Transforming cities
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Zunehmende Verdichtung und konkurrierende Nutzungen Straßenraumgestaltung | Spielraum in Städten | Grüne Infrastruktur | Dach- und Fassadenbegrünung | Stadtnatur 3 · 2018 Urbane Räume und Flächen URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Moderne Infrastruktur-Lösungen für die Gas- und Wasserwirtschaft 23.- 25.10.2018, CityCube Berlin Leitkongress mit großer Dialogmesse Mit freundlicher Unterstützung e Dialogforum: Impulse für Stadtwerke und Netzbetreiber e Dialogmesse: Forschungs- und Innovationsthemen e Networking: Start-up-Pitches und Speed-Dating Jetzt anmelden unter www.gat-wat.de Innovation Day NEU am 23.10.2018 Die Netze der Zukunft sind digital. 1 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES EDITORIAL Liebe Leserin, lieber Leser, Stadtraum setzt sich aus vielen verschiedenen Elementen zusammen: aus Baukörpern und dazwischen liegenden Funktionsflächen, aus öffentlichen und privaten Bereichen, aus halböffentlichen Zonen wie etwa Lokalen oder Läden, die nur zu bestimmten Zeiten geöffnet oder zugänglich sind. Aus genutzten und ungenutzten Arealen: Unter stark frequentierten Verkehrsbauwerken gibt es tote Winkel, Restflächen zwischen den Fahrbahnen. Im einen Viertel liegen gepflegte Grünanlagen, im anderen Industriebrachen im Niemandsland aufgegebener Nutzungen. In welchen dieser definierten, gewachsenen oder irgendwie entstandenen Räumen spielt sich eigentlich das urbane Leben ab und wie viel Raum in welcher Qualität brauchen Stadtgesellschaften, um gut funktionieren zu können? Je mehr Menschen in Städten leben und arbeiten, desto härter wird die Konkurrenz um die Räume zwischen dem umbauten Raum. Nachverdichtung und Umwidmung schließen die letzten urbanen Freiräume. Grünflächen verschwinden, wo Grund und Boden durch Spekulation zum Luxusgut wird. Das wachsende Mobilitätsbedürfnis erhöht den Druck auf den Straßenraum. Auf bestehenden Verkehrsflächen ist ein komfortables Nebeneinander von fließendem und ruhendem Auto-Verkehr, von Bussen und Bahnen, Radfahrern und Fußgängern kaum noch möglich. Ausgesprochene Fußgängerzonen sind dennoch nur selten Oasen für Flaneure. Hauptzweck der Einkaufsarkaden und Shoppingmalls, die sich in Zweckoptik und Warenangebot fast überall gleichen, ist nicht die Muße, sondern der Kommerz. Gibt es in den Städten der Gegenwart also schlechthin noch Raum für urbanes Lebensgefühl, Orte, um einfach zu leben und leben zu lassen? Es gibt sie. Tatsächlich erobern sich die Städter ihre Flächen zurück, Stück für Stück, oft mit unkonventionellen Ansätzen, etwa als Arena für Sport und Spiel. Parkour-Läufer interpretieren Stadtlandschaften kreativ neu durch Bewegungsabläufe außerhalb vorgegebener Wege. Schulkinder und ihre Lehrer entdecken die Stadt als Sport- und Bewegungsfläche im Freien, abseits miefiger Turnhallen. Statt fertig möblierter Spielplätze bieten einige Städte bereits Naturerfahrungsräume, um dem Nachwuchs auch in Ballungszentren direkten Kontakt zur Natur zu ermöglichen. Durchgrünung von Städten ist selbst auf wenig Platz möglich. Flächen an Fassaden und auf Dächern lassen sich mit Kreativität und Knowhow in Grünzonen verwandeln. So verbessern sie das Stadtklima - oder dienen als urbane landwirtschaftliche Flächen, wie etwa der Obst- und Gemüsegarten auf dem Dach einer Kochschule mitten in Paris. Beiträge über dieses und andere wegweisende Projekte finden Sie in der vorliegenden Ausgabe. Ihre Christine Ziegler Redaktionsleitung „Transforming Cities“ Urbane Räume und Flächen Zunehmende Verdichtung und konkurrierende Nutzungen 2 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES INHALT 3 · 2018 Seite 18 Seite 20 Seite 26 © Funke Kunststoffe © Arcadis/ Werner Kuhnle © Drone-view FORUM Veranstaltungen 4 gat|wat Cities, Megacities und die Herausforderungen 23. - 25. Oktober, CityCube Berlin 6 PMRExpo 2018 27. - 29. November, Koelnmesse 7 GaLaBau 2018 12. - 15. September, Messezentrum Nürnberg 8 Smart City auf der INTERGEO 16. - 18. Oktober, Messe Frankfurt PRAXIS + PROJEKTE Kommunikation 10 Auf dem Weg in die Smart City Offene Automatisierungsplattform eröffnet die notwendige Flexibilität Werner Pollmann Infrastruktur 14 Sponge City: die Stadt als Schwamm Hitze und Starkregen bändigen durch Regenwassermanagement Klaus W. König 18 Gestern Grüne Welle, heute grünes Band Baumpflegeprodukte in der Landesgartenschau-Stadt Würzburg Stadtraum 20 Von der Industriebrache zum urbanen städtischen Quartier Das Schoch-Areal in Stuttgart-Feuerbach Karl Noé, Tobias Heitmann 24 Kreativ.Quartier Lohberg Vom Zechenstandort zum CO 2 -neutralen Stadtquartier Heinrich Dornbusch 26 Le Cordon Bleu in Paris Urban Farming: Ein lehrreiches und schmackhaftes Dach Vincent de Haas 30 Forschungsprojekt FEW-Meter Ressourcenströme in der urbanen Landwirtschaft messbar machen Kathrin Specht, Runrid Fox-Kämper 32 Rettet den Vorgarten! Initiative nicht nur für Sommer wie diesen Peter Menke 34 Quartier Vauban in Freiburg Geprägt von Dach- und Fassadenbegrünungen Gunter Mann 3 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES INHALT 3 · 2018 Seite 43 Seite 60 © A. Wilitzki, HNEE Seite 70 © Erika Thomas © Urbanizers THEMA Urbane Räume und Flächen 36 Ideen zu einer Theorie der Straßenraumgestaltung Klaus Füsser 43 Freiräume zum Spielen, Entdecken und Naturerleben Die Umsetzung des Konzeptes der Naturerfahrungsräume in deutschen Städten Maren Pretzsch, Annemarie Wilitzki, Jürgen Peters 50 SpielRaum in der Stadt Bewegung und Raum im Sportunterricht der Grundschule Ronny Kaiser, Ulrike Igel, Almut Krapf 54 Gegen das Verschwinden der Natur in der Stadt Die vielfältigen positiven Wirkungen der Natur auf den Menschen Antje Flade 60 Grün auf engem Raum Neue Ansätze urbaner grüner Infrastruktur Stephanie Haury 66 Bäume - Luftkühlung ohne Lärm Mohammad Rahman 70 Neue Perspektiven durch Vertikale Freiräume Isabel Zintl, Ferdinand Ludwig 74 GREEN-AREA Intelligentes Gründachkataster auf der Basis von GIS-Daten Martina Klärle, Ute Langendörfer FOKUS Forschung + Lehre 78 Mit 100 Indikatoren durch die Stadt Kommunikationsfaktor für mehr Qualität im Stadtraum Jeremy Klemens PRODUKTE + LÖSUNGEN Stadtraum 82 Graffiti kosten- und zeitsparend wieder entfernen Anti-Graffiti-Schutz für den Bahnbereich 83 Senkrechte Natursteinflächen, Bewehrung inklusive Erweiterte Möglichkeiten im GaLaBau durch patentierte Fertigteile Barbara Sahler 84 Impressum 4 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES FORUM Veranstaltungen Die gat|wat 2018 wirft hierzu auch einen Blick nach China, dem Weltmeister im Bauen von Megacities. Schon jetzt hat China etwa 50 Städte mit mindestens einer Million Einwohnern. Und ein Ende des Baubooms ist nicht in Sicht. In seiner Keynote erläutert Dr. Xavier Chen vom Beijing Energy Club den Beitrag Chinas zu einem klimaneutralen Energiesystem. Der Trend zur Urbanisierung hält auch in Deutschland unvermindert stark an. Das stellt die zumeist kommunalen Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen, den klimapolitischen Vorgaben und neuen technischen wie wirtschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden. Gefragt sind Geschäftsmodelle, die etwa auf dezentrale Stromerzeugung oder neue Mobilitätskonzepte setzen. Vor diesem Hintergrund sind Leitkongresse wie gat und wat unerlässlich, um neueste Entwicklungen und innovative Lösungen zu vertiefen und den Führungskräften der Branchen mit Informationen aus erster Hand wichtige Entscheidungsgrundlagen zu liefern. In diesem Jahr finden die beiden Veranstaltungen parallel vom 23. bis 25. Oktober 2018 im CityCube in Berlin statt. Im Fokus der gat 2018 werden die drei Bereiche Mobilität, Wärmemarkt und Stromerzeugung stehen, von denen jeder für sich erhebliche CO 2 -Einsparpotenziale bietet: Längst haben Erdgas und grüne Gase bewiesen, dass sie entscheidend zu einer klima- und umweltfreundlichen Mobilität beitragen können. Wie hoch der Handlungsdruck gerade in Großstädten ist, haben die jüngst verhängten Fahrverbote für Dieselautos eindrucksvoll belegt. Zu hohe Schadstoffwerte in der Luft und ein seit Jahren auf hohem Niveau stagnierender CO 2 -Ausstoss sind Alarmsignale. Gas als klimafreundlicher Kraftstoff sollte daher zentraler Baustein einer sauberen Mobilität werden. Auch beim Klimaschutz in der Wärmeversorgung führen effiziente Lösungswege über Gas. Ungefähr ein Drittel des gesamten Endenergieverbrauchs in Deutschland entfällt auf das Heizen und Klimatisieren von Gebäuden sowie auf die Warmwasserbereitung. Ein vermehrter Einsatz von gasbasierten Heizungen in privaten Haushalten unter steigender Zumischung von treibhausgasarmen Gasen wie Biogas, Biomethan und Wasserstoff senken die Treibhausgasemissionen dieses Sektors. Für eine echte Wärmewende müssen jetzt die Weichen gestellt und dazu Fragen der Wirtschaftlichkeit und eines geeigneten europäischen Rechtsrahmens geklärt werden. Gleichzeitig wird die Bedeutung der Power-to- Gas-Technologie und der Sektorenkopplung hervorgehoben. Sie stehen für die Verbindung und Integration bislang weitgehend getrennter Sektoren in ein effizientes Gesamtenergiesystem. Der DVGW hat errechnet, dass sich bereits 2035 jährlich 5,5 Milliarden Euro einsparen lassen [2], wenn Power-to-Gas- Anlagen zur Netzstabilisierung eingesetzt werden. Es ist daher nicht verwunderlich, dass für nahezu alle Experten das Energiesystem der Zukunft insbesondere in Ballungsräumen aus gekoppelten Strom- und Gasinfrastrukturen bestehen wird. Digitalisierung und IT-Sicherheit Weitere Schwerpunkte sowohl auf der Gaswie auf der Wasserseite sind Digitalisierung und IT-Sicherheit. So ergeben sich in einer digitalen Welt völlig neue Anforderungen an die Netzführung. Die Herausforderungen reichen von optimierten Netzstrukturen über eine bedarfsgerechte Ausstattung mit Mess-, Regel- und Automatisierungstechnik bis hin zu angepassten Betriebskonzepten. Eng damit verbunden ist die Frage nach IT-Sicherheit, umso mehr, da es sich um kritische Infrastrukturen handelt. Cities, Megacities und die Herausforderungen Der Trend zu „Cities“ und „Megacities“ setzt sich fort. Nach Prognosen der Vereinten Nationen sollen bis zum Jahre 2030 rund 5,2 Mrd. Menschen in großen Städten leben. Umgerechnet werden das 60-Prozent der Weltbevölkerung sein, derzeit sind es 55 Prozent. Oder anders ausgedrückt: Laut UN gibt es derzeit weltweit 548 Städte, die mehr als 1 Mio. Einwohner haben - 33 davon mit mehr als 10 Mio. Bewohnern. Für das Jahr 2030 werden über 700 Städte erwartet, in denen dann jeweils mehr als 1 Mio. Menschen leben. [1] Eine Entwicklung, die insbesondere auch die Energie- und Wasserversorgung sowie den Verkehrssektor vor große Herausforderungen stellt. © DVGW 5 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES FORUM Veranstaltungen Es ist zu erwarten, dass extreme Wetterlagen und damit verbunden Starkregen weiter zunehmen und städtischen Infrastrukturen immer wieder vor große Herausforderungen stellen. Es gilt etwa, traditionelle Planungsmuster der Wasserwirtschaft auf eine IT-gestützte Basis zu stellen und Betriebsabläufe zu optimieren. In der Praxis bedeutet das: Messungen erfolgen immer schneller und größere Datenmengen müssen in kürzester Zeit verarbeitet, versendet oder zur Verfügung gestellt werden. In Keynote-Vorträgen, moderierten Diskussionsrunden und Best-Practice-Beispielen berichten Top- Referenten über ihre Erfahrungen, stellen Tools zur Selbsteinschätzung des digitalen Reifegrades vor und beleuchten darüber hinaus auch den kulturellen Wandel, den die digitale Transformation in den Unternehmen erfordert. Signal an die Politik Die verantwortlichen Verbänden DVGW und BDEW haben in den letzten Jahren besonderen Wert darauf gelegt, dass das früher technisch geprägte Themenspektrum mittlerweile von wasser- und energiepolitischen Inhalten ergänzt wird. Eine Entwicklung, die der Standort Berlin in diesem Jahr deutlich unterstreicht. Erwartet werden zahlreiche Entscheidungsträger aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft. Genau das richtige Umfeld, um für einen verlässlichen ordnungspolitischen Rahmen beim Ausbau urbaner Strukturen zu werben. [1] Statistisches Bundesamt, Presseinformation vom 10. Juli 2018 [2] Untersuchungen von DVGW und BDEW, Stand Februar 2018, basierend auf den Rahmenbedingungen von Sterner et al. (2015) und Götz et al. (2016) Traditionell gehört zu den beiden Veranstaltungen eine Fachmesse. Im Zentrum der diesjährigen noch stärker auf Dialogformate und Networking ausgerichteten Messe präsentieren über 100 Aussteller Produkte und Dienstleistungen rund um die Themen Infrastruktur, Digitalisierung, Wärme und Wasser. Im Dialogforum im Zentrum der Messe werden den Besuchern Impulsvorträge sowie Informationen zu innovativen Technologien und aktuellen Projekten aus dem In- und Ausland geboten. Zusammen mit den beiden Kongressen entsteht so ein „Marktplatz der Innovationen“, auf dem die aktuellen Branchentrends umfassend vertieft werden. Ziel der Fachmesse ist, die gesamte Wertschöpfungskette der Gas- und Wasserversorgungswirtschaft abzubilden. Neu ist, dass diesmal den beiden Kongresstagen ein „Innovation Day “ vorangeht. Er stellt insbesondere Startups eine Plattform zur Verfügung, um innovative Lösungen für die Energie- und Wasserwirtschaft zu präsentieren. Weitere Highlights beschreiben die Rolle von Stadtwerken als Treiber von Smart Cities sowie die Anforderungen an künftige Führungskräfte. Darüber hinaus ist seit Jahren ein umfangreiches Rahmenprogramm fester Bestandteil von gat|wat 2018. Diesmal umfasst es mehr als zehn Side-Events sowie zwei abendliche Networking-Veranstaltungen. Die grüne Batterie der Energiewende „Der Energieträger Gas kann und wird mittelfristig grün werden. Er ist flexibel einsetzbar und hat das Potenzial, sowohl Partner der erneuerbaren Energien zu sein als auch selbst erneuerbar zu werden. Mit der zentralen Energiewende-Technologie Power-to-Gas kann Wind- und Sonnenstrom in klimaneutralen Wasserstoff oder Methan umgewandelt werden. Die Strom- und Gasnetze werden auf diese Weise miteinander verbunden und überschüssiger Ökostrom langfristig gespeichert. Das Gasnetz wird damit zur grünen Batterie der Energiewende. Es kann so zum Erreichen der Klimaschutzziele wie zur Lösung der spezifischen Umweltprobleme nicht nur von urbanen Ballungsräumen beitragen.“ Prof. Dr. Gerald Linke, Vorstandsvorsitzender des DVGW FACHMESSE: ABBILD DER GAS- UND WASSER- WERTSCHÖPFUNGSKETTE © DVGW © DVGW 6 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES FORUM Veranstaltungen PMRExpo 2018 Vom 27. bis zum 29. November in der Koelnmesse Die 18. PMRExpo findet vom 27. bis zum 29. November 2018 erneut in der Koelnmesse statt. Die internationale Fachmesse hat sich in den letzten Jahren zur europäischen Leitmesse für Professionellen Mobilfunk und Leitstellen weiterentwickelt und einen gewaltigen Wachstumssprung hingelegt. Über 4300 Besucher aus der ganzen Welt und über 225 nationale und internationale Aussteller werden auf der PMRExpo 2018 erwartet. Das diesjährige Vortragsprogramm wurde einer „Verjüngungskur“ unterzogen. Neu sind die Bezeichnungen der einzelnen Kongresstage - bewährte Elemente werden beibehalten ebenso wie die Qualität und Aktualität der Vorträge. Bis 2017 firmierten die beiden ersten Tage unter der Bezeichnung „PMR Konferenz“ und der dritte Tag als „Leitstellenkongress“. Alle drei Kongresstage laufen ab diesem Jahr unter dem Titel „Summit Sichere Kommunikation“ mit Fokus auf Leitstellen am dritten Tag. Hinzu kommen die Fachtagung „Sichere Kommunikation für die Energiewirtschaft“ und die täglich wechselnden Fachforen: Internationales BOS-Forum, Objektfunkforum, Career-Forum, Fachhandelsforum und Energiewirtschaftsforum. Summit Sichere Kommunikation Der Summit Sichere Kommunikation bietet hochkarätige Vorträge rund um dieses Thema für professionelle Anwender und weitere aktuelle Leitstellenthemen: Shared Networks und Campus-Lösungen: Ein Netz, viele Anwender, eine Lösung? ; Smart City zwischen Logistik und Notfall: Wo wird sichere Kommunikation benötigt? ; Digitalisierung und Industrie 4,.0: Wirtschaftliche Absicherung durch sichere Kommunikation; Herausforderung Erhöhung der ÖPNV-Dichte - wie sichere Kommunikation helfen kann; Aktuelle Herausforderungen der Objektfunkversorgung; Kritische Infrastrukturen als Zielscheiben: Abwehr und Cybersecurity; Der letzte Meter: Alles Bluetooth, alles sicher? ; Betrieb einer Leitstelle: zwischen Sicherheit und Wirtschaftlichkeit. Sichere Kommunikation für die Energiewirtschaft Diese eintägige Fachtagung beleuchtet EVU-spezifische Themen aus dem PMR-Bereich. Sie richtet sich direkt an Versorgungsunternehmen. Folgende Schwerpunkte sind geplant: Kommunikationsnetze für das Smart Grid, aktueller Diskussionsstand; 5G für die Energiewirtschaft; KRITIS: Sicherheitsanalyse und Sicherheitskonzept nach BSI-Grundsatz; Temporäre mobile Kommunikationslösungen für den Schwarzfall; Zukünftige Nutzung des Frequenzbereichs 450 MHz - Status Quo, Rahmenbedingungen für eine Beantragung. PMRExpo Career Die PMRExpo bietet 2018 interessierten Nachwuchskräften erneut Einblick in die beruflichen Möglichkeiten der Branche für sichere Kommunikation. Das Programm der PMRExpoCareer - Takeoff! bringt Unternehmen mit Studierenden passender Lehrstühle zusammen. Die neuen Dialog-Formate geben Unternehmen die Gelegenheit, nicht nur Studierende fachlich zu interessieren, sondern auch mögliche Arbeitnehmer direkt auf der Messe zu erreichen. Der PMRExpoCareer-Jobboard am Career-Stand und online erhöht die Chance, unter den Messebesuchern geeignete Fachkräfte zu finden. Dreitackes-Ticket schafft Mehrwert Einen echten Mehrwert bringt das Dreitages-Ticket für den gesamten »Summit Sichere Kommunikation«. Damit kann man sich von Dienstag bis Donnerstag alle Summit-Vorträge anhören die Ausstellung besuchen. Es ersetzt somit das bisherige Zweitages-Ticket für die »PMR Konferenz«. Der dritte Tag mit Fokus auf Leitstellen kann weiterhin separat gebucht werden. © PMRExpo 7 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES FORUM Veranstaltungen SPONSOREN: Veranstalter: DVW e.V. Ausrichter Kongress: DVW GmbH Ausrichter Messe: HINTE GmbH WWW.INTERGEO.DE WISSEN UND HANDELN FÜR DIE ERDE FRANKFURT 2 0 1 8 16. - 18. O K TO B E R JETZT REGISTRIEREN! DIGITALIZATION SMART CITIES INTERAERIAL SOLUTIONS BIM GaLaBau 2018 Vom 12. bis zum 15. September im Messezentrum Nürnberg Vom 12. bis 15. September 2018 öffnet die GaLaBau, Internationale Leitmesse Urbanes Grün und Freiräume, im Messezentrum Nürnberg ihre Tore. Etwa 1350 internationale Aussteller bieten das komplette Angebot für das Planen, Bauen und Pflegen von Gärten, Parks und Grünanlagen an. Highlights sind das neue Format „Motoristen im Gespräch“ sowie das Areal Garten[T]Räume, das unter anderem exklusive Freiraumgestaltung zeigt. Alles zum Thema Spielplatz finden Fachbesucher in Halle 1; um Baumpflege und Baumklettern geht es auf der Fläche Baumpflege LIVE in Halle 3A. Auf der Aktionsfläche im Freien präsentieren GaLaBau-Aussteller Pflege- und Bodenbearbeitungsmaschinen auf echtem Rasen und Boden. 65 000 Besucher werden erwartet. Ideeller Träger ist der Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau (BGL). © GaLaBau 8 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES FORUM Veranstaltungen Die Ära der Städte hat gerade erst begonnen. Laut jüngsten Zahlen der Vereinten Nationen werden im Jahr 2050 rund drei Viertel der Menschen weltweit in Städten leben. Und einer auf dem Statistik- Portal „Statista“ veröffentlichen Studie zufolge wird Deutschland diesem Trend sogar vorangehen. Denn danach werden deutschlandweit bereits im Jahr 2030 rund 78,6 Prozent der Bevölkerung in Städten leben. Eine ganze Generation Stadtplaner und -entwickler, Verkehrs- und Umweltexperten, Kommunalpolitiker und städtische Energieanbieter, aber auch Forschungsinstitutionen und EU-Projekte widmen sich daher der Frage, wie Städte auf diesen weiteren Bevölkerungsdruck vorbereitet werden können. Wie sieht die Smart City der Zukunft aus? Um auch in Zukunft attraktive und anpassungsfähige urbane Lebensräumen zu gestalten, wird allerorten daran gearbeitet, Städte mithilfe moderner IT in „Smart Cities“ zu wandeln. Doch was genau bedeutet das? Welche Segmente städtischen Lebens sind davon betroffen? Und wie reagieren die Bürger auf die Digitalisierung ihrer Lebensumwelt? Keine dieser Fragen ist eindeutig zu beantworten, denn jede Stadt ist ein anders, mit eigenen Voraussetzungen und Herausforderungen. Am Anfang einer jeden Smart City steht daher die Analyse der lokalen Besonderheiten und der Ziele, die Kommunen und deren Bürger verfolgen. Es gilt vielfältige Daten zu erheben und die vorhandenen zu analysieren. Hier haben Geodaten eine besondere Bedeutung. Grundlage gesunden Städtewachstums Die INTERGEO versteht die Smart City als Grundlage eines gesunden Städtewachstums und präsentiert sich als Plattform dieses stark wachsenden Wirtschaftssegments. Im INTERGEO Kongress ist das Thema an allen drei Konferenztagen Programm. Die Programmblöcke „Kommunen und Digitalisierung“, „Smart City“ und „Lighthouse City Deutschland“ begleiten den Prozess wie Städte smart werden und betonen die Bedeutung von Geoinformationen im Gesamtprozess. Vernetzung von Anbietern und Städten Auf der „Smart City Solutions“ treffen internationale Anbieter von Smart-City-Tools auf die Verantwortlichen für Stadtentwicklung, Mobilität und Umwelt aus Städten und Gemeinden. Thomas Müller und Bart Gorynski von der Internet-Plattform „bee smart city“, Aussteller und Panel-Organisator auf der „Smart City Solutions“ definieren Smart City als ein Ökosystem von Lösungen. „Und da es auf der SCS im Kern genau darum geht, die vielen Facetten der Smart City zu beleuchten und Anbieter und Städte zusammenzubringen, freuen wir uns, die SCS tatkräftig zu unterstützen.“ Auch das japanische Unternehmen Mitsubishi Electric stellt auf der INTERGEO aus. Ihr Mobile Mapping System und automatisierte Mapping-Technologien verstehen sich als Basis für Autonomes Fahren, effizientes Infrastruktur-Management und Katastrophen-Vorsorge. Die INTER- GEO sei eine perfekte Gelegenheit, Zukunftspartner zu treffen, die den Weg bereiten wollen, für neue innovative Geschäftsmodelle und Märkte. Exakt diese Vernetzung von Anbietern, das Zusammenbringen von Anbietern und Städten und der Austausch der Städte und ihrer Lösungsansätze ist Ziel der „Smart City Solutions“. Anbieter von Smart-City-Lösungen, Stadtentwickler, Stadtplaner, Umwelt- oder Verkehrsexperten, Wirtschaftsförderer oder Beratungsunternehmen für Städte und Kommunen treffen sich auf der IN- TERGEO mit Kongress und speziellem SCS-Messeteil vom 16. bis 18. Oktober in Frankfurt am Main. Die Zukunft der Stadt Smart City auf der INTERGEO Smart City-Lösungen boomen - denn Städte aller Größenordnungen arbeiten derzeit daran, auch steigenden Bevölkerungszahlen attraktive zukunftsfähige Lebensräume liefern zu können. Die Herausforderungen in Verkehr, Energie und Umwelt, aber auch Bildung und Gesundheit sind enorm, die Lösungen stets individuell. Die INTER- GEO misst dieser Entwicklung und dem rasant wachsenden Markt von Smart-City-Lösungen eine große Bedeutung bei. Das spiegelt sich sowohl im Kongressprogramm wider als auch auf der Themenplattform „Smart City Solutions“. Hier finden Anbieter von Smart- City-Lösungen und Städte zueinander. 9 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES FORUM Veranstaltungen VERANSTALTER NürnbergMesse GmbH T +49 9 11 86 06-49 90 besucherservice@nuernbergmesse.de IDEELLER TRÄGER Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e. V. www.galabau.de galabau-messe.com Nürnberg, Germany 12. - 15. September 2018 10 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Kommunikation Derzeit wird viel über die Städte der Zukunft gesprochen. Das geschieht unter anderem durch die Notwendigkeit, die sich daraus ergibt, dass immer mehr Menschen vom Land in die Metropolen ziehen. Außerdem stellen die Bürger aufgrund eines neuen Denkens in puncto Mobilität, Kommunikation und Lebensge- Auf dem Weg in die Smart City Offene Automatisierungsplattform eröffnet die notwendige Flexibilität Urbanisierung, Smart Cities, Digitalisierung, Automatisierung, Big Data, urbane Infrastruktur Werner Pollmann Müssen Städte neu erfunden werden, weil sie heute mit anderen Anforderungen konfrontiert sind, die sich aus der Digitalisierung und den daraus resultierenden Geschäftsmodellen ergeben? Diese Frage ist nicht nur von großen Städten zu beantworten, sondern auch von Kommunen, die um die 100 000 Einwohner haben. Mit der flexiblen PLCnext Technology als Plattform für eine grenzenlose Automatisierung lassen sich die Ansprüche von Städten jeder Größenordnung umsetzen. fühl andere Forderungen an ihre Wohn- und Arbeitsorte. Und die Digitalisierung tut ein Übriges. In diesem Zusammenhang wird oft von der Smart City geredet. Doch was verbirgt sich hinter dem Begriff? Das Deutsche Institut für Normung e. V. (DIN) definiert die Bezeichnung wie folgt: „Smart Cities sind Siedlungsräume, in denen systemisch nachhaltige Produkte, Dienstleistungen, Technologien, Prozesse und Infrastruktur eingesetzt werden, in der Regel unterstützt durch hochintegrierte und vernetzte Informations- und Kommunikationstechnologien“. Der Grundgedanke einer Smart City besteht also darin, durch das Zusammen- © Phoenix Contact 11 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Kommunikation spiel von Technologie, Systemen und Prozessen einen Mehrwert für die Bürger, Umwelt sowie die Anbieter von Leistungen innerhalb einer Stadt herbeizuführen. Neue Datenquellen nutzen Um innerhalb der Stadt neue Geschäftsmodelle speziell für den Bürger aufzubauen, muss einerseits mehr Wissen gesammelt und auf der anderen Seite tiefer in die Systeme eingegriffen werden können. Die Grundlage dafür bildet beispielsweise die Vernetzung des Sensors/ Aktors einer Straßenleuchte bis in das Leitsystem oder ein Datenmanagementsystem wie etwa eine Cloud. Ergänzt werden diese Informationen durch Daten aus vorhandenen Leitsystemen, Apps und Webseiten, die große Zahlenmengen generieren. Durch die Einbeziehung von Big- Data-Analysen lassen sich aus diesem Datenwust neue Erkenntnisse gewinnen, die wiederum noch unbekannte technologische, systemische und prozessuale Möglichkeiten eröffnen. Eine große Herausforderung und gleichzeitig eine Chance der Digitalisierung im Hinblick auf eine nachhaltige und integrierte Stadtentwicklung liegt in der Bereitstellung von Open Data und der Nutzung neuer Datenquellen. Auf dieser Grundlage können dann konkrete Probleme im Stadtraum gelöst und parallel dazu Stadtentwicklung und -verwaltung sowie Transparenz und Teilhabe gestärkt werden. Als Beispiel für die Möglichkeiten der Digitalisierung sei die Messung der Luftqualität in Echtzeit genannt. Im Zusammenspiel mit den gewerbetreibenden Unternehmen lassen sich die Bedürfnisse aller Beteiligten - Anwohner, Geschäfte, Handwerker, Kunden etc. - anschließend abgleichen und der Verkehr kann entsprechend beeinflusst werden. Darüber hinaus bietet sich die digitale Überwachung des Wasserstands in Flüssen an, sodass bei einem Niedrigstand der Schiffsverkehr gelenkt, Stauseen geöffnet oder vor einer möglichen Überflutung frühzeitig Maßnahmen initiiert werden können. Aus diesen Daten leiten sich auch Informationen für die Bürger ab. Auf diese Weise sind sie näher am Geschehen und können ihre eigenen Aktivitäten unter Umständen besser planen (Bild 1). Bild 1: Aufgrund der digitalen Überwachung tritt das Schöpfwerk sofort in Aktion, wenn ein bestimmter Wasserstand überschritten ist. © Phoenix Contact Das Proficloud-System von Phoenix Contact macht die standortübergreifende Kommunikation und Steuerung von vielerlei Anwendungen einfach und sicher. Dazu wird es aus einem Koppler, der Steuerung, der Proficloud-Lizenz und den Proficloud-Diensten zusammengesetzt. Die Installation funktioniert einfach und schnell: Der Anwender baut sein Automatisierungsnetzwerk in der gewohnten Entwicklungsumgebung auf. Am lokalen Standort ist der Proficloud-Koppler verbaut, der das lokale Profinet-Netzwerk über das Internet mit der Proficloud verbindet. An den dezentralen Standorten koppeln sich die Proficloud-fähigen Steuerungen über das Internet an die Cloud an. Ohne weitere Konfiguration oder zusätzliche Programmierung erscheinen nun die dezentralen Geräte wie lokale Teilnehmer im Profinet-Netzwerk. Die TLS-Verschlüsselung sorgt für Datensicherheit. Die Proficloud bietet die Möglichkeit, selbst entwickelte Anwendungen oder Dienste aus dem Internet in das Profinet-Netzwerk zu integrieren. So können beispielsweise Wetterdaten aus dem Internet abgefragt werden. Durch Eingabe der Längen- und Breitengrade erhält das System aktuelle oder prognostizierte Wetterinformationen, die für zahlreiche Anwendungen in der Stadt relevant sind. Ein anderes Beispiel ist der Proficloud-Dienst Cloud Service Calc, mit dem aufwändige Rechenoperationen in die Cloud ausgelagert werden. Auf diese Weise reduziert sich der Programmieraufwand deutlich und es lassen sich bislang nicht umsetzbare Berechnungen realisieren. APPS UND INTERNET-DIENSTE ÜBER DIE PROFICLOUD EINBINDEN 12 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Kommunikation Gemeinsam individuelle Ansätze entwickeln Abhängig von der Einwohnerzahl einer Stadt variieren viele Faktoren, die auf das Stadtleben einwirken, weshalb in jeder Kommune andere Anforderungen umzusetzen sind. Die Verkehrsdichte und -lenkung unterscheiden sich ebenso wie der vorhandene Wohnraum und die Anbindung an die Einkaufszentren. Deshalb kann eine mittelgroße Stadt nicht die positiven Ansätze einer Metropole kopieren. Neben den generellen Rahmenbedingungen, die sich aus der Stadtgröße ergeben, gibt es jedoch ebenfalls Konzepte, die unabhängig von der Einwohnerzahl betrachtet werden können. Ein Beispiel ist die Handhabung der Straßenbeleuchtung. Generell wird heute zwischen Tag, Nacht und Dämmerung differenziert. Hinzu kommt, dass die Straßenbeleuchtung, das Verkehrsleitsystem und die Tunnelbeleuchtung derzeit meist in getrennten Systemen gemanagt werden. Mit einer intelligenten Lösung lässt sich im Umfeld des Verkehrsnetzes die Straßen- und Tunnelbeleuchtung in Zukunft gemäß der Helligkeit und des Verkehrsaufkommens steuern. Im Bereich der Fußgängerzonen kann die Beleuchtung an das Tageslicht und die Öffnungszeiten der Geschäfte angepasst werden. Findet nun ein Event wie ein verkaufsoffener Sonntag statt, reagiert die Beleuchtung entsprechend. Denkbar ist auch, dass die Lichtsteuerung von den Gewerbetreibenden selbst ausgelöst wird. Zahlreiche Städte und Gemeinden sind allerdings nicht in der Lage genaue Aussagen zu treffen, wann hier ein Nutzen für die Stadt, den Handel oder die Bürger entsteht (Bild 2). Vor diesem Hintergrund bietet Phoenix Contact, abgesehen von der Beratung der Kommunen, die Möglichkeit des Aufbaus von Überwachungssystemen. Die relevanten Daten lassen sich damit vom Sensor bis in die unternehmenseigene Proficloud kostengünstig transparent machen, sodass die Städte die Vorteile für die Beteiligten besser abschätzen können. Hierzu prüfen die Experten, welche Daten der vorhandenen Systeme verwendbar sind. Gegebenenfalls werden weitere Sensoren installiert und deren Daten über einfach zu implementierende Kommunikationsstandards - zum Beispiel das Low-Power-Wireless-Netzwerkprotokoll LoraWan - eingesammelt. Die Informationen lassen sich dann in der Proficloud zusammenführen und analysieren. Im Anschluss kann die Stadt oder Gemeinde entscheiden, an welcher Stelle tatsächlich ein Nutzen generiert wird und welche Investitionen somit sinnvoll sind (Bild 3). Vorhandene Daten in das Automatisierungskonzept integrieren Viele Kommunen setzen also heute schon an ein Leitsystem angebundene Kommunikations- und Fernwirklösungen ein, um beispielsweise die Straßenbeleuchtung oder den Verkehr zu steuern. Damit sich der Übergang in die Stadt der Zukunft möglichst optimal gestaltet, sollten diese Daten ebenfalls in das neue Automatisierungskonzept integriert werden. Zu diesem Zweck lassen sich mit der offenen Steuerungsplattform PLCnext Technology von Phoenix Contact zum Beispiel Gateways aufbauen, welche die bestehende Infrastruktur mit ihren Übertragungsstandards - wie etwa dem IEC-Protokoll 60870-5-104 - an die Proficloud ankoppeln. Darüber hinaus können die aktuellen Leitsysteme auch an die Proficloud ange- Bild 5: Die PLCnext Technology bildet die Plattform für eine zukunftsorientierte, flexible Automatisierung. © Phoenix Contact Bild 2: Die Straßenbeleuchtung lässt sich unabhängig von der Einwohnerzahl betrachten. © Phoenix Contact Bild 3: Einfache strukturierte Vernetzung auf Basis der Proficloud. © Phoenix Contact Bild 4: Über das Proficloud-Gateway können vorhandene Netzwerke problemlos angebunden werden. © Phoenix Contact 13 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Kommunikation schlossen werden, sodass sich die Überführung des derzeitigen Automatisierungskonzepts in ein zukunftsorientiertes System vereinfacht. In der Übergangsphase sind bereits zahlreiche Vorteile - beispielsweise das Devicemanagement - nutzbar (Bild 4). Ein zukunftweisendes System lässt sich außerdem kontinuierlich erweitern. Als Beispiel sei wiederum die Straßenbeleuchtung genannt. Neben ihrer primären Aufgabe stellen die vielen verbauten Lichtmasten eine gute Infrastruktur zur Verfügung, an die weitere Sensoren und Aktoren angebracht werden können, die dann mit dem Leitsystem kommunizieren. So lassen sich andere relevante Daten erfassen sowie den Bürgern zusätzliche Dienste anbieten. Dazu zählt beispielsweise ein Notfallsensor, der auf allen Kranken- und Feuerwehrwagen montiert ist oder mitgeführt werden kann. Kommt es beispielsweise zu einem Autounfall, sorgt der Sensor dafür, dass die Beleuchtung am Unfallort auf die maximale Helligkeit hochgefahren wird. Alternativ löst die Meldung über den Unfall entsprechende Aktionen aus, etwa die Sperrung der Straße sowie Anzeige einer Ausweichstrecke. Fazit Zur Ausschöpfung der heutigen Möglichkeiten sowie Ausrichtung auf zukünftige Anforderungen sollten Städte und Gemeinden auf eine Plattform setzen, welche die Ansprüche an die Flexibilität, Offenheit, Zugriffssicherheit und Multiprogrammierbarkeit bestmöglich unterstützt. In Kombina- Weitere Informationen senden wir Ihnen gerne zu. Ihre Ansprechpartnerin: Vanessa Ledig Tel. +49 (0) 30 28 44 94-221 pmrexpo@ew-online.de • Fachmesse • Summit Sichere Kommunikation (inkl. Fokus auf Leitstellen am 3. Tag) • Sichere Kommunikation für die Energiewirtschaft • Täglich wechselnde Fachforen • PMRExpo Career Eine Veranstaltung von: 27. bis 29. November 2018 Koelnmesse 2018 Bubbles: Parris Cope/ Fotolia Mehr Infos unter: www.pmrexpo.de oder Werner Pollmann System Manager Infrastructure Phoenix Contact Electronics GmbH Kontakt: wpollmann@phoenixcontact.com AUTOR tion mit dem PLCnext Controller AXC F 2152 und der Proficloud verfügt die PLCnext Technology über sämtliche Voraussetzungen, um ein solches System aufzubauen und zukunftsorientiert aufzustellen (Bild 5). Mehr Informationen: www.phoenixcontact.de/ plcnext 14 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Infrastruktur Das Ideal wäre, der natürlichen standortbezogenen Wasserbilanz aus Niederschlag, Verdunstung, Versickerung und oberflächigem Abfluss so nahe zu kommen, dass eine unterirdische Ableitung in Rohren und Kanälen nicht erforderlich ist. Damit ließen sich im sprichwörtlichen Sinne „zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen“: Die urbanen Sturzfluten würden in vielen öffentlichen und privaten Rückhaltezonen gepuffert. Und eine hohe Verdunstungsrate kühlte die sommerlichen Temperaturen auf das Niveau des Umlandes ab. In Anbetracht der Kapazität zur Wasseraufnahme und -abgabe ist der Schwamm das Vorbild. Was ist Gewässern zumutbar? Historisch gesehen war Stadtplanung immer wasserorientiert. Alle Metropolen sind Beispiele dafür - sie liegen an Flüssen. Kriterien für die Wahl des Ortes zu Beginn unserer Zivilisation waren Trinkwasser, gewerblich nutzbares Wasser, Verkehrswege und Schutz bzw. Verteidigung. In den vergangenen Jahrhunderten führten Wirtschaftlichkeit und Hygiene dazu, dass die Trinkwasserversorgung und die Entwässerung zunehmend zentral organisiert wurden. Dabei galt schnelle und vollständige Regenableitung aus Siedlungsgebieten als selbstverständlich. Allerdings verstärkte sie ungewollt Schwankungen Sponge City, die Stadt als Schwamm Hitze und Starkregen bändigen durch Regenwassermanagement Klimawandel, Wasserhaushalt, Regenwassermanagement, Sponge City, Stadtklima Klaus W. König Unsere Städte leiden mittlerweile abwechselnd unter Starkregen und Hitze, wo offene Wasserflächen und Begrünung weichen mussten. Der Klimawandel wird diesen Effekt noch verstärken. Nun geht es darum, durch Regenwassermanagement Lösungen zu entwickeln, die in den Städten Überflutungsgefahren mindern und zugleich die Lebensqualität steigern. Bild 1: London, Providence Wharf. Exklusiver Wohnungsbau an der Themse mit intensiv begrünten Dachgärten. © ZinCo 15 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Infrastruktur von Hoch- und Niedrigwasser in Flüssen und den Eintrag unerwünschter Stoffe. Aus diesem Grund enthalten aktuelle technische Richtlinien bzw. Wassergesetze sowohl Kriterien zur Behandlung/ Reinigung des aufgefangenen Regenwasser, bevor es in Oberflächengewässer eingeleitet werden darf, als auch Begrenzungen des Volumenstroms pro Zeiteinheit - abgestimmt auf das, was das jeweilige Gewässer verträgt. Die Begriffe Sponge City und Schwammstadt Stark thematisiert wurde der englische Begriff Sponge City in internationalen Publikationen des Jahres 2017, speziell im Zusammenhang mit dem Bau von Megacities in China. Dort ist die staatlich gelenkte „Sponge-City- Initiative“ ein Instrument, um einerseits den komplexen Sachverhalt den in dieser Sache noch unerfahrenen kommunalen Verwaltungen zu vermitteln. Andererseits erhalten die öffentlichen Auftraggeber zweckgebunden finanzielle Unterstützung, sofern sie das gesteckte Ziel erreichen, bis 2020 auf 80 % des Stadtgebietes mindestens 70 % des auftreffenden Regenwassers „aufsaugen“ zu lassen oder zu nutzen [1]. Es geht ausdrücklich um die kommunale Vorsorge gegen Überflutung, aber auch um das langfristige Sichern der Trinkwasserversorgung durch Senken des Trinkwasserbedarfs und Anreichern der Grundwasservorräte. Gelernt hat man in China von eigenen urbanen Sturzfluten, die 2016 speziell in Wuhan, Nanjing, und Tianjin sowie 2012 in Beijing gewaltige Schäden verursacht hatten. Ähnliche Ereignisse in Mumbai/ Indien und Houston/ Texas zeigen, dass die Probleme weltweit bestehen, nicht auf einzelne Regionen oder nur auf Schwellenländer beschränkt sind. Die Struktur der chinesischen Initiative entspricht in vielem dem nordamerikanischen Konzept Low Impact Development (LID), das nach Vorgabe der US-Umweltbehörde Environmental Protection Agency (EPA) naturnahe Prozesse zur Sicherung der Gewässerqualität vorschlägt [1]. Aus Deutschland war schon 2016 zu erfahren, dass in Absprache mit dem dortigen Umweltbundesamt die technischen Regeln der Siedlungswasserwirtschaft angepasst werden sollen. Vorausgegangen war eine 2015 veröffentlichte Studie des Berliner Bundesinstitutes für Bau-, Stadt- und Raumforschung, in welcher der Begriff Schwammstadt als Prinzip bezeichnet wurde, um für den öffentlichen Raum bestehender Städte nachhaltige Speicher- und Bewässerungssysteme zu entwickeln - zentrale Zukunftsaufgabe für klimaangepasste Städte [2]. Auch hier liegt der Fokus auf den Gefahren durch Überflutung und Hitze. Die lokale Wasserbilanz als Vorbild Der Entwicklungs-Prozess ist bereits in vollem Gange: Seit September 2016 liegt der deutschen Fachöffentlichkeit ein Entwurf des Arbeitsblattes DWA-A 102/ BWK-A 3 (Ableitung von Regen- Aktive Verdunstung von Regenwasser Nutzung Verdunstung Bild 2: Wasserkreisläufe spielen eine wichtige Rolle bei der Planung von Stadtquartieren. © Gregor Grassl Bild 3: Prinzipskizze künftiger Regenwasserkonzepte, um den Verdunstungsanteil der lokalen Wasserbilanz durch Bewässerung der Dachflächen an trockenen Tagen zu optimieren, auch bei Gründächern. © Mall 16 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Infrastruktur wasser in Oberflächengewässer) vor [3]. Er wird ob seiner Radikalität in Fachkreisen heftig diskutiert. Dennoch ist es wahrscheinlich, dass diese Norm (in Verdunstung durch offene Wasserfläche, Teich und Wasserlauf Versickerung durch wasserdurchlässig befestigte Verkehrsfläche, Pflasterfugen und -bettung Versickerung durch bewachsene offene Mulde und unterirdische Rigole Nutzung/ Retention durch Regenspeicher zur Substitution von Trinkwasser Retention durch Speicher/ Stauraumkanal mit gedrosselter Ableitung Retention in urbaner Freifläche mit multifunktionaler Nutzung Letzteres wird in Hamburg bereits praktiziert, in Neubaugebieten und Bestandsquartieren. Ein allmählicher Stadtumbau ist das Ziel. Die Behörde „Umwelt und Energie“ sowie das Versorgungsunternehmen „Hamburg Wasser“ haben gemeinsam das Projekt Regen-InfraStruktur-Anpassung (RISA) 2009 gestartet und 2015 erfolgreich abgeschlossen. Absicht war, nachhaltige Ideen und Konzepte für den Umgang mit Regenwasser zu entwickeln. Ergebnis ist der RISA Strukturplan Regenwasser 2030 [5], ein dezentrales Konzept, das Regenwasser dort, wo es anfällt, erfasst und - soweit möglich - an Ort und Stelle durch geeignete Anlagen wieder dem natürlichen Wasserkreislauf zuführt. Änderungen auf Siedlungs- und Quartiersebene Bei diesem Projekt war die Hamburger Hafen City Universität (HCU) Partner und lieferte wissenschaftliche Unterstützung, zum Beispiel durch Publikationen über das Projekt KLIQ online [6]. Ein Wissensdokument für die Verwaltung und ein Leitfaden für Eigentümer stellen die Konkretisierung des RISA-Ansatzes ihrer Bedeutung einer DIN gleich) im Jahr 2019 Gültigkeit erlangen wird. Bis dahin soll auch das Arbeitsblatt DWA-A 138 (Versickerung von Regenwasser) angepasst sein. Nachdem beide Regelwerke verabschiedet sind, müssen Planer bei deutschen Bauvorhaben als Voraussetzung für die Baugenehmigung die lokale Wasserbilanz mit dezentralen Maßnahmen abbilden, die vor der Bebauung an diesem Ort vorherrschend war. Die Verdunstung beträgt im Randgebiet der meisten Metropolen vor einer Bebauung 60 - 70 % der Niederschlagsmenge, danach nur noch einen Bruchteil davon. Pilotprojekte in Berlin und Nürnberg führen den Nachweis, dass es gelingen kann, zwei Drittel des Niederschlags mit dem jetzigen Stand der Technik zu verdunsten und das unter wirtschaftlich zumutbaren Konditionen. Objektspezifische, maßgeschneiderte Kombinationen aus Verdunstung, Nutzung und Versickerung machen es selbst in Citylage möglich, Niederschlagswasser nahezu 100-prozentig zu bewirtschaften [4]. Komponenten des dezentralen Regenwassermanagements Neuerdings, im Vorfeld möglicher Änderungen bei Regelwerken und Wasserbzw. Baugesetzen zugunsten deutlich höherer Verdunstungsraten, werden in der Regenwasserbranche neuartige Bewirtschaftungs-Konzepte vorgestellt. Sie sollen bei künftigen Neubauvorhaben mit wenig technischem Aufwand erlauben, Dach- und Oberflächenabflüsse zu sammeln und an trockenen Tagen zur Verdunstung auf die Sammelflächen zurück zu leiten. Sinnvolle Komponenten sind: Verdunstung durch Gebäudebegrünung, Dach und Fassade Bild 6: Lokaler Starkregen mit Überflutung in Frickingen/ Bodenseekreis am 22.07.2016. Im Jahr 2016 war besonders, dass die bedrohliche Wettersituation mehrere Wochen andauerte und über einen längeren Zeitraum sehr viele einzelne Katastrophen in Kommunen verschiedener Regionen auslöste - ein meteorologisches Phänomen, das seinen Ursprung im so genannten „Tief Mitteleuropa“ hatte. © Jäckle Bild 4: Frankfurt am Main, Europaviertel West. Baumquartiere in Kombination mit Sickermulden verbessern das Stadtklima und mindern die Überflutungsgefahr. © König Bild 5: Mit wasserrechtlicher Erlaubnis ist es möglich, mit der Mall- Sickerkammer Cavi Niederschlagswasser zu versickern, ohne Platzbedarf an der Oberfläche. © Mall 17 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Infrastruktur dar. Arbeitsschritte, Checklisten und Lösungsansätze sind auf andere Kommunen übertragbar. Dr.-Ing. Elke Kruse war wissenschaftliche Mitarbeiterin an der HCU. In ihrem Buch „Integriertes Regenwassermanagement für den wassersensiblen Umbau von Städten“ [7] empfiehlt sie: ein „grünes Netzwerk“ (begrünte Versickerungsflächen) für Städte, deren Bodenbedingungen eine Versickerung ermöglichen, ein „temporär blaues Netzwerk“ (multifunktional gestaltete Flächen, z. B. Stadtplätze, Spiel- und Sportplätze, die temporär überschüssiges Regenwasser speichern können) als Alternative für Städte, deren innere Quartiere keinen Platz für Versickerungsflächen aufweisen oder die über größere, ehemals industriell genutzte Bereiche verfügen, ein „blau-grünes Netzwerk“ aus Wasserläufen und -flächen in Kombination mit bisher verrohrten Gewässerabschnitten. Zusammenfassung Urbane Sturzfluten und Hitze in Stadtzentren sind eine akute Bedrohung. Um Abhilfe zu schaffen, muss Regenwasser künftig länger in der Stadt bleiben und gefahrlos durch die Methoden der Regenwas serbewir t s chaf tung mit den Aspekten Umweltschutz, Lebensqualität, Stadtklima und Überflutungsschutz verknüpft werden [8]. Das funktioniert am besten dezentral, also auf den Grundstücken und Gebäudedächern - darin sind sich Politik und Wissenschaft einig. Sponge- City, die Stadt als Schwamm, ist ein Sinnbild dafür. Als neue Aufgabe beschäftigt das Thema mittlerweile Stadt- und Regionalplaner, europa- und weltweit. LITERATUR [1] Biswas, A. K., Hartley, K.: China’s ‚sponge cities‘ aim to re-use 70% of rainwater - here’s how. In: the Conversation, September 5, 2017. http: / / theconversation. com/ chinas-sponge-cities-aimto-re-use-70 -of-rainwater-heres-how-83327. [2] Überflutungs- und Hitzevorsorge durch die Stadtentwicklung. Strategien und Maßnahmen zum Regenwassermanagement gegen urbane Sturzfluten und überhitzte Städte. Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). Berlin 2015. [3] Schmitt, T. G.: Neue Regeln für Regenwetterabflüsse in Siedlungsgebieten. In: Ratgeber Regenwasser. Mall GmbH (Hrsg.), Donaueschingen. 7. Aufl., 2018. [4] König, K. W.: Siedlungswasserwirtschaft bei Extremwetter überfordert? Starkregen in Deutschland. Der Bausachverständige, Fraunhofer IRB, Stuttgart, 2 (2017) S. 33-37. [5] RISA Strukturplan Regenwasser 2030, Hamburg. Aufgerufen 15.04.2018. www.risa-hamburg.de/ [6] Klimafolgenanpassung innerstädtischer hochverdichteter Quartiere in Hamburg. Aufgerufen 15.04.2018. https: / / www. hcu-hamburg.de/ kliq [7] Kruse, E.: Integriertes Regenwassermanagement für den wassersensiblen Umbau von Städten. Fachbuch mit 246 Seiten und zahlreichen farbigen Abbildungen. Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart, 2015. [8] DWA-Regelwerk, Merkblatt DWA M-119. Risikomanagement in der kommunalen Überflutungsvorsorge für Entwässerungssysteme bei Starkregen. Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. Hennef, November 2016. Dipl.-Ing. Klaus W. König Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Bewirtschaftung und Nutzung von Regenwasser, Fachjournalist kwkoenig@koenig-regenwasser.de AUTOR solution software für die smart city von morgen Maßgeschneidertes Energiedatenmanagement Flexible Visualisierung und Bedienung der Wasserversorgung Steuerung und Überwachung des öffentlichen Nahverkehrs Gebäudeautomation zenon www.copadata.com/ smartcity Mehr Infos? Schreiben Sie an: george.dal@copadata.de Microsoft Partner of the Year: 2016 Public Sector: CityNext 2017 Internet of Things (IoT) Winner 18 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Infrastruktur Im Vorfeld hat die Stadt eine Reihe von Baumaßnahmen realisiert; unter anderem sind einige vielbefahrene Straßen im Innenstadtbereich zu einer autofreien Fußgängerzone umgebaut worden; darunter auch die in Ost-West-Richtung verlaufende Eichhornstraße. Im Zuge der von SteinbacherConsult Ingenieurgesellschaft mbH und Co. KG, Neusäß/ Augsburg, geplanten Neugestaltung des Innenstadtbereichs sind sogenannte Bauminseln entstanden, die sich wie ein grünes Band vom Stadtzentrum zu den nahegelegenen Mainauen ziehen. Um dauerhaft die zuverlässige Versorgung der neu angepflanzten Bäume mit Wasser Gestern Grüne Welle, heute grünes Band Baumpflegeprodukte von Funke in der Landesgartenschau-Stadt Würzburg Nur zwei Kilometer von der Würzburger Innenstadt entfernt und in unmittelbarer Nähe zur Julius-Maximilians-Universität entsteht der neue Stadtteil Hubland. Hier wird vom 12. April bis zum 7. Oktober 2018 die bayerische Landesgartenschau stattfinden. und Nährstoffen sicherzustellen, setzten die Würzburger Pflasterbau GmbH und die Burger Bau GmbH & Co. KG Baumbewässerungswinkel und Baumwurzelbelüfter der Funke Kunststoffe GmbH aus Hamm ein. Lösungen von Funke boten sich aber nicht nur für den Innenstadtbereich an. Bei der vom Gartenamt der Stadt Würzburg geplanten Begrünung der Erschließungstraßen im neuen Stadtteil Hubland baute die MR - Maschinenring Franken GmbH im Rahmen der Pflanzarbeiten ebenfalls die Baumbewässerungswinkel ein, wohingegen die Baumwurzelbelüfter hier von der Depenbrock Bau GmbH & Co. KG eingesetzt wurden. Heute tragen nur noch die Bäume Grün Große Ereignisse werfen bekanntlich ihre Schatten voraus. In Würzburg, wo im nächsten Jahr die bayerische Landesgartenschau ihre Pforten öffnen wird, darf man das ganz wörtlich nehmen: Allein im neuen Stadtteil Hubland, der auf dem Areal einer ehemaligen US-Kaserne entstanden ist und der nicht nur die Gartenschau beherbergen wird, sondern zukünftig 4500 Einwohnern Platz zum Leben und Arbeiten bieten soll, lässt die Stadt Würzburg mehrere hundert Bäume anpflanzen. Wo früher Jets der US Air Force starteten und landeten, entste- Bild 1: Früher rollte in der Eichhornstraße der Verkehr, heute laden die Bänke der Bauminseln in der Würzburger Innenstadt die Passanten zum Verweilen ein. © Funke Kunststoffe 19 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Infrastruktur Funke Kunststoffe GmbH Siegenbeckstr. 15 Industriegebiet Uentrop Ost 59071 Hamm-Uentrop info@funkegruppe.de www.funkegruppe.de hen neue Wohngebäude. Längst sind die US-Soldaten abgezogen, heute tragen hier nur noch die Bäume Grün. 252- Alleenbäume hat die Stadt in den neuen Straßenzügen des Stadtteils bereits anpflanzen lassen - dafür, dass die Bäume nicht nur gut anwachsen, sondern auch auf lange Sicht gedeihen, sorgen zwei von Funke Kunststoffe eigens für den Bereich Baumschutz entwickelte Produkte. Der Baumwurzelbelüfter trägt wesentlich zu einer ausreichenden Versorgung der Wurzeln mit Sauerstoff bei. Über das mit einer Bodenverankerung ausgestattete 1,5 m lange HS ® - Standrohr, welches das Unterteil des Systems bildet, lassen sich zudem Wasser und Nährstoffe zuführen. „Gerade in der Anwuchsphase von Bäumen ist eine ausreichende Versorgung wichtig“, weiß Funke-Fachberater Heiko Hendlich, „andernfalls können dauerhafte Pflanzenschäden auftreten“. Erhältlich sind Ausführungen mit geschlitztem und ungeschlitztem Standrohr; das geschlitzte Rohr ist zusätzlich mit einem Geotextilstrumpf ausgestattet. Das Oberteil des Baumwurzelbelüfters besteht aus robustem Aluminiumguss und ist mit einer Auflageplatte sowie einer angeformten HS ® -Verbindungsmuffe DN/ OD 110 ausgestattet; für befahrbare Flächen ist das Bauteil auch mit einem Guss-Oberteil Klasse B 125 mit Auflageplatte erhältlich. „Um Wasser bzw. Nährstoffe zuzuführen, wird der Edelstahldeckel des Oberteils einfach seitlich weggeschwenkt“, erläutert Hendlich die komfortable Handhabung des einfach im Alltag zu montierenden Bauteils. Grünes Band Nicht nur der im neuen Quartier Hubland eingesetzte Baumwurzelbelüfter, sondern auch der vor Ort eingebaute Baumbewässerungswinkel kam bei der Neugestaltung der rund zwei Kilometer entfernten Innenstadt ebenfalls zum Einsatz. Das Bauteil besteht aus zwei zu einem Winkel verbundenen, geschlitzten und wandverstärkten Rohren der Nennweite DN/ OD 160; die Länge der Schenkel beträgt rund 1,30 m. Ein einzelner Winkel fasst etwa 60 l Wasser. Im oberen Drittel des Wurzelballens eingebaut, versorgt er den Wurzelbereich gezielt mit Wasser und Nährstoffen. Gerade im Bereich versiegelter Flächen bietet das Bauteil eine professionelle Lösung - ein Vorteil, der den Baumbewässerungswinkel auch zur guten Wahl für die Pflege der als Hochbeet angepflanzten Bäume in der neu entstandenen Fußgängerzone im Herzen von Würzburg macht. „Die Montage gestaltet sich denkbar einfach“, so Hendlich, „die Bauteile werden paarweise um den Ballenbereich angeordnet und sorgen auch während langer Trockenperioden für eine zuverlässige Versorgung der Bäume.“ Mittlerweile sind die Arbeiten abgeschlossen und die jungen Bäume gut angewachsen. Nachts sorgen umlaufend integrierte Lichtleisten für eine stimmungsvolle Illumination der neugeschaffenen Bauminseln. Bild 4: Insgesamt 252 Bäume wurden in den neuen Straßenzügen bereits angepflanzt, die auf dem Areal der ehemaligen US-Kaserne entstanden sind. © Funke Kunststoffe Bild 2: Sichere Versorgung der Baumwurzeln: Die hintereinander in den Bodenplatten angeordneten Deckel der Baumwurzelbelüfter lassen sich einfach wegschwenken, wenn Nährstoffe zugeführt werden sollen. © Foto: Funke Kunststoffe Bild 3: Je zwei Baumbewässerungswinkel dienen dazu, die Bäume im neu entstehenden Stadtteil Hubland mit genügend Wasser zu versorgen. © Funke Kunststoffe 20 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum Noch bis vor wenigen Jahren prägten industrielle Produktionsstätten den Charakter des Stadtteils Feuerbach in Stuttgarts Norden. Einige sind mittlerweile Industrieruinen, wie das Schoch-Areal. Die Stadt hat daher dieses Gebiet in den Fokus ihrer Stadterneuerung gestellt. Aus dem dafür initiierten städtebaulichen Wettbewerb ist ein Siegerentwurf hervorgegangen, der die Entwicklung des Areals zum „Quartier am Wiener Platz“ als Mischgebiet mit Gewerbeanteil und Wohnen vorsieht. Stuttgarts Stadtplaner ergreifen mit diesem aktiven Flächenmanagement die Chance, industrielle Brachflächen qualifiziert zu revitalisieren und der anhaltend starken Nachfrage nach Grundstücken für Wohnen und Gewerbe nachzukommen, ohne wertvolle Böden auf der „grünen Wiese“ für neue Siedlungs- und Verkehrsflächen zu beanspruchen. Mit dem Erwerb des Schoch-Areals trat die Stadt Stuttgart jedoch ein teures Erbe an. Denn da, wo über 80 Jahre lang Metalloberflächen durch Hartverchromung und Eloxierung veredelt worden waren, hatte sorgloser Umgang zu einer hochgradigen Verunreinigung des Bodens und des Grundwassers mit Chrom und leichtflüchtigen Chlorkohlenwasserstoffen (LCKW) geführt. Daher stand vor der Umsetzung der ambitionierten Pläne für eine Neuentwicklung des Areals zum „Quartier Von der Industriebrache zum urbanen städtischen Quartier Konversionsprozess, Flächenrecycling, Altlastensanierung, Revitalisierung, Stadterneuerung Karl Noé, Tobias Heitmann Das Schoch-Areal, ein ehemaliges Industriegelände in Stuttgart-Feuerbach, ist Schauplatz eines aufwendigen Konversionsprozesses. Eine hochkontaminierte Industriebrache zeugt hier vom glanzlosen Ende eines Metallveredlungswerkes. Die Stadt Stuttgart sorgte hier als neue Eigentümerin zusammen mit einem in Sachen Rückbau und Sanierung erfahrenen Planungs- und Beratungsunternehmen für ein qualifiziertes Flächenrecycling. Der zukünftige Bebauungsplan des Areals sieht einen hohen Anteil sozial geförderten Wohnraums vor, er soll als Modell für eine sozialverträgliche Stadtentwicklung dienen. Luftbild Sanierungsobjekt ehemaliges Metallveredlungswerk. © Arcadis/ Werner Kuhnle 21 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum am Wiener Platz“ die umfangreiche Altlastensanierung des rund 14 000 m² großen, massiv kontaminierten Geländes an. Die Last mit den Altlasten Mit dem Problem der Altlasten auf dem Schoch-Areal hat sich das Amt für Umweltschutz der Stadt Stuttgart bereits seit dem Jahr 1974 beschäftigt. Städtische Messungen hatten schon zu dieser Zeit die vermutete Kontamination des Geländes mit dem Schadstoff Chromat bestätigt. In den 1980iger Jahren wurden durch Messstellen auf dem Schoch-Gelände zudem hohe Konzentrationen von LCKW im Grundwasser festgestellt. Der damalige Eigentümer bestritt, Verursacher der Schadstoffeinträge zu sein. Ein daraus resultierender langjähriger Rechtsstreit wurde durch die Insolvenz des Unternehmens beendet, ohne dass dieser achtlose und heute kaum noch vorstellbare Umgang mit Schadstoffen zu Konsequenzen geführt hätte. In den Jahren 2011 und 2013 erwarb die Stadt Stuttgart alle Flurstücke des Geländes und war sich der immensen Aufgabe, die die Revitalisierung dieses Areals mit sich bringen würde, von Anfang an bewusst (Bild 1). Die Gesamtkosten betrugen rund 22 Mio. €, wovon etwa 2,6 Mio. € auf den Rückbau der oberirdischen Bausubstanz und etwa 19,4 Mio. € auf die unterirdische Altlastensanierung entfielen. Ohne Fördermittel, die das Land Baden-Württemberg für die Altlastenermittlung und -sanierung bereitstellt, könnten Kommunen Projekte dieser Dimension nicht angehen. Im Sanierungsfall Schoch-Areal beträgt die Förderung insgesamt 14,5 Mio. €. Wo ist was und wieviel? Um das genaue Ausmaß der Kontamination zu ermitteln sowie daraus die notwendigen Sanierungsmaßnahmen abzuleiten, holte sich das zuständige Amt für Umweltschutz mit dem Sanierungsexperten Arcadis fachkundige Unterstützung. Und wie am Beginn eines jeden solchen Projektes wurde mit der detaillierten Beprobung des kontaminierten Geländes die entscheidende Grundlage für alle weiteren Sanierungsschritte gelegt. Insgesamt erfolgten 121 Sondierungen bis zu 12 m Tiefe und 18 Bohrungen bis zu einer Tiefe von 20 m. Die Untersuchung der dabei generierten 2400 Bodenproben ergab eine systematische Schadstoffanalyse des Untergrundes. Auch für die oberirdische und oberflächennahe Gebäudesubstanz des Geländes wurden entsprechende Proben erfasst. Die Ergebnisse der Schadstoffanalyse übertrafen die schlimmsten Befürchtungen: Der gemessene Chromat-Gehalt im Boden betrug bis zu 5200 mg/ kg und der LCKW- Gehalt bis zu 14 000 mg/ kg. Zusammenhängende Belastungsbereiche reichten bis in eine Tiefe von mehr als 11 m unter Geländeoberkante (GOK), wobei das oberste Grundwasservorkommen des Geländes bei 4 bis 4,5 m liegt. Boden und Bausubstanz waren derart stark verseucht, dass der laut Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV) zugelassene Prüfwert für Chromat im Grundwasser von 8 μg/ l um das 14 000-fache und der Prüfwert für LCKW von 10 μg/ l um das 500-fache überschritten wurde (Bild 2). Daher stand relativ schnell fest: Eine signifikante Verringerung der Schadstoffbelastung des Grundwassers war in absehbarer Zeit nur durch den Aushub des kontaminierten Bodens erreichbar. Alles muss raus! Nachdem feststand, mit welchen Schadstoffen wo und in welchen Konzentrationen zu rechnen war, konnte mit der Auswahl geeigneter Sanierungsmaßnahmen begonnen werden. Dabei galt es, trotz der außerordentlich hohen Schadstoffkontaminierung ein hinsichtlich der Machbarkeit, der Kosten, der Bauzeit, aber Bild 1: Kontaminierte Hinterlassenschaft des ehemaligen Metallveredlungswerkes. © Arcadis/ Tobias Heitmann Bild 2: Stark mit Chromat verseuchter Boden. © Arcadis/ Tobias Heitmann Bild 3: Großlochbohrung für den fachgerechten Aushub des kontaminierten Bodens © Arcadis/ Tobias Heitmann 22 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum auch der Belastungen wie Lärm, Schmutz und Erschütterungen während Rückbau und Ausführung ein optimales Sanierungskonzept zu entwickeln. Vor dem Bodenaustausch war ein vollständiger Rückbau der teilweise massiv mit dem hochgiftigen Chrom VI verseuchten Bauwerke notwendig. Bei der Planung des fachgerechten Aushubs und der Entsorgung von etwa 65 000 m³ kontaminierten Bodens bis zu einer Tiefe von über 11 m waren die Bau- und Umweltexperten besonders gefordert. Je nach Geometrie und Lage der abgegrenzten Sanierungsbereiche sowie den zu ergreifenden Arbeits- und Immissionsschutzmaßnahmen kamen zwei präferierte Verfahren zur Anwendung: Aushub aus offenen Baugruben, zum Teil mit Wasserhaltung sowie überschnittene Großlochbohrungen (Bild 3). Aufgrund der extremen Schadstoffkonzentration waren während der gesamten Bauausführung ein spezielles Handling sowie umfangreiche Monitoring- und Grundwassersicherungsmaßnahmen vorgesehen. Zum Beispiel musste zur Entfernung der beim Aushub mobilisierten Schadstoffe das Grundwasser abgepumpt werden. Hier wurde die vorhandene hydraulische Abstromsicherung mit Reinigung während der gesamten Maßnahme weiter betrieben und das ansonsten halbjährlich durchgeführte Grundwassermonitoring deutlich intensiviert. Ganz großes Saubermachen Schaut man im Internet den Zeitrafferfilm des Rückbaus und der Bodensanierung an (https: / / w w w . y o u t u b e . c o m / w a t c h ? v = _4xdE2gCZTQ), scheint alles ganz einfach zu sein. Jedoch haben die Sanierungsarbeiten eine besonders gute Koordination und Ausführung aller Sanierungsschritte erfordert. Die Stadt Stuttgart beauftragte daher wiederum Arcadis mit den Planungsleistungen zur Umsetzung des Sanierungskonzeptes, der Vorbereitung und Mitwirkung bei der Vergabe der Bau- und Analytikleistungen sowie der Bauüberwachung des Sanierungsprozesses. Zuerst mussten alle oberirdischen Gebäude und Gebäudeteile auf dem Gelände rückgebaut und entsorgt werden. Nicht nur die beachtlich hohe Schadstoffbelastung der Bausubstanz erforderte besondere Aufmerksamkeit, sondern auch der Rückbau des etwa 60 m hohen Kamins. Dann kam der größte Brocken - der Bodenaushub. Das Unternehmen Geiger, ebenfalls in Sachen Umweltsanierung sehr erfahren, wurde nach einer EUweiten Ausschreibung schließlich mit der Ausführung der unterirdischen Sanierungsarbeiten beauftragt. Bagger rollten an und hoben an genau festgelegten Stellen den mit Chromat kontaminierten Boden aus. Im Baufeld Nord befand sich die mit 1450 m² und einer Tiefe von etwa 12,5 m größte Baugrube (Bild 4). Temporär eingebrachte Spundwände sorgten für deren statische Absicherung und ermöglichten die für die Trockenhaltung der Baugruben und die Zurückhaltung der mobilisierten Schadstoffe notwendige Wasserhaltung (Bild 5). Die Spundbohlen reichten stellenweise bis 18,5 m unter GOK und konnten nur über vorherige Austausch- und Lockerungsbohrungen in den Boden getrieben werden. Die Tiefe der Baugrube erforderte aufgrund des laufenden Anlieferungsverkehrs der angrenzenden Firma zudem drei Lagen Verpressanker zur Stabilisierung. Der ausgehobene kontaminierte Boden, insgesamt etwa 14 000 m³ allein aus dieser Baugrube, musste für eine Haufwerksbeprobung zwischengelagert und anschließend entsprechend der Deklaration entsorgt werden. Während des Aushubs sorgten Nebelkanonen für einen Wasserschleier, der verhinderte, dass sich kontaminierte Stäube über die Luft verbreiten. Ebenso wurde der Bodenaushub bei der Zwischenlagerung und beim Abtransport mit Planen abgedeckt, um auch hier Staubbildung zu vermeiden. Die ausgekofferten Bereiche wurden im Anschluss mit unbelastetem Boden verfüllt. An den LCKW-kontaminierten Stellen, wie dem mit 15 m tiefsten Schadensbereich im Baufeld Nord, waren Spezialbohrkommandos am Werk. Mit dem Großlochbohrverfahren, einer speziell für den Umweltbereich adaptierten Lösung für kleinräumige Hot- Spot-Sanierungen, wurde jeweils mit einem Durchmesser von Bild 5: Luftperspektive: Baugrube und abgedeckter, kontaminierter Bodenaushub © Arcadis/ Tobias Braun Bild 4: Spundwände zur statischen Absicherung der tiefen Baugruben © Arcadis/ Tobias Heitmann 23 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum 1,5 m bohrlochweise kontaminierter Boden durch sauberen Boden ausgetauscht. Eine direkte Absaugung der Luft am Bohrloch und am Radlager wirkte einem Freiwerden von LCKW während des Bohrprozesses entgegen. Der Aushub des kontaminierten Materials betrug insgesamt rund 140 000 t, etwa 60 % davon waren hoch mit Chromat oder LCKW belastet, zum Teil derart stark, dass die Entsorgung in Untertagedeponien notwendig wurde. Lukrative Perspektiven Die Altlastensanierung ist nun fast geschafft. Der aufgestellte Sanierungsplan konnte konsequent in die Tat umgesetzt und damit ein schwerwiegendes Altlastenproblem nachhaltig gelöst werden. Von großem Vorteil erwies sich dabei, dass das begleitende Planungs- und Beratungsunternehmen nicht nur mit der Schadstoffanalyse betraut war, sondern ebenso mit der Erstellung des Rückbau- und Sanierungsplans und der Ausschreibungsunterlagen sowie mit der Bauüberwachung und dem Monitoring. Damit verfügten die Projektmitarbeiter über die erforderliche Datenbasis, um Optimierungsoptionen und Synergien bezüglich zeitlicher und planerischer Koordination von Rückbau und Sanierung frühzeitig zu erkennen und in der Begleitung beider Gewerke zu berücksichtigen. Mit der Altlastensanierung des Geländes der ehemaligen Metallveredlung ist der wichtigste Schritt bei der Umwandlung von einer hochkontaminierten Industriebrache zu einem neu zu bebauenden innerstädtischen Areal getan. Nun kann ein weiterer Schritt der Revitalisierung folgen und mit der Entwicklung und Vermarktung des Areals begonnen werden. Die dafür erarbeiteten Konzepte und Strategien folgen dabei konsequent dem Grundsatz der sozialen Ausgewogenheit. Auf diese Weise sollen Grundstücksveräußerungen zu Höchstpreisen verhindert werden. Bei der Vermarktung wird das sogenannte Konzeptverfahren für Bauträger und Baugemeinschaften angewendet. Damit verfolgt die Stadt das Ziel, bei der Grundstücksvergabe solchen Konzepten den Vorrang zu geben, die beispielsweise mit Barrierefreiheit, effizienter Wohnflächengestaltung, sozialen Integrationsleistungen sowie Innovationen bei der Energieversorgung punkten. Spannend wird dabei ebenso werden, wie sich die neu zu bebauende Fläche mit Büros, Läden, Restaurants, Wohnungen, Arztpraxen, sozialen Einrichtungen sowie grünen Innenhöfen und freien Sichtachsen in den bestehenden Stadtteil mit überwiegender gewerblicher Nutzung integriert (Bild 6). Für den angespannten Wohnungsmarkt Stuttgarts wird dieses Projekt insgesamt rund 150- Wohneinheiten, etwa 100 davon für den geförderten Wohnungsbau, bereitstellen. Und da das neue „Quartier am Wiener Platz“ in unmittelbarer Nähe zu U- und S-Bahn liegt, erhoffen sich die Stadtplaner mit ihrem angestrebten Mobilitätskonzept eine gewisse Entlastung des Stadtteils vom Autoverkehr. Für die, die schon immer Bewohner dieses Stadtteils sind, wird sich mit der modernen Stadtarchitektur ein langersehnter Wunsch erfüllen: Auf einer der geplanten grünen Sichtachsen wird bald eine direkte Verbindung vom S-Bahnhof zur Stadtmitte möglich sein und die Umrundung einer morbid anmutenden Industrieruine damit endgültig Geschichte sein. Es ist ohne Zweifel ein Kraftakt, aus einer hochkontaminierten Industriebrache ein urbanes Stadtquartier zu entwickeln. Doch angesichts des ambitionierten Ziels der Bundesregierung, den Flächenverbrauch bis zum Jahr 2020 deutschlandweit auf 30-ha pro Tag zu reduzieren, wird ganz klar: Kommunen, die diese Herausforderung annehmen, verschaffen sich eine Vielzahl aussichtsreicher Optionen für eine nachhaltige Stadtentwicklung. Auf Landesebene existieren dafür zudem eine Reihe von Fördermöglichkeiten, sodass in Kooperation mit qualifizierten und erfahrenen Partnern mit der Revitalisierung brachliegender Flächen erfolgreich ein neues Stück Stadtgeschichte geschrieben werden kann. Bild 6: Modernes Wohnen im „Quartier am Wiener Platz“. © Thomas Schüler Architekten Stadtplaner Dr. Karl Noé Director Environment Europe Central Stuttgart Arcadis Germany GmbH Kontakt: karl.noe@arcadis.com Tobias Heitmann Projektleiter Stuttgart/ Karlsruhe Arcadis Germany GmbH Kontakt: tobias.heitmann@arcadis.com AUTOREN 24 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum 40 Hektar Freiraum zum Arbeiten, Wohnen und Erholen, klimaneutral und hochmodern: In Dinslaken verwandelt die Stadt gemeinsam mit der Stadtwerke Dinslaken GmbH und der RAG Montan Immobilien GmbH ein altes Zechengelände in ein CO 2 neutrales Stadtquartier. Mit dem Ziel, bis 2020 einen einzigartigen Standort zu schaffen, der architektonisch, stadtplanerisch und klimatechnisch Maßstäbe setzt. Dafür werden alte Gebäude energetisch saniert und modernisiert, neue Gebäude nach den aktuellen Energiestandards gebaut sowie Erneuerbare Energien vor Ort erzeugt. Viele Nutzungsmöglichkeiten, ein Lebensgefühl Der Standort für das Kreativ. Quartier Lohberg (KQL), dessen Name auf die vielen Kunst- und Kulturprojekte, die sich über das gesamte Gebiet verteilen, zurückgeht, könnte nicht besser gewählt sein. Wurde auf dem Areal des ehemaligen Bergwerks Lohberg noch bis Ende 2005 Steinkohle abgebaut, bietet es heute aufgrund seiner Größe und Landschaftsformen Raum für verschiedene Nutzungsmöglichkeiten. So entsteht dort nicht nur ein sechs Hektar großes Wohngebiet für rund 650 Einwohner mit Niedrig- und Plus-Energiehäusern, sondern auch ein modernes Gewerbegebiet. Auf einer Fläche von 13 Hektar können sich hier insbesondere mittelständische Unternehmen unterschiedlicher Branchen ansiedeln, verschiedene Bauvorhaben wurden bereits umgesetzt. Im nördlichen Teilbereich wird im Zusammenhang mit den denkmalgeschützten Zechengebäuden ein Nutzungsmix aus Gastronomie, Veranstaltungen, Dienstleistung, Bildung und Nahversorgung realisiert. Verbunden sind die beiden Teilbereiche im Norden und Süden des Areals durch den Bergpark. Diese neun Hektar große rekultivierte Grünlandschaft mit See und dazugehörigen Promenaden ist bereits eröffnet und bietet Sport- und Spielflächen sowie Picknickplätze und eine Liegewiese. So verbindet das KQL das ehemalige Zechengelände und dessen Haldenlandschaft auf innovative Weise mit der denkmalgeschützten Dinslakener Gartenstadt. Mit ihren alten Bergarbeiterhäusern schließt sich diese im Westen an das Areal an. Auch der Lohberg Corso, eine 1,6 Kilometer lange und 25 Meter breite autofreie Strecke für Fußgänger und Radfahrer ist bereits fertiggestellt und verknüpft die verschiedenen Bereiche in Nord- Süd-Richtung. Erneuerbare Energien aus lokalen Quellen Neben den verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten nimmt das Kreativ.Quartier Lohberg auch wegen seines klimaneutralen Energiekonzeptes eine Vorreiterrolle in der kommunalen Städteplanung ein. Denn es sieht vor, dass die im KQL gewonnenen Erneuerbaren Energien nicht nur das ehemalige Zechenareal versorgen, sondern auf lange Sicht auch die Altbausubstanz der benachbarten Gartenstadt. So wurde etwa eine Photovoltaikanlage Kreativ.Quartier Lohberg Vom Zechenstandort zum CO 2 -neutralen Stadtquartier Heinrich Dornbusch Im Kreativ.Quartier Lohberg in Dinslaken entsteht Deutschlands größtes klimaneutrales Wohn- und Gewerbegebiet. Qualifiziert von der KlimaExpo.NRW gilt es als Musterbeispiel für den Strukturwandel im Ruhrgebiet und als Vorreiter beim kommunalen Klimaschutz. Die KlimaExpo.NRW identifiziert und prämiert als Initiative der nordrhein-westfälischen Landesregierung Vorreiter in Sachen Klimaschutz: Von ihr qualifizierte Projekte erfüllen eine Vielzahl von Kriterien, wie ein hoher Innovationsgrad, Nachhaltigkeit sowohl in ökologischer als auch ökonomischer Hinsicht sowie Übertragbarkeit auf unterschiedliche Bereiche und Branchen. Die Initiative hat sich zum Ziel gesetzt, den Klimaschutz in Nordrhein-Westfalen voranzutreiben - und das technologische und wirtschaftliche Potenzial der Region weiter auszubauen. Als Leistungsschau präsentiert die KlimaExpo.NRW einem breiten Publikum bis 2022 wegweisende Ideen. ÜBER DIE KLIMAEXPO.NRW 25 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum DIGITIZE PUBLIC SERVICES Congress / Workshops / Expo CityCube Berlin, 20.- 22. 11. 2018 www.smartcountry.berlin Veranstalter Partnerland Schirmherrschaft auf dem Dach der 210 m langen Kohlemischhalle realisiert. Auf der Halde wird über eine Windenergieanlage Strom produziert. Zudem birgt Grubenwasser hier großes Potenzial. Das circa 30 Grad Celsius warme Wasser wird zukünftig im Bereich der Schächte des KQL - als einer der Wasserhaltungsstandorte der RAG AG - abgepumpt. So gelangt mit dem warmen Wasser Energie an die Oberfläche, die über Wärmetauscher genutzt werden kann. Außerdem geplant ist eine gezielte Bewirtschaftung der Grünbereiche der Halde zur Erzeugung von Biomasse als Energieträger sowie die Nutzung von Geothermie. Als weitere Maßnahmen für eine nachhaltige Stadtentwicklung ließ die verantwortliche Projektgemeinschaft (Stadt Dinslaken und RAG Montan Immobilien GmbH) im KQL zahlreiche Flächen großräumig entsiegeln. Das entlastet die Kanalisation bei Starkregen und hat positive Effekte auf das Mikroklima. Durch Entsiegelung können Biotope entstehen, die eine Lebensgrundlage für Tiere und Pflanzen bieten. Zudem wurde ein naturnahes Regenwassermanagement entwickelt, über das auch der See im Bergpark gespeist wird. Qualifiziertes Projekt der KlimaExpo.NRW Als Vorreiter für eine klimafreundliche Zukunft und Musterbeispiel für den Strukturwandel im Ruhrgebiet wurde das Kreativ.Quartier Lohberg 2016 von der KlimaExpo.NRW in ihre Leistungsschau aufgenommen. Die landesweite Initiative zeichnet Akteure und Projekte aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft aus NRW für ihr Engagement im Klimaschutz aus. Das Projekt in Dinslaken hat nicht nur einen positiven Klimaschutzeffekt, sondern zeigt auch, wie eine Kombination unterschiedlicher Maßnahmen ein Quartier modernisieren und zur Verbesserung der Lebensqualität beitragen kann. Hinzu kommt, dass das KQL Einwohner wie Eigentümer vorbildlich in die Planungen zum Projekt einbindet. Das gelingt durch Veranstaltungen, Diskussionsrunden oder Kunstprojekte wie das „Kraftwerk Lohberg“: ein Gebäude aus Recyclingmaterial, das nur über Pedalgeräte und menschliche Muskelkraft mit Energie versorgt wird. Hier lässt sich nicht nur die Energiewende in Lohberg hautnah erfahren. Das Anschauungsobjekt gilt auch als Symbol für den Erlebnisstandort Kreativ.Quartier Lohberg. Dr. Heinrich Dornbusch Geschäftsführer der KlimaExpo.NRW Kontakt: verwaltung@klimaexpo.nrw AUTOR 26 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum Das traditionsreiche „Le Cordon- Bleu“ wurde bereits 1895 gegründet und bildet heute ein internationales Netzwerk aus 35 Schulen in 20 Ländern. Mehr als 20 000 Studenten werden jedes Jahr im Bereich Kochen und Hotelmanagement auf höchstem Niveau ausgebildet. Am Standort Paris hat „Le Cordon Bleu“ nach 28 Jahren in der Rue Léon Delhomme, nun seinen neuen Campus im 15ten Arondissement gefunden, neben dem Einkaufszentrum Beaugrenelle in der Nähe des Eiffelturms. Mit Blick auf die Seine und die Freiheitsstatue wird das spektakuläre, vierstöckige Gebäude jährlich von mehr als 1000 Studenten aus über 100 Nationen besucht. Das aus Glas und Aluminium bestehende Gebäude wurde vom Architekturbüro Didier Primard entworfen und entspricht den neuesten Umweltstandards. Wesentlicher Bestandteil ist die Nutzung des Daches für Anbau und Ernte von Nutzpflanzen sowie als Bildungs- und Freiraum für die Menschen. Die Dachbegrünung wurde im Mai und Juni 2016 von dem erfahrenen ZinCo-Partner in Frankreich, Ecovegetal aus Broué, ausgeführt. Das Dachbegrünungssystem muss passen ZinCo bietet mit seinem Systemaufbau „Dachgarten“ für Urban Farming genau die richtige Technik für die dauerhafte Etablierung der gewünschten Nutzpflanzen auf dem Standort Dach. Der Ausführungsbetrieb Ecovegetal begann die Dachbegrünungsarbeiten auf dem 0°-Betondach, das bereits eine wurzelfeste Dachabdichtung aufwies. Erste Lage im Systemaufbau ist die mechanisch hoch belastbare und spatenfeste Isolierschutzmatte ISM 50, welche in 2-Meter-Bahnen vollflächig verlegt wurde. Mit 4 l/ m² ist sie unter den Schutz- und Speichermatten besonders retentionsstark. Auf der gesamten Dachfläche von 1011 m² wurden insgesamt 52 Pflanzbeete in parallelen Reihen linear angeordnet. Die rechteckigen Einfassungen aus korrosionsfestem Metall, welche später mit Holzdielen verkleidet wurden, sind etwa 25 bis 35 cm hoch, etwa 5 Meter lang und 1 m breit und damit für ihre Bewirtschaftung sehr gut zugänglich. Infolge dieser geometrischen Anordnung ergibt sich ganz automatisch ein lineares Netz von Gehwegen. Die unterschiedlich genutzten Flächen erfordern auch verschiedene Drän- und Wasserspeicherelemente im weiteren Begrünungsaufbau. Beste Wasserversorgung in den Pflanzbeeten Für den erfolgreichen Anbau von Nutzpflanzen kommt es besonders auf eine kontinuierliche und bedarfsgerechte Wasserversorgung an, unabhängig von natürlichen Niederschlägen und auftretenden Trockenperioden. Das Drän- und Wasserspeicherelement Aquatec ® AT 45 bietet die perfekte Basis für eine effiziente und kostengünstige Le Cordon Bleu in Paris Urban Farming: Ein lehrreiches und schmackhaftes Dach Vincent de Haas „Le Cordon Bleu“ heißt die renommierte internationale Kochschule, deren neues Hauptquartier im Juni 2016 in Paris öffnete und einen besonders wertvollen Schatz bietet: Auf dem 1011 m² großen Dachgarten wachsen heimisches und exotisches Obst, Gemüse und Kräuter in Fülle. Der Garten liefert Schmackhaftes für die Küche und ist gleichzeitig Teil des Bildungsprogramms von „Le Cordon Bleu“. Zudem beheimatet das Dach vier Bienenvölker und ein Insektenhotel. Ein wundervolles Beispiel für Urban Farming, also Landwirtschaft im städtischen Umfeld, denn Dächer können mit der passenden ZinCo-Dachbegrünung von hervorragend als Anbaufläche genutzt werden. Bild 1: Pierre Georgel von Ecovegetal und Eric Briffard von „Le Cordon Bleu“ freuen sich gemeinsam über das tolle Ergebnis. © Drone-view 27 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum Bewässerung. Das Grundprinzip beruht hier auf der Verteilung und Bevorratung von Wasser in den Mulden der Aquatec ® - Elemente, diese allein erreicht eine Größenordnung von rund 17 l/ m². Falls Niederschläge ausbleiben, speisen Tropfschläuche die Wasserbevorratung. Diese Tropfschläuche sind in die Elemente eingeclipst und an eine automatische Steuerungstechnik angeschlossen. Entscheidend ist nun das über den Aquatec ® - Elementen liegende Dochtvlies DV 40, dessen Dochte das Wasser kapillar nach oben transportieren und so dem Substrat direkt im Wurzelraum zur Verfügung stellen. Daher genügen 50 % der Wasserzufuhr im Vergleich zu einer herkömmlichen Bewässerung von oben durch Rasensprenger, bei welcher unnötig Wasser an der Oberfläche verdunstet. Und im Gegensatz zu einer sonst üblichen Tröpfchenbewässerung sind erheblich weniger Schläuche nötig, da die Wasserverteilung über die Fläche der Aquatec ® - Elemente realisiert wird. Dieses System der Kapillarbewässerung ist daher extrem wassersparend und Pierre Georgel, Firmenchef von Egovegetal, ist sich sicher: „Dieses System ist die Zukunft in Sachen Bewässerung“. Statik zu beachten Die Statik des Gebäudes erlaubt ein zulässiges Gesamtgewicht der Begrünung im wassergesättigten Zustand von maximal 250 kg/ m². Gezielt für dieses Urban Farming-Dach hat Egovegetal daher ein spezielles Substrat entwickelt, welches besonders leicht und hoch qualitativ ist. Insgesamt 101 m³ Substrat wurden mit Hilfe des betriebseigenen Silozugs auf das Dach geblasen und dort auf dem Dochtvlies verteilt bzw. auf dem Systemfilter PV, welches die Dränschicht zwischen den Pflanzbeeten gegenüber der Substratschicht abgrenzt. In den Pflanzbeeten liegt die Substrathöhe bei rund 23 cm. Auf Rasen gehen Rund 8 cm Schütthöhe waren es in den Flächen rings um die Pflanzbeete, die allesamt als Gehwege genutzt werden. Auf die bereits vollflächig verlegte Isolierschutzmatte ISM 50 schloss sich hier das Drän- und Wasserspeicherelement Floradrain ® FD 40 im ZinCo-Systemaufbau „Dachgarten“ an sowie das passende Systemfilter PV und die besagten 8 cm Substrat. Darauf folgten die vorkultivierten Rasengitterelemente EcoRasen, welche zusätzlich an die 5 cm Substrat für die Vegetation enthalten. Auf diese Weise waren die 597 m² Gehwegsflächen im Nu mit Rasen begrünt und sind damit bestens gerüstet für die dauerhafte Begehung. Wind und Sonne besonders ausgesetzt Hinsichtlich Windexponiertheit und Sonneneinstrahlung sind bei diesem Objekt die vorliegende Gebäudehöhe mit vier Stockwerken und die Lage inmitten der noch viel höheren umstehenden Türme im Stadtviertel Beaugrenelle zu berücksichtigen. Durch diese Exposition ergibt sich eine Aerodynamik vergleichbar mit dem Venturi-Effekt. Dies war bei der Auswahl der Pflanzenarten für ihren Standort zu bedenken. Bild 2: Das Aquatec- System ist unter 23 cm Substrat verborgen und wird durch kontinuierliche Kapillarbewässerung für bestes Pflanzenwachstum und Durchwurzelung sorgen. © Drone-view Bild 3: Der Urban-Farming-Dachgarten der Kochschule „Le Cordon Bleu“ ist mit 1011 m² einer der Größten in Paris. © Drone-view 28 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum Außerdem beeinflussen die umliegenden Türme mit ihren Glasfassaden die Intensität der Sonneneinstrahlung. Reflexion vermag einen Lupeneffekt zu erzeugen, wodurch eine Vegetation lokal verbrennen kann. Daher wurde im Vorfeld mit Hilfe einer besonderen Vorrichtung, dem sogenannten Heliodon, der Verlauf der Sonne im Modell untersucht und anhand dessen die sonnigsten Standorte im Tageszeitenverlauf bestimmt. Heimisches und Exotisches Die Pflanzenvielfalt auf dem Urban-Farming-Dach ist immens und die Studenten lernen hautnah die Vorteile und Eigenheiten einer jeden Pflanze kennen. Insgesamt 1534 Kräuter- und Gewürzpflanzen und 1026 Obst- und Gemüse-Pflanzen wurden in die Pflanzbeete eingebracht. In größeren Trögen wachsen Apfel und Birne als Spalierobst. Neben traditionellen Sorten finden sich exotische Pflanzen wie Zitronengras und Mannstreu sowie essbare Blumenarten. Die Honigpflanzen locken Bestäuber an, denn insgesamt vier Bienenvölker und ein Insektenhotel sind ebenfalls auf dem Dach zu Hause. Unerwünschte Gäste wie Tauben hält ZinCo GmbH Lise-Meitner-Straße 2 72622 Nürtingen Tel.: 07022 6003-0 Fax: 07022 6003-100 info@zinco-greenroof.com www.zinco.de www.zinco-greenroof.com man hingegen mit Schutznetzen von ihrer Leibspeise fern - den Kreuzblütengewächsen wie Radiesschen, Kohl, Rüben oder Ruccola. Kompostierbare Abfälle aus Garten und Küche werden vor Ort gesammelt genauso wie Regenwasser. An die Zisterne schließt eine Gartenpumpe an, so dass die Ernte direkt auf dem Dach gewaschen werden kann. Ergänzend gibt es ein Gewächshaus. Dadurch, dass die Kochschule auch selbst Sämlinge anzieht und dabei besonderen Wert auf die Verwendung alter Sorten legt, sichert sie gezielt das genetische Erbe und eine große Biodiversität. In der Pädagogik und auf dem Teller Die Kochschule „Le Cordon Bleu“ hat mit ihrem Urban-Farming- Dach einen sehr wertvollen Bildungsraum geschaffen, welcher den Studenten unmittelbar zeigt, wie Obst, Gemüse und Kräuter in einer städtischen Umgebung angebaut und gepflegt werden. Die regelmäßige Ernte frisch vom Dach reicht sowohl für die verschiedensten Kurse der Kochschule als auch für das hauseigene Café. Ein wunderbares Beispiel dafür, wie Studenten der Zukunft für Urban Farming sensibilisiert werden und mit welcher Dachbegrünungstechnik der Anbau von Nutzpflanzen auf Dachflächen dauerhaft gelingt. Bild 4: Kompostierbare Abfälle aus Garten und Küche werden direkt auf dem Dach gesammelt und so dem natürlichen Kreislauf zugeführt. © Drone-view Bild 5: Apfel und Birne wachsen als Spalierobst in großen Holztrögen. © Drone-view 29 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum Moderne Technik trifft auf barocke Mauern: So schön die Eberhardstraße mit ihren schmucken Gebäuden ist und so zentral die dort verfügbaren Parkplätze entlang der katholischen Kirche liegen - sie verlangen Parkplatzsuchenden einiges ab. So können Autofahrer nach dem Ausparken nur rückwärts aus der Sackgasse heraus fahren, bereits wartende Autofahrer werten ein herausfahrendes Fahrzeug als frei gewordenen Parkplatz und versuchen ihr Glück, in dem sie in die Straße hineinfahren. Doch dann gibt es keinen freien Parkplatz. Seit Kurzem hilft ein technisches Auge, die Situation vor Ort zu verbessern: Von einem Laternenpfahl aus „beobachtet“ der ParkingSpotter die Parkplätze, nimmt pro Minute mehrere Bilder auf und sendet einen aktuellen Status-Zustand an einen Rechner bei der Ludwigsburger Firma MHP, der so regelmäßige Aktualisierungen erhält, ob in der Eberhardstraße entlang der Kirche ein freier Parkplatz zur Verfügung steht oder nicht. Zwei Monate lang testet die Firma MHP im Rahmen des Innovationsnetzwerks Living LaB in Ludwigsburg ihren selbst entwickelten ParkingSpotter. Das System zielt auf extrem hohe Genauigkeit bei niedrigen Kosten ab. Das Gehäuse kommt kostengünstig aus dem 3D-Drucker. Ziel des Pilotprojekts ist weniger Verkehr in der Sackgasse, damit weniger Gefahr für Fußgänger, weniger Abgase sowie Zeitersparnis für Parkplatzsuchende und damit mehr Lebensqualität in der Stadt. Eine Anzeigentafel könnte nach der Pilotphase künftig in der Wilhelmstraße in Echtzeit anzeigen, ob Parkplätze zur Verfügung stehen. Im Fall des ParkingSpotters finden geltende Datenschutzbestimmungen Anwendung: Die erfassten Kameradaten werden im Regelbetrieb unmittelbar in der angebrachten Kamera-Box des Porsche-Tochterunternehmens MHP ausgewertet und nicht gespeichert. Das heißt, der ParkingSpotter meldet lediglich den Status „frei“ oder „belegt“ an den Rechner. Gleichzeitig helfen die Fotos der selbstlernenden Software in der Anfangsphase, Objekte zu erkennen und künftig unterscheiden zu können. Technisches Auge meldet freie Parkplätze Pilotprojekt in der Eberhardstraße entlang der katholischen Kirche Wochenmarkt, Cafés und schmucke Läden, farbenfrohe Feste, MIK und Ludwigsburg Museum, historische Gebäude: Der Ludwigsburger Marktplatz ist ein reizvoller und beliebter Anziehungspunkt für Gäste und Bürger der Stadt. Entsprechend begehrt sind die Parkplätze in der nächsten Umgebung. In manchem malerischen Sträßchen kann es deshalb leicht zu Rückstau und anderen Verkehrsbehinderungen kommen. Mit einem digitalen Gerät, dem so genannten ParkingSpotter als technisches Auge, soll nun in der Eberhardstraße auf beiden Seiten der katholischen Kirche für zuverlässiges Parkplatz-Management und optimalen Verkehrsfluss gesorgt werden. Installation des ParkingSpotters durch Mitarbeiter der SWLB. © Stadt Ludwigsburg Die Ideengeber von MHP (von links): Dr. Oliver Kelkar (Leiter Innovation Management), Enis Tarcan und Simon Hübner beim Funktionstest des ParkingSpotters. © Stadt Ludwigsburg MHP Management- und IT-Beratung GmbH Film- und Medienzentrum Königsallee 49 71638 Ludwigsburg info@mhp.com www.mhp.com Stadt Ludwigsburg Ref. Nachhaltige Stadtentwicklung Geschäftsstelle Living LaB Stuttgarter Straße 2/ 1 71638 Ludwigsburg livinglab@ludwigsburg.de www.ludwigsburg.de 30 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum In dem internationalen Forschungsprojekt „The FEW-Meter“ analysieren die beteiligten Forschungsinstitute und Praxispartner Ressourcenverbrauch und Effizienz bei der städtischen Nahrungsmittelproduktion. Am Beispiel urbaner Gärten im Ruhrgebiet sowie in den Metropolregionen London, Paris, Warschau und New York werden Ressourcenflüsse erhoben und modelliert (Bild 1). Das gesamte Projekt bezieht sich auf den sogenannten Food- Energy-Water-Nexus, betrachtet also das Zusammenspiel und die Wechselwirkungen zwischen den Dimensionen Nahrungsmittelproduktion, Wasser und Energie. So kann zum Beispiel der Anbau von Lebensmitteln zur Verknappung von Wasserressourcen führen oder der Anbau auf kleinen Flächen einen hohen Energieeinsatz im Verhältnis zur Produktionsfläche nach sich ziehen. Unter Berücksichtigung der jeweils geltenden Standortbedingungen werden unter anderem folgende Fragen beantwortet: In welchen Mengen können landwirtschaftliche Produkte in städtischen Gärten erzeugt werden? Welche lokalen Ressourcen können genutzt werden? Wie hoch ist der Einsatz von Wasser und Energie im Verhältnis zur Produktionsmenge? Forschungsprojekt FEW-Meter Ressourcenströme in der urbanen Landwirtschaft messbar machen Nexus-Ansatz, städtische Gärten, Ressourceneffizienz, Indikatoren Kathrin Specht, Runrid Fox-Kämper Vom Schrebergarten bis zur profitablen Stadtfarm: Urbane Landwirtschaft ist ein weltweiter Trend. Im Rahmen der „Sustainable Urbanisation Global Initiative (SUGI)/ Food-Water-Energy Nexus” sucht ein internationales Team von Forscher/ innen aus fünf Ländern nach Möglichkeiten, die Nutzung natürlicher Ressourcen in der urbanen Landwirtschaft messbar zu machen und zu verbessern. Adam Mickievicsz University - PL Portsmouth School of Architecture - UK City University of New York - US University of Michigan - US Poznan University of Life Sciences - PL ILS - D AgroParisTech - F IRSTV - CNRS - F Federation of City Farms and Community Gardens - UK Landesverband Westfalen und Lippe der Kleingärtner - D LEAP micro AD ltd - UK City of Gorzów Wielkopolski - PL Polski Związek Działkowców - PL City of Nantes - F UNIVERSITÄTEN FORSCHUNG VERBÄNDE INDUSTRIE GEMEINDEN Bild 1: Das Projekt FEW-Meter vereint Forschungseinrichtungen und Praxisakteure in den Ländern Deutschland, Polen, Frankreich, Großbritannien und den USA. © Specht, Fox-Kämper Bild 2: In diesem urbanen Garten der Initiative „Edible Eastside“ in London werden in Hochbeeten Gemüse und Kräuter für den Eigenbedarf angebaut. © Silvio Caputo Entwicklung und Co-Creation der Erhebungsmethode Gründung einer Online- Community zur Datensammlung Entwicklung von Szenarien zur optimalen Nutzung von natürlichen Ressourcen, Stoffstromanalyse Entwicklung und Anwendung von Experimenten zur Bodenfruchtbarkeit Sammlung und Analyse von Daten in den Fallbeispielen Entwicklung und Anwendung von Experimenten zur Bodenfruchtbarkeit Sammlung und Analyse von Daten in den Fallbeispielen 1 5 3 2 4 Bild 3: Im Laufe von zwei Wachstumsperioden (2019/ 2020) werden Daten zum Wasser- und Energieverbrauch der Gärten sowie zu der Menge der geernteten Lebensmittel direkt von den Gärtner/ innen vor Ort gesammelt. © www.department22.co.uk Ein wesentliches Produkt des Projektes wird die Erstellung einer Online-Plattform mit einem interaktiven Tool für Anwender/ innen sein, die Praxisakteure bei der Umsetzung der Ressourceneffizienz unterstützt. Hier können die Inputs und Outputs im eigenen Garten ermittelt sowie weitere ökologische, ökonomische und soziale Faktoren erfasst und bewertet werden (Bild 3). Auf stadtplanerischer und politischer Ebene existieren zur städtischen Landwirtschaft weltweit sehr unterschiedliche Ansätze, die selten alle Aspekte für die Umsetzung berücksichtigen. An dieser Stelle setzt ein weiterer Auftrag des Projektes an: Im Vergleich der verschiedenen beteiligten Städte und ihrer jeweiligen Förderprogramme sollen die positiv und negativ wirkenden Rahmenbedingungen für die Verbreitung urbaner Gärten ermittelt werden. Bis Mitte des Jahres 2021 sollen aus den Ergebnissen Handlungsempfehlungen abgeleitet werden, die sowohl die aktiven urbanen Gärtner/ innen selbst als auch Fachleute, Wissenschaftler/ innen und politische Entschei- Dr. Kathrin Specht Wissenschaftliche Mitarbeiterin Humboldt-Universität zu Berlin, ILS - Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung gGmbH Kontakt: spechtka@hu-berlin.de Dipl.-Ing. Runrid Fox-Kämper Architektin, Leiterin der Forschungsgruppe „Gebaute Umwelt“ ILS - Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung gGmbH Kontakt: runrid.fox-kaemper@ ils-forschung.de AUTORINNEN dungsträger über „Best Practice“ - Anwendungen im Zusammenhang mit urbaner Landwirtschaft informieren. WISSEN FÜR DIE STADT VON MORGEN www.transforming-cities.de/ einzelheft-bestellen www.transforming-cities.de/ magazin-abonnieren Digitalisierung versus Lebensqualität Big Data | Green Digital Charter | Kritische Infrastrukturen | Privatheit | Sharing-Systeme 1 · 2016 Was macht Städte smart? URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Mit veränderten Bedingungen leben Hochwasserschutz und Hitzevorsorge | Gewässer in der Stadt | Gründach als urbane Klimaanlage |Baubotanik 1 · 2017 Stadtklima URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Lebensmittel und Naturelement Daseinsvorsorge | Hochwasserschutz | Smarte Infrastrukturen | Regenwassermanagement 2 · 2016 Wasser in der Stadt URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Verbrauchen · Sparen · Erzeugen · Verteilen Energiewende = Wärmewende | Speicher | Geothermie | Tarifmodelle | Flexible Netze | Elektromobilität 2 · 2017 2 · 2017 Stadt und Energie URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Erlebnisraum - oder Ort zum Anbau von Obst und Gemüse Urban Farming | Dach- und Fassadenbegrünung | Grüne Gleise | Parkgewässer im Klimawandel 3 · 2016 Urbanes Grün URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Die Lebensadern der Stadt - t für die Zukunft? Rohrnetze: von Bestandserhaltung bis Digitalisierung | Funktionen von Bahnhöfen | Kritische Infrastrukturen 4 · 2016 Städtische Infrastrukturen URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Die Vielschichtigkeit von Informationsströmen Smart Cities | Automatisierung | Mobilfunk | Urbane Mobilität | Datenmanagement | Krisenkommunikation 3 · 2017 Urbane Kommunikation URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Angri ssicherheit · Betriebssicherheit · gefühlte Sicherheit IT-Security | Kritische Infrastrukturen | Notfallkommunikation | Kaskadene ekte | Vulnerabilität | Resilienz 4 · 2017 4 · 2017 Sicherheit im Stadtraum URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Was macht Städte smart? Soft Data | IT-Security | Klimaresilienz | Energieplanung | Emotionen | Human Smart City | Megatrends 1 · 2018 Die intelligente Stadt URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Energie, Wasser und Mobilität für urbane Regionen Mieterstrom | Solarkataster | Wärmewende | Regenwassermanagement | Abwasserbehandlung | Mobility as a Service 2 · 2018 Versorgung von Städten URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Zunehmende Verdichtung und konkurrierende Nutzungen Straßenraumgestaltung | Spielraum in Städten | Grüne Infrastruktur | Dach- und Fassadenbegrünung | Stadtnatur 3 · 2018 Urbane Räume und Flächen URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN 32 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum und deren Nachbarn, aber auch dem Stadtklima und nicht zuletzt der Natur zugutekommen. Erfreulich ist aus Sicht des BGL, dass auch in der repräsentativen Marktforschung eine deutliche Mehrheit von fast drei Viertel (71 Prozent) der Befragten begrünte Vorgärten den versteinerten Varianten vorgezogen haben. Interessant ist dabei vor allem, dass auch Kiesgartenbesitzer mit Pflanzen gestaltete Vorgärten als schöner bewerten. Viele Nachteile Weil der einzelne Vorgarten in der Regel nur eine eher kleine Fläche hat, ist es den Besitzern oft gar nicht bewusst, dass ihr einzelner Vorgarten schon Auswirkungen auf das Stadtklima hat. Das ist jedoch der Fall, denn die Summe der Vorgärten ist in der Stadt oder in einer Wohnsiedlung schließlich auch eine ernst zu nehmende Größe mit direkter Auswirkung auf das Lokalklima. Nicht nur, dass sich die mit Steinen bedeckten Flächen an sonnigen Tagen stark aufheizen und bis in den späten Abend noch Wärme abgeben - vor allem, dass diese Flächen dem natürlichen Wasserkreislauf entzogen sind, macht ihre negative Wirkung auf das Kleinklima so gravierend. Im Unterschied zu bepflanzten Vorgärten kann der Boden kein Wasser aufnehmen und später durch Verdunstung wieder abgeben. Das führt zu verstärktem Abfluss und entsprechendem Druck auf die Kanalisation; insbesondere bei den immer häufiger auftretenden Starkregen verursacht dies erhebliche Probleme. Außerdem ist die Luft über den Steinflächen wärmer und trockener, beides ist für Gesundheit und Wohlbefinden der Menschen im Sommer nicht zuträglich. Ein weiterer Nachteil liegt in der Tatsache, dass nur bepflanzte und Rettet den Vorgarten! Initiative nicht nur für Sommer wie diesen Peter Menke Vor Gebäuden - Banken, Büros und anderen Geschäftshäusern ebenso wie vor Eigenheimen - entdeckt man immer öfter eine Gartenform, die sich dadurch auszeichnet, dass sie das ganze Jahr über gleich aussieht. Statt lebendigem Grün und Blütenzauber in abwechslungsreicher Gestaltung liegen hier vor allem Steine als Kies- oder Schotterbelag. Insbesondere in Neubaugebieten verbreiten sich solche Steinwüsten vor den Häusern geradezu inflationär. Der Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau (BGL) e.V. beschloss deshalb, sich des Themas offensiv und gezielt anzunehmen: Mit seiner Initiative „Rettet den Vorgarten“ ist der BGL nun schon im zweiten Jahr engagiert unterwegs, um sich für begrünte, artenreiche Vorgärten stark zu machen. Startschuss für die BGL-Initiative war eine repräsentative Marktforschung der GfK, die die Motive der Menschen für die unterschiedliche Vorgartengestaltung entweder mit Steinen und Schotter oder mit einer vielseitigen Bepflanzung untersuchte. Das Ziel des Verbandsengagements: mit guten Argumenten der Ausbreitung von leblosen Steinschüttungen und der Versiegelung von Vorgärten entschieden entgegen zu wirken. Der Irrglaube von der Pflegeleichtigkeit Als Hauptmotiv für die Anlage solcher Vorgärten gaben in der GfK-Marktforschung 80 Prozent aller befragten Kiesgartenbesitzer an, dass sie sich damit einen pflegeleichten Vorgarten erhoffen. Besonders Männer (88 Prozent) sind der Meinung, dass mit Schotter oder Kies abgedeckte Flächen eine dauerhafte Lösung ohne großen Arbeitsaufwand wären. In Fachkreisen ist längst bekannt, dass das Gegenteil der Fall ist - unisono berichten Landschaftsgärtner wie auch Vertreter von Naturschutzverbänden, dass die zu Beginn oftmals klinisch rein aussehenden Flächen sich bereits nach kurzer Zeit verändern: Zwischen den Steinen zeigen sich Moose und Unkräuter sowie allerlei zugeflogener kleinteiliger Unrat, den die Haus- und Gartenbesitzer ganz sicher nicht erwartet haben und den zu entfernen sich als mühsam herausstellt. Wesentlich einfacher und im Ergebnis wirksamer ist dagegen eine standortgerechte Bepflanzung. Es gibt eine umfangreiche Auswahl an Gehölzen und Stauden, die als Bodendecker sicherstellen, dass Unkräuter keine Chance haben. Darüber hinaus aber haben bepflanzte Vorgärten eine Reihe von Vorteilen, die den Hausbesitzern bzw. -bewohnern Bild 1: Bepflanzte Vorgärten sorgen das ganze Jahr über für Abwechslung im Straßenbild. © BGL Bild 2: Die Fläche vor dem Haus ist sozusagen „halböffentlich“ , und von jedem einsehbar. Eine Straße mit begrünten Vorgärten wirkt sympathisch und freundlich. © BGL 33 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum ... weil Bodendecker und Stauden sich ausbreiten und Unkräutern keinen Platz lassen. ... weil sie mit den Jahren immer schöner werden und immer weniger Arbeit machen - anders als bei Kies und Schotter setzen sich bei ihnen mit den Jahren kein Laub und keine Moose fest. ... für Vögel und Insekten, wie Schmetterlinge oder Bienen, denn sie bieten ihnen lebenswichtige Nahrung und Lebensraum. ... für ein herzliches Willkommen, denn sie empfangen uns mit lebendigen Pflanzen, fröhlichen Farben und einem herrlichen Duft. ... für die Privatsphäre, denn kleinkronige Bäume oder hohe Gräser schirmen den Eingangsbereich oder die Fenster vor neugierigen Blicken ab. ... für eine Überraschung, denn zu jeder Jahreszeit zeigen sie sich von einer anderen, beeindruckenden Seite. ... für uns, denn sie binden Feinstaub, reinigen die Luft und produzieren Sauerstoff. ... für das Klima, denn sie kühlen an heißen Sommertagen die Luft, indem sie über ihre Blätter Wasser verdunsten. (BGL) BEPFLANZTE (VOR-)GÄRTEN SIND GUT … Peter Menke Vorstand Stiftung DIE GRÜNE STADT Kontakt: peter.menke@die gruene-stadt.de AUTOR Förderprogramm „Zukunft Stadtgrün“ eingerichtet. Dieses wurde mit zunächst 50 Mio. EUR pro Jahr ausgestattet, wobei die Bundesfinanzhilfe an die Länder auf der Grundlage der gemeinsamen jährlichen Verwaltungsvereinbarung Städtebauförderung zwischen Bund und Ländern erfolgt. Über die Co-Finanzierung von je einem weiteren Drittel durch das Land und die Kommune stehen so schließlich jährlich 150 Mio. EUR für Investitionen in die grüne Infrastruktur von Städten und Gemeinden zur Verfügung. Großes Echo in der Öffentlichkeit Die Initiative „Rettet den Vorgarten“ hat in weniger als zwei Jahren sowohl eine große Innenals auch Außenwirkung erreicht. Mehr und mehr stellen Menschen die naturfeindliche Gestaltung von Flächen in Frage. Auf der Facebook-Seite der Initiative https: / / www.facebook.com/ Rettet.den.Vorgarten/ werden regelmäßig neue Inhalte und vor allem gute Beispiele eingestellt, die zu intensiver Diskussion und Meinungsaustausch anregen. Auch viele Naturschutzinitiativen haben das Thema aufgegriffen, viele Lokalmedien haben ihre Leser aufgerufen, sich an Fotowettbewerben zu abwechslungsreichen Vorgärten zu beteiligen. Es gibt TV-Sendungen und Radiobeiträge zum Thema, zahlreiche Blogs und Diskussionsforen im Internet beschäftigen sich mit dem Phänomen. Der BGL hat bereits 2017 einen Journalistenwettbewerb ausgelobt, in dem Redaktionen aller Mediengattungen eingeladen waren, ihre Beiträge einzureichen. Aufgrund der großen Akzeptanz wurde der Wettbewerb auch für 2018 wieder ausgerufen - mehr Informationen stehen unter https: / / www.galabau.de/ rettet-den-vorgarten-2018.aspx. vor allem blühende Vorgärten Lebensraum bieten für Insekten und Schmetterlinge, Vögel und andere Kleintiere, die heute mehr denn je auf diese Flächen angewiesen sind. Gerade in den dicht bebauten Wohngebieten kommt es auf jeden Quadratmeter an. Kommunen werden aktiv Inzwischen werden immer mehr Kommunen aktiv und regeln die Gestaltung von Vorgärten offiziell, indem sie eine Begrünung vorschreiben. Dies geschieht üblicherweise über Gestaltungssatzungen oder Bebauungspläne. So hat die Stadt Dortmund im Frühsommer 2018 den Steinwüsten in Vorgärten den Kampf angesagt: In Bebauungsplänen für neue Wohngebiete soll die Gartengestaltung mit Schotter, Split oder Kies ausgeschlossen werden. Zugleich hat die Stadt eine Informations-Kampagne für ihr Dachbegrünungsprogramm gestartet. Denn in bestimmten Bereichen - vor allem den hochverdichteten Innenstadtlagen - ist die Begrünung von Flachdächern nun Pflicht. Die Pflicht bezieht sich nicht nur auf neue Bebauungspläne, sondern soll auch für Neu- und Umbauten von Gebäuden mit Flachdächern gelten, wenn sie im Bereich sogenannter „Hitzeinseln“ liegen. Ähnliche Festlegungen finden sich inzwischen in vielen anderen Städten. Wesentlich ist aber auch, dass Kommunen auf eigenen Liegenschaften und Gebäuden mit gutem Beispiel vorangehen - mehr und mehr Kreisverkehre und Straßenrandbereiche werden beispielsweise begrünt. Hilfreich sind auch Signale vom Bund: Mit dem Weißbuch Stadtgrün hatte das Bundesumweltministerium bereits im Mai 2017 ein klares Statement für die Bedeutung des Grüns in Städten herausgegeben. Gleichzeitig wurde ein neues Triste Steinwüste im Vorgarten. © Menke 34 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum Quartier Vauban in Freiburg: Nachhaltiges Wohnen mit viel Grün Auf der Fläche eines ehemaligen Kasernengeländes von über 40- Hektar in Freiburg entstand mit dem innenstadtnahen Quartier „Vauban“ ein attraktiver, familienfreundlicher Stadtteil. Hier leben inzwischen etwa 5500 Einwohner. Nachhaltiges und energiesparendes Bauen prägt die Gebäude - Niedrigenergiebauweise ist verpflichtend, Passivbauweise, Plusenergiebauweise und Solartechnik sind Standard. Stadtgrün in verschiedenen Formen, wie der weitgehende Erhalt des alten Baumbestands, die Grünflächen zwischen den Häusern, einschließlich der Gleisbettbegrünungen und die Festschreibung von Dachbegrünungen sorgen für ein gutes Stadtklima. Dazu trägt auch die Verkehrspolitik ihren Teil bei - das Quartier ist Quartier Vauban in Freiburg Geprägt von Dach- und Fassadenbegrünungen Gunter Mann Täglich wird in Deutschland eine Fläche von etwa 70 Hektar Natur versiegelt. Die Hälfte dieser Flächen sind für den natürlichen Wasserkreislauf langfristig verloren. Neben dem Flächenverbrauch zwingen Klimawandel (Urban Heat Island Effect und Extrem-Regenereignisse) sowie Bevölkerungs- und Städtewachstum zum Umdenken und Handeln. Die urbanen Hitzeeffekte werden durch die Sonne, dunkle Gebäude und Straßen, durch versiegelte Oberflächen und schnell abfließendes Regenwasser verursacht. Ohne Pflanzen fehlt die Evapotranspiration und damit die Verdunstungskühlung. Lösungen, diesen negativen Entwicklungen entgegen zu wirken, sind größtenteils mit Stadtgrün verbunden - und aufgrund der engen Bebauung bieten sich in der Stadt vorrangig Dach- und Fassadenbegrünungen an. verkehrsberuhigt und schon länger durch die Stadtbahn erschlossen, so dass viele Anwohner auf ein eigenes Auto verzichten und auf Fahrrad und öffentliche Verkehrsmittel umgestiegen sind. Stadthaus M1 - Green City Hotel und Wohngebäude mit Fassadenbegrünung Der Gebäudekomplex des Stadthauses M1 besteht aus zwei Teilen: dem „Green City Hotel“ und Bild 1: Das Stadthaus M1 im Freiburger Quartier Vauban beeindruckt mit seiner begrünten Fassade. © Gunter Mann/ BuGG 35 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum einem Wohngebäude, die durch eine kleine Platzfläche getrennt sind. Das Hotel liegt an der stark befahrenen Merzhauser Straße, der Wohnbau entlang der Vaubanallee. Beide südlich ausgericheten Gebäudefassaden und die Fassaden am Durchgang zwischen den beiden Häusern wurden mit Kletterpflanzen an Rankhilfen begrünt - man spricht hierbei von einer bodengebundenen Fassadenbegrünung. Die Kletterhilfen bestehen bei diesem Projekt aus 6 mm starken Edelsteilseilen in Längen von etwa 13 - 17 m. Pro Seil gibt es beidseitig Gabelendbeschläge, die an oberen Kragarmen und einer unteren durchlaufenden Winkelschiene befestigt sind. An jedem Seil ist ein Spannelement und eine Überlastsicherung vorhanden, die bei einem definierten Zug der Pflanze als Sollbruchstelle dient. Die Seile werden an Stabauslegern zwangsgeführt, die auf Konsolen aufgeschraubt sind, die wiederum auf das tragfähige Mauerwerk montiert wurden. Der Abstand der Rankseile zur Fassade beträgt etwa 60 Zentimeter. Zusätzlich helfen Klemmringe, die in regelmäßigen Abständen am Seil fixiert sind, den Pflanzen beim Klettern. Realisiert wurde das Projekt von der Barkow Leibinger Gesellschaft von Architekten mbH, Berlin, sowie der Raderschallpartner Landschaftsarchitekten AG Zürich. Bei diesem Begrünungsprojekt wurde auf Nachhaltigkeit und Ökologie gesetzt. Die Pflanzen dienen einerseits als Sonnen- und Wärmeschutz und andererseits kann das Gebäude nach Blattabwurf in der kälteren Jahreszeit die Sonnenwärme nutzen. Bei der Pflanzenauswahl wurde eine Mischung aus sommer- und immergrünen Kletterpflanzen ausgewählt. Unter anderem wachsen Schlingknöterich, Wilder Wein, Glyzine, Waldrebe, Geissblatt, Akebie und verschiedene Rosen, die vor allem im Mai/ Juni mit ihrer Blütenpracht in vielerlei Farbtönen Blickfang sind. Im Winter domineren besonders das immergrüne Geissblatt sowie die Armands Waldrebe. Die Bewässerung der Pflanzen erfolgt durch automatische Bewässerung über im Boden verlegte Tropfschläuche, die über eine Zeitschaltuhr gesteuert wird. Pro Jahr sind etwa fünf Pflegegänge notwendig, bei denen mittlerweile vorrangig Rückschnitt und Entfernen des Schnittguts anstehen. Ein Pflegedurchgang, für den ein Hubsteiger benötigt wird, dauert mit zwei Gärtnern in der Regel nur einen Tag. Zusammenfassung Klimawandel, Versiegelung und zunehmende Verstädterung führen zu überhitzten Großstädten. Die Folge sind unter anderem Hitzeinseln, mehr Sommertage und häufigere Hochwasserkatastrophen. Dach- und Fassadenbegrünungen vereinen viele positive Wirkungen und sind wichtiger Bestandteil des Nachhaltigen Bauens und der Anpassungsstrategie gegen den Klimawandel. Das Beispiel der begrünten Fassade am Stadthaus M1 zeigt, dass eine Begrünung Wohlbefinden und Aufenthaltsqualität in einem Gebäude und in seinem Umfeld positiv beeinflussen kann - und das in vielerlei Hinsicht. Weitere Informationen: www.gebaeudegruen.info www.raderschall.ch www.jakob.eu Fassadenbegrünungssymposium am 25.09.2018 in Hamburg: https: / / www.gebaeudegruen.info/ aktuelles/ seminare-veranstaltungen-mes sen/ bug gveranstaltungen/ bug g-fassadenbegruenungssymposium-2018-hamburg/ Dr. Gunter Mann Präsident Bundesverband GebäudeGrün e. V. (BuGG) Kontakt: gunter.mann@bugg.de AUTOR Bild 2: Fassadenbegrünung im Sommer mit Belaubung als Schutz vor extremer Sonneneinstrahlung und Hitze. © Gunter Mann/ BuGG Bild 3: Fassadenbegrünung mit schöner Optik und hoher Verdunstungs- und damit Kühlleistung. © Gunter Mann/ BuGG 36 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Räume und Flächen Theorie- und Lehransätze In den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelte Michael Trieb eine Theorie der Stadtgestaltung [1], in der er sich auf die Untersuchungen von Kevin Lynch zum Stadtbild [2] bezog. Trieb formulierte die Ebenen Stadtgestalt, Stadterscheinung und Stadtbild und beschrieb Planungsansätze für jede dieser Ebenen. Der Soziologe Hans Paul Bahrdt hatte zu dieser Zeit bereits seine Thesen zum öffentlichen Raum [3] veröffentlicht und diesen vom halböffentlichen sowie privaten Raum abgegrenzt. Für den öffentlichen Raum konnte er dabei auf die Arbeiten von Erving Goffman zurückgreifen, der umfangreiche Untersuchungen zum Verhalten in sozialen Situationen [4] dokumentiert hatte. Klaus Füsser und Dieter Rosenstein nutzten für ihre Diplomarbeit [5] diese Erkenntnisse und versuchten diese für die Praxis der Straßenraumgestaltung anzuwenden. In der Folge konnten dann Harald Heinz et al. über mehrere Forschungsprojekte für die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) die „Empfehlungen zur Straßenraumgestaltung innerhalb bebauter Bereiche“ [6] ausarbeiten. Der aktuelle Stand der Planungspraxis wurde dann von Harald Heinz in „Schöne Straßen und Plätze“ [7] dokumentiert. International sind die Planungen und Veröffentlichungen von Jan Gehl [8] von Bedeutung. An diese Werke möchte ich im Folgenden anschließen. Der Raum als soziale Konstruktion Analog zu Michael Trieb kann man für den öffentlichen Raum die Ebenen Raumgestalt, Raumerscheinung und Raumbild definieren. Wir betrachten hier den öffentlichen Raum im Freien, somit nicht Räume in Gebäuden. Dies meint im Besonderen Straßenräume, also Straßen und Plätze sowie Grünflächen und Parkanlagen in der Stadt. Raumgestalt betrifft dabei den topografisch und mathematisch definierten Raum, also im Wesentlichen Lage und Abmessungen eines Raumes. Raumerscheinung soll das enthalten, was auf einen Nutzer an einem bestimmten Standpunkt einwirkt. Dies sind einerseits die Perspektive, die an einem bestimmten Standort dem Beobachter geometrisch erscheint, aber auch das, was in Abhängigkeit von den Lichtverhältnissen und der Beleuchtung überhaupt erst wahrgenommen werden kann. Dazu kommen akustische (beispielsweise Lärm), taktile (beispielsweise Wind) und andere sensorische Eindrücke (beispielsweise Ideen zu einer Theorie der Straßenraumgestaltung Öffentlicher Raum, Soziale Sicherheit, Nutzungskonflikt, Soziales System, Kommunikation, Raumbild Klaus Füsser Bei der Konzeption, Planung und Gestaltung öffentlicher Räume können wir uns heute im Wesentlichen nur auf die Intuition, Kreativität und Erfahrung der am Bau beteiligten Praktiker verlassen. Wir finden zwar einige Theorie- und Lehransätze, auf die im Folgenden eingegangen wird, jedoch keine geschlossene und überzeugende Gesamttheorie. Diese wäre jedoch notwendig, um den Bedürfnissen der Straßenraumnutzer entsprechend öffentliche Räume zu planen, zu gestalten und zu betreiben. Dieser Aufsatz möchte zur weiteren Entwicklung dieser Theorie anregen. Bild 1: Raumgestalt. © Klaus Füsser 37 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Räume und Flächen Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Gerüche) ebenso wie chemische und physikalische Einwirkungen etwa Feinstaub oder andere Luftschadstoffe. Schwerpunkt der Betrachtungen soll das Raumbild sein. Schon Kevin Lynch konnte mit seinen „Mental Maps“ - in denen Stadtbewohner wesentliche Elemente ihrer Stadt aus dem Gedächtnis aufzeichneten - zeigen, dass Menschen städtische Räume recht unterschiedlich wahrnehmen und auch nutzen. Martina Löw entwickelt in ihrer Raumsoziologie [9] die These weiter, dass Raum sozial konstituiert wird. Dies ist für die Ebene des Raumbildes überzeugend, für die anderen Ebenen der Raumgestalt und der Raumerscheinung jedoch weniger hilfreich. (Bilder 1 bis 3) Löw unterscheidet zwei Prozesse der Raumkonstruktion: Das „Spacing“, was im Wesentlichen das Errichten der Raumgestalt und das Positionieren von Gegenständen und Personen meint. Diese Positionierungen sind als topologische Anordnungen zu verstehen, also Anordnungen in Relation zu anderen Anordnungen (beispielsweise Nähe und Ferne, Sichtbeziehungen, Zugänglichkeiten). (Bild 4) Daran anschließend findet eine „Syntheseleistung“ statt, die diese Elemente zu Räumen komponiert - also entscheidet, was zum betrachteten Raum als zugehörig bzw. nicht zugehörig empfunden wird. Der Synthesebegriff spiegelt den Wahrnehmungsprozess in der Deutung der Gestaltpsychologie wider, die davon ausgeht, dass Menschen ihre Sinneseindrücke entsprechend ihren Bedürfnissen selektieren und zu für sie sinnvollen Gestalten zusammenfassen [10]. Auch das Konzept des Lebensraums von Kurt Lewin aus den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts könnte für tiefergehende Betrachtungen hilfreich sein [11]. Lewin definiert mit dem Lebensraum eine psychische Konstruktion, also ein individuelles Bild von einem personenbezogenen Weltausschnitt und damit auch die Erkenntnis, dass diese Bilder von Mensch zu Mensch unterschiedlich sein müssen, selbst dann, wenn Menschen die gleiche Umwelt betrachten. Niklas Luhmann hat die heute in wesentlichen Zügen akzeptierte Theorie sozialer Systeme [12] entwickelt und Kommunikation als die Leitgröße dargestellt, über die diese Systeme gebildet werden und funktionieren. Martina Löw folgend und an Niklas Luhmann anschließend ist der sozial konstituierte Raum ein soziales System, das definitionsgemäß von Menschen, also den Nutzern dieser Räume, geschaffen wird. Dieser Raum - also das Raumbild - entsteht im „Kopf“ der Nutzer auf der Grundlage ihrer Vorerfahrungen, ihrer Nutzungsabsichten sowie ihrer Wahrnehmungen der Örtlichkeit. Jemand, der auf dem Weg zur Arbeit von einer Bushaltestelle zur U-Bahn eilt, nimmt einen Raum anders wahr als jemand, der nach Feierabend einen gemütlichen Schaufensterbummel macht. Fußgänger haben andere Fortbewegungsgeschwindigkeiten als Radfahrer und erst recht als Autofahrer. Diese nehmen dementsprechend - unter anderem abhängig von den zur Verfügung stehenden Beobachtungszeiten - andere perspektivische Ausschnitte wahr. Unterschiedliche Altersgruppen, unterschiedliche gesellschaftliche Milieus und unterschiedliche kulturelle Hintergründe führen zu unterschiedlichen Raumbildern. Während ein Graffiti-Künstler seinen Raum mit „Tags“ markiert und ihn sich dadurch aneignet, im weitesten Sinne vielleicht sogar ein Stück Heimat für sich schafft, kann ein anderer Nutzer dies als Schmiererei oder sogar Verwahrlosung deuten, Unsicherheitsgefühle entwickeln und sich von solchen Räumen ausgeschlossen fühlen. Während man im privaten Raum allein sein kann, wird man im öffentlichen Raum mit anderen Menschen, bekannten oder fremden, konfrontiert. Dies schafft Möglichkeiten zur Begegnung, Anregung und Unterstützung aber vielleicht auch Unannehmlichkeiten durch unliebsame Konfrontationen oder gar Bild 2: (links) Raumerscheinung. © Klaus Füsser Bild 3: (rechts) Raumbild. © Klaus Füsser 38 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Räume und Flächen Gefahren, etwa durch Gewalt. Zugleich wird durch Menschen im öffentlichen Raum, meist allein durch bloße Anwesenheit, bewusst oder unbewusst, gegenseitige soziale Kontrolle über das Verhalten ausgeübt. Dadurch entsteht ein Beobachtungsnetz von Anwesenden, das soziale Sicherheit erzeugen kann und in aller Regel auch erzeugt. In Diskussionen mit Jeremy Klemens zu seiner Masterarbeit (siehe Beitrag ab Seite 78) entwickelten wir den Ansatz, öffentlichen Raum als soziales System auf der Ebene des Raumbildes zu betrachten. Während Klemens diesen Ansatz zur Weiterentwicklung des Kommunikationsfaktors [13] nutzt, um Gestaltungsempfehlungen für öffentliche Räume zu entwickeln, werden im Folgenden Aspekte des menschlichen Miteinanders und der Struktur von Konflikten im öffentlichen Raum betrachtet. Kommunikation zwischen Menschen Das soziale System des öffentlichen Raumes wird wie auch jedes andere soziale System über Kommunikation erschaffen. Kommunikation benötigt zumindest zwei Teilnehmer, denn Luhmann definiert Kommunikation als die Kette von „Information - Mitteilung - Verstehen“. Wenn jemand allein in seinem privaten Raum redet, sprechen wir also nicht von Kommunikation. Kommunikation kann verbal oder nonverbal sein. Watzlawick [14] machte deutlich, dass man in sozialen Systemen nicht „Nicht Kommunizieren“ kann. Auch mit Nichtsprechen gibt man eine Information, wenn etwa durch Schweigen eine Mitteilung erzeugt wird, die dann recht unterschiedlich verstanden und interpretiert werden kann. Die Art sich zu kleiden, zu bewegen, zu schauen, die Art von Handlungen im öffentlichen Raum sind jeweils Formen von Kommunikation (Bild-5). Die Art einer Kommunikation, die sich an eine vorher gegangene Kommunikation anschließt, ist davon abhängig wie die Mitteilung verstanden (also interpretiert) worden ist. Die maßgebliche Unterscheidung ist dabei, ob die Mitteilung positiv (beispielsweise: Ich fühle mich sicher) oder negativ (beispielsweise: Ich fühle mich unsicher) verstanden wurde. Goffman hat diese Kommunikationsstrukturen für den nordamerikanischen Kulturraum in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts analysiert und dabei auch für uns heute noch hilfreiche Erkenntnisse gewonnen: Die Begegnung von Individuen in sozialen Situationen ist nie unproblematisch. Der Andere wird daher erst einmal analysiert, ob er gefährlich oder nicht gefährlich ist. So entstehen Kommunikationsstrukturen, die in diesen unsicheren Begegnungen Schutz erzeugen (beispielsweise Ausrichtung der Blickrichtung, Blickdauer, Körperhaltung, Gehrichtung, Gehgeschwindigkeit). Kommunikationsstrukturen unterscheiden sich grundsätzlich dadurch, ob die aufeinander treffenden Personen sich kennen oder nicht kennen. Um Gefahrlosigkeit anzuzeigen - und auch um sich vor Informationsüberflutung zu schützen - begegnen sich Fremde im öffentlichen Raum in aller Regel mit „höflicher Gleichgültigkeit“. Menschen, die sich kennen, zeigen hingegen an, dass sie den Anderen zur Kenntnis nehmen und respektieren. Dabei kommunizieren sie im Rahmen der Konventionen ihrer Nutzergruppe/ Community. Um Goffmans Erkenntnisse zu aktualisieren, sind im Besonderen ergänzende Analysen von Gender- und Diversity-Aspekten, kulturellen Verhaltensunterschieden sowie Verhaltensmustern sogenannter problematischer Nutzergruppen von Interesse. An zentralen Orten kann auch das Verhalten bestimmter touristischer Gruppen von Bedeutung sein. Interaktion mit Objekten Gestaltung und Pflege von Gebäuden und die Qualität von Ausstattungen des öffentlichen Raumes haben Einfluss auf das Verhalten der Nutzer. Ein gepflegter Park informiert: „Hier fühlt sich jemand zuständig und hält die Dinge in Ordnung“ und „Hier ist vermutlich niemand mit zerstörerischen Absichten unterwegs, der mir gefährlich werden könnte“. Dies ist allerdings keine Kommunikation in soziologischer Hinsicht, da dieser Prozess ja auch eintritt, wenn nur eine Person in einem Raum ist. Wir greifen nun zu einem Trick und erweitern den Kommunikations- Bild 4: Spacing von Gegenständen und Menschen. © Klaus Füsser 39 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Räume und Flächen begriff, indem wir die Beobachtungsspanne aus der Gegenwart (eine Person im Raum) in Vergangenheit und Zukunft ausdehnen. Beispiel: Person 1 betritt einen öffentlichen Raum, entleert eine Glasflasche und wirft diese zu Boden. Die Flasche zerspringt. Person 1 verlässt den Ort. Einige Zeit später Zeit betritt Person 2 diesen Raum, sieht die Scherben und deutet diese als Verwahrlosung und Gefahr, dass eine Person, die unangenehm oder gar gefährlich ist, auftauchen könnte. So erzeugen Informationen aus der Vergangenheit Mitteilungen in der Gegenwart, die entsprechend der Konventionen einer Community interpretiert werden und das Verhalten der Nutzer in der Zukunft beeinflussen (beipielsweise: Ich benutze diesen Weg nicht mehr) (Bild 6). Gegebenenfalls werden auch neue Informationen angelegt, wenn zum Beispiel Person 2 die Scherben aufsammelt und sie in einen Müllbehälter wirft. Kommunikation muss allerdings anschlussfähig bleiben - ein Gebäude, das aus Gründen des Denkmalschutzes noch Einschusslöcher aus dem Zweiten Weltkrieg hat, gibt keine Information in dem Sinn „Achtung, hier wird geschossen“. Wenn keine Kommunikation stattfindet, kann man nicht mehr von einem sozialen System sprechen und in strengem Sinne dann auch nicht mehr von öffentlichem Raum. Wenn Sie auf einer einsamen Wanderung durch eine menschenleere Landschaft auf ein verlassenes und verfallenes Dorf treffen, stellt der alte Dorfplatz definitionsgemäß keinen öffentlichen Raum mehr dar, er ist ebenso wie die Landschaft nunmehr Kulisse für ihr individuelles psychisches Erleben und nicht mehr Raum für (soziale) Begegnung. Raumbilder Menschen nehmen öffentliche Räume unterschiedlich wahr und nutzen diese auch unterschiedlich. Jeder hat sein eigenes Raumbild, das allerdings durch gemeinsame Vorerfahrungen und Sozialisation innerhalb einer bestimmten Nutzergruppe/ Community ähnlich ist. Wir wissen in aller Regel, wie wir uns in der Öffentlichkeit, auf einem Platz oder einem Gehweg zu verhalten haben, was angemessen ist und was nicht. Wir zeigen im Verstehen und Einhalten von Regeln unsere Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft oder definieren uns durch Nichteinhalten als Outsider oder durch Nichtverstehen als Fremder. Heute sind Lebensstile individueller und globaler geworden, also auch mit vielen Möglichkeiten zum gegenseitigen Missverständnis. Beispiel: Berlin wird international gelegentlich als Stadt des Graffito gesehen. Viele jüngere Besucher gehen daher irrtümlich davon aus, dass ein Besprühen von Wänden erlaubt sei und zum modernen weltoffenen Image der Stadt gehöre. Öffentliche Räume stehen unter dem Druck, dass unterschiedliche Nutzergruppen Orte unterschiedlich definieren und gelegentlich durch ihre Handlungen auch schädigen. Beispiele dafür sind in Berlin etwa Teile des Platzes Kottbusser Tor, der Görlitzer Park, Straßenräume im Umfeld von Nachtclubs und überhaupt Bereiche, die von sogenannten problematischen Nutzergruppen frequentiert oder gar behaust werden. Aber auch Plätze und Straßen mit starkem KFZ-Verkehr oder übermäßigen Umweltbelastungen stellen für Anwohner und andere Nutzer (beispielsweise Einzelhändler) ein Problem dar. Für die Planungspraxis ist es nicht einfach, Lösungen zu finden, die in der Mitte der Gesellschaft anerkannt werden und zugleich Menschen am Rande der Gesellschaft nicht aus dem öffentlichen Raum ausschließen. Darf man eigentlich auf Gehwegen, Stadtplätzen oder in Grünanlagen biwakieren (Übernachten ohne Zelt)? Soll man es zulassen, weil man armen Menschen das Leben nicht noch schwerer machen will? Oder zieht man Menschen aus aller Welt an, die eigentlich in ihrer Heimat integriert werden müssten? Richtet man gar Unheil an, wenn man vorhandene Lagerplätze im Sommer nicht räumt, da im Winter ein Teil dieser Menschen trotz Kältehilfe erfrieren wird? All das ist gesellschaftlich und politisch nicht umfassend geklärt und erzeugt Kommunikationsangebote, die Verhalten erzeugen, das man eigentlich nicht will. Erkenntnisdefizite und Forschungsansätze Wir wissen nicht viel darüber, wie Menschen aus Ländern des globalen Südens oder aus Milieus außerhalb der Politik-, Verwaltungs- und Planungswelt den öffentlichen Raum begreifen. Durch Individualisierung und Globalisierung haben sich Konflikte verschärft und diese sind nur zu lösen, wenn Bild 5: Kommunikation. © Klaus Füsser 40 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Räume und Flächen man gesellschaftlich Einigung über das Verhalten im öffentlichen Raum erzielt und dieses Verhalten dann auch durchsetzt. Hilfreich wäre dabei, erst einmal zu wissen, wie unterschiedliche Nutzergruppen diese Räume begreifen. Raumbilder unterschiedlicher Nutzergruppen könnten beispielsweise erfasst werden durch: Erstellung kognitiver Karten (Mental Maps) durch reale Straßenraumnutzer (Laborversuche) Erstellung fiktiver Straßenräume und deren Ausstattung in 3D-Modellen durch Versuchspersonen (Laborversuche) Aufnahme von Straßenraumnutzern und deren Bewegungsprofile durch Beobachter (Feldversuche) Versuche mit Testpersonen mittels mobilem Eye- Tracking (Feldversuche) Die ersten drei Beispiele sprechen vermutlich für sich. Eye-Tracking soll jedoch kurz erläutert werden: Beim Eye-Tracking werden Fixierungen und Augenbewegungen von Versuchspersonen aufgenommen. Diese Blickerfassung mittels Spezialbrillen, Aufnahmegeräten und entsprechenden Auswerteeinrichtungen zeigt bei einer Versuchsperson, die beispielsweise einen Platz begeht, an, was ihr Interesse in welcher Intensität erregt. Vermutlich werden unterschiedliche Nutzergruppen unterschiedlichen Dingen Bedeutung beimessen und diese unterschiedlich lange beobachten. Hieraus lässt sich dann schließen, was für den Einzelnen wichtig und unwichtig ist. Kombiniert mit Geräten zur Messung von Körperfunktionen (Puls, Hautwiderstand, usw.) kann den einzelnen Beobachtungen ein Stressfaktor zugeordnet werden. Bezug zum Verwaltungshandeln Aufbauend auf diesen Untersuchungen könnten dann gezieltere Konfliktlösungsstrategien für Probleme im öffentlichen Raum entwickelt werden. Bis dahin wird man sich mit den Try-and-Error-Ansätzen aus Politik, Polizei- und Sozialarbeit erst einmal zufrieden geben müssen. Hilfreich ist jedoch ein klar formulierter Ansatz, der sich auch in entsprechenden Straßennutzungs- und Grünflächengesetzen widerspiegelt sowie in deren konsequenter und umsichtiger Durchsetzung. Also weder ein Laissez- Fair-Verhalten noch ein übermäßig autoritäres Auftreten, sondern ein deutliches Auftreten der staatlichen Gewalt, die den Bürger mitnimmt und nicht jede Kleinigkeit ahndet, aber auch nicht jeden egozentrischen Individualismus sowie problematische milieuspezifische oder kulturelle Sonderentwicklungen toleriert. Dafür muss es ein deutlich formuliertes politisches Programm geben, klare Zuständigkeiten und eine funktionstüchtige Organisationsstruktur mit entsprechender Ausstattung und Eingriffsmöglichkeiten. Nur mit dieser Rückendeckung können die Verantwortlichen vor Ort sinnvoll, sicher und erfolgreich handeln. Auch dies sind Kommunikationsangebote: Bei klarer Kommunikation (die das Handeln ja einschließt! ) hat man gute Chancen, verstanden zu werden, bei Unklarheiten entstehen Orientierungsdefizite, die gegebenenfalls dazu führen, dass öffentliche Räume nicht adäquat genutzt werden. Prüfung des Theorieansatzes Im Folgenden werden Teiltheorien zum öffentlichen Raum in Hinblick auf den oben dargestellten Theorieansatz diskutiert. Broken Windows-Ansatz Der Broken Windows-Ansatz wurde in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts in den USA entwickelt (nach James Q. Wilson und George L. Kelling) und in der Stadtplanung von New York erfolgreich eingesetzt. Diese Theorie besagt, dass Verunreinigung und Zerstörungen im öffentlichen Raum schnell behoben werden müssen, damit kein Teufelskreis entsteht, indem aus wenig Müll mehr Müll, indem aus einer zerstörten Scheibe ein zerstörtes Haus und indem aus einer verwahrlosten Ecke ein verwahrloster Stadtteil wird. Zugleich arbeitete der New Yorker Ansatz mit einer strengen Ahndung auch kleiner Verstöße. Der Broken Windows-Ansatz blieb in Fachkreisen lange Zeit umstritten, da er empirisch schlecht zu beweisen war und wohl auch, da er nur Symptome und nicht etwa Ursachen von Kriminalität bekämpft. In der Praxis der städtebaulichen Bild 6: Informationen aus der Vergangenheit. © Klaus Füsser 41 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Räume und Flächen Kriminalprävention wird er jedoch immer wieder erfolgreich eingesetzt. Neuere soziologische Untersuchungen aus den Niederlanden (Vorher-Nachher- Untersuchungen an „sauberen“ und „schmutzigen“ Orten [15]) und auch aus Köln-Chorweiler (Untersuchungen von Sebastian Kurtenbach an drei verschiedenen, nahe beieinander liegenden Orten mit unterschiedlichem „Sauberkeitszustand“ [16]) zeigen inzwischen auch empirisch an, dass eine saubere und ordentliche Gestaltung mit einer entsprechenden Pflege positive Effekte auf das soziale Zusammenleben hat. Ein „schmutziger“ Ort stellt ein Kommunikationsangebot dar, auf das reagiert werden kann. Es wird im Kommunikationsangebot ausgesagt: Hier kannst du ohne negative Konsequenzen Norm verletzendes Verhalten zeigen. Dies wird von all denen angenommen, die diese Normen nicht voll integriert haben. Ein „sauberer“ Ort bietet ein entgegengesetztes Kommunikationsangebot. Strenge Ahndung auch von kleinen Verstößen scheint notwendig, wenn die übliche soziale Kontrolle durch andere, regelkonforme Straßenraumnutzer nicht mehr funktioniert. Tod und Leben großer amerikanischer Städte Jane Jacobs [17] kam in ihren Untersuchungen unter anderem in Greenwich Village (New York, Manhattan) zu dem Ergebnis, dass Straßen und Plätze zu allen Tages- und Nachtzeiten von Menschen bevölkert sein sollen, damit die soziale Kontrolle entsteht, bei der Menschen aufeinander achten und kriminelle Übergriffe im Zaum halten. Dazu ist eine Nutzungsmischung von Gewerbe, Wohnen, Einkauf und Kultur notwendig ebenso wie Sichtbeziehungen zwischen Erdgeschoss und Straßenraum. Augen sollen ständig auf die Straße blicken, denn so entsteht ein Raum, in dem kriminelle Übergriffe zu riskant erscheinen. Das Kommunikationsangebot soziale Kontrolle funktioniert nur in relativ gut vernetzten Nachbarschaften. Dazu sollten öffentliche Räume bevölkert, aber nicht „crowdy“ sein. Wenn Räume von einer großen Anzahl, möglicherweise sogar ständig wechselnden Menschenmengen überbevölkert sind, besteht die Gefahr, dass sich niemand verantwortlich fühlt und eine soziale Kontrolle des Umfeldes entfällt. In U-Bahn-Stationen, Unterführungen und anderen problematischen Bereichen kann es sinnvoll sein, Kommunikationsangebote wie Videoüberwachung und regelmäßige polizeiliche Präsenz anzubieten. Generell sollte man nicht von einem „entweder-oder“ von sozialer Kontrolle und technischer Überwachung sprechen, sondern eher von einem „sowohl als auch“, und zwar in Abhängigkeit von den örtlichen Gegebenheiten und der Intensität von Problemen. Dysfunktionale Räume können erst einmal durch Videoüberwachung und Polizeipräsenz wieder in einen Bereich gewandelt werden, in dem Anwohner und Gewerbetreibende allmählich wieder die soziale Sicherheit übernehmen können. Behavior Setting Roger G. Barker [18] entwickelte in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts eine ökologische Psychologie, in der er den Begriff des „Behavior Setting“ einführte. Behavior Setting bedeutet, dass eine bestimmte Umweltinszenierung und -gestaltung dazu führt, ein bestimmtes Verhalten nahe zu legen. Offensichtlich verhält man sich auf einer Beerdigung ja anders als auf einem Volksfest. Füsser, Jacobs und Steinbrecher [19] nutzten diesen Ansatz, um Gestaltungsempfehlungen für Querungshilfen zu entwickeln, die im Begegnungsfall von Autofahrern und Fußgängern zugleich die Autofahrer vorsichtiger und langsamer fahren, als auch die Fußgänger vorsichtig und aufmerksam bleiben lassen. Die Gestaltung öffentlicher Räume (als Kommunikationsangebot) sollte eine Klarheit erhalten, die einen Nutzer informiert, wie er sich im Großen und Ganzen zu verhalten hat. Dies funktioniert in homogenen Gemeinschaften in aller Regel gut, kann in städtischen Räumen, die durch den Zuzug von Fremden geprägt werden, jedoch auch zu Verhaltensirritationen führen, wenn Gestaltungen nicht verstanden werden. Deshalb ist es wichtig, auf eine offene und gastfreundliche Art Fremde in die Nutzung und den Gebrauch öffentlicher Institutionen und Räume einzuführen. Schönheit Wolfgang Welsch beschreibt in „Zur universalen Schätzung des Schönen“ [20], dass unterschiedliche Milieus und Kulturen auch verschiedene Vorstellungen von Schönheit haben können. In der Selbstähnlichkeit des goldenen Schnittes findet er jedoch einen Ansatz, der universell zu gelten scheint. Er führt dies darauf zurück, dass der Schönheitssinn ein Detektor für Selbstorganisation ist, die sich in der Selbstähnlichkeit des goldenen Schnittes ausdrückt („Das Kleine verhält sich zum Großen wie das Große zum Ganzen“). Diese Selbstähnlichkeit weist auf ein Eingebundensein in ein großes Ganzes, da Selbstähnlichkeit ein grundlegendes Organisationsprinzip der Evolution und damit auch des menschlichen Entwicklungsganges ist. Schöne Gestaltung in diesem Sinne ist ein Kommunikationsangebot, das uns daran erinnert, integriert und eingebunden zu sein. (Bild 7) 42 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Räume und Flächen Fazit Die hier vorgestellten Ideen zu einer Theorie der Straßenraumgestaltung zeigen, dass empirische Untersuchungen zur Identifizierung von Raumbildern unterschiedlicher Nutzergruppen hilfreich sein können, um öffentliche Räume angemessener zu planen, zu gestalten und zu betreiben. An der Beuth Hochschule für Technik Berlin sind dazu Masterarbeiten geplant, die auch Gender- und Diversity- Aspekte vertieft betrachten. Ein guter, jedoch selten angewandter Leitfaden zur Auditierung des öffentlichen Raumes [21] kann dabei ebenso hilfreich sein wie wichtige Erkenntnisse aus der Praxis des Quartiersmanagements und der städtebaulichen Sozialarbeit [22]. LITERATUR [1] Trieb, M.: Stadtgestalt - Theorie und Praxis. Braunschweig, 1974. [2] Lynch, K.: Das Bild der Stadt. Berlin, 1965. [3] Bahrdt, H. P.: Die moderne Großstadt. Soziologische Überlegungen zum Städtebau. Reinbek, 1969. [4] Goffman, E.: Verhalten in sozialen Situationen. Gütersloh, 1971. [5] Füsser, K., Rosenstein, D.: Funktionale und gestalterische Anforderungen spezifischer Benutzergruppen an städtische Straßenräume. Diplomarbeit. Lehrstuhl für Stadtbauwesen, RWTH Aachen, 1979. [6] FGSV (Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen): Empfehlungen zur Straßenraumgestaltung innerhalb bebauter Gebiete (ESG)“. Köln, 2011. [7] Heinz, H.: Schöne Straßen und Plätze. Funktion Sicherheit Gestaltung. Bonn, 2014. [8] Gehl, J. Svarre, B.: Leben in Städten. Wie man den öffentlichen Raum untersucht. Basel, 2016. [9] Löw, M.: Raumsoziologie. Frankfurt am Main, 2001. [10] Zimbardo, P. G.: Psychologie. Berlin, 1983, S. 318 - 327. [11] Lewin, K.: Feldtheorie. Werksausgabe Bd. 4 (Hrsg: Graumann, C.-F.). Bern und Stuttgart, 1982. [12] Luhmann, N.: Die Gesellschaft der Gesellschaft. Frankfurt am Main, 1998. [13] Klemens, J.: Entwicklung eines Indikatorensets zur Evaluierung der Aufenthaltsfunktion im Straßenraum. Masterarbeit. Beuth-Hochschule für Technik Berlin, 2018. [14] Watzlawick, P., Beavin, J. H., Jackson, D. D.: Menschliche Kommunikation. Formen, Störungen, Paradoxien. Bern, 1969. [15] Keizer, K., Lindenberg, S., Steg, L.: The Spreading of Disorder. Universität Groningen, 2008. [16] Kara, S.: „Ist da jemand? “ Die Zeit, Nr. 50, 2016. [17] Jacobs, J.: Tod und Leben großer amerikanischer Städte. Gütersloh, 1963. [18] Barker, R.: Ecological Psychology. Stanford, 1968. [19] Füsser, K., Jacobs, A., Steinbrecher, J.: Sicherheitsbewertung von Querungshilfen für den Fußgängerverkehr. Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Verkehrstechnik, Bergisch Gladbach, 1993. [20] Welsch, W.: Zur universalen Schätzung des Schönen. In: Welsch, W.: Blickwechsel - Neue Wege der Ästhetik. Stuttgart, 2012. [21] Baier, R., Grunow, M., Schäfer, K. H.: Soziale Sicherheit im Straßenraum. Berlin, 2006. [22] Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin (Hrsg): AG Görlitzer Park. Handlungskonzept Görlitzer Park, 2016. Bauassessor Klaus Füsser Lehrbeauftragter Verkehrswesen Fachbereich III Bauingenieur- und Geoinformationswesen Beuth Hochschule für Technik Berlin Kontakt: kfuesser@beuth-hochschule.de AUTOR Bild 7: Goldener Schnitt, Altes Rathaus Leipzig. © Klaus Füsser www.transforming-cities.de 43 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Räume und Flächen Naturferne Kindheit Laut einer aktuellen Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung aus dem Jahr 2017 wachsen immer mehr Kinder und Jugendliche in städtischen Ballungszentren auf [1]. Gründe hierfür ergeben sich bereits vor der Familienplanung: Nach dem Schulabschluss locken Hochschulstätten mit günstigen Studienbedingungen und städtische Kommunen mit einer größeren Auswahl an Ausbildungsberufen [2]. Aufgrund der günstigen Arbeitslage, einer Freiräume zum Spielen, Entdecken und Naturerleben Die Umsetzung des Konzeptes der Naturerfahrungsräume in deutschen Städten Naturerfahrungsraum, städtische Umwelt, Kindheit, urbane Grünflächen Maren Pretzsch, Annemarie Wilitzki, Jürgen Peters Im Rahmen eines durch die Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) wissenschaftlich begleiteten Entwicklungs- und Erprobungsvorhabens (Fördertitel des BMUB) werden in Berlin zurzeit drei Naturerfahrungsräume eingerichtet. Seit den 90er Jahren entstanden in vielen Kommunen Deutschlands naturnahe Spielräume, die allesamt das Ziel verfolgen, Kindern im städtischen Kontext Naturerfahrungen zu ermöglichen. In der vorliegenden Untersuchung wurden diese deutschlandweit erfasst und analysiert, um Grundlagen zur Planung und Umsetzung weiterer Flächen abzuleiten. Bild 1: Erkunden, Erfühlen und Erleben - Naturerfahrungsräume im städtischen Raum. © A. Wilitzki, HNEE 44 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Räume und Flächen besseren Betreuungsinfrastruktur und der schnelleren Erreichbarkeit von öffentlichen Einrichtungen und Arbeitsstellen bleiben viele der Zugezogenen auch nach dem Abschluss ihrer Ausbildung in städtischen Kommunen wohnen und gründen eigene Familien [1]. Durch den vermehrten Zuzug in die Städte steigt der Bedarf an Wohnungen. Kommunale Flächenreserven, darunter die „wilden Ecken“, in denen vor allem ältere Kinder gern spielen [3], stehen im ständigen Konflikt mit anderen Flächennutzungen. Nicht selten werden gerade städtische Brachen, aber auch Spielplätze, umgewidmet und als Bauland genutzt [4]. In vielen Groß- und Mittelstädten wird die Verfügbarkeit von städtischem Grün insbesondere in Wohnungsnähe immer knapper. Im Vergleich mit früheren Generationen halten sich Kinder und Jugendliche heute vermehrt in geschlossenen Räumen auf und treten im Alltag immer seltener in Kontakt mit der Natur [3]. Weitere Aspekte, die zu einem wachsenden Bedarf an Naturerfahrungsmöglichkeiten in der Stadt führen, wurden bereits ausführlich in der Ausgabe 03|2016 von „Transforming Cities“ beschrieben. Das Konzept der „Städtischen Naturerfahrungsräume“ Die Notwendigkeit, naturnahe Flächen im Siedlungsbereich für die Erholungsnutzung durch Kinder und Jugendliche zu sichern, hat mittlerweile auch der Gesetzgeber erkannt. Im Jahr 2010 nahm er den Erhalt und die Schaffung von Naturerfahrungsräumen in die Zielformulierung des Bundesnaturschutzgesetzes auf [5]. Wie die Ausgestaltung konkret aussehen kann, lässt der Gesetzgeber offen. Bereits seit den 90er Jahren setzen Kommunen Flächenkonzepte um, die das Ziel verfolgen, Kindern und Jugendlichen naturnahe Erholung innerhalb von Siedlungsbereichen zu ermöglichen. Das ursprüngliche Konzept „Städtischer Naturerfahrungsräume“ (NER) wurde 1998 im Rahmen eines Forschungs- und Entwicklungsprojektes im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz entwickelt [6]. Es beschreibt die NER anhand der folgenden Merkmale (in Anlehnung an Schemel [7]): Vorrangnutzung Erholung (Spiel und Bewegung von Kindern in der Natur) Zuordnung zu Wohngebieten: möglichst dicht, d.h. nicht mehr als 300-500 m entfernt freie Zugänglichkeit vor allem für Kinder und Jugendliche, keine reguläre Betreuung durch Erwachsene Mindestgröße 2 ha (in Ausnahmefällen mindestens 1 ha) keine Ausstattung mit Geräten oder mit anderer Infrastruktur, nur unbefestigte Wege naturbestimmte Entwicklung des Geländes, Zulassen natürlicher Sukzession, extensive Pflege in Teilräumen (zwecks Offenhaltung) alle spielerischen und sportlichen Aktivitäten außer Motorsport sind erlaubt Im Rahmen eines Modellprojektes wurden in den Jahren 2002 bis 2004 in Karlsruhe, Freiburg, Nürtingen und Stuttgart NER entsprechend des Bild 2: Flächenelemente wie Totholzhecken können gemeinsam mit Kindern gebaut und gepflegt werden. © J. Peters, HNEE Bild 3: Stöcke, Reisig, Rindenhäcksel - loses Material lädt zum eigenständigen Bauen ein. © M. Pretzsch, HNEE 45 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Räume und Flächen von Schemel entwickelten Konzeptes eingerichtet und erprobt- [8]. Spätere Vorhaben wie in Berlin und München orientieren sich daran. Deutschlandweit existieren zudem weitere Ansätze, die große Schnittmengen mit dem Konzept der städtischen NER aufweisen. Eine Vorreiterrolle bezüglich der Verbindung ökologischer und pädagogischer Ziele im besiedelten Raum nimmt das Bundesland Rheinland-Pfalz ein. Hier nutzen Kommunen für die eigene Entwicklungsplanung die offizielle Flächenkategorie des „Naturnahen Spielraumes“, welche extensiv gestaltete Räume ohne herkömmliche Spielgeräte beschreibt [9]. Seit 2002 verwendet die Stadt Oppenheim diese Bezeichnung für den naturnahen Spielraum „Paradies“. In Schleswig-Holstein wurde bereits 1993 die Flächenkategorie des Naturerlebnisraumes im Landesnaturschutzgesetz festgesetzt. Hierbei handelt es sich um ausgewiesene Landschaftsteile, die sich aufgrund ihrer natürlichen Ausstattung und Nähe zu für den Naturschutz bedeutsamen Flächen als besonders geeignet erweisen, Besucher*innen Naturerlebnisse zu ermöglichen [10]. Die Ausgestaltung des Konzeptes der Naturerlebnisräume ist sehr vielfältig, einige von ihnen lassen sich jedoch größtenteils über das Konzept nach Schemel [7] abbilden. Darüber hinaus gibt es deutschlandweit viele weitere Projektbeispiele, die in ihrer konkreten Ausgestaltung den städtischen NER stark ähneln, jedoch nicht als solche ausgewiesen sind, beziehungsweise eine andere Bezeichnung tragen, so die „Wildnis[se] für Kinder“, die seit 2012 im Ruhrgebiet geschaffen wurden. Städtische Naturerfahrungsräume in Großstädten am Beispiel von Berlin In Berlin werden seit 2015 im Rahmen eines Entwicklungs- und Erprobungsvorhabens drei Pilotflächen eingerichtet und betrieben. Der Prozess wird durch die HNEE wissenschaftlich beobachtet und bewertet. Im Ergebnis ist die Erstellung eines praxisbezogenen Leitfadens geplant, der Behördenvertreter*innen und weiteren Involvierten notwendiges Wissen und Argumente für die Einrichtung von NER an die Hand geben soll. Das Pilotprojekt findet unter den speziellen Standortvoraussetzungen der Metropole Berlin statt. Dies hat bezüglich einiger Faktoren wie der Flächenverfügbarkeit, der administrativen Gliederung der Stadt mit einer entsprechenden Aufteilung von Zuständigkeiten und Kompetenzen, der Nutzungsintensität etc. eine mangelnde Vergleichbarkeit zu anderen Kommunen zur Folge. Um die Übertragbarkeit hier gewonnener Erkenntnisse zu überprüfen, erscheint es notwendig, diese um Erfahrungswerte aus anderen Kommunen zu ergänzen. Aus diesem Grund führte die wissenschaftliche Begleitung des Berliner Vorhabens eine deutschlandweite Befragung zur Umsetzung von NER und vergleichbaren Flächenkonzepten durch. Methodisches Vorgehen Von März bis Juni 2018 wurden leitfadengestützte Experteninterviews mit Flächenverwalter*innen und Betreiber*innen in Form einer Telefonbefragung durchgeführt. Ziel war es, Wissen zur planungsrechtlichen Situation, zu Betreiber- und Finanzierungsmodellen, Pflege und Betreuung der Flächen sowie übergeordnete Erfolgs- und Hemmfaktoren Bild 4: Abkühlung mal anders - Lehmkuhlen animieren zum Matschen und Planschen. © A. Wilitzki, HNEE Bild 5: Eine spannende Geländemodellierung fordert zum Toben, Rennen und Verstecken auf. © M. Pretzsch, HNEE 46 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Räume und Flächen für die Etablierung des Konzeptes zu sammeln. In die Untersuchung gingen sämtliche ermittelte Flächen ein, die mindestens bezüglich der folgenden Kriterien mit dem ursprünglichen Konzept der städtischen NER nach Schemel [7] übereinstimmen: Zielbestimmung naturbestimmte Erholung von Kindern und Jugendlichen, Flächen in großen Teilen naturnah/ einer naturbestimmten Entwicklung überlassen, einzelne Ausstattungselemente/ Spielgeräte werden entgegen dem ursprünglichen Konzept akzeptiert, eigenständig durch Kinder und Jugendliche nutzbar, pädagogische Begleitung entgegen dem ursprünglichen Konzept möglich. Als Grundlage für weitere Interviewanfragen dienten eine Literatur- und Onlinerecherche, Kontaktadressen der Stiftung Naturschutz Berlin und Folgeempfehlungen der Interviewpartner*innen. Der Begriff der NER wird im weiteren Textverlauf für sämtliche identifizierten Flächen angewandt, die bezüglich der aufgeführten Kriterien mit dem Konzept übereinstimmen. Insgesamt fanden 17 telefonische Interviews statt. Zudem gingen schriftliche Rückmeldungen aus drei weiteren Kommunen ein. Die abschließende Auswertung erfolgte auf Grundlage von 19 bestehenden NER in Deutschland. In Verbindung mit den gesammelten Erkenntnissen des Berliner Pilotprojektes ergibt sich ein umfassendes Wissen zu den Herausforderungen der Einrichtung und des Betriebes von NER, welches im Folgenden zusammenfassend dargestellt wird. Deutschlandweite Untersuchung Im Rahmen der Befragung wurden einschließlich der sechs Berliner Flächen 30 NER in Deutschland ermittelt. Die Karte (siehe Bild 6) verortet sechs Berliner NER und 19 weitere Flächen bundesweit. Bestehende NER sind dunkelgrün, die geplanten NER hellgrün und die ehemaligen NER orange gekennzeichnet. Besonders viele und nach Aussagen der Befragten intensiv genutzte NER befinden sich in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Berlin (siehe Bild 6). Die NER in Karlsruhe und Freiburg sowie der NER Berlin Adlershof werden aufgrund eines momentan fehlenden aktiven Flächenmanagements als ehemalige NER dargestellt. Im Sommer 2018 wurde der jüngste NER in Bochum eröffnet. In den Städten Hamburg, Düsseldorf und Heidelberg werden aktuell weitere NER geplant. Bild 6: Übersicht über die deutschlandweit erfassten NER © A. Wilitzki, HNEE 47 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Räume und Flächen Lage und Erreichbarkeit Bei der Suche nach einer passenden Fläche spielt die Lage eine wichtige Rolle. Der NER sollte für Kinder von ihrem Wohnort aus selbstständig erreichbar und zugänglich sein. Für die meisten NER existieren entsprechend keine zeitlichen Zugangsbeschränkungen. Zudem befinden sich von den 19-NER (außerhalb Berlins) 17 NER in direkter Nähe zu Wohngebieten (Einzugsradius von max. 500 m), davon sechs in Stadtzentren und elf in peripheren Bereichen. Weite Entfernungen zum eigenen Wohnhaus sowie zu Kinder- und Jugendeinrichtungen verringern die Chance, dass Kinder eigenständig die Flächen „erobern“ können. Nach Angabe der Befragten können auch große Straßen ohne Querungshilfen wie Ampeln oder Zebrastreifen ein Hindernis darstellen. Weiteres Eignungskriterium ist die Größe der Flächen. Sie sollte nach Schemel mindestens 2- ha, in Ausnahmefällen 1 ha betragen. In der Tabelle in Bild 6 wird deutlich, dass nicht alle Flächen dieses Kriterium erfüllen. Der größte NER mit 7 ha befindet sich in der Stadt Hannover. Flächenplanung und -einrichtung Zur Neuanlage eines NER sollten zunächst menschliche Hinterlassenschaften wie Altlasten, Müll etc. aus den Flächen entnommen bzw. gesichert werden. Darauf folgt die Erfassung der bestehenden Vegetation, gegebenenfalls finden Maßnahmen zur initialen Gestaltung der Fläche statt. Bestehende Hecken und Bäume zum Klettern, Verstecken und Naschen sollten je nach Bedarf auf der Fläche verbleiben. Kinderbeteiligungsaktionen dienen der Ideensammlung zur Geländegestaltung und frühzeitigen Einbindung späterer Nutzer*innen. Auch bei der Umsetzung können Kinder und Jugendliche behilflich sein. In der Phase der Einrichtung des NER finden nicht selten Geländemodellierungen statt. Dadurch kann ein für Kinder spannendes Relief aus Hügeln und Senken wie in der BUND Kinderwildnis in Nienburg und Bremen geschaffen werden. Selten werden vereinzelte Spielgeräte integriert. Neben einem spannenden Relief sprechen sich die Befragten vor allem für eine Vielfalt an Blühaspekten und verschiedenartigen Vegetationstypen wie dichten Gehölzbeständen, Wasser- und Wiesenbereichen aus. Dies fördert auch das Vorkommen von Insekten und weiteren Tieren auf den Flächen. Flächenverwaltung und Betrieb In den meisten Fällen verwalten die Kommunen die Grundstücke. Dieses Modell findet sich bei fast allen NER, etwa in den Städten Norderstedt, Hannover, Nürtingen, Gießen und Herne, wieder. Eine Ausnahme stellt der naturnahe Spielraum „Paradies“ in der Stadt Oppenheim dar. Hier ist ein kleinerer Teil des Grundstückes in Besitz der Verbandsgemeinde. Die Stadt Oppenheim ist zeitgleich auch der Betreiber der Fläche. In den sieben „Wildnis[sen] für Kinder“ in den Städten Bochum und Herne betreibt die Biologische Station Östliches Ruhrgebiet alle Flächen. In Hannover ist für den Betrieb des „Kinderwaldes“ der Förderverein Kinderwald Hannover e. V. verantwortlich. Die Flächen in Nienburg und Bremen werden vom BUND e. V. (Kreisgruppe/ Landesverband) betrieben. In der Stadt Vaihingen wird ein kooperatives Betreibermodell zwischen dem Förderverein „Naturerlebnisraum am Bächle“ und der Stadt genutzt. In Norderstedt liegt der Betrieb in den Händen der Stadtpark Norderstedt GmbH. Von den 19 NER bieten 14 NER pädagogische Programme an. Dazu gehören Einzelprogramme in Form von Impulsveranstaltungen und/ oder regelmäßige Programme. Kinder und Jugendliche von sechs bis zwölf Jahren, zum Teil auch deutlich jünger oder älter, lernen die Fläche kennen und kommen spielerisch mit Natur- und Umweltthemen in Kontakt. Die pädagogische Betreuung, auch wenn sie selten stattfindet, dient der Vertrauensbildung bei Kindern und Eltern. Die ansässigen Bild 7: Zusammen sind wir stärker - der Bau einer Hütte erfordert Teamarbeit. © A. Wilitzki, HNEE Bild 8: Obstbäume zwischen Brombeergebüschen, Lehmhügel neben Hochstaudenfluren und Matschbereich - Vielfalt im Naturerfahrungsraum in Berlin Spandau. © M. Pretzsch, HNEE 48 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Räume und Flächen Vereine und Verbände beziehungsweise die Kommunen selbst sind zudem Ansprechpartner für die Anwohner*innen. Nach dem Vorbild Schemels [7] wird auf fünf NER in Deutschland keine pädagogische Betreuung angeboten. Sie müssen auf „eigene Faust“ entdeckt werden. Generell werden alle Flächen nicht ausschließlich eigenständig von Kindern besucht, sondern auch von Familien und betreuten Kindergruppen aus Kitas und Schulen genutzt. Pflege und Entwicklung Entsprechend ihres Zweckes ist in NER eine größtenteils naturbestimmte Entwicklung gewünscht. Ziel der Flächenpflege ist es, die Entwicklung eines NER so zu steuern, dass er für das Kinderspiel attraktiv bleibt, hierbei jedoch so wenig wie möglich in die Eigendynamik der Fläche einzugreifen. Entsprechend stehen Verantwortliche vor der Herausforderung, Pflegemaßnahmen und überdies bestehende Routinen mit der gewollten freien Entwicklung der Fläche in Einklang zu bringen. Auf diese Herausforderung reagieren die Kommunen unterschiedlich: In den „Wildnis[sen] für Kinder“ wie in Bochum Höntrop findet eine sehr zurückhaltende Pflege statt. Sukzession ist erwünscht, gelegentlich werden besonders dichte Bereiche freigeschnitten. Eine feste Pflegeroutine gibt es nicht. Die Pflege erfolgt adaptiv entsprechend der Entwicklung des NER. Auch im „Naturerlebnisraum am Bächle“ in Vaihingen wurde bewusst auf die Erstellung eines Pflegeplanes verzichtet. Maßnahmen wie das Freihalten von Wegen, die Mahd der Wiesen und das Mulchen der Flächen werden im Auftrag der Stadt und unter Anleitung des Fördervereines „Naturerlebnisraum am Bächle e. V.“ von dem Landwirt durchgeführt, der die angrenzenden Flächen bewirtschaftet. Als einziger der untersuchten NER wird der NER München in der Grünanlage Johanneskirchen vollständig seiner natürlichen Entwicklung überlassen. Pflegetätigkeiten umfassen lediglich notwendige Maßnahmen zur Erfüllung der Verkehrssicherheitspflicht. Dies unterscheidet sich von der Herangehensweise anderer Kommunen. So existieren unter anderem für den Kinderwald Hannover, den naturnahen Spielraum Oppenheim und das Gelände „Obere Ziegelei“ in Stuttgart durchaus Pflegepläne. Die Pflege des Kinderwaldes Hannover beispielsweise erfolgt im Rahmen eines umfangreichen Konzeptes, welches detailliert beschriebene Arbeitstypen Reparatur von Weidenbauwerken etc.) unterschiedlichen Geländebereichen zuordnet. Sie findet in sogenannten „Geländewerkstätten“ mit den Kindern gemeinsam statt. Zudem werden im Auftrag des Fördervereines Pflegetätigkeiten durchgeführt und von der Stadt Hannover aufwändige Pflegemaßnahmen umgesetzt. Die Intensität der Pflege ist insofern einerseits abhängig von der Grundausstattung der Fläche, andererseits auch von der Herangehensweise der Verantwortlichen. Pflegepläne können hilfreich sein, sobald ausgewählte Maßnahmen wiederholt im Sinne einer Pflegeroutine durchzuführen sind und eine rein adaptive Pflege der Fläche beispielsweise aufgrund mangelnder Kenntnisse der Ausführenden nicht möglich ist. Chancen und Herausforderungen Neben Aussagen zum konkreten Management der Flächen wurden im Rahmen der Befragung auch allgemeine Faktoren identifiziert, die sich nach Aussage der Vertreter*innen von Verwaltungen und betreibenden Einrichtungen hemmend oder förderlich auf die Etablierung des Konzeptes auswirken. Insbesondere in größeren Städten benannten die Befragten die mangelnde Verfügbarkeit ausreichend großer Flächen als vorrangiges Problem. Die Schaffung einer Kategorie „Naturerfahrungsraum“ für die planungsrechtliche Festsetzung in der Landschaftssowie in der Bauleitplanung könnte nach Aussage der Behördenvertreter*innen zu einem schnelleren Eingang des Konzeptes in die kommunale Planungsroutine führen und wurde vielfach als hilfreich angesehen. Unsicherheiten herrschen im Hinblick auf die Anforderungen der Verkehrssicherheitspflicht und das Haftungsrecht. Hierzu werden im Rahmen der wissenschaftlichen Auswertung bestehende Bild 9: Naturerfahrungsräume bieten auch Orte zum Entspannen und Ruhe finden. © A. Wilitzki, HNEE 49 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Räume und Flächen Annahmen juristisch überprüft und, angelehnt an die Erfahrungen des Pilotprojektes, Empfehlungen zur Ausgestaltung des Sicherheitsmanagements formuliert. Diese werden innerhalb des geplanten Leitfadens verfügbar gemacht. Als Herausforderung wurde auch der hohe und langwierige Aufwand für die Öffentlichkeitsarbeit beschrieben, der aufgrund mangelnder Kenntnis des Konzeptes in der Bevölkerung und innerhalb der Behörden zu betreiben ist. Eine gute Öffentlichkeitsarbeit dient auch der Gewinnung von Entscheidungsträgern aus Politik und Verwaltung sowie der kommunalen Wertschätzung der NER. LITERATUR [1] Friedrich-Ebert-Stiftung (Friedrich-Ebert-Stiftung - Forum Politik und Gesellschaft) (Hrsg.): Stadtkinder - Städte in Deutschland werden immer mehr zum Lebensraum für Familien - Eine Auswertung der aktuellen Bevölkerungsdaten für die Friedrich-Ebert- Stiftung. Berlin, 2017, S. 8-27. Online verfügbar unter http: / / library.fes.de/ pdf-files/ dialog/ 13727.pdf, zuletzt geprüft am 24.07.2018. [2] Berlin Institut (Berlin Institut für Bevölkerung und Entwicklung) (Hrsg.): Im Osten auf Wanderschaft. Wie Umzüge die demografische Landkarte zwischen Rügen und Erzgebirge verändern. Berlin, 2016, p. 22. Online verfügbar unter https: / / www.berlin-institut. org/ fileadmin/ user_upload/ Im_Osten_auf_Wanderschaft/ BI_WanderungOst_online.pdf, zuletzt geprüft am 24.07.2018. [3] Richard-Elsner, C.: Draußen spielen Lehrbuch. Beltz Juventa in der Verlagsgruppe Beltz und Weinheim Basel, Weinheim, 2017, S. 111-112. [4] Beirat Bündnis Recht auf Spiel/ Deutsche Gartenamtsleiterkonferenz: Kein Rückbau von Spielflächen - Resolution vom Beirat Bündnis Recht auf Spiel und der Deutschen Gartenamtsleiterkonferenz (GALK). Berlin, 2016. S. 1-2. Online verfügbar unter https: / / w w w.dkhw.de/ fileadmin/ Redaktion/ 1_Unsere_ Ar beit/ 1_ Schwerpunkte/ 4_ Spiel_und_Bewegung/ 4.8_ Kein_Rueckbau_von_ Spielflaechen/ Rueckbau-Reso lution_neu.pdf, zuletzt geprüft am 24.07.2018. [5] BNatschG: Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz) vom 29.07.2009 (BGBI. l S. 2542). Zuletzt geändert durch den Artikel 421 der Verordnung vom 31.08.2015 (BGBI. l S. 1474). Online verfügbar unter http: / / w w w . g e s e t z e i m i n t e r n e t . d e / b u n d e s r e c h t / bnatschg_2009/ gesamt.pdf, zuletzt geprüft am 24.07.2018. [6] Schemel, H.-J.: Naturerfahrungsräume. Ein humanökologischer Ansatz für naturnahe Erholung in Stadt und Land. Ergebnisse aus dem F+E-Vorhaben 808 06 009 des Bundesamtes für Naturschutz. Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.), Bonn- Bad Godesberg, 1998. [7] Schemel, H.-J.: Das Konzept der Städtischen Naturerfahrungsräume. In: Schemel, H.-J., T. Wilke: Kinder und Natur in der Stadt. Spielraum Natur: Ein Handbuch für Kommunalpolitik und Planung sowie Eltern und Agenda-21-Initiativen. Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.), BfN Skripten 230, Bonn- Bad Godesberg, 2008, S. 79-92. [8] Schemel, H.-J., Reidl, K., Blinkert, B.: Naturerfahrungsräume in Städten - Ergebnisse eines Forschungsprojektes. Online verfügbar unter http: / / www.naturerfahrungsraum.de/ pdfs/ ner_ ziegenspeck _ 02.pdf, zuletzt geprüft am 24.07.2018. [9] Degünther, H.: Naturnahe Spielräume in Rheinland- Pfalz - Flächenkategorie für große, extensiv genutzte Spielräume in Wohnungsnähe. In: Schemel, H.-J., T. Wilke: Kinder und Natur in der Stadt. Spielraum Natur: Ein Handbuch für Kommunalpolitik und Planung sowie Eltern und Agenda-21-Initiativen. Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.), BfN Skripten 230, Bonn-Bad Godesberg, 2008, S. 137-207. [10] LNatschG-SH: Gesetz zum Schutz der Natur - Schleswig-Holstein (Landesnaturschutzgesetz) vom 24.02.2010 (GVOBl. S. 301). Online verfügbar unter http: / / www.gesetze-rechtsprechung.sh.juris. de/ jportal/ portal/ t/ 12q7/ page/ bsshoprod.psml/ js_pane/ Inhaltsverzeichnis, zuletzt geprüft am 24.07.2018. AUTOR I NNEN Dipl.-Ing. Maren Pretzsch Wissenschaftliche Mitarbeiterin Fachbereich Landschaftsnutzung und Naturschutz Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) Kontakt: mpretzsch@hnee.de M. Sc. Annemarie Wilitzki Wissenschaftliche Mitarbeiterin Fachbereich Landschaftsnutzung und Naturschutz Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) Kontakt: annemarie.wilitzki@hnee.de Prof. Dr. Jürgen Peters Professur für Landschaftsplanung und Regionalentwicklung Fachbereich Landschaftsnutzung und Naturschutz Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) Kontakt: jpeters@hnee.de 50 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Räume und Flächen Kinder in urbanen Räumen Urbane Strukturen wie Straßen, Wege, Gebäude, Parks und Plätze formen die öffentlichen Bewegungsräume von Kindern in der Großstadt. Neben den Einschränkungen durch großflächige Bebauung und Straßenverkehr fehlt es Kindern zunehmend an Gelegenheiten [1] aber auch Ideen, sich öffentliche Räume in ihrer Freizeit zu erschließen. Problematisch ist dabei die zunehmende „Funktionalisierung und Automatisierung“ der sozialräumlichen Umwelt, die die Möglichkeiten des spontanen und ungeplanten Spiels begrenzen [2]. Daneben wird auch das Phänomen der Verinselung beschrieben, das sich aus veränderten Mobilitätsmustern (Kinder fahren Orte mit ihren Eltern ab) ergibt. Der kindliche Lebensalltag findet „nicht überwiegend in einem als zusammenhängend erfahrbaren Raum statt, sondern wie auf einer Reihe von Inseln in einer unbekannten Weite“ [3]. Solche Inseln sind sowohl der eigene Wohnraum und die Schule als auch andere Institutionen, Sportstätten, Einkaufszentren, Freizeitstätten und weitere Stationen im kindlichen Alltag. „Der gesamte Raum, der zwischen den sogenannten Inseln liegt, bleibt für die Kinder unentdeckt“ [2]. Das birgt die Gefahr, dass Kinder unbeweglicher und transportbedürftiger werden [2]. Gemeinsam mit der zunehmenden Digitalisierung und dem vermehrten Medienkonsum kann dies negative Auswirkungen auf die motorische Entwicklung und das Bewegungsverhalten von Kindern haben. So zeigen die neuesten repräsentativen Ergebnisse der KiGGS-Studie zur körperlichen Aktivität von Kindern und Jugendlichen in Deutschland, dass die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlene Vorgabe, von mindestens einer Stunde moderater körperlicher Aktivität am Tag von lediglich 26 % der 4bis 17-jährigen Kindern und Jugendlichen Deutschland erfüllt wird [4]. Sozial bedingte Unterschiede zeigen sich bezüglich der körperlichen Inaktivität (weniger als zweimal pro Woche 60 Minuten körperliche Aktivität). Kinder und Jugendliche aus Familien mit niedrigem sozioökonomischen Status sind fast dreimal so häufig inaktiv wie Kinder und Jugendliche aus sozial besser gestellten Familien [4]. SpielRaum in der Stadt Bewegung und Raum im Sportunterricht der Grundschule Öffentlicher Raum, Spielraum, Kindheit, Bewegungsräume, Informelles Lernen Ronny Kaiser, Ulrike Igel, Almut Krapf Das Praxisprojekt SpielRaum in der Stadt haben Studierende der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig mit Schülerinnen und Schülern an zwei Leipziger Grundschulen realisiert. Im Projekt wird Grundschüler*innen die Möglichkeit gegeben, sich öffentliche Räume (wieder) anzueignen und aktiver zu nutzen. Ziel ist es, Kindern die Möglichkeiten der aktiven Raumnutzung aufzuzeigen und Bewegungsanlässe im öffentlichen Raum sichtbar zu machen. Dabei wird die Arbeit des Forschungsprojektes „Grünau bewegt sich“ bei der praktischen Umsetzung von Bewegungsförderung im öffentlichen Raum unterstützt. Bild 1: Nur 26 % der 4bis 17-jährigen Kinder und Jugendlichen Deutschlands sind ausreichend körperlich aktiv. © Projekt Spiel- Raum Grünau 51 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Räume und Flächen Projektentwicklung Das Gesundheitsförderungsprojekt „Grünau bewegt sich“ setzt daran an. Über einen Zeitraum von fünf Jahren werden gemeinsam mit Akteur*innen und Praktiker*innen vor Ort, Interventionen zur Bewegungsförderung (und Ernährungsbildung) in einem sozial benachteiligten Stadtteil entwickelt und umgesetzt [5]. Im Rahmen einer umfassenden Bedarfsanalyse wurde deutlich, dass im Stadtgebiet Grünau (eine Großwohnsiedlung am Stadtrand von Leipzig) zwar eine Vielzahl von Grün-, Frei- und Spielflächen vorhanden sind, diese aber nur in geringem Maße genutzt werden. Ein wesentliches Ziel stellt daher die Belebung des öffentlichen Raumes dar. Dabei sollen einerseits Räume so gestaltet werden, dass sie zu mehr Aktivität anregen. Andererseits sollen Möglichkeiten des aktiven Spiels aufgezeigt und Rollenmodelle geschaffen werden, die soziale Normen hinsichtlich der Bewegung (im öffentlichen Raum) verändern und somit zu mehr Bewegung bei Kindern und Jugendlichen (sowie Bewohner*innen) führen [6]. In diesem Zusammenhang wurde unter der Federführung von Mitarbeiter*innen der Grundschuldidaktik Sport und des Projektes „Grünau bewegt sich“ gemeinsam mit Vertreter*innen des Sächsischen Landesamtes für Schule und Bildung (LaSuB) und des Gesundheitsamts der Stadt Leipzig das Projekt SpielRaum entwickelt. Rahmenbedingungen Im Sächsischen Lehrplan wird als zentraler didaktischer Grundsatz vorgeschlagen, Sportunterricht so oft wie möglich im Freien stattfinden zu lassen [7]. Der Schulsport hat somit erweitert die Aufgabe, die Lernenden dahingehend zu befähigen, selbstständig Räume auch außerhalb der normierten Sporthalle für Bewegung und Sport zu erschließen. Diese Kompetenz kann als Grundlage dazu dienen, ein bewegtes Leben außerhalb der Schule selbstbestimmt und aktiv zu gestalten. Mit wöchentlich drei Stunden Sportunterricht sollen die Lernenden eine positive Einstellung zur Bewegung im Lebensalltag erlangen und dabei weitestgehend eigene Interessen und Bedürfnisse mit einbeziehen können. Was ist das Besondere am informellen Lernen? Der Schulsport wird in der Praxis überwiegend als formelles Lernen organisiert. Bildungsprozesse sind verpflichtend, zielgerichtet und auf die Institution Schule beschränkt. Sie weisen einen hohen Grad der Normierung des Bildungsangebotes und der Leistungsmessung auf [8]. Dagegen stellen informelle Lernprozesse, welche ungeplant und nichtintendiert auftreten, an Schulen eher eine Ausnahme dar. Raum für und durch Bewegungen variabler zu nutzen, um informelle Lernprozesse zu begünstigen, erfordert didaktische Kompetenzen der Lehrpersonen. Informelle Lernprozesse können in der Schule das Potenzial entfalten, sowohl den traditionellen Sport um weitere Perspektiven, neue Haltungen und originelle Praktiken zu erweitern, als auch das Sporttreiben durch die Lernenden selbstorganisiert zu gestalten [9]. Ermöglicht ist dies beispielsweise, wenn von der konventionellen Nutzung der Sporthalle abgewichen wird und der Sportunterricht an schulfernen oder unbekannten Orten stattfindet. Den Schülerinnen und Schülern wird somit Bild 2: Der öffentiche Raum soll zu mehr Aktivität anregen. © Projekt Spiel- Raum Grünau Bild 3: Sportunterricht soll so oft wie möglich im Freien stattfinden. © Projekt Spiel- Raum Grünau 52 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Räume und Flächen die Gelegenheit gegeben, sich kreativ mit Bewegung auseinanderzusetzen und vielfältige (Bewegungs-) Erfahrungen in öffentlichen Räumen im Einzugsgebiet der Schule zu sammeln. Betrachtet man die räumliche Umwelt von Kindern im Grundschulalter fällt auf, dass sich der eigene ökologische Nahraum oft mit Räumen aus dem schulischen Kontext (wie Spielplätze, Fußwege, Parks und andere Freiflächen im Quartier) überlagert. In diesen Räumen bewegen sich die Kinder bereits mit freizeittypischen Aktivitäten vorrangig informell. Findet der Sportunterricht in diesen Räumen statt, können die vorhandenen Erfahrungen einfließen. Umgekehrt betrachtet, gestattet der Sportunterricht in schulfernen und unbekannten Räumen eine weiterführende „Eroberung“ des Nahraums der Kinder. Um eine selbstbestimmte Raumnutzung für die Kinder zu ermöglichen, ist es notwendig, die Räume durch Interventionen nicht zu „Verpädagogisieren“, sondern sie den Kindern als eigenständig strukturierbare Erfahrungsräume zu überlassen [10]. Ziele des Projekts Das Projekt SpielRaum möchte im Rahmen des Sportunterrichts gemeinsam mit Kindern, Lehrpersonen und Studierenden Bewegungsräume im Umfeld der Schule entdecken und „beleben“. Durch den Spaß an neuen Bewegungserfahrungen in teils bekannten teils neuen Räumen, soll zum einen das Interesse der Grundschulkinder (und Lehrpersonen) für ihre eigene Lebenswelt geweckt werden. Zum anderen werden Bewegungsgelegenheiten im Quartier sichtbar gemacht, was wiederum Nachahmer motivieren kann, sich diese öffentlichen Räume aktiv zu erschließen. Sowohl die Studierenden als auch die Kinder entwickeln im Projekt SpielRaum Kompetenzen, die für die Lehr-Lernpraxis von großer Bedeutung sind. Durch die Lehrerfahrungen mit Grundschulkindern im öffentlichen Raum bekommen die Studierenden die Gelegenheit, theoretisches Wissen anzuwenden und ihren Blick auf die kindliche Lebenswelt zu erweitern. Die Kinder wiederum entdecken Räume, die sie mit ihrem Stadtteil und anderen Kindern in Verbindung bringen, was zu einer größeren Selbstständigkeit und Identifikation mit dem Stadtteil führt. Die Lehrpersonen begleiten die Kinder und Studierenden, unterstützen den Prozess und profitieren durch die Entlastung und durch neue Ideen ebenfalls vom Projekt. Derzeitige Umsetzung und Ausblick Im Projekt SpielRaum verlegen Studierende des Grundschullehramts und des Lehramts an Förderschulen im Rahmen ihrer Lehrveranstaltungen über einen Zeitraum von acht Wochen eine Sportstunde pro Woche in den öffentlichen Raum und entdecken gemeinsam mit den Kindern neue Räume und Bewegungsmöglichkeiten. Im zweiten Schulhalbjahr 2018 wurde das Projekt SpielRaum in einer Pilotphase an zwei Grünauer Schulen mit insgesamt neun 3. und 4. Klassen durchgeführt. Es nahmen 216 Kinder und 33 Studierende teil, die je fünf bis acht Sporteinheiten gemeinsam gestalteten. Nach einer Evaluation der Pilotphase soll das Projekt auf weitere Schulen ausgeweitet werden. LITERATUR [1] Kähler, R. S.: Städtische Freiräume für Sport, Spiel und Bewegung. Forum Wohnen und Stadtentwicklung (2014), H. 5, S. 267-270. [2] Behrens, M.: Entwicklung und Gesundheit in der Lebensspanne Kindheit. In: Behrens, M. (Hrsg.): Zur Bedeutung der Bewegung für die kindliche Gesundheit. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden, 2016, S. 17-45. [3] Zeiher, H.: Organisation des Lebensraums bei Großstadtkindern — Einheitlichkeit oder Verinselung? In: Bertels, L., Herlyn, U. (Hrsg.): Lebenslauf und Raumerfahrung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften; Imprint, 1990, S. 35-57. [4] Finger, J. D., Varnaccia, G., Borrmann, A., Lange, C., Mensink, G. B. M.: Körperliche Aktivität von Kindern und Jugendlichen in Deutschland - Querschnittergebnisse aus KiGGS Welle 2 und Trends. Journal of Health Monitoring 3 (2018), H. 1, S. 24-31. [5] Gausche, R., Igel, U., Sergeyev, E., Neef, M., Adler, M., Hiemisch, A., Vogel, M., Molis, D., Schubert, K., Krause- Döring, R., Fabian, T., Kiess, W., Grande, G.: Stadtteilbezogene Gesundheitsförderung zur Reduktion der Adipositasprävalenz bei Kindern und Jugendlichen. Adipositas - Ursachen, Folgeerkrankungen, Therapie 08 (2014), H. 01, S. 18-24. Bild 4: Sportunterricht in schulfernen und unbekannten Räumen gestattet eine weiterführende „Eroberung“ des Nahraums. © Projekt Spiel- Raum Grünau 53 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Räume und Flächen [6] Ball, K., Jeffery, R. W., Abbott, G., McNaughton, S. A., Crawford, D.: Is healthy behavior contagious: Associations of social norms with physical activity and healthy eating. The international journal of behavioral nutrition and physical activity 7 (2010), S. 86. [7] Lehrplan Grundschule Sport, 1.8.2004, https: / / www. schule.s achsen.de/ lpdb/ web/ downloads/ lp_ g s _ sport_2009.pdf ? v2 [8] Overwien, B.: Informelles Lernen - Zum Stand der internationalen Diskussion. In: Rauschenbach, T. (Hrsg.): Informelles Lernen im Jugendalter: Vernachlässigte Dimensionen der Bildungsdebatte. Weinheim, München: Juventa-Verl., 2006, S. 35-62. [9] Bindel, T., Balz, E.: Informeller Sport in der Schule: „Wie willst du Sport treiben? “. Sportpädagogik 38 (2014), H. 1, S. 2-6. [10] Erhorn, J.: Bewegungsräume im Quartier mit Kindern erkunden Spiel und Bewegung im Wohnumfeld fördern. In: Erhorn, J., Schwier, J. (Hrsg.): Die Eroberung urbaner Bewegungsräume. Bielefeld: transcript-Verlag, 2015. AUTOR I NNEN Weitere Informationen senden wir Ihnen gerne zu. Ihre Ansprechpartnerin: Vanessa Ledig Tel. +49 (0) 30 28 44 94-221 pmrexpo@ew-online.de • Fachmesse • Summit Sichere Kommunikation (inkl. Fokus auf Leitstellen am 3. Tag) • Sichere Kommunikation für die Energiewirtschaft • Täglich wechselnde Fachforen • PMRExpo Career Eine Veranstaltung von: 27. bis 29. November 2018 Koelnmesse 2018 Bubbles: Parris Cope/ Fotolia Mehr Infos unter: www.pmrexpo.de oder Dipl. Sportlehrer Ronny Kaiser Lehrbeauftragter in der Grundschuldidaktik Sport Institut für Pädagogik und Didaktik im Elementar- und Primarbereich der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig Kontakt: ronny.kaiser@uni-leipzig.de Dipl. Soz.arb./ Soz.päd. Ulrike Igel Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt „GRÜNAU BEWEGT sich“ Forschungs- und Transferzentrum Leipzig an der Hochschule für Technik Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK) Kontakt: ulrike.igel@htwk-leipzig.de Jun. Prof. Dr. Almut Krapf Juniorprofessur für Bewegung und Gesundheitsförderung im Primarbereich, Fachbereichsleiterin der Grundschuldidaktik Sport Institut für Pädagogik und Didaktik im Elementar- und Primarbereich der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig Kontakt: krapf@uni-leipzig.de 54 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Räume und Flächen Gegen das Verschwinden der Natur in der Stadt Die vielfältigen positiven Wirkungen der Natur auf den Menschen Naturwirkungen, erholsame Umwelten, Green City, Naturerfahrungsräume Antje Flade Städte sind im Vergleich zum ländlichen Raum baulich und sozial dichte Umwelten. Eine weiter zunehmende Verdichtung kann dazu führen, dass grüne Natur in urbanen Räumen rar wird. Dadurch würde sich sowohl die Stadt als solche als auch die Wohn- und Lebensqualität der Stadtbevölkerung verändern. Angesichts der nachgewiesenen positiven Wirkungen grüner Flächen wäre deren Verschwinden ein gravierender Verlust. Neuere Ansätze, wie einer solchen unerwünschten Entwicklung entgegengewirkt werden kann, werden vorgestellt. Bild 1: Grundstück mit abgeholzten Bäumen. © A. Flade 55 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Räume und Flächen Charakteristisch für natürliche Umwelten ist, dass sie auch ohne Zutun des Menschen existieren würden. Der Mensch verändert diese, indem er sich die Natur aneignet, sie gestaltet und überformt und indem er sich deren Ressourcen zunutze macht. Dies geschieht auf vielerlei Weise und in unterschiedlichem Ausmaß, was unter dem Begriff der Nachhaltigkeit ausgiebig diskutiert wurde und nach wie vor diskutiert wird [1]. In Anbetracht der weltweit vonstatten gehenden Verstädterung besteht kein Zweifel an der Aktualität der Frage, wie sich die Veränderung des Verhältnisses zwischen gebauter und natürlicher Umwelt in den Städten auf die Wohn- und Lebensqualität der Stadtbewohner auswirken wird. In den Leitbildern wie der Ende des 19. Jahrhunderts konzipierten Gartenstadt und dem neueren Konzept der Green City kommt zum Ausdruck, dass man sich des Nutzens der grünen Natur in der Stadt bewusst war und es immer noch ist. Mit der Gartenstadt wollte man den vermuteten negativen Effekten des Stadtlebens wie Reizüberflutung, Beengtheit, Lärm und Luftverschmutzung usw. etwas entgegensetzen. Gebaute und natürliche Umwelt sollten zu einem kohärenten Ganzen verschmelzen, die Natur sollte von den Stadtbewohnern leicht zu erreichen sein. Man versprach sich davon positive Wirkungen. Ebenso wurden die großen Stadtparks im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts angelegt, um Erholungsräume für die in dieser Zeit rasant wachsende Stadtbevölkerung zu schaffen, in deren Folge sich die Probleme städtischen Lebens wie Verlärmung, Dichte und Beengtheit, Informationsüberflutung, Stress und sich ausbreitende Krankheiten verschärften. Die derzeitige Zunahme der Bevölkerung in vielen Großstädten und Metropolen führt zu einer vermehrten Nachfrage nach Wohnraum. Um sie zu befriedigen, benötigt man Bauland (Bild 1). Das Leitbild der grünen Stadt fungiert hier als eine Art Bollwerk, um den Schwund grüner Natur in urbanen Räumen aufzuhalten. Zugrunde liegt die Annahme, dass sich das Erleben von Natur positiv auf den Menschen auswirkt. Naturwirkungen Dass diese Annahme zutrifft, zeigt die nähere Betrachtung der in vielen empirischen Untersuchungen nachgewiesenen positiven Wirkungen von Natur auf den Menschen [2]. Bäume, Pflanzen, Gärten, Parks und Grünflächen (= green spaces) sind in ästhetischer Hinsicht ein Gewinn, sie haben eine erholungsfördernde Wirkung, sie sind anregend und motivieren dazu, sich näher mit Fragen der Natur zu befassen. Und schließlich sind Naturerfahrungen grundlegend für die Entwicklung eines Naturbewusstseins. Wie wichtig ein solches Bewusstsein ist, wird erkennbar, wenn man sich vergegenwärtigt, dass der Mensch, der die Natur nicht kennt, sie auch nicht vermissen kann und sich demzufolge um deren Erhaltung und Schutz auch nicht den Kopf zerbrechen wird. Ästhetik Umgebungen mit Bäumen und grünen Fassaden an Straßen, auf städtischen Plätzen und in Außenräumen werden von den meisten Menschen als schöner empfunden als Umwelten, denen es an grüner Natur mangelt (Bild 2). Erklärungen liefern Ästhetik-Theorien, in denen die Umweltmerkmale identifiziert wurden, die den Eindruck von Schönheit hervorrufen. Ein wichtiges Merkmal ist Komplexität: Eine ästhetisch ansprechende Umwelt zeichnet sich durch ein mittleres Maß an Komplexität aus; eine solche Umwelt wird weder als zu monoton noch als zu überladen erlebt. So ist zum Beispiel ein Bild 2: Straße mit und ohne Bäume. © A. Flade 56 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Räume und Flächen asphaltierter Parkplatz ohne Bäume optisch weniger komplex als ein Stadtpark mit bunten Blumen und Waldabschnitten. Pflanzen und Bäume erzeugen Komplexität und tragen so zu dem Eindruck von Schönheit bei. Bäume können durch den Wechsel von Licht und Schatten die Komplexität vermehren. In baumlosen Umwelten entfallen solche Komplexität steigernden Lichteffekte. Ein weiteres in Bezug auf die Ästhetik wichtiges Merkmal ist „Mystery“, ein kaum ins Deutsche übersetzbarer Begriff, der eine geheimnisvolle Umwelt kennzeichnet. Es ist eine Umwelt, die Verborgenes enthält und sich nicht auf Anhieb erschließt. Um sie zu verstehen, muss man sie erst einmal erkunden. Ein Weg, der hinter Bäumen verschwindet, birgt mehr „Mystery“ in sich als eine geradlinige weithin überschaubare Schneise. Bäume, Büsche und Hügel sind natürliche Sichthindernisse. Ein Verschwinden grüner Natur aus der Stadt würde das Ausmaß an Geheimnisvollem und damit auch deren ästhetischen Reiz verringern. Erholung Ein Hauptgrund, das Leitbild der Green City nicht nur zu propagieren, sondern auch umzusetzen, ist die erholsame Wirkung von ubanem Grünraum. Viele Forscher haben in Experimenten und Untersuchungen den Erholeffekt grüner Natur bestätigt. Umwelten, die den Abbau von Stress, die Erholung und Heilung fördern, werden als erholsame Umwelten (restorative environments) bezeichnet [3]. Ein Aufenthalt darin bewirkt, dass Wohlbefinden und Lebensfreude, Tatkraft und Leistungsfähigkeit wiederkehren. Wie tiefgreifend grüne Natur die Erholung fördern kann, zeigt sich daran, dass bereits ein Blick aus dem Fenster auf eine grüne Umgebung und sogar der Anblick von Naturbildern sowie virtueller Natur verglichen mit der Betrachtung von Mauern und grünfreien städtischen Szenen erholsam sein kann. Es sind vier Faktoren, die Umwelten zu „restorative environments“ machen: Faszination bei deren Anblick, der Eindruck des Weitwegseins (being away), das Erleben befreiender Weite (extent) sowie Kompatibilität [4]. Erholung durch Faszination kommt dadurch zustande, dass etwas Wahrgenommenes so faszinierend ist, dass die unwillkürliche Aufmerksamkeit geweckt wird, die im Unterschied zur willkürlichen gerichteten Aufmerksamkeit keinerlei mentale Anstrengung erfordert. Auf diese Weise findet eine kognitive Erholung statt; der Kopf wird wieder frei. Der Erholfaktor „being away“ entfaltet seine Wirkung durch einen Ortswechsel. Man befindet sich in einem „Anderswo“, in dem man anders als in der Alltagswelt frei ist von Zwängen, Belastungen und Sozialstress; man ist den Erwartungen der anderen enthoben. Die Natur ist ein naheliegendes Anderswo. Was mit wahrgenommener Weite gemeint ist, lässt sich an Beispielen veranschaulichen: Man blickt über die weite Marschlandschaft und über das Meer oder vom Gipfel, den man erstiegen hat, über die Bergwelt. Der nicht von Gebäuden und Mauern verstellte Ausblick wirkt befreiend. Kompatibilität bezeichnet das Zusammenpassen von individuellen Handlungsabsichten und den Gelegenheiten, die Absichten zu realisieren. Zum Beispiel wird die Absicht sich körperlich zu bewegen, durch Fuß- und Radwege in einer grünen Umgebung gefördert. Die großen Stadtparks besitzen im Allgemeinen ein hohes Ausmaß an Kompatibilität, weil sie Gelegenheiten für vielfältige Betätigungen bieten. So kann man zum Beispiel dort Schach und Boule spielen, spazieren gehen, Sport treiben, auf der Bank sitzen, lesen und schauen. Inzwischen wurden Verfahren entwickelt, um das Erholungspotenzial von Umwelten zu bestimmen [5]. Zum Beispiel wird die Ausprägung der Erholfaktoren mit einer Liste von Fragen und dazu gehörigen Bewertungsskalen erfasst. Dabei zeigen sich Kompensationseffekte, indem beispielsweise die mangelnde Weite eines Schaugartens durch ein hohes Maß an Faszination wett gemacht wird [6]. „Restorative environments“ können also aus unterschiedlichen Gründen einen Erholeffekt haben. Anregung und Motivierung Die inspirierende Wirkung von Natur manifestiert sich sichtbar und hörbar in den Werken von Malern, Dichtern und Komponisten, die durch das Naturerleben zum künstlerischen Schaffen angeregt wurden. Dass Natur kreativ macht und zum Handeln motiviert, gilt allgemein auch für Menschen, die sich nicht als Künstler verstehen. Es sind funk- Bild 3: Affordanz eines Baums. © A. Flade 57 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Räume und Flächen tionale Umweltmerkmale (Affordanzen), die zum Handeln auffordern. Ein Baum fordert zum Beispiel zum Verweilen auf einer Bank in dessen Schatten oder zum Klettern auf (Bild 3), eine Hecke regt zum Versteckenspielen an, eine schöne Umwelt fördert das Aktivsein. „Having something beautiful or interesting to look at while exercising or visiting a park can be a powerful motivator of physical activity“ ([7] S. 165). Ein wichtiges Ergebnis ist, dass Kinder kreativer und fantasievoller spielen, wenn es in ihrer Umgebung Bäume, Sträucher und Grünflächen gibt [8, 9]. Grüne Natur ist somit ein die kindliche Entwicklung fördernder Faktor. Prägende Erfahrungen Die Fähigkeit, aus Erfahrungen zu lernen, hat es den Menschen ermöglicht, sich die unterschiedlichsten Umweltbedingungen passend zu machen. Darüber hinaus haben Umwelterfahrungen eine prägende Wirkung. Wie bedeutsam Erfahrungen mit der Natur nicht nur für das Umweltwissen sondern auch für die Herausbildung von Naturverbundenheit sind, zeigen die Ergebnisse von Untersuchungen, in denen Erwachsene über ihre Kindheitserlebnisse berichten. Mit diesem retrospektiven Ansatz kann man herauszufinden, inwieweit Erfahrungen mit der Natur in der Kindheit die auf die Natur bezogenen Einstellungen und Aktivitäten im Erwachsenenalter beeinflussen. So wurden zum Beispiel die Mitarbeiter der National Environmental Education Association in Großbritannien gefragt, was sie dazu gebracht hat, in der Umwelterziehung tätig zu werden [10]. Als zentraler Einflussfaktor erwiesen sich die Aufenthalte in naturreichen Umgebungen im Kindesalter. Diese prägende Wirkung von Erfahrungen in der Kindheit wurde als „Kindheits-Faktor“ bezeichnet [11]. Aus diesem lässt sich schließen, dass sich das Interesse an der Natur und am Thema Natur- und Umweltschutz in der Gesellschaft verringern wird, wenn die Gelegenheiten, authentische Erfahrungen mit der Natur zu machen, dahin schwinden. Natur in der Stadt Die Natur, auf die man in der Stadt trifft, ist überwiegend gestaltete bzw. überformte Natur. Man findet grüne Natur auf öffentlichen Plätzen, an Straßen und Wegen, in öffentlichen Gärten und Stadtparks, die den Bewohnern als Naherholungsgebiete und natürliche Freiräume dienen sollen. Parks erfüllen diese Funktionen. Motive, einen Park aufzusuchen, sind das Bedürfnis nach Erholung, nach einer schönen Umgebung und nach Gelegenheiten, sich im Freien zu bewegen. Green spaces in der Stadt besitzen Affordanzen, die zu körperlichen und sportlichen Aktivitäten motivieren. Sie werden aber nur dann aufgesucht, wenn sie als öffentlich sicher eingeschätzt werden und wenn sie ästhetisch reizvoll und leicht zugänglich sind [12]. Darüber hinaus dienen Parks der Adressbildung, wie das Beispiel des im Frühjahr 2018 eingeweihten Baakenparks im Quartier Baakenhafen in der Hafencity in Hamburg vor Augen führt. Der Park, der Gelegenheiten für vielerlei Aktivitäten bietet und damit eine hohe Kompatibilität besitzt, wird bereits intensiv genutzt, obwohl zur Zeit ringsum noch nicht gewohnt wird, sondern sich Baustellen und leeres Bauland befinden (Bild 4). Der Baakenpark macht den Eindruck einer grünen Insel. Mit seiner bewusst aufwändigen Gestaltung und der Vielfalt an Angeboten ist er ein „Appetizer“, der den künftigen Bewohnern und Nutzern der im Bau befindlichen und geplanten Gebäude verkündet, dass sie in diesem Gebiet mit einer hohen Wohn- und Lebensqualität rechnen können. An diesem Vorgehen lässt sich der Wert ablesen, den Planer und Investoren der Natur in der Stadt beimessen. Neuere Konzepte sind (horizontale) Dachgärten und (vertikale) Fassadenbegrünungen. Der Vorteil ist, dass man für solche „green spaces“ keine Grundflächen benötigt, die in den nachgefragten Städten rar und teuer sind. Von der Fassadenbegrünung profitieren auch die Passanten sowie all diejenigen, die von den Innenräumen der umliegenden Gebäude aus auf die grünen Wände schauen. Davon unterscheidet sich das Konzept der Naturerfahrungsräume in der Stadt, das darauf abzielt, in Städten lebenden Kindern und Jugendlichen authentische Erfahrungen mit einer weniger überformten Natur zu bieten. Ein solcher Raum ist „eine weitgehend ihrer natürlichen Entwicklung überlassene, mindestens ein Hektar große ‚wilde’ Fläche im Wohnumfeld, auf der ältere Kinder und Bild 4: Baakenpark im Quartier Baakenhafen in Hamburg. © A. Flade 58 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Räume und Flächen Jugendliche frei, ohne pädagogische Betreuung und ohne Geräte spielen können“ [13]. Sie können hier eine ursprünglichere, „wildere“ Natur erleben, als man sie in gepflegten Parks und Grünanlagen vorfindet, ohne dabei auf einen rigorosen Naturschutz zu stoßen, der auf Restriktionen und Verbote setzt. Es ist eine vergleichsweise ursprüngliche Natur, die den Menschen nicht ausschließt oder an Wege bindet, die nicht gartenarchitektonisch gestaltet und die frei ist von Geräten und vorgefertigten Ausstattungselementen sowie ohne eine Betreuung, wie sie auf Abenteuerspielplätzen stattfindet. Inzwischen sind in der Zusammenarbeit von Eltern und kommunalen Stellen in vielen Städten Naturerfahrungsräume entstanden, darunter in Bochum, Bremen, Düsseldorf, Schwerin und Stuttgart. In Berlin wurden sie im Gleisdreieck und Hellersdorf realisiert. Theoretischer Anknüpfungspunkt ist der „Kindheitsfaktor“, Zielgruppe sind ältere Kinder und Jugendliche, denen Gelegenheiten verschafft werden sollen, eine ursprünglichere Natur zu erleben. Es besteht angesichts ihrer vielfältigen positiven Wirkungen kein Zweifel, dass Natur in der Stadt einen wichtigen Stellenwert hat und zwar sowohl für das Erscheinungsbild und Image einer Stadt als auch für das Wohlbefinden und die Lebensqualität der Stadtbewohner. Und zweifellos gibt es brauchbare Konzepte, um trotz städtebaulicher Verdichtung dem Verschwinden grüner Natur einen Riegel vorzuschieben. LITERATUR [1] Schubert, D.: Stadtplanung - Wandlungen einer Disziplin und zukünftige Herausforderungen. In A. Flade (Hrsg.): Stadt und Gesellschaft im Fokus aktueller Stadtforschung. Konzepte, Herausforderungen, Perspektiven (S. 121-176). Wiesbaden: Springer VS, 2015. [2] Flade, A.: Zurück zur Natur? Erkenntnisse und Konzepte der Naturpsychologie. Wiesbaden: Springer, 2018. [3] Hartig, T., Mitchell, R., de Vries, S., Frumkin, H.: Nature and health. Annual Review of Public Health, 35, (2014) p. 207-228. [4] Kaplan, S.: The restorative benefits of nature. Toward an integrative framework. Journal of Environmental Psychology, 15, (1995) p. 169-182. [5] Purcell, T., Peron, E., Berto, R.: Why do preferences differ between scene types? Environment and Behavior, 33, (2001) p. 93-106. [6] Tenngart, C. I., Hagerhall, C. M.: The perceived restorativeness of gardens. Assessing the restorativeness of a mixed built and natural scene type. Urban Forestry & Urban Greening, 7 (2), (2008) p. 107-118. [7] Bedimo-Rung, A. L., Mowen, A. J., Cohen, D. A.: The significance of parks to physical activity and public health: A conceptual model. American Journal of Preventive Medicine, 28 (Suppl. 2), (2005) p. 159-168. [8] Faber Taylor, A., Wiley, A., Kuo, F. E., Sullivan, W. C.: Growing up in the inner city. Green spaces as places to grow. Environment and Behavior, 30, (1998) p. 3-27. [9] Kyttä, M. (2002). Affordances of children’s environments in the context of cities, small towns, suburbs, and rural villages in Finland and Belarus. Journal of Environmental Psychology, 22, p. 109-123. [10] Palmer, J. A., Suggate, J.: Influences and experiences affecting the pro-environmental behaviour of educators. Environmental Education Research, 2(1), (1996) p. 109-121. [11] Ward Thompson, C. W., Aspinall, P., Montarzino, A.: The childhood factor: Adult visits to green places and the significance of childhood experience. Environment and Behavior, 40, (2008) p. 111-143. [12] Bedimo-Rung et al., a.a.O. [13] Schemel, H.- J.: Das Konzept der Städtischen Naturerfahrungsräume und Thesen zu seiner Umsetzung. In H.-J. Schemel & T. Wilke (Bearb.). Kinder und Natur in der Stadt (S. 79-92). Bonn Bad Godesberg: Bundesamt für Naturschutz, BFN-Skripten 230, (2008) S. 79. Dr. Antje Flade Diplom-Psychologin Angewandte Wohn- und Mobilitätsforschung (AWMF), Hamburg Kontakt: awmf-hh@web.de AUTORIN WISSEN FÜR DIE STADT VON MORGEN www.transforming-cities.de/ einzelheft-bestellen | www.transforming-cities.de/ magazin-abonnieren Digitalisierung versus Lebensqualität Big Data | Green Digital Charter | Kritische Infrastrukturen | Privatheit | Sharing-Systeme 1 · 2016 Was macht Städte smart? URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN d / i lh f Mit veränderten Bedingungen leben Hochwasserschutz und Hitzevorsorge | Gewässer in der Stadt | Gründach als urbane Klimaanlage |Baubotanik 1 · 2017 Stadtklima URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Lebensmittel und Naturelement Daseinsvorsorge | Hochwasserschutz | Smarte Infrastrukturen | Regenwassermanagement 2 · 2016 Wasser in der Stadt URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN f b ll f b Verbrauchen · Sparen · Erzeugen · Verteilen Energiewende = Wärmewende | Speicher | Geothermie | Tarifmodelle | Flexible Netze | Elektromobilität 2 · 2017 2 · 2017 Stadt und Energie ISSN 2366 7281 g URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN f Erlebnisraum - oder Ort zum Anbau von Obst und Gemüse Urban Farming | Dach- und Fassadenbegrünung | Grüne Gleise | Parkgewässer im Klimawandel 3 · 2016 Urbanes Grün URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN i i i dd / UURBA i Die Lebensadern der Stadt - t für die Zukunft? Rohrnetze: von Bestandserhaltung bis Digitalisierung | Funktionen von Bahnhöfen | Kritische Infrastrukturen 4 · 2016 Städtische Infrastrukturen URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN || Die Vielschichtigkeit von Informationsströmen Smart Cities | Automatisierung | Mobilfunk | Urbane Mobilität | Datenmanagement | Krisenkommunikation 3 · 2017 Urbane Kommunikation URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN f i i i Angri ssicherheit · Betriebssicherheit · gefühlte Sicherheit IT-Security | Kritische Infrastrukturen | Notfallkommunikation | Kaskadene ekte | Vulnerabilität | Resilienz 4 · 2017 4 · 2017 Sicherheit im Stadtraum URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN d / i i Was macht Städte smart? Soft Data | IT-Security | Klimaresilienz | Energieplanung | Emotionen | Human Smart City | Megatrends 1 · 2018 Die intelligente Stadt URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN i b i Energie, Wasser und Mobilität für urbane Regionen Mieterstrom | Solarkataster | Wärmewende | Regenwassermanagement | Abwasserbehandlung | Mobility as a Service 2 · 2018 Versorgung von Städten URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN i Zunehmende Verdichtung und konkurrierende Nutzungen Straßenraumgestaltung | Spielraum in Städten | Grüne Infrastruktur | Dach- und Fassadenbegrünung | Stadtnatur 3 · 2018 Urbane Räume und Flächen URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN 24 - 26 September 2018, Vienna WienXtra and the City of Vienna are inviting you to attend the 9th edition of Child and the City World Conference, held from 24th - 26th of September in the beautiful city of Vienna. The Child in the City World Conference is one of the leading conferences on child-friendly policies and research. Part of the programme are plenary sessions, various parallel sessions, a poster exhibition and interesting field trips throughout the city of Vienna. Be part of an international gathering for research and best practice in creating child-friendly cities. Meet over 300 international youth workers, urban planners, local authorities and policy makers. Experience more than 100 different presentations about the latest research and developments on media, urban development and regeneration, equality and diversity and mobility in the child-friendly city. Meet the field and enjoy different field trips throughout the city of Vienna. PARTNERS: Child in the City World Conference www.childinthecity.org/ conference-2018 GET YOUR TICKET NOW! 10% DISCOUNT USE VIP-CODE: C I TC18TR10 Child in the City World Conference 60 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Räume und Flächen Ausgangslage Durch Re-Urbanisierungsprozesse leben immer mehr Menschen in städtischen Räumen. Der Zuzug in die Großstädte hält an. In Deutschland sind derzeit die Innenstädte die großen Gewinner, während der Stadtrand eher stagniert und das periphere Umland Bevölkerungsverluste hinnehmen muss [1]. Bis 2035 wird die Bevölkerung in wachsenden Krei- Grün auf engem Raum Neue Ansätze urbaner grüner Infrastruktur Grünflächen, urbane grüne Infrastruktur, Umweltgerechtigkeit, Multicodierung, Innenentwicklung Stephanie Haury Immer mehr Menschen ziehen in die Städte - mit erheblichen Auswirkungen auf das Wohnraumangebot. Mit zunehmender Nachverdichtung wachsen Interessenkonflikte und Handlungserfordernisse um das Stadtgrün. Diese betreffen soziale Fragen wie die ungleiche Verteilungung von Grün, klimatische Fragen wie Gesundheitsbeeinträchtigungen bei Grünmangel sowie Fragen der Pflege und Finanzierung (Bild 2). Bild 1: Hofgarten in Bonn. © Stephanie Haury sen des Bundesgebietes noch weiter zunehmen, trotz abnehmender Gesamtbevölkerung [2]. Insbesondere in den großen Ballungsräumen wird es daher zu Nachverdichtungen kommen. Prognosen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) gehen von einem Bedarf von jährlich mindestens 350 000 Wohnungen deutschlandweit in den nächsten Jahren aus, vorwiegend in den 61 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Räume und Flächen urbanen Kontext können alle Arten von Vegetation und wasserdominierten Gebieten sowie einzelne Elemente von (städtischen) grünen Infrastrukturen unabhängig von ihrer Nutzung, ihrer Entstehungsgeschichte und ihrer Besitzverhältnisse eine grüne Infrastruktur bilden oder werden. Die Bundesregierung hat 2013 einen gewaltigen Prozess gestartet und das Thema „Grüne Infrastruktur“ zum ersten Mal als umfassende, ressortübergreifende Frage auf die politische Agenda gesetzt. Übergeordnetes Ziel war es, die Grünflächen in der Stadtentwicklung zum Thema zu machen und Diskussionsprozesse anzustoßen. Das BBSR richtete dafür prozessorientiert ein Forschungscluster „Grün in der Stadt“ ein. Der Prozess wurde von parallelen Forschungsprojekten und Aktivitäten begleitet - wie Gartenstadt 21, Umweltgerechtigkeit in der Sozialen Stadt, Urbane Freiräume oder Ziele für Stadtgrün. Zudem wurde das ExWoSt-Forschungsfeld (ExWoSt = Experimenteller Wohnungs- und Städtebau) Green Urban Labs mit 12 Modellprojekten gestartet. Im Jahr 2015 haben sieben Bundesministerien gemeinsam das „Grünbuch Stadtgrün“ veröffentlicht, das den Stand der Forschung zu städtischen Grünflächen darstellt. Es wurde als Diskussionspapier konzipiert mit dem Ziel, einen breiten Dialog über die Bedeutung urbaner Grünräume in der integrierten Stadtentwicklung zu initiieren. Die wichtigste Tatsache war, dass städtische Grünflächen zwar eine wichtige Rolle bei der nachhaltigen Gestaltung von Städten spielen, aber viele Gemeinden benötigen hierbei Hilfe. Im nächsten Schritt galt es daher, ein Weißbuch mit konkreten Handlungsempfehlungen für die Bundesregierung zu entwickeln. Soziale Fragen und Umweltgerechtigkeit − Urbane Grünflächen ungleich verteilt − Unterschiedliche Erreichbarkeit − Umweltbelastung divergieren zwischen Quartieren − Verdrängungsprozesse durch Grün-Aufwertung − Bürgerbeteiligung, Anforderungen ungleich Pflegeintensität und Qualität − Grünflächen werden nicht ausreichend gepflegt − Pflege und Qualität bedarf guter personeller und finanzieller Ausstattung − Verkehrssicherungspflichten gefährden Baumbestände − Potenziale vieler Brachflächen bleiben ungenutzt Gesundheit und Klimawandel − Luftschadstoffbelastung in Umweltzonen höher − Gesundheitsbeeinträchtigungen bei Grünmangel − Rückgang von Grünflächen erhöht Hitzestress − Jeder gefällte Baum fehlt beim Klimaschutz − Bewegungsparcours selten vernetzt − Funktionalisierung und Nutzung gefährdet Erholung Finanzierung, Organisation, Trägerschaft und Innovationspotenzial − Pflegekosten nicht tragbar für Nothaushaltskommunen − Bündelung der Grünkompetenzen erforderlich − Knappe Haushaltsmittel erfordern neue Finanzierungswege und Beteiligungsmöglichkeiten − Wert von Stadtgrün erfordert lnventarisierung im Kommunalhaushalt Bild 2: Konflikte und Handlungserfordernisse beim Stadtgrün. © BBSR, 2014 Großstädten. Die auch in den Innenstadtbereichen notwendige Nachverdichtung führt in Wachstumsregionen zu einem lokal deutlichen Rückgang von Brachen und Grünflächen und damit auch zu einer geringeren Vernetzung von Grünflächen [3]. Grüne Infrastruktur Grünflächen haben aufgrund ihrer vielfältigen Funktionen einen besonderen Stellenwert in Städten. Sie werden unter dem Begriff urbane grüne Infrastruktur zusammengefasst. Diese leistet wichtige Beiträge im Bereich Lebensqualität, Erholung, Imagesteigerung, ökologisch-klimatischem Ausgleich, Biodiversität und Gesundheit. Daneben ist sie stadtbildprägend und Teil der Baukultur. Grüne Infrastruktur leistet auch einen Beitrag zur Verbesserung der Resilienz der Städte, insbesondere gegenüber Umwelt-, Klima- und Gesundheitsrisiken. Eine zukunftsfähige grüne Infrastruktur ist gut vernetzt, damit sie dazu einlädt, auch längere Strecken zu Fuß oder mit dem Rad zurückzulegen. Dafür werden Grünverbindungen zwischen Parks, Kleingartenanlagen, Friedhöfen etc. benötigt. Leitvorstellung für die grüne Stadt der Zukunft ist eine grüne Infrastruktur, die die Gesamtheit und Vernetzung aller städtischen Grün- und Wasserflächen darstellt und als strategisch geplantes Netzwerk die Städte durchzieht. Die Grüne Stadt der Zukunft nutzt grüne Fassaden und Dächer, setzt auf Mehrfachnutzungen auf Freiflächen und bietet auch bei hoher Verdichtung ausreichend grüne und blaue Strukturen für die vielfältigen Funktions- und Nutzungsansprüche. Im Jahr 2013 hat die Europäische Union ihr Konzept der „Green Infrastructure“ veröffentlicht, das sich an ländliche und städtische Gebiete wendet. Im 62 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Räume und Flächen Das Weißbuch Das Weißbuch enthält zehn konkrete Handlungsfelder mit der Vorstellung von Maßnahmen, wie der Bund in den nächsten Jahren die urbane grüne Infrastruktur stärken wird. Dabei müssen verschiedene Konfliktfelder, Nutzungskonkurrenzen und Entwicklungsziele beachtet werden - wie zum Beispiel das Flächensparziel mit dem Vorrang der Innenentwicklung oder die Bereitstellung bezahlbaren Wohnraums. Ziel ist eine bessere rechtliche Integration der städtischen grünen Infrastrukturen, die Einführung gezielter Unterstützungsmaßnahmen, die Entwicklung von Leitlinien und Instrumenten, die Durchführung von Pilot- und Forschungsprojekten sowie die Verbesserung der Kommunikation zu diesem Thema. Das Weißbuch „Stadtgrün“ enthält folgende 10 Handlungsfelder: 1. Integrierte Planung für das Stadtgrün Um städtische Grünflächen zu bewahren und zu entwickeln, sind integrierte Planungsprozesse erforderlich. Deshalb sind die Maßnahmen darauf ausgerichtet, die Bedeutung des öffentlichen Grüns im Planungsrecht und in der kommunalen Praxis zu stärken. 2. Grünräume qualifizieren und multifunktional gestalten Um auf den zunehmenden Nutzungsdruck zu reagieren, sind Grünräume zu qualifizieren. Die urbane grüne Infrastruktur soll durch Städtebauförderung und andere Förderprogramme gestärkt werden. Zudem sollen gemeinsam mit den Kommunen Grünstandards für eine qualitätsvolle Grün- und Freiraumversorgung erarbeitet werden. 3. Mit Stadtgrün Klimaschutz stärken und Klimafolgen mindern Urbanes Grün übernimmt vielfältige Funktionen für eine klimagerechte Stadtentwicklung. Vitales Grün dient der Hitzevorsorge und dem Klimaschutz, eine wassersensible Stadtentwicklung der Hochwasser- und Überflutungsvorsorge. Instrumente des Bundes sind unter anderem der Aktionsplan Anpassung oder die Nationale Klimaschutzinitiative. 4. Stadtgrün sozial verträglich und gesundheitsförderlich entwickeln Öffentliche Grün- und Freiflächen sind für die tägliche Erholung, die soziale Begegnung und die Nachbarschaftsidentität von großer Bedeutung. Die Maßnahmen zielen darauf ab, urbanes Grün für mehr Umweltgerechtigkeit zu qualifizieren, einen möglichst barrierefreien Zugang, qualitätsvolle und sichere Grün- und Freiflächen im Wohnumfeld zu entwickeln und urbane Gärten in ihren wichtigen gemeinnützigen, sozialen und ökologischen Funktionen zu stärken. 5. Bauwerke begrünen Das Potenzial zur Begrünung grauer Infrastruktur ist groß. Durch die Maßnahmen sollen Bauwerke und Verkehrsbegleitflächen in Städten und Gemeinden stärker begrünt und dabei unter anderem Dachflächen als nutzbare Freiräume und Gemeinschaftsgärten entwickelt werden. Ein Leitfaden des Bundes soll Möglichkeiten der Bauwerksbegrünung aufzeigen. 6. Vielfältige Grünflächen fachgerecht planen, anlegen und unterhalten Der fachgerechte Umgang mit Pflanzen ist die Voraussetzung für qualitativ hochwertige urbane Grünflächen. Der Bund als Partner der Kommunen wird verschiedene Empfehlungen für die nachhaltige Bewirtschaftung von Grünflächen, die Förderung der Biodiversität, oder das Monitoring der Standorteigenschaften von Pflanzen entwickeln. 7. Akteure gewinnen, Gesellschaft einbinden Urbanes Grün ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Die Maßnahmen zielen darauf ab, durch Vernetzung, Aktivierung und Information von Akteuren, privatwirtschaftlichem und zivilgesellschaftlichem Engagement Raum zu geben. Argumentations- und Arbeitshilfen für das Stadtgrün sollen öffentliche und private Akteure dabei unterstützen. 8. Forschung stärken und vernetzen Die Anforderungen an das Stadtgrün werden vielschichtiger. Neue Herausforderungen verlangen transdisziplinäre Forschung und einen fachlichen Austausch. Mit fundierten Kenntnissen lassen sich konkrete Maßnahmen und behördenübergreifende Zusammenarbeit besser umsetzen. Deshalb sollen die Innovationsplattform Zukunftsstadt um ein Forschungscluster „Grün in der Stadt“ erweitert und in Bundesforschungsprogrammen Forschungs- und Modellvorhaben zum urbanen Grün durchgeführt werden. 9. Vorbildfunktion des Bundes ausbauen Der Bund wird auf seinen Liegenschaften mit gutem Vorbild vorangehen, um die Ziele der integrierten Stadt- und Grünentwicklung zu unterstützen. Dafür sollen die bundeseigenen Grünflächen qualifiziert und die biologische Vielfalt gestärkt werden. Zudem soll eine Pflegestrategie für Bundesliegenschaften 63 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Räume und Flächen entwickelt werden, die auch für öffentliche Flächen in den Kommunen anwendbar sein wird. 10. Öffentlichkeitsarbeit und Bildung Durch Öffentlichkeitsarbeit und Bildungsmaßnahmen soll mehr Bewusstsein für Stadtgrün geschaffen werden - sowohl für die vielfältigen Funktionen, als auch für die Wertschätzung des Grüns und derer, die sich für Grün engagieren, zum Beispiel durch einen neuen Bundeswettbewerb „Grün in der Stadtentwicklung“. Aufgabe der verschiedenen Bundeseinrichtungen wird es in den nächsten Jahren sein, die Maßnahmen sukzessive umzusetzen. Einige der Maßnahmen haben bereits begonnen - wie zum Beispiel das Städtebauförderprogramm „Zukunft Stadtgrün“ oder das Forschungsfeld „Green Urban Labs“. Das Forschungsfeld „Green Urban Labs“ Die Bedeutung grüner Freiräume für die Lebensqualität in unseren Städten ist unbestritten. Sie dienen als Orte der Erholung, der Begegnung und des Sports. Sie sind Teil der Identität von Stadt und Quartier und tragen zur ihrer Attraktivität bei. Gleichzeitig sind sie Lebensräume für Flora und Fauna und von enormer Bedeutung für die Anpassung an den Klimawandel als auch für die Biodiversität und deren Ökosystemleistungen. Erhaltung und Entwicklung urbanen Grüns gehören daher zu den zentralen Aufgaben und Voraussetzungen einer nachhaltigen Stadtentwicklung. Die Kommunen stehen in Bezug auf ihre grünen Freiräume vor neuen Herausforderungen. Veränderte Arbeits-, Freizeit- und Wohnformen führen zu neuen Nutzungsansprüchen an grüne Freiräume. Zudem sind Grün- und Freiflächen in verdichteten städtischen Lagen einer sich verschärfenden Konkurrenzsituation ausgesetzt. Im Forschungsfeld „Green Urban Labs“ sollen in zwölf Modellvorhaben innovative Ansätze der Frei- und Grünraumentwicklung entwickelt und erprobt werden, die die Wohnbedingungen und die Lebensqualität in wachsenden Stadträumen verbessern. Ziel ist hierbei nicht, mehr Grünflächen zu schaffen. Vielmehr geht es darum, diese aufzuwerten, für die breite Bevölkerung zugänglich zu machen und ein attraktives Angebot anzubieten, das zu Begegnung, Bewegung und Sport einlädt. Durch das Forschungsfeld soll der Stellenwert von urbaner grüner Infrastruktur bei politischen Abwägungsprozessen gestärkt werden. Die Modellvorhaben decken eine Bandbreite virulenter Themen der grünen Stadtentwicklung ab, unter anderem Kleingartenanlagen im Kontext wachsender Flächenkonkurrenzen, grüne Klimaoasen in Innenstädten, Vernetzung von Stadtgrün, Bauwerksbegrünung, alternative Pflegekonzepte und neue Parktypen. Neben dem Leitbegriff der urbanen grünen Infrastruktur spielen die Begriffe „Multicodierung“ und „Umweltgerechtigkeit“ eine zentrale Rolle. Multicodierung Grün- und Freiräume müssen nicht nur in ausreichender Zahl und Qualität gesichert werden, sondern auch Mehrfachnutzungen von Grünräumen müssen etabliert werden, um den verschiedenen Ansprüchen von Grünräumen gerecht zu werden. Neben der generellen Bedeutung von Grünflächen zur Begrenzung von Klimarisiken haben Ansätze einer Mehrfachnutzung und Multicodierung von Grünflächen für die Resilienz von Städten eine große Bedeutung. Diese umfasst eine Überlagerung der Interessen und Funktionen von Grünflächen bzw. die Bereitstellung verschiedener Ökosystemleistungen. Grünräume dienen damit beispielsweise der Wasserbewirtschaftung (Überflutungsgebiete) und sind gleichzeitig temporäre Sport- oder Erholungsflächen. Dadurch können auch Aspekte der Baukultur gestärkt werden, wenn zum Beispiel Regenrückhaltebecken keine reinen Betonbecken mehr sind, sondern gestaltete Lebensräume. In diesem Zusammenhang werden auch Ansätze der wassersensiblen Stadtaplanung berücksichtigt. Mehrfachnutzungen spielen nicht nur in wachsenden Regionen eine immer größer werdende Rolle. Auch in wirtschaftsschwachen Regionen mit Schrumpfungsprozessen können diese interessante Ansätze sein, um bei knappen Kassen verschiedene Nutzungen zu überlagern. Nutzungskonkurrenzen wie Erholung, Freizeit, Stadtgestaltung und Naturschutz können so sinnvoll miteinander verknüpft werden. Denn multifunktionale Ansätze führen Bild 3: Sportplatz Am Hausacker in Bochum. © Stadt Bochum, Presse- und Informationsamt 64 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Räume und Flächen immer auch zu einer Flächen- und Kosteneinsparung und garantieren die bestmögliche Ausnutzung von Flächen. Urbane grüne Infrastruktur steht für einen Ansatz, der an lokale Bedürfnisse und Handlungsanlässe angepasst werden kann und Anliegen aus verschiedenen kommunalen Aufgabenfeldern zusammenführt. Dem liegt die Erfahrung zugrunde, dass die verschiedenen Akteure der Stadtentwicklung gemeinsam mehr erreichen als in sektoralen Vorhaben [4]. Bei der Umsetzung von Mehrfachnutzungen besteht die Herausforderung für Verwaltungen, eine kooperative Planungskultur aufzubauen und die Fachplanungen mit einzubeziehen. Denn es treffen ressortabhängige Zuständigkeiten und verschiedene rechtliche Grundlagen aufeinander, die es gilt zusammenzubringen und aufeinander abzustimmen. Umweltgerechtigkeit Eine lebenswerte Stadt muss nicht nur quantitative und qualitative Vorsorge für Grünräume treffen, sondern auch für eine Nutzbarkeit und Aneignung durch alle sozialen Gruppen sorgen [5]. In den letzten Jahren hat sich immer mehr der Begriff der Umweltgerechtigkeit durchgesetzt. Ziel ist eine sozial gerechte Verteilung der vorhandenen Umweltbelastungen. Der Begriff der Umweltgerchtigkeit bezieht sich auf die „Vermeidung und Verminderung der räumlichen Konzentration von gesundheitsrelevanten Umweltbelastungen sowie auf die Gewährleistung eines sozialräumlich gerechten Zugangs zu Umweltressourcen“ [6]. Was die Versorgung mit Grünflächen betrifft, bestehen große Diskrepanzen. Vor allem Innenstadtbereiche und Quartiere mit Block- und Blockrandbebauung weisen Gründefizite auf. Besonders gravierend ist die Lage in sozial benachteiligten Quartieren: Der Anteil der Grünflächen ist nach Berechnungen des BBSR dort mit durchschnittlich 38 Quadratmetern pro Einwohner deutlich niedriger als der allgemeine Durchschnitt mit 50 Quadratmetern pro Einwohner [7]. Wenn in bereits benachteiligten Gebieten Grünflächen fehlen, kann es zu weiteren Problemen wie einer gesteigerten Kriminalitätsrate führen und in diesem Zusammenhang nimmt das Sicherheitsempfinden der Bewohner stetig ab. Mit Grün unterversorgte Gebiete müssen darum identifiziert und genau erfasst werden. Projektbeispiele: Stadt Bochum: „Vom Hausacker zum Urban Green“ Die Stadt Bochum verfolgt mit ihrem Green Urban Lab „Vom Hausacker zum Urban Green“ unter Federführung des Sport- und Bäderamts die Idee, eine ursprüngliche Sportfläche in ein „grünes Quartierszentrum“ weiter zu entwickeln. Die aufgegebene Sportplatzanlage „Am Hausacker“ enthält mit 20 000 m 2 Fläche Entwicklungspotenzial für Natur, Sport, Freizeit und Begegnung. Dem Anspruch der Umweltgerechtigkeit wird Rechnung getragen, indem die Maßnahme in einem perspektivisch sozial benachteiligten Wohngebiet installiert wird, um dort gezielt naturnahe Grünräume zu schaffen. Unter Beteiligung verschiedener Akteure soll eine multifunktionale und multisoziale Sport- und Freizeitfläche als Quartierstreffpunkt für das benachbarte Quartier „Riemke“ entstehen. Niederschwellige Bewegungs- und Mitmachangebote wie eine Boule-Anlage, Spielplätze, ein kleines Begegnungscafé sowie eine Fahrradwerkstatt sollen in den Stadtteil hineinwirken. Ein neuer „Bürgerpavillon“ soll gleichzeitig als multifunktionale Freilufthalle und überdachtes Kleinspielfeld fungieren. Ziel ist es, Vielfalt auf kleinem Raum zu erzeugen, um Räume für Kommunikation, Aktivitäten im Freien und Naturerfahrung sowie für einen offenen Austausch von Erfahrungen und Kompetenzen zu schaffen. Der Betrieb, die Unterhaltung und Pflege der Anlage soll in Form eines innovativen Betreibermodells durch einen freien Träger der Kinder- und Jugendarbeit gewährleistet werden. Stadt Halle (Saale): „Stadtgrüninseln“ Die Stadt Halle strebt in Kooperation mit Eigentümern und zivilgesellschaftlichen Akteuren eine Stärkung der Aufenthalts- und Erholungsqualität des Quartiers „Freiimfelde“ an. Es sollen drei unterschiedliche Formen urbanen Grüns entstehen: Ein „Bürgerpark“ aus einer gemeinschaftlich gestalteten Brachfläche, eine „Wildnis“-Fläche aus einer natur- Bild 4: Stadtgrüninseln in Halle. © Urbanizers 65 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Räume und Flächen schutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahme und „Urban LandArt“ als ein Zusammenschluss von Land- Art und Street-Art. Der Bürgerpark, eine Brache auf der Landsberger Straße ist schon seit vielen Jahren als Grün- und Spielbereich im Fokus der Bewohner. Langwierige und erfolglose Verhandlungen mit spekulierenden Eigentümern konnten 2016 durch den Erwerb der Fläche durch die Montag-Stiftung „Urbane Räume“ beendet werden. Nun steht die Brache den Bewohnern für eine gemeinschaftliche Entwicklung zum Bürgerpark zur Verfügung. Geplant ist ein biodynamischer essbarer „Wald“, dessen Dynamik eine Ausnutzung symbiotischer Beziehungen der Pflanzen untereinander erreicht. Gleichzeitig soll ein Erlebnisraum entwickelt werden. Unter Verwendung natürlicher Materialien entstehen kleinstrukturierte Räume bzw. ökologische Nischen als eine generationsübergreifende Stadtlandschaft mit Freizeit- und Erholungscharakter. Öffentlich zugängliche Gemeinschaftsgärten dienen dem Quartier als wichtige Orte für das Zusammenkommen der Bewohner aller Altersgruppen und Nationalitäten. In Zusammenarbeit mit Bildungs- und Sozialeinrichtungen vor Ort können Lehrgärten und Versuchsbeete wie zum Beispiel ein „Grünes Klassenzimmer“ angelegt werden. Die Stadtgärten lassen die ungenutzten Flächen wieder aufblühen und erhöhen die Biodiversität. Sie haben einen positiven Einfluss auf das Stadtklima und auf die Gesundheit der Anwohner. Ausblick Eine funktionierende Stadtgesellschaft braucht mehr denn je Grünflächen: als physische und psychische Kompensation der gebauten Infrastruktur. In Regionen mit Bevölkerungswachstum und wirtschaftlicher Dynamik stehen Freiräume damit unter Entwicklungsdruck, denn rentierliche Nutzungen erhalten häufig den Vorzug. Beim Ausgleich verschiedener Anliegen in der Stadtentwicklung haben Grünflächen jedoch nach wie vor eine relativ schwache Position. Die kommunale Herausforderung besteht nun darin, in kompakten Gebieten ein hohes Maß baulicher Dichte und eine angemessene Durchgrünung in Einklang zu bringen. Dieser anspruchsvolle Prozess wird als doppelte Innenentwicklung deklariert. Es geht hierbei nicht um „mehr“ Grünflächen, sondern um eine qualitative Aufwertung des bestehenden Stadtgrüns. Vorhandene Flächen und Bauten sollen sinnvoll genutzt werden. Das ExWoSt-Forschungsfeld versucht, hierzu neue und smarte Lösungen zu finden. Die Green Urban Labs nehmen neue Nutzungen und Funktionen des Stadtgrüns sowie die Bedürfnisse der Stadtbewohner in den Blick. Thematisch sind sie breit angelegt. Was die Modellvorhaben eint, ist ihr experimenteller Ansatz. In den „grünen Stadtlaboren“ ist es ausdrücklich erwünscht, innovative Ansätze auszutesten. Die Ergebnisse werden Ende 2020 vorliegen. Mehr Informationen zum Forschungsfeld unter: www.bbsr.bund.de/ green-urban-labs LITERATUR [1] Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) (Hrsg.): Divergenzen und Konvergenzen in Großstadtregionen - kleinräumige Analysen. Bonn. BBSR-Analysen KOMPAKT 07 (2015), S. 11. [2] Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) (Hrsg.): (): Die Raumordnungsprognose 2035 nach dem Zensus. Bonn. BBSR-Analysen KOMPAKT 05 (2015), S. 11. [3] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) (Hrsg.): Grün in der Stadt - Für eine lebenswerte Zukunft. Grünbuch Stadtgrün, Berlin, 2015, S. 69. [4] Bundesamt für Naturschutz (BfN) (Hrsg.): Urbane grüne Infrastruktur - Grundlage für attraktive und zukunftsfähige Städte, Hinweise für die kommunale Praxis, Berlin, 2017, S.5. [5] Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) (Hrsg.): Handlungsziele für Stadtgrün und deren empirische Evidenz. Indikatoren, Kenn- und Orientierungswerte., Bonn. 2017, S. 20. [6] C. Böhme, T. Preuß, A. Bunzel, B. Reimann, A. Seidel- Schulze, D. Landua: Umweltgerechtigkeit im städtischen Raum. Strategien und Maßnahmen zur Minderung sozial ungleich verteilter Umweltbelastungen, Berlin 2014, S. 5. [7] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) (Hrsg.): Grün in der Stadt - Für eine lebenswerte Zukunft. Grünbuch Stadtgrün, Berlin, 2015, S. 70. AUTORIN Dipl.-Ing. Stephanie Haury Architektin und Stadtplanerin Projektleiterin im Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) zu Bürgerengagement, Interventionen im öffentlichen Raum und neuen Impulsen für Grün- und Freiräume. Kontakt: stephanie.haury@bbr.bund.de 66 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Räume und Flächen Urbane Hitzeinseln Manche Zeitgenossen, vor allem wenn sie in gemäßigten Klimazonen leben, bekommen leuchtende Augen, wenn sie an Sommertage mit Temperaturen denken, die perfekt sind für eine Runde entspanntes Schwimmen oder für ein kühles Glas Bier im Biergarten. Doch die natürlichen Oberflächen werden mit zunehmender Urbanisierung mehr und mehr durch künstliche Strukturen ersetzt. Diese sorgen in Städten für deutlich höhere Temperaturen - ein Effekt, für den sich der Begriff „Urbane Hitzeinseln“ prägte. Beispielsweise können größere Städte wie München (1,5 Mio. Einwohner) verglichen mit der ländlichen Umgebung bis zu 6 °C wärmer sein [1]. Für die menschliche Gesundheit ist dies ein echtes Problem, das bei Landschaftsarchitekten und Stadtplanern wachsende Aufmerksamkeit hervorruft, denn besonders im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Klimawandel werden immer mehr und immer intensivere Hitzewellen erwartet. Insgesamt gesehen, dürfte die Begrünung von Städten die praktikabelste Möglichkeit sein, um urbane Hitzeinseln und die negativen Folgen von Hitzewellen zu entschärfen, denn Bäume können zur natürlichen Luftkühlung beitragen. Stadtbäume zur Klimatisierung Städtische Bäume können den Menschen an heißen Tagen Kühlung verschaffen, Gebäude abschatten und die Intensität der Hitze reduzieren. Untersuchungen haben gezeigt, dass der Schatten von Bäumen den Index thermischer Behaglichkeit für Menschen verringern kann - gemessen an der Physiologisch Äquivalenten Temperatur (PET) von 7 bis 15 °C und den Kosten für Gebäudeklimatisierung von 20 bis 50 % [2]. Das Blätterdach von Bäumen kann die Menge kurzwelliger Strahlung, die bis zur Geländeoberfläche vordringt, um bis zu 90 % reduzieren, indem Strahlen reflektiert (Reflexionsvemögen grüner Blätter > Gebäudeoberflächen) oder abgefangen werden. Zudem nutzen Bäume einen hohen Prozentsatz der abgefangenen Strahlung, um das Wasser, das aus ihren Blattöffnungen kommt, zu verdunsten. Dieser Evapotranspiration genannte Prozess kühlt die Blätter und die umgebende Grenzschicht. Studien haben gezeigt, dass schon ein einzelner Baum das Mikroklima verbessern kann. Ganze Parkanlagen haben dementsprechend einen stärkeren Effekt für die bebaute Umgebung, indem sie die Luft um bis zu 1 °C abkühlen [3]. Das räumliche Ausmaß dieses Kühlungseffekts ist jedoch meist auf einen ziemlich engen Bereich begrenzt. Neben der Größe eines Parks (je größer der Park, desto stärker der Bäume - Luftkühlung ohne Lärm Urbanes Grün, Stadtbäume, Stadtklima, Stadtökologie, Arboristik, Klimawandel Mohammad Rahman Moderne Städte sind gleich zweifach betroffen - vom Klimawandel und vom Effekt der urbanen Hitzeinseln. Allgemein wird davon ausgegangen, dass Stadtgrün urbane Hitzeinseln abmildern und somit unsere Städte an klimatische Veränderungen anpassen kann. In der Praxis ist es jedoch oftmals schwierig, die Kühlpotenziale städtischer Bäume richtig einzuordnen, obwohl der kausale Zusammenhang zwischen Stadtklima und urbanem Grün bereits zu Zeiten der hängenden Gärten von Babylon (500 v. Chr.) gesehen wurde. In diesem Artikel soll die experimentelle Annäherung an das Thema beschrieben werden, um einige wichtige Faktoren aufzuzeigen, die bei der Pflanzung von Bäumen in zunehmend wärmeren Städten berücksichtigt werden müssen. Bild 1: Grüne Fassaden in Tokio: Urbanes Grün hat oberste Priorität in der modernen Stadtentwicklung. © Rahman 67 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Räume und Flächen Effekt) sind die Topographie und die umgebende Gebäudestruktur maßgeblich. Deshalb sind Grünflächen innerhalb von Wohnanlagen und auf gewerblichen Flächen so wichtig, um ein komfortables lokales Klima zu erzeugen und übermäßige Hitzebelastungen zu vermeiden. Dabei stellen sich wichtige Fragen, etwa nach der Menge der benötigten Bäume, nach wirksamen Bepflanzungsplänen, nach der Auswahl der Pflanzenarten, usw. Wegen der Verschiedenartigkeit städtischer Gebiete können klimatische Verbesserungen nicht lokal für ein einzelnes Grundstück aus dem Gesamtergebnis abgeleitet werden, denn die Bewertung von Effekten eines gesamten Stadtwaldes, beispielsweise mit der Gesamtzahl der städtischen Bäume, lässt sich nicht einfach auf einzelne kleine Flächen herunterrechnen. Deshalb sind genaue Untersuchungen mit verschiedenen Pflanzenarten sowie Messungen der Einflüsse des Kleinklimas unabdingbar, um die positiven Kühleffekte des Stadtgrüns zu verstehen. Messungen in der Münchner Innenstadt Mit diesem Ansatz wurden während der vergangenen Jahre fortlaufende Messungen der Luft, der Oberfächentemperaturen und der Verdunstung innerhalb und außerhalb von Baumkronen ökologisch diverser Baumarten in verschiedenen Münchner Straßenzügen unter Berücksichtigung biometrischer und edaphischer Variablen unternommen [4, 5, 6]. Erste Erkenntnis war, dass sämtliche Baumkronen die Oberflächentemperatur signifikant reduzieren können, das Ausmaß ist jedoch abhängig von der jeweiligen Baumart und der jeweiligen Oberfläche des Standorts. Wegen ihrer niedrigen spezifischen Wärmekapazität wandeln etwa schwarze Asphaltoberflächen absorbierte Sonnenstrahlung relativ schnell in Wärme um, die sie dann wiederum an ihre Umgebung abgeben und diese so aufheizen. Beim Vergleich der dichteren Baumkronen (> 30 %) von Tilia cordata (schmalblättrige Linde) mit Robinia pseudoacacia (Robinie, Scheinakazie) ließ sich bei den Linden (25 °C) ein doppelt so hohes Potenzial bei der Reduktion der Oberflächentemperatur gegenüber den Robinien (12 °C) feststellen. Dennoch waren verschattete Grasoberflächen lediglich etwa 8 bis 9 °C kühler als besonnte, da Evapotranspiration auch bei Rasenflächen selbst stattfindet, wobei die Differenzen zwischen den Pflanzenarten nicht signifikant sind [4]. Daher wird klar, dass Evapotranspiration einen beträchtlichen Einfluss auf die Temperaturregulation in Oberflächenähe hat - dies ist wiederum abhängig von der Bodenfeuchtigkeit und dem Wasserverbrauch der jeweiligen Pflanzen. Gras besitzt eine dünne Wurzelschicht und geringen stomatären Widerstand, die Messung von Wasserverlusten ist weniger kompliziert als bei Bäumen mit mehrschichtigen Kronen und wesentlich umfangreicheren Wurzelsystemen. Untersucht wurden verschieden alte und große Linden in zwei unterschiedlichen Straßenzügen mit Blockbebauung im dicht besiedelten Zentrum Münchens: Am Bordeaux-Platz (Bild 3), einem offenen begrünten Platz (OGS) und am Pariser Platz (Bild 4), einem runden gepflasterten Platz (CPS). Auf dem OGS lagen Windgeschwindigkeit und Bodenfeuchtigkeit im Vergleich zum CPS deutlich höher, dagegen waren relative Luftfeuchte, Bodentemperatur und ebenfalls der Windtunnel-Effekt niedriger. Sämtliche Variablen hatten starken Einfluss auf die Verdunstungsfähigkeit der Bäume mit Konsequenzen Bild 2: Menschen in Melbourne suchen Schatten neben den heißen versiegelten Flächen der Stadt. © Rahman Bild 3: Experimentierfläche mit kleinblättrigen Linden auf dem Bordeaux-Platz in München. © Rahman 68 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Räume und Flächen auf die Kühlwirkung. Bäume auf dem OGS wiesen über den Tag höhere Spitzenwerte mit einer Kühlleistung von 2,3 kW pro Baum auf als auf dem CPS, mit einer Leistung von 1,9 kW pro Baum [5]. Angesichts der Leistung von Klimageräten - zwischen einem und zehn Kilowatt (kW) - ist die Leistung der Bäume beeindruckend, wobei der Unterschied der Kühlleistung je nach Platzbeschaffenheit ungefähr 20 bis 25 % betragen kann. Was bedeuten diese absoluten Werte demnach in Bezug auf die Reduzierung der Lufttemperatur? In den Untersuchungen stellte sich heraus, dass es im Zentrum einer Lindenkrone (mit einem Radius von 4,5 m) um bis zu 3,5 °C kühler ist als im äußeren Bereich, was an der höheren Einstrahlung außen liegt [6]. Eine Klassifizierung der Tage entsprechend der Tageshöchsttemperaturen (DT) zeigte eine um 1,8 °C niedrigere durchschnittliche Lufttemperatur in der Lindenkrone als an einem Referenzpunkt während kühlerer Sommertage (DT < 20 °C), mit einem graduellen Rückgang auf 1,3 °C während heißer Sommertage. Robinien verdunsten im Vergleich zu Linden nur eine Drittel des Wassers, der Temperaturrückgang reicht dabei von 1,5 °C bis zu 0,5 °C. Interessanterweise war die Lufttemperatur auf Fußgängerniveau (1,5 m über dem Boden) über einer Grasfläche unter den Robinien deutlich niedriger als unter den Linden [4]. Anders als die Robinien verbrauchten die Linden das Wasser aus dem Boden schneller durch eine höhere Wasseraufnahme und verringerten gleichzeitig die Verdunstung durch die Grasflächen. Das bedeutet, dass die vorrangige Reduzierung der Lufttemperatur auf Fußgängerniveau während heißer Sommertage nicht hauptsächlich durch die Verdunstung in den Baumkronen geschieht. Vielmehr ist es die starke Verschattung (durch sehr dichte Baumkronen) in Verbindung mit dem Grad der Bodenfeuchtigkeit an der Bodenoberfläche unter den Bäumen. Natürlich ist dichte Verschattung der wichtigste Faktor, um während Hitzeperioden auf versiegelten Flächen tagsüber ein angenehmes Mikroklima zu schaffen. Doch in Bereichen, in denen Bodenfeuchte kein Problem ist und Bäume auf durchlässigem Grund, etwa auf Grasflächen, gepflanzt werden, können Bäume mit weniger dichten Baumkronen und mit einem geringeren Wasserbedarf die bessere Wahl sein, um Stadtbewohnern an heißen Sommertagen einen Schutzraum zu bieten. Fazit Mit den Untersuchungen konnten erste interessante Einblicke gewährt werden, welche Leistungsfähigkeit Bäume und andere Vegetationsformen haben, um ein angenehmes Mikroklima zu erzeugen. Unter anderem wurde aufgezeigt, wie wichtig eine Gesamtbewertung (Grünfläche versus Versiegelung) und die Auswahl der Pflanzenarten ist. Während Ergebnisse wie die Bedeutung von Verschattung auf der Hand liegen, ist überraschend, wie wichtig bewässerte Grasflächen unter den Bäumen sind. So zeigt die weiterführende Forschungsarbeit, dass einheimische schmalblättrige Linden mehr Wasser brauchen, um gut gedeihen zu können, als Robinien, die deutlich hitzeresistener sind. Sollten sich die Bedingungen durch den Klimawandel verschärfen, ist es notwendig neue Pflanzenarten zu finden. Beispielsweise hat sich gezeigt, dass die Silberlinde aus Südosteuropa mit Trockenheit besser zurechtkommt als die schmalblättrige Linde. Deshalb ist die Forschung zur Leistungsfähigeit verschiedener Baumarten eine der wichtigen künftigen Forschungsgebiete. In laufenden Untersuchungen Bild 4: Der kreisförmige Pariser Platz in München mit kleinblättrigen Linden. © Rahman Bild 5: Messungen an Robinien in der Lehrer- Wirth-Straße in München. © Rahman 69 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Räume und Flächen wird nach passenden Pflanzschemata gesucht, die sich dazu eignen, für die Abkühlung von Straßenschluchten und versiegelten Plätzen sorgen. Das Forschungsprojekt ist dauf angelegt, klare wissenschaftlich unterlegte Richtlinien für Landschaftsarchitekten und Grünraumplaner zu entwickeln. LITERATUR [1] Pongracz, R., Bartholy, J., Dezsoe, Z.: Application of remotely sensed thermal information to urban climatology of Central European cities. Physics and Chemistry of the Earth 35 (2010), p. 95-99. [2] Rahman, M.A., Ennos, R.: What we know and don‘ t know about the cooling benefits of urban trees, 2016. [3] Bowler, D.E., Buyung-Ali, L., Knight, T.M., Pullin, A.S.: Urban greening to cool towns and cities: A systematic review of the empirical evidence. Landsc. Urban Plan. 97 (2010), p. 147-155. [4] Rahman, M.A., Moser, A., Gold, A., Rötzer, T., Pauleit, S.: Vertical air temperature gradients under the shade of two contrasting urban tree species during different types of summer days. Sci. Total Environ. 633, (2018) p. 100-111. WISSEN WAS MORGEN BEWEGT Schiene, Straße, Luft und Wasser, globale Verbindungen und urbane Mobilität: Viermal im Jahr bringt Internationales Verkehrswesen fundierte Experten-Beiträge zu Hintergründen, Entwicklungen und Perspektiven der gesamten Verkehrsbranche - verkehrsträgerübergreifend und zukunftsorientiert. Ergänzt werden die deutschen Ausgaben durch die englischsprachige Themen-Ausgabe International Transportation. Mehr dazu im Web unter www.internationales-verkehrswesen.de Internationales Verkehrswesen gehört seit 1949 zu den führenden europäischen Verkehrsfachzeitschriften. Der wissenschaftliche Herausgeberkreis und ein Beirat aus Professoren, Vorständen, Geschäftsführern und Managern der ganzen Verkehrsbranche verankern das Magazin gleichermaßen in Wissenschaft und Praxis. Das technisch-wissenschaftliche Fachmagazin ist zudem Wissens-Partner des VDI Verein Deutscher Ingenieure e.V. - Fachbereich Verkehr und Umfeld. INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN - DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN »Internationales Verkehrswesen« und »International Transportation« erscheinen bei der Trialog Publishers Verlagsgesellschaft, Baiersbronn-Buhlbach, www.trialog-publishers.de [5] Rahman, M.A., Moser, A., Rötzer, T., Pauleit, S.: Microclimatic differences and their influence on transpirational cooling of Tilia cordata in two contrasting street canyons in Munich, Germany. Agric. For. Meteorol. 232, (2017) p. 443-456. [6] Rahman, M.A., Moser, A., Rötzer, T., Pauleit, S.: Within canopy temperature differences and cooling ability of Tilia cordata trees grown in urban conditions. Building and Environment 114 (2017) p. 118-128. AUTOR Dr. Mohammad A. Rahman Wissenschaftlicher Mitarbeiter Technische Universität München Lehrstuhl für Strategie und Management der Landschaftsentwicklung Kontakt: ma.rahman@tum.de 70 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Räume und Flächen Gesellschaftliche und klimatische Veränderungen weltweit haben Städte und ihre Freiräume in den letzten Jahren vor enorme Herausforderungen gestellt. Die anhaltende Urbanisierung [1] bringt viele Städte nicht nur an ihre räumlichen Grenzen, sondern auch an die Grenzen ihrer gesellschaftlichen Belastbarkeit. Stadträume werden im Zuge strategischer Innenentwicklung massiv baulich nachverdichtet, um dem Bevölkerungszuwachs als Folge der „Renaissance der Stadt“ [2] begegnen zu können. Mit diesen Entwicklungen geht auch ein Anstieg von versiegelten Flächen einher, der in Verbindung mit den immer stärker spürbar werdenden Folgen des globalen Klimawandels zur Verschlechterung des lokalen Klimas (Hitzeinseln) und einer verminderten Luftqualität führt. Zusätzlich mindern die Folgen der baulichen Nachverdichtung - mit dem einhergehenden Verlust an Rückzugsmöglichkeiten ins Grüne - die Lebensqualität in vielen Städten erheblich [3]. Bei der Stadtbevölkerung lösen all diese Entwicklungen teils eine große Sehnsucht nach Natur und Freiräumen in der Stadt aus [4]. Denn Freiräume sind mehr denn je Sehnsuchtsorte und „grüne Oasen“ für die Stadtbevölkerung und somit von unschätzbarem Wert. Sie bieten in ihrer räumlichen Offenheit die Voraussetzung, das Zusammenleben immer wieder neu auszuhandeln und schaffen einen Rahmen für öffentlich sichtbare Stadtkultur [5]. Gerade in Zeiten gestiegener Integrationserfordernisse ist dies unerlässlich, da eine multikulturelle Stadtgesellschaft ganz besonders auf Begegnung und Austausch angewiesen ist. Den Freiräumen einer Stadt kommt also in mehrfacher Hinsicht eine Schlüsselrolle zu, da sie die räumliche Grundlage für viele zukünftige Herausforderungen darstellen. In Anbetracht all dieser - teils widersprüchlichen - Anforderungen werden sie zu einem begehrten und dadurch oft auch bedrohten Gut. Vielerorts steigt bereits der Druck auf Freiräume immens an und es stellt sich die Frage, ob ein „klassischer“ Freiraum - mit seiner begrenzten Fläche - all diesen Ansprüchen noch gerecht werden kann. Vertikalität Dass die Nutzfläche von Freiräumen gewöhnlich durch ihre Grundfläche definiert ist, liegt daran, dass wir sie bislang fast ausschließlich horizontal denken. Wenn wir jedoch den Blick nach oben - in die Vertikale - wenden, eröffnet sich nicht nur eine neue Perspektive, sondern es wird auch eine Vielzahl neuer Potenziale erkennbar. Dass dieser Blick durchaus ungewöhnlich ist, wird deutlich, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass sich der Mensch Neue Perspektiven durch Vertikale Freiräume Vertikale Freiräume, dreidimensionale Parks, Freiraum Typologien, Baubotanik, Dichte, Klimawandelanpassung Isabel Zintl, Ferdinand Ludwig Städtische Freiräume stehen unter Druck: Die zunehmende bauliche Verdichtung, der Klimawandel und sich verändernde gesellschaftliche Bedürfnisse legen es nahe, über die Zukunft von Freiräumen grundsätzlich nachzudenken. Hierbei gerät die dritte Dimension verstärkt in den Blick - denn wenn bislang zumeist horizontal konzipierte Freiräume in die Vertikale erweitert werden, eröffnen sich neue Perspektiven und räumliche Potenziale. Bild 1: Vertikaler Freiraum, aus geschichteten Freiflächen. © Simon Wahlers 71 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Räume und Flächen seit je her auf horizontaler Ebene bewegt und orientiert. „Aus diesem Grund hat sich die Kraft seiner Optik vorwiegend in die Breite orientiert, denn die Gefahrenzone lag hauptsächlich seitlich“ [6]. Diese urzeitliche Prägung der menschlichen Optik verlangt nach einem bewussten Blick nach „oben“. Doch gerade im Hinblick auf die bereits beschriebenen, sich immer weiter beschleunigenden Urbanisierungsprozesse und die damit einhergehende bauliche Verdichtung scheint es durchaus lohnend, den Blick zu wenden und auch über die Verdichtung von Freiräumen und somit auch über die verstärkte Nutzung der vertikalen Dimension nachzudenken. Freiraum neu denken Folglich gilt es, neue Freiraumtypologien und -arten zu entwickeln. Diese sollten nicht nur Antworten auf die skizzierten aktuellen Herausforderungen bieten, sondern auch die Ansprüche einer immer diverser werdenden Stadtgesellschaft befriedigen. In den letzten Jahren hat sich die Wahrnehmung von und Erwartungshaltung gegenüber Freiräumen teils stark gewandelt. Heute stehen nicht mehr unbedingt die bekannten Aspekte wie Kontemplation, Entspannung und Sicherheit im Vordergrund, sondern auch der Reiz, die Aufforderung und die maßvolle Verunsicherung spielen eine wichtige Rolle [5]. In letzter Konsequenz erfordert dies eine Neudefinition des Begriffs Freiraum, der bislang allgemein als „fließend existierendes Kontinuum unter freiem Himmel, das sich von seinem Umfeld durch geringe bauliche Überformung abhebt“ [7] beschrieben wird. Damit schließt man aber automatisch vertikale, architekturnahe Freiräume wie beispielsweise Balkone aus, die jedoch eine wichtige Rolle bei der Versorgung mit privatem Freiraum spielen. In der Realität ist der Freiraum einer Stadt bereits heute etwas viel Umfassenderes, Vielschichtigeres und Dreidimensionales. „So scheint es angemessener, Freiraum eher mit dem architektonischen Begriff „Außenraum“ zu definieren: Ein Raum also, der nur bedingt vor Witterungseinflüssen geschützt ist“ [8]. Vertikale Freiräume Wir sprechen dann von einem Vertikalen Freiraum, wenn Freiflächen geschichtet werden und dadurch ein begehbarer dreidimensionaler Außenraum entsteht [9] (Bild 1). In der Architekturgeschichte finden sich einige wichtige bauliche Zeugnisse und Visionen, die diesen Gedanken verkörpern, wie beispielsweise die mythischen hängenden Gärten der Semiramis in Babylon [10], oder aktuell die grünen Architekturen von Ken Yeang [11]. Eine derartige Stapelung findet sich auch im Projekt 1111 Lincoln Bild 2: Projekt 1111 Lincoln Road in Miami, Herzog & de Meuron. © Hufton + Crow Bild 3: Yoga im Parkhaus in Miami. © Erika Thomas Bild 4: MFO-Park auf dem Gelände der ehemaligen Maschinenfabrik Oerlikon im Stadtteil Neu-Oerlikon in Zürich. © Michael Freisager 72 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Räume und Flächen Road in Miami von Herzog & de Meuron (Bild 2). Mit dem Parkhaus schufen die Architekten einen Vertikalen Freiraum, der durch die Komprimierung von Fläche neben Stellplätzen auch Raum für gemeinsames Yoga, Sport und Outdoor-Parties bietet (Bild 3). Von diesem Ansatz deutlich zu unterscheiden sind in die Vertikale gekippte, gewöhnlich horizontal ausgerichtete Objekte wie beispielsweise die Vertikalen Gärten von Patrick Blanc [12]. Hier können wir nicht von Vertikalen Freiräumen sprechen, da derartige Objekte nicht zugänglich und daher nicht in der dritten Dimension erlebbar sind. Dem stehen Ansätze gegenüber, die die Erlebbarkeit der Vertikalen bewusst zum Thema machen und diese inszenieren: Aussichtstürme, Baumwipfelpfade, temporäre Kunstinstallationen aus Gerüsten wie die „Schaustelle“ von Jürgen Mayer H. 2013 vor der Pinakothek der Moderne in München. Auch das wohl bekannteste Beispiel für einen Vertikalen Freiraum, der „MFO Park“ als dreidimensionaler Park von den Landschaftsarchitekten raderschallpartner ag und den Architekten Burckhardt+Partner AG in Zürich-Oerlikon, steht für diese bewusst entworfene Erlebbarkeit der Vertikalen. (Bild 4) Der Platanenkubus Ähnlich wie der „MFO Park“ weckt der Platanenkubus in Nagold den Entdeckergeist des Betrachters und die Hoffnung auf einen ungewöhnlichen Ausblick auf die Umgebung (Bild 5). Das baubotanische Bauwerk von ludwig.schönle erreicht dies, indem es das Betreten einer Baumkrone ermöglicht. Wer wollte nicht einmal oben in einer Baumkrone sein? Das Rauschen der Blätter und die tanzenden Schatten stehen im Kontrast zu der geometrischen Gestaltung der unterschiedlichen Ebenen und Treppen (Bild 6). Die hybride Bauweise aus Bäumen und Stahl macht dies möglich. Das experimentelle Bauwerk ist als „Vertikaler Quartiersplatz“ konzipiert und macht das Wachstum der Vegetation und den Wechsel der Jahreszeiten auf ganz besondere Weise erlebbar. Es dient der Erprobung und Weiterentwicklung baubotanischer Methoden und macht dies auch gleichzeitig als „Anschauungsobjekt“ einer breiten Bevölkerung zugänglich [13] (Bild 7). Das Forschungsprojekt veranschaulicht auch, wie wichtig bei der Planung von Vertikalen Freiräumen die Wahl eines passenden Vegetationskonzeptes ist. Eine große Herausforderung liegt hier insbesondre im Umgang mit dem Faktor Zeit. Bäume müssen wachsen und entfalten oft erst im hohen Alter ihre volle Pracht. Die Architektur verhält sich dazu oft konträr - sie fängt an zu altern und wird entweder renoviert oder abgerissen. Es ist demnach wichtig, Bilder 5 bis 8: Platanenkubus. © ludwig.schoenle 73 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Räume und Flächen ein hybrides Bauwerk wie den Platanenkubus bewusst mit Blick auf den Faktor Zeit zu konzipieren (Bild 8). Das Projekt ist als eine erste städtebauliche Setzung entstanden, welche zeitlich weit vor der Entwicklung des Stadtviertels umgesetzt wurde. Parallel zu der baubotanischen Entwicklung der Bäume - die mit der Zeit zu einer Baumkrone verwachsen, wächst auch die Stadt um den „Kubus“. Ausblick Um die Chancen und Probleme von Vertikalen Freiräumen auszuloten, ist weitere Forschung nötig. Wichtig dabei ist, dass wir von den bereits bestehenden Projekten lernen, die wie der „MFO-Park“ oder der Platanenkubus oft sehr aufwendige Pilotprojekte sind und somit wohl eher Einzelfälle bleiben werden. Es ist an der Zeit, Konzepte zu entwickeln, die eine größere Relevanz entfalten und das Spektrum an Einsatzmöglichkeiten verbreitern. Denn wie die beschriebenen Beispiele gezeigt haben, sind die Gründe für die „Vertikalität“ von Freiräumen so verschieden wie die Vielzahl wertvoller und ungewöhnlicher Treffpunkte für die Bevölkerung, die dadurch entstehen. So bieten Vertikale Freiräume beispielsweise auch einen interessanten Lösungsansatz im Kontext hoher baulicher Dichte, um auch nachträglich neue Freiräume zu schaffen (Bild 9). Die vertikalen Typologien lassen sich so nutzen, um bislang ungenutzte Raumpotenziale zu heben und beispielsweise Dachlandschaften für die breite Bevölkerung zugänglich zu machen. LITERATUR [1] Birch, E., Wachter, S.: Global Urbanization. University of Pennsylvania Press, Philadelphia, (2011), S. 4. [2] Läpple, D: Thesen zu einer Renaissance der Stadt in der Wissensgesellschaft. In: Gestring, N., Glasauer, H., Hannemann, C., Petrowsky, W., Pohlan, J. (Hrsg.): Jahrbuch StadtRegion 2003, Opladen, (2004), S. 61-77. [3] Stokman, A., Deister, L., Brenne, F., Henrichs, M., Jeskulke, M., Hoppe, H., Uhl, M.: Wassersensible Stadt- und Freiraumplanung Handlungsstrategien und Maßnahmenkonzepte zur Anpassung an Klimatrends und Extremwetter. Universität Stuttgart Institut für Landschaftsplanung und Ökologie, Stuttgart, (2016), S. 3. [4] Oswalt, P.: Entwerfen von Natur. In Thesis: wissenschaftliche Zeitschrift der Bauhaus-Universität Weimar, Heft 5, Weimar, (1997), S. 75-79. [5] Lohrberg, F.: Freiraum in der Stadt, in: innerorts. Zukunftsfähige Stadterneuerung in Baden-Württemberg - Bauherrenpreis 2000-2006, Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg, Architektenkammer Baden-Württemberg, Stuttgart, (2007), S. 3, 4. [6] Frutiger, A.: Der Mensch und seine Zeichen. Matrix Verlag, Wiesbaden, (2004), S. 25-26. [7] Bernard, S., Sattler, P.: Vor der Tür: Aktuelle Landschaftsarchitektur aus Berlin. Callwey Verlag, München, 1997, S. 101. [8] Zintl, I., Wahlers, S., Ludwig, F.: Freiraum vertikal denken - Neue Perspektiven für „Vertikale Freiräume“, Verlag Technische Universität München, Fakultät für Architektur, München, (2018), S. 126. [9] Zintl, I., Ludwig, F.: Vertikale Freiräume - Chancen für die dritte Dimension in der Landschaftsarchitektur. In: Stadt+Grün, 02, (2018). [10] Rollinger, R.: Babylon in der antiken Tradition-Herodot, Ktesias, Semiramis und die Hängenden Gärten. In: Marzahn, J., Schauerte, G. (Hrsg.): Babylon. Wahrheit, Berlin, (2008), S. 487-502. [11] Yeang, K.: The green skyscraper: the basis for designing sustainable intensive buildings. Prestel, München, New York, 1999. [12] Lambertini, A., Leenhardt, J.: Vertikale Gärten. Deutsche Verlags-Anstalt, München, 2009. [13] Ludwig, F.: Plane Tree Cube Nagold. Loft Publications, Barcelona, 2017. Bild 9: Freiräume in Baulücken. © Studio Vertikaler Freiraum AUTOR I NNEN Isabel Zintl, M.A. Wissenschaftliche Mitarbeiterin Professur für Green Technologies in Landscape Architecture Technische Universität München, München Kontakt: isabel.zintl@tum.de Prof. Dr. Ferdinand Ludwig Professor Professur für Green Technologies in Landscape Architecture Technische Universität München, München Kontakt: ferdinand.ludwig@tum.de 74 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Räume und Flächen Das Gründachkataster ist ein geeignetes Werkzeug für Städte und Ballungsräume mit Anpassungsdruck an den Klimawandel. Es zeigt auf, wo Dächer großflächig begrünt werden können, um das Kleinklima lokal zu verbessern. Die Vorteile einer Dachbegrünung sind vielfältig. So verringert sich bei einem bepflanzten Dach die Abwassermenge bei Regen, da dort bis zu 80 % des Niederschlags zurückgehalten werden. Dadurch werden Abwassergebühren eingespart und Kanal- GREEN-AREA Intelligentes Gründachkataster auf der Basis von GIS-Daten Dachbegrünung, Geoinformationssysteme (GIS), Klimaschutz, Urban Gardening, Hochwasserschutz Martina Klärle, Ute Langendörfer Mit dem Gründachkataster GREEN-AREA liefert der Forschungsbereich der Geoinformatik an der Frankfurt University of Applied Sciences dort einen bedeutenden Beitrag zur Verbesserung des Klimas und der Biodiversität, wo er am nötigsten ist: in der Stadt. Darüber hinaus beantwortet GREEN-AREA weitere interessante Fragen: Wie viel Feinstaub wird gebunden? Wie viel CO 2 wird absorbiert? Wieviel Wasser wird zum Beispiel bei Starkregen durch die verzögerte Abgabe des Regenwassers zurückgehalten? Wieviel Abwassergebühr wird eingespart? Diese Informationen können dank GREEN-AREA über einen Online-Kartendienst für jede einzelne Dachfläche abgerufen werden. Dachbegrünung. © Frankfurt UAS/ Martina Klärle 75 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Räume und Flächen systeme bei Starkniederschlägen weniger stark belastet. Der Pflanzenbewuchs im Stadtgebiet reduziert außerdem den Gehalt von CO 2 und Feinstaub in der Luft - ein wichtiges Element von Anpassungsstrategien der Ballungsräume an den Klimawandel. Ein weiterer Vorteil eines Gründaches ist die Steigerung der biologischen Vielfalt in der Stadt. Bepflanzte Dächer können von Vögeln und Insekten als Aufenthaltsort genutzt werden, die in eng bebauten Stadtgebieten sonst nur wenige Rückzugsgebiete vorfinden. Jede begrünte Fläche vermindert den Versiegelungsgrad in Städten und wirkt der Bildung von Wärmeinseln entgegen. Durch Feuchtigkeitsaufnahme und Verdunstung heizen sich die begrünten Gebäudeoberflächen im Sommer weniger stark auf, was zu einer lokalen Reduktion der Temperatur führt. Gründächer sind (Ersatz-)Lebensräume für Pflanzen und Tiere, vor allem für verschiedene Insektenarten und Vögel. Langzeituntersuchungen in Berlin und Brandenburg haben gezeigt, dass sich auf den Gründächern rund 7 % des regionalen Artenspektrums der Gefäßpflanzen ansiedeln konnte. Weiterhin wurden mehr als 50 verschiedene Wildbienenarten und Honigbienen nachgewiesen. Auch in Basel wurde eine Vielzahl von Insekten- und Spinnenarten auf einem Gründach nachgewiesen, darunter auch viele gefährdete Arten. Die biologische Artenvielfalt von Fauna und Flora kann durch das Einbringen unterschiedlicher Strukturen erhöht werden, zum Beispiel mittels Variation in der Substrathöhe durch partielle Anhäufung sowie Einbringung von Totholz, Steinhaufen oder kleinen Kiesbereichen. Gründächer leisten außerdem einen Beitrag zum Hochwasserschutz: Abhängig vom Gefälle, von der Wasserspeicherfähigkeit und der Stärke des Substrats werden 40 bis 80 % des Jahresniederschlags zurückgehalten. Auch die Abflussspitzen bei Unwettern und Starkregen fallen geringer aus. Vorteile für Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer Ein Gründach bedeutet eine optische Aufwertung und Verbesserung des Arbeits- und Wohnumfeldes für die Menschen, besonders bei begehbaren bzw. einsehbaren Dachbegrünungen. Das Dach kann von den Hausbewohnern als Gartenersatz oder -ergänzung genutzt werden (Stichwort „Urban Gardening“), als „grüner Wohn- und Erholungsraum“. Seit der Einführung der gesplitteten Abwassergebühr trägt eine Dachbegrünung auch zur Reduzierung der Abwassergebühren bei. Gründächer fallen je nach kommunalen Vorgaben beispielsweise unter die Rubrik „teilversiegelte befestigte Flächen“, wofür unabhängig von der Art der Bepflanzung ein einheitlicher Versiegelungsfaktor von 0,5 angesetzt wird. Ein Gründach verringert somit in Abhängigkeit der Dachgröße die Abwassergebühren für Niederschlagswasser um bis zu 50 %. Dachbegrünungen wirken dämmend. Untersuchungen haben gezeigt, dass Gründächer den Wärme- und Kälteschutz verbessern. Nicht zuletzt stellt die Bepflanzung einen Schutz vor UV-Strahlung und starken Temperaturschwankungen dar und bewirkt somit eine längere Lebensdauer der Dachabdichtung. Nach Erkenntnissen des Bundesverbands GebäudeGrün e. V. (BuGG) liegt die Lebensdauer bekiester Flachdächer bei fachgerechter Ausführung durchschnittlich bei 15 - 25 Jahren, die Lebensdauer eines Gründachs bei etwa 40 Jahren. Dachbegrünungen lassen sich auch sehr gut mit Photovoltaik-Anlagen kombinieren, da sie deren Wirkungsgrad im Sommer erhöhen. Der Wirkungsgrad von Photovoltaik-Modulen ist abhängig von der Temperatur. Es gilt die Faustregel: Je wärmer das Modul, desto geringer der Wirkungsgrad und damit der Ertrag. Die Module können sich auf Dächern mit Kiesabdeckungen oder dunklen Abdichtungsbahnen sehr stark aufheizen. Dachbegrünungen hingegen führen zu einer niedrigeren Umgebungstemperatur auf dem Dach und erhöhen somit den Stromertrag der Photovoltaik-Module. Aufbau einer Dachbegrünung und Statik Ein Gründach kann sowohl eine Stärke von wenigen Zentimetern als auch von mehr als einem Meter aufweisen. Entscheidend dafür sind die statische Belastbarkeit und das Gefälle des Daches. Bei einer nachträglichen Begrünung ist nur selten ein Aufbau von mehr als 30 cm möglich. Die Stärke des Substrats entscheidet über den Wasserrückhalt und die Pflanzenverwendung, was wiederum die Feinstaub- und CO 2 -Bindung beeinflusst. Bild 1: Beispielhafter Aufbau eines Gründaches (Warmdach). © Klärle GmbH 76 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Räume und Flächen Deutscher Name Botanischer Name Heimische Wuchshöhe in cm Blü- Monat Blütenfarbe Geselligkeit gelb gelb gelb gelb weiß weiß purpur gelb weiß gelb violett gelb Die Eignung für die Dachbegrünung hängt von der Statik des Gebäudes und der Neigung des Daches ab. Zudem wird eine intakte Dachabdichtung vorausgesetzt. Die statischen Anforderungen an Dach und Gebäude sollten vor der Planung von einem Fachmann geprüft werden. Dachbegrünungen wiegen je nach Aufbau 80 - 300 kg/ m² (wassergesättigter Zustand mit Vegetation). Zur Orientierung: Auf einer Garage mit einer Kiesschicht von etwa 5-6 cm - das entspricht etwa einem Gewicht von 120 kg/ m² - ist also eine ausreichende Lastreserve für eine Extensivbegrünung (naturnah angelegte Begrünung, die sich weitgehend selbst erhalten und weiterentwickeln kann, also wenig Pflege braucht) vorhanden. Das Gefälle spielt eine entscheidende Rolle bei der Eignung als Gründach. Je steiler das Dach ist, umso größer ist der Aufwand bei Sicherungsmaßnahmen gegen das Abrutschen der Konstruktion, des Substrats und der Pflanzen. Prinzipiell sind alle Flachdächer bis 5° Dachneigung sehr gut und alle Dachflächen mit einer Neigung von 5° bis 10° gut bzw. von 10° bis 15° noch geeignet, wenn die Statik passend ist. Ab einer Dachneigung von 15° müssen Schubsicherungen (Sicherungen gegen das Abrutschen von Dachsubstraten) eingebaut werden. Mit Schubsicherung sind in der Regel Dachbegrünungen bis zu einer Neigung von 35° möglich. Ist das Dach stärker als 35° geneigt, wird von einer Dachbegrünung abgeraten. Bepflanzung Begrünte Dächer sind Extremstandorte mit einer hohen Strahlungsintensität, starker Windhöffigkeit, Sommertrockenheit und Winterfeuchte. Pflanzen, die sich an diese Standortfaktoren anpassen können, finden sich in der Natur vor allem in Trockenrasen, Steppen und im Gebirge. Extensive Begrünungen verfügen über nur wenige Zentimeter Pflanzsubstrat, auf denen hauptsächlich trockenheitsresistente Sedum-Arten gepflanzt werden. Auch eine Einsaat mit gebietsheimischem Saatgut oder der Einbau von vorkultivierten Vegetations- und Moosmatten ist auf wenig geneigten Dächern möglich. Meistens handelt es sich um große Dächer auf Industrie- oder öffentlichen Gebäuden. Intensive Begrünungen erlauben mit einer höheren Substratstärke eine größere Pflanzenvielfalt. Die Blütezeit lässt sich bis in den Oktober verlängern. Bild 2: (oben) Online-Analyse und Pflanzempfehlung. © Gründachkataster Marburg Bild 3: (unten) Ausschnitt einer Pflanzliste. © Gründachkataster Marburg 77 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Räume und Flächen Bei Substratstärken ab 60 cm können auch Sträucher und Bäume gepflanzt werden. Außerdem sind auf diesen Dachgärten Kombinationen mit Terrassenflächen und Sitzbereichen möglich. Ist eine individuelle Bepflanzung gewünscht, wird dem Nutzenden des Gründachkatasters in Abhängigkeit von Besonnung und Dachaufbau eine Pflanzliste vorgeschlagen, mit Informationen zu Wuchshöhe, Blütenfarbe und -zeit. Zudem gibt es zahlreiche Hinweise zu Auswahl, Pflanzung und Pflege der Pflanzen. Kosten Die Kosten für eine extensive Dachbegrünung mit einem Dachaufbau bis zu 10 cm liegen auf großen Flächen bei 30 - 40 Euro/ m². Je kleiner die Flächen sind, umso höher sind Aufwand und Preis. Bei Intensivbegrünungen hängen die Kosten sehr stark von den individuellen Gestaltungswünschen ab. Dachbegrünungen bei Neubauten und Sanierungen werden in einigen Kommunen durch direkte finanzielle Zuschüsse gefördert; auch bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gibt es zinsgünstige Kredite hierfür. Schlussbetrachtung Grundsätzlich sind alle Geobasis- und Geofachdaten zur Erstellung eines GREEN-AREA-Gründachkatasters flächendeckend vorhanden. Besondere Vorteile ergeben sich, wenn bereits ein Solardachkataster vorliegt. Durch die Mehrfachnutzung der gleichen Datengrundlagen - Laserscanner-Daten, Luftbilder, amtliche Geobasisdaten, Liegenschaftskarte - werden Synergien geschaffen und das Kosten-Nutzen- Verhältnis optimiert. So können Umweltinformationen in Zeiten der Digitalisierung intelligent vernetzt und Bürgerinnen, Bürgern und Kommunen als Online-Dienstleistung zur Verfügung gestellt werden. Das erste intelligente Gründachkataster auf Basis von hochaufgelösten Geobasisdaten wurde im Jahr 2016 für die Stadt Marburg umgesetzt. Die Stadt Marburg hat in diesem Zusammenhang im Jahr 2017 ein kommunales Förderprogramm zur Dachbegrünung aufgelegt. Obwohl das Programm erst spät im Jahr startete, wurden 13 Anträge eingereicht, von denen 12 in entsprechende Baumaßnahmen mündeten. Das Programm soll in den nächsten Jahren erneut aufgelegt werden. Weitere Informationen: www.marburg.de/ gruendachkataster Bild 4: Gründachpotenzial eines Flachdaches in Marburg. © Gründachkataster Marburg Prof. Dr. Martina Klärle Fachbereich Architektur • Bauingenieurwesen • Geomatik Frankfurt University of Applied Sciences Kontakt: martina.klaerle@fb1.fra-uas.de Ute Langendörfer Wissenschaftliche Mitarbeiterin Fachbereich Architektur • Bauingenieurwesen • Geomatik Frankfurt University of Applied Sciences Kontakt: ute.langendoerfer@fb1.fra-uas.de AUTORINNEN 78 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES FOKUS Forschung + Lehre Stabile soziale Systeme Experten aus Wissenschaft und Lehre wurden im Rahmen der Masterarbeit „Entwicklung eines Indikatoren-Sets zur Evaluierung der Aufenthaltsfunktion von Straßenräumen“ befragt [1], um so Einschätzungen zu Kommunikationen im Straßenraum zu betrachten. Kerngedanke war die fachübergreifende kritische Beurteilung von beteiligten Gewerken sowie die Abstimmung untereinander. Im Rahmen der Masterarbeit konnte ein Bezug zur allgemeinen Kommunikationstheorie hergestellt werden, welche eng mit der Luhmannschen Systemtheorie korrespondiert und sich in städtischen Räumen stark ausprägt. Luhmanns komplette Argumentation ist nachzulesen in: Luhmann, Niklas: „Soziale Systeme, Grundriß einer allgemeinen Theorie“ [2]. Im Rahmen der Masterarbeit wurden exemplarisch Straßen und Plätze untersucht, die durch ihre bauliche Gestaltung unterschiedliche Wahrnehmungen beim Menschen auslösen können. Direkte Kommunikationen treten auf, wenn Individuen ihre Wahrnehmungen über Mimik, Gestik, Artikulation und Zeichen öffentlich preisgeben. Diese Verhaltensweisen werden von anderen Individuen aufgenommen und hier ebenfalls im Bewusstsein verarbeitet. Erst jetzt ist es möglich, das Auftreten des Gegenübers zu deuten. Eine anschließende Möglichkeit zu weiteren Kommunikationen im Raum setzt ein und kann sinnbildlich einer Kettenreaktion auf andere Menschen übertragen werden. Es entsteht ein komplexes soziales System, das über äußere Einflüsse gespeist wird. Dieses reproduziert sich solange von selbst, solange dies die Wahrnehmungen von Menschen zulassen. Planer sind dazu angehalten, Objekte im öffentlichen Raum so zu gestalten, dass sie zu positiven, gelungenen Kommunikationen anregen und sich folglich stabile, soziale Systeme bilden können (Bild 1). Straßen und Plätze sind verkehrstechnische Anlagen, die im Austausch mit verschiedenen Fachdisziplinen wie Architektur und Stadtplanung geplant werden sollten. In der Entwicklung des Kommunikationsfaktors wurde versucht, die unterschiedlichen Planungsansätze in quantifizierbare Zahlenwerte zu übersetzen. Auf einer Checkliste werden die Bewertungen von Straßen und Plätzen eingetragen und daraus dann eine Vergleichszahl - der sogenannte K-Faktor - ermittelt. Die Kommunikationsaktivität eines Ortes lässt sich mit dieser Methode einschätzen. 21 Kriterien Experteninterviews beispielsweise in den Fachgebieten Soziologie, Städtebau und Kriminalprävention führten zu möglichen Kriterien, aus denen 100 Indikatoren abgeleitet werden konnten. Die Soziologen der TU Berlin Prof. Mit 100 Indikatoren durch die Stadt Kommunikationsfaktor für mehr Qualität im Stadtraum System, Kommunikationstheorie, Indikator, Aufenthaltsqualität, Quantität, Straßenraum Jeremy Klemens Das Planen aus Fußgängerperspektive ist für künftige städtebauliche Projekte ein wesentlicher Bestandteil zur Steuerung des Gelingens von Kommunikation im öffentlichen Raum. Planer tragen bei der umgebungsorientierten Gestaltung öffentlicher Räume große Verantwortung, da Kommunikationen unter anderem über bauliche Objekte beeinflusst werden. Zum Bewerten von Straßenräumen kann der im Rahmen einer Masterarbeit entwickelte sogenannte erweiterte Kommunikationsfaktor (K-Faktor) genutzt werden. Der K-Faktor basiert auf 21 Kriterien, 100 Indikatoren dienen als Messgröße. Diese bilden eine mögliche quantitative Methode zum Feststellen der Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum unter gleichzeitiger Beachtung sozialer Kommunikationsaspekte. Für Behörden, Planungsbüros und Gutachtern wird ein nützliches Indikatoren-Set bereitgestellt, das Defizite im öffentlichen Straßenraum sofort anzeigt, Planungsentscheidungen argumentativ unterlegt, Investitionsmaßnahmen begleitet und interne Verwaltungsprozesse vereinfachen kann. Ein Straßenraum in Berlin Neukölln wurde mit der K-Faktor-Methode bewertet. Bild 1: Darstellung vom stabilen, sozialen System der Kommunikation. © Klemens 79 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES FOKUS Forschung + Lehre Dr. Hubert Knoblauch (allgemeine Soziologie) und Prof. Dr. Gabriela Christmann (Kommunikations- und Wissensdynamiken im Raum) und die Wissenschaftler Dr. Tobias Federwisch des Leibnitz Instituts für Raumbezogene Sozialforschung und Prof. Dr. Jörg Niewöhner (Stadtanthropologie und Mensch-Umwelt Beziehungen) der HU Berlin gaben Hinweise zum Gestaltungsprozess des K-Faktors. Der Lehrstuhl Städtebau und Urbanisierung von Prof. Jörg Stollmann der TU Berlin, Studierende des Bauingenieur-Geoinformationswesens der Beuth- Hochschule für Technik und die Berliner Polizei waren ebenfalls wichtige Impulsgeber für die Entwicklung des K-Faktors. Durch die Beteiligung verschiedener Akteure, mittels Experteninterviews, empirischer Erkenntnisse aus acht Berliner Straßenräumen sowie ausgewerteter Berichterstattungen öffentlich zugänglicher Medien [3] konnten Schwerpunkte ermittelt werden. In der Auswertung aller Materialien zeichnete sich die Bedeutung einzelner Kriterien ab, die sich einzelnen Themengebieten zuordnen lassen. Je häufiger ein genanntes Kriterium pro Themengebiet tabellarisch gelistet wurde, desto größer ist dessen Gewichtung. Die wichtigsten 21 Kriterien zur Bewertung öffentlicher Straßenräume und Plätze wurden tabellarisch dargestellt (Bild 2). Diese sind jeder Zeit erweiterbar. Den prozentualen Gewichtungen zufolge sind Belebtheit, Beleuchtung, Sitzgelegenheiten und Lärm wichtige Einflussgrößen für einen Bewertungsfaktor. Die Atmosphäre, Identifikationen und Sichtbeziehungen sind mit rund einem Prozent eher nachrangig. Beispiel „Begehbarkeit“ Nach einer fachlichen Beschreibung aller Kriterien wurden bewertbare Indikatoren abgeleitet. Dazu wurde kriterienbezogene Fachliteratur inhaltlich ausgewertet und auf mögliche Indikatoren geprüft. Der Prozess soll auszugsweise am Kriterium „Begehbarkeit“ erläutert werden: Im Werk „Die überwachte Stadt“ von Prof. Dr. Jan Wehrheim wird deutlich, dass die Architektur einer Straße und breite Bürgersteige sowie soziale Kontrolle zu den wesentlichen Faktoren der Straßenraumgestaltung gehören [4]. Der Stadtplaner Gerd Albers ergänzt, dass Fußgänger ein zusammenhängendes und möglichst attraktives, ungefährdetes Wegenetz benötigen [5]. Gerhard Curdes stellt fest, dass Straßenräume beim Begehen für Erlebnisse sorgen müssen und niemals eintönig wirken dürfen. Camillo Sitte schlägt dazu bereits im Jahr 1889 vor, die Vorzüge gekrümmter Straßen zu nutzen und Bauten auf der konkaven Seite besser zur Geltung zu bringen zum Beispiel durch prägnante Eckgebäude [6]. Mit Blick auf straßenräumliche Begehbarkeit hält Christopher Alexander Straßenüberquerungen für besonders bedeutsam: „Wo Wege Straßen überqueren, haben die Autos die Macht, die Leute beim Gehen einzuschüchtern und zu unterdrücken, auch wenn sie von Rechts wegen Vorrang haben. Ein Straßenübertritt ist nur dann sicher begehbar, wenn die Überquerung ein bauliches Hindernis ist, dass physisch zum Bremsen anregt“ [7]. Der Architekt und Stadtplaner Andreas Feldtkeller erklärt bezüglich der Oberflächengestaltung von Wegen, dass mithilfe der Ausschmückung des Bodenbelags viele Stadträume attraktiver werden [8]. Rob Krier stellt die These auf, dass für Fußgänger definierte Abläufe nicht funktionieren, wenn keine Investitionen in die Pflasterung des Seitenraums fließen [9]. Im Handbuch für die Fußwegenetzplanung der Schweiz wurde 2015 definiert, dass der Gehkomfort durch Wohlbefinden und Bequemlichkeit ausgedrückt wird. Als eine Anforderung an den Gehkomfort wird die Wegbreite thematisiert. Die Abhängigkeit besteht aus der Interaktion von Ausweichen, Verlangsamen und Hintereinandergehen. Ein angemessener Komfort besteht, wenn zwei Personen bequem nebeneinander gehen können und ihnen störungsfrei begegnet werden kann. Als Standard-Lichtraumprofil werden Personen mit Alltagsgepäck, Kinderwagen und Regenschirmen angesetzt. Ein erweitertes Lichtraumprofil entsteht, wenn Personen mit Kindern, Hunden, Reisegepäck oder Rollatoren den Seitenraum begehen [10]. Das Handbuch verweist zusätzlich auf städtebauliche Proportionen, die im Straßenraum Bild 2: 21 Kriterien mit spezifischen, prozentualen Gewichtungen für das Indikatoren- Set des Kommunikationsfaktors. © Klemens 80 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES FOKUS Forschung + Lehre einzuhalten sind. Die Dreigliederung des Querschnitts in Mittelraum und die beiden Seitenräume sollte bestehen. Der Mittelraum (Asphaltband) sollte den Gesamtraum gestalterisch nicht überwiegen. Bei Straßenräumen ohne Mittelstreifen sind die Proportionen 30 % : 40 % : 30 % einzuhalten (Seitenraum: Mittelraum: Seitenraum) [10]. Sofern ein raumprägender Mittelstreifen vorhanden ist, sollte das Verhältnis pro Richtungsfahrbahn 50 % : 50 % betragen. Mit Blick auf berlintypische Seitenräume ist das Handbuch für die Gestaltung von Straßen und Plätzen zu wählen. Zwischen Gehbereich und äußeren Rand des Straßenraums ist ein „Oberstreifen“ anzuordnen, um Verweilflächen, Flächen für Vorgärten und Gastronomie anzubieten. Der Oberstreifen sollte mindestens ein Drittel des gesamten Seitenraums betragen. Zusätzlich existiert ein „Unterstreifen“, der etwa einem Viertel des Seitenraums entspricht. Ober-und Unterstreifen sind zum Beispiel mit Granitkleinsteinpflaster auszustatten. Die mittig liegende Gehbahn ist mit Granitplatten oder Charlottenburger Platten auszukleiden [11]. 100 Indikatoren - eine Zahl Im Rahmen der Masterarbeit wurden für das Kriterium „Begehbarkeit“ sechs Indikatoren abgeleitet: Straßen-Krümmung, Qualität von Querungsanlagen, Maß der Oberflächengestaltung, angenehmer Gehkomfort, städtebauliche Proportionen sowie die Seitenraumeinteilung in Ober- und Unterstreifen. Für das Indikatoren-Set konnte die Begehbarkeit mit einer prozentualen Gewichtung von 5,66 % angesetzt werden, sodass die sechs abgeleiteten Indikatoren jeweils mit 0,943 % die Gesamtbewertung beeinflussen (Bild 3). Jeder Indikator wird nochmals beschrieben, sodass Gutachter/ innen genau wissen, wie die Bewertung im Straßenraum erfolgen sollte. Sofern Indikatoren als erfüllt gewertet werden, wird die Zahl „1“ in eine Excel-Tabelle eingetragen. Automatisch summieren sich die jeweiligen Indikatoren-Gewichte zu einer kriterienbezogenen Punktzahl in Höhe von „5“. In der nachfolgenden Tabelle sind alle Indikatoren als „erfüllt“ gewertet, sodass die volle Punktzahl fünf von fünf Punkten erteilt wurde. Sofern Indikatoren nicht ausreichend erfüllt sind, erscheint in der Tabelle eine Null und die spezifische Kriterien-Punktzahl vermindert sich. In der Auswertung können sofort Defizite festgestellt werden, sofern die Höchstpunktzahl von fünf nicht erreicht ist. Diese Systematik wurde bei allen 21 Kriterien angewendet, sodass im Resultat 100 bewertbare Indikatoren entstanden. Mathematisch betrachtet, entspricht die individuelle Indikatoren-Gewichtung gleichzeitig der Punktzahl, die in der Summe den entstehenden K-Faktor bildet. Wird eine Punktzahl erreicht, die sich gleichzeitig als Prozentangabe deuten lässt, kann der straßenbezogene Kommunikationsfaktor berechnet werden. Die Höchstpunktzahl wird durch die Zahl fünf, bzw. 95 % ausgedrückt. Sofern mindestens 65 % der Indikatoren erfüllt werden, oder anders dargestellt ein K-Faktor von 3,25 ermittelt wird, sind keine Maßnahmen notwendig (Bild 4). Sofern K-Faktoren < 3,25 ermittelt werden, sind nach aktueller Justierung der K-Faktorskala Defizite im öffentlichen Raum zu verzeichnen, die Handlung erforderlich macht. Im Resultat entsteht eine aufsummierte Gesamtpunktzahl, welche die tendenziellen Kommunikationsaktivitäten im Vergleich zu anderen Straßenräumen anzeigen kann. Die individuelle Defizitanalyse kann anhand von Punktzahlen der jeweiligen Kriterien-Kategorien erfolgen. Berlin Lipschitzallee: 58,94 % Das entwickelte Indikatoren-Set wurde in seinem Detaillierungsgrad in der Berliner Gropiusstadt getestet. Schwerpunkt waren die Lipschitzallee und der angeschlossene Platz am U-Bahnhof. Zusätzlich konnte das umliegende Einzugsgebiet auszugsweise mit begutachtet werden. Die Untersuchung wude am 27. März 2018 durchgeführt und führte im Ergebnis zu einem K-Faktor von 2,95. Da mind. 65 % erreicht werden müssen und dies einem K-Faktor von 3,25 entspricht, sind Maßnahmen erforderlich. Im Kriterium „Sitzgelegenheiten“ deuten die Indikatoren auf Defizite: Der Sitzkomfort wird gewährleistet, jedoch fehlt eine Anpassung für Senioren. Beispielsweise konnten an Sitzgelegenheiten keine Armlehnen festgestellt werden, sodass der Indikator „Seniorengerechtigkeit“ nicht erfüllt ist. Verweilmöglichkeiten für Jugendliche wie Podeste, Sitzschaukeln oder Absätze fehlen ebenfalls, sodass sich die eingeschränkten Kommunikationsmöglichkeiten in einer geringen Punktzahl ausdrücken. Im Kriterium „Sauberkeit“ sind auch einige Mängel zu verzeichnen: Die Lipschitzallee ist geprägt von vielen Graffitis, welche die Bild 3: Indikatoren des Kriteriums „Begehbarkeit“ in der Lipschitzallee mit voller Punktzahl. Gesamt-K-Faktor ist noch nicht dargestellt. © Klemens 81 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES FOKUS Forschung + Lehre Raumwahrnehmung beeinflussen können. Der Indikator „Straßenreinigung“ ist nicht erfüllt, da viel Müll im Gebiet festgestellt wurde. Die Berliner Stadtreinigung hat im Untersuchungsgebiet viele Mülleimer installiert, die auch im regelmäßigen Turnus geleert werden, jedoch im Umfeld nicht den gewünschten Effekt erzielen bzw. nicht angenommen werden. Die Kriterien „Ästhetik“ und „Fassadengestaltung“ sind unzureichend erfüllt. Am Lipschitzplatz fehlt beispielsweise eine ästhetische Mitte, die im Indikator „Ortsmitte“ als nicht erfüllt gewertet wurde. Im gesamten Untersuchungsraum sind stark variierende Gebäudehöhen festzustellen, die nach Nicole Küster das Erscheinungsbild einer Gebäudereihe beeinträchtigen [12]. Parkplätze schaffen eine kommunikative Barriere, geringwertige Materialien sind verbaut und die Fassaden im Straßenraum sind eher einfach gestaltet. Neben Mängeln bietet die Lipschitzallee samt angeschlossenem Platz auch kommunikationsfördernde Aspekte. Ein derzeit ausreichendes Nutzungsangebot mit vielfältiger Funktionsmischung ist gewährleistet, da im Kiezumfeld Angebote des täglichen, periodischen und langfristigen Bedarfs vorhanden sind. Das Kriterium „Nutzungsangebot“ erhält die volle Punktzahl. Die Indikatoren der „Begehbarkeit“ sind vollumfänglich erfüllt. Zusätzlich ist der Straßenraum sehr gut erreichbar (Kriterium „Erreichbarkeit“), Abzüge gibt es nur im Indikator „Umwegezeit“. Viele Punkte erzielt das Kriterium „Mikroklima“, da Windgeschwindigkeiten, der Verschattungsgrad und kleinteilige Grünflächen für optimale Verhältnisse sorgen. Weitere Defizite, bzw. besonders weitgehend erfüllte Kriterien sind der K-Faktor-Matrix der Masterarbeit zu entnehmen, die hier nicht vollständig dargestellt werden kann. Aussicht Der K-Faktor kann Bezirksverwaltungen dazu dienen, mithilfe einer Zahl auf Handlungserfordernisse in einem Straßenraum schließen zu können. Diese Bewertungszahl kann in Planungsunterlagen für Bauvorhaben integriert werden und den Ausschreibungsprozess begleiten. Fußgänger im öffentlichen Raum sind ein wesentliches Zeichen dafür, dass Straßen und Plätze als Verweilorte angenommen werden. Daher ist es notwendig, die Aufenthaltsqualität zu verbessern, sodass auch Anwohner/ innen, Touristen und Zugezogene diese städtischen Orte aufsuchen. Der K-Faktor kann zuvor nicht wahrgenommene Mängel anzeigen und auf bereits ausreichend gestaltete Straßenräume hinweisen. LITERATUR: [1] Klemens, J.: Entwicklung eines Indikatorensets zur Evaluierung der Aufenthaltsfunktion von Straßenräumen, Kommunikationsfaktor: Masterarbeit an der Beuth Hochschule für Technik Berlin, 2018. [2] Luhmann, N.: Soziale Systeme, Grundriß einer allgemeinen Theorie. Frankfurt am Main, Suhrkamp Verlag, 1984. [3] Loy, T.: Projekt zur Kategorisierung: Wo Berlins schönste Plätze sind. Tagesspiegel, Nr. 23103, 2017. [4] Wehrheim, P.: Die überwachte Stadt (Bd. 17). Opladen: Leske + Budrich, 2002, S. 96. [5] Albers, G., Wékel, J.: Stadt Planung, Eine illustrierte Einführung. Darmstadt: Primus Verlag, 2008, S. 141, 148. [6] Sitte, C.: Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen, 1889 . [7] Alexander, C., Ishikawa, S., Silverstein, M.: Eine Mustersprache: Städte, Gebäude, Konstruktion. (H. Czech, Hrsg.) Wien, Löcker Verlag, 1977, S. 299. [8] Selle, K., Havenmann, A.: Plätze, Parks & Co. Stadträume im Wandel - Analysen, Positionen und Konzepte. Detmold: Verlag Dorothea Rohn, 2010, S. 371. [9] Krier, R.: Stadtraum in Theorie und Praxis. Karl Krämer Verlag, Stuttgart, 1975, S. 6, 17. [10] Bundesamt für Strassen, Zürich: Fußwegenetzplanung, Handbuch. ASTRA (Hrsg.) Bern, Schweiz, 2015, S. 16, 82. Abgerufen am 26. Februar 2018. [11] Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie, Referat Stadtgestaltung (Hrsg.): Handbuch zur Gestaltung von Straßen und Plätzen in Berlin (Planungsbüro Heinz und Jahnen). Berlin, Kulturbuch-Verlag, 1999, S. B 4.3, C 2.1. [12] Küster, N.: Schönheit und Wert von Immobilien. Chemnitz, Deutschland, 2014, S. 21-38. Abgerufen 06.01.2018 http: / / www. q u c o s a . d e / f i l e a d m i n / d a t a / q u c o s a / d o c u m e n t s / 12 9 8 1/ Dissertation_K%C3%BCster.pdf Bild 4: Bewertungsmatrix für den K-Faktor, berechnet aus 100 Indikatoren. © Klemens Jeremy Klemens Umweltingenieur- Bau, Urbaner Infrastrukturplaner (M. Eng.) an der Beuth Hochschule, Berlin Kontakt: Jeremy-Klemens@web.de AUTOR 82 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRODUKTE + LÖSUNGEN Stadtraum Graffiti auf Zügen, aber auch Gebäuden sind ein kostspieliges und dauerhaftes Ärgernis für Bahnbetreiber. Allein die Deutsche Bahn zählt in ihrem aktuellen Sicherheitsbericht für das Kalenderjahr 2017 bundesweit rund 18 120 Graffititaten auf - eine Steigerung um vier Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Beseitigung verursacht einen enormen Zeitaufwand und bringt Kosten im zweistelligen Millionen-Bereich mit sich. Graffiti schnell und einfach wieder beseitigen Bahnbetreiber suchen daher nach Lösungen, die es ermöglichen, Graffiti einfach wieder zu beseitigen. Genau diesen Zweck erfüllen die Schutzlaminate glänzend 8588G und matt 8590M, die das bisherige Sortiment von 3M Graffiti kosten- und zeitsparend wieder entfernen Anti-Graffiti-Schutz von 3M für den Bahnbereich Wirksamer Schutz trifft auf sehr gute Hafteigenschaften: Mit den neuen Anti-Graffiti- Lösungen wird 3M beiden Anforderungen von Bahnbetreibern gerecht, die sich vor Schmierereien und damit verbundenen Kosten schützen wollen. Beide Produktneuheiten, das Anti-Graffiti Schutzlaminat glänzend 8588G und das Schutzlaminat matt 8590M, sind lange haltbar, passen sich verschiedensten Untergründen an und sind dabei im Bedarfsfall einfach zu reinigen. 3M Deutschland GmbH Carl-Schurz-Str. 1 41453 Neuss Innovation.de@3M.com www.3mdeutschland.de Graffiti-Schmierereien verursachen für Bahnbetreiber hohe Kosten. © 3M in diesem Bereich weiter abrunden. Lackspuren lassen sich von den Laminaten deutlich leichter wieder entfernen als von ungeschützten Oberflächen, verbunden mit einem erheblich reduzierten Zeit- und Kostenaufwand. Für außen und innen geeignet Die Schutzlaminate lassen sich auf der Außenseite von Zügen und Bahnen vollflächig zum Schutz aller Oberflächen verkleben und passen sich dabei flexibel den verschiedensten Formen an. Im Innenraum von Waggons können sie praktisch überall appliziert werden - von texturierten Flächen bis hin zum Fensterrahmen. An Bahnhöfen ist es damit sogar möglich, Mauerwerk zu schützen. Dabei sind die Anti- Graffiti-Produkte beständig gegen Abrieb durch ein häufiges Reinigen. Für ein dauerhaft hochwertiges Erscheinungsbild Eine Besonderheit stellt die Fluorpolymermischung dar, die eine flexible Anpassungsfähigkeit der Laminate mit einer hohen Beständigkeit vor Verschmutzungen verbindet. Dies ermöglicht auch den Schutz vor dem sogenannten Silvering-Effekt, fleckigen Ausprägungen unterhalb des Laminats. Das Ergebnis ist ein hochwertiges Erscheinungsbild selbst auf texturierten Oberflächen in Kombination mit langer Lebensdauer. Die Schutzlaminate werden beide für die Dauer von bis zu acht Jahren durch die 3M MCS Garantie und die 3M Performance Garantie abgedeckt. Die Schutzlaminate lassen sich innen wie außen auf Zügen und Bahnen vollflächig verkleben. © 3M 83 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRODUKTE + LÖSUNGEN Stadtraum Bekannt sind L-förmige Betonfertigteile, mit dem Mauerfuß zum Hang hin versetzt, als Stuttgarter Mauerscheiben. Die Standfestigkeit ist durch das Gewicht des Verfüllmaterials, das auf dem Mauerfuß lastet, gewährleistet. Die Möglichkeit, solche Elemente als Natursteinmauern nun nach Maß zu bestellen, Statik und Montage inklusive, fasziniert vor allem kleine und mittlere Ausführungsbetriebe. Im Normalfall wird die Sichtfläche der Mauerteile bei der Herstellung im Werk schon mit Naturstein belegt - eine Spezialität der glatthaartechnology. In die am Boden liegende Schalung werden zuerst die Natursteine gelegt, dann die Bewehrung, darauf wird Beton gegossen. Die Verbindung mit dem Fundament wird erst auf der Baustelle hergestellt. Gut vier Jahre dauerte die Entwicklung von der patentierten Idee bis zu den ersten Referenzprojekten. Das hat sich für Garten- und Landschaftsbaubetriebe sowie deren Auftraggeber gleichermaßen gelohnt. Und das Spektrum ist breit: Nicht nur Wände können als Fertigteil mit Natursteinbelegung geliefert werden. Auch Garagen, Gartenhäuser, Brunnen, Brücken, Hochbeete gehören zum Produktrepertoire. Die Vielzahl optischer und technischer Kombinationen bietet zusätzlich kreative Freiräume in Farbe und Gestaltung der Naturstein-Formationen. Auch Beschriftungen wie Firmenlogos, Hausnummern, etc. sind in die Oberfläche der Fertigteile integrierbar. Stützen, schützen und gestalten Sicher, zweckmäßig und schön sollen Bauwerke sein. Das war die Devise des römischen Baumeisters Vitruv vor mehr als 2000 Jahren - und sie gilt noch heute. Betongebundene Natursteinwände erfüllen diesen Anspruch, denn die ästhetischen Eigenschaften des Natursteins und die Sicherheit des Stahlbetons werden kombiniert. Zur Auswahl stehen als Natursteinvorsatz regionale Steine wie Jurakalk, Muschelkalk, Sandstein und Dolomit sowie Granit, Basalt oder frost- und tausalzbeständige Natursteine nach Wunsch des Bauherrn - jeweils in einer Stärke von 5 bis 7 cm. Die Steinlänge beträgt bis zu 60 cm oder mehr, die Höhe 10 bis 70 cm, abhängig vom Mauerwerksverband (Zyklop, Bruchstein, hammergerechte bzw. regelmäßige oder unregelmäßige Schichten). Und die Oberfläche? Angeboten wird aus dem Repertoire des Steinmetz- Senkrechte Natursteinflächen, Bewehrung inklusive Erweiterte Möglichkeiten im GaLaBau durch patentierte Fertigteile Barbara Sahler Was in der neuen deutschen Küche „in“ ist, gilt im GaLaBau schon lange. Die Zutaten sollen regional sein. Sichtschutz aus Holz und Hangstütze aus Gabionen lassen sich mit heimischem Material herstellen. Doch wenn das Gelände steil und die Nutzfläche rar ist, werden stabile Stützmauern aus Stahlbeton gebraucht - auch wenn die Auftraggeber lieber Naturstein sehen möchten. „Maßgeschneiderte“ Fertigteile aus Stahlbeton mit Naturstein-Vorsatz auf der Sichtfläche lösen diesen Konflikt und bieten mehrere Vorteile. handwerks: bruchrau, bossiert, gespitzt, gestockt, scharriert, gekrönelt, gesägt und gebeilt. Die Ausrichtung des Mauerfußes ist variabel und richtet sich nach den statischen Erfordernissen. Die L-Form kann zur Hang- oder Talseite orientiert sein, oder als umgekehrtes T in beide Richtungen zeigen. In besonderen Fällen bietet die so genannte Drei-Scheiben-Technik eine sichere Statik, bei filigranen Wandquerschnitten. Das spart teuren Baugrund. Auch Wände mit senkrechter Neigung, Radienwände und viele andere Formgebungen sind realisierbar. Mauerkopf und -fuß können dem Geländeverlauf entsprechend angepasst oder Bild 1: Musterwände aus Stahlbetonfertigteilen mit Natursteinvorsatz. © glatthaar 84 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRODUKTE + LÖSUNGEN Stadtraum Impressum Transforming Cities erscheint im 3. Jahrgang Herausgeber Eberhard Buhl, M.A. Verlag Trialog Publishers Verlagsgesellschaft Eberhard Buhl | Christine Ziegler Schliffkopfstr. 22, D-72270 Baiersbronn-Buhlbach Tel. +49 7449 91386.36 · Fax +49 7449 91386.37 office@trialog.de · www.trialog.de Redaktionsleitung Dipl.-Ing. arch. Christine Ziegler VDI (verantwortlich) Tel: +49 7449 91386.43 Fax: +49 7449 91386.37 christine.ziegler@transforming-cities.de Anzeigen Tel. +49 7449 91386.46 Fax +49 7449 91386.37 anzeigen@trialog.de Gültige Anzeigenpreisliste Nr. 3 vom 01.01.2018 Vertrieb und Abonnentenservice Tel. +49 7449 91386.39 Fax +49 7449 91386.37 vertrieb@trialog.de Erscheinungsweise Viermal im Jahr Bezugsbedingungen Die Bestellung des Abonnements gilt zunächst für die Dauer des vereinbarten Zeitraumes (Vertragsdauer). Eine Kündigung des Abonnementvertrages ist zum Ende des Berechnungszeitraumes schriftlich möglich. Erfolgt die Kündigung nicht rechtzeitig, verlängert sich der Vertrag und kann dann zum Ende des neuen Berechnungszeitraumes schriftlich gekündigt werden. Bei Nichtlieferung ohne Verschulden des Verlages, bei Arbeitskampf oder in Fällen höherer Gewalt besteht kein Entschädigungsanspruch. Zustellmängel sind dem Verlag unverzüglich zu melden. Es ist untersagt, die Inhalte digital zu vervielfältigen oder an Dritte weiterzugeben, sofern nicht ausdrücklich vereinbart. Bezugsgebühren JahresAbo Print: gedruckte Ausgabe zum Jahresbezugspreis von EUR 120,- (Inland inkl. MwSt., Ausland exkl. MwSt.), zzgl. Versandkosten (Inland EUR 11,90, Ausland EUR 25,-) JahresAbo ePaper: elektronische Web-Ausgabe zum Jahresbezugspreis von EUR 120,- (Inland inkl. MwSt., Ausland exkl. MwSt.), ohne Versandkosten JahresAbo Plus (Print + ePaper): als gedruckte Ausgabe + elektronische Web-Ausgabe zum Jahresbezugspreis von EUR 160,- (Inland inkl. MwSt., Ausland exkl. MwSt.), zzgl. Versandkosten (Inland EUR 11,90 , Ausland EUR 25,-) StudiAbo ePaper: elektronische Web-Ausgabe. Reduzierter Jahresbezugspreis von EUR 80,- (Inland inkl. MwSt., Ausland exkl. MwSt.). Eine aktuelle Studienbescheinigung ist Voraussetzung. Einzelheft Print: gedruckte Ausgabe zum Einzelbezugspreis von EUR 35,- (Inland inkl. MwSt., Ausland exkl. MwSt.), zzgl. Versandkosten (Inland EUR 3,-, Ausland EUR 6,50) Einzelausgabe ePaper: elektronische Web- Ausgabe zum Einzelbezugspreis von EUR 35,- (Inland inkl. MwSt., Ausland exkl. MwSt.), ohne Versandkosten Campus- und Firmenlizenzen auf Anfrage Organ | Medienpartnerschaft VDI Verein Deutscher Ingenieure e.V. - Fachbereich Verkehr und Umfeld Druck Grafik und Druck GmbH Peter Pöllinger, München Herstellung Trialog, Baiersbronn-Buhlbach, www.trialog.de Titelbild © pixabay Copyright Vervielfältigungen durch Druck und Schrift sowie auf elektronischem Wege, auch auszugsweise, sind verboten und bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung des Verlages. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Abbildungen übernimmt der Verlag keine Haftung. Eine Publikation der Trialog Publishers Verlagsgesellschaft, Baiersbronn-Buhlbach ISSN 2366-7281 (print) www.trialog.de/ agb Barbara Sahler Sachverständigen- und Fachpressebüro König Kontakt: mail@klauswkoenig.com AUTORIN abgetreppt werden. Im Zuge der statischen Berechnung bzw. der Typenstatik, die der Hersteller vorab erbringt, werden in Absprache mit dem Auftraggeber in jedem Fall die Betongüte und die erforderlichen Expositionsklassen definiert. Das Versetzen erfolgt per Autokran. Der Transport auf Innenladerpaletten mit einer Länge der Bauteile von maximal 9,0 m, einer Höhe von 4,5 m und einem Gewicht von 25 t ist ohne Sondergenehmigung im Straßenverkehr erlaubt. Wer sich für die vorgefertigten starwalls- Wände wegen der patentierten glatthaar-technology entscheidet, aber Natursteinvorsatz nicht möchte, wählt die Option „Sichtbeton“. Bauzeit und Ausführungskosten sparen Zeitgleich mit der Herstellung der Stützwände im Werk kann der GaLaBau-Betrieb vor Ort nach Angaben des Fertigteilherstellers das Fundament vorbereiten. Die Fertigteilwände haben in der Regel eine Anschlussbewehrung. L-Fuß oder T-Fuß werden im vorbereiteten Fundamentgraben bauseits armiert und betoniert. Vorteil dabei ist das durchgängige statische Fundament und eine Bauzeitverkürzung. Möglich ist eine Versetzleistung von 50 - 100 m pro Tag. Gestellt werden die Fertigteilwände auf verdichtetem Mineralgemisch oder einer Sauberkeitsschicht aus Beton, frostfrei gegründet. Ausschreibungsdetails mit Angaben zu Statik, Fugenausbildung, Schutzmaßnahmen auf der Erdseite etc. sind zu finden auf www. glatthaar-starwalls.de. Ohne allzu lange Anfahrt kann an jeden Ort in Deutschland von einem Fertigteilwerk der 16- starwalls- Lizenzpartner geliefert werden. Ab Werk sollte mit Kosten von etwa 180,00 - 320,00 € pro m² Wandfläche kalkuliert werden. Damit sind betongebundene Natursteinelemente bis zu 30 % kostengünstiger als herkömmliche Lösungen, bei bis zu 80 % kürzerer Bauzeit. Weitere Vorteile der Fertigteile sind Maßgenauigkeit und Qualitätssicherung durch kontinuierliche Kontrolle und Fremdüberwachung im Werk. LITERATUR · Betongebundene Natursteinelemente. Leistungsspektrum für den Landschaft-, Garten- und Straßenbau. glatthaartechnology GmbH & Co. KG, Schramberg, 2018. Bild 2: Sichtbeton Fertigteilwände mit Anschlussbewehrung für einen Recyclinghof. © glatthaar Bild 3: Setzen einer schweren Winkelstützwand. Ist sie fixiert, wird ihre Anschlussbewehrung mit der vorhandenen Armierung im Fertigteilfundament verbunden und mit Ortbeton vergossen. © glatthaar Gesund und sicher leben in der Stadt Am 3. Dezember 2018 erscheint die nächste Ausgabe von Transforming Cities mit dem Themenschwerpunkt Luftreinhaltung Begrünungsstrategien Lärmschutz Anpassungsstrategien an den Klimawandel Sichere Trinkwasserversorgung Warnsysteme + Schutzmechanismen
