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Was macht Städte smart? Soft Data | IT-Security | Klimaresilienz | Energieplanung | Emotionen | Human Smart City | Megatrends 1 · 2018 Die intelligente Stadt URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN SAVE THE DATE ! 6. - 8. März 2018 Messe Karlsruhe Partner +++ E-Ticketing +++ Integriertes Fahrgeldmanagement +++ Echtzeit-Fahrgastinformation +++ Software +++ Verkehrsmanagement +++ Sicherheitssysteme +++ Infotainmentsysteme +++ Kombinierter Verkehr +++ Autonomes Fahren +++ und weitere +++ 1 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES EDITORIAL Liebe Leserin, lieber Leser, technisch gesehen ist bereits vieles machbar. Autos kommunizieren untereinander oder mit Ampeln an der Straßenkreuzung, um den Verkehr flüssiger und sicherer zu machen. Smarte Häuser klimatisieren sich selbst, halten Einbrecher fern oder füttern den Mähroboter mit selbst erzeugtem Sonnenstrom. Drohnen schaffen online bestellte Waren auf dem Luftweg auch an Kunden weit außerhalb. Die Zukunft hat längst begonnen - und doch ist das erst der Anfang. Glaubt man Ralf Kleber, dem Chef von Amazon Deutschland, sind wir in Sachen Digitalisierung - verglichen mit einem Restaurantbesuch - gerade mal beim „Gruß aus der Küche“. Das Beste kommt also noch. Was aber kommt als nächstes? Big Data: Die Möglichkeiten, die das Sammeln und Auswerten großer Datenmengen schafft, sind gigantisch. Die Datenflut aus elektronischer Kommunikation in sozialen Netzwerken, aus Smartphones oder Navigationsgeräten, von Kundenkarten oder Überwachungssystemen ist die Basis für völlig neue Anwendungen und Geschäftsmodelle. Auch Städte lassen sich als Smart Cities mit digitaler Technik effizienter managen. Wenn beispielsweise intelligente Stromnetze Schwankungen automatisch auffangen. Wenn sich das Verkehrsaufkommen oder die Luftqualität aus Mobilfunkdaten in Echtzeit ermitteln lassen. Wenn die Straßenbeleuchtung nachts nur anspringt, wenn jemand unterwegs ist. Und auch im Gesundheitswesen, bei Arbeitsformen oder im Bildungsbereich kann Digitalisierung zweifellos große Fortschritte bringen. Bei aller Aufbruchstimmung stellt sich freilich die Frage, ob die anstehenden Probleme allein mit schlauen Algorithmen zu lösen sind. Was, wenn das Leben in Städten immer teurer wird? Wenn zu viele Menschen um zu wenige Wohnungen konkurrieren müssen oder nicht mehr genug Arbeit für alle da ist? Helfen Daten wirklich weiter, wenn sich Menschen in veränderten Städten überfordert fühlen und den Bezug verlieren? Was also macht Städte wirklich intelligent? Kann man die neuen Technologien sinnvoll nutzen, ohne dabei die Ansprüche und Ängste der Bürger zu vernachlässigen? Die Autoren der vorliegenden Ausgabe betrachten diese Fragen aus ganz verschiedenen Perspektiven. Lesen Sie selbst. Ihre Christine Ziegler Redaktionsleitung „Transforming Cities“ Die intelligente Stadt Was macht Städte smart? 2 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES INHALT 1 · 2018 Seite 15 Seite 22 Seite 44 © GENIUS © pixabay © iSPACE RSA FORUM Interview 4 Living LaB Ludwigsburg Dr. Andrea Bräuning, Leiterin der Geschäftsstelle, im Interview Veranstaltungen 7 REAL CORP 2018 Expanding Cities - Diminishing Space 7 BDEW Kongress 2018 Der Kongress für die neue Energiewelt PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum 12 Smart City Ein neues Instrument zur Stadtentwicklung? Stefan Netsch, Markus Karnutsch 15 Integrierte Planung Der Königsweg für eine nachhaltige Stadtentwicklung in China und Indien Dirk Schwede, Marcus Jeutner Kommunikation 18 Smart Cities: Vermitteln statt Streiten Mediation als Symbiose zwischen Mensch und Urbanisierung Stephanie Huber 20 Soft Data Wie Bürger zur Zukunft beitragen Matthias Breier 22 Wie kann ein Angriff auf IT-Systeme nachgewiesen werden? Methoden der forensischen Netzwerkanalyse 24 Funk als smarte weil wirtschaftliche Lösung Zuverlässige Anbindung weit entfernter Außenstationen Benjamin Fiene 28 So bewegt sich Deutschland Telefónica NEXT visualisiert neue Verkehrsdatenbasis Marie Cécile Schneider, Alexander Lange Energie 30 München vernetzt sich mit der Sonne Andreas Weigand Mobilität 34 Entscheidungshilfen bei Terror im Bahnverkehr Eva Olschewski 3 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES INHALT 1 · 2018 Seite 54 Seite 62 © COPA-DATA Seite 72 © Füsser © pixabay THEMA Die intelligente Stadt 36 Mit Flexibilität zu resilienten Infrastrukturen? Digitale Anwendungen, Nudges und Blockchain verbessern die Klimaresilienz von Infrastrukturen Özgür Yildiz, Till Ansmann 40 Steuerungsmodell für eine klimaresiliente Smart City Planung und Entwicklung klimaresilienter Städte mit Hilfe sozio-technischer, smarter Instrumente Veronika Zettl, Natalie Pfau-Weller 44 Räumliche Energieplanung in Städten und Kommunen Franz Mauthner, Ingo Leusbrock, Richard Heimrath, Peter Nageler, Markus Biberacher, Ingrid Schardinger 49 Emotionen für intelligente Städte Die Urban Emotions- Initiative Peter Zeile, Bernd Resch 54 Smart City: Der Traum von der lebenswerten Stadt Intelligente IT verbessert die Lebensqualität in Großstädten Andreas Zerlett 58 Was macht Städte smart? Die Morgenstadt-Initiative Natalie Pfau-Weller, Alanus von Radecki 62 Human Smart City - der Mensch im Zentrum Stefan Metzger, Edy Portmann, Matthias Finger, Astrid Habenstein, Anja Riedle, Res Witschi 68 Wann ist smart wirklich smart? Smarte Mobilität aus Sicht der Systemtheorie Klaus Füsser 74 Digitalisierung - ein unaufhaltsamer Megatrend Teil 1: Megatrends Religion, Geld und Imperien Thomas Dandekar, Martin Kaltdorf 78 Digitalisierung - ein unaufhaltsamer Megatrend Teil 2: Der Einfluss der Digitalisierung auf die Stadt der Zukunft: Chancen und Risiken für die menschliche Gesellschaft Thomas Dandekar, Martin Kaltdorf PRODUKTE + LÖSUNGEN Kommunikation 84 Hochwasser-Vorsorge digital „Flood Monitoring System“ von Bosch im Feldversuch bei Poppenweiler 84 Impressum 4 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES FORUM Interview Mit welchem Programm ging das Living LaB Ludwigsburg vor drei Jahren an den Start? Das Living LaB wurde im Jahr 2015 auf Initiative von Oberbürgermeister Werner Spec gegründet. Das Living LaB bezieht sich auf die Gesamtstadt Ludwigsburg, die - als urbaner Raum - für innovative Lösungen genutzt wird, um den Herausforderungen durch die Urbanisierung aktiv zu begegnen. Living LaB ist aber auch ein offenes Innovationsnetzwerk mit Vertretern aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Stadtverwaltung. Das Netzwerk wird durch die Geschäftsstelle Living LaB gesteuert. Sie setzt sich zusammen aus Partnern des Innovationsnetzwerks und Mitarbeitern der Verwaltung. Nach einer Benchmark-Studie des Fraunhofer IAO ist diese Konstellation, als integrierter Teil der Stadtverwaltung, einmalig in Europa, vermutlich weltweit. In Ludwigsburg unterstützen wir derzeit Pionierarbeit bei der Erforschung und Implementierung digitaler Lösungen in allen Bereichen der Stadt. Die beschleunigte Entwicklung städtischer Lebensräume und die Bewältigung besonderer Herausforderungen sind zentrale Aufgaben für die Kommune der Zukunft. Vor allem in Ludwigsburg begegnen wir diesem Wandel sehr offensiv und testen viele Möglichkeiten und Lösungen, die durch die Digitalisierung entstehen: Unter dem Motto „Digitalisierung, Beteiligung und Stadt“ ist Ludwigsburg eine von 20 ausgewählten Kommunen Deutschlands, die im Rahmen des Wettbewerbs „Zukunftsstadt“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert wird. Neben der Stadt Ludwigsburg arbeiten mehrere Partner im Netzwerk? In Ludwigsburg gilt der Anspruch: „Höchste Komplexität bei maximaler Gleichzeitigkeit.“ Dem ist nicht leicht zu entsprechen, wie Sie sich denken können! Es klappt nur, wenn alle Beteiligten zusammenarbeiten und sich nicht als Konkurrenz verstehen. Neben Innovationsnetzwerkpartnern aus Wirtschaft und Forschung baut das Living LaB auf die Unterstützung der Gesamtverwaltung sowie der städtischen Unternehmen Stadtwerke und Wohnungsbau Ludwigsburg. Gemeinsam entwickeln wir Projekte in den Schwerpunktthemen Architektur und Gebäude, Energie und Klima, Mobilität sowie IT und eGovernment und setzen diese auch sukzessive und gemeinsam um. Steht Digitalisierung auf dem Weg zur „Smart City“ im Vordergrund? Nein, nicht die Digitalisierung oder die technische Machbarkeit sind Treiber für Smart City in Ludwigsburg, sondern der Nutzen, der für die Bürger daraus entstehen kann, treibt uns an. Aufgrund zunehmender Digitalisierung steigt entsprechend die Vernetzung der Segmente Energie, Mobilität, Informationstechnologie, Gebäude und Sicherheit. Die historisch gewachsenen Segmentabgrenzungen lösen sich auf und können - im Sinne der Nachhaltigkeit - zunehmend vernetzt werden. Das ist eine Chance. Der Stolperstein liegt darin, dass die Strukturen innerhalb und zwischen Organisationen diesen segmentübergreifenden Ansatz noch wenig abbilden. Living LaB Ludwigsburg Das Konzept Smart City im Praxistest Das Innovationsnetzwerk LivingLaB Ludwigsburg wurde im Jahr 2015 gegründet. Zusammen mit Partnern aus Wirtschaft, Industrie und Forschungseinrichtungen will die Stadt innovative Lösungen für die Herausforderungen durch die Urbanisierung entwickeln, die dann vor Ort unter realen Bedingungen im Stadtraum erprobt werden. Im Interview spricht die Leiterin der Geschäftsstelle, Dr. Andrea Bräuning, über Smart Cities, Chancen und Risiken der Digitalisierung sowie über laufende Projekte des Netzwerks. Marktplatz Ludwigsburg. © GDA Peter Albig 5 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES FORUM Interview Worin sehen Sie die Chancen und Risiken digitaler Stadtstrukturen? Der wesentliche Erfolgsfaktor auf dem Weg zur Smart City liegt im Prozess der Umsetzung von Lösungen, die auf übergeordnete Themen einzahlen - und eben nicht nur im Segment oder Einzelprodukt optimieren. Beispiele, die wir in Ludwigsburg in diesem Sinne angehen, sind Luftqualität, gesamtstädtische Parkraumlösungen oder Quartiersentwicklungen, die von Anfang an Energie-, Smart Home-, Mobilitäts- und Sicherheitskonzepte integriert denken. Da geht es auch um neue Geschäftsmodelle und Rollen für traditionelle Unternehmen in ihren angestammten Branchen. Entsprechend birgt die Entwicklung auch disruptives Potenzial. Welche Impulse ergeben sich daraus für Stadtplanungsprozesse? Wichtig ist der gemeinsame Prozess mit der Stadtverwaltung. Dort entstehen Ideen für Lösungen, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle, die als Pilotprojekt entwickelt, getestet und zur Marktreife gebracht werden. Diese Lösungen unterstützen das Erreichen der Ziele des nachhaltigen Stadtentwicklungskonzepts, das zusammen mit Bürgern bereits vor Jahren aufgesetzt und regelmäßig unter Bürgerbeteiligung weiterentwickelt wird. Können neben Unternehmen auch Kommunen vom wachsenden Markt digitaler Technologien und Produkte profitieren? Wir stellen fest, dass unser Living LaB auf Interesse bei anderen Kommunen stößt. Das zeigt sich an der steigenden Zahl nationaler und internationaler Anfragen aus Verwaltung und Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Presse und Konferenz-Veranstaltern. Obwohl Ludwigsburg, mit knapp 100 000 Einwohnern nicht zu den „Großen und weithin Bekannten“ zählt, ist die Stadt mit dem Living LaB doch ein Vorreiter bei der co-innovativen Stadtentwicklung in Europa - was die eingangs erwähnte Benchmark- Studie von Fraunhofer belegt. Sind neue Formen der Bürgerbeteiligung notwendig, damit Veränderungen breiten Konsens finden? Eine der zentralen Herausforderungen liegt in einer nachhaltigen Flächenentwicklung für Wohnen und Gewerbe. Es gilt Antworten zu finden zu einer angemessenen Siedlungsdichte, den Grenzen des Wachstums sowie qualitätsvollen Grün- und Freiflächen für die Erholung und das Wohlbefinden der in Ludwigsburg lebenden und arbeitenden Menschen. Vor dem Hintergrund dieser Herausforderungen hat die Stadt Ludwigsburg 2004 einen integrierten Stadtentwicklungsprozess mit einer umfassenden Bürgerbeteiligung begonnen. Im Rahmen dieses zweijährigen Entwicklungsprozesses mit rund 1000 interessierten Bürgerinnen und Bürgern entstand das Stadtentwicklungskonzept „Chancen für Ludwigsburg“. Es enthält Leitsätze und Ziele zu elf Themenfeldern, die das gesamte städtische Handeln abdecken - wie Arbeit, Wohnen, Bildung, Mobilität oder Energie. Im Rahmen des integrierten Nachhaltigkeitsmanagements wird der Stadtentwicklungsprozess kontinuierlich weiterentwickelt. Um eine strukturierte Steuerung dieses Prozesses und der Arbeit innerhalb der Verwaltung sicherzustellen, hat die Stadt Masterpläne und eine eigene Software („KSIS“) geschaffen, welche die strategischen Ziele und die Umsetzung erfassen, verfolgen und für alle Beteiligten und Interessierten transparent machen. Welche Projekte laufen derzeit beim Living LaB Ludwigsburg? Im Bereich Architektur setzt Ludwigsburg stark auf das Prinzip von Cradle 2 Cradle. Hierfür gibt es mehrere Projekte im Bereich öffentlicher Gebäude und Wohnen. Ich greife als Beispiel ein Thema heraus, das viele Kommunen betrifft: das kurzfristige Leiterin der Geschäftsstelle Living LaB Ludwigsburg, Dr. Andrea Bräuning. © Helmut Pangerl 6 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES FORUM Interview Schaffen von nachhaltigem Wohnraum für Flüchtlinge. Die Wohnungsbau Ludwigsburg hat mit wissenschaftlicher Begleitung, der DGNB Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen und einem Architekturbüro ein modulares Holzbau-System entwickelt: Der „Cube 11“ ermöglicht aufgrund der klaren Gebäudegeometrie und der einfachen Tragstruktur einen hohen Vorfertigungsgrad und war nach nur drei Monaten Bauzeit fertig gestellt. Aktuell überlegen wir, wie industrielle Fertigungsprozesse der Automobilindustrie auf den Holzmodulbau übertragen werden können, um so energieeffiziente, schadstoffarme und vor allen Dingen nachhaltige Baukörper weiter zu optimieren. Im Bereich Energie und Klima laufen derzeit mehrere Projekte, die auf das übergeordnete Thema Luftqualität einzahlen. Neben Feinstaubreduzierung, Klimaanpassung und Lärmschutz gehört auch die Reduzierung von Stickoxiden dazu. Das Luftqualitätskonzept setzt dabei auf das Messen und Regeln im Außen- und Innenraum. Ein Beispiel sind die Umweltmessboxen der Firma Bosch, die insgesamt 12 Luftparameter messen. Auf Basis von Messwerten kann eine Immissionskarte entstehen, die unter Einbindung von Raumdaten (zum Beispiel Verkehr, Wetter, Gebäude) ein umfassendes Bild der Luftqualität ermöglicht. Entsprechend können Effekte von Maßnahmen erfasst und diese gezielt platziert werden. Solche Maßnahmen können Wände für Biodiversität sein, wie wir sie derzeit mit Züblin und Helix pilotieren. Ein anderes Projekt sind die Luftqualitätsmess- und Reinigungsgeräte der Firma Mann+Hummel. Zusammen mit dem Fachbereich Hochbau und Gebäudewirtschaft wurden rund 70 Messgeräte in öffentlichen Gebäuden (Rathaus, Schulen, etc.) aufgestellt. Während der einjährigen Pilotphase werden Daten der Innenraum-Luftqualität erfasst, analysiert und mit 50 Luftreinigungsgeräten verbessert. Wir versprechen uns Aufschluss über den Einfluss der Luftqualität hinsichtlich Arbeits- und Aufenthaltsqualität der Menschen, die in diesen Räumen lernen und arbeiten. Im Bereich Mobilität haben wir mit der Firma Swarco Traffic Systems GmbH eine strategische Partnerschaft aufgesetzt. Im Rahmen dieser Partnerschaft laufen Pilotprojekte, die auf übergeordnete Handlungsstränge wirken: Vernetztes Fahren, Parken und Laden sowie Integriertes Verkehrsmanagement. Ein Beispiel für vernetztes Fahren ist die Priorisierung von Einsatzfahrzeugen der Feuerwehr an Lichtsignalanlagen. Derzeit läuft ein Pilot bei dem acht Anlagen auf die Car2X-Technik umgestellt werden - auf dieser Basis kommunizieren Fahrzeug und Signaltechnik direkt miteinander und ermöglichen eine grüne Welle. Eine nächste Phase des Pilotprojektes kann die Priorisierung des ÖPNV sein sowie die Ampelphasenanzeige für PKW und Radfahrer. Im Bereich IT und eGovernment hebe ich drei Projekte hervor, die für den Bürger einen spürbaren Mehrwert bieten und die städtischen Mitarbeiter darüber hinaus entlasten. Gemeinsam mit dem Bürgerbüro arbeiten wir an einem 24/ 7 Terminal, an dem der Bürger seinen beantragten Personalausweis oder Reisepass jederzeit abholen kann, ohne sich an die Öffnungszeiten des Amtes richten zu müssen. Projektpartner ist die Firma Kern, die im Rahmen dieses Piloten ihr Paket-Terminal weiterentwickeln. Wenn der Bürger dann doch mal im Bürgerbüro ist, empfängt ihn ein Service-Roboter zur Erstbegrüßung und als Wegweiser. Schließlich ist ein ganz zentrales Projekt der digitalen Transformation in Ludwigsburg die Smart City Cloud für die derzeit ein Proof of Concept mit der Firma Bosch läuft. Woher kommen die Impulse, Projektideen, Forschungsansätze? Im Jahr 2015 lud Oberbürgermeister Spec Unternehmen und Wissenschaft vor Ort und aus der Region ins Innovationsnetzwerk ein. Seitdem treffen sich Vertreter dieser Organisationen zum regelmäßigen Austausch. Die Netzwerktreffen werden von der Geschäftsstelle Living LaB organisiert. Es gibt ein Format, bei dem die Projektbeteiligten ihre laufenden Aktivitäten vorstellen und ein anderes bei dem Experten übergeordnete Fragestellungen diskutieren und Projekte entwickeln. Das Netzwerk ist offen für jeden, der bereit ist, Innovationen pilothaft im LaB zu entwickeln. Darüber hinaus können Netzwerkpartner natürlich weitere Interessierte mitbringen. Und schließlich haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Stadtverwaltung Austausch mit Fachfirmen, die ebenfalls eingebunden werden können. Kann jeder Bürger mit einer guten Idee zu Ihnen kommen? Theoretisch ja. Alle Projektideen werden nach Kriterien, die wir für Living LaB Projekte definiert haben, bewertet. Zunächst prüfen wir, ob das Ergebnis aus dem Projekt dem Bürger oder der Verwaltung einen Nutzen bietet. Ist dies der Fall, schauen wir auf die Vereinbarkeit mit den Zielen des Stadtentwicklungskonzeptes. Nur wenn eine Zuordnung möglich ist, evaluieren wir als letzten Schritt den Innovations- und Neuheitsgrad sowie potenzielle Skalierbarkeit der Lösung. 7 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES FORUM Veranstaltungen 7 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES BDEW Kongress 2018 13. und 14. Juni 2018 in der STATION Berlin Der BDEW Kongress am 13. und 14. Juni 2018 steht mit dem Leitmotiv „Tempo“ für Veränderung und Wachstum in der Energiebranche. Mehr als 1600 Teilnehmer und 100 Nachwuchskräfte werden erwartet. Rund 100 Referenten diskutieren auf fünf Bühnen in 16 praxisnahen Themensessions, im Plenum und in der Speakers‘ Corner. Viele zentrale Entwicklungen im Rahmen der Energiewende wachsen exponentiell. Kaum eine Branche hat sich daher in den letzten Jahren so rasch neu erfinden müssen wie die Energiebranche. Geschwindigkeit wird zunehmend zum Grundgefühl vieler Unternehmungen. Branchengrenzen lösen sich im Zuge neuer Technologien und Geschäftsmodelle immer stärker auf. Die Trendthemen Big Data, Blockchain, Smart Cities und Quartierslösungen versprechen viel Potenzial für neue Geschäftsmodelle. Auf dem BDEW Kongress 2018 erörtern Frontrunner, Start-ups und Stadtwerke dazu Strategien und Erfolgsgeschichten. Auf dem BDEW Kongress stehen weitere Themen wie Sektorkopplung, Power-To-X, Smart Living, E-Mobilität, Netzausbau sowie Gas und Fernwärme in der Energiewende im Fokus der Veranstaltung. Zugesagte Redner wie Maroš Šefčovič, Europäische Kommission; Jochen Homann, Bundesnetzagentur; Martin Grundmann, ARGE Netz; Werner Götz, TransnetBW; Magnus Hall, Vattenfall; Heike Heim, DEW 21; Rolf Martin Schmitz, RWE; Stijn van Els, Deutsche Shell Holding; Marie-Luise Wolff, ENTEGA und Susanna Zapreva, Stadtwerke Hannover referieren und diskutieren über die Energieversorgung von morgen. In der STATION Berlin wird durch das Zusammenspiel von faszinierender Halle, moderner Technik und eindrucksvoller Raumgestaltung ein außergewöhnlicher Rahmen geschaffen. Das Raum-in- Raum-Konzept bietet einen optimalen Informationsaustausch: Kurze Wege zwischen dem Plenum und den vier Themenwelten in der großen Ausstellung, drei Marktplätze als Treffpunkt für gute Gespräche sowie vielfältige Impulse in der Speakers‘ Corner und beim Start-up-Matchmaking. REAL CORP 2018 Expanding Cities - Diminishing Space 23. internationale Konferenz zu Stadtplanung und Regionalentwicklung in der Informationsgesellschaft | 4.-6. April 2018 | Technische Universität Wien, Österreich Die Weltbevölkerung wird die 10-Milliarden-Marke voraussichtlich in den 2060er-Jahren überschreiten; davon werden 70 % in städtischen Bereichen leben. Städte wachsen nicht nur hinsichtlich ihrer Bevölkerungszahl, sondern vergrößern auch ständig ihre Fläche. Auch mit gleichbleibender Bevölkerung entsteht immer mehr Bedarf nach Raum. In vielen Städten ist die Anzahl der Quadratmeter pro Kopf im Wohnbau stetig steigend, einerseits als Folge gesteigerten Lebensstandards, andererseits auch als Resultat von Veränderungen in der sozialen Struktur, die zu einem hohen Anteil an Ein-Personen- Haushalten führen. Auch Verkehrsinfrastruktur, Industriegebiete, Einkaufszentren, Logistikzentren, Veranstaltungs- und Freizeiteinrichtungen etc. konsumieren zusätzlichen Raum. Als Konsequenz daraus wachsen Städte auch in die dritte Dimension: hoch in den Himmel und tief unter die Erde. Viele Städte wachsen auch in die Zeit hinein und werden zu Orten, die niemals schlafen und ihre urbanen Aktivitäten 24 Stunden pro Tag das ganze Jahr über anbieten - 24/ 365. Auch in Ländern und Regionen mit konstanter oder schrumpfender Bevölkerung haben die Städte weiterhin Zulauf zu verzeichnen. Während der sprichwörtliche Hunger nach Nahrung und Ressourcen zunimmt, schrumpfen die Flächen zwischen den Städten, d. h. landwirtschaftlich genutzte Gebiete, aber auch natürliche Rückzugsflächen und Pufferzonen, immer mehr. Diese Aspekte der Stadterweiterung führen nicht nur zu massiven weltweiten Veränderungen, sondern erzeugen auch vielfältige Herausforderungen, Chancen und Risken, mit denen wir uns in Planungsprozessen beschäftigen müssen. Die REAL CORP 2018 bildet den aktuellen Stand der Technik ab, präsentiert aber auch Projekte und Lösungsansätze für den Einsatz zukünftiger Technologien. Kontakt: www.corp.at Kontakt: Christine Kebinger, Projektleitung, EW Medien und Kongresse GmbH, christine.kebinger@ew-online.de, www.bdew-kongress.de 8 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES FORUM Standpunkt Wasserwirtschaft 4.0 Wasserwirtschaft 4.0, Digitalisierung, Wasserversorgung, Abwasserentsorgung, Gemeinwohl, Daseinsvorsorge, Kritische Infrastruktur, Sicherheit, Datenschutz Christa Hecht Die Welt wird smart und die Digitalisierung erfasst alle Lebensbereiche. Internetnutzung und Smartphones sind überall präsent. Das macht auch vor der Wasserwirtschaft nicht Halt und so setzen sich Akteure mit der Nutzung von IT-Technik in der Wasserwirtschaft auseinander und dabei wird sogar schon von smarter Infrastruktur gesprochen. Smart - auf Deutsch schlau, intelligent. Können Dinge schlau sein? Oder sind es die Menschen, die sie entwickeln? Wie weit geht die Digitalisierung? Kann Wasser digitalisiert werden oder ist es der Gebrauch von Wasser, der digital unterstützt wird? Der bekannte Philosoph Harald Welzer hat auf der AöW-Jahrestagung 2016 referiert und gesagt: „Wasser ist analog und bleibt analog! “ Recht hat er. Wir Menschen sind analog und bleiben zeitlebens analog. Was bedeutet Wasserwirtschaft 4.0 und was ist bei den Veränderungsprozessen für diesen wichtigsten Bereich der Daseinsvorsorge und für das Gemeinwohl zu beachten? Dem möchte ich hier nachspüren. Leitstand Kläranlage Aachen-Soers. © Wasserverband Eifel-Rur 9 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES FORUM Standpunkt Was ist Wasserwirtschaft 4.0? Diese Kategorie wurde von Professor David Sedlak (Yale Universität) in seinem 2015 erschienenen Buch „Water 4.0 - The Post, Present and Future of the World‘s Most Vital Resource“ geprägt und in der Pressemitteilung zum Buch so beschrieben: „Drehen Sie den Wasserhahn auf und Wasser fließt heraus. Ziehen Sie den Abflussstopfen heraus und das schmutzige Wasser verschwindet. Die meisten von uns denken wenig über die verborgenen Systeme nach, die uns Wasser bringen und es wegleiten, wenn wir damit fertig sind. Aber diese unterschätzten Wunderwerke der Technik stehen vor einer Reihe von Herausforderungen, die ohne eine grundlegende Änderung unserer Beziehung zum Wasser nicht gelöst werden können ... Um fundierte Entscheidungen über die Zukunft treffen zu können, müssen wir die drei Revolutionen in städtischen Wassersystemen, die in den letzten 2500 Jahren stattgefunden haben, und die Technologien, die das System neu gestalten, verstehen.“ Der Autor beginnt mit der Beschreibung von Water- 1.0, den frühen römischen Aquädukten, Brunnen und Kanälen, die ein dichtes städtisches Leben ermöglichten. Anschließend erläutert er die Entwicklung von Trinkwasser- und Abwasserbehandlungssystemen - die zweite und dritte Revolution in der städtischen Wasserversorgung. Er bietet einen Einblick in aktuelle Systeme, die auf Reservoirs, unterirdische Rohrleitungen, Kläranlagen und Regenwasserkanäle angewiesen sind, um trinkwassersicheres Wasser zu liefern, bevor er sich damit beschäftigt, wie diese Wassersysteme neu erfunden werden müssen (Tabelle 1). Zunächst verleitet der Begriff Wasser 4.0 dazu, an eine Analogie zu Industrie 4.0 zu denken. Werden jedoch allein die Zeiträume betrachtet, in denen diese Entwicklungen stattgefunden haben, legt dies den Schluss nahe, dass die Unterschiede groß sind (Tabelle 2). Industrie 4.0 ist ein in Deutschland geprägter Begriff und eine Plattform, die zum Ziel hat, Vorreiter für eine Verschmelzung von IT-Technologien mit Produktionstechnologien zu sein, um dadurch innovative Produkte und Leistungen zu ermöglichen. Es geht um Selbstoptimierung, Selbstdiagnose und Selbstkonfiguration von Produktionsprozessen. Die Produkte sollen damit auch individueller werden, die Produktionsprozesse flexibler. In der Wasserwirtschaft geht es um viel grundlegendere Bedürfnisse, nämlich die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung als lebenswichtige Dienstleistungen, um den Umgang mit einer in vielen Regionen knappen Ressource, um den Umgang mit einer Naturgewalt, die sich seit jeher selbst reguliert, nur nicht immer so, wie es uns Menschen genehm ist. In der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung stehen Versorgungssicherheit und Qualität an erster Stelle. Dahinter stehen Menschen, die Verantwortung tragen. Die Arbeitsabläufe und Entscheidungsprozesse können dafür nicht vollständig Maschinen überlassen werden. Es sind in der Wasserwirtschaft auch nicht solch disruptive Technologien entwickelbar, wie sie für die industriellen Produktionsprozesse vorausgesagt werden. Wasser wird außerdem auch in Zukunft an jedes Haus und an jede Wohnung verteilt werden müssen. Das Abwasser fällt dort ebenso weiterhin an, es kann nicht digitalisiert werden. Dafür sind Leitungsnetze und Hausanschlüsse erforderlich. Für Dürren, Starkregenereignisse, Hochwasser und Überflutungen lassen sich zwar Szenarien rechnen und, wie beim Wetterbericht, mit einigen Tagen Vorlauf Vorhersagen machen. Wo genau zum Beispiel aber Starkregen herunterkommt, ist nicht vorhersehbar. Letzten Endes müssen auch bei diesen Naturereignissen Menschen Entscheidungen treffen und entsprechend handeln. Dabei machen Menschen Fehler. Um diese zu vermeiden oder um schneller agieren zu können, sind digitale Technologien nützlich und wichtig. Sie dienen aber nur zur Unterstützung des Handelns von Menschen. Wasser 1.0 Systeme zum Sammeln und Verteilen von Wasser vor mehr als 2500 Jahren Wasser 2.0 Trinkwasseraufbereitung mittels Filter und Chlor 19. Jahrhundert Wasser 3.0 Abwasserbehandlung zum Schutz der Gewässer 19. Jahrhundert Wasser 4.0 Integrierte Lösung für die aktuellen Probleme (Wassermangel, Hochwasser und Starkregenereignisse, Alterung der Anlagen, Instandhaltung, Steuerung…) 21. Jahrhundert Industrie 1.0 Mechanische Produktion mit Dampf und Wasserkraft 18. Jahrhundert Industrie 2.0 Arbeitsteilung, Massenproduktion, Fließband 19. Jahrhundert Industrie 3.0 Automatisierte Produktion, Elektronik und IT 20. Jahrhundert Industrie 4.0 Digital vernetzte Systeme selbstorganisierter Produktion von der Entwicklung, Fertigung, Nutzung und Wartung bis zu Recycling 21. Jahrhundert Tabelle 2: Industrie 4.0. © AÖW Tabelle 1: Entwicklung der Wasserversorgung. © AÖW 10 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES FORUM Standpunkt Wie und wo wird Wasser 4.0 eingesetzt? Bisher zum Teil schon vorhanden mit Potenzial zum weiteren Ausbau:  Ersatz analoger Dokumentation durch kontextsensitive Anlagendaten (Bar-Codes, RFIDs)  Fernüberwachung mit steuerbarer Videotechnik und Fernbedienung von Anlagen  Teilautonome Systeme für Beschaffung und Instandhaltung (verbrauchsabhängiges Auslösen von Liefervorgängen, Aggregate, die aufgrund ihres Zustands Service-Vorgänge auslösen, EDVgestützte Lagerhaltung)  Datenhaltung und Steuerung der Infrastruktur (Netze für Trinkwasser und Abwasser, Wasserwerke, Kläranlagen, Pumpstationen, Fuhrpark, Maschinen, technische Geräte etc.), Auftragsbearbeitung mit Mobilgeräten  In der technischen Planung, GIS-Geländemodelle, Geodatensysteme  Gewässerunterhaltung und Hochwasserschutz, Frühwarn- und Vorhersagesysteme  Energieeinsatz, -effizienz und Eigenenergieerzeugung, Energienutzung und -steuerung  Buchhaltung, Kundenservice und Abrechnung (u. a. auch Funkwasserzähler), von Dienstleistungen und Einkauf, Controlling  Elektronische Verwaltungsabläufe und Personalmanagement Potenziale und mögliche künftige Entwicklungen:  Integriertes städtisches Echtzeitsteuerungs- und Frühwarnsystem für Wasser, Vorhersagemodelle zur Risikominimierung und Effizienzsteigerung  Überwachung von Gewässerqualität und Abflussprozessen in Kanälen und Gewässern  GIS-Koordination von Infrastrukturmaßnahmen im öffentlichen Straßenraum  Vereinfachung von Planungs- und Bauprozessen  E-Government-Tools für Genehmigungsverfahren (Netzbau), z. B. Auskunfts- und Portaldatenbank mit automatischer Verteilung einer Anfrage an alle betroffenen Behörden und Leitungsnetzbetreiber  Online-Baustelleninformation mit Feedback- Kanal zur Information der Verkehrsteilnehmer und Bürger  Elektronischer Kunden-Service und Auskunft, Verbrauchsmanagement Der VKU hat im Dezember 2017 die Ergebnisse einer Mitgliederbefragung zur „Digitalisierung der kommunalen Wasserwirtschaft“ bekannt gemacht. Danach werden die Chancen von Digitalisierung vor allem im Bereich der Prozessoptimierung und der Verbesserung des Daten- und Schnittstellenmanagements gesehen. Nach den Antworten sieht sich die Mehrzahl der Befragten bei der digitalen Transformation auf einem guten Weg. Allerdings sehen auch 30 % Nachholbedarf oder wollen sich in Zukunft intensiver in dieser Richtung bemühen. Grenzen von Digitalisierung und Wasser 4.0 Es sind erhebliche Investitionen in Mess- und Regeltechnik, Prozesstechnik und Software erforderlich. Die Anfangsinvestitionen sind sehr hoch. Kleine Kommunen und Betreiber stoßen schnell an finanzielle Grenzen. Für den Ausfall der elektronischen und digitalen Systeme, mit welchen Ursachen auch immer, müssen die Betreiber der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung redundante manuelle Systeme, die im Notfall Versorgungssicherheit gewährleisten, vorhalten. Größere Pumpstationen zum Beispiel haben dazu Stromversorgungen oder Pumpen, die im Notfall auch mit Verbrennungsmotoren betrieben werden können. Für den Betrieb der neuen komplexen elektronischen und digitalen Systeme besteht ein erheblicher Weiterbildungsbedarf für das Personal. Es sind höhere Qualifikationen erforderlich. Viele Berufsbilder müssen überarbeitet und die Ausbildung entsprechend verändert werden. Das erfordert viel Zeit und finanzielle Mittel. Das elektronische und mit Funktechnik durchgeführte Sammeln und Verarbeiten von Verbrauchsdaten kann zu datenschutzrechtlichen Problemen führen. Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz, Prof. Dr. Thomas Petri, hat im Februar- 2017 in seinem Tätigkeitsbericht für 2015 und 2016 den zunehmenden Einsatz von „intelligenten“ Wasserzählern kritisch beleuchtet. Solche elektronischen Zähler speichern detailliert bestimmte Verbrauchswerte und funken einzelne dieser Daten sogar regelmäßig „auf die Straße“, so Petri. Er weist darauf hin, dass das Erstellen von Verbrauchsprofilen, ohne dass die Betroffenen es merkten, mit dem Grundrecht auf informelle Selbstbestimmung in Konflikt gerate. Die gesetzlichen Details für den Funkabruf von Wasserzählern sind noch nicht festgelegt. Für die Messung des Stromverbrauchs konnte zum Beispiel jedoch ein weitergehender Datenschutz im Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende für Smart-Meters nicht durchgesetzt werden. Der Bundesrat konnte dafür nur eine unverbindliche Empfehlung in einer zusätzlichen Entschließung erreichen. 11 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES FORUM Standpunkt Digitalangriffe auf Infrastrukturen der Wasserwirtschaft Die nationalen Systeme der erfassten Geodaten werden seit Inkrafttreten der EU-Richtlinie 2007/ 2/ EG zu einer Geodateninfrastruktur der Europäischen Gemeinschaft (INSPIRE) zusammen gefasst. Damit sollen diese Daten öffentlich zugänglich gemacht werden. Insbesondere in Deutschland wurden in 2015 von den diese Richtlinie umsetzenden und die vorhandenen Daten verwaltenden Stellen die Lieferung umfangreicher Daten von den Betrieben in der Wasserwirtschaft angefordert. Diese und die Verbände bdew, DVGW, Forum Netzwerk/ Netzbetrieb im VDE haben sich wegen einer möglichen Gefährdung der von ihnen betriebenen Infrastruktur und der Bevölkerung dagegen gewehrt. Denn die für die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung erhobenen Geodaten sind bisher aus Sicherheitsgründen nicht öffentlich zugänglich. Ein besonderer Schutz dieser Daten ist selbst bei einer berechtigt geforderten Transparenz aus Gründen der physischen Sicherheit der Infrastruktur und der IT-Sicherheit notwendig. Das multimediale Magazin Golem.de und Internetwache.org haben in 2015 zwei Monate nach Inkrafttreten des IT-Sicherheitsgesetzes recherchiert, wie die kritischen Infrastrukturen gegen Hacker bzw. Cyber-Kriminalität oder Cyber-Terroranschläge geschützt sind. Das Resultat war damals leider erschreckend. Auf der Golem-Internetseite steht: „Innerhalb von wenigen Wochen gelang es uns, Zugriff auf die Steuerungssysteme von Wasserwerken, Blockheizkraftwerken, Interfaces zur Gebäudeautomatisierung und sonstigen Industrial Control Systemen (ICS) zu erlangen. Weltweit waren über 100-Systeme betroffen. Auf die meisten ließ sich ohne besondere Authentifizierung lesend zugreifen. Einige Systeme ermöglichten sogar den Zugang zu Steuerungen, darunter waren deutsche Wasserwerke.“ IT-Sicherheit ernst genommen Seit Bekanntwerden dieser Untersuchung hat sich viel getan. So schreibt das Bundesamt für Sicherheit (BSI) in der Informationstechnik in seinem Lagebericht der „IT-Sicherheit in Deutschland 2017“, dass die Betreiber der Wasserwerke von ihm auf die Schwachstellen unmittelbar nach Bekanntwerden aufmerksam gemacht wurden und sehr kooperativ reagiert und die offenen Zugänge kurzfristig geschlossen haben. Wasserversorgung und Abwasserentsorgung sind nun zudem vom Gesetzgeber als kritische Infrastruktur eingestuft, daher waren besondere Standards (B3S) festzulegen und ein Zertifikat des (BSI) erforderlich. Die beiden Fachverbände für die Wasserwirtschaft DVGW und DWA haben Standards für die Branche zur IT-Sicherheit in der Wasserwirtschaft erarbeitet (B3S Wasser/ Abwasser). Diese Standards sind in den Merkblättern DVGW- W- 1060 und DWA- M- 1060 niedergelegt und ein webbasiertes Tool gibt Zugang zum IT-Sicherheitsleitfaden. Die Regeln sind so erarbeitet worden, dass sie sowohl für große als auch für kleine Betriebe in der Wasserwirtschaft bei der Einführung von Sicherheitsmaßnahmen anwendbar sind. Damit ist der Wasser- und Abwassersektor die erste Branche, die die Sicherheitsstandards abschließend festgelegt hat und die Anforderungen B3S erfüllt sowie das Zertifikat des BSI erhalten hat! Fazit Die Euphorie über Wasser 4.0 muss etwas gedämpft werden, denn schließlich geht es um das Lebenselixier und die Naturgewalt Wasser. Es heißt, mit Vorsicht und Überlegung zu agieren. Das Resümee des Vorstandes des Wasserverbands Eifel-Rur, Dr.-Ing. Joachim Reichert bei einer DWA-Veranstaltung im letzten Jahr gibt gut wieder, was zunächst zu tun ist:  Digitalisierung der Wasserwirtschaft ist nicht gleichzusetzen mit „Wasserwirtschaft 4.0“.  Digitalisierung ist kein Ziel an sich. Digitalisierungsprojekte sind stets Maßnahmen zur Erreichung der Unternehmensziele.  Gute Digitalisierungsprojekte entfalten auf unterschiedlichen strategischen Handlungsfeldern eine positive Wirkung.  Wesentliches Kriterium der Digitalisierung im Wasserwirtschaftsbereich ist die Beseitigung von Medienbrüchen und die damit verbundene Hebung von Effizienzpotenzialen.  Digitalisierungslösungen sollten sukzessive so entwickelt werden, dass jeder Teilschritt für sich nutzbar ist.  Digitalisierungsprojekte sind erfolgreich, wenn sie interdisziplinär und in einem kreativen Prozess entwickelt werden. Christa Hecht Geschäftsführerin Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft e.V. (AöW) Kontakt: hecht@aoew.de AUTORIN 12 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum Herausforderungen bei der Umsetzung Die Stadt Salzburg vereinigt seit dem Jahr 2012 ihre konkreten Maßnahmen zur Umsetzung der langfristigen energiepolitischen Zielsetzungen in einem Masterplan Smart City. Die Langzeit-Perspektive ist auf ein Zukunftsbild der Stadt im Jahr 2050 ausgerichtet, worunter eher standardisierte Maßnahmen, wie die Schaffung einer lebenswerten, intelligent vernetzten, erneuerbar versorgten, nachhaltig mobilen und gemeinsam gestalteten Stadt zu verstehen sind. In der Ansammlung allgemeiner und unpräziser Begriffe besteht auch eines der Kernprobleme bzw. die Herausforderung bei der Umsetzung. Um den Bürgern die Inhalte der Planungen zu vermitteln, ist es einerseits notwendig allgemeine Ziele einer nachhaltigen Entwicklung festzusetzen, aber andererseits auch erforderlich, konkrete Pläne und Projekte zu formulieren, die in der Praxis umsetzbar sind. Auch der Zeithorizont spielt dabei eine Rolle, da über mehrere Jahrzehnte verschiedene Projekte verfolgt werden, die eigentlich unabhängig voneinander sind, aber im gesamten Ideenstrang einen Zusammenhang bilden „sollen“. Diese Problematik ist ebenfalls in der Stadtentwicklungsplanung bekannt, da auch hier eine Gesamtidee schritt- und phasenweise entwickelt wird. Um zu vermeiden, dass der Masterplan unkonkret und unspezifisch ist, wurde ein Katalog von Maßnahmen zur Konkretisierung der Umsetzung erstellt, wobei sich diese an unterschiedliche Themen wie Energieplanung, Wohngebäude, Mobilität aber auch an die Menschen und ihren Lebensstil richten. Bei der Visualisierbarkeit des Masterplanes setzt die Stadt auf die Umsetzung von Leuchtturmprojekten, die sich in vielfältiger Art über die Stadt verteilen. Besonders liegt der Fokus auf dem energetisch optimierten Wohnen, welches dank der österreichischen Wohnbauförderung auf einem technisch hohen Standard stattfinden kann. Projekte wie das Kraftwerk Sohlstufe Lehen zeigen dem Bürger, wie innerstädtisch Energie für die Versorgung von 23 000 Haushalten erzeugt werden kann. Insgesamt wurden so 25 Teilziele mit teils konkreten Maßnahmen, wie zum Beispiel verbindliche Gebäudestandards zur Energieversorgung, Sanierung von kommunalen Gebäuden und Wohngebäuden festgelegt. Auch die frühzeitige Benennung der beteiligten Akteure soll zur Umsetzung beitragen. Schlüsselprojekte als sichtbares Zeichen Innerhalb der Stadt Salzburg konzentrieren sich verschiedene Projekte und Maßnahmen im nördlich des Zentrums gelegenen Stadtteil Itzling. Der Stadtteil besitzt eine heterogene Siedlungsstruktur, ausgehend von einem dörflichen Kern, an welchen sich seit der Nachkriegszeit die typischen Erweiterungen gruppieren. Ein Schlüsselprojekt der Stadt Salzburg ist die Goethesiedlung (Bild 1), die nicht nur durch ihr Volumen von 1250 Wohneinheiten, sondern auch durch den Typus einer klassischen Nachkriegsbebauung relevant sowohl für die Stadtentwicklung, als auch für die Thematik der Smart City ist. Ihre streng nord-süd ausgerichtete Zeilenbebauung aus solitären Baukörpern wurde in den 1970er Jahren errichtet und bieten Wohnraum für etwa 2500 Menschen. Die Siedlung präsentiert sich als Fragment einer egalitären urbanen Ideologie, bei welcher Verdichtung zu einer Stadt der kurzen Wege führen sollte und die Smart City - ein neues Instrument zur Stadtentwicklung? Smart City, Stadtentwicklung, Sanierung, Quartiersentwicklung Stefan Netsch, Markus Karnutsch Der Begriff Smart City wird von verschiedenen Stakeholdern im Planungsprozess verwendet, um einen ressourcensparenden und zukunftsweisenden Planungsansatz zu beschreiben. Darunter versteht man ein intelligentes und modernes Image der Stadt, das technikbasiert ist und sich mit energierelevanten Fragestellungen beschäftigt, die übergeordnet unter der Vermeidung von CO 2 -Emissionen stehen. Aus stadtplanerischer Perspektive stellt sich die Frage, wie die Ziele und Ideen der Smart City in die Planungsprozesse miteingebunden werden können. Einen konzeptionellen Ansatz liefert dazu der Masterplan der Stadt Salzburg. 13 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum Freiräume mit Sondereinrichtungen für die BewohnerInnen besetzt werden sollten. Sowohl die Gestaltung der Freiräume zwischen den Baukörpern als auch die einheitliche Gebäudetypolgie und Abtrennung von der Erschließungsstraße sowie die großzügigen Abstellflächen für PKWs leisten keinen Beitrag zu einer erhöhten Qualität im Wohnquartier und machen große Flächen zu einem leeren Stadtraum. Darüber hinaus gibt es keine guten Verbindungen zu umliegenden Stadtgebieten, was für eine Stadt der kurzen Wege hinderlich ist. Bedingt durch die Entstehungszeit dieser Siedlung, steht der hohe Energiebedarf im Fokus der Stadt. Gegenwärtig wird darüber nachgedacht, wie eine Optimierung im Bereich der Energieversorgung der Gebäude im Sinne einer CO 2 -armen bis weitgehend CO 2 -neutralen Weiterentwicklung stattfinden kann. Das Ziel CO 2 -Neutralität kann jedoch nicht allein die zukünftigen Entwicklungen bestimmen. In Anlehnung an bereits andernorts realisierte Einzelmaßnahmen sowie unter Berücksichtigung der Ziele der „Klima- und Energiestrategie Salzburg 2050“ des Landes Salzburg sowie des „Masterplans 2025“ der Stadt Salzburg wurden mögliche Handlungsfelder für die Goethesiedlung abgeleitet. Aufbauend wurde ein ganzheitliches Siedlungsentwicklungskonzept erarbeitet, welches nicht vorrangig eine CO 2 -Neutralität anstrebt, sondern verschiedene Aspekte berücksichtigt und kombiniert. Die festgelegten Themengebiete Raumangebot, Energie, Freiraum, Mobilität, sowie Soziales sollen dabei gleichwertig betrachtet werden. Das Siedlungsleitbild formuliert einen Zielzustand und bildet somit Orientierung nach innen und Selbstverständnis nach außen. Es schafft eine gemeinsame Identifikations- und Handlungsbasis für alle involvierten Akteure. Aus den unterschiedlichen Zielen der einzelnen Akteurs- Gruppen (Stadt Salzburg, Wohnbauträger, Energieversorger, BewohnerInnen-Vertretung) wird die gemeinsame Vorstellung für einen gewünschten Zustand und eine gemeinsam akkordierte Vorgehensweise in einem Rückkopplungsprozess (Bild 2) erarbeitet. Damit soll das Erreichen von Effizienzkriterien, Klimaschutz, Komfort und Kosten erleichtert werden. Das Siedlungsleitbild beschreibt die anzustrebende Entwicklung der Goethesiedlung. Die iterative Entwicklung des Leitbildes sowie eines detaillierten Zielvorstellungskataloges, unter Einbindung aller relevanten Stakeholder, ist in diesem Zusammenhang ein innovatives Instrument. Beispiele aus dem Zielvorstellungskatalog sind:  Schaffung von zusätzlichem Wohnraum sowie notwendiger sozialer Infrastruktur (z. B. medizinische Versorgung)  Energetische Dachflächennutzung und Reduktion des Heizwärmebedarfes  Entwicklung innovativer Mobilitätslösungen  Sanierung als Initial für die attraktive Gestaltung der Freiflächen (z. B. Parkplatzumfeld, Fußwegbeziehungen, Flächenentsiegelung, Barrierefreiheit)  Fortführung des Stakeholder- Prozesses Entwicklungsgebiete im Nahbereich der Städte oder der überregionalen Zentren tragen darüber hinaus eine Schlüsselrolle als Alternative zur Verdichtung in der Kernstadt und zur Siedlungsausweitung im ländlichen Raum. Daher beschäftigt man sich in Itzling damit, den gesamten Stadtteil mit nachhaltigen Wohnquartieren und zukunftsweisenden Mobilitätslösungen Bild 1: Luftbildaufnahme der Goethesiedlung. © Google Earth, 2018 14 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum weiter zu entwickeln. Die Formulierung eines Innovations- und Technologie-Portfolios bildet die Grundlage dafür. Man muss diesen Schritt strategisch verstehen, da es sich bei der Umsetzung der Smart City Ziele um einen Maßstabssprung vom Einzelprojekt auf einen gesamten Stadtteil handelt. Ausblick und Perspektive der Smart City Der Fokus der Smart City richtet sich meist auf den Bereich der Einsparung von Energieressourcen, insbesondere der Reduktion der CO 2 -Emissionen durch Sanierung von Gebäuden bzw. durch neue Energiestandards im Neubau. Die Herausforderung der Umsetzung von klimapolitischen Zielen liegt vor allem darin, wie diese Reduktion in einem neuen Maßstab, weg vom Gebäude hin zum Quartier, erfolgen kann. Schwierig ist die Vermittlung der Ziele gegenüber den Bürgern. Energie einsparen im persönlichen Lebensbereich durch ein verändertes Verhalten, wie niedrigere Raumtemperaturen oder der Teilverzicht auf das Auto, ist den meisten einleuchtend. Aber die Übertragung der Smart City- Idee auf einen anderen Bezugsmaßstab wie auf das Quartier oder die Gesamtstadt ist meist schwer nachzuvollziehen und beschränkt sich daher häufig auf einzelne Leuchtturmprojekte. Betrachtet man die Salzburger Projekte aus Perspektive der Stadtentwicklung, dann würden sich einige auch unter Rubrik Stadtumbau, Quartiersplanung oder Stadterneuerung zusammenfassen lassen. Österreich hat dabei den Weg oder die Strategie gewählt, die Projekte unter einem Thema, dem der Smart City zu bündeln. Zu diskutieren wäre, ob die Smart City dadurch zu einem neuen technisch orientierten Leitbild wird, wie es beispielsweise in den 1960er Jahren die „Autogerechte Stadt“ war. Aber dies stellt eine eigene theoretische Frage dar. Für die Planungspraxis relevanter ist es viel mehr, welche Strategien Städte verfolgen sollten, um die nachhaltigen Ziele zu implementieren. Der Ansatz, die Projekte in einem Stadtquartier oder Stadtteil - wie in Salzburg im Stadtteil Itzling - einzubetten, kann der richtige Schritt sein, um für die Bürger den Umsetzungsgedanken der Smart City sichtbar zu machen. So wird den Bürgern verdeutlicht, wie die Smart City im direkten Lebensumfeld umgesetzt werden kann, wie man sich damit identifizieren, dies aber ebenso kritisieren oder selbst beeinflussen kann. Studiengang Smart Building (BA) www.fh-salzburg.ac.at/ smb Studiengang Smart Buildings in Smart Cities (MA) www.fh-salzburg.ac.at/ smc Forschungsbereich Smart Building und Smart City www.fh-salzburg.ac.at/ smart-forschung AUTOREN DI M.eng. Stefan Netsch Fachbereichsleiter Städtebauliche Planung, Smart Buildings in Smart Cities Fachhochschule Salzburg GmbH stefan.netsch@fh-salzburg.ac.at Mag. (FH) Markus Karnutsch, BSc, Researcher, Smart Buildings in Smart Cities Fachhochschule Salzburg GmbH markus.karnutsch@fh-salzburg.ac.at Bild 2: Rückkopplungsprozess - Erstellung Siedlungsleitbild. © FH Salzburg 15 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum Dirk Schwede Umdenken in der heutigen Planungspraxis in China verspricht Nachhaltigkeit und hohe Gewinne Immer noch werden die meisten Gebäude in China weniger intensiv und umfassend geplant als hierzulande. Vielen Architekten, Bauherren und Entscheidungsträgern geht es in erster Linie um Ästhetik, weniger um langlebige Funktionalität und Zufriedenheit der späteren Nutzer. Dabei lohnt es sich, die gewünschten Anforderungen an ein Gebäude im Vorfeld zu diskutieren und die verschiedenen Technologien - wie Sonnenschutz, Dämmung, Heiz- und Kühltechnik oder Beleuchtung - nicht losgelöst voneinander zu planen, sondern systematisch gemeinsam auf die Nutzeranforderungen abzustimmen. Diesen integralen Planungsansatz diskutierten Architekten, Ingenieure und Vertreter realer Schulbauprojekte im Rahmen der Informationskampagne GENIUS „German Engineering Integrated for Urban Sustainability“ im Herbst 2017 in zwei interaktiven Workshops in Shanghai. Spielerisch wurde mit den verschiede- Integrierte Planung Der Königsweg für eine nachhaltige Stadtentwicklung in China und Indien Integrierte Planungskulturen, wie wir sie in Deutschland kennen, sind in China und Indien nicht stark entwickelt. Doch internationale Pilotprojekte wie GENIUS und IGSI zeigen: Investitionen in integrierte Planung versprechen größere Erfolge bei der nachhaltigen Stadtentwicklung als eine rein technologische Aufrüstung. Dr. Dirk Schwede (Universität Stuttgart) und Marcus Jeutner (TU Berlin) berichten über ihre neuesten Erfahrungen aus der Planungspraxis in China und Indien. nen Akteuren ermittelt, welche Funktionen und Qualitäten ein Schulgebäude bereitstellen soll. Dabei wurde deutlich, dass durch die Abstimmung der Anforderungen bessere und auch nachhaltigere Ergebnisse erzielt werden. In den Workshops wurde den Teilnehmern auch der Nutzen klar, die wichtigen Akteure und Experten schon früh in die Planung einzubinden und den Bedarf offen und kritisch mit den späteren Nutzergruppen und Gebäudebetreibern zu diskutieren. Und auch für Bauherren lohnt es sich, ausreichend Zeit und Honorarbudget für die integrale Bild 1: Schulplanungsspiel des GENIUS- Netzwerkpartners „die Baupiloten“ identifiziert die geforderten Funktionen des Gebäudes. © GENIUS 16 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum Diskussion und die frühe Einbindung der Fachexperten in den Bauprojekten bereitzustellen. Investitionen in eine gute und integrierte Planung führen nach Erfahrung des GENIUS-Projektpartners energydesign aus Shanghai eher zu wirklich nachhaltigen und auch wirtschaftlich optimierten Gebäuden, als nur der Einsatz innovativer und vermeintlich nachhaltiger Technologien. Doch Lösungen, die die echten Bedarfe der Nutzer und zentrale Fragen der Governance nicht berücksichtigen, verfehlen ihre Wirkungsziele und drohen zu scheitern. Besonders brisant ist dies in Ländern wie Indien, wo Städte einem besonders hohen Entwicklungsdruck ausgesetzt sind. Vielerorts sind Wohnungsmärkte, Infrastrukturen und Sozialsysteme völlig überlastet. Lokale Planer scheitern daran, die enormen Herausforderungen mit ihren bisherigen Methoden zu bewältigen. Abhilfe bietet hier eine integrierte Stadtplanung, zum Beispiel mit der an der TU Berlin entwickelten Methode „Urban Design Thinking“. Diese Methode ermöglicht in einzelnen Nachbarschaften, Stadtteilen oder Städten maßgeschneiderte Lösungen samt notwendiger Technologien zu identifizieren, in dem sie die realen Bedarfe der Menschen - der Nutzer und Gestalter der Stadträume - in den Mittelpunkt stellt. Bei der so genannten „Human Centered Innovation“ werden menschliche Bedürfnisse, technologische Machbarkeit und wirtschaftliche Tragfähigkeit miteinander abgeglichen. Die individuellen Lösungen werden daraufhin auf ihre Wechselwirkungen und auf räumliche Konsequenzen untersucht. Wie gut diese integrierte Planung in indischen Städten funktionieren kann, zeigte sich zuletzt in zwei interaktiven Workshops - so genannten „UrbanLabs“ - in Neu-Delhi und Coimbatore im Rahmen der internationalen „Indo-German Smart Initiative“ Bild 2: Videoclips erklären integrierte Planung beim Bau von nachhaltigen Schulen in China. © GENIUS Marcus Jeutner „Urban Design Thinking“ made in Berlin - ein neuer Planungsansatz für Indiens Städte Viele Städte entwickeln Lösungen, ohne deren Umsetzung und Betrieb vollständig mitzudenken. Bild 3: In interaktiven UrbanLabs arbeiten deutsche und indische Partner gemeinsam an innovativen Lösungen für Zukunftsstädte. © Marcus Jeutner Bild 4: IGSI ist ein Zusammenschluss deutscher Forschungseinrichtungen und Planungsbüros aus allen Ebenen der Stadt- und Infrastrukturentwicklung. © Marcus Jeutner 17 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum (IGSI). Dabei unterstützte die IGSI jeweils 60 indische Wissenschaftler, Planer, Architekten und Infrastrukturentwickler vor Ort dabei, mit den neuartigen Planungs- und Beteiligungstools realistische und nachhaltige Lösungen zu erarbeiten. Ausgehend von ganz konkreten Problemen aus den Bereichen Architektur, Mobilität, Energie, baukulturelles Erbe, Wasserver- und -entsorgung oder Abfallmanagement gelang es den Teilnehmern der UrbanLabs mit klaren Regeln systematisch binnen kürzester Zeit interessante Lösungsansätze zu entwickeln und in erste Prototypen zu übersetzen, die sich durch einen hohen Grad an Empathie und Umsetzungsfähigkeit auszeichneten - eine vielversprechende Überraschung nicht nur für die Teilnehmer. BMBF-Kampagne „Shaping the Future - Building the City of Tomorrow“ Die Projekte GENIUS und IGSI werden im Rahmen der internationalen Kampagne des Bundesministeriums für Bildung und Forschung „Shaping the Future - Building the City of Tomorrow“ gefördert. Die BMBF-Kampagne bietet zehn ausgezeichneten Forschungsnetzwerken aus Deutschland eine Plattform, ihre Projekte für nachhaltige Stadtentwicklung im Ausland zu präsentieren und sich weltweit mit starken Partnern zu vernetzen. Schwerpunktländer der Aktivitäten sind China, Indien, Vietnam, Kolumbien und die USA. AUTOREN Dr. Dirk Schwede Projektleiter GENIUS Universität Stuttgart Kontakt: mail@dirk-schwede.de Marcus Jeutner Netzwerkkoordinator IGSI Technische Universität Berlin Institut für Stadt- und Regionalplanung (ISR) Kontakt: m.jeutner@isr.tu-berlin.de Links: Netzwerk GENIUS: https: / / www.research-in-germany.org/ shaping-the-future/ research-networks/ genius.html GENIUS auf Youtube: https: / / www.youtube.com/ channel/ UCmp- 2TIGKpWM_mJOAOroJmaw/ featured Netzwerk IGSI: https: / / www.research-in-germany.org/ shapingthe-future/ research-networks/ igsi.html In Zusammenarbeit mit: Dipl. Biol., M.Sc. Ulrike Wolpers, science stories. ANZEIGE 18 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Kommunikation Eine symbiotische Kommunikation wird mit der zunehmenden Komplexität unserer Welt immer mehr zu einem Garant für erfolgreiche Prozesse. Unterschiedliche Aspekte wie die bilateralen Sichtweisen der Menschen sowie die vorhandenen Emotionen beeinflussen Verhandlungen, Prozesse und Entscheidungen, dies geschieht bewusst oder unbewusst. Im Zuge des digitalen Wandels ergeben sich auf der kommunikativen Ebene ganz neue Herausforderungen. Damit diese gemeistert werden, braucht es opportune Ansätze. In Zeiten omnipräsenter Digitalisierung und neuen Konzepten, wie die der SmartCities, ist es für ein erfolgreiches Miteinander wichtig, die Kommunikation dem Wandel anzupassen. Dazu gehört ein bewusster Umgang mit dem zunehmend digitalen Austausch. In manchen Fällen ist ein persönliches Gespräch via Augenkontakt oder Telefon wesentlich erfolgreicher, sowohl für die Sache an sich als auch für die persönliche Beziehung. Wer dies beachtet, wird auf allen Kanälen einen erfolgreiche Kommunikation pflegen. Wenn Probleme und Konflikte entstehen und erkannt werden, ist der richtige Umgang für den Fortbestand der Beziehung immens wichtig. Experten raten grundsätzlich dazu, auf Unklarheiten, Ärgernisse und Angriffe klar und höflich hinzuweisen. Denn aus teilweise unbedachten Äußerungen entstehen nicht selten langwierige Konflikte. Dass Konflikte entstehen, ist der Diversität der Menschen geschuldet. Konflikte sollten beachtet und geklärt werden. Sie zeigen auf, dass es mehrere Möglichkeiten gibt - folglich könnten Konflikte auch als Brainstorming der verschiedensten Lösungsoptionen betrachtet werden. Gerade in Unternehmen und Organisationen sind Menschen mit verschiedenen Ansichten, Interessen und Bedürfnissen für den Fortschritt verantwortlich. Das führt irgendwann zu Konflikten - und das ist gut so. Denn die Chancen, die in Konflikten stecken, bergen enormes Potenzial! Diesen Schatz zu heben gelingt nur, wenn mit Konflikten offensiv umgegangen wird. Gerade in Zeiten des Wandels zeichnet sich ab, wie notwendig und effizient es ist, Konflikte mit Unterstützung von Fachleuten zu klären. Denn andauernde Konflikte beeinträchtigen die Leistungsfähigkeit von Unternehmen und Organisationen. Eine etablierte Form des Konfliktlösungsmanagements ist die Mediation. Sie bietet eine große Bandbreite von Lösungsmöglichkeiten. 1. Meeting-Navigation zur leichteren Entscheidungsfindung Wer denkt, technische Lösungen unterliegen ausschließlich harten Zahlen und belegbaren Fakten, der irrt. Oft bergen unterschiedliche Sichtweisen der Beteiligten Konfliktpotenzial, denn mitunter Smart Cities: Vermitteln statt Streiten Mediation als Symbiose zwischen Mensch und Urbanisierung Mediation, Urbanisierung, Entscheidungsfindung, Effizienz, Sachlichkeit, Kommunikation, Lösungen Stephanie Huber Mit zunehmender Komplexität bei technischen Entscheidungen und Prozessen in Städten und Gemeinden können Konflikte und Meinungsverschiedenheiten entstehen - diese sind jedoch grundsätzlich positiv zu bewerten. Vorausgesetzt, das Zusammenwirken der verschiedenen Beteiligten, die vorhandenen Ressourcen und Energien werden nutzbringend eingesetzt und enden nicht in Stagnation, sondern mit einem deutlichen Mehrwert für alle Betroffenen. © pixabay 19 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Kommunikation trennt nur ein sehr schmaler Grat die sachliche von der persönlichen Ebene. Konflikte entstehen immer auf der persönlichen Ebene, sie sind wahre Energie- und Ressourcenräuber. Das Gute daran ist: Konflikte stellen Verbindung her. Die Streitenden rudern in unterschiedliche Richtungen - sitzen jedoch im selben Boot. Wenn über das Ziel Einigkeit herrscht, wäre im Straßenverkehr klar: Das Navigationsgerät führt mit gesetzten Vorgaben - kürzester Weg, Stau umfahren, etc. - zum gewünschten Ziel. Genau nach diesem Prinzip arbeitet die Meeting-Navigation: Ein Mediator, ohne Eigeninteresse oder Vorkenntnisse der Verhandlungssituation, begleitet sämtliche Sitzungen und Gespräche. Er wirkt darauf hin, dass es in strittigen Situationen weder auf der persönlichen noch auf der sachlichen Ebene Verlierer gibt. 2. Mediation zur Vermittlung zwischen Menschen mit komplexen Aufgaben Eine weitaus gängigere Form der Streitbeilegung ist die Mediation (lateinisch: „Vermittlung“), ein freiwilliges Verfahren zur außergerichtlichen, strukturierten Streitbeilegung mit Hilfe eines neutralen Dritten - des Mediators. Mit seiner Unterstützung und nach einem Schema erarbeiten die Konfliktparteien eine für alle akzeptable Lösung. Das Ziel ist ein Konsens, bei dem es keine Verlierer, sondern eine Win-win- Situation für alle Parteien gibt. Heute wird Mediation in allen Bereichen erfolgreich eingesetzt. Von der Konfliktprävention über die Navigation bis hin zur klassischen Konfliktklärung. Denn gerichtliche Auseinandersetzungen bringen selten eine Lösung, mit der alle Beteiligten zufrieden sind. Vor Gericht trifft ein Richter die Entscheidung - bei der Mediation hingegen sind die Medianten für das Ergebnis allein verantwortlich. Vorteile eines Mediationsverfahrens:  Fairer Interessensausgleich mit dem Ziel eines Konsenses  Vertraulichkeit, die Mediation findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt  Unbelastete Fortführung der persönlichen und geschäftlichen Beziehungen  Kostengünstiger und deutlich zeitsparender als Gerichtsverfahren  Flexibilität des Verfahrens, wirtschaftliche und persönliche Notwendigkeiten können berücksichtigt werden Beispiele für Konfliktfelder in der Stadtentwicklung:  Konflikte zwischen Bewohnern und Eigentümern  Konkurrierende Nutzungen  Kommunikation zwischen Stadt und Bürgern  Organisation von Bürgerbeteiligung  Begleitung von Planungsprozessen  Unterschiedliche Interessen seitens Verwaltung und Investoren  Offene Finanzierungsfragen  Differenzen bei der Vertragsauslegung  Unstimmigkeiten bei der stadträumlichen Gestaltung  Verschiedene Ansätze beteiligter Fachbereiche  Vermittlung technischer Machbarkeit  Bevölkerungsschutz versus wirtschaftliche Interessen Bei komplexen Prozessen wie der Stadtentwicklung besteht reichlich Konfliktpotenzial. Im Grunde sind Konflikte jedoch positiv zu bewerten - sie setzen neue Sichtweisen, Denkansätze und Möglichkeiten frei. Sie lassen die Menschen kreativ und innovativ werden - und wenn es nur darum geht, Recht zu bekommen. Durch die neutrale Brille des Mediators lassen sich Vorteile aus solchen Spannungsfeldern ziehen. 3. Code of Conduct als Präventionsmaßnahme Die Formulierung eines Code of Conduct (engl. Verhaltenskodex) dient als grundlegende Handlungsorientierung, um Standards für die Art der Kommunikation zu schaffen. Unternehmen und Organisationen können durch klare Regelungen und Richtlinien im Umgang miteinander, mit Geschäftspartnern und mit der Öffentlichkeit eskalierenden Konfliktsituationen durch professionelles Verhalten vorbeugen. Gleichzeitig führt verantwortungsvolles Handeln und ein freundlicher und sachlicher Umgangston auch innerhalb von Unternehmen und Behörden zu einem besseren Klima und somit zu effizienteren Prozessen. Verantwortliche in Städten und Gemeinden können durch das Zulassen unterschiedlicher Meinungen und Standpunkte in Verbindung mit Mediation dynamische Prozesse in Gang setzen, die möglicherweise zu neuen und unkonventionellen, aber vor allem zu gemeinschaftlich getragenen Lösungen führen. AUTORIN Stephanie Huber Geschäftsführung konSENSation GmbH StHuber@konSENSation.de 20 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Kommunikation Informieren, Konsultieren, Einbeziehen, Kooperieren, Ermächtigen: Die fünf Ebenen der Bürgerbeteiligung erscheinen zunächst abstrakt. Ihre Bedeutung hat vor allem in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Im Zwei- Jahres-Rhythmus werden die Daten des e-Government Survey der United Nations publiziert. Besonders auffällig ist die Entwicklung des Bereiches e-participation, der Online-Beteiligung. Während dem Thema im Bericht des Jahres 2012 lediglich ein kleines Unterkapitel gewidmet wurde, ist daraus im Jahr 2016 ein über 20- Seiten umfassendes Hauptthema geworden. Sicher zu recht, denn Bürgerbeteiligung in den verschiedensten Ausprägungen ermöglicht es, in Städten und Gemeinden bessere und nachhaltigere Entscheidungen zu treffen. Ganz explizit sollen hier die Bereiche Konsultieren und Einbeziehen betrachtet werden. In einem Auszug aus der Praxis wird gezeigt, wie Bürgerbeteiligung intensiver sowie sinnbringend genutzt werden kann und vor allem, wie die Nutzung von Soft Data zu hoher Zufriedenheit aller Involvierten führt. Soft Data - warum Meinungen nicht unterschätzt werden sollten Was ist Soft Data eigentlich? Das Cambridge Dictionary bezeichnet Soft Data als Daten, die schwierig zu erheben sind. Dazu zählen die Meinung und die Gefühle von Personen. Diese Daten beruhen in aller Regel auf einer Selbsteinschätzung des Befragten und zeichnen sich durch eine schnelle Veränderungsrate aus. Meinungen ändern sich, oftmals sehr schnell. Wird beispielsweise kurz nach einer negativen Medienberichterstattung im Bereich Verkehr in einer Gemeinde zur Zufriedenheit mit dem Verkehrsgeschehen befragt, nimmt die Zufriedenheit schlagartig ab. Jedoch dauert es in der Regel nicht lange, bis es wieder zum Normalzustand kommt. Die Befragung in einer solchen Situation führt zu einer starken Verzerrung der tatsächlichen Meinung. Auf Grundlage dieses Wissens wäre es nur sinnvoll, Soft Data von Bürgern laufend und in regelmäßigem Abstand zu erheben. Dadurch würden Verzerrungen durch tagesaktuelle Berichterstattung zwar ebenfalls auftreten, jedoch schon bei der nächsten Erhebung relativiert werden. Zu diesem Thema gab es in den letzten Monaten direkten Kontakt mit weit über 100 Gemeinden und Städten. Lediglich ein Bruchteil davon hatte sich selbst bereits die Auflage erteilt, zumindest in einem Zweibis Vier-Jahresrhythmus die generelle Zufriedenheit ihrer Bürger zu erheben. Mit dem Wissen über die schnellen Veränderungen ist diese Periode jedoch deutlich zu lang. Eine Verzerrung aus dem Soft Data Wie Bürger zur Zukunft beitragen Soft Data, Bürgerbeteiligung, Municipality Happiness Index Matthias Breier Dieser Bericht aus der Praxis beschäftigt sich mit der Erhebung und Nutzung von Soft Data als empfehlenswerte Ergänzung zu den sogenannten Hard Facts sowie dem Paradigmenwechsel in Gemeinden und Städten. Er behandelt die Frage, wie und warum Städte ihre Bürger in Zukunft stärker in Entscheidungen miteinbeziehen können und auch müssen. Besonderes Augenmerk liegt auf dem Municipality Happiness Index, es wird gezeigt, wie er genutzt werden kann, um in Gemeinden und Städten eine Entscheidungsbasis zu schaffen. © pixabay 21 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Kommunikation Erhebungsjahr könnte zahlreiche Projekte in den folgenden vier Jahren nach sich ziehen, die unter Umständen in dieser Form von den Bürgern gar nicht gewollt sind, dies würde aber erst viel zu spät bei weiteren Befragungen erkennbar. Manche Gemeinden und Städte erkennen bereits zunehmend die Bedeutung von Bürgerbeteiligung und Zufriedenheitsanalysen. Diese Gemeinden folgen in der Regel einem ähnlichen Verständnis. Sie sehen die Bürger als Kunden und sich und ihre Aufgaben als eine Art Dienstleistung. Zum einen sind sie dabei an Feedback interessiert, um ihre Dienstleistung zu verbessern, zum anderen glauben sie daran, dass Feedback einer der größten Motivatoren für zukünftige Arbeit darstellt. Dieser Paradigmenwechsel zeigt auf, dass Gemeinden und Städte einen Wandel durchmachen. Im Jahr 2002 hat Borins beschrieben [1], dass öffentliche Institutionen in aller Regel Monopole darstellen. Monopole sind konkurrenzlos und vernachlässigen Innovation. Die oben beschriebenen Gemeinden und Städte sehen sich selbst jedoch in einer Konkurrenzsituation und sind daher sowohl verstärkt an Innovation interessiert, als auch an der Einstellung ihrer „Kunden“ - den Bürgern. Municipality Happiness Index - eine Chance, Soft Data konstant zu erheben Der Municipality Happiness Index (kurz: MHI) wurde mit dem Ziel entwickelt, die Zufriedenheit von Bürgern auf einer kontinuierlichen Basis zu erheben. Es handelt sich dabei um eine quantitative Erfassung der Bürgerzufriedenheit. Den Bürgern werden aus zwölf verschiedenen Themengebieten (Bild 1) etliche Fragen gestellt. Durch die breite Streuung der Themen ist der MHI die perfekt Grundlage für weitere individuelle und vor allem gemeindespezifische Fragen. Die Auswertung des MHI umfasst altersspezifische und geschlechtsspezifische Gruppierungen sowie einen Gesamtwert. Großes Augenmerk wird auf die Auswahl eines Benchmarks gelegt. Den Verantwortlichen ist es möglich, sich einen Durchschnittswert aus anderen Gemeinden und Städten anzeigen zu lassen und diesen in den finalen Bericht zu integrieren (Benchmarking). Durch gleichzeitige Nutzung einer passenden Software entsteht für die Städte der Zukunft eine neue Möglichkeit: Sie bekommen die Chance auf Basis des MHI eine laufende Zufriedenheitsmessung durchzuführen. Durch den möglichen Vergleich mit einem gewünschten Benchmark werden den Daten zusätzliche Informationen verliehen. Die Entscheidungsbasis einer Stadt wird gestärkt, Möglichkeiten und Gefahren können frühzeitig erkannt werden. Ganz generell werden damit die zwei grundlegenden Eigenschaften der oben beschriebenen Städte und Gemeinden befriedigt. Durch die Nutzung neuer Software versuchen sie innovative Lösungen zu finden, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Gleichzeitig nutzen Sie den MHI, um das Interesse und die Zufriedenheit der eigenen Bürger messbar zu machen und in weiterer Folge Vergleiche mit Benchmark-Städten heranzuziehen. LITERATUR [1] Borins, S.: „Leadership and innovation in the public sector“, Leadership & Organization Development Journal, Vol. 23 Issue: 8, (2002) pp. 467-476. AUTOR Matthias Breier, Bsc. Geschäftsführer Vocita LVC, Vaduz, Liechtenstein Kontakt: matthias.breier@vocita.com Bild 1: Zwölf Themengebiete werden abgefragt. © Vocita 22 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Kommunikation „Spätestens seit dem Angriff auf die IT-Infrastruktur des Deutschen Bundestages im Jahr 2015 ist klar, wie wichtig es ist, Angriffe anhand gespeicherter forensischer Informationen analysieren zu können. Damit soll einerseits der Angriff abgewehrt werden und andererseits sollen die Schwachstellen im System geschlossen werden, sodass künftige Angriffe keinen Erfolg mehr haben. An diesem Punkt setzt unser Projekt an: Wir entwickeln mit modernen Datenverarbeitungstechnologien Methoden zur ITforensischen Netzwerk-Analyse“, beschreibt Prof. Dr. Martin Wie kann ein Angriff auf IT-Systeme nachgewiesen werden? Forschungsgruppen der Frankfurt UAS und der Hochschule Darmstadt entwickeln Methoden der forensischen Netzwerkanalyse Eine vollständige Absicherung der IT-Infrastruktur in Unternehmen und anderen Einrichtungen ist auch mit dem Einsatz neuester Technologien nicht möglich. Angriffe auf Computer-Netzwerke sind im Nachhinein nur schwer nachvollziehbar: Aufgrund der großen Datenmengen in einem Netzwerk ist eine Speicherung von Daten über den Angriff für eine spätere Analyse kaum durchführbar; die Daten werden zumeist gelöscht und das Netzwerk neu aufgesetzt. Im Forschungsprojekt „Forensische Netzwerk- Analyse mittels Complex Event Processing (ForCEPs)“ untersuchen Wissenschaftler/ -innen der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS) und der Hochschule Darmstadt (h_da) neue Methoden zur Speicherung und Analyse der Netzwerkdaten, um Angriffe frühzeitig erkennen und zurückverfolgen zu können. Das Projekt ist auf einen Zeitraum von vier Jahren angelegt und wird bis August 2021 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. © pixabay Kappes, Leiter der Forschungsgruppe für Netzwerksicherheit, Informationssicherheit und Datenschutz an der Frankfurt UAS, die Bedeutung des Projekts. ForCEPs nutzt mit „Complex Event Processing (CEP)“ eine moderne Technologie zur Verarbeitung großer Datenmengen. Vorgehensmodell zur Netzwerkforensik „IT-forensische Untersuchungen in einem Netzwerk erfolgen oft unter erheblichem Zeitdruck, weil diese nicht ohne Weiteres abgeschaltet werden können. Zudem sollten Institutionen Datenquellen bereits vor einem Sicherheitsvorfall datenschutzkonform eingerichtet haben. Folglich ist ein standardisiertes Vorgehen bei netzwerkforenischen Untersuchungen essenziell“, erklärt Prof. Dr. Harald Baier von der Hochschule Darmstadt, der eine Arbeitsgruppe zu Internet-Sicherheit und digitaler Forensik leitet. ForCEPs entwickelt daher ein Vorgehensmodell zur Netzwerkforensik auf Basis des Leitfadens „IT-Forensik“ des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik. Forschungspartner aus Wissenschaft und Praxis Die Frankfurt UAS übernimmt die Gesamtprojektleitung, zudem die Bereiche Systemarchitektur, verteilte Sensorik und Datenspeicherung sowie Detektionsalgorithmen zur Realzeiterkennung von Angriffen und Datenschutz. Die Hochschule Darmstadt leitet die Anforderungsanalyse an netzwerkforensische Daten, identifiziert relevante Datenquellen, konzipiert und implementiert die Vorverarbeitung der Daten sowie die teilautomatisierten forensischen Analysen. Als ein zentrales Ergebnis entwickelt sie das Vorgehensmodell. In ForCEPs sind zahlreiche Praxispartner eingebunden: Hessisches Landeskriminalamt, Software AG, media transfer AG, BES Data Terminals GmbH, Frankfurter Verband für Alten- und Behindertenhilfe e.V. sowie Institut für Datenschutz, Arbeitsrecht und Technologieberatung d+a consulting (IDA). Als wissenschaftliche Partner sind die Universität Cádiz, Spanien, sowie die Technische Universität Darmstadt in das ForCEPs- Konsortium involviert. Das Projekt „IngenieurNachwuchs 2016: Forensische Netzwerkanalyse mittels Complex Event Processing“ (Förderkennzeichen 13FH019IA6) wird im Rahmen des Förderprogramms „Forschung an Fachhochschulen“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. solution software für die smart city von morgen Maßgeschneidertes Energiedatenmanagement Flexible Visualisierung und Bedienung der Wasserversorgung Steuerung und Überwachung des öffentlichen Nahverkehrs Gebäudeautomation zenon www.copadata.com/ smartcity Mehr Infos? Schreiben Sie an: george.dal@copadata.de Microsoft Partner of the Year: 2016 Public Sector: CityNext 2017 Internet of Things (IoT) Winner KONTAKT Prof. Dr. Martin Kappes Frankfurt University of Applied Sciences, Fachbereich 2: Informatik und Ingenieurwissenschaften Kontakt: kappes@fb2.fra-uas.de Prof. Dr. Harald Baier Hochschule Darmstadt Fachbereich Informatik Kontakt: harald.baier@h-da.de 24 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Kommunikation Adelsdorf liegt in der Region Erlangen-Höchstadt in Bayern, und zwar etwa 45 Kilometer nördlich von Nürnberg. Zur Gemeinde gehören neun Ortsteile mit insgesamt rund 8000 Einwohnern. Das Trinkwasser wird hauptsächlich aus eigenen Grundwasserbeständen gewonnen, denn Adelsdorf verfügt über einen großen Grundwasserspeicher, der vermutlich durch die nördlichen Waldgebiete gespeist wird. Selbst in trockenen Jahren sinkt der Grundwasserspiegel nicht ab. Das Trinkwasser wird mit Unterwasserpumpen aus sechs Brunnen in das Wasserwerk Uttstadt gepumpt. Da das Grundwasser keine Verschmutzungen und Belastungen aufweist, muss es dort lediglich gefiltert und belüftet werden. Anschließend wird es als Trinkwasser je nach Bedarf entweder direkt in das Versorgungsnetz eingeleitet oder in den Hochbehälter Aisch gefördert, um die verschiedenen Ortsnetze später zu beliefern. Darüber hinaus unterhält die Gemeinde eine Kläranlage, die das Abwasser mechanisch, chemisch und biologisch so aufbereitet, dass es am Ende des Prozesses direkt in den Fluss Aisch transportiert werden kann. In der Kläranlage befindet sich auch die Leitzentrale zur Überwachung der Ver- und Entsorgungsnetze (Bild 1). KRITIS grenzt Kommunikationsalternativen ein Vor der Umstellung auf eine lizenzfreie Fernwirklösung wurden die Brunnen, Hochbehälter, Stauraumkanäle, Regenüberlaufbecken und die Pumpstationen durch ein Lizenzfunksystem (Zeitschlitzfunk) kontrolliert. Die Verantwortlichen waren mit der Lösung jedoch nicht zufrieden, weil sie ständig ausfiel oder Störungen auftraten. Nachdem die Lizenz ausgelaufen war, hat die Gemeinde das Lizenzfunksystem deshalb sukzessive durch Die Prozesse zur Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung müssen ständig protokolliert und überwacht werden. Die Gemeinde Adelsdorf setzt daher ein modernes Fernwirksystem auf Basis von SHDSL-Modems zur Kommunikation über die vorhandenen Zweidraht-Leitungen ein. Weit entfernte Außenbauwerke werden durch das lizenzfreie Funksystem Radioline zuverlässig an das Leitsystem angebunden. Funk als smarte weil wirtschaftliche Lösung Zuverlässige Anbindung weit entfernter Außenstationen Benjamin Fiene © Phoenix Contact 25 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Kommunikation das lizenzfreie Radioline-System von Phoenix Contact ersetzt. Vorteil der providerunabhängigen Lösung ist, dass keine laufenden Kosten entstehen. Außerdem sind private Funknetze im Vergleich zu Mobilfunknetzen nicht überlastet oder fallen aus. In diesem Fall würde die Wasserversorgung in Adelsdorf zusammenbrechen. Alles gute Gründe, weshalb sich die Gemeinde zur Nutzung des Radioline-Systems entschlossen hat. Zudem waren die Möglichkeiten zur Anbindung der Unterstationen an die Leitzentrale begrenzt. Aufgrund des verfügbaren Budgets konnten keine neuen Erdkabel verlegt werden, denn für derartige Arbeiten fallen in der Regel Kosten von 60 bis 100 Euro pro Meter an. Eine Mobilfunklösung kam ebenfalls nicht in Frage, da die Netzhoheit beim öffentlichen Versorger liegen muss, um im Störfall Einfluss nehmen zu können. Die Anforderungen des IT-Sicherheitsgesetzes für kritische Infrastrukturanlagen (KRITIS) grenzten die Kommunikationsalternativen zusätzlich ein. Daher sollten die Außenstationen nun per Richtfunk- Verbindung mit der Leitzentrale vernetzt werden. Inbetriebnahme gestaltet sich einfach Die für die Automatisierung zuständige A.P.P. GmbH wurde von der Gemeinde mit der Planung und Umsetzung der Funkinstallation beauftragt. Das ebenso in Adelsdorf ansässige Unternehmen hat sich auf die Erarbeitung und Projektierung von Anlagen für den Bereich Wasser/ Abwasser spezialisiert. Bei der Suche nach einer Lösung für die Gemeinde Adelsdorf war A.P.P.-Geschäftsführer Rudolf Schwab auf das Radioline-System aufmerksam geworden. Vor Projektbeginn bat er die Funkexperten des Automatisierungsspezialisten um Unterstützung. Dieter Schrenk, als Außendienstmitarbeiter bei Phoenix Contact tätig, führte dann gemeinsam mit Schwab erste Tests vor Ort durch und erläuterte die Funktionen der Funklösung. Anschließend stellte er A.P.P. das entsprechende Equipment für weitere Tests als Dauerleihgabe zur Verfügung. Auf Basis der Versuchsergebnisse orderte Rudolf Schwab schließlich die notwendigen Radioline-Geräte sowie die für die jeweilige Funkstrecke am besten geeigneten Antennen und installierte beides. „Wir haben uns für das Radioline- System von Phoenix Contact ausgesprochen, weil es sich einfach in Betrieb nehmen lässt und keine Folgekosten anfallen“, begründet Schwab die Entscheidung. 868-MHz-Module durchdringen Hindernisse besser Da zwischen der Leitzentrale und sämtlichen Außenstationen Hindernisse wie einzelne Bäume, Wälder oder Gebäude liegen, wurden die Funknetze mit 868-MHz-Modulen realisiert. Denn im Vergleich zum 2,4-GHz- Frequenzband zeichnet sich das 868-MHz-Band durch eine bessere Durchdringung solcher Barrieren aus. Dies resultiert aus dem niedrigeren Frequenzbereich und der dort erlaubten höheren Bild 1: Alles im Blick: In der Leitzentrale laufen sämtliche Daten zusammen und werden ständig überwacht und protokolliert. © Phoenix Contact Bild 2: Bis zu 20 Kilometer überbrückbar: Das Pumpwerk Reuthgraben ist über ein SHDSL-Modem an die Leitzentrale angekoppelt. © Phoenix Contact 26 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Kommunikation Sendeleistung. Das erste Funknetzwerk umfasst fünf Außenstationen. Dazu zählen drei Pumpwerke, ein Stauraumkanal und ein Regenüberlaufbecken an der Aisch. Alle Bauwerke befinden sich mehrere Kilometer vom Klärwerk entfernt, sodass keine Sichtverbindung besteht. Das in vier Kilometer Abstand vom Klärwerk gelegene Pumpwerk Reuthgraben ist per Kabel mit der Leitzentrale verbunden. Deshalb wird es über ein SHDSL- Modem von Phoenix Contact an das Leitsystem angekoppelt. Das Modem ermöglicht die Überbrückung von Entfernungen bis 20 Kilometer - und das über zwei einfache Kupferadern (Bild 2). Das Pumpwerk Reuthgraben fungiert als Unterstation für ein zweites Funknetzwerk. Von hier aus werden vier weitere Pumpstationen und ein Regenüberlaufbecken zwecks Überwachung in die Leitzentrale integriert. Weil zwischen dem Pumpwerk Reuthgraben und den drei am weitesten entfernten Außenstationen zudem viele Hindernisse liegen, nutzt A.P.P.-Geschäftsführer Schwab das Pumpwerk Läusberg als Repeater-Station (Bild 3). Auch das Pumpwerk Industriestraße befindet sich schwer zugänglich hinter Bäumen und wird über die Repeater-Station an die Leitzentrale angekoppelt (Bild 4). „Die Ausrichtung der Antennen hat sich aufgrund einer in das Funkmodul eingebauten Bargraf- Anzeige und eines RSSI-Signalausgangs einfach gestaltet“, berichtet Schwab weiter. Serielle Daten und I/ O-Signale können weitergeleitet werden In sämtlichen Unterstationen werden Modbus-RTU-Steuerungen eingesetzt. Die Radioline- Module dienen als serieller Kabelersatz und übertragen die Modbus-RTU-kodierten Daten von den Außenstationen an die Leitzentrale im Klärwerk. Unter anderem werden Stör- und Alarmmeldungen sowie Durchflussmengen und Füllstände erfasst und analysiert. Anhand der Informationen aktivieren die Gemeindemitarbeiter im Bedarfsfall die Pumpen zur Wasserförderung, damit die Hochbehälter befüllt werden. Die Rechner der Leitwarte dokumentieren die Zurespektive Abflüsse und werten die Wasserförderung statistisch aus. Außerdem werden alle Außenbauwerke auf Einbruchsaktivitäten überwacht. Tritt eine Störung in den Unterstationen auf, benachrichtigt das System die Rufbereitschaft. SOFTWARE BEWERTET DIE UMSETZBARKEIT VON FUNKSTRECKEN Phoenix Contact stellt eine Software zur Verfügung, mit der die Realisierbarkeit von Funkstrecken bewertet werden kann. Dazu liefert das Tool auf Basis der Koordinaten der Unterstationen einen Geländeschnitt mit Höhenprofil. Auf diese Weise lassen sich Hindernisse wie Berge, Hügel, Bäume oder Gebäude erkennen. Außerdem erlaubt die Software die exakte Festlegung der Antennenposition respektive -höhe sowie des Standorts der erforderlichen Repeater-Stationen. Mit diesen Informationen kann der Anwender einschätzen, ob sich die Funkverbindung umsetzen lässt. Bild 3: Überwindung von Hindernissen: In der Repeater- Station werden Signale zur Überwachung der Pumpen sowie für den Objektschutz aufgenommen. © Phoenix Contact Bild 4: Antenne im Grünen: Die Sichtverbindung des Pumpwerks Industriestraße wird durch Bäume verhindert. © Phoenix Contact 27 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Kommunikation Mit den auf Basis der robusten Technologie Trusted Wireless 2.0 funkenden Radioline-Modulen lassen sich neben seriellen Daten auch I/ O-Signale weiterleiten. Je nach Applikationsanforderung stehen verschiedene Einstelloptionen zur Verfügung. Von der einfachen Punkt-zu-Punkt- Verbindung bis zu selbst heilenden Mesh-Netzwerken können beliebige Netzwerkstrukturen aufgebaut werden. Die Technologie zeichnet sich ferner durch gute Diagnosemöglichkeiten und die Koexistenz zu anderen im gleichen Frequenzband funkenden Systemen aus. Da die Datenrate der Funkschnittstelle individuell festgelegt werden kann, erhöht sich die Empfängerempfindlichkeit. Bei einer niedrigen Datenrate lässt sich eine wesentlich größere Reichweite überwinden als bei einer hohen Übertragungsgeschwindigkeit. Datenübertragung ist dauerhaft sichergestellt Bei einer proprietären Technologie wie Trusted Wireless 2.0 ist das Protokoll nicht öffentlich zugänglich, sodass die Funklösung besser vor Angriffen geschützt wird. Darüber hinaus sorgt eine 128-Bit-AES-Verschlüsselung dafür, dass theoretisch mitgehörte Datenpakete nicht verstanden werden. Außerdem kontrolliert die Integritätsprüfung die Echtheit des Senders und verwirft Nachrichten, die verändert wurden. Das FHSS-Frequenzsprungverfahren steigert ferner die Robustheit des Datenaustausches. Aufgrund dieser Mechanismen und der Tatsache, dass das Funksystem keine Ethernet- Schnittstelle umfasst, also nur per Modbus-kodiertem I/ O-Signal kommuniziert, eignet sich die Funktechnik besonders für die Verwendung in kritischen Infrastruktur-Anwendungen. „Durch die Nutzung von Radioline lassen sich jetzt sämtliche Messwerte kontinuierlich aufzeichnen“, erklärt Abwassermeister Markus Steger. „So werden Störungen frühzeitig erkannt und wir können sofort Gegenmaßnahmen ergreifen“. Die Mesh- Netzwerkfähigkeit des Funksystems erlaubt die Weiterleitung von Daten über Repeater-/ Slave- Stationen. Sobald die Kommunikation zwischen zwei Stationen unterbrochen ist, wird automatisch ein neuer Übertragungsweg zu einer anderen in der Nähe befindlichen Station gesucht. Auf diese Weise ist der Datenaustausch zwischen den dezentralen Bauwerken und der Leitzentrale dauerhaft sichergestellt. Fazit „Wegen der positiven Erfahrungen mit der Funktechnik und der umfassenden Unterstützung durch Phoenix Contact planen wir schon weitere Funknetzwerke“, resümiert Rudolf Schwab. Ralf Wegel, als Fachkraft für Abwassertechnik und Leiter Labor bei der Gemeinde Adelsdorf beschäftigt, ergänzt: „Die Funkstrecken arbeiten stabil und sind seit dem ersten Tag nicht einmal ausgefallen (Bild 5)“. Mit dem Radioline-System bietet Phoenix Contact somit eine einfache, flexible und robuste Lösung für die drahtlose Kommunikation von Signalen in ausgedehnten Infrastruktur-Anlagen. Mehr Informationen: www.phoenixcontact.de/ radioline Bild 6: Für jede Anforderung die passende Lösung: Das modulare Radioline- System lässt sich einfach erweitern und individuell anpassen. © Phoenix Contact Bild 5: Erfolgreich im Team: Ralf Wegel, Markus Steger und Rudolf Schwab (von links nach rechts) hat das Radioline- Funksystem überzeugt. © Phoenix Contact Benjamin Fiene Mitarbeiter im Produktmarketing Wireless Phoenix Contact Electronics GmbH Kontakt: info@phoenixcontact.de AUTOR 28 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Kommunikation Sie soll Städten, Verkehrsbetrieben und Gestaltern von Mobilität visuell veranschaulichen, welche Erkenntnisse die Verkehrsplanung in Deutschland aus Mobilfunkdaten gewinnen kann. Für Hamburg, Berlin und München finden sich beispielhaft regionale Einblicke, unter anderem zum Pendlerverhalten und zu Ausgehzeiten. Im Regelbetrieb von Telefónica Deutschland fallen Mobilfunkdaten von über 48 Millionen Anschlüssen an. Diese entstehen, wenn Handys, zum Beispiel beim Surfen oder Telefonieren, mit den Mobilfunkzellen kommunizieren. Telefónica NEXT anonymisiert diese täglich rund fünf Milliarden Datenpunkte über ein dreistufiges und vom TÜV zertifiziertes Verfahren. So ist kein Rückschluss auf Einzelpersonen mehr möglich. Aus der Analyse dieser Daten gewinnt das Tochterunternehmen von Telefónica Deutschland Erkenntnisse über Bewegungsmuster in Deutschland, die etwa für die Verkehrsplanung einen wichtigen Mehrwert bieten. „Unsere Datenvisualisierung zeigt, was schon das Fraunhofer IAO vor einem Jahr bestätigt hat: Anonymisierte Mobilfunkdaten sind eine wertvolle Datengrundlage für die Gestaltung von Mobilität“, erklärt Jens Lappoehn, Geschäftsführer für Advanced Data Analytics bei Telefónica NEXT. „Datenanalysen bereiten heute den Boden für die nachhaltige Verkehrsplanung von morgen. Das ist nur eine Möglichkeit, wie Big Data Nutzen für Wirtschaft und Gesellschaft bringt.“ Analyse einer Durchschnittswoche in Deutschland Für die Website „So bewegt sich Deutschland“ hat Telefónica NEXT eine Durchschnittswoche im März 2017 untersucht und beispielhaft Ergebnisse für den morgendlichen Verkehr, Reisezei- So bewegt sich Deutschland Telefónica NEXT visualisiert neue Verkehrsdatenbasis Marie Cécile Schneider, Alexander Lange Mobilitätsdaten, Datenanalyse, Big Data - diese Begriffe sind sehr abstrakt. Mit „So bewegt sich Deutschland“ hat Telefónica NEXT deshalb eine interaktive Karte geschaffen, die aus anonymisierten Mobilfunkdaten deutschlandweite Verkehrsströme im Gesamtverkehr sichtbar macht. © Telefónica NEX T 29 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Kommunikation ten, Entfernungen und Einzugsgebiete für Städte und Bundesländer untersucht. Nach den Berechnungen finden in Deutschland an einem durchschnittlichen Wochentag 161 Mio. Reisen von über zwei Kilometer Länge statt. Die Website www.so-bewegtsich-deutschland.de veranschaulicht diese Bewegungsströme in einer interaktiven Grafik. Dargestellt werden dabei direkte Quelle-Ziel-Beziehungen zwischen deutschen Postleitzahlgebieten, und das im Gesamtverkehr quer über alle Verkehrsmittel hinweg. Dabei bilden die sich bewegenden Tropfen immer ausreichend große Gruppen von Reisenden ab - dies ist sowohl für den Datenschutz als auch für die Statistik relevant. Telefónica NEXT zeigt auch auf, welche Regionen in Deutschland wann in den Tag starten. Die Daten bestätigen, dass sich die Menschen in der östlichen Landeshälfte bis nach Bayern morgens früher als im Westen auf den Weg machen. Mit dem durchschnittlichen Start um 6: 56 Uhr sind Brandenburg und Sachsen- Anhalt dabei die frühesten Bundesländer. Mit 29,6 km legen die Einwohner von Mecklenburg-Vorpommern morgens im Schnitt die längsten Strecken zurück. Die kürzesten Wege im Bundesgebiet haben die Berliner (6,7- km). Nutzer der Website können auch ihre eigene Postleitzahl eingeben und anhand von Ein- und Ausreisekurven nachvollziehen, wie sich der Verkehr in ihrer Region über den Tag verteilt. Damit lassen sich auch verschiedene Postleitzahlengebiete vergleichen. Interessant sind auch die unterschiedlich großen Einzugsgebiete deutscher Großstädte, die ebenfalls grafisch auf der Seite dargestellt sind. Während die Menschen aus einem klar umrissenen Umkreis nach München oder Köln einpendeln, legen Pendler nach Hamburg weitaus größere Strecken zurück. Sie reisen auch aus Regionen wie Mecklenburg, Prignitz oder Vorpommern an. Ein Pendler legt dabei im Schnitt eine Distanz von 28,9- km zurück, um nach Hamburg zu kommen. Telefónica NEXT möchte mit diesen Schlaglichtern veranschaulichen, welche Möglichkeiten in den anonymisierten Mobilfunkdaten für die Verkehrsplanung stecken. Davon können Verantwortliche für Öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV), Städtebau und Gestalter neuer Formen der Mobilität profitieren. Die Datenbasis von Telefónica NEXT wird bereits in zahlreichen Projekten eingesetzt. Eines davon ist das vom Bundesverkehrsministerium geförderte Projekt „ProTrain“ zur Optimierung der Kapazitäten des Regionalverkehrs in Berlin-Brandenburg. Im Konsortium sind unter anderem auch DB Regio Nordost oder der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB). Bereits im letzten Jahr wurde die Nutzbarkeit der Datengrundlage vom Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in Stuttgart für die Verkehrsplanung bestätigt. Die Studie Potenzialanalyse zur Mobilfunkdatennutzung in der Verkehrsplanung“ steht auf der Website zum kostenlosen Download bereit. Ebenso ist auch ein anonymisierter Testdatensatz zum Ausprobieren der neuen Datenklasse abrufbar. Wie die Daten entstehen Auf Basis der anonymisierten Mobilfunkdaten von Telefónica Deutschland erstellte Telefónica NEXT eine umfangreiche Quelle- Ziel-Matrix für ganz Deutschland. Informationen zu Start und Ziel von Reisen über zwei Kilometer innerhalb Deutschlands erfasste Telefónica NEXT im März 2017 und wertete die anonymisierten Daten Stundensowie Postleitzahlen-genau aus. Alle Daten entsprechen extrapolierten Werten und sind damit auf die gesamte deutsche Einwohnerzahl hochgerechnet. Zusätzlich berechnete Telefónica NEXT das jeweilige Transportmittel. Dabei erfolgte eine Unterscheidung zwischen luftgebundenem Transport einerseits und den restlichen landgebundenen Transportmitteln (Straßen- und Schienenverkehr) andererseits. Der zugrunde liegende Algorithmus kann zum Beispiel auf Basis von Werten wie Reisegeschwindigkeit und -Dauer eine Flugreise identifizieren. Die Website mit der interaktiven Karte, den Analysen und Beschreibungen zur Methodik ist unter http: / / so-bewegt-sich-deutschland.de erreichbar. AUTOR I NNEN Marie Cécile Schneider Senior PR and Marketing Manager Telefónica Germany NEXT GmbH Kontakt: Cecile.schneider@telefonica.com Alexander Lange Practice Lead Transport Analytics Telefónica Germany NEXT GmbH Kontakt: alexander.lange@telefonica.com © Telefónica NEX T 30 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Energie Wenn in München an einem klaren, kalten Wintermorgen die Sonne aufgeht, die Alpenkette im Süden zum Greifen nah scheint, wird schnell klar: Es ist ein „C/ sells-Tag“! Bei den Stadtwerken München wird am Leitstand verfolgt, ob die Planung des Vortags die Erwartungen erfüllt. Ein Teil des Heizenergiebedarfs von Power-to-Heat-Anlagen, also Elektrospeicherheizungen und Wärmepumpen, wurde aufgrund der Wettervorhersage und der Strompreisprognosen aus den Nachtstunden verschoben und mit der Erzeugung der Photovoltaikanlagen synchronisiert. Tagsüber fließt jetzt Solarstrom in die Heizungen und sorgt für Wärme an diesem kalten Wintermorgen. Was heute nur unter hohem Aufwand zu realisieren ist, wird bald Alltag in einer vernetzten Energieversorgung sein. Rund 50 Partner aus der Energiewirtschaft, IT-Unternehmen und Forschungsinstitute aus Süddeutschland haben sich im Verbundprojekt „C/ sells“ zusammengeschlossen. Zum Jahreswechsel 2016/ 2017 fiel der Startschuss für fünf Demonstrationsvorhaben in Deutschland, die im Rahmen des Förderprogramms „Schaufenster intelligente Energie - Digitale Agenda für die Energiewende“ (SINTEG) bis Ende 2020 umgesetzt werden. „C/ sells“ ist die größte dieser Modellregionen und erstreckt sich über die Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern und Hessen. Baden-Württemberg, Bayern und Hessen bilden den „Solarbogen Süddeutschland“ Mit „C/ sells“ wird demonstriert, wie die Energiewende und der Ausbau von Erneuerbaren Energien in Zukunft großflächig realisiert werden können. Dabei steht das „C“ für Cells und repräsentiert die Zellen, in welche die gesamte Modellregion in Summe gegliedert ist. Sells hingegen verweist auf neue Geschäftsmodelle, die im Rahmen der digitalen Energiewende neue Wirtschaftsstrukturen und -chancen entstehen lassen. Die Zellen sind dabei vielfältig: vom Straßenzug eines Dorfes über Flughäfen hin zu Industriebetrieben und urbanen Quar- München vernetzt sich mit der Sonne Andreas Weigand Die Dekarbonisierung der Energieerzeugung und die damit zusammenhängende, im Wesentlichen auf Erneuerbare Energien fußende Bereitstellung von Energiedienstleistungen ist eine der zentralen gesellschaftlichen Zukunftsaufgaben. Im Rahmen des Forschungs- und Demonstrationsprojektes „C/ sells“ im Solarbogen Süddeutschlands wird während einer Laufzeit von vier Jahren gezeigt, wie die intelligente Energieversorgung der Zukunft funktionieren kann. PRAXIS + PROJEKTE Energie 31 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Energie tieren. Eine wichtige C/ sells-Demonstrationszelle ist München. In der Isarmetropole zeigen die Stadtwerke München, welches Potenzial in der Vernetzung von Elektrizität und Wärme, der sogenannten Sektorkopplung, steckt. Im C/ sells-Teilprojekt „Intelligente Wärme München“ sollen dazu mehrere hundert Münchner Haushalte mit intelligenter Mess- und Steuertechnik ausgestattet werden. Die Grundidee ist, dass sich Wärme wesentlich leichter speichern lässt als Strom. Wenn Photovoltaikanlagen oder Windräder viel Strom erzeugen, kann das Laden von Elektrospeicherheizungen und Wärmepumpen diese Spitzen auffangen. Auf diesem Weg können unsere Kunden aktiv an der Energiewende teilhaben - ohne dabei auf Wärme und Komfort verzichten zu müssen. Die Bewirtschaftung der Wärmeanlagen beim Kunden erfolgt dabei über das virtuelle Kraftwerk (vKW), das die Stadtwerke München schon seit vielen Jahren erfolgreich betreiben. Von hier aus wird gesteuert und überwacht. Zur Abstimmung zwischen Stromproduktion und -bedarf werden die entsprechenden Informationen mithilfe „intelligenter Messsysteme“ direkt aus den Kundenanlagen übertragen. Auch Wetterdaten und Impulse von den Strommärkten werden herangezogen, um den Heizstrombezug zu optimieren. Aktive Beteiligung des Konsumenten Das Bild der klassischen Energieversorgung von der zentralen Erzeugung in Großkraftwerken über die Verteilung bis hin zum Endverbrauch verändert sich zusehends. Vielmehr zeichnen sich zukünftige Energiesysteme vor allem durch einen verstärkten Energiefluss in beide Richtungen aus - also auch von der Ebene des Endverbrauchs über die Energieverteilung bis hin zu den Transportnetzen. Dank der erhöhten informationstechnischen Vernetzung des Systems können nicht nur relevante Daten ausgetauscht, sondern auch eine aktive Beteiligung des Konsumenten ermöglicht werden. Bei den Stadtwerken München ist Bild 1: Zusammenspiel von virtuellem Kraftwerk und dem Projekt „Intelligente Wärme München“. © SWM © pixabay 32 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Energie man überzeugt, dass die Energiewende nur gelingen kann, wenn die Bürgerinnen und Bürger mit eingebunden werden. Die intelligente Nutzung der natürlichen Energiequellen, verbunden mit den neuen Möglichkeiten der digitalen Welt, muss auch für sie erlebbar und nachvollziehbar sein. Kooperation mit Wohnbaugesellschaften Bereits im frühen Projektstadium haben die SWM die Kooperation mit Wohnbaugesellschaften gesucht. Die erste Testliegenschaft befindet sich im Stadtteil Pasing. Dort wird ein Wohngebäude mit 27 Parteien derzeit für das Projekt vorbereitet. Neben neuen intelligenten Messeinrichtungen werden auch neue Steuergeräte eingebaut, um die Freigabezeiten der Speicherheizungen zu individualisieren. Darüber hinaus installieren die SWM eine Photovoltaikanlage auf dem Dach des Hauses. Anliegen ist, die Energiewende gemeinsam mit den Privathaushalten zu gestalten und den Kunden transparent machen, wie ihre Speicherheizung bewirtschaftet wird. Später werden diese Informationen auch in einer App abrufbar sein. Der zusätzlich benötigte Strom wird über Biogasbauern, die ihren Strom ins Virtuelle Kraftwerk einspeisen, bezogen werden. Wie in den meisten Großstädten lebt auch in München der überwiegende Teil der Bevölkerung in Mehrparteienhäusern. Da sich die Zählerinfrastruktur in der Regel im Besitz des Vermieters befindet, muss dieser auch in das Projekt mit eingebunden werden. Neben dem komplexen Vertragswerk ist die größte Herausforderung die Vielzahl der verschiedenen verbauten Lösungen. Gerade in der Anfangsphase ist es notwendig, in Terminen vor Ort heraus zu finden, welches individuelle Konzept für die jeweilige Location geeignet ist. Enge Verzahnung mit Forschungsinstituten Für die wissenschaftliche Begleitung zeichnet die Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE) verantwortlich. Das renommierte Forschungsinstitut im Münchner Stadtteil Fasanerie arbeitet an der technischen Konzeption mit und entwickelt die Algorithmen, die später zur Speicherbewirtschaftung herangezogen werden. „Die spannende Frage ist, welche der Lösungen möglichst hohe Transparenz bei gleichzeitig niedrigen Anbindekosten bringt. Schon in der Konzeption entscheidet sich, wieviel Potenzial wir später in der Bewirtschaftung der Wärmestromanlagen heben können“ erläutert Simon Greif, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der FfE. Energie- und Verkehrswende als Herausforderung für die Netze Die Energiewende stellt schon heute die Energieversorgung täglich vor die Herausforderung, hohe Erzeugungsleistungen in den Mittel- und Niederspannungsnetzen zu bewältigen. Durch die grundsätzlich unterschiedliche Netztopologie urbaner und ländlicher Energienetze ergeben sich auch für die SWM in München spezielle Anforderungen: Im engmaschigen Versorgungsnetz einer Stadt sind regenerative Einspeiser kein Thema, während die Netze zum Beispiel für die hohen Bezugslasten mehrerer nebeneinander liegender Schnelladesäulen für E-Autos fit gemacht werden müssen. Die Erfahrungen, die jetzt in der Anbindung und Flexibilisierung von Wärmestromanlagen gesammelt werden, fließen bereits heute in technische und strategische Lösungen im Rahmen der Elektromobilität ein. Ein enger Austausch garantiert, dass man sich sowohl prozessual, wie auch technisch auf derselben Plattform bewegt. Da ein Hauptfokus im C/ sells- Projekt die Abstimmungskaskade ist, die im Teilprojekt 4 bearbeitet wird - also ein definierter Abstimmungsprozess zwischen Übertragungsnetz- und Verteilnetzbetreibern und den Marktakteuren - besteht ein wertvoller Erfahrungsaustausch zwischen Theorie, Konzeption und Praxis. Ziel: Massentauglichkeit! Nach grundsätzlichen Fragen im ersten Projektjahr steht 2018 ganz im Zeichen der Skalierung. Um das Ziel zu erreichen, mehrere hundert Münchner Haushalte im Projekt zu bündeln, starten die SWM weitere Projekte mit der Wohnungswirtschaft. Außerdem sind Konzeption und Einbindung von Wärmepumpen und der Kälteversorgung ein Schwerpunkt für das laufende Projektjahr. Nicht zuletzt ist mit dem Aufwuchs auch die Gewinnung und Betreuung von Testkunden verbunden. Die dafür ausgeprägten Prozesse werden mit dem wachsenden Kundenstamm kontinuierlich angepasst und verbessert. Und mit jedem dieser „C/ sells- Tage“ werden die SWM ihrem Ziel, das Potenzial der Sektorkopplung als eine der tragenden Säulen der Energiewende demonstriert zu haben, ein Stück näher kommen. Andreas Weigand Projektleiter Intelligente Wärme München Stadtwerke München Kontakt: Weigand.Andreas@swm.de AUTOR Ausgabe verpasst? http: / / www.transforming-cities.de/ einzelheft-bestellen/ Einzelheft bestellen: Digitalisierung versus Lebensqualität Big Data | Green Digital Charter | Kritische Infrastrukturen | Privatheit | Sharing-Systeme 1 · 2016 Was macht Städte smart? URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Mit veränderten Bedingungen leben Hochwasserschutz und Hitzevorsorge | Gewässer in der Stadt | Gründach als urbane Klimaanlage |Baubotanik 1 · 2017 Stadtklima URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Lebensmittel und Naturelement Daseinsvorsorge | Hochwasserschutz | Smarte Infrastrukturen | Regenwassermanagement 2 · 2016 Wasser in der Stadt URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Verbrauchen · Sparen · Erzeugen · Verteilen Energiewende = Wärmewende | Speicher | Geothermie | Tarifmodelle | Flexible Netze | Elektromobilität 2 · 2017 2 · 2017 Stadt und Energie ISSN 2366 7281 g URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Erlebnisraum - oder Ort zum Anbau von Obst und Gemüse Urban Farming | Dach- und Fassadenbegrünung | Grüne Gleise | Parkgewässer im Klimawandel 3 · 2016 Urbanes Grün URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Die Lebensadern der Stadt - t für die Zukunft? Rohrnetze: von Bestandserhaltung bis Digitalisierung | Funktionen von Bahnhöfen | Kritische Infrastrukturen 4 · 2016 Städtische Infrastrukturen URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Transforming Cities 4|2017 Sicherheit im Stadtraum Angriffsicherheit, Betriebssicherheit, gefühlte Sicherheit  Versorgungssicherheit  IT-Security  Kritische Infrastrukturen  Effiziente Beleuchtungstechnik  Sichere Verkehrsbauwerke + Straßenräume  Sauberkeit + gefühlte Sicherheit Die Vielschichtigkeit von Informationsströmen Smart Cities | Automatisierung | Mobilfunk | Urbane Mobilität | Datenmanagement | Krisenkommunikation 3 · 2017 Urbane Kommunikation URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Angri ssicherheit · Betriebssicherheit · gefühlte Sicherheit IT-Security | Kritische Infrastrukturen | Notfallkommunikation | Kaskadene ekte | Vulnerabilität | Resilienz 4 · 2017 4 · 2017 Sicherheit im Stadtraum URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Transforming Cities 3|2017 Urbane Kommunikation - Die Vielschichtigkeit von Informationsströmen  Digitale Werkzeuge für Smart Cities  Rathaus online  Steuerung von Versorgungsnetzen  Warnsysteme + Schutzmechanismen  Vernetzung im Stadtaum: digital und analog  Big Data versus Datenschutz  Leitstellen und professioneller Mobilfunk Transforming Cities 2|2017 Stadt und Energie - Verbrauchen, Sparen, Erzeugen, Verteilen  Energiewende - Wärmewende  Speicher  Geothermie  Tarifmodelle  Flexible Netze  Elektromobilität Transforming Cities 1|2017 Stadtklima - Mit veränderten Bedingungen leben  Hochwasserschutz und Hitzevorsorge  Gewässer in der Stadt  Gründach als urbane Klimaanlage  Baubotanik Transforming Cities 4|2016 Lebensadern der Stadt - Unterirdische und oberirdische Strukturen  Straßenraum - Lebensraum  Kritische Infrastrukturen  Rohrnetze zur Ver- und Entsorgung  Unterirdische Verkehrsbauwerke Transforming Cities 3|2016 Urbanes Grün - Erlebnisraum oder Ort zum Obst- und Gemüse-Anbau  Urban Farming  Dach- und Fassadenbegrünung  Grüne Gleise  Parkgewässer im Klimawandel Transforming Cities 2|2016 Wasser in der Stadt - Lebensmittel und Naturelement  Daseinsvorsorge  Hochwasserschutz  Smarte Infrastrukturen  Regenwassermanagement Transforming Cities 1|2016 Was macht Städte smart? - Digitalisierung versus Lebensqualität  Herausforderungen und Chancen  Digitale Werkzeuge für Städte  Schutz kritischer Infrastrukturen  Automatisierung bei Ver- und Entsorgung A N Z E I G E 34 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Mobilität Control Tower Big Data Service Am 29. und 30. Januar 2018 trafen sich die Projektmitglieder von „RE(H)STRAIN“ (Resilience of the Franco-German High Speed Train Network) zu einem Abschluss- Workshop, um den Entscheidungskatalog der Öffentlichkeit zu präsentieren. Damit können Bahnbetreiber das mögliche Verhalten eines Angreifers und die Folgen seiner Tat besser einschätzen und zum Beispiel mit einer rechtzeitigen Evakuierung reagieren. Im dreijährigen Projekt untersuchten die teilnehmenden Universitäten, Forschungseinrichtungen und Unternehmen - unter Anwendung verschiedener Sicherheitsstrategien - eine Vielzahl von Szenarien und Optimierungsmodellen im deutschfranzösischen Hochgeschwindigkeitsnetz. Es entstanden Modelle zum Verhalten von Angreifer und Passagier und der Rauchentwicklung in Tunneln; ein Gerät zur Aufspürung von Sprengstoff und radioaktiven Substanzen wurde entwickelt. Aber auch die Einhaltung von Persönlichkeits- und Datenschutzrechten erhielt im Projekt einen hohen Stellwert. „RE(H)STRAIN“ schloss an das zweijährige Vorhaben „RiKoV“ an, das sich zunächst mit der Sicherheit im deutschen Schienenverkehr auseinandersetzte. Entscheidungshilfen bei Terror im Bahnverkehr Eva Olschewski Terrordrohung auf dem Münchner Hauptbahnhof, der Anschlag auf einen U-Bahnhof in Brüssel - der Bahnverkehr in Europa ist in den letzten Jahren mehrmals in das Visier von Terroristen geraten. Unter der Koordination von Prof. Stefan Pickl von der Universität der Bundeswehr München entwickelte der internationale Forschungsverbund „RE(H)STRAIN“ ein System für IT-basierte Entscheidungsunterstützung im Notfall. © pixabay 35 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Mobilität Layer 1 Layer 2 Layer 3 BMBF REHSTRAIN and RIKOV Intelligent Sensor Placement & Big Data - Graph Measures Kartografie: DB Netz AG, Geoinformationsmanagement - Visualisierung (I.NPP 41(V)) Im Galluspark 23, 60326 Frankfurt am Main infrastruktur.geodaten@deutschebahn.com Systeme widerstandsfähiger machen „Sowohl öffentliche als auch sicherheitspolitische Debatten über Terrorismus beschränken sich hauptsächlich auf den Flugverkehr, obwohl Anschläge auf das Schienennetz wie zum Beispiel in Madrid 2004 oder London 2005 von ihren ökonomischen wie gesellschaftlichen Folgen ebenso verheerend sind“, sagt Informatikexperte Pickl. Für die Arbeit am Projekt holte er sich zusätzlich zu den Mitarbeitern seiner Professur für Operations Research sozial- und ingenieurwissenschaftliche Expertise hinzu: Sein Team arbeitete im Forschungszentrum RISK interdisziplinär. Im Projekt machten sich die Wissenschaftler zunächst ein Bild von der aktuellen Sicherheitssituation im deutschen und französischen Bahnverkehr. So konnte zum Beispiel die Effizienz des Systems bei Ausfall eines Bahnhofs bestimmt werden. Die Forscher ermittelten zudem, zu welchen Uhrzeiten oder an welchen Wochentagen besonders viele Passagiere auf ICE und TGB zurückgreifen. Im nächsten Schritt wurden Schwachstellen im System aufgedeckt. Hierbei betrachteten die Wissenschaftler immer vergangene, jetzige und zukünftig einsetzbare Sicherheitsmaßnahmen wie Trackingsoftware. „Auch Terrororganisationen ändern sich“, verdeutlichte Co-Koordinator Dr. Martin Zsifkovits die vielen Einflussfaktoren. Die Professur vernetzte einzelne Sensoren, um die bislang noch hohe Fehlerquote bei der Detektion von Sprengstoff oder anderen gefährlichen Substanzen zu verringern. Es entstand eine Datenbank, welche die Auswirkung einzelner Sicherheitsmaßnahmen wie beispielsweise den Einsatz von Kameras je nach Art des Anschlages und der verwendeten Waffen anzeigt. Krisenfrüherkennung Im Hinblick auf ein späteres konkurrenzfähiges Produkt für privatwirtschaftliche Akteure arbeitete das Verbundteam, darunter zum Beispiel die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg oder die TH Köln, in der Entwicklung und Umsetzung des umfassenden Risikomanagements eng mit der Deutschen Bahn DB sowie der französischen Eisenbahngesellschaft SNFC zusammen. Das Projekt wurde vom Ein ganzheitlicher Modellierungsansatz war leitend für die beiden europäischen BMBF-Projekte RIKOV und REHSTRAIN im Bereich der Hochgeschwindigkeitsbahnnetze von Deutschland und Frankreich. Beispielsweise gibt es auf der neuen Hochgeschwindigkeitsstrecke von München nach Berlin keine Signale mehr. Intelligente Sensoren ersetzen diese und liefern die Informationen nicht nur an den Zugführer sondern auch an eine zentrale Steuereinheit - vergleichbar mit einem Control Tower. Bei beiden Projekten war die Erhebung und Nutzung von Big Data leitendes Prinzip. Kernfrage war, wie solche Daten genutzt werden können, um die Resilienz der Systeme zu erhöhen. Multilayer- Modellierung. © Universität der Bundeswehr/ Pickl Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Forschungsthemas „Forschung für die zivile Sicherheit 2012 bis 2017“ gefördert. Die Ergebnisse können aufgrund des ganzheitlichen Ansatzes auch auf andere Krisensituationen angewendet werden. INTELLIGENTE SENSORIK 36 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Die intelligente Stadt Die Auswirkungen des Klimawandels mit häufigeren Extremwetterereignissen wie Starkregen erfordern den Umbau der städtischen Wasser- und Energieinfrastruktur hin zu klimaresilienten Systemen. Um dabei dem Primat der Versorgungssicherheit Rechnung zu tragen, wird in der Infrastrukturpolitik und -planung auf steigende Spitzenlasten herkömmlich mit einem kapitalintensiven Ausbau der technischen Anlagen und Netze reagiert. Als Alternative ist ein Paradigmenwechsel hin zu mehr Flexibilität Mit Flexibilität zu resilienten Infrastrukturen? Wie digitale Anwendungen, Nudges und Blockchain die Klimaresilienz von Infrastrukturen verbessern können Flexibilität, Sektorkopplung, Blockchain, Digitalisierung, Nudges, Klimaresilienz Özgür Yildiz, Till Ansmann Die Flexibilisierung des Infrastruktur- und Ressourceneinsatzes zur Stärkung der Klimaresilienz von Versorgungsinfrastrukturen verspricht zum einen ökonomische Vorteile. Zum anderen wird die Rolle von Verbrauchern neu gedacht und ihre Handlungskapazitäten gesteigert, indem sie für die Probleme des Klimawandels sensibilisiert und bei der Behebung von Versorgungsengpässen eingebunden werden. Digitale Anwendungen, die Blockchain-Technologie und moderne verhaltensökonomische Ansätze wie Nudges sind dabei ein wichtiges Element, um vorliegende Flexibilitätspotenziale zu aktivieren. © pixabay THEMA Die intelligente Stadt 37 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES möglich. Kernidee ist dabei, den Infrastruktur- und Ressourceneinsatz durch Eingriffe in bestehende operative Prozesse und das Konsumverhalten zu flexibilisieren und hierdurch auf starke Fluktuationen und Netzbelastungen zu reagieren. Der Stromsektor nimmt seit einigen Jahren eine Vorreiterrolle im flexiblen Umgang mit Starken Lastschwankungen und der Spitzenlastproblematik ein. Unter den Schlagworten des „Smart Grid“ und „regionaler Smart Markets“ soll der schrittweise Wandel hin zur kommunikativen Vernetzung und Steuerung von Stromerzeugern und -verbrauchern (Netzkunden) auf regionaler Ebene vollzogen werden. Ziel ist es, eine so genannte „gelbe Phase“ als operatives Substitut zum kapitalintensiven Netzausbau einzurichten [1]. In der gelben Phase stellen Netzkunden Flexibilität in Erzeugung und im Verbrauch bereit, um mit extremen Angebots- und Nachfragespitzen, die beispielsweise aus wetterbedingten Extremsituationen wie Starkregen, Sturm oder Hitze- und Dürreperioden resultieren, besser umgehen zu können. Durch das Zusammenspiel von technischen Elementen und operativen Anpassungen auf der Betreiberseite und adaptiertem Verhalten der Netzkunden kann der Normalbetrieb der Bestandsinfrastruktur ausgeweitet und dadurch die Systemstabilität unter zunehmenden Lastspitzen gestützt werden. Zudem ermöglicht die Verbesserung der Flexibilität, Infrastrukturen wirtschaftlich effizienter zu betreiben, da Investitions- und Transformationskosten vergleichsweise gering sind, so dass Akteure im Stromsektor nicht nur die Systemsicherheit als Anreiz haben, sondern auch aus ökonomischen Gründen zum Wandel animiert werden [2]. In anderen Bereichen der städtischen Infrastrukturversorgung sind Ansätze der Flexibilisierung des Infrastruktur- und Ressourceneinsatzes aktuell im Anfangsstadium. Somit ist es Aufgabe, vom Stromsektor für andere leitungsgebundene Infrastrukturen zu lernen. Flexibilität im Bewirtschaftungsprozess wird dabei vornehmlich unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit diskutiert. Die Potenziale von Flexibilität im Infrastruktur- und Ressourceneinsatz für einen besseren Umgang mit den Folgen des Klimawandels finden sich in der Debatte bislang nicht wieder. Dieser Beitrag wird im Folgenden skizzieren, wie durch moderne Kommunikationsansätze, alternative Verhaltenssteuerungsansätze bei Netzkunden sowie operative Eingriffe auf der Betreiberebene die Flexibilität der leitungsgebundenen Infrastruktursysteme von Wasser, Abwasser, Strom und Wärme hin zu klimaresilienteren Systemen erhöht werden kann. Moderne Ansätze der Kommunikation zwischen Betreibern und Verbrauchern Der Informationsfluss, dem Menschen in ihrem Alltag ausgesetzt sind, hat sich durch die Entwicklung digitaler Technologien und Kommunikationsmöglichkeiten erheblich erhöht. Auf der anderen Seite schränken kognitive und attentive Grenzen die Informationsverarbeitung ein. Folglich bedarf es eines tiefen Verständnisses des Prozesses der menschlichen Informationsverarbeitung und darauf abgestimmten Kommunikationsformen, um Inhalte erfolgreich zu übermitteln [3]. Für das Ziel, flexibles Verhalten der Netzkunden bei Extremwetter zu realisieren, bieten sich digitale Kommunikationskanäle wie Apps, E-Mails oder Social Media aufgrund der hohen Informationsgeschwindigkeit sowie möglicher Multiplikationseffekte besonders an. Ein Weg um dabei die Aufmerksamkeit für übermittelte Informationen zu erhöhen, ist die Personalisierung der Inhalte. Sie schafft Aufmerksamkeit und kann hierdurch Verhaltensänderungen initiieren [4]. Anwendungen aus der digitalen Welt wie Big Data ermöglichen ein großes Spektrum an Datengewinnung und -verarbeitung, um Informationen über ein Individuum oder dessen Umgebung zu gewinnen und diese beispielsweise bei Starkregenereignissen oder Hitze- und Dürreperioden für die gezielte, wirkungsvolle Ansprache zu verwenden. Im Bereich des Nutzerverhaltens bei Strom gibt es bereits Ansätze, die über personalisierte Informationen und Benachrichtigungen versuchen, das Verhalten des einzelnen Netznutzers zu beeinflussen. Ein Beispiel für einen analogen Ansatz ist der im Zuge der Verbrauchsabrechnung oftmals beigefügte Abgleich des eigenen Verbrauchs mit dem Verbrauch von Haushalten vergleichbarer Größe. Ein digitales Fallbeispiel sind Smartphone-Apps, die gekoppelt mit einem Smart-Meter den Verbrauch in einem Haushalt gerätegenau darstellen. Diese Ansätze gilt es im Hinblick auf die Verbesserung der Flexibilität des Netzkunden unter Extremwetterereignissen auch in anderen leitungsgebundenen Sektoren weiterzuentwickeln, in dem zum Beispiel erläutert wird, ob eine Person besonders viel Strom, Wasser oder Wärme in Zeiten geringer Produktion verbraucht und somit zur Verstärkung etwaiger Probleme in der Versorgung (geringfügig) beiträgt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass durch den Einsatz visueller Techniken die Personalisierung zusätzlich verbessert werden kann. Die einfachste Form visueller Personalisierung sind Bilder, die abstrakte Konsequenzen von Entscheidungen sichtbar machen. Bilder helfen, dass Individuen sich der Konsequenzen ihrer Entscheidungen bewusst werden 38 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Die intelligente Stadt und erhöhen somit die Wahrscheinlichkeit einer Verhaltensanpassung. So könnte einem Netzkunden, der sich unter Extremwettersituationen nicht systemkonform verhält, über Bilder ein Ausblick auf einen Systemausfall vermittelt werden. Eine Weiterentwicklung dieses Ansatzes stellen personalisierte Videos dar, die kompakt und zielgerichtet die Informationen vermitteln. Hier gibt es ebenfalls erste Versorgungsunternehmen, die mit personalisierten Videos experimentieren. Nudges als Steuerungsinstrument zur Aktivierung von Flexibilitäten Informationen sind ein zentraler Baustein, um flexibles Verhalten beim Netzkunden anzuregen. Ein weiteres Instrument, das in diesem Zusammenhang regelmäßig diskutiert wird, sind dynamische Tarife, die den Verbrauch von Strom, Wärme oder Wasser in Zeiten großer Netzbelastung aufgrund von extremen Wetterereignissen höher bepreisen, um systemunterstützendes Verhalten zu fördern. Neben Informationen und ökonomischen Anreizen kann flexibles Netzkundenverhalten bei Extremwettereignissen ebenfalls durch sogenannte Nudges erreicht werden. Bei Nudges handelt es sich um Eingriffe in die Gestaltung und Präsentation der Rahmenbedingungen für Entscheidungen („Choice Architecture“), die das Verhalten von Individuen in vorhersagbarer Weise beeinflussen können. Im Gegensatz zu einer Informationsdarbietung oder dem Einsatz eines monetären Anreizes, die beide jeweils hauptsächlich auf Entscheidungen im Zuge eines bewussten Reflexionsprozesses abzielen, adressiert ein Nudge intuitive Entscheidungen und Handlungen bzw. setzt im intuitiven Bereich einen Reiz für das Einleiten eines bewussten Reflexionsprozesses. Wichtig ist dabei immer, dass die Auswahlmöglichkeiten und die Entscheidungsfreiheiten von Individuen nicht beschränkt werden [5]. Ein bekanntes Beispiel für einen Nudge im Alltag ist das Modell eines Fußballtores oder eine aufgezeichnete Fliege im Pissoir, um die Hygiene zu verbessern. Der Einsatz von Nudges in Ergänzung zur Informationsdarbietung und anderen Maßnahmen ist insofern von Bedeutung, als dass viele Entscheidungen und Handlungen im alltäglichen Umgang mit Wasser und Energie eher intuitiv und unbewusst geschehen. Beispiele für den konkreten Einsatz von Nudges, um unter Extremwetterereignissen Flexibilitätspotenziale auf der Verbraucherseite zu generieren und für die Verbesserung der Resilienz von Infrastrukturen einzusetzen, könnten darin bestehen, atmosphärische Aspekte (zum Beispiel Beleuchtung und die Farbe von (Haushalts-)Geräten), sensorische Eigenschaften, die visuelle Erscheinung oder funktionelle Aspekte einer Umgebung oder eines Produkts zu ändern. Smarte Waschmaschinen könnten bei Belastungen wie Starkregen automatisch ein rotes (Warn-)Signal im Display einschalten, um über das atmosphärisch-visuelle Signal der Farbe Rot einen intuitiven Reiz zu setzen, die Waschmaschine nicht zum Zeitpunkt von Starkregen zu bedienen und hierdurch systemfreundliches Nutzerverhalten zu fördern. Sektorkopplung und Blockchain als Lösung für mehr operative Flexibilität? Das Bewusstsein für Wechselwirkungen und die stärkere Verzahnung zwischen den Sektoren Strom, Wärme und Wasser nimmt stetig zu. Die Vielfalt neuer technologischer Optionen führt dazu, dass Ansätze der Sektorkopplung zur Diversifizierung der netzgebundenen Versorgungsdienstleistungen und Erhöhung der Wirtschaftlichkeit eine immer größere Rolle spielen. Ein Beispiel an der Schnittstelle zwischen den Sektoren Strom und Wärme für integrale und systemübergreifende Ansätze ist unter anderem die Flexibilisierung von Stromerzeugung und -verbrauch durch den bedarfsgerechten Einsatz von KWK-Anlagen oder den lastabhängigen Betrieb von Wärmepumpen [6]. Auch an der Schnittstelle zwischen (Ab-)Wasser und Strom werden durch die Implementierung von intelligenten Steuerungen Bewirtschaftungsprozesse in beiden Sektoren miteinander verknüpft. Operative Ansätze auf der Kläranlage sind unter anderem der flexiblere Betrieb von Blockheizkraftwerken in Interaktion mit verschiedenen Energiespeichern der Klärschlammbehandlung wie Rohschlamm-, Substrat- und Faulgasspeicher [7]. Beide Beispiele werden hauptsächlich von ökonomischen Motiven getrieben, können jedoch bei Der Verbrauch im Haushalt lässt sich gerätegenau darstellen und flexibel anpassen. © pixabay THEMA Die intelligente Stadt 39 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES Gefährdung der Versorgungssicherheit durch Extremwetter auch zur Systemstabilisierung eingeplant und zielgerichtet verwendet werden. Im Zuge der stetig wachsenden Ansätze zur Vernetzung von vormals sektoralen Bewirtschaftungsprozessen bedarf es weiterer Konzepte, die die Informationsübermittlung und Transaktionsabwicklung sicher gewährleisten. Die Blockchain-Technologie vermittelt genau dieses Versprechen, indem es als eine Art digitale Datenbank, deren identische Datensätze dezentral bei verschiedenen Netzwerkteilnehmern hinterlegt sind, sicherstellt, dass Netzwerkaktivitäten wie zum Beispiel Transaktionen zwischen Netzwerkteilnehmern mit einem Höchstmaß an (Daten-)Sicherheit dokumentiert und ohne die Möglichkeit manipulativer Eingriffe von Außen ausgeführt werden können [8]. Die Blockchain-Technologie ermöglicht es für den erforderlichen Umbau der urbanen Versorgungsinfrastrukturen hin zu mehr Klimaresilienz, dass Großverbraucher und Haushalte immer stärker in die Rolle eines Bereitstellers von Flexibilitätskapazitäten rücken können. Hierfür bietet sich erneut der Stromsektor als Ausgangspunkt an. Durch die aktive Teilnahme am Marktgeschehen von Netzkunden über kleinteilige Transaktionen können mittels der Blockchain-Technologie entweder im wetterbedingten Bedarfsfall die Lastspitzen im Netz ausgeglichen oder die Allokation von Flexibilitäten jeder Größe, zum Beispiel für den Handel an den kurzfristigen Stromhandelsmärkten der EPEX oder für den Regelenergiemarkt der Übertragungsnetzbetreiber, effizient organisiert werden. Die Blockchain-Technologie ist dabei das Medium, das den direkten Handel von Flexibilität zwischen Marktakteuren über Smart Contracts automatisch abwickelt [9]. Fazit Abschließend bleibt festzuhalten, dass die vielseitige Verwertbarkeit von Flexibilität ein entscheidender Vorteil ist, um Themen wie Klimaresilienz in der Praxis, insbesondere bei Betreibern von leitungsgebundenen Versorgungsinfrastrukturen, auf die Agenda zu setzen. Die Kernbotschaft ist dabei, dass in Anbetracht der Herausforderungen durch den Klimawandel mit immer häufiger auftretenden Extremwetterereignissen zukünftig der Zeitpunkt des Infrastruktur- und Ressourceneinsatzes entscheidender für eine effiziente und ressourcenschonende Infrastrukturversorgung ist als die bloße Menge, die eingespeist oder verbraucht wird. Die übergeordnete Zielstellung für die Zukunft könnte lauten, die „gelbe Phase“ aus energiewirtschaftlichen Ampelkonzepten für die leitungsgebundene Infrastrukturversorgung als Ganzes zu denken und intersektoral auszugestalten, um zentrale Themen für die Modernisierung der Infrastrukturen anzuschieben. LITERATUR [1] BDEW - Bundesverband der Energieund. Wasserwirtschaft e. V.: Smart Grids Ampelkonzept - Ausgestaltung der gelben Phase. BDEW, Berlin, 2015. [2] Ecofys und Fraunhofer IWES: Smart-Market-Design in deutschen Verteilnetzen. Studie im Auftrag von Agora Energiewende. Agora Energiewende, Berlin, 2017. [3] Thesmann, S.: Menschliche Informationsverarbeitung. In: Thesmann, S. [Hrsg.]: Interface Design. Springer Fachmedien, Wiesbaden, (2016), S. 13-41. [4] Cordova, D. I., Lepper, M. R.: Intrinsic motivation and the process of learning: Beneficial effects of contextualization, personalization, and choice. In: Journal of educational psychology, 88(4), (1996) S. 715-730. [5] Michalek, G., Meran, G., Schwarze, R., Yildiz, Ö.: Nudging as a new „soft“ tool in environmental policy. An analysis based on insights from cognitive and social psychology. In: Zeitschrift für Umweltpolitik & Umweltrecht (ZfU), 39(2-3), (2016) S.169-207. [6] Berlo, K., Wagner, O.: Wärmewende in den Städten des Ruhrgebietes: wie Stadtwerke die Sektoren Strom, Wärme und Gas verbinden können. In: Transforming Cities, 2 (2), (2017) S. 43-47. [7] Ansmann, T. et al.: Kläranlagen im Spannungsfeld der Energiewirtschaft - Analysen | Ergebnisse | Impulse. ERWAS-Verbundprojekt ESiTI, Darmstadt/ Berlin, 2017. [8] Schlatt, V., Schweizer, A., Urbach, N, & Fridgen, G.: Blockchain: Grundlagen, Anwendungen und Potenziale. Projektgruppe Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik (FIT), Bayreuth, 2016. [9] INEWI: Blockchain in der Energiewirtschaft - Potenziale für Energieversorger. BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V., Berlin, 2017. AUTOREN Dr. Özgür Yildiz Projektmanager und Postdoktorand inter 3 Institut für Ressourcenmanagement Kontakt: yildiz@inter3.de Dr. Till Ansmann Prokurist und Projektmanager inter 3 Institut für Ressourcenmanagement Kontakt: ansmann@inter3.de 40 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Die intelligente Stadt Steuerungsmodell für eine klimaresiliente Smart City Planung und Entwicklung klimaresilienter Städte mit Hilfe sozio-technischer, smarter Instrumente Resilienz, Steuerungsmodell, Klimafolgenanpassung, Stadtverwaltung, Ko-Kreation Veronika Zettl, Natalie Pfau-Weller Die Steigerung der Resilienz einer Stadt gegenüber klimatischen Veränderungen durch geeignete Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen stellt für viele Kommunen eine große Herausforderung dar. Im Forschungsprojekt SMARTilience wird deshalb ein Steuerungsmodell für die klimaresiliente Stadtentwicklung als Prototyp entwickelt und in den Reallaboren Halle (Saale) (Bild 1) und Mannheim (Bild 2) umgesetzt, das Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen integriert, ressortübergreifend angelegt ist und sozio-technische, smarte Tools einsetzt, um Hürden in der Stadtplanung und -entwicklung zu überwinden. SMARTilience wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Bild 1: Marktplatz Halle. © Stadt Halle (Saale), Pressestelle THEMA Die intelligente Stadt 41 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES Die Folgen des Klimawandels stellen eine große gesellschaftliche und volkswirtschaftliche Herausforderung dar und insbesondere in Städten, in denen bereits heute der Großteil der Weltbevölkerung lebt, steigt der Veränderungsdruck: Hitzeinseln und drückende Luft in dicht bebauten Straßenzügen belasten die Gesundheit der Bewohnerinnen und Bewohner und mindern die Attraktivität und den Lebenswert einer Stadt; Extremwetterereignisse wie Starkniederschläge oder Stürme gefährden Leben und wirtschaftliche Werte und können erhebliche Kosten verursachen [1]. Die verheerenden Pfingstunwetter 2016 in Deutschland und die atlantischen Hurrikane Harvey und Irma 2017 haben das Schadenspotenzial von Extremwetterereignissen dramatisch belegt. Bedingt durch den Klimawandel ist in den kommenden Jahrzehnten mit einer Zunahme solcher extremeren Wetterereignisse zu rechnen. Smarte Städte reagieren bereits heute auf die Herausforderungen von morgen. Klimaresilienz in Städten: ein steiniger Weg Um die Resilienz einer Stadt gegenüber klimatischen Veränderungen zu erhöhen, gewinnen Maßnahmen des Klimaschutzes und der Klimaanpassung zunehmend an Bedeutung. Manche deutsche Städte und Gemeinden gehen den Klimaschutz bereits aktiv an und haben beispielsweise Stellen für die Klimaschutzkoordination eingerichtet, die Bedarfe identifizieren, adäquate Maßnahmen ableiten und ressortübergreifend umsetzen sollen. Doch im Prozess ergeben sich zahlreiche Hürden:  Zwischen Klimaschutz und Klimaanpassung bestehen teils Zielkonflikte, die sich zum Beispiel bei der Nutzung von Flächen für konkurrierende Maßnahmen des Hochwasserschutzes und der Gewinnung von regenerativen Energien für Elektromobilität zeigen.  Im Klimaschutz und in der Klimaanpassung greift eine Vielzahl von Rahmenbedingungen. Bei der Fülle an Handlungsempfehlungen und Vorgaben wissen Kommunen oftmals nicht, welche der Maßnahmen für die jeweils individuellen Bedarfe passend sind und wie diese umgesetzt werden können [2].  Es fehlt an Erfahrungs- und Wissensaustausch innerhalb und zwischen den Kommunen.  Die Komplexität des politischen Systems einer Stadt, in dem eine Vielzahl von Akteuren auf unterschiedlichen Handlungsebenen (Stichwort: Multilevel-Governance) und mit teils unterschiedlichen Interessen mitwirkt, führt zu mitunter langwierigen Planungs- und Entscheidungsprozessen [3].  Die Arbeit in Stadtverwaltungen ist oftmals stark vom Denken in Ressortstrukturen geprägt. Dies erschwert die Planung und Umsetzung integrierter Maßnahmen des Klimaschutzes und der Klimaanpassung, welche die Fachbereiche für Umwelt, Verkehr, Infrastruktur, Katastrophenschutz und Sicherheit, Stadtplanung oder andere betreffen können. Teilweise konkurrieren die Zielvorgaben der einzelnen Ressorts, es fehlt an Ressourcen für die ressortübergreifende, projektbezogene Zusammenarbeit oder an etablierten Prozessen innerhalb und außerhalb der Stadtverwaltung. Auch Klimaschutzkoordinatorinnen und -koordinatoren stoßen dabei an Grenzen.  Die Anpassungsbedarfe in den deutschen Kommunen liegen laut einem Hintergrundpapier zur Klimaökonomie bei jährlich circa 2,5 bis 6 Mrd. Euro [4]. Die angespannte finanzielle Lage deutscher Kommunen erschwert derartige Investitionen in Klimaschutz und Klimaanpassung. SMARTilience schafft Abhilfe: sozio-technische, smarte Tools zur Überwindung der Hürden Im Forschungsprojekt SMARTilience, das vom Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement (IAT) der Universität Stuttgart geleitet wird und dessen Definitionsphase seit Mai 2017 läuft, soll gemeinsam mit den Partnern Drees & Sommer, Malik und HafenCity Universität Hamburg sowie den Städtepartnern Halle (Saale) und Mannheim ein Steuerungsmodell für die klimaresiliente Stadtentwicklung konzipiert und in den Reallaboren erprobt werden. Ziel ist es, die kommunalen Entscheidungs- und Handlungsträger beim effizienten Klimahandeln zu unterstützen und ihnen Instrumente zur Verfügung zu stellen, die bei der Überwindung der genannten Hürden helfen. SMARTilience setzt dabei in dreierlei Hinsicht auf smarte, sozio-technische Instrumente: 1. Ressortübergreifende, systematische Nutzung von Geodaten: Die Geodaten deutscher Kommunen stellen große Potenziale dar, die noch nicht umfassend (für die Klimaanpassung) genutzt werden [5]. In SMARTilience werden Instrumente für die datengestützte Steuerung, Planung und Umsetzung von Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen entwickelt und angewendet, die an diesem Potenzial ansetzen. So werden die vorhandenen Daten in den Reallaboren analysiert, ressortübergreifende Synergien und Einspareffekte aufgedeckt, Optimierungspotenziale für Datenbestände identifiziert 42 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Die intelligente Stadt wird deshalb zunächst das vorhandene Wissen aus Forschung und Praxis zu Klimaresilienz in Städten systematisiert und der Öffentlichkeit über eine open-access-Plattform zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus wird im Projekt der Ansatz des Peer-to-Peer-Learning verfolgt und als Instrument für das sozio-technische Steuerungsmodell weiterentwickelt. SMARTilience baut dabei auf einem Methodenset auf, das bereits in anderen Smart City- Projekten und in den Partnerstädten erprobt wurde. Der Entwicklungsstand der Projektarbeiten in den Reallaboren und die spezifischen Herausforderungen und Risiken werden in drei Zyklen mit einem entsprechenden Befragungsinstrument erhoben. Die identifizierten, zwischen den Städten geteilten Herausforderungen und Risiken werden dann in einem Peer-to-Peer-Workshop aufgegriffen und in einem moderierten Prozess ko-kreativ und ggf. durch Impulse externer Expertinnen und Experten bearbeitet. Um das Verständnis füreinander und für die spezifischen Herausforderungen und Vorgehensweisen in den Reallaboren zu erhöhen, werden die Lernformate Studying, Mentoring und Shadowing vor Ort in den Reallaboren durchgeführt. und anwenderzentrierte Datennutzungsstrategien entwickelt. Diese werden dann in entsprechende Klimaresilienz-Konzepte integriert. Basierend auf Geoinformationsdaten werden Maßnahmen priorisiert und ihre Umsetzung vorbereitet. Darüber hinaus werden Betroffenheiten, Bedarfe und Anpassungspotenziale für die Kommunikation innerhalb und außerhalb der Kommunalverwaltung visualisiert. 2. Innovative Methoden für den systematischen Wissensaustausch Eine große Herausforderung bei Stadtentwicklungsvorhaben ist der fehlende Austausch von Erfahrung und Wissen zwischen Kommunen. In SMARTilience „Ziel ist es, die ressortübergreifend vorhandenen Geodatenbestände systematisch zu nutzen, um die Umsetzung kommunaler Konzepte für Klimaschutz und Klimaanpassung zu fördern. Durch die Visualisierung der Daten und Strategien kann die Kommunikation nicht nur zwischen Ressorts, sondern auch gegenüber der Öffentlichkeit entscheidend verbessert werden“, so Alyssa Weskamp, Projektleiterin für Drees & Sommer in SMARTilience. VISUALISIERUNG Bild 2: Mannheimer Wasserturm. © Stadt Mannheim THEMA Die intelligente Stadt 43 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES 3. Ko-Kreation von Klimaresilienz-Strategien in Städten durch Syntegration Um die verschiedenen Akteure und Ressorts in den Städten und Gemeinden von Anfang an in Stadtplanungs- und Stadtentwicklungsvorhaben für mehr Klimaresilienz einzubinden und Wissenssilos zu überwinden, wird in SMARTilience das Syntegrationsverfahren ® des Partners Malik Institut eingesetzt. In einem dreieinhalbtägigen Großgruppen-Workshop bringen rund 40 Personen, die die verschiedenen Akteurs- und Anspruchsgruppen vertreten, ihr Wissen zusammen, definieren gemeinschaftlich die zu bearbeitenden Themen, identifizieren Schlüsselherausforderungen, erarbeiten ko-kreativ neue Lösungen und leiten eine ressortübergreifende Klimaresilienz-Strategie ab. Malik begleitet, moderiert und unterstützt den Kommunikationsprozess und erarbeitet Diagnosen zu einer Governance, die der wirksamen Umsetzung der erarbeiten Strategie dienen. Durch die zielgerichtete Synthese des Wissens aller beteiligten Akteure können neue, umsetzungsbereite Lösungen erarbeitet werden. Zudem hilft das Syntegrationsverfahren ® den Städten dabei, politische Barrieren zu überwinden und durch Beteiligung Verbindlichkeit und Zusammenarbeit zu fördern. Integration der Tools in die Urban Governance Toolbox für klimaresilientes Handeln Die sozio-technischen „smarten“ Tools sollen in den SMARTilience-Reallaboren Halle (Saale) und Mannheim erprobt, entsprechend den Praxiserfahrungen und -erkenntnissen weiterentwickelt und anschließend in die sogenannte Urban Governance Toolbox integriert werden. Die Toolbox soll für Städte und Gemeinden Werkzeuge zur Verfügung stellen, die je nach Bedarf, Rahmenbedingungen und Voraussetzungen zur Steuerung von Klimaresilienz-Strategien und -Projekten eingesetzt werden können und dabei die verschiedenen Aspekte von Klimaresilienz adressiert, von der CO 2 -Vermeidung über den Umgang mit Starkregen und Hitzeinseln bis hin zu Hochwasser- und Katastrophenschutz. Die Tools sollen Entscheidungs- und Handlungsträgerinnen und -trägern in Städten und Gemeinden darin unterstützen, Maßnahmen der Klimaresilienz integriert und ressortübergreifend zu betrachten, spezifische Bedarfe sichtbar und kommunizierbar zu machen, politische Barrieren zu überwinden und so Städte und Gemeinden auf die Herausforderungen von morgen vorzubereiten. LITERATUR: [1] Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW): Klimawandel kostet die deutsche Volkswirtschaft Milliarden. DIW Wochenbericht Nr. 11/ 2007, 74. Jahrgang / 14. März 2007, Berlin. [2] Knieling, J., Roßnagel, A. (Hrsg.): Governance der Klimaanpassung: Akteure, Organisation und Instrumente für Stadt und Region. München, 2014. [3] Holzinger, K. Knill, C., Lehmkuhl, D.: Politische Steuerung im Wandel: Der Einfluss von Ideen und Problemstrukturen, Berlin, 2003. [4] Hirschfeld, J., Pissarskoi, E., Schulze, S., Stöver. J: Kosten des Klimawandels und der Anpassung an den Klimawandel aus vier Perspektiven. Impulse der deutschen Klimaökonomie zu Fragen der Kosten und Anpassung. Institut für ökologische Wirtschaftsforschung und Hamburgisches Weltwirtschaftsinstitut. Hintergrundpapier zum 1. Forum Klimaökonomie, Berlin, 2015. [5] Geodateninfrastruktur Deutschland: Geodaten vernetzen. Online einsehbar unter: http: / / www.geoportal.de/ DE/ GDI-DE/ gdi-de_artikel.html%3bjsessi onid=1EC7BDDE0FE7A7FC01D3420108885E83? lang =de (zuletzt aufgerufen im Dezember 2017). [6] Malik Management Zentrum St. Gallen GmbH: Beschreibung der Schlüsselfaktoren, die die erfolgreiche Planung und Umsetzung von Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen hemmen bzw. fördern. Ergebnis Befragung Definitionsphase SMARTilience, 2017. Agnes Schönfelder, Leiterin der Klimaschutzleitstelle und Projektleiterin in SMARTilience für Mannheim hat die Methoden im EU-Projekt CASCADE mitentwickelt und diese bereits erfolgreich eingesetzt: „Die praktischen CASCADE-Werkzeuge für gegenseitiges Lernen unterstützen Stadtverwaltungen bei der Umsetzung einer guten Governance. In SMARTilience wollen wir diese Tools für Fragen der Klimaresilienz anpassen und weiterentwickeln.“ GOVERNANCE AUTORINNEN Veronika Zettl, M.A. Wissenschaftliche Mitarbeiterin Urban Data & Resilience Fraunhofer Inst. f. Arbeitswirtschaft und Organisation, Universität Stuttgart IAT Kontakt: veronika.zettl@iat.uni-stuttgart.de Dr. Natalie Pfau-Weller Wissenschaftliche Mitarbeiterin Urban Governance Innovation Fraunhofer Inst. f. Arbeitswirtschaft und Organisation, Universität Stuttgart IAT Kontakt: natalie.pfau-weller@iat.uni-stuttgart.de 44 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Die intelligente Stadt Unsere Städte sind im Wandel. Stetig steigende Bevölkerungszahlen, sowie steigende Anforderungen an Klimaschutz und Ressourceneinsparung setzen Stadtverwaltungen und Energieversorger zunehmend unter Druck, unsere Energieversorgung nachhaltig zu gestalten. Immer mehr Kommunen setzen sich eigene Ziele für den Klimaschutz. So hat zum Beispiel die Stadt Salzburg beschlossen, bis 2050 klimaneutral, energieautonom und nachhaltig zu werden. Dabei sollen die Sektoren Strom, Wärme und Verkehr einbezogen werden. Der weitgehend in der Wissenschaft und der Politik anerkannte Lösungsansatz für eine klimafreundliche Energiever- Räumliche Energieplanung in Städten und Kommunen Räumliche Energieplanung, integrierte Wärmeplanung, räumliche Modellierung Franz Mauthner, Ingo Leusbrock, Richard Heimrath, Peter Nageler, Markus Biberacher, Ingrid Schardinger Städte und Energiesysteme entwickeln sich rasant. Um das urbane Wohnen und die Energieversorgung von morgen zu gestalten, müssen Energiesysteme ganzheitlich über alle Sektoren betrachtet werden. Für eine ressourcenschonende und ausfallsichere Energieversorgung ist es wesentlich, dass diese auch in der räumlichen Entwicklung der Stadt einen adäquaten Platz hat. Im Projekt EnergyCityConcepts zeigt sich, wie neue, angepasste Planungstools dabei helfen können. sorgung liegt in einer Kombination aus Steigerung der Energieeffizienz und dem Einsatz erneuerbarer Energieträger. Dabei hat sich gezeigt, dass meist keine einzelne Technologie, sondern eine durchdachte Kombination mehrerer, aufeinander abgestimmter, Technologien und Energieträger zu besonders vielversprechenden Lösungen führt. Zudem sind die lokalen Rahmenbedingungen, wie die vorhandene Energieinfrastruktur, Flächennutzungen sowie die verfügbaren Energieressourcen, von derart großer Bedeutung für das Systemdesign, dass in der Regel für jeden Anwendungsfall maßgeschneiderte Lösungen entwickelt werden müssen. Dies stellt Planer 3D-Plan von Schallmoos. © iSPACE RSA THEMA Die intelligente Stadt 45 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES und Investoren energietechnischer Infrastrukturen vor große Herausforderungen, insbesondere da zukunftsfähige Energiesysteme oftmals deutlich komplexer als ihre aktuellen Gegenstücke aufgebaut sein müssen. Der steigende Anteil von dezentralen Energieerzeugern und Energiespeichern (Stichwort: Prosumer), die zeitlich schwankende Energiebereitstellung (Stichwort: Volatilität), die Organisation der Energieverteilung (Stichwörter: Lastmanagement, Virtuelles Kraftwerk, Smart Grid), sowie die geforderte Stabilität und Versorgungssicherheit (Stichwörter: Resilienz, Autarkie), sind neue Faktoren in der Planung zukünftiger Energieversorgungskonzepte. Eine deutliche Zunahme der Anforderungen an die Energiesystemplanung ist die Folge. Den Herausforderungen der zukünftigen Energieversorgung stehen in der Regel Planungswerkzeuge gegenüber, die den vielfältigen Anforderungen noch nicht gewachsen sind. Deshalb arbeitet ein Team des AEE-Instituts für nachhaltige Technologien und des Institutes für Wärmetechnik der TU Graz an der Weiterentwicklung der räumlich konkreten Modellierung, Simulation und Planung von Energiesystemen. Im September 2014 wurde das Forschungsprojekt EnergySimCity ins Leben gerufen, um eine Toolbox mit Methoden und Werkzeugen zur Modellierung komplexer urbaner Energiesysteme zu entwickeln [1]. Die modulare Toolbox EnergySimCity soll die Erstellung komplexer numerischer und räumlich differenzierter Modelle urbaner Energiesysteme ermöglichen. Im Partnerprojekt EnergyCityConcepts erfolgt nun der Praxistest für die neue Toolbox. Ziel ist es, ein nachhaltiges Energieversorgungskonzept für den Salzburger Stadtteil Schallmoos zu entwickeln und konkrete Umsetzungsstrategien in den Stadtentwicklungsvisionen zu verankern. Zu den Projektbeteiligten gehören neben der Kommune und dem Team von EnergySimCity das Salzburger Institut für Raumplanung (SIR), der Energieversorger Salzburg AG und zwei weitere Forschungsinstitute aus Salzburg (Research Studios Austria iSPACE) und Deutschland (EIFER - European Institute for Energy Research) mit Expertise in räumlicher Modellierung [2]. Im Folgenden wird der Bearbeitungsprozess in EnergyCityConcepts anhand des Beispiels Salzburg- Schallmoos erläutert. Woher kommen die Daten? Als erstes muss definiert werden, innerhalb welcher Systemgrenzen Aussagen getroffen werden sollen, für welche Energiesektoren und welche Randbedingungen dabei gelten. Im Falle von Salzburg-Schallmoos stand zum Beispiel vor allem die Energieversorgung des Gebäudesektors innerhalb der Stadtteilgrenzen im Fokus. Dann gilt es, die verfügbaren Datenquellen ausfindig zu machen. Ziel ist es, die relevanten Informationen zur Verortung und Charakterisierung bestehender Gebäude, Energieversorgungsnetze und Umwandlungsanlagen sowie lokal verfügbare Energiepotenziale (solare, biogene, geothermische, Abwärme) in einer gemeinsamen Geodatenbank zu speichern. Die Datenquellen sind vielseitig: Energieversorger können Informationen zu Netzen, Erzeugungsanlagen und Verbräuchen beisteuern. Die Kommunen selbst verfügen über Angaben zum Gebäudebestand und sonstiger kommunaler Infrastruktur (zum Beispiel Wasser, Abwasser, kommunale Energienetze) sowie zu geplanten Arealentwicklungen und konkreten Bauvorhaben. Als weitere wichtige Datenquellen dienen Statistiken sowie frei nutzbare Geodaten, beispielsweise aus dem OpenStreetMap Projekt oder aus öffentlichen Geodatenportalen des Bundes und der Länder (Bild 1). Der Beschaffungsprozess gestaltet sich oft ressourcenintensiv, da aktuelle Geometrie-, Konstruktions- und Nutzungsdaten meist lückenhaft oder gar nicht erfasst sind, oder aus Gründen des Datenschutzes oder unternehmerischer Geheimhaltung nicht verwendet werden dürfen. Daher wird in den Forschungsprojekten an einer Methode gearbeitet, die auf der Grundlage öffentlich zugänglicher Daten, statistischer Zusammenhänge und fallspezifischer Daten, Eingabedaten generiert. Schnittstellen zu Geoinformationssystemen und einschlägigen Datenbanken ermöglichen die teilautomatisierte Übernahme von Daten, auf deren Grundlage die Gebäude und die technische Infrastruktur räumlich modelliert und simuliert werden können [3]. • Verwaltungsgrenzen • Adressdaten • Orthofotos, Geländemodelle • Digitale Katastermappe • Verkehrsnetz Bund / Länder • Flächenwidmungsplan • Gebäude- und Wohnungsregister • Energieausweise, Rauchfangkehrer-DB • Bebauungsplan, Grundbuch • Gemeindeabwasserplan Kommune • Leitungsnetze (Strom, Fernwärme, Gas) • (aggregierte) Verbrauchsdaten • Energieumwandlungsanlagen • Speicher EVU‘s • OpenGovernmentData (z.B.: data.gv.at) • "freie" Geodaten (z.B.: OpenStreetMap) • Statistik Austria • Herold Firmendaten • Gutachten (z.B.: Geothermiepotentiale) Diverse Bild 1: In den Forschungsprojekten wird das Managment von Daten aus unterschiedlichen Quellen optimiert und die räumliche Modellierung mit technischer Gebäude- und Anlagensimulation verknüpft. © AEE INTEC 46 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Die intelligente Stadt Für Salzburg-Schallmoos hat das Projektteam mittlerweile auf Grundlage dieser Daten eine detaillierte Geodatenbasis der energetisch relevanten Infrastruktur (Gebäude, Netze, lokale Energieumwandlungsanlagen) sowie der lokalen Energiepotenziale (solare, biogene, Abwärme, Geothermie) erstellt. Bis auf Gebäude-Ebene aufgelöst sind darin unter anderem dargestellt: Baujahr, Bruttogeschossfläche, Sanierungsstand, Heizenergie- Bedarf, Heizenergie-Quelle, Nutzungsart, Eignung des Daches für Solarenergie (thermisch oder Photovoltaik), Verfügbarkeit von Wärmepumpen-Quellen (Abwärme, Grundwasser, Abwasser und Tiefenbohrungen), Lage in Bezug auf Wärme- und Gasnetz. Räumliche Energieplanung: Alles auf einer Karte Modernen Geoinformationssystemen (GIS) wie QGIS und ArcGIS kommt bei der räumlichen Energieplanung in Städten eine zunehmend wichtige Rolle zu. Karten sind leichter intuitiv zu verstehen als technische Pläne und Schemata. Außerdem ermöglichen heutige GI-Systeme die Organisation großer raumbezogener Datenmengen und umfassende räumlich-statistische Analysen. Im Projekt EnergyCityConcepts werden so räumlich differenzierte Erkenntnisse zu lokalen Energiebedarfen und Energiepotenzialen generiert und anschaulich in Form von digitalen Karten (Bilder 2 bis 4) und als Webservice dargestellt. Für detailliertere Planungen auf Ebene von Gebäuden oder Arealen werden die räumlichen Modelle in weiterer Folge mit physikalischen Modellen zur dynamischen Gebäude- und Anlagensimulation gekoppelt [4]. Am konkreten Beispiel Salzburg- Schallmoos wurde der Gebäudebestand technisch so weit charakterisiert, dass über eine GIS-Schnittstelle zur Simulationsumgebung IDA ICE eine dynamische Gebäudesimulation automatisiert für den gesamten Stadtteil durchgeführt werden konnte. Als Ergebnis der dynamischen Gebäudesimulation stehen alle relevanten Energie- und Massenströme in der gesamten Energiebereitstellungskette als Zeitreihen und räumlich aufgelöst zur Verfügung. Die zeitliche Auflösung richtet sich nach dem Anwendungsfall und liegt in der Regel zwischen einer Minute und einer Stunde. Die detaillierten Ergebnisse werden in einer Projektdatenbank abgelegt und zeitlich und räumlich aggregiert in der Form von Diagrammen, Tabellen oder wiederum als Karten verfügbar gemacht. Eine weitere wichtige Funktion von EnergySim- City besteht darin, die Auswirkungen zukünftiger Planungen (Neubau, Sanierungsszenarien, Umwidmungen, Umstellung der Energieversorgung) zu untersuchen und zu interpretieren. Hierzu wird an einem Workflow gearbeitet der es ermöglicht, unterschiedliche Stadtentwicklungsszenarien im räumlichen Modell zu definieren, die im Anschluss wiederum dynamisch mittels IDA ICE für den gesamten Stadtteil simuliert werden. Auf diesem Weg wird in Salzburg-Schallmoos untersucht, wie sich geplante Sanierungen von Gebäuden und Heizungssystemen sowie Nutzungsänderungen und Neubauten auf die Energieversorgung und die CO 2 - Bilanz auswirken. Bild 2a Bild 2b Bilder 2 a - c: Energiedichtekarten (Heatmaps) des Stadtteils Salzburg-Schallmoos für Wärme (2a), Kälte (2b) und Strom (2c) aus dem Projekt EnergyCityConcepts. Im Wärmebedarf sind Warmwasser und Raumwärme (keine Prozesswärme) enthalten. © Salzburg AG, Land Salzburg, iSPACE RSA; Bearbeitung: F. Langhammer & I. Schardinger, Salzburg, 9.5.2017 THEMA Die intelligente Stadt 47 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES Ergebnisse sind Grundlage für weitere Planung Die übersichtliche und klare Kommunikation der Simulationsergebnisse ist für Investoren, Stadtplaner und Energieversorger eine wichtige Entscheidungs- und Planungsgrundlage. Konkrete Ergebnisdarstellungen aus der räumlichen Modellierung umfassen beispielsweise Energiedichtekarten, sogenannte Heatmaps (Bilder 2a bis 2c), Eignungsgebiete für Fernwärmeversorgung, Wärmepumpen (Bild 3) oder Solarthermie und PV-Anlagen oder 3-D Visualisierungen zu zukünftigen Stadtteilentwicklungen (Bild 4). Mittels interaktiver Webservices sind die Ergebnisse jederzeit abrufbar. Aus den Ergebnissen lassen sich wichtige Erkenntnisse für Sanierungspläne oder für die langfristige Stadtplanung ableiten: So sind in Salzburg- Schallmoos derzeit zum Beispiel etwa in einem Zehntel der Gebäude Ölheizungen installiert. Diese stehen nun im Fokus zukünftiger Modernisierungen und werden nach und nach durch umweltfreundlichere Heizungssysteme ersetzt. In der räumlichen Modellierung lassen sich Kriterien kombinieren, um für jedes Gebäude das beste neue Heizsystem zu identifizieren oder um Fahrpläne für die Sanierung inklusive Empfehlungen zur Qualität der Gebäudehülle abzuleiten. Zum Beispiel kann man die Verfügbarkeit von Wärmepumpen-Quellen mit dem Wärmebedarf für Wärme < 60 °C zusammenführen. Wo die beiden Faktoren räumlich zusammentreffen, ist die Nutzung einer Wärmepumpe besonders sinnvoll (Bild 4). Wo hohe Wärmeverbrauchsdichte, eine Häufung alter Heizkessel und die Nähe zu einer Fernwärme-Leitung zusammentreffen, bietet sich dagegen ein Vorranggebiet für die Fernwärme-Versorgung an. Planer können zukünftig die räumliche Eignung einer Energieversorgungsoption mit weiteren Kriterien wie Nachhaltigkeit oder Kosten kombinieren und so Entscheidungen für ein geeignetes Heizungssystem oder der Gebäudequalität im Falle einer Sanierung oder eines Neubaus treffen. Bild 4: 3D-Visualisierung des Untersuchungsgebietes mit Darstellung der Nachverdichtungsareale in grün. Zukünftige Planungen können in den räumlichen Modellen und Simulationen berücksichtigt werden. © TU Graz - Inst. für Wärmetechnik (P. Nageler) Bild 2c Bild 3 Bild 3: Wärmenachfragedichte, Vorlauftemperatur bis 60 °C, für Salzburg-Schallmoos . © Salzburg AG, Land Salzburg, iSPACE RSA; Bearbeitung: I. Schardinger, Salzburg, 19.10.2017 48 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Die intelligente Stadt Ausblick Die Ergebnisse der räumlichen Bestandsanalyse sowie die Erkenntnisse aus den Entwicklungsszenarien sollen Bestandteil energieraumplanerischer Vorgaben im Entwicklungskonzept der Stadt Salzburg werden und in konkrete Umsetzungsfahrpläne münden. Lokale Akteure der Stadt treiben den erforderlichen organisatorischen Rahmen, geeignete Strukturen für Entscheidungsfindungsprozesse und die Finanzierung voran. Das Ziel von avisierten Folgeprojekten ist es, relevante Aspekte räumlicher Energieplanung in den rechtlich verbindlichen Instrumenten der örtlichen Raum- und Städteplanung konkret zu verankern. Parallel sollen Standards für die Erstellung von GISbasierten Wärme- und Potenzialkarten definiert werden, damit diese an die öffentliche Geodateninfrastruktur („Open Government Data“) und an die jeweils geeignete Verwaltungsebene (Stadt, Bundesland, Bund) andocken können. QUELLEN [1] „EnergySimCity - Ganzheitliche Analyse und Simulation von Energiesystemen und Ressourcenverbünden in Städten und Stadtquartieren“ wird im Rahmen des renommierten Programmes „Research Studio Austria“ vom Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW) gefördert. Das Projekt läuft von 2014 bis 2018 und hat bereits die Zwischenevaluierung durch ein internationales Expertengremium erfolgreich absolviert. FFG Projektnummer 844732 [2] Die Untersuchungen am Stadtteil Salzburg-Schallmoos erfolgen im Rahmen des Forschungsprojektes „EnergyCityConcepts - Methoden- und Konzeptentwicklung zur Implementierung nachhaltiger Energiesysteme in Städten am Beispiel von Gleisdorf und Salzburg. Das Projekt läuft von Februar 2016 bis Februar 2019 und wird vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (bmvit) gefördert. FFG Projektnummer 850129 [3] Mauthner, F. et al., 2017: Holistic urban energy planning in spatial and temporal resolution - Workflow coupling spatial modeling with dynamic building simulation. Oral presentation. 3rd International Conference on Smart Energy Systems and 4th Generation District Heating, September 2017, Copenhagen, Denmark. http: / / www.4dh.eu/ images/ 3-_Franz_Mauthner.pdf [4] Nageler, P., Zahrer., G., Heimrath, R., Mach, T,. Mauthner, F., Leusbrock, I., Schranzhofer, H., Hochenauer, C.: Novel validated method for GIS based automated dynamic urban building energy simulations, peerreviewed, International Journal Energy 139 (2017) p. 142 - 154. Dipl.-Ing. Franz Mauthner Projektleiter EnergyCityConcepts Arbeitsgruppe „Netzgebundene Energieversorgung und Systemanalysen“ AEE - Institut für Nachhaltige Technologien Kontakt: f.mauthner@aee.at Dr. Dipl.-Ing. Ingo Leusbrock Gruppenleiter Netzgebundene Energieversorgung u. Systemanalysen AEE - Institut für Nachhaltige Technologien Kontakt: i.leusbrock@aee.at Dr. techn. Dipl.-Ing. Richard Heimrath Senior Scientist Institut für Wärmetechnik der TU Graz Arbeitsgruppe Energieeffiziente Gebäude Kontakt: heimrath@tugraz.at Dipl.-Ing. Peter Nageler Wissenschaftlicher Mitarbeiter Institut für Wärmetechnik der TU Graz Arbeitsgruppe Energieeffiziente Gebäude Kontakt: peter.nageler@tugraz.at Dr. Dipl.-Phys. Markus Biberacher Arbeitsgruppenleiter iSPACE, Research Studios Austria Räumliche diskrete Energiesystemmodellierung Kontakt: markus.biberacher@researchstudio.at Dr. Ingrid Schardinger Researcher iSPACE, Research Studios Austria FG Räumliche diskrete Energiesystemmodellierung Kontakt: ingrid.schardinger@researchstudio.at AUTOR I NNEN THEMA Die intelligente Stadt 49 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES Digitale, smarte Städte? Oder emotionale Städte? ! Was macht Städte smart? Schadet dieser Begriff, der sehr industriegeprägt ist, nicht der digitalen Transformation von Städten, Stadtplanung und der Art und Weise, wie Menschen Städte nutzen? Ist die Debatte um die „Digitale Stadt“ nicht zu technologiezentriert und werden dabei nicht die wichtigsten Faktoren einer Stadt vergessen? Der Mensch steht bei vielen dieser Ansätze erst an zweiter Stelle. Dabei sollte er doch im Mittelpunkt des Planungsinteresses stehen, denn nur er kann die Stadt mitgestalten: „Cities have the capability of providing something for everybody, only because, and only when, they are created by everybody” [1]. Denn trotz aller Euphorie sollte der Mensch nicht bei der Transformation zur digitalen Gesellschaft vergessen werden. Schon 2012 formulierten Michael Batty und Kollegen: „Smart Cities need Smart Citizens“ [2]. Dabei wird auf Konzepte der Volunteered Geographic Information VGI [3], „People [oder] Humans as sensors“ [4, 5] und Emotional Cartography [6] zurück gegriffen. Neben den technologischen Errungenschaften wird aber auch immer wieder Emotionen für intelligente Städte Die Urban Emotions Initiative als Beitrag zur digitalen Partizipation Stadtplanung, Sensorsysteme, digitale Methoden, Biostatistik, lebenswerte Stadt Peter Zeile, Bernd Resch Das von der DFG und dem FWF geförderte Projekt Urban Emotions versucht in einem experimentellen Ansatz, zwei Positionen zusammen zu bringen: Stehen auf der einen Seite neueste Methoden und Technologien aus den Bereichen Sensortechnologie, Geoinformatik, Wearables und Computerlinguistik, so sind die Ansprüche auf der anderen Seite in Bezug auf Partizipation, Gestaltungsprozesse und städtischem Leben innerhalb von Städten und Dörfern auf Planungsebene nicht nur digitaler Natur. Das Projekt soll helfen, die Disziplinen einander näher zu bringen und neue Sichtweisen auf den „Organismus Stadt“ zu entwickeln. Bild 1: Möglichkeit der Visualisierung von Stresslevels sowie die Annotation nach Ereignis und Selbsteinschätzung nach Emotion. Beispiel Cambridge MA. © Zeile/ Resch, auf Grundlage von Google Earth Pro 50 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Die intelligente Stadt versucht, lange etablierte Ansätze in der Stadtforschung in die Gegenwart zu führen, also vor allem mit digitalen Daten und Methoden aufzuwerten. Innerhalb des Forschungsprojekts konnten so schon Kevin Lynch’s Mental Maps [7], die Psychogeografie von Guy Débord [8] als auch die Burano-Methode [9] mit neuem digitalem Leben versehen werden. Biosensing - Emomapping Ein interessanter Baustein in dieser bürgerzentrierten und technologisch neuartigen Konzeption ist die georeferenzierte Nutzung von biostatistischen Daten zur Ermittlung von Stress-Situationen vor Ort. Die Probanden erkunden ihre Stadt zu Fuß oder mit dem Fahrrad und sind dabei mit einem tragbaren Sensor („Wearable“) ausgestattet, der Hautleitfähigkeit, Hauttemperatur und Geoposition aufzeichnet. Steigt nun die Hautleitfähigkeit und die Hauttemperatur fällt daraufhin kurz danach ab, so ist dies ein Indikator für eine „Stresssituation“ im Stadtraum. Dieses Muster ist eindeutig in den biostatistischen Parametern zu erkennen und kann vor Ort visualisiert werden. Häufen sich nun bei vielen Probanden Bild 2: Heatmaps aus einem Emocycling-Experiment innerhalb eines Makeathon in Ludwigsburg. Im Vergleich sind die Heatmaps aus allen Fahrten, einer einzelnen Teilnehmerin mit Fahrrad, sowie die Auswertung nach Geschlecht von allen Fahrten. © Zeile/ Resch Bild 3: Testläufe von Probanden im Stadtraum von Karlsruhe, durch mitlaufendes Video und Überlagerung der Biosensorik und GPS sind diese auch direkt im Video erkennbar © Zeile/ Resch an einer bestimmten Position innerhalb der Stadt diese Stresspunkte, so sollten Stadtplaner diese räumliche Situation genauer untersuchen, denn Planung ist durchaus auch als „die Beseitigung eines bösartigen Problems“ zu verstehen [10] - oder eben eines Stresspunktes in der Stadt. Die Vision ist nun, dass mithilfe der BürgerInnen einer Stadt in Zukunft eine Art Frühwarnsystem entwickelt werden kann, mit dessen Hilfe eine neue Sichtweise auf die Stadt generiert werden kann und das traditionelle Planungsmethoden unterstützt. Sehr gute Ergebnisse liefert die Methode in den Bereichen des Rad- und Fußgängerverkehrs, der Detektion von urbanen Angsträumen, aber auch im Anwendungsfall des barrierefreien Planens. Radverkehr „Emocycling“ Im Rahmen der Diskussion um die Energiewende, emissionsfreier Mobilität, als auch Elektromobilität nimmt das Thema „Radfahren“ in der Gesellschaft wieder eine stärkere Position ein. Der Ausbau des Radwegenetzes sowie die steigende Beliebtheit von Pedelecs bieten ein großes Potenzial zur Reduktion des motorisierten Individualverkehrs. Folgende Fragen stellen sich nun: Warum sind viele Personen noch nicht auf das Fahrrad umgestiegen? Wie sieht es mit der persönlich gefühlten Sicherheit im Straßenverkehr aus und gibt es eventuell auch Unterschiede bei der Wahl zwischen „normalem Fahrrad“ und Pedelec? Mithilfe des biostatistischen Monitorings lassen sich hierfür erste interessante Aussagen treffen. Der Versuchsaufbau ist dabei verhältnismäßig einfach gestaltet: Die Radfahrer sind mit einem GPS-Empfänger ausgestattet, der Messsensorik für die biostatistischen Parameter sowie zusätzlich mit einer Action-Kamera, die in Ego-Perspektive die Situationen zusätzlich aufnimmt. Nach jeder Fahrt entstehen so verhältnismäßig schnell Karten zu Ort und Häufigkeit von Stresspunkten. Durch das Videomaterial werden diese Punkte zusätzlich qualitativ auf ihren Auslöser untersucht. So können die Punkte verifiziert und gegebenenfalls auch wieder aus der Stresskarte entfernt werden (Bild 1). Abschließend wird als Ergebniskarte für jeden Probanden als auch zu verschiedenen Personengruppen eine Heatmap zur schnelleren und verständlicheren Kommunikation in den Gremien und mit den BürgerInnen erzeugt (Bild 2). Fußgänger Im Rahmen von Quartiersentwicklungsprozessen haben sich neben den Fahrrad-Experimenten auch Explorationstouren anhand von vordefinierten Routen mit der oben beschriebenen Sensorik als sehr THEMA Die intelligente Stadt 51 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES hilfreich für die Diskussion herausgestellt. Erste Versuche, die in der Literatur und öffentlichen Diskussion zu findenden „Angsträume“ besser identifizieren zu können, erweisen sich als vielversprechend [12]. Für Fußgängerexperimente bei einer schnellen Begehung des Quartiers sind diese Messungen in Verbindung mit der anschließenden gemeinsamen Besprechung im Werkstatt- oder Makethon-Format [13] eine gute Diskussionsgrundlage (Bild 3). Barrierefreies Planen Im Bereich des Barrierefreien Planens hat sich das Testsetting auch als planungsunterstützend erwiesen [14]. Bei allen Experimenten wurde eine zweiphasige Konzeption durchgeführt: Entlang einer vordefinierten Route konnten zum Beispiel eine Elektro-Rollstuhlfahrerin, eine Person mit starker Sehbeeinträchtigung, eine Mutter mit Kinderwagen und eine Referenzperson die Barrierefreiheit testen. Gleichzeitig wurden die Begebenheiten auf ihre Barrierefreiheit hin überprüft. Neben der „Emomapping“- Studie wurde das Areal auch nach DIN 18040 „Barrierefreies Bauen“ und DIN 32984 „Bodenindikatoren im öffentlichen Raum“ analysiert, um ein Referenzergebnis zum durchgeführten Test im planerischen Kontext zu besitzen. Mithilfe des Stresslevels konnten so Stress-Hotspots der Barrierefreiheit im öffentlichen Raum ermittelt werden (Bild 4). Social Media Mining Eine andere Möglichkeit, Emotionen innerhalb der Stadt zu detektieren, ist die Auswertung von sozialen Medien. In einem interdisziplinären Ansatz wird hier versucht, die Emotionen der BürgerInnen an verschiedenen Orten in einer Stadt zu extrahieren. Dabei wird ein Analysealgorithmus eingesetzt, der Tweets in einem integrierten Ansatz nach Ort, Zeit und linguistischem Inhalt klassifiziert. Technologisch funktioniert dies mit einem graph-basierten und semi-überwachten Lernalgorithmus, der die Datensätze nach diskreten Emotionen (Glück, Traurigkeit, Angst, Wut/ Ekel, keine) einteilt [15, 16]. Somit ist eine Klassifizierung von Tweets in Emotions-Klassen möglich. Diese noch experimentellen Ergebnisse zeigen auf, welch großes Potenzial die Analyse von sozialen Netzwerken bergen kann, und wie diese Datenauswertung neue Einblicke in die Wahrnehmung der Stadt durch die BürgerInnen ermöglicht (Bild 5). Limitierend bei dieser Herangehensweise ist allerdings die Tatsache, dass nicht alle sozialen Medien für die Analyse genutzt werden können, weil manche sozialen Netzwerke keine offene Schnittstelle zu den Daten anbieten. Spannendere und eventuell einfacher zu nutzende Datensätze in Bezug auf die Emotionsextraktion, wie die in Facebook, sind leider nicht verfügbar. Zusätzlich erschwerend kommt hinzu, dass im deutschsprachigen Raum eine gewisse „Twitterfaulheit“ herrscht im Gegensatz zu anderen Ländern wie den USA, Großbritannien oder Brasilien. Falls Tweets gesendet werden, wird oftmals auch die Geolokalisierung bewusst unterdrückt. Bei der hier vorliegenden Auswertung der Datensätze im englischsprachigen Raum kommen noch zwei limitierende Faktoren hinzu: Unterschiedliche Dialekte als auch Rechtschreibfehler müssen vom Algorithmus erst erlernt werden, was nach wie vor eine forscherische Herausforderung ist, aber auch eine entscheidende Weiterentwicklung zu bisherigen Schlüsselwort-basierten Ansätzen darstellt. Zu guter Letzt stehen bei den korrekt identifizierten Emotionen nicht immer städtische, sondern auch oft private Aspekte im Mittelpunkt. Auch hier ist eine genauere Selektion noch vonnöten. Bild 4: Vergleich der gemessenen Stresssituationen von E-Rollstuhlfahrer, sehbehinderter Person und Mutter mit Kinderwagen. © Bergner & Zeile 2012 [11] 52 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Die intelligente Stadt Unabhängig davon könnte eine Vision in Zukunft sein, dass im Rahmen planerischer Prozesse auch soziale Mediendatensätze als abwägungsrelevantes Material angesehen werden könnte. Prinzipiell sollen in der Abwägung „alle öffentlichen und privaten Themen berücksichtigt und Konflikte minimiert werden, um ein gutes Planungsergebnis zu erzielen“. Neuere Studien haben gezeigt, dass die Emotionsklassifizierung von Tweets durchaus als wertvolle Datenbasis für stadtplanerische Prozesse herangezogen werden kann, wie beispielsweise der Planung von urbanen Grünflächen [17]. Virtual Reality Momentaner Fokus neben der Weiterentwicklung der Messmethoden und Datenanalysen ist die Übertragbarkeit der Erkenntnisse vom realen in den virtuellen Raum. Dies hat zwei Hintergründe: Zum einen können so zeitlich (und virtuell räumlich) identische Routen erstellt werden, so dass die Probanden eine Laborsituation der realen Umgebung erleben können. Auch Luftfeuchtigkeit und Temperatur ist so besser zu normieren, um die Verzerrungen in den physiologischen Messungen zu minimieren. Zum anderen können mithilfe der Reduktion auf den visuellen, immersiven Eindruck Umwelteinflüsse besser vernachlässigt und die Überprüfung von Gestaltungsprozessen in den Mittelpunkt gestellt werden. Dazu werden entweder 360°-VR-Videoaufnahmen aus oder von bewegten Objekten aus erstellt (Bild 6), 360°-Aufnahmegeräte an Orten fest installiert oder virtuelle Modelle aus 3D-Designsoftwareprodukten damit verglichen. So ist nicht nur die reale Situation abbildbar, auch zukünftige Planung sind mithilfe der Biosensorik auf ihren „Stresslevel“ prüfbar. Diese Methode ist momentan gerade in der Erprobungsphase, erste Ergebnisse lassen jedoch auf ein großes Potenzial schließen. Vergleichende Ansätze wie das Q-Sorting in städtebaulichen Gestaltungsprozessen können hiermit eine Renaissance erleben. Fazit Die vorliegenden Beispiele zeigen die Bandbreite bei der Integration von Emotionen in die städtebauliche Planung unter Zuhilfenahme von digitalen Methoden. Die Kombination aus einer stark „sinnlichen“ Erfahrung mit wissenschaftlichen Messmethoden kann städtebauliche Prozesse und die Motivation, an Beteiligungsprozessen teilzunehmen, sehr bereichern. Bei allen diesen Ansätzen ist jedoch wichtig, dass die benutzte Technologie transparent und unter Gesichtspunkten des Datenschutzes verwendet wird. Auch muss die Technologie sozial akzeptiert und gesellschaftlich eingebettet sein. Die planenden Disziplinen müssen sich der Mechanismen bewusst sein, die hier eingesetzt werden und sich fragen, wie sie welche Daten nutzen können. Auf alle Fälle hilft der Ansatz, das Unsichtbare sichtbar zu machen, neue Perspektiven zu städtischen Prozessen einzunehmen und dementsprechend auch in der Diskussion über die Stadt eine anthropozentrische Sichtweise zu bekommen. Bild 5: Aus Tweets extrahierte Emotionsinformationen im Stadtgebiet von Boston. Resch et al. 2016 [14] THEMA Die intelligente Stadt 53 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES LITERATUR [1] Jacobs, J.: The death and life of great american cities. New York: Random House Vintage Books 1961. [2] Batty, M., Axhausen, K. W., Giannotti, F., Pozdnoukhov, A., Bazzani, A., Wachowicz, M., Ouzounis, G. u. Portugali, Y.: Smart cities of the future. The European Physical Journal Special Topics 214 (2012) 1, S. 481-518. [3] Goodchild, M. F.: Citizens as sensors. The world of volunteered geography. GeoJournal 69 (2007) 4, S. 211-221. [4] Resch, B., Mittlböck, M., Kranzer, S., Sagl, G., Heistracher, T. u. Blaschke, T.: „People as Sensors“ mittles personalsierten Geo-Trackings. In: Strobl, J., Blaschke, T. u. Griesebner, G. (Hrsg.): Angewandte Geoinformatik 2011. Beiträge zum 23ten AGIT-Symposium. Salzburg: Wichmann Fachmedien 2011, S. 682-687 [5] Zeile, P., Streich, B., Exner, J.- P.: Human as sensors? The measurement of physiological data in city areas and the potential benefit for urban planning. Proceedings 11th International Conference on Computers in Urban Planning and Urban Management (CU- PUM). Hong Kong 2009, S. 1-9 [6] Nold, C.: Emotional cartography. Technologies of the self, 2009. http: / / emotionalcartography.net, abgerufen am: 15.01.2015. [7] Lynch, K.: The image of the city. Publication of the Joint Center for Urban Studies. Cambridge Mass. u.a.: MIT Press 1960. [8] Debord, G.: Guide psychogéographique de Paris. Discours sur les passions de l ‘amour. Permild & Rosengreen 1957. [9] Dellemann, C., Dellemann, K., Dellemann, P., Günter, M., Günter, R., Notdurft, W., Schlegtendal, D., Schlegtendal, K., Sporleder, A. u. Sporleder, M.: BURANO — Eine Stadtbeobachtungsmethode zur Beurteilung der Lebensqualität. In: Riege, M. u. Schubert, H. (Hrsg.): Sozialraumanalyse. Grundlagen - Methoden - Praxis. Wiesbaden, s.l.: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2002, S. 85-101. [10] Rittel, H. W. J.: Dilemmas in a General Theory of Planning. Policy Sciences 4 (1973) 2, S. 155-169. [11] Bergner, B. S., Zeile, P.: Ist Barrierefreiheit messbar? Planerin 2012 (2012) 2, S. 20-24. [12] Schlosser, F.: Sind Emotionen messbar? Angsträume und Stressempfinden im urbanen Raum am Beispiel der Stadt Dortmund. Masterarbeit. 2017. [13] Brynskov, M., Carvajal Bermúdez, J. C., Fernández, M., Korsgaard, H., Mulder, I. J., Piskorek, K., Rekow, L., Waal, M. de: Urban Interaction Design. Towards City Making. Urban IxD Booksprint 2014. https: / / repository.tudelft.nl/ islandora/ object/ uuid%3A9b936beec846 - 4283-9dc9 -1804018c8efe/ datastream/ OBJ/ download [15] Rodrigues da Silva, A. N., Zeile, P., Aguiar, Fabiola de Oliveira, Papastefanou, G., Bergner, B. S.: Smart sensoring and barrier free planning project outcomes and recent developments. In: Pinto, N. N., Tenedório, J. A., Antunes, A. P. u. Cladera, J. R. (Hrsg.): Technologies for Urban and Spatial Planning: Virtual Cities and Territories. Hershey PA: IGI Global 2014, S. 93-112. [14] Resch, B., Summa, A., Zeile, P., Strube, M.: Citizencentric Urban Planning through Extracting Emotion Information from Twitter in an Interdisciplinary Space-Time-Linguistics Algorithm. In: Urban Planning,. Lissabon: Cogitatio Press 2016, S. 114-127. [16] Summa, A.: Emotion recognition from microblogs in the urban context with spatio-temporal information, Ruprecht-Karls-Universität Master Thesis. Heidelberg 2015. [17] Roberts, H. V., Resch, B., Sadler, J., Chapman, L., Petutschnig, A., Zimmer, S: Investigating the Emotional Responses of Individuals to Urban Green Space Using Twitter Data: A Critical Comparison of Three Different Methods of Sentiment Analysis. Urban Planning. In: Urban Planning (Hrsg.): under review. 2018. Bild 6: Fahrradstrecke mit 360°VR aufgenommen und als sphärische Projektion dargestellt. Rechts Blickwinkel aus der VR Brille. © Zeile/ Resch AUTOREN Dr.-Ing. Peter Zeile Research Director Urban Emotions Karlsruher Institut für Technologie KIT Fakultät für Architektur, Institut für Entwerfen von Stadt und Landschaft (IESL), Fachgebiet Stadtquartiersplanung STQP Kontakt: peter.zeile@kit.edu Ass.-Prof. Dr. Bernd Resch Lead GIScience Lab University of Salzburg Department of Geoinformatics - Z_GIS Kontakt: bernd.resch@sbg.ac.at 54 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Die intelligente Stadt Smart City: Der Traum von der lebenswerten Stadt Intelligente IT verbessert die Lebensqualität in Großstädten Smart City, intelligente Infrastrukturen, Smart Grids, Wasserversorgung, Mobilität Andreas Zerlett Weltweit verzeichnen Städte steigende Bevölkerungszahlen. Große Arbeitsmärkte, kurze Wege, umfassendes Freizeitangebot, gute Infrastruktur und vieles mehr locken Menschen in die Großstadt. Im Jahr 2050 werden etwa zwei Drittel der Weltbevölkerung in städtischen Gebieten leben. Wie lässt sich dabei eine hohe Lebensqualität in den Metropolen sicherstellen? Werden Städte bald am Verkehr oder im Abfall ersticken? - Oder lassen sich unsere Städte durch innovative Technologien lebenswerter gestalten? Experten setzen große Hoffnung in das Konzept „Smart Cities“ als Lösung für die weiter wachsenden Anforderungen. Bild 1: In Smart Cities werden Verkehrsmittel und Verkehrswege intelligent gesteuert und damit effizient genutzt. © COPA-DATA THEMA Die intelligente Stadt 55 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES Smart City - das Konzept für die Zukunft? Smart Cities nutzen Technologien, um die Qualität und Leistung von städtischen Dienstleistungen zu steigern, Kosten zu senken und den Ressourcenverbrauch zu verringern. Im Mittelpunkt steht die geschickte Vernetzung der Funktionen einer Stadt, wie zum Beispiel in den Bereichen Energie, Mobilität, Wasser, Ernährung, Sicherheit, Wohnen, Arbeiten und Einkaufen. Daten bilden die Basis für die intelligente Stadt, die möglichst in Echtzeit erfasst werden und zur sofortigen Verarbeitung bereitstehen. Dazu gehören beispielsweise Informationen über konsumierte Energie, Wasserverbrauch, Auslastung von Straßen und öffentlichen Verkehrsmitteln und vieles mehr. Die Daten werden durch intelligente Sensoren erfasst und in einer zentralen Plattform - beispielweise einer Cloud-Infrastruktur - zum Archivieren oder Analysieren bereitgestellt. Im Prinzip lassen sich Smart Cities mit Ökosystemen vergleichen, die durch den Einsatz digitaler Technologien sicherer und nachhaltiger werden. So soll ihren Einwohnern ein gesünderes und glücklicheres Leben ermöglicht werden. Während das für manchen noch wie Zukunftsmusik klingt, werden einige Konzepte der Smart City bereits angewendet - zum Beispiel in den Bereichen Smart Energy, Wasserversorgung, Verkehr oder Gebäudemanagement. Energie - erneuerbar und jederzeit verfügbar Der bekannteste Lösungsansatz für Smart Energy betrifft die Stromverteilung. Früher waren die Stromverteilernetze auf zentrale Kraftwerke ausgelegt. Das Kraftwerk erzeugte Strom, über das Verteilnetz gelangte er zum Verbraucher. Doch inzwischen hat sich das Szenario fundamental geändert. Mit unzähligen Fotovoltaikanlagen auf den Gebäuden der Stadt werden aus vormals reinen Stromabnehmern - zumindest stundenweise am Tag - Stromerzeuger. Auf dem Land erzeugen großflächige Solaranlagen, Windräder und Biogasanlagen erneuerbare Energien. Das Verteilnetz muss sich an diese neuen Gegebenheiten automatisch anpassen. Mit moderner IT lässt sich eine hohe Versorgungssicherheit auch bei einer Vielzahl räumlich verteilter Erzeuger und Verbraucher erreichen. So dürfen im Verteilnetz die Höhe der Spannung, die Phasenlage und die Frequenz nur innerhalb geringer Grenzen schwanken. Bei Überschreitung der Grenzwerte drohen Schäden an Maschinen und Anlagen. Nicht einfach, aber lösbar - beispielsweise mit Sensoren und dezentralen Steuerungen. Auch lokale Stromspeicher wie Hausbatterien helfen, Schwankungen bei Stromerzeugung und -verbrauch auszugleichen. Wasser und Abwasser - zwei Seiten derselben Medaille Wasser ist Leben. In vielen Teilen der Welt, vor allem in südlichen oder sehr trockenen Regionen, ist Wasser in der Regel eine sehr knappe und kostbare Ressource. Ein Element, mit dem es in allen Lebenssituationen und -zyklen zu haushalten gilt. Ohne eine leistungsfähige und effiziente Wasserversorgung und Abwasserentsorgung kann eine Stadt nicht existieren. In den Großstädten und in den weitläufigen, dichtbesiedelten Metropolregionen potenziert sich der Aufwand. Ein Beispiel für eine gelungene Infrastruktur ist die Bodensee-Wasserversorgung in Deutschland. Der Zweckverband versorgt täglich über vier Millionen Menschen in Baden-Württemberg mit Trinkwasser - darunter die Metropolregion Stuttgart. Das Versorgungsunternehmen entnimmt dem Bodensee Wasser, bereitet es auf und verteilt es über ein mehr als 1700 Kilometer langes Leitungsnetz. Die durchgehende Versorgung der Bürger mit Wasser bedingt, dass der Weg des Wassers und der Durchfluss genau gesteuert werden. Smarte Technik ermöglicht die exakte, bedarfsgerechte Steuerung. Störungen in dem weitläufigen Wassernetz sind schnell lokalisiert und lassen sich umgehend beheben. Zudem können außerordentliche Spitzen im Wasserverbrauch mittels prädiktiver Analysen vorhergesagt und somit Engpässe in der Versorgung vermieden werden. Mobil in der Stadt - den öffentlichen Transport und den Individualverkehr optimieren Gerade in großen Städten stehen kaum weitere Flächen für Verkehrswege zur Verfügung. Die Aufgabe für Smart Cities: Vorhandene Verkehrsmittel und Verkehrswege effizienter nutzen. Sinnvoll ist die Vernetzung von Fahrzeugen mit den Ampeln. Zusammen mit der verkehrsabhängigen Freigabe der Spuren lässt sich der Fahrzeugfluss verbessern. Die intelligente Lösung für den Parksuchverkehr: Sensoren im Asphalt von Parkplätzen melden freie Parkplätze. Eine Smartphone-App zeigt diese an und navigiert die Fahrer dorthin. Und ein weiterer Hebel für eine kluge Mobilität: Die intelligente Steuerung der Straßenbeleuchtung und die verkehrsabhängige Belüftung von Tunneln spart Energie ein. Auch das öffentliche Transportwesen hat Optimierungsbedarf. Ob Straßenbahn, U- und S-Bahn oder Fernzug - es gilt, Schienenstrecken optimal auszulasten und den Energieverbrauch der Transportmittel zu minimieren. Aber auch der Energiekonsum der Bahnhöfe und Stationen kann verringert werden - ohne Einbußen beim Komfort. 56 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Die intelligente Stadt Intelligente Gebäude denken mit Smart Buildings entlasten nicht nur den Geldbeutel, sondern schonen durch geringeren Ressourcenverbrauch auch Umwelt und Klima. Aufzüge, Klimaanlagen, Heizung, Lichtsysteme, Wasser, Elektrizität - ein Gebäude vereint zahlreiche Systeme, die automatisiert ineinandergreifen. Öffentliche Einrichtungen wie Universitäten, Schulen oder Krankenhäuser haben ein hohes Energieeinsparpotenzial, da es sich oft um ältere Gebäudestrukturen handelt. Moderne Automationssoftware unterstützt die Betreiber dabei, Einsparungspotenziale zu identifizieren und bestmöglich zu realisieren. Basis hierfür ist das automatisierte Sammeln und Auswerten jeglicher Energiedaten. Ein intelligentes Energiedaten-Management-System, kurz EDMS genannt, verringert den Energiekonsum eines Gebäudes im zweistelligen Prozentbereich - ohne Komfortverlust. Aufsummiert auf alle öffentlichen Gebäude einer Stadt reduziert sich der gesamte Energiebedarf einer Stadt enorm. Herausforderungen auf dem Weg zur Smart City Neben den vielen Vorteilen, welche die Smart City den Bewohnern in Zukunft bieten wird: Der Weg dorthin ist auch mit großen Herausforderungen verbunden. Datenmengen souverän meistern Die Smart City generiert riesige Datenmengen über das Stadtleben. Doch um wirklich smart zu sein, muss sie mehr können, als nur Daten zu sammeln. Sie muss riesige Informationsberge verwalten und auswerten, Wertschöpfungspotenziale erschließen und neue Erkenntnisse liefern. Mit traditionellen Datenverarbeitungsmethoden kann man solche riesigen Informationsmengen in so unterschiedlichen Formaten nicht mehr beherrschen. Die Herausforderungen erstrecken sich von der Erfassung, Speicherung und Archivierung über das Durchsuchen, Teilen und Übertragen bis hin zur Auswertung und Visualisierung von Daten. Es müssen Analyse- und Entscheidungssysteme im Einsatz sein, damit die aus diesen riesigen Datenmengen gewonnenen Informationen Echtzeitentscheidungen und -handlungen unterstützen - so werden die Systeme, Prozesse und die Stadt als Ganzes effizienter. Die neueste Generation der industriellen Automatisierungslösungen wurde dafür entwickelt, mit diesen Problemen fertig zu werden. Sie stützt sich dabei auf modernste und kontinuierlich weiterentwickelte Analysetechniken, die über eine Vielzahl von Datenquellen hinweg eingesetzt werden können. Bild 2: Die vernetzte Stadt sammelt Daten über Ressourcen wie Strom und Wasser, die Auslastung der Infrastrukturen und über öffentlichen Gebäude - so passt sie sich gezielt an die Gegebenheiten an. © COPA-DATA THEMA Die intelligente Stadt 57 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES Smart aber sicher Smarte Infrastrukturen machen Städte angreifbar - denn Cyber-Attacken finden in der vernetzten Stadt neue Einfallstore. Was passiert also, wenn eine ganze Stadt durch einen Virus im System lahmgelegt wird? Oder wenn sie sogar Opfer eines gezielten Hacker-Angriffs wird? IT-Sicherheit nimmt zunehmend eine wichtigere Rolle ein, wenn es um Smart Cities geht. Die Infrastruktur muss beständig nach verdächtigen Aktivitäten und ungewöhnlichem Verhalten abgesucht werden. Zudem gilt es, Maßnahmen zu ergreifen, die die anfälligsten Stellen in der IT-Infrastruktur absichern. Auch die Endpunkte und Endgeräte der Anwender müssen den Compliance- Anforderungen und Sicherheitsregelungen gerecht werden. Barcelona zeigt: Intelligente Städte sind machbar Einige Städte nehmen bei dem Thema Smart City eine Vorreiterrolle ein. So ist die spanische Stadt Barcelona auf einem guten Weg. Eines ihrer Ziele besteht darin, städtische Dienstleistungen wie die Müllabfuhr zu optimieren. Sensoren an Mülltonnen erfassen den Füllstand und die Geruchsentwicklung. Bei Überschreitung der eingestellten Grenzwerte signalisieren sie einem zentralen Leitsystem, dass sie geleert werden müssen. Die Müllabfuhr agiert so bedarfsabhängig und optimiert ihre Fahrwege. Weiterhin soll die Bewässerung der städtischen Parks effizienter gestaltet werden. Sensoren messen deshalb die Feuchtigkeit des Bodens. Anhand von Wetterlage und Messdaten optimieren die Gärtner die Bewässerung. Um den Parkplatzsuchverkehr in den Griff zu bekommen, ermitteln Sensoren die Auslastung von Parkplätzen. Ein intelligentes Parkleitsystem weist Autofahrer auf freie Parkplätze hin. Ein weiteres Szenario für die Stadt der Zukunft ist die intelligente Beleuchtung von öffentlichen Wegen für Fußgänger. Im Rahmen des Barcelona Lighting Masterplans rüstete die Stadt über 1100 Laternen auf die energiesparende LED-Technik um. Sensoren melden der Lichtsteuerung in den Laternenmasten, wenn Fußgänger in der Nähe sind. Daraufhin erhöht die Steuerung die Helligkeit der LED-Leuchten. Sobald keine Fußgänger mehr in der Nähe sind, wird die Beleuchtung gedimmt. Mit dieser Technologie konnte Barcelona den Stromverbrauch der städtischen Beleuchtung um rund 30 Prozent reduzieren. Das Beispiel Barcelona macht optimistisch: Es zeigt eine Menge Stellschrauben und technologische Lösungen, mit denen Städte immer energieeffizienter und intelligenter werden können. Und die Aussichten sind noch besser - die Stadt der Zukunft kann mit innovativen Technologien auch lebenswert gestaltet werden. Andreas Zerlett Sales Excellence Energy & Infrastructure / Smart City Ing. Punzenberger COPA-DATA GmbH Kontakt: Andreas.Zerlett@copadata.de AUTOR Trialog Publishers Verlagsgesellschaft Schliffkopfstraße 22 | D-72270 Baiersbronn Tel.: +49 7449 91386.36 | Fax: +49 7449 91386.37 office@trialog.de | www.trialog-publishers.de Unsere neuen Kontaktdaten Verlag und Redaktion sind umgezogen Redaktionsleitung: Leserservice/ Vertrieb: Anzeigenservice: Dispo/ Onlinetechnik: Tel.: +49 7449 91386.43 christine.ziegler@transforming-cities.de Tel.: +49 7449 91386.39 service@trialog.de Tel.: +49 7449 91386.46 anzeigen@trialog.de Tel.: +49 7449 91386.47 dispo@trialog.de 58 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Die intelligente Stadt Was macht Städte smart? Die Morgenstadt-Initiative In der „Morgenstadt Initiative“ entwickelt die Fraunhofer- Gesellschaft gemeinsam mit Partnern aus Industrie und Kommunen Lösungen für die Stadt der Zukunft Smart Cities, Innovationsnetzwerk, Stadtverwaltung, nachhaltige Stadtentwicklung Natalie Pfau-Weller, Alanus von Radecki Städte sind die Zukunft der Menschheit. Weltweit lebt bereits heute mehr als die Hälfte der Menschen in Städten; in Deutschland sind es sogar 70 Prozent. Sie alle suchen Sicherheit und Wohlstand, Bildung und Vernetzung und den urbanen Lebensstil, kurz: Lebensqualität. Das geschieht aber auf begrenztem Raum und mit begrenzten Ressourcen. Deshalb muss soziale Spaltung vermieden und ein nachhaltiger Umgang mit natürlichen Ressourcen erreicht werden. Beim Prozess der nachhaltigen Stadtentwicklung hin zu einer smarten Stadt der Zukunft sind alle Bereiche von Abfall über Energie, Governance, Mobilität bis hin zur Wasserversorgung relevant. Bild 1: Morgenstadt: seit 2012 erfolgreich. © Fraunhofer, Fish Blowing Bubbles GmbH THEMA Die intelligente Stadt 59 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES Unsere Mission: Gemeinsam Innovationen realisieren Im Rahmen des „Morgenstadt Netzwerks“ arbeiten Forschung, Industrie und Kommunen gemeinsam daran, Ideen für urbane Systemlösungen zu entwickeln und in die Pilotierung zu überführen. Dabei gilt auch, bevorstehende Technologiesprünge und disruptive Entwicklungen für die Stadt von morgen zu identifizieren und neue Produktsysteme und Geschäftsmodelle zu konzipieren. Innovative und nachhaltige Produkte und Dienstleistungen der Morgenstadt-Partner werden in ganzheitliche Stadtentwicklungsprojekte integriert. Dabei haben die beteiligten Kommunen die Chance, Pilotprojekte zur Demonstration neuer Wirkzusammenhänge durchzuführen und in Begleitung der Fraunhofer-Forscher, Lösungen für urbane Herausforderungen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Stadt zu entdecken. Morgenstadt: seit 2012 erfolgreich Gemeinsam mit einem hochkarätigen Netzwerk aus Industrie- und Städtepartnern erfolgte in der ersten Forschungsphase von „Morgenstadt: City Insights“ (M: CI) eine umfassende Analyse nachhaltiger Stadtsysteme. Ziel war es, einen Einblick in die aktuell ablaufenden Transformationsprozesse ausgewählter Städte zu erhalten und Erfolgsfaktoren sowie die relevanten Sektoren für den Wandel hin zur nachhaltigen und zukunftsfähigen Stadt zu identifizieren (Bild 1). In Phase II wurde das daraus entwickelte Modell für eine nachhaltige Stadtentwicklung 2014 und 2015 im Rahmen der Morgenstadt City Challenge an einer Reihe von Städten angewandt. Prag, Lissabon, Chemnitz, Leipzig, Sabadell, Tiflis und die „Urban Tech Republic“ in Berlin Tegel haben seitdem erfolgreich Morgenstadt-Entwicklungsstrategien auf den Weg gebracht und in konkrete innovative Projekte für eine nachhaltige Stadtentwicklung überführt. Die Methode des City Labs basiert auf drei Dimensionen urbaner Systeme, die für eine nachhaltige Stadtentwicklung adressiert werden müssen: 1. Urbane Governance in Strategie und Planung genauso wie Organisation und Struktur; 2. Sozio-ökonomische Strategien in Bereichen wie der digitalen Transformation der Kommune, der Schaffung lokaler Innovations-Ökosysteme, der aktiven Beteiligung der Zivilgesellschaft sowie einer innovationsorientierten Stadtplanung; 3. Intelligente Technologien und Infrastrukturen wie Energie, Informations- und Kommunikationstechnologien, Wassermanagement, Mobilität, Logistik, Gebäude, Resilienz und Sicherheit sind die essenziellen Sektoren der nachhaltigen Stadtentwicklung. 2 PRAGUE CITY LAB PROCESS Prague wins Morgenstadt City Challenge Prague Indicators Assessment of 106 indicators for Prague Pressures on the city system State of the city system Impact on the city system Prague Impact Factors structured interviews with the Comparison of Indicators with Creation of Prague systems important impact factors Prague Action Fields Prague City Team Prague projects Prague Roadmap for each project actions into a coherent roadmap Presentation & handover of Roadmap March May June August Nora Adam Pajgrt 6 7 Bild 2: Morgenstadt City Lab Ergebnis anhand des Beispiels Prag. © Fraunhofer IAO 60 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Die intelligente Stadt Am Ende dieser tiefgründigen Analyse entsteht eine Grafik, die auf einen Blick die „Performance“ einer Stadt zeigt. Anschließend werden Maßnahmen abgeleitet, die zur Verbesserung der Handlungsfelder führen (Bild 2). Der Fokus der Phase III (2018/ 2019) liegt einerseits auf der Marktentwicklung der bereits erarbeiteten urbanen Lösungen für nachhaltige Städte, andererseits werden diese Lösungen kontinuierlich verbessert und an die jeweiligen Rahmenbedingungen einer Stadt angepasst. Um städtische Herausforderungen in Innovationen zu überführen, arbeitet das Morgenstadt Netzwerk mit drei Hauptsäulen (Morgenstadt City Labs, Morgenstadt Forschung und Innovationspartnerschaften), die durch zahlreiche Netzwerkaktivitäten und weiteren Services ergänzt werden. Was macht Städte smart? Dieser Frage gehen Forscher und Morgenstadtpartner seit Beginn des Netzwerkes nach. Aufgrund der bisherigen Erfahrung lassen sich einige Erfolgsfaktoren für eine smarte nachhaltige Stadtentwicklung identifizieren. Im Rahmen der Initiative wurde für die Doktorarbeit von Natalie Pfau-Weller ein online-basierter Fragebogen an durchschnittlich drei bis vier Personen jeder Stadtverwaltung jeder deutscher Großstadt mit mehr als 100 000 Einwohnern versendet 1 . Ziel der Onlinebefragung war die Ermittlung des Zusammenhanges zwischen den europäischen Instrumenten und der nachhaltigen Stadtentwicklung deutscher Großstädte sowie deren Abhängigkeit von der Struktur einer Stadtverwaltung [1]. Im Folgenden sollen drei Einflussfaktoren kurz erläutert werden: 1. Akteure innerhalb der Stadtverwaltung und Politik als Treiber Die Frage, wer die Strategien hauptsächlich angestoßen hatte, beantwortete eine deutliche Mehrheit mit: Stadtverwaltung (75,6 % der Befragten) im Vergleich zum Oberbürgermeister (15,4 %), der Bürgerschaft (3,8 %) oder Sonstigen (5,2 %; n = 11). Mehr als die Hälfte der Befragten beantwortete auch die Frage: Wer entscheidet in Ihrer Stadt vorwiegend, an welchen Förderprogrammen teilgenommen wird? mit: wir nicht (59,3 %, n = 150). Jedoch wurde von 59 % der Befragten angegeben, dass die Dezernate/ 1 Die Ansprechpartner wurden im Vorfeld ermittelt und, da nachhaltige Stadtentwicklung ein Querschnittsthema innerhalb der Stadtverwaltung darstellt, wurde der Link dieser Umfrage an den Klimaschutzmanager, Dezernat/ Referat/ Amt Umwelt, an die Stadtplanung, Wirtschaftsförderung et cetera versandt. Diese Umfrage wurde im Zeitraum Februar bis April 2016 mit einer Rücklaufquote von 53,8 % durchgeführt. Ämter der Stadtverwaltung dies entschieden, 32,7 % benannten den Gemeinderat als Treiber und nur 4,9 % den Bürgermeister oder 3,2 % weitere Akteure (n = 61). Folglich sind die politische Führungsebene gemeinsam mit dem Gemeinderat die wesentlichen Entscheider, wenn es darum geht, nachhaltige Projekte innerhalb einer Stadt voranzutreiben. Dieses Ergebnis wurde auch bei den in den Jahren 2014 - 2016 durchgeführten City Labs deutlich. 2. Die Stadtverwaltungsstruktur als Einflussgröße Weiterhin ist gerade auch die administrative Struktur ein wesentlicher Einflussfaktor. Im Moment gibt es keinen Standard für Verwaltungsstrukturen. Das Thema „Smart Cities und Nachhaltigkeit als Querschnittsaufgabe“ wird in unterschiedlichen Ämtern bearbeitet. Viele Städte tun sich mit Zuständigkeiten übergreifendem Handeln schwer, da immer noch das Silo-Denken der Vergangenheit vorherrscht. Manche Städte riefen Querschnittsämter (New York City) oder spezielle Stabstellen (Norderstedt) ins Leben oder entschieden sich für informelle übergreifende Arbeitsgruppen (Freiburg). Jedoch hängt der Erfolg einer ämter-übergreifenden Zusammenarbeit im Bereich nachhaltiger Stadtentwicklung nicht nur von der Organisationstruktur einer Stadt, sondern vor allem von den dortigen Mitarbeitern ab, beispielsweise den Fachbereichsleitern oder Dezernenten [1]. Im Ergebnis ist ein integrierter Ansatz zur digitalen Transformation der Kommune notwendig, welcher alle relevanten Ämter, Dezernate und kommunalen Betriebe miteinander vernetzt. 3. Abhängigkeit von supralokalen Strukturen Die Städte haben nur bedingt Einfluss auf ihr Rechts- und Finanzsystem. Viele Entscheidungen werden auf regionaler, nationaler oder supranationaler Ebene getroffen. Gerade auch der Prozess von Ausschreibungen und Vergabe sowie vielzählige bürokratische Abläufe erschweren es den Städten, flexibel, innovativ und schnell zu handeln und beispielsweise Technologien auszuprobieren. Dies wird im nationalen Vergleich zum Beispiel zwischen holländischen und deutschen Städten deutlich. Und wie wird meine Stadt smarter? Einige Stellschrauben lassen sich nur schwer schnell weiterdrehen, jedoch wird nach vorliegenden Erkenntnissen deutlich, dass die Innovationsfähigkeit und damit auch die Smartness einer Stadt vor allem von den kommunalen Akteuren abhängt. Die Entscheidungsträger sollten gut informiert und vernetzt sowie auch motiviert sein, damit ihre Stadt zur Smart City wird oder dies weiterhin bleibt. THEMA Die intelligente Stadt 61 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES Denkbare Instrumente sind das Morgenstadt City Lab oder Digitalisierungsstrategien, die Kommunen im Rahmen der Zusammenarbeit mit der „Morgenstadt“ entwickeln und umsetzen. LITERATUR: [1] Pfau-Weller, N.: Tragen die EU-Maßnahmen dazu bei, dass deutsche Großstädte nachhaltiger werden? Eine Untersuchung ausgewählter europäischer Instrumente der nachhaltigen Stadtentwicklung 2002- 2012 in Frankfurt am Main. Tübingen, 2017, S. 221 ff. AUTOR I NNEN Dr. Natalie Pfau-Weller Wissenschaftliche Mitarbeiterin Urban Governance Innovation Fraunhofer Inst. f. Arbeitswirtschaft und Organisation Kontakt: natalie.pfau-weller@iao.fraunhofer.de Alanus von Radecki, M.Sc. Teamleiter Urban Governance Innovation Fraunhofer Inst. f. Arbeitswirtschaft und Organisation Kontakt: alanus.radecki@iao.fraunhofer.de WISSEN WAS MORGEN BEWEGT Schiene, Straße, Luft und Wasser, globale Verbindungen und urbane Mobilität: Viermal im Jahr bringt Internationales Verkehrswesen fundierte Experten-Beiträge zu Hintergründen, Entwicklungen und Perspektiven der gesamten Verkehrsbranche - verkehrsträgerübergreifend und zukunftsorientiert. Ergänzt werden die deutschen Ausgaben durch die englischsprachige Themen-Ausgabe International Transportation. Mehr dazu im Web unter www.internationales-verkehrswesen.de Internationales Verkehrswesen gehört seit 1949 zu den führenden europäischen Verkehrsfachzeitschriften. Der wissenschaftliche Herausgeberkreis und ein Beirat aus Professoren, Vorständen, Geschäftsführern und Managern der ganzen Verkehrsbranche verankern das Magazin gleichermaßen in Wissenschaft und Praxis. Das technisch-wissenschaftliche Fachmagazin ist zudem Wissens-Partner des VDI Verein Deutscher Ingenieure e.V. - Fachbereich Verkehr und Umfeld. INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN - DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN »Internationales Verkehrswesen« und »International Transportation« erscheinen bei der Trialog Publishers Verlagsgesellschaft, München, www.trialog-publishers.de ANZEIGE 62 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Die intelligente Stadt Von Smart zu Human Smart Cities „Smart City“ - dieses Schlagwort ist in aller Munde: kaum eine Stadt, die sich nicht auf die Fahnen schreibt, die Möglichkeiten der digitalen Transformation zu nutzen, um „smarter“ und damit attraktiver (Lebensqualität, Standortattraktivität und Wettbewerbsfähigkeit) und effizienter (Ressourcen- Human Smart City - der Mensch im Zentrum Smart City, Human Smart City-Modell, Urbanisierung, Netzwerkindustrien, Digitalisierung, Schweiz Stefan Metzger, Edy Portmann, Matthias Finger, Astrid Habenstein, Anja Riedle, Res Witschi Gegenwärtige Smart City-Ökosysteme greifen oft nicht weit genug, da sie den Fokus der Stadtentwicklung zu stark auf Technik und Effizienz, aber zu wenig auf den Menschen legen. Demgegenüber zielt das Konzept der Human Smart City darauf, den Menschen ins Zentrum zu stellen. Die digitalen Technologien werden als wichtige, verbindende Basis begriffen, die im Hintergrund agieren. Das hier vorgestellte Human Smart City-Modell bietet eine Orientierungshilfe für die öffentliche Hand, die Wirtschaft und alle anderen Akteure, die am Ausbau der Smart City beteiligt sind, um diesen Anspruch zu verwirklichen. verbrauch) zu werden. Nicht zuletzt dieser inflationäre Gebrauch hat Kritiker auf den Plan gerufen, die den Begriff als substanzlos, beliebig oder auch manipulativ betrachten [1, 2, 3]. Viele vermuten dahinter vor allem eine Marketingstrategie der großen Technologiekonzerne. In der Sache ist dieser Einwand auch nicht völlig unbegründet. Der Begriff THEMA © pixabay Die intelligente Stadt THEMA Die intelligente Stadt 63 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES Faktor Mensch andererseits. Denn erst im gelungenen Zusammenspiel wird aus einer smarten Stadt eine Human Smart City. Mit der Einsicht, dass die Einwohner im Zentrum stehen sollen bzw. müssen, ist die Entwicklung in der Smart City 3.0 angekommen, wie der Smart City-Vordenker Boyd Cohen in „The 3 Generations of Smart City“ erläutert (1.0: Technology Driven; 2.0: Technology Enabled, City-led; 3.0: Citizen Co- Creation) [4]. In den vorangehenden „Generationen“ wurde Smart City vor allem technologisch interpretiert: zunächst von Lösungsanbietern (1.0), dann von städtischen Verwaltungen, die identifizierte Probleme mit Smart City-Ansätzen top-down zu lösen versuchten (2.0). Dabei ist der Begriff „Generationen“ missverständlich: Er verweist primär auf die „historische“ Entwicklung des Smart City-Konzepts, dient jedoch nicht dazu, den Reifegrad der Smartness einer Stadt zu beschreiben. Es hängt von der jeweiligen Herausforderung ab, ob eine Lösung der ersten, zweiten oder dritten Generation (oder auch einer Kombination daraus) zielführend ist. Es können also in einer Stadt alle drei Generationen der Smart City greifbar sein. Darauf weist auch Cohen hin [4]. Ein wichtiger Schlüssel ist die Akzeptanz der Bürger: Die beste Technologie ist wertlos, wenn sie nicht verwendet wird. Zahlreiche gescheiterte IT-Projekte zeigen dies, die am Bedarf der Zielgruppe vorbei entwickelt wurden bzw. nicht in der Lage waren, die Nutzer von ihrer Nützlichkeit zu überzeugen. Generell ist das Vorhaben einer Human Smart City komplex, da sehr unterschiedlichen Interessen Rechnung getragen werden muss. Dies stellt die Akteure vor große Herausforderungen, insbesondere auch in kommunikativer Hinsicht. Das beginnt bereits auf der Ebene der Administration und politischen Führung der Städte selbst. So haben sich im Gespräch mit zahlreichen Schweizer Städten immer wurde in den frühen 2000er Jahren tatsächlich von großen Technologiekonzernen lanciert. Das Versprechen, Städte mithilfe digitaler Technologien in jeglicher Hinsicht effizienter zu machen, zielte auch darauf, kostspielige Gesamtlösungen zu verkaufen und die Städte durch langfristige Wartungsverträge an sich binden [1, 4]. Die mittlerweile breite und lebhafte Diskussion über den gesellschaftlichen Nutzen der Digitalisierung hat allerdings dazu geführt, dass „Smart City“ längst mehr ist als eine Marketingphrase. So hat der Begriff Eingang in die Debatten der einschlägigen wissenschaftlichen Fachdisziplinen gefunden [5]. Er wird dort zwar weiterhin kontrovers diskutiert. Auch bestehen unterschiedliche Vorstellungen darüber, was eine Smart City (Responsive City, Humancity, Sustainable City etc.) ist [6, 7, 8]. Als gemeinsamer Ausgangspunkt kann jedoch die Überlegung gelten, dass die nachhaltige soziale, ökologische und ökonomische Entwicklung des urbanen Raumes gefördert werden kann, indem stadtrelevante Funktionen mit Internet- und Webtechnologien angereichert werden [9]. Auch bei den Verantwortlichen in den Städten hat ein Umdenken stattgefunden. Zunehmend setzt sich die Erkenntnis durch, dass es nicht genügt, mehr oder weniger passende Produkte bei den einschlägigen Konzernen einzukaufen [4]. Es hat sich als zielführender erwiesen, die Rolle als Treiber der Entwicklung aktiv wahrzunehmen. Entscheidungsträger aus Politik und Verwaltung versuchen daher verstärkt, den Bedarf ihrer Städte an smarten Lösungen zu eruieren und entsprechende Projekte zu entwickeln. Derzeit wird zunehmend erkannt, dass der Bürger mehr ins Zentrum der Stadtentwicklung gerückt werden muss. Auch erwarten die Bewohner der Städte zu Recht, an Gestaltungs- und Entscheidungsprozessen beteiligt zu werden [10, 11]. Die Bedürfnisse der Bürger lassen sich allerdings nicht auf Nachhaltigkeit und Effizienz reduzieren [12]. Kurz: Der Ruf nach einer menschorientierten smarten Stadt, einer Human Smart City [13], wird immer lauter. Grundlagen der Human Smart City Neueste Entwicklungsschwerpunkte im Bereich Smart City fokussieren zunehmend auf die Bedürfnisse und Wünsche der Menschen. Städte sollen nicht mehr nur „top-down“ smarter gemacht werden. Vielmehr sollen Einwohner, Nutzer und Interessengruppen auch „bottom-up“ ihre Lebenswelt mitgestalten können [10, 11]. Der Ansatz der Human Smart City zielt darauf, eine Balance zu finden zwischen Effizienz und Technologie einerseits und dem Bild 1: Einwohner, Nutzer und Interessengruppen wollen ihre Lebenswelt mitgestalten. © pixabay 64 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Die intelligente Stadt wieder Hürden gezeigt, wie zum Beispiel unklare Verantwortlichkeiten, ein ausgeprägtes Silodenken und folglich schwierige departementübergreifende Debatten bezüglich Finanzierung und Priorisierung von Projekten. Ähnliches gilt auch für Großunternehmen. Diese Problematik haben die Verantwortlichen vieler Städte mittlerweile erkannt. So werden zunehmend Stellen als Ansprechpartner geschaffen (zum Beispiel Smart City Manager, Chief Digital Officer oder Digitalbeauftragte), die sich der Thematik übergreifend annehmen [14]. Wichtig für die konkrete Umsetzung von Human Smart City-Initiativen ist der institutionalisierte Austausch von Knowhow und Erfahrungen auf städtischer, regionaler und nationaler Ebene. Ferner ist die Bildung von Partnernetzwerken unabdingbar, in denen unter anderem Vertreter der Städte, der Wirtschaft und Wissenschaft, aber auch der Bürger aufeinandertreffen. Damit eine konstruktive Zusammenarbeit gelingt, bedarf es einer gemeinsamen Sprache und einer allgemein verständlichen Strukturierung der Themen. Hierzu kann das Human Smart City-Modell beitragen, das im Folgenden vorgestellt werden soll. Vom Smart City-Wheel zum Human Smart City-Modell Beim Thema (Human) Smart City hat es sich bewährt, die Zusammenhänge und Elemente mittels analytischer Werkzeuge zu veranschaulichen. In diesem Sinne haben wir das Human Smart City-Modell entwickelt. Es stellt eine Konkretisierung und somit Ergänzung des bekannten Smart City-Wheels von Boyd Cohen dar. Hierbei handelte es sich ursprünglich um ein Element eines Evaluationsinstruments, um den Grad der Smartness von Städten zu messen und entsprechende Rankings zu erstellen [15, 16]. Seither wurde das Wheel immer wieder aufgegriffen, um das Prinzip „Smart City“ zu beschreiben, und es hat hierbei gute Dienste als Orientierungshilfe für Stadtentwickler, Wissenschaftler und Unternehmen geleistet. Es reflektiert jedoch weder, dass in Städten zahlreiche Interessengruppen mit ganz verschiedenen Bedürfnissen greifbar sind, noch, dass unterschiedliche Städte unterschiedliche Ziele verfolgen. Für die aktive Gestaltung der Human Smart City ist es jedoch zentral aufzuzeigen, worin diese bestehen und welche Akteure in welchen Bereichen zu diesen Zielen beitragen können bzw. integriert werden müssen. Wohl unbeabsichtigt vermittelt das Boyd Cohen-Wheel außerdem den Eindruck, dass eine Art Checkliste existiert, die es abzuarbeiten gilt, um eine „gute“ Smart City zu werden. Das Human Smart City-Modell stellt demgegenüber ein analytisches Hilfsmittel dar, das Akteuren helfen soll, gemeinsam konkrete Handlungsfelder im Bereich (Human) Smart City abzustecken. Hierbei ist explizit nicht vorgesehen, dass alle Bereiche „abgehandelt“ werden müssen. Vielmehr soll gezielt danach gefragt werden, wo Handlungsbedarf gesehen wird (bzw. wo nicht), wo Synergien bestehen und wo Partner gesucht werden müssen, um die gesetzten Ziele zu erreichen bzw. Handlungsfelder abzudecken. In diesem Sinne ist das Human Smart City-Modell nicht nur als Hilfsmittel für städtische Institutionen gedacht. Es soll auch Unternehmen, deren Geschäftsfelder im Bereich Smart City liegen, und anderen Akteure wie zum Beispiel Bürgerverbänden helfen, Ideen zu entwickeln und zu artikulieren. Das Human Smart City-Modell beruht auf drei Ebenen (Bild 2) und dem Human Smart City-Wheel als Detaillierung der obersten Ebene, des Service- Layers (Bild 3). Service Layer (Human Smart City-Wheel) Digital and Data Layer Supply Infrastructure Layer Bild 2: Das Human Smart City-Modell besteht aus drei Ebenen. © St. Metzger, E. Portmann Bild 3: Oberste Ebene des Human Smart City-Wheels. © St. Metzger, E. Portmann THEMA Die intelligente Stadt 65 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES Die unterste Ebene repräsentiert die Grundinfrastruktur (Supply Infrastructure Layer), die in unterschiedlicher Ausprägung als Basis für die meisten Services notwendig ist. Es sind dies beispielsweise Energieversorgung, Kommunikation, Ver-/ Entsorgung und Verkehrsinfrastruktur. Die oberste Schicht (Service Layer) ist die mensch-orientierte Ebene und wird durch das Human Smart City-Wheel detaillierter dargestellt. Die mittlere Ebene (Digital and Data Layer) steht für die Verknüpfung der Supply Infrastructure-Ebene mit der Service-Ebene. Sie umfasst den Austausch, die Verarbeitung und die Archivierung aller Art von Daten und Informationen. Deren intelligente Kombination ist die Grundlage für die Entwicklung smarter Lösungen, und dies gilt auch für die smarte Stadt. Zu den Werkzeugen, welche die Verbindung herstellen, gehören unter anderem Artificial Intelligence (AI), Blockchain und das Internet of Things (IoT). Das Human Smart City-Wheel stellt die Detaillierung der Service-Ebene dar. Es besteht zum einen aus acht übergeordneten Handlungssektoren (innerer Ring), wobei wir die ursprünglich sechs Sektoren des Boyd Cohen-Wheels um die Themen „Smart Logistics“ und „Smart Infrastructure“ erweitert haben. Das trägt der Tatsache Rechnung, dass Logistik und Infrastruktur die Städte vor große Herausforderungen stellt, während und weil ihre Bedeutung stetig wächst [17, 18]. An die Handlungssektoren schließen gegenwärtig 24 Handlungsfelder an (äußerer Ring). Hierbei handelt es sich um Themen, die zurzeit stark in der allgemeinen öffentlichen Diskussion stehen und aktuelle Bedürfnisse repräsentieren, sich aber mittelfristig ändern können. So steht mit Blick auf die rasante Entwicklung in Technik, Politik und Gesellschaft zu erwarten, dass bestehende Themen unter einem (neuen) Oberbegriff zusammengefasst werden oder sich ganz neue etablieren, während andere völlig wegfallen könnten. Diese Flexibilität darf jedoch nicht mit Beliebigkeit verwechselt werden: Die Handlungsfelder repräsentieren Herausforderungen, die nicht in wenigen Monaten oder durch eine einzige Maßnahme gelöst werden können, sondern Zeit brauchen. (Human) Smart Cities für die Schweiz Im Jahr 2016 lebten bereits 80 % der Schweizer Wohnbevölkerung in Städten bzw. in deren näheren Umgebung. Dabei wachsen die großen Agglomerationen wie Zürich (1,3 Mio. Einwohner), Genf (579 Tsd.), Bern (410,9 Tsd.) und Lausanne (409.3 Tsd.) immer näher zusammen. Im Mittelland ist damit schon jetzt der Trend greifbar, dass sich die Schweiz über kurz oder lang zu einer einzigen großen Stadt entwickeln wird, von Genf bis an den Bodensee [19]. Umso wichtiger ist es, sich schon heute Gedanken über die Zukunft der Schweizer Städte zu machen. Die Herausforderungen der zunehmenden globalen Urbanisierung sind vermehrt auch in der Schweiz sichtbar und verlangen nach städteübergreifend kompatiblen Lösungen. Smart City-Ansätze, die sich an den Bedürfnissen der Menschen orientieren, sind wichtige Instrumente auf dem Weg dahin. Zweifellos gibt es hier zahlreiche konkrete Einsatzmöglichkeiten smarter Technologien, die auch in der Schweiz bereits in vielen Bereichen gefördert werden [20]. Doch gerade in der Schweiz ist es zentral, die Traditionen und Mentalitäten, die sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Rahmenbedingungen vor Ort bei der Implementierung entsprechender Projekte zu berücksichtigen. Allein die vier Landessprachen und unterschiedlichen Kulturen verweisen auf die Vielfalt, welche das Land in vielen Bereichen kennzeichnet. Lokale Eigenheiten und Traditionen werden ebenso hochgehalten und als identitätsstiftend begriffen, wie der Föderalismus und die direkte Demokratie. Gerade in der Schweiz ist es also nicht zielführend, überall dieselben vorgefertigten Lösungen zu implementieren und somit das Risiko der geringen Akzeptanz einzugehen. Smarte Lösungen im Sinne einer Human Smart City müssen gemeinsam mit der Bevölkerung und den verschiedenen Interessengruppen vor Ort entwickelt werden. Damit kann die Schweiz auch zum Vorbild für ganz Europa und namentlich die Europäische Union werden, die in ihrem Motto für sich „in varietate concordia“ in Anspruch nimmt [21]. Die bundesnahen Betriebe als Partner für eine smarte Schweizer Städtelandschaft Bei der Entwicklung smarter Städtelandschaft können die sogenannten Netzwerkindustrien eine wichtige Vorreiterrolle spielen. In der Schweiz betrifft dies insbesondere die bundesnahen Betriebe wie Post, SBB und Swisscom. Die Geschäftsfelder dieser Firmen und die Liste der Herausforderungen der Städte weisen gerade bei den wichtigen Themen (zum Beispiel Mobilität, Logistik, digitale Vernetzung) zahlreiche Überschneidungen auf. Die multimodale Mobilität beispielsweise ist ein Aktionsfeld, das von PostAuto, SBB sowie Car- und Bikesharing- Anbietern gleichermaßen engagiert bearbeitet wird und vor dem Hintergrund stark belasteter Verkehrsnetze für die Städte von großer Bedeutung ist [18]. Bereits heute existieren verschiedene Formen der firmenübergreifenden Zusammenarbeit. Die Post und die SBB lancierten 2017 SwissID, eine einheit- 66 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Die intelligente Stadt liche digitale Identität [22]. Dem dahinterstehenden Gemeinschaftsunternehmen SwissSign AG haben sich mittlerweile weitere namhafte Unternehmen angeschlossen [23]. Weiter arbeiten die drei bundesnahen Betriebe beim Aufbau eines Low Power Networks zusammen, auf dessen Basis IoT-Anwendungen entwickelt werden können [24, 25]. Die digitale Transformation wird die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rollen von Post, SBB und Swisscom weiter verändern. Es liegt auf der Hand, dass die sogenannten bundesnahen Betriebe als Infrastruktur-Rückgrat der Schweiz quasi in einer digitalen Interpretation ihrer traditionellen Rollen einen zentralen Beitrag zur Human Smart City leisten können. Sie bedienen als Dienstleister tagtäglich eine breite Palette von Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger und sind in allen Regionen verankert. Damit sind diese Unternehmen besonders geeignet, als Bindeglied zwischen Technik, Mensch und Stadt zu fungieren und damit den Weg zur (Human) Smart City mitzuprägen. Es ist kaum möglich, den Überblick über sämtliche Tätigkeitsfelder eines großen Unternehmens zu gewinnen, schon gar nicht von außen. Das gleiche gilt für Städte. Mit dem Human Smart City-Modell steht uns ein Instrument zur Verfügung, das ähnlich wie ein Kompass funktioniert. So kann mittels des Wheels verdeutlicht werden, dass nicht nur die Post im Bereich der City Logistik tätig ist, sondern auch die SBB entsprechende Möglichkeiten hat, und dass in der Kombination von Schiene und Straße weiteres Potenzial liegt. Im Grunde zwar logisch, aufgrund der Komplexität jedoch erst in der Darstellung mit dem Human Smart City-Modells offensichtlich, sodass sich Experten der entsprechenden Fachgebiete und die anderen relevanten Akteure zielführend austauschen können. Das Human Smart City-Modell mit den Layern und der Detaillierung im Wheel ist heute Bestandteil der Smart City-Überlegungen der Post und der Swisscom und auch bei der SBB in der Diskussion. Die analytische Trennung von Handlungsfeldern, Akteuren und Technik hat sich bereits als sehr hilfreich und in der konkreten Anwendung als äußerst praktisch erwiesen. Auf Basis einer gemeinsamen Sprache entsteht ein städteübergreifendes Verständnis. Dies entspricht auch dem Grundgedanken der (Human) Smart City: In einem Ökosystem bringen verschiedene Akteure - Behörden, lokale Wirtschaft, Konzerne, Bundesbetriebe, Start-ups und wissenschaftliche Institutionen - ihre Stärken ein und ergänzen einander. Denn die Stadt der Zukunft ist ein gemeinsames Projekt, das von vielen Händen getragen werden muss, wenn es gelingen soll. LITERATUR UND QUELLEN [1] Greenfield, A.: Against the Smart City (The City Is Here For You to Use Book 1). New York: Do Projects, 2013. [2] Hollands, R. G.: Will the Real Smart City Please Stand Up? In: City 12.3, 2008, pp. 303-320. DOI: 10.1080/ 13604810802479126 (Zugriff: 24.01.2018) [3] Vanolo, A.: Smartmentality: The Smart City as Disciplinary Strategy. In: Urban Studies 51.5, 2014, pp. 883-898. [4] Cohen, B.: The 3 Generations of Smart Cities. Inside the development of the technology driven city. In: Fastcompany 8.10.2015 (Zugriff: 24.01.2018). https: / / www.fastcompany.com/ 3047795/ the-3-generations-of-smart-cities (Zugriff: 24.01.2018). [5] Albino, V. et al. Smart Cities: Definitions, Dimensions, Performance, and Initiatives. In: Journal of Urban Technology, 22.1, 2015, pp. 3-21. DOI: 10.1080/ 10630732.2014.942092 (Zugriff: 24.01.2018). [6] Cohen, S.: The Sustainable City. New York: Columbia University Press, 2017. [7] Crawford, S., Goldsmith, S.: The Responsive City. Engaging Communities Through Data-Smart Governance. Hoboken: John Wiley & Sons, 2014. [8] Townsend, A. M.: Smart Cities. Big Data, Civic Hackers, And The Quest for a New Utopia. New York: W.W. Norton Inc., 2013. [9] Finger, M., Portmann, E.: Smart Cities - Ein Überblick. HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik 52.4 (2015), pp. 470-481. DOI: 10.1365/ s40702-015-0150-4 (Zugriff: 24.01-2018). [10] Beinrott, V.: Bürgerorientierte Smart City. Potentiale und Herausforderungen. Friedrichshafen: The Open Government Institute (TOGI), 2015. https: / / www. zu.de/ institute/ togi/ assets/ pdf/ TOGI-150302-TOGI- Band-12-Beinrott-Buergerorientierte-SmartCity-V1. pdf (Zugriff: 24.01.2018). [11] Dyer, M. et al.: Making Urban Design a Public Participatory Goal: Toward Evidence-based Urbanism. In: Proceedings of the Institution of Civil Engineers - Urban Design and Planning 170.2, 2017, pp. 173-186. DOI: 10.1680/ jurdp.16.00038 (Zugriff: 24.01.2018). Bild 4: Verschiedene Akteure - Behörden, lokale Wirtschaft, Konzerne, Bundesbetriebe, Start-ups und wissenschaftliche Institutionen - bringen ihre Stärken ein und ergänzen einander. © pixabay THEMA Die intelligente Stadt 67 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES Prof. Dr. Edy Portmann Universität Fribourg, Human-IST Institute, Förderprofessor der Schweizerischen Post Kontakt: edy.portmann@unifr.ch Stefan Metzger Programmleiter Smart City/ IoT, Post CH AG - Entwicklung und Innovation Konzern Kontakt: stefan.metzger@post.ch Prof. Dr. Matthias Finger EPFL, Chaire La Poste en management des industries de réseau MIR Kontakt: matthias.finger@epfl.ch Dr. Astrid Habenstein Leiterin Transdisciplinary Research Center Universität Bern, Smart Swiss Capital Region Philosophisch-historische Fakultät Kontakt: astrid.habenstein@histdek.unibe.ch Anja Riedle Programmleiterin Smart City, Schweizerische Bundesbahnen SBB Kontakt: anja.riedle@sbb.ch Res Witschi Leiter Corporate Responsibility, Swisscom AG Kontakt: res.witschi@swisscom.com AUTOR I NNEN [12] Finger, M., Portmann, E.: What Are Cognitive Cities? In: Finger, Matthias & Portmann, Edy (eds.). Towards Cognitive Cities. Advances in Cognitive Computing and Its Application to the Governance of Large Urban Systems. Springer International Publishing, Heidelberg, 2016, pp. 1-11. [13] Portmann, E., Riedle, A.: Smart Cities für Menschen. In: NZZ Yearbook Real Estate, 2017/ 18, pp. 152-153. [14] Michelucci, F. V., De Marco, A., Tanda, A.: Defining the Role of the Smart-City Manager: An Analysis of Responsibilities and Skills. In: Journal of Urban Technology 23.3, 2016, pp. 23-42. DOI: 10.1080/ 10630732.2016.1164439 (Zugriff: 24.01.2018). [15] Cohen, B.: The Smartest Cities In The World 2015: Methodology. In: Fastcompany 20.11.2014. https: / / w w w.fastcompany.com/ 30 47795/ the -3 -genera tions-of-smart-cities (Zugriff: 24.01.2018). [16] Jaekel, M.: Smart City wird Realität: Wegweiser für neue Urbanitäten in der Digitalmoderne. Wiesbaden: Springer Vieweg 2015. [17] Flitner, M. et al. (eds.): Infrastrukturen der Stadt. Wiesbaden: Springer VS, 2017. [18] Portmann, E. et al. Smarte Logistik- und Mobilitätslösungen für die Stadt der Zukunft: Entwicklungsbeispiele der Schweizerischen Post. In: Meier, A., Portmann, E. (eds.): Smart City - Strategie, Governance & Projekte. Heidelberg: Springer International Publishing, 2016, pp. 167-184. [19] Statistik der Schweizer Städte 2017, hg. vom Bundesamt für Statistik und vom Schweizerischen Städteverband. https: / / www.bfs.admin.ch/ bfs/ de/ home/ statistiken/ kataloge-datenbanken/ publikationen/ uebersichtsdarstellungen/ statistik-schweizer-staedte.assetdetail.321992.html (Zugriff: 24.01.2018). [20] Portmann, E.: Ideen für die smarte Stadt der Zukunft. In: Netzwoche 11, 2017. http: / / www.netzwoche.ch/ stor ys/ 2017- 07- 03/ ideen-fuer-die-smarte-stadtder-zukunft (Zugriff: 24.01.2018). [21] Curti Gialdino, C.: I Simboli dell ‘Unione europea. Bandiera - Inno - Motto - Moneta - Giornata. Roma: Istituto Poligrafico e Zecca dello Stato S.p.A., 2005. [22] Medienmitteilung der Schweizerischen Post vom 16.05.2017. SwissID - Einheitliche digitale Identität kommt auf den Markt: https: / / www.post.ch/ de/ ueber-uns/ unternehmen/ medien/ medienmitteilungen/ 2017/ swissid-einheitliche-digitale-identitaetkommt-auf-den-markt (Zugriff: 24.01.2018). [23] Medienmitteilung der Schweizerischen Post vom 21.11.2017. Effiziente und breit abgestützte Lösung für eine digitale Identität Schweiz: https: / / www.post.ch/ de/ ueber-uns/ unternehmen/ medien/ medienmit teilungen/ 2017/ ef f iziente -und-breitabgestuetzte-loesung-fuer-eine-digitale-identitaetschweiz (Zugriff: 24.01.2018). [24] Medienmitteilung der Schweizerischen Post vom 23.03.2017. Die Post und Swisscom spannen ein gemeinsames Netz für das Internet der Dinge: https: / / www.post.ch/ de/ ueber-uns/ unternehmen/ medien/ medienmitteilungen/ 2017/ die-post-und-swisscomspannen-ein-gemeinsames-netz-fuer-das-internetder-dinge (Zugriff: 24.01.2018). [25] Portmann, E., Metzger, S.: PostGrid: Das smarte Netzwerk der Schweizerischen Post für eine intelligentere Stadt. Informatik-Spektrum, 40.1, 2016, pp. 88-99. DOI: 10.1007/ s00287-016-1012-3 (Zugriff: 24.01.2018). 68 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Die intelligente Stadt Technische und soziale Systeme Verkehr wird oft als die „Ortsveränderung von Personen, Gütern und Informationen“ bezeichnet, Mobilität als die „Häufigkeit des Unterwegsseins“. Während Verkehrsplanung vorwiegend Verkehrsmittel und Verkehrsanlagen betrachtet, legt Mobilitätsplanung ein besonderes Augenmerk auf die Beeinflussung von Verkehrsteilnehmern. Verkehrsplanung orientiert sich in ihren Theorien eher an technischen Systemen, Mobilitätsplanung an sozialen. Verkehrsplanung betrachtet beispielsweise Kraftfahrzeuge, die von rational handelnden und berechenbaren Maschinenführern gelenkt werden oder Planungsprozesse, die wie ein technischer Regelkreis funktionieren. Jede Planerin und jeder Planer erfährt allerdings, dass oft nicht die „beste“ Ingenieurslösung zum Zuge kommt, sondern das, was Gesellschaft, Wirtschaft und Politik - oft nach kaum vorhersehbaren Kriterien - aushandeln. Die Mobilitätsplanung benötigt daher ein neues theoretisches Basismodell zur Beschreibung und zum Verständnis von nicht rational berechenbaren Handlungen. Dazu können wir auf die Theorie sozialer Systeme von Niklas Luhmann [1, 2] zurückgreifen. Luhmann beschreibt die moderne Gesellschaft als funktional differenziert: In der Neuzeit haben sich aus einem vormodernen Gesamtsystem (feudale Gesellschaft) gesellschaftliche Teilsysteme gebildet. Dies war notwendig, um der zunehmenden Komplexität der Gesellschaft gerecht zu werden. Wichtige Teilsysteme sind Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Recht, Religion und Kunst. Jedes dieser Systeme arbeitet nach einer eigenen inneren Logik, mit dem es auf äußere Einwirkungen reagiert. Das Wirtschaftssystem etwa betrachtet alles unter dem Blickwinkel des Geldverdienens. So bekommt man bei der Bank nur einen Kredit, wenn zu erwarten ist, dass man ihn auch zurückzahlen kann, und nicht etwa, weil man ein netter Mensch ist oder für ein ethisch sinnvolles Projekt Geld braucht. Wann ist smart wirklich smart? Anregungen zur smarten Mobilität aus Sicht der Systemtheorie Mobilitätsplanung, Smarte Mobilität, Systemtheorie, Systemsprung, Kommunikation, kooperatives Handeln Klaus Füsser In diesem Beitrag wird am Beispiel der Mobilitätsplanung dargelegt, dass Probleme der Mobilitäts- und Stadtentwicklung systemische Probleme sind, die grundsätzlich nicht mit neuen smarten (im Sinne von intelligenten und digitalen) Techniken zu lösen sind. Aktuelle Aufgaben beispielsweise zur Entwicklung nachhaltiger Mobilitätssysteme werden eher durch kooperative und faire Kommunikationsstrukturen und dementsprechende Handlungen bewältigt. Smarte Kommunikationsverfahren der Vernetzung und Organisation können dann darauf aufbauend Entwicklungschancen ermöglichen, etwa durch Sharing-Ökonomie, intelligente Regelung von Verkehrsströmen oder Kooperationen in sozialen Netzwerken. Wenn Probleme deutlich zu Tage treten, ist es kontraproduktiv im alten Modus zu verharren - in aller Regel sind dann Systemsprünge notwendig. Ein Eins-zu-Eins-Austausch von Systemelementen (beispielsweise Elektromotor statt Verbrennungsmotor) reicht dazu nicht aus. © pixabay THEMA Die intelligente Stadt 69 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES Mobilität können wir nicht gänzlich einem der obigen Teilsysteme zuordnen. Güterverkehr könnte man als Teilsystem der Wirtschaft (Logik des Teilsystems: Geld) betrachten, ebenso wie den Personenverkehr als Berufs-, Geschäfts- und Einkaufsverkehr. Der Freizeitverkehr jedoch, der mehr als die Hälfte aller Verkehrsleistungen im Personenverkehr ausmacht, ist eher ein Teilsystem der Gesellschaft (Logik des Teilsystems: Anerkennung) 1 . Welchem System Mobilität nun zugeordnet ist, hat erheblichen Einfluss auf Strategien der Mobilitätsplanung und des Mobilitätsmanagements. Während im Wirtschaftssystem das Ziel meist möglichst schnell erreicht werden soll, kann im Gesellschaftssystem der Weg mit seinen Erholungs- und Erlebniseffekten selbst zum Ziel werden. Der Hinweis „Der Weg ist das Ziel“ ist im Stau des motorisierten Berufsverkehrs unpassend, im Freizeitradverkehr auf einer landschaftlich reizvollen Route jedoch sinnvoll. Mobilitätssysteme werden auch kaum auf Appelle einer ökologischen oder ethischen Dimension reagieren. Sie können als Teilsysteme der Wirtschaft allerdings über Reisezeiten und Reisekosten angeregt werden, in der gesellschaftlichen Dimension über Lebensstilvorschläge und Imagewerte. Die Struktur von Systemsprüngen Wenn ein soziales System von seiner Umwelt irritiert wird, reagiert es in seiner eigenen Logik auf diese Herausforderung. Dies funktioniert in der Regel gut, solange Art und Intensität der Störung dem System bekannt sind. Es kann diese leichten Irritationen sinnvoll verarbeiten. Bei außergewöhnlichen Störungen oder in Situationen, in denen die Eigenlogik des Systems sich von seiner Umwelt so weit entfernt hat, dass es deren Informationen/ Störungen nicht mehr versteht, kann ein System in eine Krise geraten, die ggf. sogar zur Zerstörung des Systems führt (zum Beispiel Dauerstau, Treibstoffverknappung, Klimawandel). Bisherige Lösungsansätze funktionieren nicht mehr, neue Lösungen sind noch nicht vorhanden oder werden noch nicht erkannt, manchmal werden altbekannte Lösungsansätze selbst zum Problem, da „ein immer mehr desselben“ ein System in immer größere Krisen treiben kann (Aufschaukeln des Systems). In der Managementtheorie würde man von einem Lock-in eines Entwicklungspfades sprechen [3]. Lock-in bedeutet, dass die alten Kausalitäten „Wenn das geschieht, mache das“ nicht mehr funktionieren. 1 Teilsystem Gesellschaft: Bei Luhmann [1] ist Gesellschaft das Gesamtsystem, das die Teilsysteme Politik, Wirtschaft usw. beinhaltet. Für unsere Zwecke ist es sinnvoll, zusätzlich eine „kleine Gesellschaft “ als Teilsystem einzuführen. Wenn ein System an eine Grenze gekommen ist, sind Lösungsansätze notwendig, die einen Systemsprung ermöglichen. Lösungsstrategien können sich dann deutlich von dem unterscheiden, was bisher als Lösung funktioniert hat. Oft spricht man dann von Lösungen 2. Ordnung [4], nämlich Lösungen, die den bisherigen Rahmen sprengen. Ein anregendes Konzept zur Beschreibung der Struktur des Systemsprungs (siehe Beispiel) findet man bei Staemmler und Bock [5]. Vom Dorf zum Städtenetz Bis zum Mittelalter war Verkehr ein Verkehr der kurzen Wege, in der Stadt fußläufig und auch im Umland meist auf die Entfernung von einer halben Phase 1: Stagnation Bisher hat alles funktioniert. Nun tauchen Probleme und Konflikte auf. Das bisherige Handlungsrepertoire zur Steuerung eines Systems funktioniert nicht mehr. Phase 2: Polarisation Man probiert etwas Neues aus, oft das Gegenteil vom Alten. Vertretern von Altem stehen Vertreter von Neuem gegenüber. Mal setzt sich die eine Seite durch, mal die andere. Es entsteht eine Pattsituation. Oft wird heftig gerungen und gestritten. In der Gesamtbilanz verändert sich jedoch wenig. Phase 3: Diffusion Das System schaukelt sich auf, die Konflikte nehmen zu und dies trotz allen Agierens. Es ist eine Phase der Ratlosigkeit. Niemand weiß mehr, wie den Problemen beizukommen ist. Phase 4: Kontraktion Die Situation kann sich noch weiter zuspitzen. Es gibt offensichtlich zur Zeit keine Lösungsmöglichkeit. Letztendlich bleibt nichts anderes übrig, als die Ratlosigkeit zu akzeptieren. In dieser Phase ist es sinnvoll, sich ganz auf das notwendige Alltagsgeschäft zu beschränken, in Kommunikation mit allen wichtigen Akteuren zu bleiben (vor allem auch mit denen, die man bisher als Verursacher des Problems betrachtet hat). Wenig sinnvoll ist es, Großprojekte oder groß angelegte Aktionen durchzuführen. Hilfreich ist oft, viele Verbesserungen in kleinem Maßstab auszuprobieren und zu evaluieren. Phase 5: Expansion Nach dem Phasenmodell folgt der Kontraktion die Expansion. „Am Horizont dämmert eine unerwartete Lösung auf “. Die alte Struktur wird überwunden und das System springt auf eine neue Ebene. BEISPIEL: STRUKTUR UND PHASEN DER VERÄNDERUNG 70 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Die intelligente Stadt bis ganzen Tagesreise zu Fuß begrenzt. Städte konnten in dieser biologischen Ordnung 2 nur so groß werden, wie das Umland sie versorgen konnte. Das heißt auch, dass ein Verkehrssystem so leistungsfähig sein musste, dass Waren schnell genug (um nicht zu verderben) und effektiv genug (um Transporteure und Zugtiere zu versorgen) in die Stadt gelangen konnten. Mit der Industrialisierung und dem Eisenbahnverkehr wuchsen Städte entlang der Schienenwege, mit dem Kraftfahrzeugverkehr und entsprechender Straßeninfrastruktur noch einmal und vor allem in der Fläche. Im sogenannten „Scrambled Egg City Model“ 3 wird dies beschrieben (Bild 1). Mit einer neuen Phase der Globalisierung entstehen weltweite Verkehrsbeziehungen, die globale Urbanisierung nimmt weiter zu, aus Millionenstädten 2 Biologische Ordnung: Diesen Begriff habe ich von Robert B. Marks übernommen, der sich auf Fernand Braudel bezieht und damit das Zusammenspiel von Stadt und Land in der vorindustriellen Zeit beschreibt. 3 nach Cedric Price, britischer Architekt 1934-2003. werden Megastädte und Städtenetze. Heute werden Siedlungen, die ans globale Verkehrsnetz angeschlossen sind, über weltweite Verbindungen ver- und entsorgt. Diese Veränderungen der Stadtstruktur in Abhängigkeit von den zur Verfügung stehenden Verkehrsmitteln können als Systemsprünge eines Siedlungs-Verkehrssystem interpretiert werden. Während in der BRD in den letzten Jahren in vielen Bereichen der Wirtschaft die CO 2 -Emissionen trotz Wirtschaftswachstum deutlich sanken 4 , sind im Verkehrssektor kaum Einsparungen zu verbuchen. Dies liegt neben anderem an der Zunahme europäischer Ost-West-Verkehre sowie globaler (Güter-)Verkehre seit den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts. Heute wird eine geringe Erhöhung des Wirtschaftswachstums mit stark überproportionalem Gütertransport bezahlt 5 . Im Personenverkehr ist die Lage auf einen andere Art unbefriedigend: Während auf der einen Seite ein Markt für emissionsärmere Personenkraftwagen und emissionsfreie Fahrräder etabliert wurde, entwickelte sich der Verkauf von wenig nachhaltigen SUVs (Sport Utility Vehicles) deutlich überproportional. So lässt sich Mobilität heute mit der Phase der Polarisation innerhalb der Struktur der Veränderung beschreiben. Kräfte stehen sich gegenüber, es geschieht „Positives“ und „Negatives“, in der Gesamtschau bleibt es allerdings beim Patt. Der aktuelle „Dieselskandal“ deutet darauf hin, dass das 4 Daten VIZ 2017/ 2018 [6]: 2005: Straßenverkehr: 160 Mio. t CO 2 Haushalte und Kleinverbraucher: 159 Mio. t CO 2 2015: Straßenverkehr: 159 Mio. t CO 2 Haushalte und Kleinverbraucher: 127 Mio. t CO 2 5 Transportindex: Das Umweltbundesamt verwendet den Transportindex zur Beurteilung der Effektivität eines Transportsystems. Der Transportindex ist der Quotient aus Verkehrsleistung und Bruttoinlandsprodukt. In der BRD nimmt im Personenverkehr der Index ein wenig ab, im Güterverkehr stark zu. Bild 1: Scrambled Egg City Model nach Cedric Price. © Klaus Füsser Bild 2: Sammeltaxi der Zukunft? Teilautonomes Testfahrzeug. © Klaus Füsser Das Ei in der Schale: Die fußläufige Stadt mit Stadtmauer im Mittelalter Das Spiegelei: Die stark entlang der Schienenwege gewachsene Stadt im Eisenbahnzeitalter Das Rührei: Die flächenhaft zersiedelte Stadt im Zeitalter des Autoverkehrs THEMA Die intelligente Stadt 71 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES Mobilitätssystem (zumindest in Europa und für den Bereich des MIVs (Motorisierter Individualverkehr)) in eine Phase der Diffusion oder Kontraktion eingetreten ist. Hier entscheidet sich dann wahrscheinlich, ob ein Systemsprung gelingt oder das System im Alten verhaftet bleibt und untergeht [7]. Mögliche Mobilitätsstrukturen nach einem Systemsprung Seit der Einführung weltweiter individuell genutzter Kommunikationsnetze (inkl. Smartphone) besteht die Möglichkeit, dass Stadt-Verkehrssysteme auf eine neue Ebene springen. In dreißig Jahren könnte Mobilität wie folgt aussehen: Sie bestellen per App ein Fahrzeug zu Ihrem Standort. Dieses fährt autonom aus einem nahe liegenden Parkhaus vor. Sie haben ein Einpersonenfahrzeug gewählt, hätten jedoch auch eine selbstfahrende Sammeltaxe bestellen können, die auf Ihrem Weg noch weitere Personen mitnimmt. Der Verkehr ist gering, so entscheiden Sie sich das Fahrzeug selbst zu steuern. Das Fahrzeug wird elektrisch mit Batterien betrieben, die sich bei Wartepflicht an Lichtsignalanlagen per Induktionsschleifen aufladen. Da der Verkehr nun dichter wird, wechselt das Fahrzeug von sich aus in den autonomen Modus, um sich mit anderen Fahrzeugen zu koordinieren. Im Besonderen auf der Stadtautobahn werden die Fahrzeuge dann mit engem Abstand gekoppelt, was zu einer deutlichen Erhöhung der Leistungsfähigkeit führt. Private Kraftfahrzeuge sind selten geworden, obwohl sich viele Privatpersonen im Freundeskreis oder mit der Nachbarschaft ein gemeinsames Fahrzeug teilen. Im Stadtviertel wird viel Mobilität zu Fuß, per Rad oder E-Bike - oft mit Witterungsschutz und großem Gepäckbehälter - abgewickelt. Die Stadt der kurzen Wege ist im Stadtteil Wirklichkeit geworden, unter anderem auch, da dezentral ein Teil des Gemüseanbaus in Urban-Farming-Glashochhäusern stattfindet, auch ist eine Kleinindustrie auf der Basis von 3-D-Druckern und Recylingprozessen entstanden. Autoverkehr findet in aller Regel in der Region statt, ab 150 km Entfernung benutzt man meistens den gut - auch im ländlichen Raum - ausgebauten Schienenverkehr, am Zielort kann unproblematisch in ein autonomes Sharing-Fahrzeug umgestiegen werden. Flugverkehr findet nur noch über große Entfernungen statt - der Hochgeschwindigkeitsschienenverkehr bis 2000 km ist konkurrenzlos günstig. Auf den Autobahnen verkehren lange Schlangen gekoppelter PKWs und LKWs im mittleren Geschwindigkeitsbereich, denn für lange Strecken wird der deutlich optimierte und beschleunigte Schienengüterverkehr bevorzugt. Der städtische Güterverkehr der letzten Meile wird oft mit Lastenfahrrädern oder autonom fahrenden Kleinfahrzeugen abgewickelt. Zudem ist ein flächendeckendes Netz von Packstationen für Online-Bestellungen entstanden. Supermärkte und Warenhäuser werden nachts durch die ultraleisen autonomen Lastcontainer bedient. Auf den Autobahnen werden Fahrzeuge mittels in der Fahrbahnoberfläche eingelassener Stromschienen mit Energie versorgt, während sich zugleich die Batterien der Fahrzeuge aufladen. Mobilitätskosten werden monatlich abgerechnet und vom privaten Konto abgebucht. Viele Städte bieten ihren Bürgern eine günstige Mobilitätsflatrate für den regionalen Bereich an. Da die meisten Fahrzeuge Sharingfahrzeuge sind, hat der Fahrzeugbesitz von 500 PKW/ 1000 Einwohner auf 50 abgenommen. Straßenraumparken hat sich dadurch beinahe erübrigt und auch Verkehrsbelastungen im Straßenraum sind deutlich reduziert. Autofahrer haben sich an das gemeinsame Fahren in jeder Zeit verfügbaren autonomen Sammeltaxen gewöhnt. Der Besetzungsgrad von PKW-ähnlichen Fahrzeugen ist von 1,3 auf fast 3 gestiegen (Bilder 2 und 3). Stadt und Kommunikation Soziale Systeme agieren allein über Kommunikation [1, 8]. Kommunikation bedeutet Austausch mittels Sprache, Schrift und anderer Medien ebenso wie durch Güter- und Warenaustausch, Finanztransaktionen oder Energieflüsse. Stadt und Mobilität werden durch diese Kommunikationen geregelt. Städte entstehen, indem Menschen gemeinsam einen Ort entwickeln, der größer, dichter und heterogener als ein Dorf ist und zudem Markt und Regierungssitz wird. So entstehen neue Formen der Kommunikation, über die die Stadt vom Umland versorgt wird und zugleich sich und das Umland strukturiert. Dabei ziehen Menschen, die ihre dörfliche Eingebundenheit aufgeben, in die Stadt und treffen dort auf Menschen, die ihnen fremd sind. Mit diesen Fremden, die aus anderen Dörfern, Regionen, Milieus und Kulturen kommen, müssen sie nun ein neues soziales Miteinander entwickeln. Dies geschieht über Kommunikation. Gelingt diese nicht, scheint Bild 3: Elektrisch betriebener Streetscooter der Deutschen Post: Einstieg in einen nachhaltigen Lieferverkehr der letzten Meile? © Füsser 72 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Die intelligente Stadt Integration [9] nicht möglich. Oft ziehen Fremde deshalb auch anfangs in die Stadtteile, in denen sie Netzwerke von Verwandten und Landsleuten finden, um zur neuen Welt besseren Zugang zu finden. Gelingt es nach einiger Zeit Wohlstand zu erreichen, scheint Integration gelungen. Oft zieht man dann Bild 5: Verknüpfungspunkt im ländlichen Raum. © Füsser in besser angesehene Stadtteile. Verbleibt man jedoch in ärmlichen und an den Rand gedrängten Strukturen, verstärken sich konservative Einstellungen. Man lebt dann in einer modernen Großstadt im Stil längst vergangener Zeiten einer idealisierten Heimat. Integration ist dann nicht gelungen. Voraussetzung für die Integration von Fremden ist die Möglichkeit zu Gelderwerb und gesellschaftlichem Aufstieg. Funktionstüchtige Wohn-, Verkehrs-, Bildung- und Sozialsysteme sind dafür notwendig. Die Stadt entsteht und lebt durch gelungene Kommunikation. Bei vielen Stadt- und Mobilitätsprojekten gelingt diese Kommunikation jedoch nicht mehr (vgl. beispielsweise das Scheitern des Bebauungskonzeptes Tempelhofer Feld in Berlin). Hinter formal rationalen Begründungen in Planungsprozessen stehen oft mehr oder weniger unbewusste Eigeninteressen aus Politik, Wirtschaft und Planung und damit eine Unehrlichkeit, gegen die viele Betroffene verständlicherweise emotional und „postfaktisch“ rebellieren. Pankaj Mishra beschreibt in seiner Analyse der Gegenwart „Das Zeitalter des Zorns“ Ursachen dieser Entwicklung [10]. Er weist dabei auf „blinde Flecken“ westlicher Eliten hin. Letztendliche Ursachen sieht Mishra darin, dass ganze Kulturen bzw. Bevölkerungsgruppen mit ihrem Selbstverständnis keinen Platz mehr in einer modernen Welt gefühlsloser Rationalität, übermächtiger Kapitalinteressen und sinnlosem Konsum finden. Jürgen Habermas schlägt in seiner „Theorie des Kommunikativen Handelns“ [2] nun eine hilfreiche Kommunikationskultur vor. Kommunikation muss „ehrlich“ sein, man muss das sagen, was man meint. Im Dialog können dann intersubjektive (nicht etwa objektive! ) Wahrheiten gefunden werden, d. h. Ergebnisse festgelegt werden, mit denen alle Beteiligten leben können. Dadurch wird erreicht, dass die gemeinsam erarbeiteten Ergebnisse von allen getragen und nicht etwa hinten herum torpediert werden. Dieses kooperative Handeln 6 unterscheidet sich vom konkurrierenden strategischen Handeln. Es setzt sich das durch, was für alle angemessen ist und nicht das, was eine Mehrheit bestimmt oder gar eine starke Minderheit erzwingt. 6 Kooperatives Handeln: Wenn hier von Kooperation oder kooperativem Handeln gesprochen wird, meint dies ein faires Handeln, was auf eher partnerschaftlichen Strukturen des Miteinanders aufbaut und einen gerechten Interessensausgleich sucht. Rein theoretisch sind natürlich auch autoritäre Verfahren kooperativ, wenn nämlich die eine Seite befiehlt und die andere willig ausführt. Auch Kommunikation ist nicht per se fair und partnerschaftlich. Habermas´ Kommunikatives Handeln geht jedoch davon aus, dass in modernen freiheitlichen Gesellschaften Kommunikation so zu verstehen ist (bzw. so verstanden werden soll). Bild 4: Nonverbale und verbale Kommunikation in der Stadt. © Füsser THEMA Die intelligente Stadt 73 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES Moderne und weltoffene Städte müssen auch in der Kommunikation einen Systemsprung wagen und städtebauliche und verkehrliche Planung kooperativ entwickeln. Bürger dürfen nicht nur informiert werden, sie müssen ihre Interessen auch in Planungsprozesse einbringen. Dies ist notwendig, damit Beteiligte sich mit Projekten identifizieren und sich für das Gemeinwohl in städtischen Räumen verantwortlich fühlen. Dieser Kommunikationsprozess muss klar strukturiert sein. Aufgaben, Verantwortungen, Mitsprachemöglichkeiten sind deutlich zu definieren. Dabei müssen alle relevanten Akteure sinnvoll in Planungsprozesse eingebunden werden. Dazu sind auch Kommunikationsformen jenseits des bekannten Repertoires notwendig. Digitale Kommunikationsangebote sind dabei hilfreich, wenn sie bisher planungsferne Akteure einbinden können und/ oder aktiven Akteuren den Zugang erleichtern. Schlechte Beteiligungsverfahren nur „smart“ aufzuhübschen ist im Sinne gelungener Kommunikation und kooperativen Handelns hingegen kontraproduktiv. Verfahren der Beteiligung müssen weiterentwickelt und dann auch formal in Planungsverfahren integriert werden. Dazu können die Veröffentlichungen von Schulz von Thun zum „Miteinander reden“ erste Anregungen geben [11]. Heute steht herkömmlicher Planung im Top-Down-Modus 7 oft Gegenplanung im Bottom-Up-Modus entgegen. Planungsverfahren könnten durch faire und kooperative Kommunikationsverfahren auf eine höhere Systemebene springen und aktuelle Prozesse des Gegeneinanders überwinden. Fazit und Ausblick Rein technische Ansätze smarter Mobilität möchten unter anderem durch Informationsvernetzung, verkehrstechnische Regelungen, Unfall vermeidende automatisierte Fahrzeugtechniken und Energieeffizienz Mobilitätssysteme in nachhaltigere Bereiche lenken. Lösungsansätze dieser Art funktionieren wahrscheinlich nicht, da sie - ähnlich wie ein forcierter Straßenbau - Lösungen eines „immer mehr desselben“ sind. Sie werden Probleme von Mobilitätssystemen, die bereits an ihrer Grenze agieren, in ihrem Dilemma belassen. Verbesserungen in der Leistungsfähigkeit werden fast immer durch Rebound-Effekte 8 aufgehoben. Sinnvoll sind dagegen 7 Top-Down und Bottom-Up: Top-Down meint „Regieren von Oben“ , etwa durch hierarchische Verwaltungsstrukturen, Bottom-Up meint „Regieren von Unten“ etwa durch den Druck der Öffentlichkeit. 8 Rebound-Effekt: Ein Beispiel: Autonome Fahrzeuge steigern die Leistungsfähigkeit von Straßen. Autofahren wird attraktiver. Der Fahrzeugkauf und/ oder die Fahrzeuganmietung steigt, Gewinne in der Leistungsfähigkeit werden aufgezehrt. Maßnahmen, die Mobilitätssysteme unterstützen, notwendige Systemsprünge zu vollziehen. Ansatzpunkte dazu könnten Multimodalität, Sharing-Ökonomie sowie regionale - mit Mobilitätssystemen gekoppelte - regenerative Energie- und Produktionssysteme sein. Hybride Verkehrssysteme (Mischsysteme von MIV und ÖPNV) könnten den klassischen MIV und ÖPNV ablösen. Ökonomisch erfolgreiche Mischsysteme sind in der Stadt und sogar auf dem Land denkbar (Bild 5). LITERATUR [1] Luhmann, N.: Die Gesellschaft der Gesellschaft. Frankfurt am Main, 1998. [2] Rosa, H., Strecker, D., Kottmann, A.: Soziologische Theorien. Konstanz, 2007, S. 130-150, S. 173-215. [3] Steinmann, H., Schreyögg, G.: Management. Grundlagen der Unternehmensführung. Wiesbaden, 2005, S. 262. [4] Watzlawick, P., Weakland, J. H., Fisch, R.: Lösungen. Zur Theorie und Praxis menschlichen Wandels. Bern, 1974. [5] Staemmler, F.-M., Bock, W.: Ganzheitliche Veränderung in der Gestalttherapie. Köln, 2004. [6] Bundesministerium für Verkehr (verschiedene Jahrgänge): VIZ (Verkehr in Zahlen). Bonn bzw. Berlin. [7] Grabitz, M.: Das Autozeitalter geht zu Ende. Gespräch mit Elzbieta Bienkowska (EU-Kommissarin für Industrie). Tagesspiegel vom 20.11.2017. [8] Füsser, K.: Mobilitätsplanung und Systemtheorie. In: Forum Geo-Bau 7. Berlin, 2016, S. 71-84. [9] Saunders, D.: Arrival City. München, 2011. [10] Mishra, P.: Das Zeitalter des Zorns. Eine Geschichte der Gegenwart. Frankfurt am Main, 2017. [11] Schulz von Thun, F.: Miteinander reden 1-3. Reinbek bei Hamburg, 1981, 1989, 1998. Bauassessor Klaus Füsser Lehrbeauftragter Verkehrswesen Fachbereich III Bauingenieur- und Geoinformationswesen Beuth Hochschule für Technik Berlin Kontakt: kfuesser@beuth-hochschule.de AUTOR 74 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Die intelligente Stadt Religion Sobald der Mensch ein Bewusstsein hat, beginnt er zu fragen, immer weiter, nach den letzten Dingen, nach dem Tod, nach dem Leben, nach Gott. Entsprechend gibt es Religionen seit der Steinzeit und sie prägen nicht nur ganze Gruppen von Menschen und Kulturen, sondern auch Stadtbilder: Sakrale Gebäude wie Kirchen, Moscheen, Synagogen und Tempel bildeten durch Ihre zentrale Bedeutung der Gläubigen attraktive Siedlungszellen. Je bedeutender eine religiöse Stätte, desto mehr Handwerker werden benötigt um neue repräsentative Bauten zu errichten und bestehende zu erhalten. Mit dem Wachstum der Tempelanlagen wächst auch der Bedarf an Klerikern und Bediensteten: Die erhöhte Nachfrage an Nahrungsmitteln und allerlei luxuriöser Güter erschafft einen hervorragenden Handelsplatz. Die Entwicklung großer Städte kann in vielen Fällen mit einem kulturell-religiösen Zentrum erklärt werden. Der Lauf der vergangenen Jahrtausende hat gezeigt, dass viele religiöse Zentren auch Zentren der weltlichen Macht werden können: wie Digitalisierung - ein unaufhaltsamer Megatrend Teil 1: Die altbekannten Megatrends Religion, Geld und Imperien prägen seit Jahrtausenden die Stadtentwicklung Megatrends, Religion, Imperien, Geld, Verstädterung, Thomas Dandekar, Martin Kaltdorf Welche Megatrends liegen der Entwicklung zur „intelligente Stadt“ zu Grunde. Megatrends haben die interessante Eigenschaft, unaufhaltsam und über alle Zeiten hinweg zur Vereinheitlichung der Menschen und Ihrer Sichtweise beizutragen. Drei wichtige Megatrends nach Harari [1] sind das Geld, die Religion und Imperien: Alle diese Dinge bringen die Menschen dazu, gleich zu handeln, gemeinsam zu denken und den gleichen Zielen nachzujagen, ihr Leben nach den Vorgaben der Religion, des Geldes oder von großen Herrschern eines Imperiums auszurichten. beispielsweise ein Kloster mit zugehörigen Wirtschaftsgebäuden als Keimzelle eines Dorfes, oder eine Stadt mit Kirchplatz und Kirche sowie Markt, oder die Judenviertel oder Judengetthos in mittelalterlichen Städten. Imperien Der menschliche Drang nach einem Mehr an Bedeutsamkeit, nach einer gewissen Macht über die Welt zu bestimmen und den Lauf der Dinge zu verändern, führt seit Menschengedenken zu einer Vereinigung unterschiedlichster sozialer Gruppierungen. In einigen Fällen geschieht dies unter gegenseitigem Einverständnis, da sich beide Gruppen einen Vorteil erhoffen - in den allermeisten Fällen jedoch geschieht dies durch kriegerische Aktionen eines Volkes gegen ein anderes, was die vormals herrschende Klasse der unterlegenen Gruppe ablöst, um sich die Bevölkerung selbst untertan zu machen. Seit dem Auftreten der ersten antiken Hochkulturen um 400 v. Chr. hat sich diese Tendenz immer und immer wieder durchgesetzt und jeder Niedergang einer Hochkultur machte Platz für die Entstehung eines nachfolgenden Imperiums. Dies hat dazu geführt, dass eine große Mehrzahl der Menschen in den vergangenen sechs Jahrtausenden unter der Herrschaft einer imperialen Regierung lebte - und die imperiale Herrschaft somit als die vorherrschende Staatsform der letzten 6000 Jahre gilt. Die multikulturellen Einflüsse der unterschiedlichen Völker, die innerhalb eines Imperiums vereint sind, ermöglichen einerseits eine ansonsten unmögliche Innovation, die durch diverse kulturelle Einflüsse begünstigt wird und sie führen zu einer Blütezeit von Handel, Forschung, Fortschritt und Wohlstand (zumindest in großen Teilen der Bevölkerung). Andererseits können interne Uneinigkeiten zwischen den Völkern des Imperiums die Stabilität eines Imperiums nachhaltig beeinträchtigen. Auch externe Kräfte, vor allem in Form von feindlichen Mächten, stellen zusätzlich eine Gefahr für ein bestehendes Imperium dar, das unter Umständen bereits im internen Verfall begriffen ist. Der Niedergang nicht weniger Imperien ist auf ein kombiniertes Auftreten von internen Uneinigkeiten und Zerfall und invasiven feindlichen Imperien zurückzuführen: Beispiele hier sind der Zerfall des mesopotamischen Großreiches, ausgelöst durch die Eroberungszüge Alexanders des Großen, sowie der Niedergang des Römischen Imperiums durch die Völkerwanderung (insbesondere: Vandalen plündern Rom 455 v. Chr). Ein Imperium durchläuft mit der Zeit unterschiedliche Stadien, die sich stark in Hinblick auf in- THEMA Die intelligente Stadt 75 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES terne Stabilität und Einigkeit der Regierenden und regierten Bevölkerung unterscheiden: Beginnend mit der Errichtung eines Imperiums durch eine kleine Gruppe mit regionaler Macht vergrößert sich das Reich zunehmend. Meist steht schon hier eine Gründungsstadt im Zentrum (zum Beispiel: Rom und die Römer; Griechenland und ihre Stadtstaaten wie Athen und Sparta). Die unterschiedlichen kulturellen Hintergründe begünstigen die Entwicklung einer eigenen Kultur, die sich an der Kultur des Ursprungsvolkes orientiert, aber durch alle unterwerfenden Völker beeinflusst und ergänzt wird. Die Kultur des Imperiums wird von den unterworfenen Völkern angenommen, was zu einer vorrübergehenden großen Einigkeit führen kann. Durch den gleichen Glauben und die gleichen Wertvorstellungen fordern die unterworfenen Völker Gleichberechtigung ein, was nach und nach mit einem Machtverlust der Gründervölker einhergeht. Unabhängig von dem Gründervolk entwickelt sich die Kultur des Imperiums weiter und blüht. Neue Städte und Stadtwachstum entstehen durch den Anspruch eines Imperiums, die erlangte Macht zu erhalten und zu repräsentieren. Dies begünstigt die Entstehung von großen Siedlungen an wichtigen Verkehrswegen, die sich zu großen Handelsplätzen entwickeln. Je größer ein Weltreich, desto wichtiger wird eine effektive Organisation: Informationsaustausch mit den entlegensten Winkeln des Reiches ist unabdingbar für eine effektive Erhaltung des Imperiums; und die Versorgung mit notwendigen Gütern muss sichergestellt sein. An strategisch wichtigen Stellen werden Stützpunkte errichtet, die sich schnell zu wichtigen Handelsplätzen weiterentwickeln. Durch die gute Versorgungsmöglichkeit siedeln sich weitere Menschen an. Imperien fördern damit Stadtgründungen und Städte, insbesondere Stadtgründungen an strategischen Verkehrswegen bewirken rapides Wachstum. Rom war beispielsweise die erste Millionenstadt in der Blütezeit des römischen Imperiums. Imperien formen in ihren Groß- und Hauptstädten Prunkgebäude (Schlösser, Paläste, Verwaltungsgebäude, Hochhäuser, Ministerien....) und Prachtstraßen sowie Verwaltungszentren, Kasernen, Arbeiter- und Industrieviertel, Häfen und Handelsviertel. Viele dieser Gebäude, wie Paläste, Verwaltungsgebäude, Tempel, usw. prägen bis heute das Bild solcher zentralen Städte von Imperien (alte: Rom, Athen; neue: Washington, New York, Moskau, Peking ...) Doch auch in den Provinzen der Imperien werden regionale Regierungssitze an strategisch ausgezeichneten Stellen benötigt, welche einerseits die Einhaltung der Gesetze beaufsichtigen und andererseits in jedem Winkel des Reiches die Macht und den Reichtum der Regierung und des Imperiums repräsentieren sollen. Viele heutige europäische Großstädte begründen ihre Wurzeln auf ihre wichtige Rolle als Teil des antiken römischen Weltreichs. Weitere Beispiele: die Stadtgründungen Alexanders des Großen oder, im Zeitalter des Hellenismus, Alexandria, 331 v. Chr. gegründet, heute Millionenstadt in Ägypten. Teheran, eine persische Stadtgründung, im Jahr 874 erstmals erwähnt, wurde durch unterirdische Siedlungen nach der Zerstörung der ehemals größeren Nachbarstadt Ray wichtig, ein Markt und der Obstexport festigten diese Stellung. Eine Zitadelle mit Mauer (1524) war der Grundstein zum Golestanpalast, sukzessive Vergrößerungen erfolgten immer, wenn ein Herrscher die Stadt als Residenz nutzte. Heute hat Teheran 8,7 Mio. Einwohner; in der umgebenden Metropolregion sind es 20 Mio. Ein sehr schönes Beispiel für ein Empire ist das Moghul-Imperium in Indien, dort speziell die Hauptstadt Delhi: zunächst nach Kaiser Ashoka, afghanisch, türkisch regiert, 1200 durch Ghori gefestigt und ab 1526 durch Babur das Zentrum des Moghul- Imperiums. Das ging 1707 zu Ende, aber die Stadt ist mit 11 Mio. Einwohnern (26 Mio. mit Umland) nach Mumbai die zweitgrößte Stadt Indiens und wird Schätzungen zu Folge ab 2050 sogar die größte Stadt der Welt sein (mit 100 Mio. Einwohnern). Geld Geld regiert die Welt - eine Regel, die heutzutage kaum einer anzweifelt. Denn Geld bestimmt über die Macht, die einzelne Menschen und Institutionen besitzen. Die Entwicklung des Geldes zeigt aber, dass dem nicht immer so war. Die Bedeutung von Geld hängt seit jeher stark von der Kultur und der jeweiligen gesellschaftlichen Entwicklungsstufe eines Volkes ab. Als Beginn dieser Entwicklung kann man den Tauschhandel in kleinen Gemeinschaften ansehen: Mit einem guten Überblick über die verfügbaren Waren und einem persönlichen Vertrauensverhältnis zwischen den Handelspartnern lässt sich der jeweils relative Preis der einen Ware in Bezug auf eine andere zur gegenseitigen Zufriedenheit einschätzen. Eine dörflich, familiäre Gemeinde, in der gerade Eier im Überschuss vorhanden sind, aber kein Getreide zum Brotbacken, konnte übereinkommen, wie viele Eier welcher Menge Korn entsprechen. Doch mit zunehmender Verstädterung und Spezialisierung auf einzelne unterschiedliche Berufszweige kann nicht der Wert einer Ware mit dem einer an- © pixabay 76 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Die intelligente Stadt deren aufgerechnet werden, da schließlich für jede Kombination eines Warenaustauschs ein anderer Umrechnungskurs gültig wäre. Auch eine Dienstleistung, die keinen Warenwert besitzt, muss dem Dienstleister bezahlt werden. Um Handel zu ermöglichen, wurden unabhängig voneinander weltweit allgemein gültige Zahlungsmittel entwickelt. Dieses Bezahlsystem ermöglichte den einfachen Handel mit einer Vielzahl von Waren sowie den überregionalen Handel. Anfangs galten geeignete Naturalien als Zahlungsmittel, wie das Kauri-Geld, Kakaogeld oder Getreidekörner, deren Wert festgelegt war und so als einzige Referenz den Handel erleichterte. Eine Grundlage für ein gutes Zahlungsmittel war die Unverderblichkeit - denn Geld, das vergeht, ist keinem etwas wert. Die Naturalien die als Geld verwendet wurden, waren in begrenzter Menge vorhanden und behielten deshalb ihren Wert bei. Der nächste Schritt der Entwicklung war die Bezahlung mit ansonsten wertlosen Materialien, die also nicht im täglichen Leben aufgebraucht wurden: Metalle, die als Werkzeuge zu weich waren, wie Gold und Silber. Da jedoch jeder Handel einer genauen Abmessung des Geldwertes bedurfte und ohne festgeschriebene Einheiten das Gewicht bestimmend war, war jede Tauschaktion mit einem gewissen Aufwand verbunden: Die Ware musste abgewogen werden und der entsprechende Geldwert ebenso. Dies führte in vielen Kulturen dazu, dass Herrscher Münzen mit einem festgelegten Materialgewicht und -wert prägen ließen. Es zeigt sich hier in jedem Entwicklungsstadium, dass das Vertrauen der Menschen in die Wertigkeit des Geldes von außerordentlicher Wichtigkeit war, da ansonsten das ganze System zusammengebrochen wäre. Dies war auch ein Grund, warum Münzfälschung als eines der schlimmsten Verbrechen betrachtet wurde, da hiermit das Vertrauen in den Herrscher selbst in Mitleidenschaft gezogen wurde, der für den Wert einer jeden Münze bürgte. Im Laufe der Zeit wurde das Vertrauen in Geld so groß, dass der Materialwert unwichtig wurde und allein der festgelegte Wert eines bedruckten Papierstückes als Zahlungsmittel akzeptiert wurde: Das Bargeld war geboren. Der rein nominelle Wert dieses Geldes erleichterte den Zahlungsverkehr ungemein. Nun mussten keine schweren Metallstücke mehr zum Handeln transportiert werden, sondern lediglich Geld in Papierform. Mit dem Beginn der digitalen Ära zum Ende des 20. Jahrhunderts wurde Bargeld in vielen Bereichen durch Online-Bezahlung abgelöst: die Überweisung von Geldbeträgen von einem Konto auf ein anderes. Geld, das nie real existierte, sondern nur als Datensatz in einer Bank gespeichert wurde. Das digitale Geld zeigt die enge Vernetzung vieler Megatrends auf eindrucksvolle Weise: Ohne weltumspannende mächtige Institutionen und zentrale Handelsplätze wäre Geld nicht notwendig, Tauschhandel würde ausreichen. Geld zu transportieren ist aufwändig - die Digitalisierung erleichtert den Zahlungsverkehr und bildet gleichzeitig die Grundlage zum Erhalt unserer heutigen Gesellschaftssysteme. Da wir nur sehr wenige Menschen auf dieser Erde persönlich kennen und ihnen vertrauen, bildet das Geld eine allgemein gültige Weltsprache und ermöglicht den interkulturellen Austausch eben dadurch, dass dem Wert des Geldes vertraut wird. Geld als Grundlage von Handel führt für Städte zunächst zur Gründung von Marktplätzen und Handelsplätzen. Das Marktrecht führte oft auch zur Erhebung zur Stadt. Freie Reichsstädte verdankten ihr Wachstum der Steuerbegünstigung (nur an den Kaiser zu zahlen), die Hanse und die Hansestädte sind gute Beispiele für die Stadtdynamik durch Geld. Ein weiteres Beispiel für die Geld-Dynamik sind Hafenstädte (Hamburg, Rotterdam, Singapur). Geldmetropolen sind heute Frankfurt, London, New York und Tokio als größte Stadt der Welt mit 9 Mio. Einwohnern in der Zentralregion und 37,8 Mio. Einwohnern in der Metropolregion. Im Jahr 2011 war Tokio Sitz von 51 der Fortune Global 500 Firmen - von keiner Stadt sonst erreicht. Diese Firmen geben der Stadt ihre Dynamik. Am Beispiel Mumbais ist zu sehen, wie der Handel der East Indian Tea Company seit 1668 und die damit ansteigende Geldmenge zu rapidem Bevölkerungswachstum führten: bis zum Jahr 1675 von 10 000 auf 60 000 Einwohner. Heute zieht die reichste Stadt Indiens große Mengen Arbeitssuchende aus dem Umland an und beherbergt auf ihrem Stadtgebiet inzwischen 12,1 Mio. Einwohner, im Metropolgebiet Mumbais leben 21,3 Mio. Menschen. Urbanisierung/ Verstädterung Die Geschichte von Städten ist immer auch eine Geschichte des Fortschritts, des Machterhalts einer regierenden Klasse. Sie kann Zeuge der kulturell, religiösen Bedeutung eines Ortes sein und zeugt von der Entwicklung und Bedeutung von Handelsbeziehungen. Seit Menschengedenken wirken diese Kräfte zusammen und führen zu der gemeinsamen Ansiedlung vieler Menschen an einem gemeinsamen Ort. Mit Zunahme der Größe einer Stadt nimmt deren Bedeutung stetig zu, was wiederum weitere Menschen anzieht. Dieses Wachstum durch Agglo- © pixabay THEMA Die intelligente Stadt 77 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES meration führt zu charakteristischem Wachstum genau der Bereiche, die schon sehr dicht bevölkert sind, was städteplanerisch erhebliche Probleme gerade für solche Metropolregionen und Agglomerationen bedingt. Die geografische Vereinigung vieler Menschen erhöht deren Macht auf das umliegende Land und kann die weitläufige Umgebung eines solchen Siedlungsplatzes nachhaltig prägen. Diese Auswirkungen sind schon in der Entstehung der antiken Weltreiche zu sehen: Ein Imperium entstand meist durch den Einfluss eines starken regionalen Volkes, Machtzentrum eines solchen Volkes waren immer Städte. Die vielfältige Spezialisierung der Bevölkerung auf einzelne Berufszweige, ob Landwirte, Handwerker oder Verwaltungsbeamte ermöglichte erst die Entstehung eines expansiven Geistes, der als Keimzelle für die Entstehung eines Imperiums benötigt wird. Weltreligionen können nur entstehen, wenn ein gemeinsames Zentrum des Glaubens existiert: Städte die bereits vorher eine einflussreiche Stellung bei den Menschen innehatten. Die Entstehung von Städten und deren rapides Wachstum können somit als konsequentes Resultat, aber auch als Grundlage für die Megatrends Geld/ Handel, Religion und Imperien gesehen werden. Die Tendenz zur Urbanisierung der Menschheit kann bis in die Steinzeit zurückverfolgt werden - erste Ansiedlungen entstanden an Standorten, die ausgezeichnete Lebensbedingungen boten. Seither wächst die Weltbevölkerung überexponentiell:  Während der Steinzeit, etwa eine Mio. Jahre lang, lebten nur etwa 100 000 Menschen  In den nächsten 100 000 Jahren etwa eine Mio. Menschen  Dann 10 000 Jahre lang mit Ende der Eiszeit, beginnendem Ackerbau und Gründung der ersten Städte etwa 5 - 10 Millionen  Vor 2000 Jahren, um Christi Geburt, lebten etwa 300 Millionen Menschen  Anstieg der Bevölkerung vor 500 Jahren auf 500 Mio.  Ab 1700 gibt es ein rapides Wachstum bis 1800 auf die erste Milliarde  1927 die zweite Milliarde  1960, nach nur 33 Jahren, die dritte,  Gegenwärtig (2016) leben 7,4 Mrd. Menschen auf der Erde [2] In dieser Zeitspanne hat sich die Zahl der Menschen um ein Vielfaches vergrößert; dies führte dazu, dass seit dem Jahr 2007 erstmals mehr Menschen in Städten leben als auf dem Land. Eines der größten Probleme dieser modernen Megastädte ist die Einhaltung einer effektive Planung um Probleme in der Gesellschaft und im täglichen Leben der Bewohner zu lösen und von vorne herein vorzubeugen, was sich durch das rasante Wachstum durch Agglomeration nur in den Industrieländern konsequent umsetzen lässt. Weitere negative Punkte sind hohe Armut und mangelnde Investitionsmittel, das ungezügelte Wachstum solcher Armensiedlungen („Slums“), Umweltprobleme, meist noch verstärkt durch einen starken Anstieg der oft noch umweltunfreundlichen Produktion durch Industrieunternehmen in diesen Mega-Cities (Definition: ab zehn Millionen Einwohner spricht man von einer Mega-City). Essentiell für eine Mega-City sind natürlich ausreichende Wasserversorgung, Energie und ausreichender Zugang zu Nahrung. Für eine gute Zukunft sind aber gute Städteplanung wichtig [3], ebenso wie ausreichende Investitionen, etwa in den öffentlichen Nahverkehr, in moderne und umweltschonende Industrieanlagen, gute Bildungsmöglichkeiten sowie gute Wohnquartiere, Geschäftsviertel und ausreichende Naherholungsmöglichkeiten. Alle diese Schritte profitieren aber von Digitalisierung und smarten Lösungen. LITERATUR [1] Harari, Y. N.: Sapiens: A Brief History of Humankind. Vintage Publications, New York, 2014. ISBN 9780099590088. [2] United Nations (2017) UN Department of Economic and Social Affairs, Population Division (2017). World Population Prospects: The 2017 Revision, Key Findings and Advance Tables. ESA/ P/ WP/ 248. [3] UNESCO: Culture: Urban future. Global report on culture for sustainable urban development. Manual. UNESCO, Paris France, 2016, p. 303, ISBN 978-92-3- 100170-3. Prof. Dr. Thomas Dandekar Lehrstuhlinhaber Lehrstuhl für Bioinformatik Universität Würzburg Kontakt: dandekar@biozentrum.uni-wuerzburg.de Martin Kaltdorf Doktorand Lehrstuhl für Bioinformatik Universität Würzburg Kontakt: martin.kaltdorf@uni-wuerzburg.de AUTOREN 78 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Die intelligente Stadt Digitale Agenda und Digitalisierung Der stetige Fortschritt von Technologien geht einher mit einer stetigen Weiterentwicklung unserer kommunikativen Möglichkeiten. Die Allgegenwärtigkeit moderner Computer in Form von PCs, Smart Phones und Wearables bringt moderne Softwareplattformen mit sich, die es ermöglichen, in Echtzeit mit unzähligen Menschen auf der ganzen Welt gleichzeitig zu kommunizieren. Auch wenn für uns heute diese Möglichkeiten und Technologien selbstverständlich sind und scheinbar urplötzlich im Laufe des letzten Jahrzehnts unser aller Leben durchdrungen haben, sind sie doch „nur“ das Resultat einer Jahrtausende und sogar Jahrmillionen währenden Entwicklung: Leben entwickelt immer neue Ebenen der Kommunikation [1], ausgehend vom universellen genetischen Code für die Herstellung von Proteinen (seit etwa 3 Mrd. Jahren) über die ersten Nervensysteme in Vielzellern wie Quallen (etwa seit 800 Mio. Jahren, [2]) zur menschlichen Sprache (etwa 1 Mio. Jahre). Der Drang des Menschen Informationen zu teilen ist damit bei weitem älter als er selbst. Als die ältesten nachweisbaren bildlichen Zeugnisse zählen die Höhlenmalereien der Steinzeit (ab ~40.000 v. C.). Mit die ersten bekannten Schriften der Welt sind die der Sumerer (4000 v. C., Keilschrift) und die Hieroglyphenschrift der alten Ägypter [3]. Es folgen die Runen der Germanen, die griechische und die römische Schrift. Der Trend geht zu immer komplexeren Formen von Sprache und Schrift, über Buchdruck und Schreibmaschine zu den ersten Computern nach dem zweiten Weltkrieg, zum Internet (seit den Neunzigern) und zu einer zunehmenden Globalisierung und der heute weltweit gegenwärtigen Form der digitalen Kommunikation. Die zuvor unerreichte Einheitlichkeit der digitalen Informationen hebelt dabei lange gültige Vorbehalte gegen die Risiken dieser Technologie aus. Durch die Bequemlichkeit des Gedankenaustausches und die soziale Komponente der modernen Kommunikationsplattformen hat es der Mensch erstmals in seiner Geschichte geschafft, die allgemeine Vorsicht und Aversion vor Überwachung zu überwinden, da die Vorteile der modernen Formen der Kommunikation im Alltag überwiegen. Die Möglichkeit bequem und schnell soziale Kontakte zu knüpfen und aufrechtzuerhalten, sich überall und jederzeit mit allen benötigten Informationen zu versorgen und jederzeit „online“ zu sein, stellt dabei einen großen Vorteil dar. Dies heißt jedoch keineswegs, dass nicht erhebliche Risiken existieren: Profile auf sozialen Plattformen, Suchmaschinen und Online- Großhändler sammeln Daten über jeden einzelnen Digitalisierung - ein unaufhaltsamer Megatrend Teil 2: Der Einfluss der Digitalisierung auf die Stadt der Zukunft: Chancen und Risiken für die menschliche Gesellschaft Megatrend, Digitalisierung, autonome Fahrzeuge, Verstädterung, digitale Agenda Thomas Dandekar, Martin Kaltdorf Hervorgerufen durch den langfristigen Erfolg der Menschheit, die beschleunigte Entwicklung, sowie die entstandenen Auswirkungen durch die Megatrends Religion, Geld und Imperien ergeben sich weitere Aspekte, die sich unter der Definition Megatrends begreifen lassen: Der Trend zur Urbanisierung der Gesellschaft und die Digitalisierung unserer Welt. © pixabay THEMA Die intelligente Stadt 79 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES Menschen. Individuelle Interessen und Gewohnheiten, persönliches Gedankengut, Konsum und Vorlieben, nichts bleibt verborgen. Bereits heute kann kaum jemand vollständig nachvollziehen, welches Wissen über ihn im Umlauf ist, geschweige denn eine weitere Verbreitung verhindern. Diese Entwicklung hin zum gläsernen Menschen kann gefährlich sein. Spätestens wenn staatliche Einrichtungen den Menschen bis auf das letzte Detail bewerten und basierend darauf die Pflichten und bereitgestellten Dienste definiert werden, ist die Freiheit der Bürger so weit eingeschränkt, dass dies im Licht zumindest unserer hiesigen westlichen Werte nicht erstrebenswert ist. Die Möglichkeiten und Gefahren des Missbrauchs dieses vielfältigen Wissens sind nicht zu unterschätzen, denn: Wissen ist Geld und Macht. Vermeintlich kostenlose Inhalte bezahlen wir somit unwissend mit unseren persönlichen Informationen. Totales Wissen bedeutet sogar totale Macht und Kontrolle [4, 5]. Die Datenflut persönlichkeitsbezogener Profile ermöglicht Unternehmen und Regierungen die Big Data-Auswertung unzähliger Menschen, was Vorhersagen über deren Verhalten mit weitreichenden Konsequenzen ermöglicht. Durch eine individuelle Veränderung der bereitgestellten Informationen für jeden einzelnen Bürger ist es möglich, unbewusst und bewusst die Überzeugung und Denkweise der Bürger zu beeinflussen (Big Nudging). Eine Tatsache, welche die Anfälligkeit unseres modernen Systems gegenüber jeglicher Art von Missbrauch aufzeigt und die bis zur Unmündigkeit führen kann. In Verbindung mit dem Trend hin zur Vernetzung von Dingen („Internet of Things“), dessen Beginn die Smartphones einleiteten und der sich mittlerweile auf Smart Homes und Smart Factories ausgeweitet hat, ist die intelligente Automatisierung der Gesellschaft nicht mehr nur ferne Zukunftsmusik sondern steht konkret bevor. Als zukünftige Entwicklung von Smart Cities und gar denkbaren Smart Nations weitergedacht, ergibt sich als wenig anzustrebendes Szenario nicht nur die Beeinflussung der Bürger, sondern auch die mögliche Kontrolle der gesamten Umgebung bis hin zu einem intelligenten Planeten. Bei unbedachtem Gebrauch dieser Technologien überwiegt auf lange Sicht die kulturzerstörende Wirkung der Beschneidung des persönlichen Rechts. Bei intelligenter und verantwortungsvoller Umsetzung allerdings eröffnen sich noch ungeahnte Möglichkeiten, das Leben auf der Erde der Zukunft umweltfreundlicher, gerechter und friedlicher zu gestalten. Einen Gesamtüberblick für diese wichtigen positiven Aspekte für die moderne Stadtentwicklung sind direkt der digitalen Agenda [6) entnommen und in einer Tabelle zusammengefasst: Sehr viele und recht diverse Aspekte der modernen intelligenten Stadt profitieren von einem Umsetzen der Aufgaben der digitalen Agenda (Tabelle 1). Dies soll nun durch einen Blick auf Einzelbeispiele etwas weiter konkretisiert werden. Auswirkungen der Digitalisierung auf die moderne Stadt Betrachtet man die vielfältigen und rasanten gegenwärtigen Entwicklungen moderner Informationstechnologien und die Möglichkeiten, die sich daraus auch für deren Anwendung in unterschiedlichsten Fällen ergeben, werden die Städte der Zukunft völlig anderen Voraussetzungen genügen müssen, als dies heute noch der Fall ist. Um die großen Chancen der Digitalisierung der Städte und deren Infrastruktur auf eine sichere und von der breiten Masse der Menschen akzeptierte Basis zu stellen, bedarf es der Einhaltung einiger Schlüsselpunkte, sodass dem vielfältigen Missbrauch der mit den neuen intelligenten Systemen möglich wird, von vorn herein vorgebeugt wird: Ganz im Geiste unserer kulturellen Werte sollen die Städte der Zukunft Orte der digitalen Freiheit mit abgesicherten Persönlichkeitsrechten sein. Die staatliche Kontrolle sollte möglichst effektiv auf die Bedürfnisse der Bevölkerung zugeschnitten sein, deren Anfragen und die Verwaltungsarbeit im Hintergrund übernehmen, ohne die Freiheit der Menschen zu beschneiden. Die neuen Möglichkeiten sollten den Beginn einer neuen Zeit einläuten, die zentralisierte Top-Down- Kontrolle durch ein föderales System - basierend auf freien Mehrheitsentscheidungen - ablösen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass sich die absolutistische Kontrolle der Bevölkerung nur für Systeme mit geringer Komplexität eignet. In Anbetracht der heutigen Vielfalt von Kulturen und freien Meinungen scheint diese Form nicht mehr geeignet. Mit der wirtschaftlichen und kulturellen globalen Vernetzung entwickelt sich die gesellschaftliche Komplexität jedoch stetig weiter. Die Gesellschaft der Zukunft sollte auf diese Soziodiversität aufbauen und dieses Potenzial nutzen, um weiterhin innovative Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Citizen Science, Crowd Sourcing und Online- Diskussionsplattformen sind daher eminent wichtige neue Ansätze, um mehr Wissen, Ideen und Ressourcen nutzbar zu machen. Kollektive Intelligenz benötigt einen hohen Grad an Diversität. Diese wird jedoch durch heutige personalisierte Informationssysteme zugunsten der Verstärkung von Trends reduziert. Soziodiversität ist genauso wichtig wie Biodiversität. Auf ihr beruhen nicht nur 80 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Die intelligente Stadt − Dezentralisierung als Prinzip in der Stadtarchitektur: • Wieder hin zum gemeinsamen Wohnen (z. B. alle Generationen, Einheimische, Zugereiste, ...) • Wohnen in kleinen, autarken Strukturen mit eigener ärztlicher Versorgung, lokalem Einkaufszentrum und eigenem Erholungsbereich • Digitalisierung: Nebeneinander von lokalen Subnetzen (wichtige lokale Versorgungs- und Kommunikationsdaten; einschließlich Firewall, das wäre neu und wichtig) • Eine darauf aufbauende zentrale Vernetzung (z. B. für Schadstoffdaten, Klimadaten, Verkehrslenkung) − Informationelle Selbstbestimmung und Partizipation unterstützen: • Stadtarchitektur, die zur Kommunikation einlädt: Brunnen und Parks, nette Wirtschaften und Biergärten, breite Bürgersteige und Alleen, öffentliche Plätze mit guter Atmosphäre einschließlich Sitzgelegenheiten, ausreichend Licht, Spielplätze • Informationsstrukturen: sowohl lokale Netze und Foren wie globale Vernetzung • Neben Transparenz auch Anreize für aktive Bürgerbeteiligung − Verbesserte Transparenz für eine erhöhte Vertrauenswürdigkeit • Transparenz im e-government und bei allen Entscheidungen der Stadtverwaltung • Transparenz bei der Verkehrslenkung • Transparenz bei allen Umweltdaten, z. B. Müllbeseitigung − Informationsverzerrungen und -verschmutzung reduzieren • Stadt-News, Informationen über Theater, Konzerte, Kinos, aber auch Aktivitäten, Baustellen, Rennovierungen, Preiserhöhung, Gastronomie, Tourismus • Pluralität bei allen Informationsquellen über die Stadt fördern, einschließlich Förderung der lokalen Tageszeitungen (elektronische und Printmedien) • Förderung der Stadtbibliothek / Videothek und auch hier wieder den Pluralismus unterstützen − von den Nutzern gesteuerte Informationsfilter ermöglichen • Browser, Informationsbeschaffung: Intelligent, einschließlich Verhinderung von Echoräumen, zu beengte Suche vermeiden • Kreuzvernetzung zwischen Foren unterstützen • Browser-Pluralität fördern Tabelle 1: Digitale Agenda und die moderne intelligente Stadt. − Gesellschaftliche und ökonomische Vielfalt fördern • Start-Ups: dabei sowohl spezifische High-Tech- Regionen sowie die direkte Vielfalt in allen Stadtvierteln fördern • Anreize für Kulturschaffende setzen, Unterhalt (bei Großstadt über 100 000 Einwohner) von Theater, Kino, Oper, Stadtbücherei • Forum, Platz und Möglichkeiten für Parteien und Vereine zur Verfügung stellen − Technische Systeme zur Zusammenarbeit verbessern • Bessere Modularität • Bessere Vernetzungsmöglichkeiten • Gleichzeitig bessere Firewalls, Virusschutz, Backups − Digitale Assistenten und Koordinationswerkzeuge erstellen • Bessere Verkehrsflussplanung, Steuerung (grüne Welle etc.), autonomes Fahren, ÖPNV • Nachhaltigkeit durch smarte Technologie schützen • Wasser: Wasserversorgung und Abwasserbehandlung, Wasserqualität überwachen • Luft: Luftreinhaltung, Reizstoffbelastung; CO 2 - Ausstoß • Müll: Mülltrennung, Müllverbrennung, Wertstoff- Recycling • Digitale Informationsassistenten, digitaler Informationsaustausch (die Stadt-App für • das Handy, WLAN im ganzen Stadtgebiet, Breitband-WLAN) • Digitale Notfallpläne erstellen und parat halten (Krankheit/ Epidemie, Feuer/ Katastrophe, Krieg/ Evakuierung, Demonstration/ Polizeigroßeinsatz etc.) • Digitale Werkzeuge für die Verwaltung: Termin buchen, Online-Abgabe von Erklärungen, digitale Signatur, statt LIMS (Laboratory Information Management System) ein CIMS (City Information Management System) • Digitale Werkzeuge für nachhaltige Bewirtschaftung und umweltfreundliche Energieversorgung (Solar/ Wind/ Geo; Fernwärme) − Kollektive Intelligenz unterstützen und Mündigkeit der Bürger in der digitalen Welt fördern -„digitale Aufklärung“ • Bessere Möglichkeit zur politischen Partizipation • Information und Transparenz über alle Vorhaben der Stadt • Freizeit und Austauschbörsen, informelle digitale Märkte • „City-Cloud“ für Datenspeicherung und Computerversorgung • City-Cloud für emergente kollektive Information und Einsichten der Stadtbürger, aber auch virtual Meeting-Place Prinzipien der digitalen Agenda [6] • Die Funktion von Informationssystemen stärker dezentralisieren • Informationelle Selbstbestimmung und Partizipation unterstützen • Transparenz für eine erhöhte Vertrauenswürdigkeit verbessern • Informationsverzerrungen und -verschmutzung reduzieren • Von den Nutzern gesteuerte Informationsfilter ermöglichen • Gesellschaftliche und ökonomische Vielfalt fördern • Die Fähigkeit technischer Systeme zur Zusammenarbeit verbessern • Digitale Assistenten und Koordinationswerkzeuge erstellen • Kollektive Intelligenz unterstützen und • Die Mündigkeit der Bürger in der digitalen Welt fördern - „digitale Aufklärung“ Abgeleitete Innovationen für die Smart City THEMA Die intelligente Stadt 81 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES kollektive Intelligenz und Innovation, sondern auch gesellschaftliche Resilienz - also die Fähigkeit, mit unerwarteten Schocks zurechtzukommen. Die Verringerung der Soziodiversität reduziert oft auch die Funktions- und Leistungsfähigkeit von Wirtschaft und Gesellschaft. Dies ist der Grund, warum totalitäre Regimes oft in Konflikte mit ihren Nachbarn geraten. Typische Langzeitfolgen sind politische Instabilitäten und Kriege, wie sie in unserer Geschichte immer wieder auftraten. Pluralität und Partizipation sind also nicht in erster Linie als Zugeständnisse an die Bürger zu sehen, sondern als maßgebliche Funktionsvoraussetzungen leistungsfähiger, komplexer, moderner Gesellschaften. Direkt aus dieser „Digitalen Agenda“ ergibt sich die Aufgabe für die Stadt (Tabelle 1), die Bewohner aus den Echoräumen des Internets herausholen; die moderne Stadt sollte zu realen Begegnungen einladen. Dies gilt auch für den Verwaltungsbereich: Wie lässt sich eine gute E-Governance und gleichzeitig gute oder sogar bessere persönliche Begegnung mit den Bürgern einer modernen Stadt erreichen? Hierzu sind insbesondere gute Plätze und Begegnungsmöglichkeiten wie beispielweise Fußgängerzonen notwendig. Die moderne Stadt sollte nicht Bürger und Besuchergruppen - etwa durch missglückte oder chaotische Verkehrsführung - in Menschenmengen durch die Stadt leiten, sondern Freiräume zur Begegnung anbieten, sodass jeder selbst bestimmen kann, welches Angebot er zu welcher Zeit annehmen möchte. Autonome Fahrzeuge Der Straßenverkehr in der Stadt nimmt immer mehr zu. Neue Konzepte sind dringend nötig, damit es nicht zum Verkehrskollaps kommt. Das selbstfahrende oder autonom gesteuerte Auto könnte eine Lösung sein [7]. Im Idealfall benutzt man bei Bedarf ein autonom gesteuertes Auto und verzichtet auf sein privates ausschließlich selbst genutztes Auto. Dies könnte den Stadtverkehr um über die Hälfte verringern [8]. Somit ließen sich auch große Parkplatzflächen sparen. Autonome Fahrzeuge sind selbst smarte Lösungen für die Stadt, denn sie senden beispielsweise per WLAN die Ankündigung, die Kreuzung queren zu wollen. Fahrziel und Zeit werden zentral gesammelt, der elektronische Kreuzungsmanager gibt die Fahrspur frei. Fahrspuren sind fest eingestellt, ebenso wie Sicherheitsabstände bei Pulks von Fahrzeugen oder bei Bremsungen (tempoabhängig) und bei Kreuzungsquerungen. So steuert jedes Fahrzeug automatisch seinen „freien slot“ an, und, falls alle Autos im System integriert sind, gibt es immer eine „Grüne Welle“. Im Idealfall kann dank Digitalisierung Verkehr deutlich schneller und reibungsloser fließen, wie Tests beispielweise in Singapur zeigen [9]. Sharing Economy Einen weiteren Aspekt bringt die konsequente Umsetzung der Sharing Economy. Heute fährt jedes einzelne private Auto nur etwa eine Stunde am Tag auf der Straße und steht ansonsten auf innerstädtischen Parkplätzen. Mit smarten Techniken und modernen Kommunikationsplattformen lassen sich sowohl Car Sharing als auch Ride Sharing fördern. Mit einer Kombination dieser Ansätze und einer Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) wäre eine Reduzierung der innerstädtisch Parkplätze von über 30 % leicht möglich. Dies schafft neue Räume für Grünflächen und Fußgängerzonen, für Orte der Begegnung oder zur Bewirtung. Risiken Gefahren der allgemeinen Digitalisierung sind auch für autonome Fahrzeugen denkbar, insbesondere Computerviren und Hackerattacken. Ganz allgemein besteht gegenwärtig ein sehr großer Nachrüstungsbedarf bei der Virenabwehr im Bezug auf smarte Haus- und Versorgungstechnik aber auch bei Banken, Online-Bankautomaten und so weiter. Dies liegt daran, dass man häufig aus Kostengründen die Sicherheitsausrüstung spart. Hier kann man bei dem eher hochpreisigen Konsumgut Auto aus den gleichen Gründen vorsichtig optimistisch sein. Ganz allgemein sollte übrigens hier festgehalten werden, das smarte Technologie oder auch moderne Computer generelle und feste Grenzen bei ihrer Entscheidungsfähigkeit haben. Insbesondere können sie nur Turing-berechenbare Probleme lösen und werden auch mit Gödel-Unentscheidbarkeitsproblemen nicht fertig [10, 11]. Dies sind ganz klare Grenzen für solche Maschinen, die durch Gödel und Turing in den 1930er Jahren bewiesen wurden. Daraus folgt: Alle wirklich schweren Entscheidungen, insbesondere Werturteile, fundamentale Entscheidungen, etwa über sich selbst oder komplexe Probleme, einschließlich ethischer Entscheidungen, kann ein Computer nicht leisten. Deshalb geht auch das autonome Fahren nur solange gut (einschließlich Schadenersatz bei Unfällen oder Schutz von Passanten vor dem Überfahrenwerden), wie alle wichtigen Entscheidungen von einem Menschen getroffen werden. Dies kann der Fahrer sein. Falls dieser aber zum Beispiel im autonom fahrenden Auto lieber Zeitung lesen möchte, ohne aufzublicken oder ohne etwas entscheiden zu müssen, während das Auto fährt, kann die Entscheidung auch extern von einem © pixabay 82 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Die intelligente Stadt Kontrollzentrum aus getroffen werden. Wichtig ist zu erkennen, dass Computer bei bestimmten Entscheidungen grundsätzliche Einschränkungen haben, die nicht durch mehr Technik ausgeglichen werden können. Eine mögliche spezifische Entwicklung des autonomen Fahrens könnte sehr großer Kundenzuspruch sein, was zu einer wachsenden Menge autonomer Fahrzeuge, eventuell aber auch zu einem Rückgang des ÖPNV führen könnte. Da bei Kauf- und Nutzungsentscheidungen für ein Auto oft auch psychologische Faktoren im Spiel sind, wie Prestige- Denken oder der Wunsch nach Freiheit und Autonomie, dürfte autonomes Fahren solchen Bedürfnissen weniger entgegenkommen als möglicherweise das assistierte Fahren. Für eine nachhaltige Stadtentwicklung wären rationale Entscheidungen zielführend, die insbesondere auf eigene aktive Bewegung (zu Fuß, Fahrrad) oder den ÖPNV setzen. Solche Aktivitäten sollten demnach viel mehr mit Hilfe von smarten Technologien gefördert werden. Beispielsweise wird derzeit bei einem Projekt am Lehrstuhl für Bioinformatik untersucht, wie man Ladestationen für E-Bikes verbessern und smarter zugänglich machen kann. Siedlungsarchitektur Auch bei der Siedlungsarchitektur lassen sich smarte Lösungen für Stadtviertel entwickeln, etwa: 1. Intelligenter Mix aus Fachgeschäften, Online- Shops, Supermärkten und positiv gestalteten Fußgängerzonen für den Einkauf und als Begegnungsorte 2. Smarte Wohnungen in Kombination mit betreutem Wohnen, optimal intergriert in lebendige Wohnviertel für die ältere Generation statt Heimunterbringung 3. Moderne smarte Architektur für Universitäten, Hochschulen und Bildungseinrichtungen mit nachhaltigem Mobilitätskonzept, smarter Gebäudetechnologie und moderner, behindertengerechter Ausstattung Verwaltung Mit Hilfe von „E-Governance“ lassen sich Behördengänge und Wartezeiten einsparen, wenn Formulare online ausgefüllt und abgegeben werden können, Beispiel Online-Steuererklärung. Neben der Infrastruktur muss allerdings auch eine Unterstützung beim Ausfüllen der Formulare gewährleiste sein. Nachteile Digitalisierung kann negative gesellschaftliche Auswirkungen haben, etwa die Vereinsamung von Menschen, die nicht mehr physisch mit Mitmenschen in Kontakt treten. Groß-Britannien hat seit dem 17. Januar 2018 als erstes Land in Europa einen „Minister for Loneliness“ (Tracey Crouch) - also einen Einsamkeitsminister. Eine weitere ungute Entwicklung ist die Isolation in der virtuellen Welt in sogenannten Echoräumen, in denen sich nur Gleichgesinnte treffen und keine neuen Meinungen mehr aufnehmen. Ebenso gefährlich ist die Steuerung der Inhalte, die man bei der Suche im Internet über Internet- Browser angezeigt bekommt, gesteuert durch große Firmen wie beispielsweise Google, Facebook und Amazon - einschließlich zielgerichteter Werbung (sogenanntes „Nudging“). In autoritären Staaten wird sogar die Bürgertreue über die Vernetzung in sozialen Netzwerken ausgerechnet. Der sogenannte „Citizen Score“ in China steigt beispielsweise, wenn man mit einer wachsenden Zahl von Regimetreuen vernetzt ist und sinkt mit Kontakten, die nicht regime-kompatibel sind. Die digitale Agenda [6] zeigt diese und andere Gefahren für die moderne, intelligent gesteuerte und vernetzte Stadt deutlich auf. Vorteile Positive Effekte sind mehr Individualität und Freiheit, sich in der Stadt zu bewegen, ihre Angebote zu nutzen und zu wählen; mehr Möglichkeiten für den Bürger in die Lebenswelten der Stadt einzutauchen, sowohl virtuell wie konkret. Bessere Lebensqualität, gleich ob medizinisch, in der Umwelt oder einfach für den Genuss. Zugang zu modernen Technologien, die das Leben erleichtern. Gute Vernetzung mit den Freunden, mit sozialen Diensten, mit Nachrichten aus der Region und der ganzen Welt und freier Zugang zur Mobilität, wobei Wahlfreiheit zwischen Auto, autonomen Fahrzeug, ÖPNV, Fahrrad, e-Bike und Bewegung zu Fuß besteht. Smarte Innovationen Welche Rolle werden smarte Innovationen wie das autonome Fahren spielen? Im Einzelnen ist das schwer vorherzusagen, aber der Megatrend geht klar zu noch mehr Digitalisierung: Sicher wird es immer mehr Geräte geben, die mit Smart Cards ausgestattet sind, Haushaltsgeräte, Gebäude aber auch Fußgängerüberwege, Brücken, usw. Diese Geräte existieren nicht isoliert, smarte Netze werden mit der Zeit noch weiter wachsen und insbesondere für die Umweltüberwachung und die Medizin gute Dienste leisten. Smarte Innovationen sind auch bei Gefahren des Internets zu erwarten: Besserer Schutz von Smart Cards und smarten Geräten gegen Computerviren, © pixabay THEMA Die intelligente Stadt 83 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES Trojaner und ähnliche Bedrohungen. Essentiell ist hier besonders, die Energie- und Wasserversorgung besser zu schützen, ebenso die Internet-Hauptverbindungen (Hub-Nodes und Server). Wichtig sind auch Innovationen, die Menschen davor schützen, im Internet gefangen zu sein - etwa Browser, die durch geschickte Algorithmen ihre Nutzer nicht nur mit der immer gleichen Meinung konfrontieren. Schließlich sind auch Innovationen wichtig, die für eine Robustheit und möglichst geringe Störanfälligkeit all der smarten Systeme in einer modernen Stadt sorgen. Auch hier besteht im Vergleich mit biologischen Systemen ein gewaltiger Nachholbedarf. Diese offenkundigen Mängel können zu einem gewissen Teil das Produktivitätsparadoxon der letzten Jahre zum Beispiel in den USA erklären. Denn zunächst gab es keinen Zuwachs in der Wertschöpfung trotz Digitalisierung. Sicher sind dafür auch strukturelle Gründe anzuführen, außerdem gibt es bei jeder Neuerung Anlaufphasen. Doch vermutlich werden hier erstmals auch die negativen Auswirkungen der Digitalisierung stärker spürbar. Schließlich sollte nicht vernachlässigt werden, das gute Kommunikation nicht unbedingt als Wertschöpfung quantifizierbar ist und deshalb möglicherweise steigende Produktivität gar nicht so einfach messbar ist, selbst wenn die Qualität der Kommunikation steigt [12]. Schlussfolgerungen Die historische Perspektive zeigt auf: Die „Smart City“, die moderne intelligente Stadt, ist eine Folge von wichtigen Errungenschaften der menschlichen Zivilisation, insbesondere der Megatrends Geld, Religion und Imperium, die alle die Entwicklung von Städten voranbringen. Zusätzlich haben wir die „neuen Megatrends“ Verstädterung und Digitalisierung. Interessanterweise kann man durch die Reflexion über die Gefahren der Digitalisierung recht konstruktive Maßnahmen für eine nachhaltig positive Stadtentwicklung ableiten. Das Konzept des autonomen Autos unterstützt die Stadtentwicklung. Dies zeigt an einem innovativen Beispiel die Möglichkeiten, aber auch Grenzen der digitalen Stadtentwicklung. Das digitale Manifest klärt hier recht gut über die Gefahren der Digitalisierung auf. Da über 50 % der Weltbevölkerung seit 2005 in Städten leben und bis zum Jahre 2050 zahlreiche neue Megacities von 10 Mio. bis zu etwa 100 Mio. Einwohnern (z. B. Delhi in Indien) gerade in den Entwicklungsländern entstehen werden, ist die weitere Digitalisierung und die „Smart City“ essentiell, um hier für eine gedeihliche Entwicklung der Stadt der Zukunft zu sorgen. QUELLEN [1] Dandekar, T. und Kunz, M.: Bioinformatik. Ein einführendes Lehrbuch Springer Verlag, 2017. ISBN 978-3- 662-54698-7. [2] Boero, F., Schierwater, B., Piraino, S.: Cnidarian milestones in metazoan evolution. Integr Comp Biol. 2007 Nov; 47(5): 693-700. [3] Visible Language. Inventions of Writing in the Ancient Middle East and Beyond, Oriental Institute Museum Publications, 32, Chicago: University of Chicago, p. 13, ISBN 978-1-885923-76-9. [4] Orwell G.: Nineteen eighty-four. A novel. Secker & Warburg, London, 1949. [5] Orwell G.: Nineteen eighty-four. Thomas Pynchon (Foreword); Erich Fromm (Afterword). Plume - Penguine Books USA, 2003. ISBN 0-452-28423-6. [6] Helbing, D., Frey, B. S., Gigerenzer, G., Hafen, E., Hagner, M., Hofstetter, Y., van den Hoven, J., Zicari, R.V., Zwitter, A.: Digitale Demokratie statt Datendiktatur. Spektrum der Wissenschaft 1 (2016), S. 50-61. [7] Ratti, C., Biderman, A.: Straßenverkehr: Wie werden autonome Autos die Städte verändern? Spektrum der Wissenschaft 12 (2017), Seite 78-83. [8] Santi, P. et al.: Quantifying the Benefits of Vehicle Pooling with Shareability Networks. In: PNAS 111, S. 13290-13294, 2014. Online unter http: / / www.pnas. org/ content/ 111/ 37/ 13290. [9] Spieser, K. et al.: Toward a Systematic Approach to the Design and Evaluation of Automated Mobilityon-Demand Systems: A Case Study in Singapore. In: Meyer, G., Beiker, S. (Hg: ) Road Vehicle Automation. Lecture Notes in Mobility, Springer, Heidelberg 2014. Online unter https: / / dspace.mit.edu/ handle/ 1721.1/ 82904. [10] Turing, A.: On computable numbers, with an application to the Entscheidungs-problem, Proceedings of the London Mathematical Society, Series 2, Volume 42 (1937) pp. 230-265. [11] Hofstadter, D. R.: Gödel, Escher, Bach - ein endloses geflochtenes Band, Klett Cotta Verlag, 20. Auflage, 2015. ISBN: 9783608949063. [12] Star, S. L.: Macht, Technik und die Phänomenologie von Konventionen. In: Sebastian Gießmann, Nadine Taha (Hrsg.): Susan Leigh Star: Grenzobjekte und Medienforschung. transcript, Bielefeld, 2017,S. 259. Prof. Dr. Thomas Dandekar Lehrstuhlinhaber Lehrstuhl für Bioinformatik Universität Würzburg Kontakt: dandekar@biozentrum.uni-wuerzburg.de Martin Kaltdorf Doktorand Lehrstuhl für Bioinformatik Universität Würzburg Kontakt: martin.kaltdorf@uni-wuerzburg.de AUTOREN 84 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRODUKTE + LÖSUNGEN Kommunikation Impressum Transforming Cities erscheint im 3. Jahrgang Herausgeber Eberhard Buhl, M.A. Verlag Trialog Publishers Verlagsgesellschaft Eberhard Buhl | Christine Ziegler Schliffkopfstr. 22, D-72270 Baiersbronn-Buhlbach Tel. +49 7449 91386.36 · Fax +49 7449 91386.37 office@trialog.de · www.trialog.de Redaktionsleitung Dipl.-Ing. arch. Christine Ziegler VDI (verantwortlich) Tel: +49 7449 91386.43 Fax: +49 7449 91386.37 christine.ziegler@transforming-cities.de Anzeigen Tel. +49 7449 91386.46 Fax +49 7449 91386.37 anzeigen@trialog.de Gültige Anzeigenpreisliste Nr. 3 vom 01.01.2018 Vertrieb und Abonnentenservice Tel. +49 7449 91386.39 Fax +49 7449 91386.37 vertrieb@trialog.de Erscheinungsweise Viermal im Jahr Bezugsbedingungen Die Bestellung des Abonnements gilt zunächst für die Dauer des vereinbarten Zeitraumes (Vertragsdauer). Eine Kündigung des Abonnementvertrages ist zum Ende des Berechnungszeitraumes schriftlich möglich. Erfolgt die Kündigung nicht rechtzeitig, verlängert sich der Vertrag und kann dann zum Ende des neuen Berechnungszeitraumes schriftlich gekündigt werden. Bei Nichtlieferung ohne Verschulden des Verlages, bei Arbeitskampf oder in Fällen höherer Gewalt besteht kein Entschädigungsanspruch. Zustellmängel sind dem Verlag unverzüglich zu melden. Es ist untersagt, die Inhalte digital zu vervielfältigen oder an Dritte weiterzugeben, sofern nicht ausdrücklich vereinbart. Bezugsgebühren JahresAbo Print: gedruckte Ausgabe zum Jahresbezugspreis von EUR 120,- (Inland inkl. MwSt., Ausland exkl. MwSt.), zzgl. Versandkosten (Inland EUR 11,90, Ausland EUR 25,-) JahresAbo ePaper: elektronische Web-Ausgabe zum Jahresbezugspreis von EUR 120,- (Inland inkl. MwSt., Ausland exkl. MwSt.), ohne Versandkosten JahresAbo Plus (Print + ePaper): als gedruckte Ausgabe + elektronische Web-Ausgabe zum Jahresbezugspreis von EUR 160,- (Inland inkl. MwSt., Ausland exkl. MwSt.), zzgl. 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Bisher werden die Pegelstände von Flüssen mechanisch gemessen. Bis die Daten für Dritte verfügbar sind, können Stunden vergehen. Das neue Flood Monitoring System von Bosch kann den Wasserstand von Flüssen oder anderen stadtnahen Gewässern in Echtzeit digital überwachen und frühzeitig vor einer bevorstehenden Überflutung warnen. In einem Pilotprojekt testet die Stadt Ludwigsburg im Rahmen des Living LaBs mit seinem Innovationsnetzwerkpartner Bosch das neue System am Neckar in Poppenweiler: Ultraschallsensoren oder Kameras verfolgen dort Veränderungen von Wasserpegel, Wassergeschwindigkeit und Durchflussleistung. Die Daten werden an die Bosch IoT Cloud geschickt und ausgewertet. Die Messdaten des Piloten fließen außerdem in die Smart City Cloud der Stadt Ludwigsburg. Wird eine kritische Grenze erreicht, erhalten die Stadtverwaltung oder betroffene Bewohner und Geschäftsinhaber frühzeitig ein Signal per SMS. Sie können so rechtzeitig Maßnahmen einleiten, um sich vor Flut oder Hochwasserschäden zu schützen. Das Hochwasser-Frühwarnsystem „Flood Monitoring System“ ist ein weiterer Baustein im integrierten Stadtentwicklungs- Konzept der Zukunftsstadt Ludwigsburg und wird sechs Monate lang getestet. Hochwasser-Vorsorge digital „Flood Monitoring System“ von Bosch im Feldversuch bei Poppenweiler Bild 1: Danny Heber (Bosch) und Fabian Kehle (Living LaB) prüfen zusammen mit Kollegen des Installationspartners SWLB Einstellungen und Ausrichtung der Kamera. © Stadt Ludwigsburg Bild 2: Eine Überwachungskamera ist Teil des neuen Flood Monitoring Systems von Bosch. Sie steht derzeit stromabwärts am linken Ufer, nach der Staustufe Poppenweiler und überwacht den Neckar digital und in Echtzeit. © Stadt Ludwigsburg Versorgung von Städten Am 4. Juni 2018 erscheint die nächste Ausgabe von Transforming Cities mit dem Themenschwerpunkt  Kommunale Energieerzeugung  Regenerative Energieträger  Intelligente Stromnetze  Speichertechnologien  Wärmeversorgung + Abwärmenutzung  Urbane Wasserversorgung  Regenwasserbewirtschaftung  Produktion + Landwirtschaft in Städten