenn die Lebenszykluskosten für begrünte Dächer sprechen. Die Hamburger Gründachförderung bietet eine Anschubfinanzierung, um diese Schwelle zu überwinden und nimmt somit eine Barriere weg. Außerdem greift die Gründachförderung nicht nur im Neubau, sondern auch bei Bestandssanierungen, damit deckt die Förderung auch einen Bereich ab, der mit anderen Steuerungsmitteln, zum Beispiel mit Festsetzungen in Bebauungsplänen, schwer abzudecken ist. Die Hamburger Gründachförderung unterstützt seit Anfang 2015 die freiwillige Begrünung von Gebäudedächern im Stadtbereich. In den ersten eineinhalb Jahren wurden 77 Förderanträge gestellt, wovon rund 50 bewilligt wurden. In der Regel handelt es sich um Förderung für extensive Dachbegrünungen. Wurden vor allem zu Beginn primär Kleinstflächen nachgefragt, wie Carports, stehen aktuelle Anfragen für große Flächen im Zusammenhang mit Wohnungsneubau und gewerbliche Flächen. Aufgrund einer Planungs- und Bauzeit von durchschnittlich 18 - 24 Monaten gibt es zunächst noch wenig realisierte Projekte. Im Sommer 2016 wurde das erste von der Stadt geförderte Gründach fertiggestellt: ein großer Dachgarten auf dem Streit´s Haus am Jungfernstieg Hamburg. Auf dem Dach des Erdgeschosses, einem ehemaligen Kinosaal, wurde eine knapp 500 m 2 große Aufenthaltsfläche mit extensiver und intensiver Begrünung sowie einem großen Holzdeck für die gewerblichen Mieterinnen und Mieter geschaffen (Bild 7). Das Gründach ist täglich von 8: 00 bis 19: 00 Uhr geöffnet. Das Kleinklima hat sich nach Wahrnehmung des Eigentümers verbessert: „Weil wir hier arbeiten und leben, wollten wir mehr als eine extensive Standardbegrünung. Als Bestandshalter ist für uns die Nachhaltigkeit der Investition von großer Bedeutung - wir sind nicht auf das schnelle Geld aus. Für die Vermietung sind solche Zusatzangebote zunehmend von Bedeutung.“ Das Förderprogramm läuft noch bis Ende 2019, ein Sechstel des Fördervolumens wurde bereits bewilligt, dieses umfasst eine Nettovegetationsfläche von 16 170 m 2 . MSc Bart Jan Davidse Sachbearbeiter in der Leitstelle Klimaschutz Behörde für Umwelt und Energie Freie und Hansestadt Hamburg Kontakt: bartjan.davidse@bue.hamburg.de Dipl.-Ing. Marie Hliwa Sachbearbeiterin Gründachstrategie am Amt Naturschutz, Grünplanung und Energie Behörde für Umwelt und Energie Freie und Hansestadt Hamburg Kontakt: marie-therese.hliwa@bue.hamburg.de Dr.-Ing. Hanna Bornholdt Leiterin Gründachstrategie am Amt Naturschutz, Grünplanung und Energie Behörde für Umwelt und Energie Freie und Hansestadt Hamburg Kontakt: Hanna.Bornholdt@bue.hamburg.de AUTOR I NNEN 68 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima Stadtklima im Wandel Städte weisen veränderte wasserwirtschaftliche und klimatische Bedingungen gegenüber dem Umland auf. Diese werden vor allem durch die hohen Versiegelungsgrade und hohen Bebauungsdichten mit relativ wenig Pflanzenbewuchs verursacht. Zum einen kann weniger Niederschlagswasser auf natürliche Weise versickern und verdunsten, sondern wird stattdessen meist direkt in die Kanalisation eingeleitet. Auf diese Weise wird die natürliche Wasserbilanz stark verändert. Zum anderen heizen sich Straßen, Gehwege, Fassaden und Dächer auf, indem sie tagsüber Sonneneinstrahlung aufnehmen und nachts als Wärmeabstrahlung wieder abgeben. Es kommt zum Effekt der städtischen Wärmeinsel. Da weniger wasser- oder pflanzenbedeckte Flächen vorhanden sind als im Umland, fehlt es zusätzlich an Verdunstungskühlung. Diese Effekte werden durch die Auswirkungen des Klimawandels verstärkt, insbesondere durch häufigere und intensivere Starkregen sowie häufigere und längere Hitzeperioden. In Folge dessen kann es im Stadtgebiet aufgrund von Starkregenereignissen zu lokalen Überflutungen kommen, wenn die Kanalisation überlastet ist sowie zu einer Verstärkung des städtischen Wärmeinseleffektes [1]. Klassische Dachbegrünungen und „klimarelevante Innovationen“ Die zuvor beschriebenen Auswirkungen können durch den Einsatz von Dachbegrünung minimiert werden. Gründächer speichern Niederschlagswasser wie ein Schwamm im Substrat, welches anschließend verdunstet und zur Kühlung der direkten Umgebung beiträgt. Zudem verschatten sie die Dachaußenhülle. Wie stark diese Effekte sind, hängt von der Art der Begrünung und dem Gründachtyp ab. Dachbegrünungen lassen sich prinzipiell in drei verschiedene Begrünungsarten unterteilen, die sich je nach Art der Nutzung, der Bauweise und der Pflanzengesellschaft unterscheiden: die extensive, die einfach-intensive und die intensive Dachbegrünung [2]. In den letzten Jahren wurden neue Typen von Gründächern entwickelt, die bestimmte Eigenschaften durch gezielte bautechnische Entwicklungen noch zusätzlich verstärken. Damit soll zum einen eine Erhöhung des Rückhalts von Starkregen und zum anderen eine Erhöhung der Verdunstungsleistung in Hitzeperioden erreicht werden. In dem Zusammenhang sind vor allem Retentionsdächer interessant. Mit Retentionsdächern wird versucht, gezielt Regenwasser unterhalb der Substratschicht anzustauen bzw. durch einen gedrosselten Abfluss Regenwasser temporär oder langfristig zurückzuhalten (siehe Bild 1). Diese zeitliche Verzögerung kann die städtische Kanalisation im Falle eines Starkregens entlasten, da nicht alle Abflüsse von versiegelten Flächen zum selben Zeitpunkt eingeleitet werden. So können Überflutungen vermieden oder reduziert werden. Über Abflussdrosseln lässt sich zusätzlich steuern, wie lange das Regenwasser auf dem Dach gespeichert wird bzw. wie lange es Das Gründach als Schwamm und Klimaanlage der Stadt Klimawandel, Dachbegrünung, Retentionsdächer, Regenwasserbewirtschaftung, städtische Wärmeinsel Michael Richter, Elke Kruse, Zamna Rodriguez Castillejos Im Rahmen von drei Forschungsprojekten an der HafenCity Universität (HCU) Hamburg werden die wasserwirtschaftlichen und stadtklimatischen Wirkungen von Gründächern am Beispiel von Hamburg untersucht. Vor allem in wachsenden Städten und mit Blick auf die Folgen des Klimawandels wird es immer wichtiger, Maßnahmen zur Versickerung, zum Rückhalt und zur Verdunstung von Niederschlagswasser verstärkt zu realisieren. Dächer bieten in den meisten Städten noch viel Potenzial ungenutzter Fläche, die zur Entlastung der Kanalisation und zur Reduzierung von Hitzestress beitragen können. Bild 1: Schematischer Aufbau von Retentionsdächern (eigene Darstellung) 69 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima dauert, bis das Retentionsdach wieder sein volles Rückhaltepotenzial erreicht hat. Wenn das Regenwasser dauerhaft auf dem Dach gespeichert und beispielsweise nur unmittelbar vor möglichen Starkregenereignissen abgelassen wird, kann die Verdunstungsleistung der Retentionsdächer deutlich erhöht werden - insbesondere in Hitzeperioden. Forschungsfragen für die Fallstudie Hamburg Im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung der Umsetzung der Hamburger Gründachstrategie, des Projekts „RISA - RegenInfraStrukturAnpassung“ und des Forschungsprojekts „KLIQ - Klimafolgenanpassung innerstädtischer hochverdichteter Quartiere in Hamburg“ werden an der HCU Hamburg unter anderem die folgenden Fragen genauer untersucht: 1. Wie groß ist der Wasserrückhalt durch verschiedene Typen von Dachbegrünungen, insbesondere bei Starkregenereignissen? 2. Wie groß ist das Begrünungspotenzial von Bestandsgebäuden in Hamburgs Innenstadtquartieren? 3. Wie wirkungsvoll sind Gründächer als Vorsorgemaßnahme zur Reduzierung von Hitzestress in Hamburgs Innenstadtquartieren? Fokus: Wasserrückhalt durch extensive Gründächer Im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung der Gründachstrategie Hamburgs werden auf dem extensiv begrünten Dach der HCU seit März 2015 Messungen zum Wasserrückhalt vorgenommen. Das Dach hat eine Aufbaustärke von 8 cm und ist mit verschiedenen Mauerpfefferarten begrünt. Dazu werden die Mengen des gefallenen Niederschlags und der anschließende Regenabfluss vom Gründach gemessen. Bild 2 zeigt, dass die Abflussmenge durch ein Gründach über den Gesamtzeitraum betrachtet deutlich gemindert wird, der mittlere Wasserrückhalt beträgt 54 %, der mittlere Regenabfluss somit 46 %. Das bisher größte gemessene Regenereignis war etwa 2-jährlich bei 60 Minuten Niederschlag. Das ist ein Ereignis, das statistisch gesehen einmal in zwei Jahren auftritt. Der Regenrückhalt betrug für dieses Ereignis rund 60 %. Alle Ereignisse weisen bisher eine Reduktion des Spitzenabflusses von mindestens 40 % und eine zeitliche Verzögerung des Abflusses vom Dach um etwa 15 bis 20 Minuten auf. Starkregenereignisse, die statistisch seltener als einmal in zwei Jahren auftreten, konnten in dem bisherigen Zeitraum noch nicht gemessen werden. Bild 2: Messergebnisse zum Niederschlag und Abfluss auf dem Gründach der HCU von März 2015 bis Dezember 2016 (eigene Darstellung) Bild 3: Einbau Retentionsdach mit Kunststoffelementen zum Einstau des Regenwassers (links) und fertiggestelltes Retentionsdach mit Bewuchs (rechts). © Michael Richter 70 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima Ergänzend zu den eigenen Messungen wurde internationale Literatur zu Messergebnissen von Gründachabflüssen ausgewertet. Ergebnis ist, dass das Rückhaltevermögen von Gründächern gemäß den Studien bei unterschiedlichen Niederschlagsintensitäten sehr stark schwankt. Bei relativ geringen Niederschlagsmengen von weniger als 10 mm Niederschlag und unterschiedlicher Dauer ergibt sich eine Spannbreite des Retentionsvermögens der untersuchten Gründächer von nahezu 0 % bis 95 %. Bei sehr ergiebigen Regenereignissen mit 100 mm Niederschlag und mehr ergeben sich Unterschiede im Retentionsvermögen zwischen 20 bis 60 %. Als Ergebnis kann festgehalten werden, dass bei der Auswertung von Messdaten an realen Gründächern sehr unterschiedliche Zusammenhänge zwischen Niederschlagsintensität und Rückhaltevermögen von Gründächern bestehen. Gründächer können aber definitiv auch bei Starkregen, die für die Entwässerung bemessungsrelevant sind, Niederschlag zurückhalten. Weitere Auswertungen ergaben, dass die Höhe des Rückhaltes neben meteorologischen Vorbedingungen vor allem von der Begrünungsart, also insbesondere von der Substrathöhe, abhängig ist. Die Retentionsfähigkeit von Gründächern ist demnach durch den Planer gestaltbar und kann zusätzlich durch technische Elemente, wie Abflussdrosseln, beeinflusst werden. Fokus: Wasserrückhalt durch Retentionsdächer Im Rahmen des RISA-Projektes begleitet die HCU die Messungen zur Bewertung des Rückhaltevermögens von Retentionsdächern. Ziel der Untersuchungen ist, durch die langfristigen Messungen belastbare Daten zu konkreten Abflussereignissen und tatsächlichen Rückhaltevolumina von Retentionsgründächern unterschiedlicher Bauarten und Ausprägungen zu sammeln, auszuwerten und zu evaluieren. Anschließend sollen Rückschlüsse gezogen werden, wie die Dimensionierung von nachgeschalteten Entwässerungssystemen verbessert werden kann. Dafür wurden bei einem Neubauvorhaben in Hamburg-Ohlsdorf vier verschiedene Typen von Retentionsgründächern mit Retentionselementen von 40 bis 100 mm Höhe auf den Dachflächen installiert (Bild 3). Vorgabe ist, ein 15-minütiges Regenereignis mit 300 Liter pro Sekunde und Hektar, das rein rechnerisch einmal in 100 Jahren auftritt, für mindestens zwei Stunden schadlos auf dem Dach zurückhalten zu können. Nach 24 Stunden muss der komplette Rückhalteraum für eventuell folgende Regenereignisse wieder zur Verfügung stehen. Zusätzlich wurden ein extensives Gründach und ein Kiesdach zum Vergleich mit Messtechnik ausgestattet. Fokus: Hitzevorsorge durch extensive Gründächer Das Potenzial von Dachbegrünungen als Maßnahme zur Hitzevorsorge wurde von der HCU im Rahmen des Projektes KLIQ anhand eines exemplarischen Innenstadtviertels untersucht. Das Untersuchungsgebiet weist insgesamt einen sehr hohen Versiegelungsgrad von mehr als 80 % und eine hohe Bebauungsdichte auf. Dieses verhindert eine ausreichende Durchlüftung von der nahe gelegenen Außenalster. Zudem reichen die wenigen Vegetationsflächen nicht aus, um die Temperaturen im Stadtteil vor allem nachts zu regulieren. Dementsprechend herrschen in den hoch versiegelten, dicht bebauten Bereichen sowohl tagsüber als auch nachts höhere Temperaturen als in grüneren weniger versiegelten Stadtteile. Der städtische Wärmeinseleffekt ist hier schon heute deutlich spürbar. Die Übersichtskarte (Bild 4) zeigt auf, wo Problembereiche liegen. Potenzialabschätzung zur nachträglichen Begrünung von Dachflächen Um zu zeigen, wie viele Dächer im Stadtviertel theoretisch begrünt werden könnten, wurden sowohl aktuelle Luftbilder ausgewertet als auch Gebäude nach Baualtersklassen analysiert. Zunächst wurden die bestehenden Flachdächer bzw. flachgeneigten Dächer im Quartier ermittelt, die in der Regel mit Bitumen abgedichtet sind und sich im Sommer stark aufheizen (Bild 5). In dem betrachteten Innenstadtviertel nehmen Gebäude 33 % der Flächen ein. 2 % der Dachflächen weisen bereits ein intensives Gründach und 5 % der Dachflächen eine extensive Begrünung auf. Dies K K K KKKKKKKKKKKKKKKKKKKK KKK K Außenalster Lohmühlenpark HBF ZOB LEGENDE hohe ntemperaturen sehr hohe ntemperaturen geringe Temperaturabnahme hts Belastung gef rdet htungen Bild 4: Vereinfachte Gefährdungsanalyse für den Stadtteil St. Georg mit Fokus „Hitzevorsorge“. (eigene Darstellung, basierend auf Stadtklimaanalyse BSU, Land surface temperature from Landsat 8 (2013-07-23) und GEO-NET Umweltconsulting GmbH)  Hier klicken Sie richtig! IV online: Neuer Look - mehr Nutzen Die Webseite von Internationales Verkehrswesen hat ein neues Gesicht bekommen. Die aktuellen Webseiten unseres Magazins bringen eine frische Optik und eine Reihe neuer Funktionalitäten. Vor allem aber: Die Webseite ist im Responsive Design gestaltet - und damit auch auf Mobilgeräten wie Smartphones und Tablets bestens lesbar. Schauen Sie doch einfach mal rein! Trialog Publishers Verlagsgesellschaft Eberhard Buhl M.A., Dipl.-Ing. Christine Ziegler VDI Marschnerstraße 87 | 81245 München +49 89 889518.71 | office@trialog.de Informiert mit einem Klick Das finden Sie auf www.internationalesverkehrswesen.de:  Aktuelle Meldungen rund um Mobilität, Transport und Verkehr  Termine und Veranstaltungen in der aktuellen Übersicht  Übersichten, Links und Ansprechpartner für Kunden und Leser  Autoren-Service mit Themen, Tipps und Formularen  Beitragsübersicht und Abonnenten-Zugang zum Heftarchiv © Clipdealer www.internationalesverkehrswesen.de 72 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima sind überwiegend Neubauten. 39 % der bestehenden Gebäude haben ein flaches oder flach geneigtes Dach, das in der Regel mit Bitumen abgedichtet ist und theoretisch zukünftig begrünt werden könnte, wenn unter anderem entsprechende statische Voraussetzungen gegeben sind. Dies entspricht 15 % der Gesamtfläche. In einem zweiten Schritt wurden die Gebäude nach Baualtersklassen unterteilt und hinsichtlich ihres Potenzials zur nachträglichen Dachbegrünung bewertet. Wie die Auswertungen ergeben, ist bei einem Großteil der Baualtersklassen eine nachträgliche Dachbegrünung möglich. Nur bei Gebäuden, die im Zeitraum von 1919 bis 1948 errichtet wurden, ist eine nachträgliche Begrünung nicht empfehlenswert. Bei Gebäuden der Gründerzeit sowie aus den 1950er Jahren ist gegebenenfalls zu prüfen, ob eine zusätzliche Ertüchtigung der Statik notwendig ist. Hier ist es ratsam, nur Leichtdach-Begrünungen umsetzen, da die Tragfähigkeit der Gebäude in der Regel sehr gering ist. Bei Baualtersklassen ab den 1960er Jahren kann eine extensive Begrünung in Leichtbauweise in der Regel aufgebracht werden. Ab diesem Baualter ist zu prüfen, ob die statischen Eigenschaften des Gebäudes höherwertige Begrünungen erlauben, beispielsweise durch ein Retentionsdach. Verbesserung des Stadtklimas durch Gründächer Die Wirkung von Gründächern auf das Stadtklima wurde mit ENVI-MET 4 Science simuliert. Dafür wurden Ausschnitte des zuvor beschriebenen Gebietes ausgewählt, um einen Hitzetag in der bestehenden Situation mit potenziellen Maßnahmen zur Verbesserung des Stadtklimas vergleichen zu können (Bild 6). Dabei wurden die Maßnahmen auf die am stärksten von Überhitzung betroffenen Bereiche begrenzt. Wo es theoretisch möglich ist, wurden Gründächer verortet. Wo Gründächer zum Beispiel aus statischen Gründen nicht umsetzbar sind, wurden unter anderem hochreflektierende Materialien eingesetzt. Die Ergebnisse zeigen eine leichte Kühlwirkung der Gründächer auf das Stadtklima. Die mittlere Strahlungstemperatur wird im Bereich der Gründächer (gestrichelte Bereiche) von 67 - 70 °C um durchschnittlich etwa 6 °C auf 61 - 64 °C reduziert. Die mittlere Strahlungstemperatur repräsentiert den Wärmeaustausch durch Strahlung zwischen einer Person und ihrer aktuellen Umgebung und ist ein Faktor zur Beurteilung des thermischen Wohlbefindens. Die Kühlwirkung wirkt sich besonders stark in Bodennähe und beispielsweise in Bereichen direkt oberhalb von Dachbegrünungen aus. Eine großräumige Kühlung über die unmittelbare Nähe der Gebäude hinaus wird angedeutet, etwa durch eine leichte Verbesserung der mittleren Strahlungstemperatur von über 70 °C zu 67 - 70 °C. Wie weitere Simulationen belegen, weist die Innenraumtemperatur in Gebäuden, in denen verschiedene Maßnahmen umgesetzt wurden, zum gleichen Zeitpunkt eine Senkung um 2 °C auf. Fazit & Ausblick Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Bestandsgebäude ein hohes Begrünungspotenzial aufweisen, um als Schwamm oder Klimaanlage in der Stadt zu fungieren. Dieses Potenzial wird bisher noch nicht ausreichend ausgeschöpft. Wenn die Dachflächen tatsächlich flächendeckend begrünt werden würden, könnten sie vor allem in hochverdichteten Innenstadtquartieren spürbar die Kanalisation entlasten und das Stadtklima verbessern. Wenn möglich, sollten Retentionsdächer eingesetzt werden. Auch wenn - wie nachgewiesen - der langzeitliche Regenwasserrückhalt von extensiven Gründächern mehr als 50 % beträgt, kann davon ausgegangen werden, dass Retentionsdächer bei Starkregen größere Wirkung zeigen. Zusätzlich wird durch die längere Wasserspeicherung auf dem Dach das Verdunstungspotenzial positiv beeinflusst, was der stadtklimatischen Wirkung zugutekommt. Generell sind diese Wirkungen durch die Kombination mit anderen „grünen“ Maßnahmen, wie Fassadenbegrünungen oder Versickerung von Regenabflüssen in den Baumscheiben der Straßenbäume noch zu verstärken, wie in den Leitfäden des Projektes KLILQ aufgezeigt wird. Wichtig ist jedoch LEGENDE Bild 5: Potenzial für die nachträgliche Begrünung bestehender und bisher unbegrünter Flachdächer und flach geneigter Dächer, in orange dargestellt. (eigene Darstellung, basierend auf ALKIS Ausgabe Stand 2014, LGV Hamburg) 73 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima Dr.-Ing. Elke Kruse Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet „Umweltgerechte Stadt- und Infrastrukturplanung HafenCity Universität Hamburg (HCU) Kontakt: elke.kruse@hcu-hamburg.de Dipl.-Geoökol. Michael Richter Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet „Umweltgerechte Stadt- und Infrastrukturplanung“ HafenCity Universität Hamburg (HCU) Kontakt: michael.richter@hcu-hamburg.de M.Sc. Zamna Alejandra Rodríguez Castillejos Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet „Umweltgerechte Stadt- und Infrastrukturplanung“ HafenCity Universität Hamburg (HCU) Kontakt: zamna.castillejos@hcu-hamburg.de eine umfassende Information, Beteiligung und Mitnahme aller Akteure, die für die Umsetzung dieser Maßnahmen auf oder an den Gebäuden und im öffentlichen Raum zuständig sind. Weitere Informationen zu den Projekten unter: www.hcu-hamburg.de/ gruendach Wissensdokument für die Verwaltung: „Überflutungs- und Hitzevorsorge in Hamburger Stadtquartieren“, Leitfaden für Eigentümer, Bauherren und Planer zum Thema Starkregen und Hitzestress: www.hcu-hamburg.de/ kliq LITERATUR [1] Kruse, E., Zimmermann, T., Kittel, A., Dickhaut, W., Knieling, J., Sörensen, C. (Hrsg.): Stadtentwicklung und Klimaanpassung: Klimafolgen, Anpassungskonzepte und Bewusstseinsbildung beispielhaft dargestellt am Einzugsgebiet de Wandse, Hamburg. Berichte aus den KLIMZUG-NORD Modellgebieten, Band 2. Hamburg: TuTech Verlag, 2014. [2] Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung u. Landschaftsbau e.V. (FLL): Richtlinie für die Planung, Ausführung und Pflege von Dachbegrünungen - Dachbegrünungsrichtlinie. 1. Auflage, Bonn, 2008. AUTOR I NNEN URBANE S YS TEME IM WANDEL Branchenübergreifende Informationen zur aktiven Gestaltung der Stadt von morgen Ein Projekt von T RIALOG P UBLISHERS Online-Wissensplattform Newsletter Fachmagazin als E-Paper und Print-Ausgabe Das neue Medium für Fach- und Führungskräfte w w w . t r a n s f o r m i n g c i t i e s . d e Bild 6: Simulationsergebnisse der mittleren Strahlungstemperatur um 15 Uhr am 12.08.2003 als Beispiel für einen Hitzetag. Vergleich von Bestandssituation (links) mit der Wirkung von Gründächern (gestrichelte Bereiche) und weiteren Anpassungsmaßnahmen (rechts). (Software ENVI- MET 4 Science) 74 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima Ausgangslage Für die Region Stuttgart wird eine Verdoppelung der Anzahl der heißen Tage (> 30 °C) bis zum Ende des Jahrhunderts prognostiziert. Die für den Klimaatlas der Region Stuttgart erstellten Bioklimaanalysen zeigen die räumliche Verteilung der belasteten Gebiete. Demnach steigt der Anteil, der an mehr als 30 Tagen von Temperaturen über 30 °C betroffen ist, von 5 % Ende des 20. Jahrhunderts auf über 55 % der Verbandsfläche bis zum Ende dieses Jahrhunderts [1]. Dies wird ganz erhebliche Auswirkungen auf die Nutzbarkeit des öffentlichen Raums in den Städten der Region zur Folge haben. Stadtklimakomfortzonen, die vom Institut für Landschaftsplanung und Ökologie im Rahmen des EU-Projektes TURAS (www.turas-cities.org) entwickelt und erprobt wurden, sollen diesen Prozess untestützen. Gemeint sind damit Bereiche des öffentlichen Raums, die aufgrund ihrer Ausstattung bzw. stadträumlichen Einbindung trotz eines hohen bioklimatischen Belastungspotenzials einen erträglichen Aufenthalt im öffentlichen Raum auch an Hitzetagen ermöglichen. Dies kann durch den Ausbau der „Grünen Infrastruktur“, durch konkrete Empfehlungen zur Erhöhung des Durchgrünungsanteils und weitere bekannte Maßnahmen der Stadt- und Landschaftsplanung erreicht werden [1,- 2,- 3], aber auch durch lokal begrenzte, bauliche Interventionen, an den für den Freiraumnutzer relevanten Stellen. Zur räumlichen Differenzierung der Stadtklimakomfortzonen wurden in der zu Grunde liegenden Studie [4] die Bereiche Ludwigsburgs, die bereits heute Handlungsbedarf aufweisen [1,- 5], analysiert und prioritäre Bereiche lokalisiert, in denen vorranging lokale Anpassungsmaßnahmen vor- Legend Ludwigsburg Priority Area Extended Area Value Heat Stress 0,1,2,3 4 5 6 Urban Climate Comfort Zones Core Areas Title of Map Notes: Elaboration: - B. Eisenberg, - H.-G. Schwarzvon Raumer Cartography: - Mohammed Alfiky Date: August 22, 2014 Source: - Cadastral office city of Ludwigsburg 1: 7.500 Scale Rathausplatz 0 100 200 300 400 50 Meters ± Das Grüne Zimmer Ludwigsburg Freistehende Vertikalbegrünung für das Stadtklima Klimawandel, Stadtbegrünung, Stadtklimakomfortzonen, Anpassungsstrategien Bernd Eisenberg Die planerische und gestalterische Anpassung der Städte an den Klimawandel ist eine langfristige Aufgabe, für die jedoch heute schon die Weichen gestellt werden müssen. Dies ist angesichts einer dauerhaft hohen Konkurrenz um Flächen und der offenen Fragen zur genauen Wirkungsweise des Stadtklimas eine gewaltige Herausforderung. Als Beispiel für den Umgang mit der Problematik wird das Konzept der Stadtklimakomfortzonen und die Umsetzung einer erfolgreichen lokalen Anpassungsmaßnahme vorgestellt - das Grüne Zimmer Ludwigsburg. Bild 1: Prioritäre Bereiche, Abgrenzung aufgrund der Faktoren Hitzelast und Freiraumnutzung. © Eisenberg et al., 2016 Bild 2: Isometrie des Grünen Zimmers. © Eisenberg 75 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima genommen werden sollten. Ausschlaggebend für die Differenzierung waren die Faktoren:  Potenzielles Risiko der thermischen Belastung (Hitzelast)  Potenzielle Bewegungsintensität (Freiraumnutzer)  Empfindlichkeit der potentiellen Freiraumnutzer sowie  bestehende Minderungsmaßnahmen  zusätzliche belastende Faktoren (Lärm) Die Ergebnisse der Analysen sind in Bild 1 dargestellt, in der Hitzelast und Bewegungsintensität unter Berücksichtigung bestehender Minderungsmaßnahmen einbezogen wurden [4]. Die hervorgehobenen Bereiche sind der barocke Marktplatz (nördlich) und der Schillerplatz (südlich), weitere belastete Plätze sind der Arsenalplatz und der Rathausplatz, an dessen Rand im Rahmen des TURAS- Projektes das Grüne Zimmer als lokale Anpassungsmaßnahme errichtet wurde. Das Ziel lokaler Maßnahmen ist die punktuelle Verbesserung der Aufenthaltsqualität hinsichtlich der thermischen Belastung, was unter anderem dadurch erreicht wird, dass die direkte Sonnenstrahlung reduziert und Temperaturen durch Transpiration der Vegetation und durch Verschattung verringert werden. Mit dem Grünen Zimmer Ludwigsburg wurde im April 2014 eine solche lokale Anpassungsmaßnahme auf der Rathausplatz-Tiefgarage verwirklicht. Die vom Verband Region Stuttgart und der Universität Stuttgart begleitete und von Helix-Pflanzensysteme erstellte Maßnahme wurde von der Stadt Ludwigsburg kofinanziert. Das Grüne Zimmer besteht aus versetzt angeordneten, mit über 30 Arten bewachsenen Wänden, die aus vorkultivierten Drahtgitterkörben zusammengesetzt wurden. Ein besonderes Gestaltungselement des vom Architekturbüro ludwig.schoenle entworfenen Grünen Zimmers sind die baubotanischen Baumwände, deren Kronen von Anfang an umfassend Schatten spenden (Bilder 2 bis 4). Bewässert wird die rund 200-m² große, vertikale Vegetationsfläche zum Großteil mit Oberflächenwasser benachbarter Gebäude, das in einer Zisterne gespeichert wird. Erfahrungswerte Grünes Zimmer Das Grüne Zimmer wird sehr gut von der Bevölkerung angenommen, ein Großteil der beweglichen Bänke und Stühle auf dem Rathausplatz wird von den Nutzern verlagert, um im Grünen Zimmer verweilen zu können. Vandalismusschäden an den Pflanzen und Wänden finden sich auch nach drei Jahren nur sehr vereinzelt. Nach Fertigstellung des Grünen Zimmers wurden verschiedene Untersuchungen zu seiner mikroklimatischen Wirkung durchgeführt. Ziel war es zu ermitteln, wie sich die Situation im Grünen Zimmer im Vergleich zu benachbarten Bereichen darstellt. Zudem sollten seine verschiedenen Zonen hinsichtlich ihrer Aufenthaltsqualität im Tagesverlauf untersucht werden. Die Analysen sind noch nicht abgeschlossen, in diesem Beitrag wird daher nur auf die Temperaturen Bezug genommen, die die Wirkungsweise des Grünen Zimmers verdeutlichen, hinsichtlich der Aufenthaltsqualität für die Nutzer jedoch keine abschließende Beurteilung darstellen. Temperaturen im Grünen Zimmer und im direkten Umfeld Im Sommer 2015 wurden über mehrere Wochen Messungen an Messpunkten im Grünen Zimmer, dem Rathausplatz und dem benachbarten Clussgarten als Beispiel für einen grünen Freiraum durchgeführt (Bild 5). Bild 6 zeigt die durchschnittlichen Temperaturen an den Messstellen je Stunde Bild 3: (oben) Freiraumnutzer nehmen Grünes Zimmer in Besitz - Juni 2015. © Eisenberg Bild 4: (Mitte) Üppige Blütenpracht im Grünen Zimmer Sommer 2015. © Helix Pflanzensysteme VRS Bild 5: (unten) Dauermesspunkte 2015, Treppe (Rathausplatz), Wandkrone, Garten. © Eisenberg 76 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima zwischen dem 15. Juli und dem 18. August 2015. Der Temperaturverlauf im Grünen Zimmer und im Garten ähneln sich. Die Temperaturen an der Messstelle Rathausplatz weichen tagsüber davon ab und haben einen deutlichen Höhepunkt um 14 Uhr. Die maximale Durchschnittstemperatur liegt bei 37 °C, mit Tageshöchstwerten von über 45 °C (Bild 6). Die maximalen Durchschnittstemperaturen an den Messstellen Grüne Wand (29,7 °C) und Garten (30,4 °C) werden im Verlauf des nachmittags erreicht und bleiben zwischen 15 und 17 Uhr annähernd gleich bleiben. Die Hälfte des Tages, von 22 bis 10 Uhr, verlaufen die Temperaturkurven an den drei Messpunkten parallel und erreichen gegen 7 Uhr am Morgen das Minimum. Pufferfunktion des Grünen Zimmers An Tagen mit maximalen Temperaturen von 30 und 35 °C an der Messstelle Rahausplatz sind die Temperaturen an den Messstellen Garten und im Grünen Zimmer 7 °K niedriger. Das heißt, im Grünen Zimmer gibt es Bereiche, in denen die Temperaturen an Hitzetagen dennoch unter den Schwellenwert von 30 °C sinken. Mit zunehmenden Maximaltemperaturen vergrößert sich sogar die Differenz zwischen den Messstellen auf 10,5 °K, so dass selbst bei Temperaturen von über 40 °C auf dem Rathausplatz 30 - 35- °C im Grünen Zimmer bzw. im Garten gemessen werden, und somit Temperaturspitzen im Grünen Zimmer stärker gemindert werden. Temperaturen abhängig von der Entfernung zur Vertikalbegrünung Während einer ganztägigen Messkampagne am 20.- Juli 2016 wurden in einem Transsekt in 0,3 m, 1-m, 2 m Entfernung nördlich und südlich der Hauptwand Lufttemperaturen gemessen (südlich auch in 3 m Entfernung) und zu einem Referenzpunkt auf der angrenzenden Wiese in Beziehung gesetzt (Bild- 9). Die maximalen Temperaturunterschiede zwischen dem Referenzmesspunkt Wiese und dem Messpunkt WS1 (Wand südlich 1 m von der Wand entfernt) betrugen in der Mittagszeit mindestens 3,3-°K und als Maximum 7,3-°K am späten Nachmittag (Bild 10). Die maximale Differenz zwischen Wiese und dem Messpunkt auf der Nordseite betrug 8,9- °K in der Mittagszeit, verringerte sich jedoch im Laufe des Nachmittags mit zunehmender direkter Sonneneinstrahlung und der Wirkung der aufgeheizten Pflastersteinflächen bis schließlich die Messpunkte WN1 und WN2 am frühen Abend höhere Temperaturen aufwiesen (Bild 11). Auf der Südwie auf der Nordseite ist im Abstand bis 1 m eine Temperaturreduktion feststellbar, die, abhängig vom Sonnenstand, auch weiter wirkt. Auf der Nordseite ist die Wirkung am Vormittag und bis in den Nachmittag deutlich ausgeprägter und auch weiter reichend. Sobald jedoch die Wirkung des Blätterdachs wegfällt und die tiefer stehende Sonne direkt einfällt, verringert sich der Effekt schlagartig (Bild 11). Die Standortbedingungen im Grünen Zimmer ergänzen sich und es bietet somit im Laufe eines Tages immer Bereiche, in denen die Temperaturen deutlich geringer sind als am Referenzstandort. Es zeigt sich zudem, dass es im Grünen Zimmer im Laufe des Bild 6 und 7: (oben, Mitte): Vergleich der Temperaturen an den Messstellen. © Eisenberg et al. Bild 8 (unten): Unterschiede der Temperaturen zwischen den Messstellen, sortiert nach den Maximaltemperaturen. © Eisenberg et al. 77 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima Tages immer auch Bereiche gibt, die den Temperaturen an der Dauermessstelle entsprechen und diese somit als repräsentativ für das Grüne Zimmer angesehen werden kann. Fazit Die Analysen zu Stadtklimakomfortzonen haben in Ludwigsburg einen relevanten Standort für lokale Anpassungsmaßnahmen identifiziert und mit dem Grünen Zimmer wurde eine effektive und populäre Maßnahme umgesetzt. Die mikroklimatischen Untersuchungen belegen die Wirksamkeit des grünen Zimmers im unmittelbaren Umfeld. Die Temperaturreduktion gegenüber dem aufgeheizten Rathausplatz ist deutlich und mit der am Rand von kleinen Parkanlagen zu vergleichen. Das Potenzial der freistehenden Vertikalbegrünung ist hiermit noch nicht ausgeschöpft. Sie können als Klimaanpassungsmaßnahme im größeren Umfang oder an Extremstandorten als multifunktionale grüne Wände eingesetzt werden und darüber hinaus der Biotopvernetzung, der Wasserretention oder dem Lärm- und Immissionsschutz dienen. Das Institut für Landschaftsplanung und Ökologie wird dazu auch in Zukunft weiterforschen. LITERATUR [1] Verband Region Stuttgart: Klimaatlas Region Stuttgart. In: Schriftenreihe Verband Region Stuttgart 26, 2008. [2] BMVBS - Bundesministerium für Verkehr-, Bau- und Stadtentwicklung (Hrsg.) (2012): StadtKlima - Kommunale Strategien und Potenziale zum Klimawandel. Ergebnisse Modellprojekte. = ExWoSt-Informationen 39/ 3. Bonn [3] Landeshauptstadt Stuttgart (2012): Klimaanpassungskonzept Stuttgart KLIMAKS. https: / / www. stadtklima-stuttgart.de/ stadtklima _filestorage/ download/ kliks/ KLIMAKS-2012.pdf [4] Eisenberg, B., Gölsdorf, K., Weidenbacher, S., Schwarzvon Raumer, H.-G.: Report on Urban Climate Comfort Zones and the Green Living Room Ludwigsburg, 2016. [5] Schütze, E. , Wallenborn, T., Nieschling, A.: Stadt Ludwigsburg Freiflächenentwicklungskonzept, 2014. Teil 1 - Analyse, Leitbild, Konzept. Bild 10: (oben) Temperaturunterschied in Abhängigkeit der Entfernung zur Grünen Wand, Südseite. © Eisenberg et al. Bild 11: (unten) Temperaturunterschied in Abhängigkeit der Entfernung zur Grünen Wand, Nordseite. © Eisenberg et al. Dr.-Ing. Bernd Eisenberg Landschafts- und Freiraumplaner Wissenschaftlicher Mitarbeiter Institut für Landschaftsplanung und Ökologie der Universität Stuttgart Kontakt: be@ilpoe.uni-stuttgart.de Bild 9: Messpunkte, Nord-Süd-Transsekt. © Eisenberg et al. AUTOR 78 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima Einleitung In so gut wie allen Klimawandel-Anpassungsstrategien wird eine vermehrte Verwendung von Vegetation gefordert. Begründet ist diese Forderung durch die bekannten positiven Klimaeffekte, wie sie beispielsweise von großen Parks und Straßenbäumen ausgehen. In der Stadtplanung besteht daher das Bestreben, möglichst viele und große Flächen für Baumpflanzungen und als öffentliche, begrünte Freiflächen vorzuhalten. Dem stehen jedoch häufig ökonomische Gründe entgehen, da die begrenzte Grundfläche in Städten einem hohen Verwertungsdruck als Bauland unterliegt. Ein bekannter Lösungsansatz ist hier, die stadtklimatisch negativen Effekte dichter Bebauung durch Bauwerksbegrünung abzumindern. Im Gegensatz zu Baumpflanzungen, bei denen häufig Jahrzehnte vergehen, bis sie die gewünschten ökologischen Funktionen erfüllen, erzielen Bauwerksbegrünungen die gewünschten Effekte meist in relativ kurzer Zeit. Gleichwohl erreichen sie jedoch nur in den seltensten Fällen die stadtklimatische Leistungsfähigkeit und ökologische Vielfalt, geschweige denn die Erlebnis- und Erholungsqualitäten, wie sie alte Baumbestände in öffentlichen Parks oder auch Gärten bieten können [1]. Im Rahmen des Forschungsprogramms Klimopass des Landes Baden-Württemberg wurden Möglichkeiten aufgezeigt, wie mit Hilfe der Baubotanik die ökologisch-klimatischen und ästhetischen Eigenschaften von Bäumen mit der schnellen Verfügbarkeit von Bauwerksbegrünungen verbunden und wie dabei privatwirtschaftlich-ökonomische und gesellschaftlich-soziale Aspekte auf neue Art miteinander verknüpft werden können. Klimaaktive baubotanische Bautypologien Modellprojekte und Planungswerkzeuge für innovative Stadtquartiere und grüne Infrastrukturen Baubotanik, Klimawandel, Stadtentwicklung, Stadtgrün, Bauwerksbegrünung, Regenwasser Ferdinand Ludwig, Daniel Schönle, Moritz Bellers Das im Folgenden dargestellte Forschungsvorhaben verfolgt das Ziel, konkrete Entwurfsbeispiele und Umsetzungsstrategien zu erarbeiten, um die stadtklimatischen Potenziale der Baubotanik in der Praxis anzuwenden. Die Baubotanik bietet, insbesondere durch die Technik der Pflanzenaddition, die Möglichkeit, die schnelle Verfügbarkeit von Bauwerksbegrünungen mit der Dauerhaftigkeit, langfristigen Robustheit und nachhaltigen ökologischen Wirkung von Bäumen zu verbinden. Damit kann der im Rahmen von Klimaanpassungsstrategien geforderten intensiven Durchgrünung von Städten bei gleichzeitig hoher Dichte entsprochen werden. Bild 1a bis 1c: Pflanzlich-technische Verbundstrukturen. © ludwig.schoenle 79 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima Baubotanik Die Baubotanik ist eine Bauweise, bei der Pflanzen - insbesondere Bäume - untereinander und mit nicht-lebenden Konstruktionselementen so verbunden werden, dass sie zu einer pflanzlich-technischen Verbundstruktur verwachsen: Einzelne Pflanzen verschmelzen zu einem neuen, größeren Gesamtorganismus und technische Elemente wachsen in die pflanzliche Struktur ein (Bild 1a bis 1c). Eines der wichtigsten vegetationstechnischen Verfahren, das dabei eingesetzt wird, ist die Pflanzenaddition. Dabei werden junge, in speziellen Behältern wurzelnde Pflanzen derart im Raum angeordnet und so miteinander verbunden, dass sie zu einer pflanzlichen Fachwerkstruktur verwachsen. Die einzelnen Pflanzen werden anfangs mit Wasser und Nährstoffen versorgt und mittels temporärer Hilfsgerüste in Form gehalten. Im Verlauf der weiteren Entwicklung entsteht durch sekundäres Dickenwachstum eine selbsttragende und belastbare Struktur, sodass die Hilfsgerüste obsolet werden. Vor allem aber wird erreicht, dass der Transport von Wasser, Nährstoffen und Assimilaten von der untersten Wurzel bis zum obersten Blatt erfolgen kann und die untersten, in den Erdboden gesetzten Pflanzen ein sehr leistungsfähiges Wurzelsystem entwickeln. Die im Gerüstraum angeordneten Wurzeln werden dadurch überflüssig und können gemeinsam mit der anfangs notwendigen Bewässerungs- und Düngetechnik entfernt werden (Bild 2). Auf diese Art ist es möglich, die schnelle Verfügbarkeit von Bauwerksbegrünungen mit der Dauerhaftigkeit und langfristigen Robustheit von Bäumen zu verbinden: Bereits unmittelbar nach Fertigstellung ist eine relativ hohe Blattmasse vorhanden. Anders als viele Begrünungssysteme sind die Strukturen nur in der Anfangsphase und nicht dauerhaft von wartungsintensiver Bewässerungs- und Düngungstechnik abhängig. Auf lange Sicht sind die Systeme so robust wie natürlich gewachsene Bäume. Auch Gerüststrukturen bzw. Spaliere werden nur anfangs benötigt, da die Strukturen selbsttragend werden. Durch das Verbinden der Pflanzen untereinander und mit technischen Bauteilen wird es möglich, Bäume in ihrer Geometrie an bauliche Gegebenheiten anzupassen. Bauwerke und Bäume fusionieren zu einer vegetationstechnischen und gestalterischen Einheit, die es ermöglicht, bauliche Nutzungen mit den beschriebenen Qualitäten und stadtklimatischen Wirkungen von Bäumen auf vergleichsweise kleiner Grundfläche zu verbinden. Zielsetzung und Gliederung des Forschungsvorhabens Um die Baubotanik als innovative Form des Stadtgrüns vorzustellen und ihren möglichen Beitrag zur Lösung stadtklimatischer bzw. stadtökologischer Probleme diskutieren zu können, wurden zunächst bekannte Formen des Stadtgrüns bezüglich ihrer botanischen, technischen, räumlichen, ökonomischen und ökologischen Aspekte sowie ihrer zeitlichen Entwicklung untereinander und mit der Baubotanik verglichen. Darauf aufbauend wurden fünf Beispielentwürfe für klimaaktive baubotanische Bauwerke, Stadtquartiere und Infrastrukturen erarbeitet. Diese wurden modellhaft an Situationen in Stuttgart entwickelt, die eine hohe stadtklimatische Relevanz und eine Vergleichbarkeit mit Situationen in anderen Städten erkennen ließen. In einem weiteren Arbeitspaket wurden Umsetzungsstrategien entwickelt und anhand ausgewählter Modellprojekte veranschaulicht. Bild 2: Prinzip der Pflanzenaddition: Pflanzliche Fachwerkstrukturen mit leistungsfähigem Wurzelsystem. © Ludwig Bild 3a bis 3c: Modellprojekt „Baubotanischer Straßentypus Nordbahnhofareal“ in Stuttgart. © LUBW 80 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima Modellprojekte Die Standorte für die Modellprojekte wurden auf Basis des Klimaatlasses der Region Stuttgart [2] und das Bauflächenmanagements der Stadt Stuttgart [3] identifiziert. In ihrer Zielsetzung orientieren sie sich an den beiden aktuell maßgeblichen Stadtentwicklungskonzepten für Stuttgart, dem Klimaanpassungskonzept KLIMAKS [4] und dem Stadtentwicklungskonzept STEK [5]. Ein wichtiger Aspekt der Ausarbeitung war zudem die konzeptionelle Integration eines kommunalen Regenwassermanagements zur Bewässerung der Pflanzenstrukturen und zur Steigerung der Verdunstungsleistung. Ein weiterer Schwerpunkt wurde darauf gelegt, Lösungsansätze für anfangs vergleichsweise hohe Investitions- und Pflegeaufwendungen zu erarbeiten, die sich aus dem Ansatz der Pflanzenaddition ergeben. Im Folgenden werden exemplarisch drei Modellprojekte schlaglichtartig vorgestellt: Ziel des Modellprojekts „Baubotanischer Straßentypus Nordbahnhofareal“ ist es, exemplarisch an einem sich in Planung befindlichen Quartier (Stuttgart 21, Teilprojekt C1) neue Straßentypologien bzw. Straßenprofile zu entwickeln, die die ökologischen Potenziale der Baubotanik mit einer hohen Aufenthaltsqualität für die Bewohner und einer großen Nutzungsvielfalt zu verbinden. Im Ergebnis wird ein sehr großes Grünvolumen geschaffen durch das die Gebäude verschattet werden und lokal ein Kühlungseffekt eintritt, während gleichzeitig durch die lineare Anordnung der Baumkronen eine gute Durchlüftung des Straßenraums gewährleistet ist. Das Projekt nimmt im Forschungsvorhaben eine Schlüsselfunktion ein, da hier in besonderem Maße auch Aspekte der zeitlichen Entwicklung sowie der Wartung und Pflege dargestellt werden. (Bild 3a bis c) Bei dem Modellprojekt Park-Haus Züblin steht die Frage im Mittelpunkt, wie in innerstädtischen Situationen Pocketbzw. Quartierparks geschaffen werden können, die als Teil der städtischen Infrastruktur auf kleinster Fläche einen hohen Aufenthalts- und Erholungswert bieten und im städtischen Wassermanagement eine aktive Rolle spielen. Dabei wurde auch versucht, bestehende Gebäudestrukturen zu nutzen, um die im Baubestand gespeicherte graue Energie einer weiteren Nutzung zuzuführen, anstatt Primärenergie in Abriss und Neubau zu investieren. Durch die baubotanische Intervention ist zu erwarten, dass die Biodiversität erhöht werden kann und sich der Ort stadtklimatisch von einer Hitzeinsel zu einer Kühloase wandelt. Gleichzeitig erfährt das gesamte Stadtquartier eine Aufwertung, die zu einer Entschärfung sozialer Probleme beitragen kann. (Bild 4a und 4b) Ausgangspunkt des Modellprojekts Transformation Gewerbegebiet Birkenkopf ist die Erkenntnis, dass für eine Verbesserung der klimatischen Bedingungen von Städten auch ein angepasstes Vorgehen in den Randgebieten und im Umland notwendig ist. Das Modellprojekt stellt sich am Beispiel des Gebiets „Unter dem Birkenkopf“ der Frage, wie stadtnahe Gewerbegebiete unter anderem mittels Baubotanik so weiterentwickelt werden könnten, dass Bild 4a und 4b: Durch Baubotanik lassen sich Stadtquartiere aufwerten, die soziale Situation somit verbessern. © LUBW 81 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima der Transport von Kalt- und Frischluft möglichst wenig behindert bzw. diese möglichst wenig erwärmt und verunreinigt wird. Gleichzeitig wird mit dem Projekt versucht, eine mögliche Antwort auf den Strukturwandel aufzuzeigen, dem derartige Gebiete unterliegen. (Bild 5a und 5b) Planungs- und Umsetzungswerkzeuge Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung bzw. breite Anwendung dieser hier exemplarisch erarbeiteten Ansätze ist, dass auf unterschiedlichen Planungsebenen durch die Formulierung verbindlicher Ziele, rechtlicher Regelungen und Fördermaßnahmen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die den spezifischen Herausforderungen gerecht werden. So sind baubotanische Projekte insbesondere dadurch charakterisiert, dass es sich bei ihnen sowohl um bauliche Anlagen als auch um lebende Systeme handelt. Für die Planung stellt dies eine große Herausforderung dar, da für derart hybride Gebilde klare baurechtliche Definitionen fehlen und eine entsprechende Verortung in der Planungs- und Baupraxis bislang nicht besteht. Dies ist auch dem Umstand geschuldet, dass die Baubotanik eine vergleichsweise neue Bauweise ist, die sich stark von den bekannten Formen der Fassadenbegrünung unterscheidet und weit darüber hinaus gehende Möglichkeiten bietet. Aufgrund des prozessualen Charakters und den anfangs vergleichsweise hohen Anforderungen an Wartung und Pflege der Projekte kommt der Frage, wer für diese Aufgaben verantwortlich ist, eine entscheidende Bedeutung zu. Gleichzeitig ist zu bedenken, dass die ästhetischen wie mikroklimatischen Wirkungen der Allgemeinheit zu Gute kommen sollten, aber auch einen Mehrwert für den Einzelnen (z.B. den Wohnungseigentümer oder Mieter) darstellen können. Diese Zusammenhänge bilden einen wichtigen Hintergrund für die Entwicklung von Planungs- und Umsetzungswerkzeugen. Im Rahmen des Forschungsprojekts wurden formelle und informelle Planungsinstrumente sowie Möglichkeiten der Förderung aufgearbeitet und diskutiert. Im Ergebnis zeigte sich, dass zur Umsetzung derart innovativer Konzepte diese unterschiedlichen Werkzeuge zu einer stimmigen Prozessarchitektur verknüpft werden müssen. Nur im Zusammenspiel der Maßnahmen kann den räumlichen und zeitlichen Ansprüchen an Planungs- und Umsetzungsprozesse baubotanischer Projekte Rechnung getragen werden kann (Bild 6). Aus diesen Komponenten - Formell, Informell, Förderung - entsteht ein Dreiklang (FIF), der projektbezogen auf jeweils unterschiedliche Art entworfen werden muss. Den formellen Instrumenten kommt hierbei die Aufgabe zu, ein Gerüst für den Prozess und die Maßnahme zu schaffen. Der informelle Teil des Planungsprozesses muss die Beteiligten überzeugen und damit Bereitschaft und Identifikation schaffen. Die Förderung setzt gezielt Anreize, um Forderungen durchsetzen zu können. Mit der Zusammenstellung dieser möglichen Maßnahmen, die anhand ausgewählter Modellprojekte konkretisiert wurden, sollen Städten und Gemeinden, Architekten und Landschaftsarchitekten sowie privaten Bauherren Werkzeuge an die Hand gegeben werden, um baubotanische Strukturen zukünftig in städtische Entwicklungsprozesse integrieren zu können. Schlussbemerkung Baubotanische Projekte können ein produktiver Bestandteil urbaner Landschaften werden und aktiv zu einer Steigerung der Umwelt- und Lebensqualität beitragen. Die Ergebnisse dieses Forschungsvorhabens legen den Schluss nahe, dass insbesondere die Errichtung klimaaktiver baubotanischer Stadtquartiere gut geeignet ist, die thermische Aufenthaltsqualität des Freiraumes zu verbessern. Die konkrete Wirkung lässt sich selbstverständlich erst dann überprüfen, wenn derartige Projekte umgesetzt Bild 5a und 5b: Stadtnahe Gewerbegebiete mittels Baubotanik weiterentwickeln. © LUBW 82 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima und messtechnisch begleitet werden (Ansätze des Vorhabens sind im Projekt „Grünes Zimmer Ludwigsburg“ umgesetzt, siehe hierzu den Beitrag von Bernd Eisenberg in diesem Heft auf Seite 74). Um solche Vorhaben zu realisieren und damit neues Terrain zu betreten, ist neben den im Projekt adressierten planungsmethodischen, rechtlichen und organisatorischen Voraussetzungen jedoch auch Offenheit und Mut bei Planern wie Bauherren erforderlich. So macht eine derart weit gehende Integration von Pflanzen in die Architektur interdisziplinäre Kooperation - beispielsweise mit Biologen und Ökologen - notwendig, die über das notwendige Wissen über Bäume und über ökologische Zusammenhänge und Prozesse verfügen. Der Ansatz fordert darüber hinaus aber auch eine Entwurfshaltung und Entwurfsmethoden, die dem prozessualen Charakter des Mediums Pflanze gerecht werden. Denn die Baukomponente „Grün“ bewegt sich - auch nach Abschluss der Bauarbeiten - selbsttätig weiter, sie ist lebendig, dynamisch - anders als alle anderen Baukomponenten, die statisch sind und nur geringe, berechenbare Schwankungen unter Hitze, Kälte und Gebrauch aufweisen [6]. Dies ist eine stark gekürzte und überarbeitete Version des Forschungsberichts „Klimaaktive baubotanische Stadtquartiere, Bautypologien und Infrastrukturen: Modellprojekte und Planungswerkzeuge“, der auf den Webseiten der LUBW als online-Ressource zur Verfügung steht. Das Vorhaben wurde durch das Programm KLIMOPASS der LUBW (Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg) finanziert. Die Autoren danken Prof. Jürgen Baumüller und Imke Mumm für die beratende Begleitung des Projekts sowie dem Institut für Landschaftsplanung und Ökologie (ILPÖ) und dem Institut Grundlagen Moderner Architektur und Entwerfen (IGMA) für die infrastrukturelle und inhaltliche Unterstützung. LITERATUR [1] Gegenüberstellung unterschiedlicher Grünsysteme in: Pfoser, N., Jenner, N., Henrich, J., Heusinger, J., Weber, S.: Gebäude Begrünung Energie. Potenziale und Wechselwirkungen. Technische Universität Darmstadt, Technische Universität Braunschweig, 2013. [2] Verband Region Stuttgart (Hrsg.): Klimaatlas Region Stuttgart, Stuttgart: Verband Region Stuttgart, 2008. [3] http: / / gis3.stuttgart.de/ nbs/ stplnbs.html [4] Landeshauptstadt Stuttgart, a. F. U., Abteilung Stadtklimatologie: Klimaanpassungkonzept Stuttgart KLIMAKS, 2012. [5] Pesch, F., Mayer-Dukart, A., Jung, C. C., Goebel, J.: Stadtentwicklungskonzept Stuttgart, Strategie 2006. Landeshauptstadt Stuttgart, Referat Städtebau und Umwelt, Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung, 2006. [6] Fassbinder, H.: Stadt als Natur: eine Kehrwende in Architektur und Stadtplanung. Conference‚ Livet i staden 2012. Movium, Swedish Landscape University, Alnarp: biotop-city.org, 2012. Prof. Dr.-Ing. Ferdinand Ludwig Professur für Green Technologies in Landscape Architecture Technische Universität München, ludwig.schoenle Baubotaniker Architekten Stadtplaner Kontakt: baubotanik@ferdinandludwig.de Prof. i.V. Daniel Schönle Universität Stuttgart, Städtebau Institut ludwig.schoenle Baubotaniker Architekten Stadtplaner Kontakt: buero@hp4.org Dipl.-Ing. Moritz Bellers Projektleiter Internationale Bauausstellung Heidelberg Kontakt: m.bellers@iba.heidelberg.de AUTOREN Bild 6: Die unterschiedlichen Werkzeuge der Baubotanik müssen zu einer stimmigen Prozessarchitektur verknüpft werden. © LUBW 83 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima Einleitung/ Problemdarstellung Angesichts weltweit zunehmender Knappheit von Nährstoffen, Wasser, fruchtbarem Boden und Energie wird die Schließung lokaler Verwertungsketten in Städten zu einem Trend, der sich auch in der Nahrungsmittelproduktion niederschlägt, vgl. [1]. Urbaner Gartenbau könnte hierzu einen Beitrag leisten, allerdings sind städtische Freiflächen begrenzt, weshalb urbane Gärten in hohem Maße in Konkurrenz zu Bauvorhaben stehen. Je mehr Fläche aber versiegelt wird, desto stärker wirkt sich der Klimawandel durch Hitzeinseleffekte und Starkregenereignisse auf die städtischen Lebensbedingungen aus. Der gebäudeintegrierte Gartenbau bzw. ZFarming (also die Produktion von Gemüse, Obst und ggf. Fisch auf Dächern, an Fassaden und im Gebäude) 1 kann zur Lösung dieser Probleme beitragen. Weniger Ressourcen werden verbraucht und Synergien mit der Gebäudeinfrastruktur sind möglich. Für die Produktion von Lebensmitteln können Niederschlags- und Brauchwasser sowie Bioabfälle im Kreislauf geführt werden, zugleich kann ein Nutzen für die Wohnqualität entstehen, vgl. [2]. ZFarming ermöglicht eine verbrauchernahe und gesunde Nahrungsmittelpro- 1 ZFarming wurde als Begriff in Anlehnung an das vom BMBF geförderte Forschungsprojekt „ZFarm - Städtische Landwirtschaft der Zukunft “ geprägt. Der Begriff steht für „Zero-Acreage Farming“ , also Nahrungsmittelproduktion ohne zusätzlichen Flächenverbrauch. Dazu werden ungenutzte Gebäudeflächen wie insbesondere Dächer, aber auch Fassaden oder nicht mehr genutzte Innenräume für den Anbau von Lebensmitteln genutzt. Das so genannte „Vertical Farming“ in spezialisierten, neu gebauten (Hoch)Häusern ist nicht Thema dieses Artikels. duktion, die neue Märkte und Geschäftsfelder für städtische GärtnerInnen eröffnet, vgl. [3]. Nach einer Beschreibung möglicher Typen und Flächenpotenziale von ZFarming fokussiert dieser Artikel auf dessen speziellen Nutzen für a) das Gebäudeklima sowie die Temperatur in der unmittelbaren Umgebung, b) gesamtstädtische Klimaprozesse, aber auch c) den globalen Klima- und Ressourcenschutz. Abschließend werden einige zentrale Herausforderungen sowie auch Chancen für die Realisierung von gebäudegebundener Landwirtschaft genannt. Der Umweltnutzen von ZFarming Potenzial produktiv genutzter Dächer und Fassaden für Gebäudeklima, Stadtklima und Klimaschutz Dachgarten, Dachgewächshaus, Zero-Acreage Farming, Stadtklima, Ressourcen Axel Dierich, Kathrin Specht, Susanne Thomaier Während urbane Gärten am Boden einer starken Flächenkonkurrenz ausgesetzt sind, bieten vakante Flachdächer und Gebäudeflächen großes Potenzial für den Anbau von Nahrungsmitteln. Unterschiedliche Projekte weltweit veranschaulichen, wie Dächer, leerstehende Gebäude oder auch Außenwände und Gebäudehüllen genutzt werden können, um Gemüse und Obst zu produzieren. All diese Konzepte lassen sich unter dem Sammelbegriff „Zero-Acreage Farming“ (kurz „ZFarming“) zusammenfassen. Der folgende Artikel beschreibt das direkte und indirekte stadtklimatische Potenzial sowie weitere ökologische Symbiosen von ZFarming-Projekten. Bild 1: Brooklyn Grange: Dachgarten in New York, Perspektive. © inter 3 GmbH 84 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima 2 Ausgestaltungsmöglichkeiten von ZFarming Die Besonderheit von ZFarming ist die Aktivierung bislang ungenutzter Dach- oder Fassadenflächenpotenziale sowie von Innenräumen für den Gartenbau - und zwar innerhalb zunehmend verdichteter Städte. Eine weltweite Analyse zeigt die Menge und Vielfalt bereits bestehender Dach- oder Indoor- Farmen sowie (zu einem kleineren Teil) produktiver Fassadenbegrünungen [4]. 3 Bei Dach- oder Fassadenfarmen kann der Anbau sowohl unter freiem Himmel als auch überdacht mit einem Gewächshaus oder mit Folien erfolgen. Die angewandten Anbaumethoden reichen je nach Konzeption von einfachen Pflanzbehältern über flächig ausgebrachte Substrate unterschiedlicher Zusammensetzung bis hin zu hoch effizienten hydroponischen Systemen (substratloser Anbau in Nährstofflösung führenden Schienen). Die Bilder 2 und 3 illustrieren die Bandbreite möglicher ZFarming-Projekte. Vor allem Flachdächer bieten ein großes räumliches und ökonomisches Potenzial für die flächensparende Produktion von Gemüse und anderen Nahrungsmitteln. Das Konzept der Dachnutzung lässt sich aber auch auf einige ebenerdige Flächen übertragen, indem z. B. Parkplätze mit Pflanzdächern überbaut und zugleich verschattet werden. Darüber hinaus veranschaulichen unterschiedliche Projekte weltweit, wie leerstehende Gebäude genutzt werden können, um Gemüse und Obst indoor und vertikal anzubauen. Der Klimanutzen von ZFarming-Projekten Dach- und Fassadenbegrünungen bieten erhebliches Potenzial für den Schutz vor Hitze und Sonneneinstrahlung im Sommer sowie für passive Kühlung von Gebäuden und deren Umfeld durch die Verdunstungsleistung der Pflanzen. a) Wirkung von ZFarming auf Gebäudeklima und dessen unmittelbare Umgebung Während die Temperatur an der Oberfläche eines unbepflanzten, schwarzen Daches in der Sonne bis zu 80 °C betragen kann, wurden unter einer Dachbegrünung bei gleichen Wetterbedingungen 27 - 30 °C realisiert, (vgl. [5, S. 1583], [6], [7, S. 105; 114]). Als Faustregel gilt: Je feuchter das Substrat und je intensiver der Pflanzenbewuchs, desto besser die passive Kühlung und Reflektion von 2 zum jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch an Gemüse in Deutschland siehe http: / / www.proplanta.de/ Agrar-Nachrichten/ Verbraucher/ Tomate-Lieblingsgemuese_article1353652712.html 3 Siehe auch die interaktive ZFarming-Weltkarte mit beispielhaften Projekten unter http: / / www.user.tu-berlin.de/ wolfgang.straub/ zfarm/ svg/ index_svg.html oder www.zfarm.de (Stand 2013) Bild 3: Dachfarm „Dakakker“ auf dem Dach eines Bürogebäudes im Zentrum Rotterdams. © Lisa Cox (www.lisacoxdesigns.co.uk) Installiert im Jahr 2012 durch Binder Groenprojecten; Betrieb durch Luchtsingel; Anbau von Obst, Gemüse und Kräutern, Haltung von Bienenvölkern. Link zum Projekt: http: / / www.luchtsingel.org/ en/ locaties/ roofgarden/ Berlin verfügt über mehr als 8 Mio. m² Dachflächen, die wesentliche Grundvoraussetzungen für eine kommerzielle gärtnerische Nutzung erfüllen (Flachdach, ausreichend besonnt, mehr als 500 m² groß und eine Gebäudehöhe von weniger als 50 m). Für die Prüfung der tatsächlichen Eignung müssten natürlich noch zahlreiche weitere Kriterien wie Statik, Planungs- und Baurecht, Zugänglichkeit u.v.m. berücksichtigt werden. Würde man jedoch nur die Hälfte dieser Flächen mit effizienten Anbaumethoden bewirtschaften, könnten jährlich bis zu 120 Mio. kg Gemüse produziert werden. Dies wäre ausreichend, um den Bedarf von einem Drittel der Berliner Bevölkerung zu decken, bei einem angenommenen Pro-Kopf-Verbrauch von 96 kg Gemüse.² POTENZIELLE ANBAUFLÄCHEN AUF BERLINER DÄCHERN Bild 2: Dachgewächshaus auf einem Supermarkt in Brooklyn, New York City (USA). © Kathrin Specht Betreiber: Gotham Greens; Größe und Produktionsumfang: knapp 2000 m 2 mit >90 t Salat, Tomaten und Kräutern pro Jahr; Vertrieb: Direktverkauf im Supermarkt darunter, hohe Energieeffizienz durch Nutzung von Kraft- Wärme- Kopplung und Solarenergie, Bewässerung mit aufgefangenem Regenwasser. Link zum Projekt: http: / / gothamgreens.com/ our-farms/ gowanus 85 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima Sonneneinstrahlung im Sommer. Im Winter können Substrataufträge und Drainageschichten sowie Fassaden-Dauergrün (gerade bei mangelhafter Isolation) eine gute zusätzliche Wärmeisolierung und Schutz vor konvektivem Wärmeverlust leisten - idealerweise im trockenen Zustand. 4 Auch Dach- und Fassadengewächshäuser schützen die darunterliegenden Flächen vor Kälte und heizen sich (auch bei kalten Außentemperaturen) durch atmosphärische Strahlung auf. Die jährliche Reduktion von Wärmeverlusten durch ZFarming kann nach Berechnungen von Niachou und Delor ([9], [10]) für mittelmäßig isolierte Dächer rund 25 % (Dachbegrünung) betragen bzw. etwa 10 % (Gewächshaus) und für nicht isolierte Dächer 75 % - 85 % (Dachbegrünung) bzw. 55 % - 75 % (Gewächshäuser). Ebenso konnte durch die Fassadenbegrünung eines Verwaltungsgebäudes in Wien dessen Wärmeverlust im Winter um 50 % reduziert werden, während der Kühlungseffekt im Sommer in etwa dem Einsatz von 45 Klimaanlagen entsprach [11, S. 16]. Weitere Vorteile speziell eines Dachgewächshauses ergeben sich aus dessen technischer Integration in das Gebäude (siehe Bild 4): Insbesondere im Winter kann es neben der Nahrungsmittelproduktion auch einer aktiven Beheizung und Belüftung dienen, indem dessen sauerstoffangereicherte, staubarme, warme und angefeuchtete Luft in das Gebäude geleitet wird. Der gleiche Luftstrom kann in warmen Sommernächten (über einen Wärmetauscher) das Gebäude aktiv herunterkühlen, da sich das Gewächshaus dank der Verdunstung der Pflanzen schneller abkühlt als die umgebende Luft und als das Gebäude. In umgekehrter Richtung 4 Feuchte Substrate verlieren an Dämmwirkung und können durch die Verdunstung dem Gebäude u.U. sogar Wärme entziehen. Dennoch erbringen offene Dachgärten auch bei feuchter Witterung noch eine gewisse zusätzliche Isolierleistung für das Gebäude (Vgl. [7, S. 104], [5] und [8]). können Abwärme und CO 2 zur Beheizung von Dachgewächshäusern genutzt werden. Dies kann besonders bei Gewerben mit viel Abwärmeproduktion wie beispielsweise Supermärkten, Wäschereien oder Bäckereien sinnvoll sein. ZFarming kann auch einen kühlenden Effekt über das Gebäude hinaus haben. So wurden nach Kabisch [12, S. 37 f.] Temperaturunterschiede zwischen der Luft über Dächern mit Vegetation und der Luft über benachbarten vegetationslosen Flächen von 1 bis 3 °C gemessen. Sie wurden dem Albedo-Effekt (der Strahlungsreflektion) und der Verdunstung durch die Pflanzen zugeschrieben, wobei sich eine Bewässerung der Flächen als vorteilhaft erwies. Vor allem in Sommernächten ist dies relevant, da ein begrüntes Dach nach Sonnenuntergang schnell abkühlt und somit die entlangziehende Luft kühlt, während ein nicht begrüntes Dach weiterhin Wärme abstrahlt. Jedoch kommt es dabei auf die Gebäudehöhe an: Ein begrüntes Hochhausdach hat nach Ansicht verschiedener Autoren (siehe z.B. Santamouris [13] und Wong et al. [14], zitiert nach [12]) keinen Effekt auf das Klima im einige Meter tiefer gelegenen umgebenden Stadtraum. b) Potenzielle Wirkung von ZFarming auf gesamtstädtische Klimaprozesse Die Bedeutung von ZFarming und Gebäudebegrünungen für die Verbesserung des gesamtstädtischen Mikroklimas ist in der Wissenschaft umstritten. Jedoch argumentiert Ansel [15, S. 63] am Beispiel von Düsseldorf, dass begrünte Dächer gerade in dicht besiedelten Ballungszentren (teilweisen) Ersatz für fehlende freie Vegetationsflächen bieten können, um die Bildung von urbanen Hitzeinseln einzudämmen. Denn im Unterschied zu versiegelten Oberflächen wandeln Pflanzen die solare Strahlung in Verdunstung von Wasser anstatt in sensible Wärme und langwellige Strahlung um. Bild 4: Mögliche Funktionen von Dachgewächshäusern. © inter 3 GmbH CO 2 Nutzung Niederschläge Abwasser- Recycling Frische Lebensmittel Wärmeisolierung Wärmeproduktion Nutzung Abwärme + CO 2 Kälteproduktion 86 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima Dabei sorgen sie nicht nur für Abkühlung sondern auch für regionale Niederschläge [7, S. 153]. Insofern (Stark)Regen aufgefangen, gespeichert und für die Bewässerung eingesetzt wird, trägt ZFarming zudem erheblich zur Regenwasserrückhaltung bei, entlastet somit die Kanalisation und bewahrt Flüsse vor Schmutzwassereinträgen. Durch Nutzung von aufbereitetem Brauchwasser für die Bewässerung kann die Verdunstungsleistung sogar über 100 % der natürlichen Verdunstung steigen, ohne kostbares Trinkwasser zu verwenden. 5 c) Potenzieller Beitrag von ZFarming zu Klima- und Ressourcenschutz Unser derzeitiges, konventionelles Ernährungssystem ist vor allem durch globalen Handel und die damit verbundenen großen Distanzen zwischen Produzenten und Konsumenten geprägt. Die kurzen Transportwege, die bei ZFarming durch die wieder hergestellte Nähe zwischen Produktion und Konsum entstehen, bewirken einen verringerten CO 2 - Verbrauch und damit eine bessere Klimabilanz der Produkte hinsichtlich Verkehr, Lagerung und Kühlung. Im Direktverkauf kann darüber hinaus weitgehend auf den Einsatz von Verpackungen verzichtet werden. Diesbezüglich hat Sanyé-Mengual [16] den Energieverbrauch für 1 kg Tomaten, die in einem Dachgewächshaus in Barcelona produziert und lokal vermarktet werden, mit demjenigen für Tomaten aus Almeria (Südspanien) verglichen. Es hat sich herausgestellt, dass bei der lokalen Produktion im Dachgewächshaus (durch Nutzung der Synergien mit dem Gebäude, verringerten Transport und weniger Verpackung) bis zu 70 % weniger Energie benötigt wird. Die Mehrfachverwendung von häuslichem Abwasser ist besonders vielversprechend. Insbesondere die klassische Gemüseproduktion ist für einen sehr hohen Wasserbedarf bekannt; 322 m 3 Wasser/ Tonne werden nach Mekonnen und Hoekstra [17] durchschnittlich verbraucht. Für den deutschen Markt wird großenteils in wasserarmen Regionen, wie Südspanien oder der Türkei produziert. Wenn hiesige Verbraucher beispielsweise anstelle einer spanischen eine lokale Gurke vom Dach wählen könnten, würden sie indirekt eine positive Wirkung auf Wasserhaushalt und Klima in jenen Regionen ausüben. 5 Das vom BMBF geförderte Forschungsprojekt Roof Water-Farm dokumentiert Möglichkeiten der Verwendung von gereinigten Haushalts-Abwässern zum Zweck der Bewässerung von Dachgewächshäusern (www.roofwaterfarm.com). Herausforderungen und Chancen ZFarming birgt im Vergleich zur üblichen extensiven Dachbegrünung oder Fassadenbegrünung einige sehr spezifische Herausforderungen. 6 Die Komplexität dieser Herausforderungen hängt stark von der jeweiligen Konzeption der einzelnen Farmen ab, beispielsweise ob es sich um ein großflächiges, hoch effizientes, computergesteuertes Dachgewächshaus für Erwerbsgartenbau oder um einen kleinräumigen Gemeinschaftsdachgarten mit mobilen Pflanzbehältern handelt. Neben besonderen Anforderungen an die zu nutzende Fläche (z. B. Größe und ggf. Neigung der Fläche, Sonnenexposition, Zugänglichkeit) und an das Gebäude (z. B. baulicher Zustand und Statik, Wasser- und Energieinfrastruktur, Kompatibilität von ZFarming mit anderen Nutzungen, Logistik) ist vor allem das Zusammenbringen verschiedenster Disziplinen zentral für eine erfolgreiche Realisierung eines ZFarming-Projektes. Sind diese Voraussetzungen gegeben, stellen insbesondere rechtliche und regulatorische Rahmenbedingungen wie Baunutzungsrecht, Brandschutz, Emissionsschutz, etc. kritische Stolpersteine dar. Aufgrund fehlender Erfahrungswerte mit der Integration einer gartenbaulichen Nutzung in Wohngebäude oder gewerblich bzw. industriell genutzte Gebäude können Genehmigungsprozesse langwierig verlaufen. Auch die oben beschriebene Verknüpfung von Energie- und Wasserkreisläufen zwischen ZFarming und Gebäuden lässt sich im Bestand nicht immer problemlos realisieren. Vor dem Hintergrund seines ökologischen Potenzials wäre es wünschenswert, dass ZFarming stärker als bislang von Seiten städtischer Politik und Verwaltung unterstützt wird. Schließlich kann auch der politische Wille dazu beitragen, dass Immobilienbesitzer oder Projektentwickler den Nutzen von ZFarming erkennen. Vor allem müssen administrative Prozesse einfacher und der (förder-) rechtliche Rahmen klarer werden. In einigen US-amerikanischen Städten (z.B. New York, Boston, Chicago) hat die Umsetzung von ZFarming Projekten dazu geführt, dass Verwaltungen ihre rechtlichen Vorgaben entsprechend angepasst haben. In Deutschland kann die zunehmende Verbreitung städtischer Gründach-Strategien als erster wichtiger Impuls zur Verbreitung von produktiven Intensivbegrünungen und Dachgewächshäusern gesehen werden. 6 Zu Herausforderungen und Lösungsansätzen bei der Planung und Umsetzung von ZFarming siehe der Leitfaden „Es wächst etwas auf dem Dach. Dachgewächshäuser - Idee, Planung, Umsetzung“ [18] 87 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stadtklima LITERATUR [1] Specht, K., Siebert, R., Hartmann, I., Freisinger, U. B., Sawicka, M., Werner, A., Thomaier, S., Henckel, D., Walk, H., Dierich, A.: „Urban agriculture of the future: an overview of sustainability aspects of food production in and on buildings“, In: Agriculture and Human Values, Volume 31, (2014) p. 33-51. [2] Dierich, A., Mohajeri, S., Wurbs, S.: „Nahrungsmittel und Wärme vom Dach. Ressourceneffizienz durch vielfach integrierte Dachgewächshäuser“, In: Soziale Technik, 4 (2013) S. 18-20. [3] Dierich, A., Thomaier, S.: „Lebensmittel vom Dach - Potenziale und Ansätze von gebäudegebundener Landwirtschaft“, In: Ökologisches Wirtschaften, 1 (2014), Oekom Verlag. [4] Thomaier, S., Specht, K., Henckel, D., Dierich, A., Siebert, R., Freisinger, U., Sawicka, M.: „Farming in and on urban buildings: Present practice and specific novelties of Zero- Acreage Farming (ZFarming)”, In: Renewable Agriculture and Food Systems, Volume 30 (1), (2015) p. 43-54. [5] Castleton, H. F., Stovin, V., Beck, S. B. M., Davison, J. B.: „Green roofs; building energy savings and the potential for retrofit”, In: Energy and Buildings, 42 (2010) p. 1582-1591. [6] Liu, K., Minor, J.: „Performance evaluation of an extensive green roof ”, In: Greening Rooftops for Sustainable Communities, May 5-6, (2005) Washington, D.C: p. 1-11. [7] Pfoser, N., Jenner, N., Henrich, J., Heusinger, J., Weber, S.: „Gebäude, Begrünung und Energie: Potenziale und Wechselwirkungen. Interdisziplinärer Leitfaden als Planungshilfe zur Nutzung energetischer, klimatischer und gestalterischer Potenziale sowie zu den Wechselwirkungen von Gebäude, Bauwerksbegrünung und Gebäudeumfeld“, Technische Universität Darmstadt, Fachbereich Architektur, 2013, online verfügbar unter: http: / / w w w.irbnet.de/ daten/ rswb/ 13109006683.pdf (zuletzt aufgerufen am 11.01.2017). [8] Peck, S.W., Callaghan, C., Kuhn, M. E., Bass, B.: „Greenbacks from Green Roofs: Forging a new industry in Canada. Status report on benefits, barriers and opportunities for green roof and vertical garden technology diffusion”, prepared for: Canada Mortgage and Housing Corporation, 1999, online verfügbar unter: https: / / www.nps.gov/ tps/ sustainability/ greendocs/ peck-sm. pdf (zuletzt aufgerufen am 11.01.2017). [9] Niachou, A. et al.: „Analysis of the green roof thermal properties and investigation of its energy performance”, In: Energy and Buildings, vol. 33, (2001) p. 719- 729. [10] Delor, Milan: „Current State of Building-Integrated Agriculture, its energy benefits and comparison with green roofs - Summary”, University of Sheffield, 2011, online verfügbar unter: http: / / e-futures.group.shef.ac.uk/ publications/ pdf/ 103_12%20Milan%20Delor%20summary.pdf (zuletzt aufgerufen am 23.01.2017). [11] Naumann, S., Kaphengst, T. McFarland, K., Stadler, J.: „Nature-Based Approaches for Climate Change Adaptation and Mitigation“, prepared for: Bundesamt für Naturschutz, 2014, Bonn, http: / / ecologic.eu/ sites/ files/ publication/ 2014/ eco_ bfn _ nature-based-solutions _ sept2014_en.pdf (zuletzt aufgerufen am 23.01.2017). [12] Kabisch, N. Stadler, J., Korn, H., Bonn, A.: „Nature-based solutions to climate change mitigation and adaptation in urban areas“, In: BfN-Skripten 446, Bundesamt für Naturschutz (BfN), 2016, Bonn, online verfügbar unter: http: / / www.bfn.de/ fileadmin/ BfN/ service/ Dokumente/ skripten/ Skript446.pdf (zuletzt aufgerufen am 23.01.2017). [13] Santamouris, M.: „Cooling the cities - a review of reflective and green roof mitigation technologies to fight heat island and improve comfort in urban environments”, In: Solar Energy, 103, (2014) p. 682-703. [14] Wong, N. H., Jusuf, S. K., La Win, A. A., Thu, H. K., Negara, T. S., Xuchao, W.: „Environmental study of the impact of greenery in an institutional campus in the tropics”, In: Building and Environment, 42(8), (2007) p. 2949-2970. [15] Ansel, W., Baumgarten, H., Dickhaut, W., Kruse, E., Meier, R. (Hrsg.): „Leitfaden Dachbegrünung für Kommunen. Nutzen - Fördermöglichkeiten - Praxisbeispiele“, prepared for: Deutscher Dachgärtner Verband e.V. (DDV), 2011, Nürtingen. [16] Sanyé-Mengual E., Cerón-Palma I., Oliver-Solà J., Montero J.I., Rieradevall J.: „Environmental analysis of the logistics of agricultural products from roof top greenhouses in Mediterranean urban areas”, In: J Sci Food Agric. Volume 93(1), (2013) p. 100-109. [17] Mekonnen, M.M., Hoekstra, A.Y.: „The green, blue and grey water footprint of crops and derived crop products”, In: Hydrology and Earth System Sciences, 15, (2011) p. 1577-1600, online verfügbar unter: http: / / waterfootprint.org/ media/ downloads/ Mekonnen-Hoekstra-2011-WaterFootprintCrops.pdf (zuletzt aufgerufen am 23.01.2017). [18] Freisinger, U.B., Specht, K., Sawicka, M., Busse, M., Siebert, R., Werner, A., Thomaier, S., Henckel, D., Galda, A., Dierich, A., Wurbs, S.: „Es wächst etwas auf dem Dach. Dachgewächshäuser - Idee, Planung, Umsetzung“, Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e.V. (Hrsg.), 2013, Müncheberg, online verfügbar unter: http: / / w w w.zalf.de/ htmlsites/ zfarm/ Documents/ leitfaden/ dachgewaechshaeuser_leitfaden.pdf (zuletzt aufgerufen am 22.01.2017). Dipl. Pol. Axel Dierich Wissenschaftlicher Mitarbeiter inter 3 Institut für Ressourcenmanagement, Berlin Kontakt: dierich@inter3.de Dipl. Ing. Kathrin Specht Wissenschaftliche Mitarbeiterin Institut für Sozioökonomie, Leibniz- Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e.V., Müncheberg Kontakt: specht@zalf.de Dipl. Geogr. Susanne Thomaier, M.A. Wissenschaftliche Mitarbeiterin Institut für Stadt- und Regionalplanung, TU Berlin Kontakt: s.thomaier@isr.tu-berlin.de AUTOR I NNEN 88 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES FOKUS Forschung + Lehre Bedarfsorientiert und innovativ: Die OHM Professional School (OPS) in Nürnberg richtet ihr Angebot optimal an den Fragestellungen und dem Weiterbildungsbedarf von Berufstätigen aus. Das Institut bietet berufsbegleitende Weiterbildungsstudiengänge (Bachelor, Master, International MBA), Lehrgänge mit Hochschulzertifikat sowie Seminare und Kolloquien in den Bereichen Ingenieurswissenschaften, IT, Betriebswirtschaft u.a.m. Weil die Disziplinen vielfach ineinander übergreifen und Fachkräfte in ihrer Arbeitsrealität häufig schnittstellenübergreifend agieren, spiegelt die OPS dies in ihren Lehrangeboten wider. Theorie und Praxis eng verzahnt Die Lehrangebote entstehen in engem Austausch mit Experten aus der Theorie und Praxis - so kann neues Wissen aus der Synthese beider Bereiche generiert werden, ein Mehrwert für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Rund 100 Professorinnen und Professoren der TH Nürnberg und weiterer Hochschulen sowie etwa 100 renommierte Führungskräfte aus der Wirtschaft stellen den „state of the art“ mit aktuellen Fragestellungen und Lösungsansätzen in den Vorlesungen und Seminaren vor. Gründung und Entwicklung Im Oktober 2016 startete die neu gegründete OHM Professional School, fusioniert aus dem Management Institut der Technischen Hochschule Nürnberg und der Verbund Ingenieur Qualifizierung gGmbH (Verbund IQ). Damit kann das neu geschaffene Institut bereits auf etablierte, erprobte und zertifizierte Lehrangebote zurückgreifen. Seit der Gründung der beiden Vorgänger- Institutionen im Jahr 2003 bzw. 2000 haben rund 7200 Fach- und Führungskräfte an den berufsbegleitenden Weiterbildungsangeboten teilgenommen. Über 3200 Studierende haben ein Studium oder ein Hochschulzertifikat absolviert, und rund 4000 Personen besuchten Firmenseminare oder Tagungen. Die Berufserfahrung beträgt durchschnittlich vier bis sechs Jahre. Im englischsprachigen MBA kommen die zu 70 % internationalen Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der gesamten Welt, ein Schwerpunkt liegt auf Indien, China und dem Iran. Kooperationspartner Die OPS steht mit weiteren Hochschulen, Verbänden und Institutionen im engen Austausch. Zu den wichtigsten Kooperationspartnern zählen die Hochschulen München und Hof, die IHK Mittelfranken, der Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie, die GEFMA (Deutscher Verband für Facility Management), regionale und überregionale Unternehmen wie beispielsweise DATEV, Siemens, Städtler, u.a.m. Im internationalen Kontext bietet die OPS mit der Barry University (Miami, USA) ein Double Degree, mit der Zhejiang University (Hangzhou, China) ein Joint Degree an. www.ohm-professional-school.de. Lebenslanges Lernen - Transformationen gestalten und lenken Die OHM Professional School in Nürnberg bildet Fach- und Führungskräfte berufsbegleitend aus Nicht nur unsere Städte befinden sich im Wandel - auch unsere gesamte Lebens- und Arbeitswelt ist im Umbruch. Wir stehen vor vielfältigen Herausforderungen, wie dem effizienten Umgang mit Ressourcen und Energie, der Bereitstellung innovativer Infrastruktur, neuen Formen der Kommunikation und der zunehmenden Digitalisierung. Um für die Fragestellungen der Zukunft gerüstet zu sein, brauchen wir hochqualifizierte Fachkräfte. „Lebenslanges Lernen“ wird zur Grundvoraussetzung, um die Zukunft aktiv mitgestalten zu können. Die Technische Hochschule Nürnberg trifft mit der OHM Professional School den berufsbegleitenden technischen und betriebswirtschaftlichen Weiterbildungsbedarf von Fach- und Führungskräften unterschiedlichster Branchen. Bild 1: Aus der Verbund Ingenieur Qualifizierung gGmbH und dem Management Institut der TH Nürnberg wird die neue OHM Professional School. © OPS Bild 2: Die OHM Professional School ist qualifizierter und erfahrener Partner für berufsbegleitende Weiterbildung. © OPS Korrekturen zu Heft 4/ 2016, S. 10ff: Bildgruppe 1: © K.Roettcher Bildgruppe 2: © DWA/ BWK Themenheft T1/ 2013 Bild 3: © DWA/ BWK Themenheft T1/ 2013, T.Kopperschmidt 89 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES FOKUS Forschung + Lehre Planungsprozesse optimieren, interkommunale Zusammenarbeit verbessern Forschungsprojekt zur Entwicklung von Planungswerkzeugen für die Wasserwirtschaft Wasserversorgung, Infrastruktur, Leitungsnetze, Planungsgrundlagen, Datenbestand Steffen Krause Im Rahmen eines von der Bayerischen Forschungsstiftung geförderten Projektes arbeiten Wissenschaftler und Software-Ingenieure unter Federführung der Universität der Bundeswehr in München daran, die Zusammenarbeit zwischen Wasserversorgungsunternehmen und Planungsbüros zu verbessern. Veranlassung Die Leitungsnetze der kommunalen Wasserversorgungsunternehmen (WVU) binden den größten Teil des Anlagevermögens und der laufenden Aufwendungen von rund 2 Mrd. EUR jährlich (Branchenbild der deutschen Wasserwirtschaft 2015). Ihr Zustand ist entscheidend für den Erhalt der Trinkwasserqualität und die Gewährleistung der Versorgungssicherheit. Die Planung der Netze erfolgt für einen Nutzungszeitraum von 50 und mehr Jahren. Gegenwärtige und zukünftige Veränderungen der Siedlungsstruktur durch demographischen Wandel und Migrationsbewegungen führen dazu, dass die geschaffene Infrastruktur teilweise nicht mehr planungsgemäß ausgelastet wird und die für ihren Erhalt erforderlichen Mittel immer schwerer aufgebracht werden können. Neben dem Erhalt ist aber auch die Anpassung an die veränderte Siedlungsstruktur und an den geänderten Bedarf einzuleiten und umzusetzen. Um die erforderliche Versorgungssicherheit zu gewährleisten, sind die WVU außerdem gehalten, trotz rückläufiger Wasserabgabe, in die Schaffung von Redundanzen bei den Gewinnungsanlagen zu investieren (Bay. Landtag, Drucksache 16/ 9169, 2011). Für die Kommunen und die WVU resultiert daraus ein erheblicher Kostendruck, der einen möglichst effizienten Einsatz der Finanzmittel erzwingt. Ein Szenario, welches die Anpassung der Struktur und die Steigerung der Effizienz miteinander verbindet, ist die interkommunale Zusammenarbeit. Mögliche Formen der interkommunalen Zusammenarbeit reichen dabei von der gemeinsamen Betriebsführung bis hin zum technischen Verbund der Leitungsnetze benachbarter Kommunen bzw. Unternehmen. Bei der Bewältigung der beschriebenen Probleme besteht gegenwärtig ein sogenanntes „Window of Opportunities.“ Die Chancen ergeben sich aus der Gleichzeitigkeit von Investitionsbedarf, Anpassungsdruck und Bereitschaft der Wasserversorger zur interkommunalen Zusammenarbeit, die unter anderem auch von der Bayerischen Staatsregierung unterstützt wird. (Ministerratsbeschlüsse vom 19. Feb. 2008 und vom 30. Nov. 2010). Partner In einem von der Bayerischen Forschungsstiftung geförderten Projekt arbeitet die Universität der Bundeswehr, München, Professur Siedlungswasserwirtschaft und Abfalltechnik am Institut für Wasserwesen, daran, diesen Planungsprozess zu optimieren. Zum Projektteam gehören die Firma tandler.com GmbH als E n t w i c k l e r von Ingenie ur s of t w are , das Ingenieurbüro COPLAN AG als Planer und Anwender hydraulischer Modelle, sowie die AWA-Ammersee gKU als WVU. Die AWA-Ammersee gKU stehen dabei stellvertretend für viele kommunale WVU in Bayern, da sie die Wasserversorgung von sechs Gemeinden in interkommunaler Zusammenarbeit realisieren und den Transformationsprozess von einzelnen Anlagen zu einer planerischen Einheit bereits in Angriff genommen haben. Das von AWA-Ammersee gKU gelebte Modell der interkommunalen Zusammenarbeit hat für Bayern Vorbildcharakter, da es auf der einen Seite die Synergien in den Bereichen Technik und Verwaltung wie z.B. Personaleinsatz, Vorhaltung von Geräten und gemeinsamer Einkauf realisiert, auf der anderen Seite aber durch eigene Satzungen je Wasserwerk und die Nutzung der gemeindlichen Brunnen den Kommunen weiterhin ihre Bild 1: Wappen der AWA- Ammersee gKU. © AWA-Ammersee gKU. 90 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES FOKUS Forschung + Lehre Eigenständigkeit gewährt. Das neue Projekt AkWa wird die AWA- Ammersee gKU und alle späteren Anwender der Projektergebnisse in ihrem Bestreben um Erhalt bester Wasserqualität, Versorgungssicherheit und Substanzerhalt unterstützen. Zielsetzung Ziel des Projektes ist die Erarbeitung einer Vorgehensweise, die als Best Practice Beispiel für die Zusammenarbeit von Wasserversorger und Planungsbüro gelten kann. Dazu gehören eine strukturierte Erfassung von Planungsgrundlagen, die Definition von technischen und wirtschaftlichen Zielen für die Ermittlung und Bewertung eines Zielnetzes und schließlich eine Priorisierung von Maßnahmen für den schrittweisen Übergang vom vorhandenen zum Zielnetz, was auch als Festlegung des Anpassungspfades bezeichnet wird. Mit der Vorgehensweise sollen sowohl die Belange der kommunalen Versorgungsunternehmen als auch die ingenieurseitigen Anforderungen und der aktuelle Stand von Wissenschaft und Technik berücksichtigt werden. Dies schließt eine kritische Bewertung des Lösungsansatzes bezüglich der in der Praxis verfügbaren Daten und der Übertragbarkeit der Vorgehensweise auf andere Kommunen und Unternehmen ein. Aus diesem Anspruch haben sich auch die Zusammensetzung des Projektteams und der Lösungsweg abgeleitet. Zur Realisierung des Zieles soll auch eine Softwarekomponente als Open Source Lösung entwickelt werden, die von Ingenieurbüros als Planungswerkzeug verwendet werden kann. Lösungsweg Für die Bewertung des Ist-Zustandes und Ableitung des Ziel-Netzes werden Szenarien definiert. Diese fassen die Planungsgrundlagen sowie die technischen und wirtschaftlichen Vorgaben zusammen und belegen diese mit jeweils unterschiedlichen Werten bzw. Annahmen. Dem Anwender soll für die Handhabung der Szenarien ein so genannter Szenario-Manager als Funktionalität der Softwarekomponente zur Verfügung gestellt werden, der zugleich eine Anleitung bei der gemeinsamen Erhebung der Datengrundlagen bietet. Auf Basis der in den Szenarien definierten Anforderungen können dann eine Bewertung des Ist- Zustandes und die Planung eines zum Szenario passenden Zielnetzes erfolgen. Die technischen und wirtschaftlichen Ziele bilden dabei sowohl Randbedingungen (z.B. Einhaltung von Drücken, Vermeidung von Stagnation, Neuanordnung von Behältern, Anpassung von Druckzonen) als auch Optimierungsvorgaben (z.B. Substanzwerterhalt, Netzalter). Die Optimierung kann teilweise automatisiert, z.B. durch Nennweitenanpassung, erfolgen. Die Bewertung der für die einzelnen Szenarien ermittelten Zielnetze erfolgt dann durch den Planer und das WVU wieder auf Basis der technischen und wirtschaftlichen Zielvorgaben. Bild 2: Schema der Vorgehensweise. © UniBW Bild 3: Projektteam der Universität der Bundeswehr, München. © UniBW 91 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES FOKUS Forschung + Lehre PD Dr.-Ing. habil. Steffen Krause Laborleiter Professur für Siedlungswasserwirtschaft und Abfalltechnik, Institut für Wasserwesen, Fakultät für Bauingenieurwesen und Umweltwissenschaften, Universität der Bundeswehr München Kontakt: steffen.krause@unibw.de AUTOR Für das ausgewählte Zielnetz wird im nächsten Schritt der Anpassungspfad ermittelt, also die zeitliche Abfolge festgelegt, in der die notwendigen Änderungen realisiert werden sollen. Hier können wiederum Vorgaben des Unternehmens einfließen, die Budgetverfügbarkeit, Bedeutung von Leitungen und andere Kriterien berücksichtigen. Im Ergebnis steht ein Ensemble verschiedener Anpassungspfade zur Verfügung, dessen Variabilität aus den unterschiedlichen Annahmen in den Szenarien beruht und als Sensitivitätsanalyse interpretiert werden kann. Um einen Maßnahmenkatalog für die Realisierung der Anpassung zu erhalten, der robust gegenüber Änderungen der Planungsannahmen ist, muss die Schnittmenge aus diesen verschiedenen Anpassungspfaden ermittelt und bewertet werden. Dadurch werden einzelne Nennweitenanpassungen und strukturelle Änderungen identifiziert, die vor dem Hintergrund von Unsicherheiten als „noregret-Maßnahmen“ bezeichnet werden können. Fazit Das vorgestellte Konzept vereint moderne Softwarefunktionalitäten unter maximaler Nutzung vorhandener Daten mit einer transparenten Diskussion über Planungsannahmen, unternehmerische Ziele und Lösungsmöglichkeiten für die anstehenden Aufgaben in Erhaltung und Anpassung der Trinkwassernetze. Zu den bei den WVU bzw. Kommunen vorhandenen Daten, die über standardisierte Schnittstellen eingebunden werden sollen, gehören digitale Flurkarten, Leitungskataster und andere. Im Rahmen des Forschungsprojektes wird außerdem der Umgang mit einem geringen Datenbestand untersucht, sodass beispielsweise auch kleinere WVU von der vorgeschlagenen Vorgehensweise profitieren können. Das Projekt soll als Best Practice Nürnberger Kolloquien zum Brandschutz Nürnberger Kolloquien zur Kanalsanierung Nürnberger Kolloquien zur Trinkwasserversorgung SEMINARE UND TAGUNGEN Berufsbegleitender Bachelor Betriebswirtschaft BBAACCHHEELLOORR Master Facility Management Master Software Engineering und Informationstechnik Master Einkauf und Supply Management Master Einkauf und Logistik / Supply Chain Management ment d I f ti t Master of Business Administration (MBA) für Nicht-Wirtschaftler Master of Business Administration (MBA) für Wirtschaftler Beschaffung und Supply Chain Management Betriebswirtschaft für Ingenieure und andere Nicht-Wirtschaftler Lieferantenauswahl und Vergabemanagement Logistik und Supply Chain Management Usability Engineering Facility Management Softwareentwicklung Seminar Linerstatik Nürnberger Restrukturierungskonferenz WEITERBILDUNG LOHNT SICH! www.ops-nuernberg.de IHR PARTNER FÜR BERUFSBEGLEITENDE WEITERBILDUNG ! Beispiel dienen, bei dem eine Vorgehensweise und die Instrumente zur Entscheidungsfindung (u. a. Software) präsentiert werden, um WVUs bei der Anpassungsplanung und Optimierung der Trinkwasserversorgungsnetze zu unterstützen. Bild 4: Der Zustand der Leitungsnetze ist entscheidend für den Erhalt der Trinkwasserqualität und die Gewährleistung der Versorgungssicherheit. © UniBW 92 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES FOKUS Forschung + Lehre Öffentlicher Raum ohne Kommunikation? „In einer sozialen Situation kann man nicht nicht kommunizieren“ [2]. Anhand dieses von dem österreichisch-amerikanischen Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick aufgestellten und vielfach zitierten Axioms sollten öffentliche Straßennetze und Räume hinsichtlich ihrer kommunikativen Wirkung untersucht werden. Watzlawick betont, dass in Gegenwart eines oder mehrerer Menschen jegliches Verhalten eine Kommunikation auslöst und in sozialen Situationen einen Mitteilungscharakter hat. Dies passiert bewusst oder unbewusst, erfolgt mit Absicht oder unbeabsichtigt. Nicht nur die Sprache vermittelt eine Aussage, sondern auch Mimik und Gestik sowie das äußere Erscheinungsbild. Verstößt jemand gegen das Axiom und glaubt nicht kommunizieren zu müssen, leitet sich automatisch eine gestörte Kommunikation ein, die aber trotz alledem als Kommunikation verstanden wird [2]. Welchen Einfluss die gebaute Umwelt auf die menschliche Kommunikation hat, lässt sich anhand gut funktionierender Plätze und Straßen wie zum Beispiel der Piazza Navona in Rom oder der Place Igor Stravinski am Centre Georges Pompidou in Paris erkennen. Die Frage zu beantworten, was die Qualität solcher Plätze ausmacht und warum sie zum Aufenthalt und zur Kommunikation anregen, war Aufgabe der Bachelor-Arbeit an der beuth Hochschule. Daraus wurde ein sogenannter Kommunikationsfaktor entwickelt, der als stadtplanerische Messgröße dienen kann. Bewertet wurde, welche städtebaulichen Gegebenheiten inwiefern Kommunikationspotenziale fördern können. Stadträume mit Kommunikationsfakor Der öffentliche Raum als Produkt aus Form, Funktion, Struktur und Ort menschlicher Begegnung Kommunikation, Sozialraum, menschliche Dimension, Straßenraum, Dimensionsverwirrung, Mikro-Orte Jeremy Klemens Straßen und städtische Plätze müssen eine angemessene Aufenthaltsqualität haben, damit Menschen sich dort wohlfühlen und diese öffentlichen Räume nutzen und beleben wollen. Alltägliche Abläufe allein, wie beispielweise der Weg zur Arbeit oder das Abholen der Kinder von der Schule, führen üblicherweise nicht dazu, dass Menschen im urbanen Raum verweilen. Problematisch wird es dann, wenn Menschen mangels eines entsprechenden öffentlichen Raumangebots den Rückzug ins private Umfeld bevorzugen [1]. Dies führt dazu, dass die zwischenmenschliche Kommunikation nachlässt, anonymes Verhalten zunimmt und öffentliche Räume verstummen. Im Rahmen einer Bachelorarbeit an der Beuth Hochschule in Berlin mit dem Thema „Straßennetz- und Straßenraumgestaltung unter besonderer Berücksichtigung der Aufenthaltsfunktion und sozialer Kommunikationsaspekte“ (Betreuung: Prof. Klaus Füsser) wurde ein Kommunikationsfaktor entwickelt, der als stadtplanerische Messgröße dabei helfen soll, die Qualität städtischer Straßen und Plätze zu bewerten und somit die Aufenthaltsqualität von urbanen Räumen zu charakterisieren. Bild 1: Die Aufgaben des öffentlichen städtischen Raums: Form, Funktion und Struktur bilden den Sozialraum. © Jeremy Klemens (eigene Darstellung) 93 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES FOKUS Forschung + Lehre Funktion und Gestalt des öffentlichen Raums Um eine Beurteilung möglich zu machen, wurden drei relevante Aufgaben definiert, die Straßenräume in Verbindung mit gelungener Kommunikation erfüllen sollten (Bild 1): 1. Wege- und Vekehrsnetze als Formelemente müssen in ihrer Funktion sowohl Mobilität als auch Aufenthalt gewährleisten, sodass soziale Kommunikation möglich ist. 2. Der Sozialraum für Mobilität und Aufenthalt kann nur entstehen, wenn die Erfordernisse an die Elemente Form, Funktion und Struktur erfüllt werden. 3. Zwischen Form, Funktion und Struktur gilt es, die menschliche Dimension zu berücksichtigen. Hier entscheidet sich, ob der öffentliche Raum auch als Sozialraum kommunikativ angenommen wird. Aufgabe eins besteht darin, dass städtische Straßennetze durch ihre geplante und vorgegebene Form gleichermaßen Aufenthalt und Bewegung zulassen sollten. Die Menschen als Nutzer sollen innerhalb des Netzes sowohl verweilen können (Sitzgelegenheiten), als auch die Möglichkeit besitzen, über ihr persönliches Mobilitätsverhalten zu dem gewünschten Ort zu gelangen. Ein Netz besteht immer aus Strängen (Straßen) und Knotenelementen (Plätze). Ist das Straßennetz als Form gegeben, schließt sich die zweite Aufgabe an. Menschen nutzen das bereitgestellte Netz, indem sie ihm eine Funktion geben oder eine spezielle Funktion nutzen. Beispielsweise zeigt sich mit der Zeit, welche Bedürfnisse innerhalb eines Stadtgebietes befriedigt werden. Ein Straßenraum kann sich etwa zur Einkaufsmeile entwickeln oder zur Durchgangsstraße werden, je nachdem ob Versorgung mit Gütern oder der motorisierte Individualverkehr als funktionale Nutzung dominieren. Der Straßenraum wird in gesellschaftlicher Verabredung mit Strukturen belegt, um zu definieren, wie er zu nutzen ist. Eine Umweltzone reglementiert unter anderem etwa die Straßennutzung für Fahrzeuge, Geschäfte schließen zu gewissen Zeiten oder durch den öffentlichen Personennahverkehr werden Nutzer direkt zu Konzentrationspunkten geleitet. Damit wird festgelegt, wann, wie und wo kommuniziert wird. Das Konstrukt aus Form, Funktion und Struktur bildet den Sozialraum. Die dritte Aufgabe des öffentlichen Raums besteht darin, von den Nutzern tatsächlich auch als Sozialraum angenommen zu werden. Dabei stehen nicht immer die städtebaulichen Gegebenheiten im Mittelpunkt sondern auch immaterielle Nutzungsansprüche der Menschen. Farbe und Fassadengestaltung, historisches Umfeld und sinnstiftende Vergangenheit - diese „weichen“ Faktoren sind in jeder Stadt anders und praktisch nicht planbar. Auch die innerstädtische Orientierung sowie gemischte straßenräumliche Funktionen tragen erheblich zur Annahme des Sozialraums bei. In der Summe lässt sich aus diesen Aufgaben des öffentlichen städtischen Raums ein Kommunikationsfaktor ableiten, der eine quantitative Bewertung zulässt. Der K-Faktor Der Kommunikationsfaktor, kurz K-Faktor genannt, setzt sich aus 13 verschiedenen Kriterien zusammen. Damit sollen die Aufgaben des Straßenraums in der Praxis bewertet werden können. Die einzelnen Straßenraumaufgaben wurden unterschiedlich gewichtet, um ihrer Wertigkeit zu entsprechen. Im Zentrum der Betrachtung steht der Mensch, deshalb wurde die menschliche Dimension - also die städtebauliche Anpassung auf menschliche Proportionen [3] - mit 35 % gewichtet. Jeder Aufgabenblock besteht wiederum aus Teilkriterien, sodass die Bewertung stets nach gleichem Ablauf durchgeführt werden kann. Bei jedem Teilkriterium können maximal fünf Punkte zur Bewertung der jeweiligen Aufgabe erreicht werden. Der K- Faktor wird als ein Wert „erreichte Punkte von Fünf“ aus den zusammengeführten Bewertungen ermittelt. Das Ergebnis zeigt das Kommunikationspotenzial einer öffentlichen Zone auf einer Skala von „nicht vorhanden“, „gering“, „mittel“, „hoch“, „sehr ausgeprägt“ bis „maximal“. Durch die Verwendung des K- Faktors ist es möglich, die Kommunikationsaktivität eines Ortes mit nur einer Zahl zu charakterisieren. Nach eigener Einschätzung des Autors ist ein „besonderer Ort“, derjenige, der die Mindestpunktzahl drei von fünf Punkten erreicht hat. Der untersuchte Straßenraum zeigt bei dieser Beurteilung den Ansatz für gutes Kommunikationspotenzial. Bei der anschließenden Auswertung kann eindeutig festgestellt werden, welche Defizite vorhanden sind und welche Straßenraumaufgabe nicht erfüllt wurde. Der K-Faktor gibt in diesem Fall sofort Auskunft für Verbesserungsmöglichkeiten, da bekannt ist, welche Kriterien keine volle Punktzahl erhalten haben. Ermittlung des K-Faktors in Berlin Kreuzberg Der Kottbusser Damm mit angeschlossenem Hohenstaufenplatz in Berlin wurde im Rahmen der 94 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES FOKUS Forschung + Lehre Bachelorarbeit im Februar 2016 hinsichtlich seines K-Faktors untersucht. Im Folgenden werden die Kriterien des K-Faktors im Einzelnen erläutert (Bezeichnungen kursiv und nummeriert). An einem kalten Sonntag flanieren hier trotz Bewölkung und frischer Temperaturen viele Menschen. Der gesamte Straßenraum ist belebt, langes Sitzen und Verweilen ist zu beobachten (1, Belebtheit). Der Hohenstaufenplatz ist am Kottbusser Damm angeschlossen, die Begegnungsgeschwindigkeiten zwischen den Menschen liegen bei 5 km/ h [3], die Mischung aus Ruhe und Bewegung wird beispielsweise durch sieben Cafés im Straßenraum erfüllt (2, Orte/ Plätze angeschlossen). Die Ausstattung (3) mit Stadtmöbeln ist am Kottbusser Damm gegeben, da allein der Spielplatz auf dem Hohenstaufenplatz 37 Sitzbänke zählt. Auf der östlichen Seite des Kottbusser Damms sind sechs Cafés zu zählen, die mit ihren Sitzgelegenheiten und dem sonnigen Standort eine gute Aussicht ermöglichen. Sitzbänke in Spielplatznähe sind paarweise angeordnet und lassen Kommunikation mit SitznachbarInnen zu. Punktabzug gibt es für den störenden Verkehrslärm bei den kreisförmig angeordneten Bänken direkt in Straßennähe sowie für die störende Anordnung der Müllcontainer im Eingangsbereich des Platzes. Der stark befahrene Kottbusser Damm ist mit einer Länge von knapp 1000 m eine bedeutende Hauptgeschäftsstraße. Auffallend ist der gerade lineare Raum, typisch für geplante Städte, der sich wie ein Korridor durch das Quartier zieht. Der langgezogene Raum wirkt geradezu endlos, da die einführenden Knotenpunkte weit entfernt liegen. Auf der gesamten Strecke fährt nur der Nachtbus, weshalb beim Kriterium ÖPNV ein halber Punkt abgezogen wird (4, Straßennetz fungiert als Kommunikationsweg). Beim Kriterium Form und Struktur wirken auf Funktion (5), punktet der öffentliche Spielplatz als „Kiez“, da sowohl private als auch öffentliche Räume am Kottbusser Damm vorzufinden sind. Allerdings ist die Nutzung der Straßenfunktion bei der Hauptgeschäftsstraße eingeschränkt, da beispielsweise keine Radverkehrsanlagen vorhanden sind und es lange Abschnitte gibt, auf denen kein Aufenthalt möglich ist (Bild 3). Im Bereich der Gebäude sind jedoch einprägsame und gut angeordnete Mikro-Orte festzustellen, die mit Treppenabsätzen, Gebäudevorsprüngen oder besonderen Gestaltungen zum Verweilen einladen. Die Gebäudeformen sind abwechslungsreich gestaltet (Fassaden in verschiedenen Farben), die ungenutzte Fläche hinter dem Hohenstaufenplatz könnte jedoch aufgewertet werden (Bild 4). Der Seitenraum des Kottbusser Damms misst 5,70 m, das Asphaltband bis zum Mittelstreifen jedoch 8,50 m, sodass das Verhältnis 50 % Seitenraum zu 50 % Verkehrsraum für Fahrzeuge nicht erfüllt ist [4]. Dennoch gewährleistet der Seitenraum seine Funktion als Fußgängerbereich und ist angenehm zu begehen (6, städtebauliche Normen). Die Kriterien im Abschnitt Bild der Stadt (7) sind alle und im besonderem Maße am Hohenstaufenplatz ausgeprägt. Wege führen direkt zum Platz, sich ändernde Bereiche sind zu erkennen und der Brennpunktcharakter wird deutlich. Eine Kirche ist zwar vorhanden, jedoch vom Kottbusser Damm nur schwer zu erkennen. Der Hohenstaufenplatz kann als Merkzeichen lokalisiert werden, allerdings überwiegt der Einfluss des Hermannplatzes, sodass dieser eher in Erinnerung bleibt. Die Bedeutung des menschlichen Maßes (8) wurde wie folgt bewertet: Zwischenmenschliche Kommunikationen (aktiv und passiv) werden nicht durch Dimensionsverwirrungen [3] gestört, der Übergangsbereich zwischen Privatem und Öffentlichem wird genutzt und eigenes Wohlfühlen ist vorhanden. Dimensionsverwirrungen setzen ein, wenn sich durch straßenbegleitende, hohe Randbebauungen ungünstige Proportionen für die mensch- Bilder 2 bis 4 (von oben nach unten): Punktabzug für lange gerade Abschnitte bei Gehwegen, leere ungenutzte Flächen und unmaßstäbliche Baukörper mit monotonen Fassaden. © Jeremy Klemens 95 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES FOKUS Forschung + Lehre liche Wahrnehmung ergeben (Bild 4). Abzug gibt es für die unzureichende Fassadengestaltung: Durch Farbwechsel wird zwar ein gestalterischer Ansatz gezeigt, der aber nicht stark ausgeprägt ist. Gemischte Funktionen (9) sind gegeben, denn der gesamte Kottbusser Damm zeichnet sich durch kombinierte Misch- und Wohnnutzung aus. Der Hohenstaufenplatz dient der Erholung und am Hermannplatz sind Arbeitsplätze vorhanden. Ein differenziertes Angebot von Waren ist vorhanden, Parkplätze zerstören den Straßenraum nicht und eine dichte/ kompakte Wohnbebauung (geschlossene Blockbebauung) liegt vor. Der Aspekt „Vitalität“ erhält einen halben Punkt für die Nutzungsoffenheit von Gebäuden, aber Abzug im Bereich „Wiedernutzung“, da viele Objekte leer stehen. Auch bei der „Sinnhaftigkeit der Gebäudenutzung“ gibt es keinen Punkt, da besonders im Bereich rund um den Hohenstaufenplatz sicher weniger Taxiunternehmen, Sportbars und Fahrschulen im Übergangsbereich notwendig sind, sondern eher Cafés und Läden, die Aufenthaltsqualität bieten (Bild 5). Das letzte Kriterium ist der immaterielle Nutzungsanspruch des Menschen (10). Aus sozialer Sicht ist der Kottbusser Damm und der Spielplatzbereich am Hohenstaufenplatz brauchbar, er weist keine störenden Einbauten auf wie etwa Straßenpoller oder Masten und wirkt durch die niedrige Wohnbebauung überschaubar und somit sicher. Dieses Sicherheitsgefühl entsteht, indem die private Einflussnahme von Balkonen die soziale Aktivität im öffentlichen Bereich kontrolliert. Identität ist am Hohenstaufenplatz durch die Kirchengemeinde gegeben und Identifikation bietet der Spielplatz, da sich Eltern den Ort aneignen und beispielsweise von selbst für Sauberkeit und Ordnung sorgen. In direkter Nähe des Kottbusser Damms gibt es drei weitere Spielplätze und eine Grünanlage. Abwechslungsreiche Vegetation ist jedoch nur teilweise festzustellen. Der Kottbusser Damm gilt im Rahmen der erstellten Kriterien-Matrix als ein besonderer Ort für soziale Kommunikation. Mit einem K-Faktor von 4,01 erreicht der Hohenstaufenplatz mit 80,2 % ein sehr gutes Ergebnis, was besonders auf die Beachtung der menschlichen Dimension zurückzuführen ist. Das größte Defizit ist im Sozialraum zu verzeichnen, da städtebauliche Gegebenheiten mit den Aufgaben Form, Funktion und Struktur nur mäßig übereinstimmen. Interessant ist, dass die Beschreibungen aus dem Werk „Städte für Menschen“ von Jan Gehl [3] am Kottbusser Damm zu beobachten waren. Die Ränder im Seitenraum wurden von Menschen angenommen, um sich dort aufzuhalten (telefonieren, warten) (Bild 6). Cafés mit sehr guten, mikroklimatischen Verhältnissen (Sonne, Wetter) luden viel stärker zum Aufenthalt ein, als Orte in kalter und ungemütlicher Umgebung. Das Prinzip der Wechselbeziehung von Innen und Außen konnte ebenfalls festgestellt werden, da Restaurants mit Blick auf den Straßenraum den halböffent lichen mit dem öffentlichen Raum verbinden (Bild 5). Ausbildung für die Stadt der Zukunft Unter dem Motto „Stadt der Zukunft“ bildet die Beuth Hochschule für Technik Berlin Studierende in über 70 Studiengängen aus. Die Fachrichtung Umweltingenieurwesen-Bau befasst sich mit aktuellen städtebaulichen sowie mit verkehrsrelevanten Themen. LITERATUR [1] Sennett, R.: Verfall und Ende des öffentlichen Lebens, Die Tyrannei der Intimität. Berlin: BvT Berliner Taschenbuch Verlags GmbH, (2008) S. 40-42. [2] Hobmair, H.: Psychologie. Köln: Bildungsverlag EINS GmbH, (2013) S. 452, 453. [3] Gehl, J.: Städte für Menschen. Berlin: Jovis Verlag GmbH, 2015. [4] Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2011), (Hrsg.): Empfehlung zur Straßenraumgestaltung innerhalb bebauter Gebiete. Köln: FGSV Verlag, S. 35. Bilder 5 und 6: Übergangszone zwischen halbprivaten und öffentlichen Bereichen - mit schützender Rückendeckung, zum Sitzen, Anlehnen, Warten und Verweilen. © Jeremy Klemens Jeremy Klemens Studierender an der Beuth Hochschule, Berlin Kontakt: Jeremy-Klemens@web.de AUTOR 96 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES PRODUKTE + LÖSUNGEN Infrastruktur Sensus, das zu den führenden CleanTech Unternehmen für Versorgungsinfrastrukturen zählt, darf auch weiterhin Eichungen von Wasser- und Wärmezählern am eigenen Standort vornehmen. Am Dienstag, den 10. Januar 2017 wurde das achtköpfige Team um Prüfstellenleiter Jürgen Westphal vom Landesamt für Mess- und Eichwesen Rheinland-Pfalz zum stellvertretenden Prüfstellenleiter bestellt und vereidigt. Damit setzt das Unternehmen seine lange Tradition im Eichwesen fort, die mit der Betriebserlaubnis als erste „staatlich anerkannte Prüfstelle“ für Wasserzähler in der Bundesrepublik Deutschland überhaupt am 16. November 1970 begann. „Wir sind froh, unseren Kunden weiterhin die Möglichkeit von Eichungen, Befundprüfungen und Stichprobenverfahren zur Verlängerung der Eichfrist anbieten zu können“, so Jürgen Westphal. Neues Mess- und Eichgesetz Die erneute Vereidigung der Prüfexperten von Sensus war notwendig geworden, da mit Inkrafttreten des neuen Mess- und Eichgesetzes am 1. Januar 2015 die Betriebserlaubnis für staatlich anerkannte Prüfstellen für Energiemessgeräte, zu denen auch Wasser- und Wärmezähler gehören, bis Ende 2016 befristet war. „Mit der erneuten Anerkennung und Bestellung der stellvertretenden Prüfstellenleiter durch die Landesbehörde können wir unseren Service im Eich- und Prüfwesen auch weiterhin anbieten - und das seit nunmehr 46- Jahren ohne Unterbrechung“, so Westphal. Die Prüftradition bei Sensus reicht jedoch noch weiter zurück. Schon vor der Einführung der staatlich anerkannten Prüfstelle führte das Unternehmen eigene Prüfungen seiner Messgeräte durch, um die hohe Qualität der Produkte sicherzustellen. Eichpflicht für Wasserzähler Die staatlich anerkannten, von der Privatwirtschaft unterhaltenen Prüfstellen gehen auf die Einführung der Eichpflicht für Wasserzähler im Jahr 1970 zurück. Da der Staat die vorgeschriebene Eichung der Zähler personell selbst nicht realisieren konnte, sah das Gesetz von Beginn an vor, dass die Eichbehörden für diese Aufgabe auf entsprechend fachlich ausgebildete Ressourcen im privatwirtschaftlichen Bereich zurückgreifen dürfen. In der staatlich anerkannten Prüfstelle von Sensus in Ludwigshafen werden nach der jüngsten Bestätigung der fachlichen Expertise zukünftig Wasserzähler mit der Kennung WRP1 und Wärmezähler mit der Kennung KRP1 geprüft und geeicht. Sensus Ludwigshafen weiterhin staatlich anerkannte Prüfstelle Prüfstellenleiter von Eichdirektion Rheinland-Pfalz neu vereidigt · Standort Ludwigshafen erste anerkannte Prüfstelle überhaupt in Deutschland · Eichung von Wasser- und Wärmezählern hat beim Unternehmen Tradition Bild 2: Weiterhin staatlich bestellte und vereidigte Prüferstellenleiter: Eichrat Rigobert Biehl (l.) und Eichamtmann Andreas Fichtner (r.) vom Landesamt für Mess- und Eichwesen Rheinland-Pfalz vereidigten Jürgen Westphal (3.v.l.), Prüfstellenleiter bei Sensus, und seine Stellvertreter. © Sensus Bild1: Schon bevor der Staat die Eichung der Wasserzähler im Jahre 1970 per Gesetz verpflichtend einführte, prüfte Sensus die Qualität und Messgenauigkeit seiner Zähler auf eigenen Prüfständen, wie sie beispielsweise hier auf einer Aufnahme aus den 1950er-Jahren zu sehen sind. © Sensus Sensus GmbH Ludwigshafen Industriestraße16 67063 Ludwigshafen info.int@sensus.com www.sensus.com Halle 3.2. | Stand 332 97 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES PRODUKTE + LÖSUNGEN Infrastruktur Aufgrund der hohen Produktionskapazität war Eurofood auf der Suche nach einer intelligenten Lösung zum Reinigen von mehr als 3000 m 3 Abwasser pro Tag. Hat das Abwasser doch einen hohen Säuregrad, der im Klärwerk der Gemeinde Capo D’Orlando, dem Standort von Eurofood, nicht behandelt werden kann. Denn das öffentliche System ist für 30 000 Personen ausgelegt und durch die Sommersaison bereits sehr belastet. Zudem wollte das Unternehmen bei seinen hohen Umweltschutzstandards keine Abstriche machen. Giuseppe Ingrillì, Vertriebsleiter und letzter Nachkomme der Familie, die das Unternehmen gegründet hat, erklärt: „Der Schutz der Umwelt ist Teil unserer Philosophie. Wir stammen aus einer Familie von Obstbauern und Landwirten und wissen, dass die Bäume nur dann die Zitrusfrüchte tragen, die uns einzigartig in der Welt gemacht haben, wenn wir uns um die Umwelt kümmern.“ Moderne Kläranlage Eurofood entschied, eine Kläranlage zu bauen, die während der Phasen geringerer Produktion weniger Energie benötigt und gleichzeitig sämtliche Umweltbestimmungen erfüllt. Das in der Fabrik anfallende Abwasser enthält Wasser, das zum Säubern der Zitronen, zum Reinigen der Ausrüstung und zum Spülen und Sterilisieren der Flaschen verwendet wird. Die Kläranlage sollte mit den innovativsten und zuverlässigsten Technologien ausgerüstet werden. „Xylem verfügt über ein komplettes Sortiment unterschiedlicher Technologien für die Aufbereitung von Abwasser, von denen einige bereits bei uns eingesetzt werden. Wir schätzen Xylems technische Qualität und den Support vor Ort“, erklärt Francesco Ingrillì, der Enkel des Firmengründers. Erste Reinigungsstufe: Senken des Säuregehalts In der ersten Reinigungsstufe wird das gesamte Abwasser in ein Becken geleitet, in dem der Säuregehalt ausgeglichen wird. Außerdem wird das Abwasser gefiltert, um mögliche Feststoffe zu entfernen, wobei eine Flygt NP 3127 MT Tauchpumpe eingesetzt wird. Die verstopfungsfreie Flygt Pumpe stellt sicher, dass der Klärprozess nicht durch Fasern oder Stoffstücke im Abwasser zum Stillstand kommt. Die zweite Stufe: die biologische Klärung In der biologischen Reinigungsstufe werden Bakterien eingesetzt, hierfür sind ein entsprechender Säuregehalt und die richtige Sauerstoffkonzentration erforderlich. Anstelle eines einzigen, großen Beckens wurden zum Einsparen von Kosten und Energie zwei Becken mit einer Kapazität von jeweils 2500 m 3 gebaut. In Perioden mit geringer Auslastung befinden sich die Bakterien nur in einem Becken. Wenn eine stärkere Auslastung erwartet wird, werden die Bakterien mithilfe einer Flygt NP 3085 Tauchpumpe in das zweite Becken gepumpt. Die verstopfungsfreie Pumpe arbeitet energiesparend und fördert bis zu 15 Liter Schlamm pro Sekunde. Die biologische Reinigungsstufe kann im Vergleich zu anderen Stufen enorm viel Energie verbrauchen. Die Bakterien benötigen einen bestimmten Sauerstoffgehalt über die gesamte Beckentiefe, ein zu hohen Sauerstoffeintrag zieht jedoch einen erhöhten Energieverbrauch und somit höhere Kosten nach sich. Außerdem ist der Aktivitätsgrad der Bakterien vom Wetter abhängig, das auf Sizilien sehr wechselhaft sein kann. Um die Sauerstoffzufuhr zu optimieren, wurden am Boden der Becken Sanitaire Tellerbelüfter von Xylem installiert, die den Schlamm mit feinen Sauerstoffblasen gleichmäßig durchströmen. Ein Flygt Tauchrührwerk sorgt mit drei langsam rotierenden Flügeln für ein konstantes Durchmischen des Abwassers. Xylem Water Solutions Deutschland GmbH Biebigheimer Str. 12 63762 Großostheim info.de@ xyleminc.com www.xylemwatersolutions.com/ de www.xylem.de Nachhaltige Lösung für Zitronensafthersteller Zitronen gehören zu den bekanntesten Produkten Siziliens. Das sizilianische Unternehmen Eurofood ist mit einer Produktionsmenge von 22 Tonnen pro Tag Weltführer bei der Herstellung von Zitronensaft. Um sicherzustellen, dass das anfallende Abwasser vorschriftsmäßig entsorgt wird, setzt das Unternehmen jetzt eine nachhaltige Kläranlage mit energieeffizienter Technologie von Xylem ein. Im Labor des Unternehmens Eurofood, Sizilien. © Xylem 98 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES PRODUKTE + LÖSUNGEN Stadtraum Der patentierte Lösungsansatz von Green City Solutions greift dieses Problem auf und sorgt für saubere und kühle Luft in urbanen Lebensräumen. Dabei wird moderne Internet-der- Dinge-Technologie (IoT) mit der natürlichen Fähigkeit spezieller Moos-Kulturen verknüpft, die Feinstaub, Stickoxide und dadurch große Mengen an CO 2 - Äquivalenten sehr effizient aus der Luft filtern. Der sogenannte „CityTree“ verfügt laut Hersteller über eine Umweltleistung von bis zu 275 herkömmlich gepflanzten urbanen Bäumen - benötigt hierfür allerdings lediglich 3 m² Aufstellfläche. Die Konstruktion ist mobil und flexibel in den Raum implementierbar. Mithilfe des CityTrees lassen sich die Moose in der Stadt kultivieren, wo sie sonst allein nicht überlebensfähig wären. Jeder der vertikalen Pflanzenfilter kann die lokale Luftverschmutzung in einem Umkreis von bis zu 50 Metern um bis zu 30 % reduzieren. Innerhalb eines Tages kann der CityTree zu einer Feinstaub-Reduktion von bis zu 25 % und zu einer NO 2 -Verminderung um bis zu 15 % beitragen, jährlich bindet eine Anlage bis zu 150 kg CO 2 . Durch Verdunstungskühlung kann die Umgebungstemperatur um bis zu 17 °K gesenkt werden und örtlich auftretende Hitzeinseln („Hotspots“) lassen sich vermindern. Im Rahmen der Regenwassernutzung schwächt die ökologisch-aktive Bessere Stadtluft Reduzierung von Feinstaub, Hitze und Lärm mit dem „CityTree“ Stadtgrün, Feinstaubreduzierung, Luftverbesserung, Klimawandel, Stadtmöblierung Tina Hensel Weltweit atmen rund 90 % der in Städten lebenden Menschen täglich verschmutzte Luft ein. Als Konsequenz ist bereits heute jeder siebte Todesfall sowie ein ökonomischer Schaden von mehr als fünf Billionen US-Dollar auf die Folgen von Luftverschmutzung zurückzuführen. Deren Hauptbestandteile sind Stickoxide, Ozon und Feinstaub, der ein bedeutender Risikofaktor für die menschliche Gesundheit ist. Zukünftig wird die zunehmende Urbanisierung dieses Problem weiter verschärfen. CityTree in der norwegischen Hauptstadt Oslo. © Oslophototour 99 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES PRODUKTE + LÖSUNGEN Stadtraum Vertikalbegrünung Starkregenereignisse ab. Insgesamt verbessert der freistehende Biofilter die Aufenthaltsqualität durch die Verringerung von Luftbelastung, Lärm und Hitze. Darüber hinaus kann der CityTree die Biodiversität erhöhen. In Summe lassen sich die Umwelt- und Klimaeffekte mit der direkten und indirekten Bindung von 240 t CO 2 -Äquivalenten pro Jahr pro Anlage zu beziffern. Aufgrund der IoT-Technologie, der Verwendung von Solarenergie und einem integrierten Wassertank werden zudem nur wenige Wartungsstunden pro Jahr benötigt. Die eigens entwickelte Technologie erfasst Daten zu den klimatischen Umweltbedingungen, welche mit den Werten zur Luftqualität der Städte erweitert und zusammengeführt werden können. Auf der Konstruktion ist außerdem die Darstellung von analogen Informationen in Form von Schriftzügen, Bildern oder eines QR-Codes möglich. Mit diesen Elementen und der Integration von iBeacon, NFC oder Screens wird die kommerzielle Nutzung zum Bestandteil des Produktkonzepts. Integrierte Sitzbänke und das Angebot von zusätzlichen Dienstleistungen wie beispielsweise Wi-Fi-Hotspot oder E-Bike-Ladestationen erweitern die Funktionalität der Biofilter. Städten wird so eine Lösung zur Luftreinhaltung und Unternehmen ein Mittel zur authentischen Außenkommunikation angeboten. Greentech Start-up Das Biotech und IoT-Start-up „Green City Solutions“ wurde im Frühjahr 2014 von einem Expertenteam aus Architektur, Maschinenbau, Informatik und Gartenbau/ Biologie gegründet. Es bietet intelligente Lösungen in den Bereichen Umweltdienstleistung, CleanTech und nachhaltige Stadtentwicklung an, um Bewohnern zu einem gesünderen Leben in grünen und lebenswerten Städten zu verhelfen. Der vertikale und international mehrfach ausgezeichneten Pflanzenfilter CityTree bildet den ersten Baustein für die Vision zur Klimaverbesserung: einer nachhaltigen Stadtinfrastruktur, die Klima- und Umweltschutz mit Zielen der Klimawandelanpassung verbindet. Seit der Firmengründung konnten die smarten Biofilter in zahlreichen europäischen Städten präsentiert werden: Feste Installationen befinden sich derzeit beispielsweise in Oslo, Paris, Berlin und in Dresden. Darüber hinaus wurde die erste Einheit in Asien bereits im Juni 2016 in Hong Kong implementiert. Dank der freistehenden mobilen Konstruktion wurde der intelligente Filter außerdem mehrfach temporär in München, Berlin, Hannover, Regensburg, Krefeld, Halle, Jena und Dresden eingesetzt. Das Konzept des vertikalen Pflanzendisplays überzeugte bereits bei diversen Wettbewerben und Veranstaltungen. Im Mai 2015 etwa prämierte die Wettbewerbs-Jury von „Deutschland - Land der Ideen“ die „Multifunktionale Grünfläche für die intelligente Stadt“ zu einem der „100 Ausgezeichneten Orte 2015“ und im November zum Bundessieger der Kategorie Umwelt. Weiterhin war Green City Solutions unter anderem Teilnehmer des ersten Infiniti Accelerators von Nest und gewann die „Urban Futures Ideas Competition“ von Fraunhofer. Darüber hnaus wurde das Start-up innerhalb der „Innovation Grand Challenge“ unter mehr als 3000 Bewerbern als eines der drei besten Internet-der-Dinge-Unternehmen der Welt ausgezeichnet. Dénes Honus, Green City Solutions GmbH EUREF-Campus 7-8 10829 Berlin t.hensel@mygcs.de www.greencitysolutions.de CEO von Green City Solutions, wurde zu Beginn des Jahres 2016 als Social Entrepreneur in die erste Forbes „30 Under 30 Europe“- Liste aufgenommen. Im September 2016 wurde Green City Solutions zum „Runner-up“ der renommierten Postcode Lottery Green Challenge, dem größten, jährlich stattfindenden Wettbewerb auf dem Gebiet nachhaltiger Unternehmenspläne, gekürt. Innerhalb des Creative Busines Awards 2016 ist das Start-up nationaler und globaler Sieger, die seif Awards for Social Entrepreneurship 2016 ehrten es mit dem „Award for Future Trends“. Weitere Auszeichnungen waren im Jahr 2016 die EIT Digital Challenge (Kategorie „Digital Cities“), der Green Alley Award sowie die iiAwards. Im Jahr 2017 wurde Green City Solutions mit dem CityTree von Chivas Regal Deutschland zum nationalen Sieger von Chivas The Venture gekührt und tritt nun im internationalen Entscheid in Los Angeles an. Der CityTree stand bis Herbst 2016 im DB-Hauptbahnhof, Berlin. © Green City Solutions GmbH 100 1 · 2017 TR ANSFORMING CITIES PRODUKTE + LÖSUNGEN Ressourcen Impressum Transforming Cities erscheint im 2. Jahrgang Herausgeber Eberhard Buhl, M.A. Verlag Trialog Publishers Verlagsgesellschaft Eberhard Buhl | Christine Ziegler Marschnerstr. 87, D-81245 München Tel. +49 89 889518.71 · Fax +49 89 889518.75 office@trialog.de · www.trialog.de Redaktionsleitung Dipl.-Ing. arch. Christine Ziegler VDI (verantwortlich) Tel: +49 89 889518.72 Fax: +49 89 889518.75 christine.ziegler@transforming-cities.de Anzeigen Hellfried Zippan Tel. +49 89 889518.74 Fax +49 89 889518.75 hellfried.zippan@trialog.de Gültige Anzeigenpreisliste Nr. 2 vom 01.10.2017 Vertrieb und Abonnentenservice Tel. +49 89 889518.76 Fax +49 89 889518.75 vertrieb@trialog.de Erscheinungsweise Viermal im Jahr Bezugsbedingungen Die Bestellung des Abonnements gilt zunächst für die Dauer des vereinbarten Zeitraumes (Vertragsdauer). Eine Kündigung des Abonnementvertrages ist zum Ende des Berechnungszeitraumes schriftlich möglich. Erfolgt die Kündigung nicht rechtzeitig, verlängert sich der Vertrag und kann dann zum Ende des neuen Berechnungszeitraumes schriftlich gekündigt werden. Bei Nichtlieferung ohne Verschulden des Verlages, bei Arbeitskampf oder in Fällen höherer Gewalt besteht kein Entschädigungsanspruch. Zustellmängel sind dem Verlag unverzüglich zu melden. Es ist untersagt, die Inhalte digital zu vervielfältigen oder an Dritte weiterzugeben, sofern nicht ausdrücklich vereinbart. Bezugsgebühren JahresAbo Print: gedruckte Ausgabe zum Jahresbezugspreis von EUR 120,- (Inland inkl. MwSt., Ausland exkl. MwSt.), zzgl. Versandkosten (Inland EUR 11,90, Ausland EUR 25,-) JahresAbo ePaper: elektronische Web-Ausgabe zum Jahresbezugspreis von EUR 120,- (Inland inkl. MwSt., Ausland exkl. MwSt.), ohne Versandkosten JahresAbo Plus (Print + ePaper): als gedruckte Ausgabe + elektronische Web-Ausgabe zum Jahresbezugspreis von EUR 160,- (Inland inkl. MwSt., Ausland exkl. MwSt.), zzgl. Versandkosten (Inland EUR 11,90 , Ausland EUR 25,-) StudiAbo ePaper: elektronische Web-Ausgabe. Reduzierter Jahresbezugspreis von EUR 80,- (Inland inkl. MwSt., Ausland exkl. MwSt.). Eine aktuelle Studienbescheinigung ist Voraussetzung. Einzelheft Print: gedruckte Ausgabe zum Einzelbezugspreis von EUR 35,- (Inland inkl. MwSt., Ausland exkl. MwSt.), zzgl. Versandkosten (Inland EUR 3,-, Ausland EUR 6,50) Einzelausgabe ePaper: elektronische Web- Ausgabe zum Einzelbezugspreis von EUR 35,- (Inland inkl. MwSt., Ausland exkl. MwSt.), ohne Versandkosten Campus- und Firmenlizenzen auf Anfrage Organ | Medienpartnerschaft VDI Verein Deutscher Ingenieure e.V. - Fachbereich Verkehr und Umfeld Druck Grafik und Druck GmbH Peter Pöllinger, München Herstellung Trialog, München, www.trialog.de Titelbild © ClipDealer Copyright Vervielfältigungen durch Druck und Schrift sowie auf elektronischem Wege, auch auszugsweise, sind verboten und bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung des Verlages. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Abbildungen übernimmt der Verlag keine Haftung. Eine Publikation der Trialog Publishers Verlagsgesellschaft, München ISSN 2366-7281 (print) www.trialog.de/ agb Die Graf Systemlösung zur Regenwasserversickerung wird um den Graf Drainstar Filter erweitert. Der Drainstar Filter ist in Kombination mit dem platzsparenden Graf Sicker-Tunnel eine kompakte Lösung zur dezentralen Entwässerung kleiner bis mittlerer Dachflächen. Der neue Drainstar Filter vereinfacht den Einbau von Versickerungssystemen mit dem Graf Sicker-Tunnel deutlich, da beide Produkte in der Grubensohle auf dem gleichen Einbauniveau installiert werden. Gegenüber einem herkömmlichen Filter reduzieren sich der Aushub und die Einbautiefe, da der Filter ohne Höhenversatz auskommt und das Entwässerungssystem im Vergleich zu herkömmlichen Lösungen recht kompakt ist. Wie in einem Siphon staut sich das eingeleitete Wasser im Bereich des Filterkorbes an und fließt über den Überlauf in den Sicker-Tunnel. Ein dauerhaftes Anstauen des Filters mit Wasser wird durch Bohrungen unterhalb des Filterkorbes effektiv verhindert. Der Filterkorb mit einer Maschenweite von nur 0,35 mm hält zuverlässig Laub und andere Verschmutzungen zurück. Der Korb ist mit einem großen Henkel ausgestattet, der die Entnahme und Revision über den Domschacht erleichtert. Der Drainstar Filter wird durch den in Höhe und Neigung verstellbaren Teleskop-Domschacht an die Oberfläche angepasst und ist bis zur Geländeoberkante abgedichtet. Die begehbare Abdeckung passt sich in der Farbe Grasgrün nahezu unsichtbar in Rasenflächen ein. Der Drainstar Filter ist mit einem mehrstufigen Anschlussstutzen ausgestattet. Damit kann vor Ort der Anschluss an die Rohrdimension DN 100 und DN- 150 angepasst werden. Ablaufseitig wird das gefilterte Wasser über einen Anschluss DN 150 ohne Verbindungsrohr direkt in den Sicker-Tunnel geleitet. Die aus Recycling-Kunststoff gefertigten Graf Sicker-Tunnel haben ein dreimal größeres Speichervolumen als herkömmliche Kiesrigolen. Ein Modul mit nur 11- kg Gewicht ersetzt etwa 800- kg Kies oder 36-m Drainagerohr. Der Graf Drainstar Filter ist in Kombination mit dem Graf Sicker-Tunnel eine kompakte Lösung zur dezentralen Entwässerung kleiner bis mittlerer Dachflächen. © Otto Graf GmbH Kompakte Lösung zur Versickerung Neuer Graf Drainstar Filter für Graf Sicker-Tunnel Energie für Städte Am 2. Juni 2017 erscheint die nächste Ausgabe von Transforming Cities mit dem Themenschwerpunkt  Städtische Energieerzeugung  Biomasse aus dem Stadtpark  Abwärme aus Fabrikation und Kanalisation  Wind und Sonne auf Dächern nutzen  Klimaneutrale Heizung und Kühlung  Energie sparende Stadtbeleuchtung  Effizienz städtischer Energieverbraucher  E-Mobilität + Stromtankstellen  Speichertechnologien  Smart Grids ...