Transforming cities
tc
2366-7281
2366-3723
expert verlag Tübingen
94
2019
43
Anpassungsstrategien an die Auswirkungen des Klimawandels Stadtklima | Grüne und blaue Infrastruktur | Schwammstadt | Stadtgrün | Urbane Wälder | Klimaresilienz 3 · 2019 URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Städtisches Grün - städtisches Blau Klimawandel. Versorgung. Strategien. Leitkongress mit großer Dialogmesse Die zentrale Innovationsplattform für die Gas- und Wasserwirtschaft 26. - 28.11.2019, koelnmesse Mit freundlicher Unterstützung von: Dekarbonisierung mit grünen Gasen Sicherung der Wasserressourcen Nachhaltigkeit als Verpflichtung Roadmap für H ² in der Gasinfrastruktur Andreas Feicht Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Han Fennema Gasunie NL Dr. Florian Ermacora EU-Kommission Prof. Dr. Georg Teutsch Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung 1 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES EDITORIAL Liebe Leserin, lieber Leser, Temperaturen, so hoch, wie sie nie zuvor gemessen wurden. Trockenheit und verheerende Waldbrände. Unwetter mit immer gewaltigeren Regenmengen, die schwere Schäden anrichteten - der Sommer 2019 sollte auch hartnäckigen Leugnern eines menschengemachten Klimawandels zu denken geben. Dennoch laufen sogenannte „denial machines“ nach wie vor auf Hochtouren, Lobby-Organisationen, die mit allen Mitteln versuchen, Meinung gegen den Klimaschutz zu machen. Warum auch immer. Unter Wissenschaftlern herrscht dagegen längst Konsens, dass die globale Erderwärmung ein Resultat anthropogener Treibhausgasemissionen ist. Seit über 30 Jahren - schon lange bevor die Aktivisten der „Fridays for Future“ begannen, für den Klimaschutz auf die Straße zu gehen - trägt der Weltklimarat (IPCC) die Ergebnisse weltweiter Forschung zusammen und veröffentlicht mehrstufig begutachtete Sachstandsberichte zum Themenkomplex Klimawandel. Die Lektüre der IPPC-Berichte ist anstrengend, denn Klimaforschung ist komplex. Berechnungen und Vorhersagen sind nur näherungsweise möglich. Laut Schätzung des IPCC beträgt die globale Erwärmung aufgrund menschlicher Aktivitäten gegenüber vorindustriellem Niveau bis heute etwa 1,0 °C (mit einer wahrscheinlichen Bandbreite von 0,8 °C bis 1,2 °C). Und: Sehr wahrscheinlich wird die globale Erwärmung zwischen den Jahren 2030 und 2052 auf 1,5 °C ansteigen, wenn sie weiter mit der aktuellen Geschwindigkeit zunimmt. Klimamodelle projizieren bei einem 1,5 °C-Szenario weitere Zunahmen von Hitzeextremen, Starkniederschlägen und Dürren. Niemand kann vorhersagen, was an welchem Ort künftig ganz genau passieren wird, doch die Tendenz lässt sich aus Tausenden wissenschaftlicher Arbeiten ablesen: Die Lage ist wirklich ernst. Daran ändert auch eine simplifizierende Weltsicht nichts. Die Verantwortlichen vor Ort wissen es längst: Um Städte und Gemeinden an sich abzeichnende Veränderungen anzupassen, bedarf es keiner kruden Verschwörungstheorien, sondern der Anstrengung und des guten Willens aller Beteiligter. Nur wissenschaftlich fundiert und zugleich praxisnah, fachübergreifend und gemeinsam lassen sich Städte klimaresilient umbauen. Wie sich das Stadtklima etwa durch die Implementierung grüner und blauer Infrastrukturen nachhaltig verbessern lässt, sehen Sie anhand guter Beispiele und kluger Ideen in der vorliegenden Ausgabe. Eine anregende Lektüre wünscht Ihnen Ihre Christine Ziegler Redaktionsleitung „Transforming Cities“ Städtisches Grün - städtisches Blau 2 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES INHALT 3 · 2019 FORUM Veranstaltungen 4 Urbane Zentren lebenswert gestalten und sicher versorgen Gastbeitrag von Prof. Dr. Gerald Linke, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches, DVGW. 6 Die Stadt wird zur Bühne für globalen Tanz Tanz für einen nachhaltigen Umgang mit Wasser Anette Mack 8 PMRExpo 26. bis 28. November 2019, Köln 9 Stadt der Zukunft - Zukunft der Stadt 10. und 11. Oktober 2019, Stuttgart 9 Bundeskongress Öffentliche Infrastruktur 4. Dezember 2019, Berlin 10 E-world energy & water 11. bis 13. Februar 2020, Essen PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum 11 Wasser in Bewegung Wahrzeichen Aquaretum auf dem Zürichsee in neuer Gestalt Klaus W. König 14 Grüne Wände in der Stadt Verbesserte Lebensqualität durch bepflanzte Innenhöfe im FrankenCampus in Nürnberg Dirk Peters 16 Paradebeispiel Retentions-Gründach Wohnquartier Noltemeyer Höfe in Braunschweig Roland Appl Infrastruktur 20 Smart und effizient Intelligente Technologien optimieren die Wasserwirtschaft Andreas Zerlett 22 Von den Vorteilen aktueller Technik profitieren Wasserverband Gifhorn setzt auf eine moderne Pumpensteuerung Christoph Westerwelle 26 Skalierbarkeit urbaner Projekte Intelligente Wasserversorgung in Stavanger (Norwegen) und die Herausforderungen bei der Replikation von Smart City-Projekten Jana Helder, Alexander Schmidt, Johnny Alexander Gunneng 30 Anpassung an den Klimawandel Regenwassermanagement und Gewässerschutz mit ACO Systemlösungen Olaf Wiechers Seite 11 Seite 30 Seite 34 © David Fuchs / Metallatelier GmbH © TREDJE NATUR © BBSR, Dosch 3 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES INHALT 3 · 2019 THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau 34 Die Schwammstadt als Baustein des klimaresilienten Stadtumbaus Klimaangepasstes Bauen zur Überflutungsvorsorge Fabian Dosch, Bernhard Fischer 42 Wassersensibles Planen und Bauen Antwort auf die Herausforderungen des Klimawandels? Andreas Rimböck 46 Für Grün - für Blau: für die Region Auf dem Weg in eine „Klimaresiliente Region mit internationaler Strahlkraft“ Michael Werner, Ulrike Raasch, Christian Falk, Guido Geretshauser 51 Stadt unter Überflutungsfähige Stadtquartiere als mögliche Antwort auf Siedlungsdruck und Klimawandel Christoph Fleckenstein, Ferdinand Ludwig 56 Integrierte Strategien zur Stärkung blaugrüner Infrastrukturen Verbesserung des Stadtklimas und der Aufenthaltsqualität als Maßgabe zukunftsfähiger Stadtentwicklung Bernd Eisenberg, Friederike Well, Ferdinand Ludwig 60 Cool durch grüne Infrastruktur Die Potenziale des Stadtgrüns zur städtischen Klimawandelanpassung Stephan Pauleit, Teresa Zölch, Astrid Reischl, Mohammad Rahman, Thomas Rötzer 66 Urbane Wälder in Leipzig Ein neuer Grünflächentyp Dieter Rink 70 Gewerbegebiete im Wandel Wie Gewerbegebiete in Marl, Remscheid und Frankfurt Biodiversität und Klimaschutz verbinden Sandra Sieber 76 Urbane Akupunktur Ein Ansatz zur städtischen Grünentwicklung? Jessica Hemingway, Juliane Mathey, Peter Wirth PRODUKTE + LÖSUNGEN Stadtraum 80 Ressourcenschonende Begrünung 80 Impressum Seite Seite 42 42 Seite 51 © lmaresz auf Pixabay Seite 66 © Tobias Hametner © Photo by Artiom Vallat on Unsplash 4 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES FORUM Veranstaltungen Urbane Zentren lebenswert gestalten und sicher versorgen Jüngste Studien bestätigen: Die Attraktivität großer Städte und Ballungsgebiete ist ungebrochen. Das gilt für Deutschland ebenso wie für die Situation auf unserem Globus allgemein. In den kommenden Jahrzehnten sind weltweit über 700 Städte zu erwarten, in denen dann jeweils mehr als eine Million Menschen leben werden. Eine Entwicklung, die auch die Energie- und Wasserversorgung sowie den Verkehrs- und Wärmesektor vor große Herausforderungen stellt. Es gilt, einen wachsenden urbanen Lebensraum lebenswert zu gestalten und die Menschen sicher zu versorgen. Dazu gehören unter anderem Energie, Wärme, Wasser und die innerstädtische Mobilität - alles mit Blick auf Klimaschutz, Nachhaltigkeit und eine geringe Umweltbelastung. Wie hoch der Handlungsdruck gerade in Großstädten ist, haben die jüngst verhängten Fahrverbote für Dieselautos belegt. Klar ist, dass mit diesen punktuellen Maßnahmen allein die CO 2 -Minderungsziele im Verkehrssektor nicht zu erreichen sind. Längst haben Erdgas und grüne Gase erfolgreich unter Beweis gestellt, dass sie entscheidend zu einer klima- und umweltfreundlichen Mobilität beitragen können. Das trifft nicht nur auf die PKW zu. Vor allem im Gütertransport sind sie eine echte Alternative. Die Politik sollte sich daher zu einer echten Technologie-Offenheit bekennen und die Rahmenbedingungen auch für klimafreundliche Gasantriebe schaffen. Ein weiterer Bereich, in dem Gas und insbesondere Bio-Gas einen wichtigen Beitrag zum urbanen Klimaschutz leisten können, ist der Wärmemarkt. Denn ungefähr ein Drittel des gesamten Endenergieverbrauchs in Deutschland entfällt auf das Heizen und Kühlen von Gebäuden sowie auf die Warmwasserversorgung. Ein vermehrter Einsatz von gasbasierten Heizungen in privaten Haushalten kann die Treibhausgasemissionen deutlich senken. Der Einsatz signifikanter Mengen grüner Gase ist daher unverzichtbar, wenn Deutschland seine CO 2 - Emissionen analog der Klimaschutzziele schnell, sicher und bezahlbar reduzieren will. Bei diesen Herausforderungen ist Power-to-Gas die Schlüsseltechnologie. Sie ermöglicht die zunehmende Einspeisung CO 2 -freier Gase in die Gasinfrastruktur, die Speicherung volatiler Energien aus Sonne und Wind und die Kopplung der Gas- und Stromnetze und Verbrauchssektoren wie Heizanlagen oder Tankstellen. In Deutschland werden aktuell 35 solcher Anlagen überwiegend zu Demonstrationszwecken betrieben. Wie sich ihr realer Einsatz im Jahr 2030 auf die Energieverteilnetze auswirken kann, wurde in einem vom DVGW geförderten Projekt untersucht. Das Ergebnis: Die Schlüsseltechnologie für ein dekarbonisiertes Energiesystem kann die Planung von Verteilnetzen optimieren, volkswirtschaftliche Potenziale heben und monetäre Erlöse erzielen. Auch die Wasserversorgung steht vor der Herausforderung, sich an veränderten Rahmenbedingungen auszurichten. Im Sinne der Ressourcenschonung sind Leitungsverluste zu reduzieren und die Energie-Effizienz im Anlagenbetrieb zu optimieren. Die mit dem Klimawandel verbundenen Hitze- und Dürreperioden stellen steigende Anforderungen an eine leistungsfähige Versorgungsinfrastruktur. So ist zu erwarten, dass der Wasserbedarf in heißen Sommermonaten für den Verzehr, aber auch zur Luftabkühlung in den Städten, deutlich zunehmen wird. Zugleich wirken sich häufigere und langanhaltende Hitze und Dürre auf die zur Verfügung stehenden Wasserressourcen aus. Dementsprechend sind Betriebsabläufe zu analysieren und systematisch an neue Anforderungen, zum Beispiel die zunehmende Spreizung der Wasserbedarfe, anzupassen. Gastbeitrag von Prof. Dr. Gerald Linke, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches, DVGW. © DVGW 5 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES FORUM Veranstaltungen Neben dem Kongress findet wieder die große Dialogmesse in der koelnmesse statt. Kongress- und Messebesucher haben Gelegenheit, Informationen zu neuen Produkten und Dienstleistungen aus erster Hand einzuholen. Erwartet werden über 200 Aussteller aus der „Gas- und Wasserwelt“, aber auch aus weiteren Branchen. Ziel der Fachmesse ist, die gesamte Wertschöpfungskette der Gas- und Wasserwirtschaft abzubilden. Seit Jahren gehört darüber hinaus ein umfangreiches Rahmenprogramm zu gat|wat. Die Silent Stage zum Beispiel in der Dialogmesse bietet Besuchern an allen drei Tagen Fachvorträge zu neuen Technologien sowie den Themen Infrastruktur, Digitalisierung und Innovation. Erstmalig findet hier auch das etablierte Innovationsforum Wasserwirtschaft statt, eine Veranstaltung des Water Innovation Circle (WIC) von DVGW und DWA. Zusätzlich bereichern innovative Formate wie Thementische, Speed Datings und Business-Frühstücke die Messe. Möglichkeiten zu Networking und Erfahrungsaustausch bietet auch ein speziell auf den Nachwuchs zugeschnittenes Rahmenprogramm. www.gat-wat.de Diese und weitere Herausforderungen im urbanen Sektor greifen gat und wat, die vom 26. bis 28. November 2019 in Köln stattfinden, in zahlreichen Kongressformaten und Dialogveranstaltungen auf. Das Spektrum der gat reicht von einer Zwei-Energieträger-Welt aus Gas- und Strom über die gemeinsame Netzplanung mit Blick auf den Kohleausstieg bis zu den Chancen und Einsatzgebieten für Wasserstoff. Auf der wat geht es um die frühzeitige Entwicklung langfristiger Versorgungskonzepte bis zum Jahr 2100. Es gilt, die Auswirkungen veränderter Lebensgewohnheiten, intensiver Landwirtschaft und des demographischen Wandels, aber auch technologische Trends wie die Digitalisierung in der Versorgung mit Trinkwasser abzubilden. Gerade mit Blick auf das anhaltende Wachstum im urbanen Bereich werden gat und wat im kommenden November mit der begleitenden Fachmesse zu einem wichtigen Treffpunkt für alle, die sich für eine sichere und nachhaltige Versorgung in Städten und Ballungsgebieten engagieren. Es war bisher immer eine Stärke beider Branchen, sich auszutauschen und frühzeitig die Weichen für die Zukunft zu stellen. Dies ist auch in diesem Jahr sichergestellt. ÜBER 200 AUSSTELLER AUF DER FACHMESSE www.kanalbau.com Qualität fordern, Werte schaffen 6 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES FORUM Veranstaltungen Rund 70 % der Erdoberfläche sind mit Wasser bedeckt, aber über 97 % davon sind Salzwasser. Nur ungefähr 2,5 % des gesamten Wassers sind Süßwasser. Jeder achte Mensch auf der Erde hat keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser und darüber hinaus ist der Zugang weltweit nicht gerecht verteilt. Die Vereinten Nationen haben bereits vor vielen Jahren den Zugang zu sauberem Wasser zu einem Menschenrecht erklärt. Dennoch leiden Millionen Menschen unter Wasserknappheit und mangelnder Hygiene. Rund 2,1 Mrd. Menschen weltweit haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, 884 Mio. Menschen haben nicht einmal eine Grundversorgung mit Wasser. Wasser ist unsere wichtigste Ressource. Auch unser Körper besteht zu etwa 70 % aus Wasser, ohne das es weder Blut, Gelenke, Gehirn noch Nervensystem gäbe. Wasser, das Leben auf der Erde und unser Körper, dies alles ist auf Engste miteinander verbunden. Auf diese Problematik machen seit 2011 die Global Water Dances aufmerksam, die dieses Jahr zum fünften Mal stattfanden. In Deutschland wurde unter anderem in Berlin, Potsdam, Halle, Kassel, Hildesheim, Aachen, Frankfurt, Stuttgart, Heidelberg und Landau in der Pfalz getanzt. Die weltweiten Performances vereinen die Geographie eines bestimmten Ortes, einen Aufruf zum Umweltschutz und die kreative Kunst. Lokale Choreographen kreieren ortsspezifische Tänze und laden das Publikum am Ende ein, am Tanz teilzunehmen. „Die diesjährigen Global Water Dances sind mit über 180 Orten die größten, seit wir 2011 begonnen haben.“ sagte Vannia Ibarguen, die künstlerische Leiterin von Global Water Dances und Choreografin von VIDA (Vannia Ibarguen Dance Arts) in Kalifornien. „Die zuverlässige Versorgung mit sauberem Trinkwasser ist eine der großen globalen Herausforderungen unserer Zeit. In diesem Jahr steht Global Water Dances im Einklang mit dem Motto der Vereinten Nationen „Wasser für alle“ und dem Ziel Nr.-6 der nachhaltigen Entwicklung, das darauf abzielt, die Verfügbarkeit und den nachhaltigen Umgang mit Wasser bis 2030 für alle Menschen sicherzustellen“. In Heidelberg traf sich eine kleine Gruppe von acht Laientänzerinnen auf der Neckarwiese. Im Vorfeld hatten die Frauen ein lokales Stück entwickelt und die globale gemeinsame Choreographie einstudiert, die weltweit parallel aufgeführt wird und die Gruppen verbindet. Die Laientänzerinen aus dem Raum Rhein-Neckar haben sich zusammengefunden, um sich mit diesem künstlerischen und zugleich gesellschaftskritischen Netzwerk zu verbinden, zu solidarisieren und auf lokale Themen der Wasserproblematik hinzuweisen. Die Stadt wird zur Bühne für globalen Tanz Juni 2019: Tanz für einen nachhaltigen Umgang mit Wasser an über 180 Orten weltweit Anette Mack An Flussufern, Stränden, Seen und in städtischen Parks konnte man am 15. und 16. Juni 2019 tänzerische Szenen beobachten, in denen Menschen Verdursten und Wassermangel verkörpern oder mit Wasser spielen. Sie stehen still und zittern am ganzen Körper wie pralle Wolken vor dem Niederschlag oder bedrohen sich gegenseitig im Kampf um die Ressource Wasser. Zu sehen war, wie die Körper Erde und Himmel verbinden, freudvolle Sprünge vollführen und das Wasser mit rituellen Handlungen ehren. Bild 1 (links): Tanzprojekt Liquid City in Berlin mit den Schüler*innen des Horts Bunte Wille und der Clara Grunwald Grundschule. © Margit Rosenberger Bild 2 (rechts): Tänzer*innen der Clay Dance Company in ZKampala, Uganda. © Margaret Pribyl 7 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES FORUM Veranstaltungen Auch in Heidelberg konnte man im vergangenen Jahr erleben, wie es sich anfühlt, wenn es monatelang nicht mehr regnet oder wenn das Trinkwasser plötzlich verunreinigt ist. Gemeinsam zu tanzen ist eine wunderbare Chance, um andere Menschen zu inspirieren und zum Nachdenken anzuregen, findet die Gruppe. Mit dem Körper kann man sehr schnell fühlen, wie begrenzt und wie wichtig unsere natürlichen Ressourcen für unser Überleben sind. In Berlin wurde die Performance gleich von zwei unterschiedlichen Choreographen aufgeführt. Heike Kuhlmann vom Global Water Dance Performance Kollektiv Berlin hat bereits am 22.- März anlässlich des Weltwassertages mit einer künstlerischen Aktion begonnen und vom 13. - 6. Juni wurde ein kleines Festival an mehreren Orten veranstaltet. In Berlin war es gelungen, auch Schulen und politische Gruppierungen mit ins Boot zu holen. So wirkten bei der Aufführung „Liquid City“ am 14.-Juni auf dem Gelände des Technik Museums Berlin auch die Clara Grunwald Grundschule, die Fanny Hensel Grundschule und der Hort Bunte Wille sowie Tanz & Theater im Phynix e. V. mit. Heike Kuhlmann und Anja Schäplitz hatten über ein Schuljahr lang zum Thema Wasser gearbeitet. Die Schüler*innen besuchten beispielsweise das Berliner Aquarium und lernten das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven kennen. Am 14. Juni hatten die Berliner*innen in einer öffentlichen Runde zum Thema „Die Welt im Wassermangel“ über die Hintergründe von Global Water Dances informiert. Mit dabei waren Johanna Erdmann vom Berliner Wassertisch, Stefanie Hess, Weltfriedensdienst e. V., Antja Kennedy vom Global Water Dances - Steering Committee/ EUROLAB und Michael Bender von der GRÜNEN LIGA e. V. In der Diskussion ging es unter anderem um die Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe, um den Wasserraub, der durch große Konzerne verursacht wird und um Strategien für sparsame Bewässerung in der Landwirtschaft in trockenen Gebieten. Während in Berlin über Trockenheit geredet wird, gibt es Städte die klimatisch bedingt sehr viel stärker mit Bedrohungen konfrontiert sind. Wasserverunreinigung ist ein Problem in Kampala, Uganda am Viktoriasee. Hier thematisierte die Choreografin Jill Pribyl gemeinsam mit dem Umweltminister Dr.- Callist Tindimugaya die Verunreinigung des Viktoriasees durch Müll. Der See ist das größte Wasserreservoir für die Menschen in Uganda, Kenia und Tansania. Ebenso thematisiert wurden die Gefahren von Krankheiten und Seuchen durch die häufigen Überschwemmungen durch Starkregen, mit denen die Menschen in der Region immer wieder konfrontiert sind. Auch in Rom, Göteborg, New York, Long Beach Kalifornien, Tel Aviv, Bangladesh und in Supe bei Lima in Peru wurde getanzt, um nur einige der vielen Städte und Orte zu nennen. In Long Island und in Peru machten die Tänzer*innen auf den Plastikmüll in den Meeren aufmerksam und vernetzten sich mit lokalen Umweltorganisationen wie der Algalita Marine Research Foundation in Long Island und mit Vida - Institute for the Protection of the Environment in Peru. Die Global Water Dances sind im Laban/ Bartenieff Institute of Movement Studies (LIMS) in New York City angegliedert. Das internationale Netzwerk von Tänzern und Choreographen von LIMS ist bestrebt, eine neue Generation von sozial bewussten Künstlern zu fördern, die den Tanz nutzen, um sich aktiv um unseren Planeten und die Menschen zu kümmern. Der Tanz ist ein mächtiger Kanal, der die Menschen verbindet und das Unsichtbare sichtbar macht. Die nächsten Aufführungen sind für Juni 2021 geplant. Weitere Informationen: www.globalwaterdances.org Bild 3 (links): Aufführung auf der Neckarwiese in Heidelberg am 15. Juni 2019. © Nora Rahman Bild 4 (rechts): In Peru wurde am 15. Juni 2019 am Strand von Caleta Vidal, in Supe, in der Nähe von Lima getanzt. © Vida Instituto para la Protección del Medio Ambiente 8 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES FORUM Veranstaltungen Die 19. PMRExpo findet vom 26. bis 28. November 2019 in der Koelnmesse statt. Schirmherr ist Herbert Reul, Minister des Innern des Landes Nordrhein- Westfalen. Über 230 internationale Aussteller zeigen Produkte, Lösungen und aktuelle Innovationen aus dem Bereich der sicheren Kommunikation und des Professionellen Mobilfunks. Die PMRExpo hat sich in den letzten Jahren zur europäischen Leitmesse für sichere Kommunikation weiterentwickelt und dabei ein gewaltiges Wachstum geschafft. Innovationen bei Design und Summit Sichere Kommunikation Die PMRExpo präsentiert sich 2019 mit einem frischen Design und neuen interaktiven Programmelementen. Auch bei der Programmgestaltung geht die PMRExpo 2019 neue, innovative Wege: Auf dem Summit Sichere Kommunikation bieten Top-Redner vom 26. bis 28. November aktuelle Trends und Themen. Neben den gewohnten Vorträgen werden erstmals interaktive Thementische sowie Diskussionsrunden mit über 30 Experten zu den folgenden Leitthemen angeboten: Sicherheit Kritischer Infrastrukturen, Breitband-Lösungen, Internet of Life Saving Things und Cloud-Lösungen. Fokus: Leitstelle und Fachforen Der Fokus: Leitstelle bietet am 28. November innerhalb des Summit Sichere Kommunikation mit zahlreichen Experten-Vorträgen die gesamte Bandbreite der Innovationen in den Leitstellen. Am 26. und 27. November finden erneut Fachforen als frei zugängliche Veranstaltungen an zentraler Stelle inmitten der Ausstellung statt. Kompakt wird Wissen unter anderem in folgenden Foren präsentiert und diskutiert: BOS-Forum, Energiewirtschaftsforum, Mission Critical Forum und Objektfunkforum. Symposium Energiewirtschaft An Vertreter von Energieversorgungsunternehmen und Stadtwerken richtet sich 2019 erneut das Symposium Energiewirtschaft. Es beleuchtet Themen der sicherheitskritischen Kommunikation aus der Branchenperspektive. In diesem Jahr befasst sich das Symposium unter anderem mit 5G-Anwendungen, dem Schutz vor dem Blackout, dem Frequenzbereich 450 MHz und LoRaWAN. Weitere Informationen: www.pmrexpo.de Leitmesse für Professionellen Mobilfunk und Leitstellen PMRExpo: vom 26. bis 28. November 2019 in der Koelnmesse FORUM FORUM Veranstaltungen © Claudius Pflug / Berlin, 2018 9 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES FORUM Veranstaltungen Auch in der Stadt der Zukunft müssen Bewohner und Besucher mobil bleiben. Gleichzeitig gilt es, ein lebenswertes Umfeld zu erhalten. Die Herausforderungen sind vielfältig und trotzdem in vielen Städten und Gemeinden ähnlich. Was bringt die wachsende Bedeutung von E-Mobilität für die Städte mit sich? Wie kann das Zusammenwachsen von Straßenverkehr und öffentlichem Personennahverkehr funktionieren? Die stetig steigende Mobilität sorgt zudem für einen erhöhten Energiebedarf. Außerdem kommt die Frage auf, wie wir mit den Daten in der Stadt der Zukunft umgehen. Neue, auch unkonventionelle Lösungsansätze sind gefragt. Deshalb steht der 6. Fachkongress „Stadt der Zukunft - Zukunft der Stadt“ unter dem Leitthema „Die Stadt im Umbruch“. Auf dem Programm stehen Beim Programm oder in kleiner Runde: Am Veranstaltungsort im Herzen Berlins, dem Hotel Adlon, werden auf dem 13. Bundeskongress Öffentliche Infrastruktur über 300 Interessierte aus unterschiedlichen Bereichen zusammen über die Zukunft der kommunalen Infrastruktur diskutieren. Themen sind der Standpunkt der Politik, die Bedeutung der ländlichen Räume, die Mobilität von morgen, das Immobilienmanagement und die neuesten Entwicklungen bei den Infrastrukturgesellschaften. Eine effiziente, nachhaltige Infrastruktur ist der Schlüssel für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands sowie für die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse. Dazu bedarf es der durchdachten Kooperation der Verkehrsträger sowie des planvollen Ausbaus der Verkehrswege und der Informations- und Kommunikationsinfrastruktur. Hier bieten sich unterschiedliche Strategien an. Grundlegende Fragen drehen sich um Planung und Beschaffung. Zunehmend wird sich die Branche auch mit der Digitalisierung beschäftigen oder mit Fragen zu Baupartnerschaften, Finanzierung oder Abrechnung von Bauleistungen. Vorträge, Gespräche, Diskussionen und Best Practice-Beispiele rund um die Themen Verkehr, Energie und Daten in der Stadt der Zukunft. Weitere Informationen: www.die-stadt-der-zukunft.de Der 14. Bundeskongress Öffentliche Infrastruktur, der am 4. Dezember 2019 erneut im Hotel Adlon in Berlin stattfinden wird, schafft Raum für Kommunikation und die Pflege von Netzwerken. Das Kongress-Angebot mit zukunftsweisenden Konzepten für die öffentliche Infrastruktur richtet sich an Kommunen, Länder und den Bund. Angesprochen sind Entscheider und Experten aus Ämtern, Fachbehörden, kommunalen Zweckverbänden, öffentlichen Unternehmen und Ministerien. Anmeldung: www.oeffentliche-infrastruktur.de © Lichtgut/ Leif-Hendrik Piechowski Effizient, nachhaltig, digital: Die Infrastruktur der Zukunft Bundeskongress Öffentliche Infrastruktur 2019 am 4. Dezember 2019 im Adlon, Berlin Stadt der Zukunft - Zukunft der Stadt Fachkongress der Stuttgarter Zeitung, 10. und 11. Oktober 2019, tHeo.2.meet, Stuttgart © Klaus Dombrowsky; Bundeskongress Öffentliche Infrastruktur 2019 10 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES FORUM Veranstaltungen Die Themenschwerpunkte der E-world 2020 stehen fest. Zum 20. Jubiläum der Messe wird sich ein umfangreiches Vortragsprogramm mit den Themen Smart City, Climate Solutions und Energiewende, Netze und Infrastruktur sowie Innovationen der Branche beschäftigen. Als Treffpunkt der europäischen Energiewirtschaft legt die Veranstaltung zudem stets ihren Fokus auf internationalen Austausch und die Förderung von landesübergreifenden Kooperationen. Die Ausrichtung der Schwerpunkte unterstreicht das Engagement der E-world, die nachhaltige Transformation der Energiewirtschaft aktiv mitzugestalten und zu fördern. Effiziente Lösungen für urbane Räume Ein wichtiges Themenfeld ist auch im nächsten Jahr weiterhin Smart City. Dazu zählen fortschrittliche Anwendungen in ganzheitlicher Betrachtung wie Quartierslösungen für Städte, aber auch Entwicklungen in ländlichen Regionen, Stichwort: Smart Countryside, gewinnen an Relevanz. Als Grundlage für das Internet of Things wird LoRaWan - Long Range Wide Area Network - zunehmend zum Treiber einer effizienten Vernetzung und ermöglicht eine breitere Anwendung smarter Technologien. Herausforderungen der E-Mobilität, beispielsweise die Bereitstellung der notwendigen Ladeinfrastruktur und die Verbesserung der Ladeprozesse, gehören ebenso in diesen Themenblock wie die Vorteile und Anwendungsbereiche von Micro Grids. Wie kann die Energiewende bestmöglich gestaltet werden? Der Klimaschutz bestimmt die gesellschaftliche Debatte stärker als je zuvor. Folglich werden auch 2020 Fragestellungen rund um Climate Solutions und neue Aspekte der Energiewende eine zentrale Rolle auf der E-world spielen. Im Fokus stehen hierbei die Sektorkopplung und die Optimierung von Power-to-X-Technologien. Energieeffizienzlösungen und innovative Speicher haben das Potenzial, die Dekarbonisierung, und damit auch die Klimaziele, näher zu rücken. Netze und Netzinfrastruktur stehen im Mittelpunkt des dritten Themenschwerpunkts. Hier geht es um die Dezentralisierung, Auswirkungen von Micro Grids auf die Versorgungssicherheit sowie den Breitbandausbau als Enabler für Zukunftstechnologien und neue Geschäftsmodelle. Darüber hinaus ist Netzsicherheit ein wichtiger Aspekt - besonders im Bereich Smart Grids. Hier ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz zur Steuerung und Verteidigung von intelligenten Netzen eine vielversprechende Option. Eine Bühne für Innovation Globale Herausforderungen können nur gemeinsam gemeistert werden. Daher versammelt die E-world Entscheider der europäischen Energiewirtschaft in Essen, um als Gemeinschaft Lösungen für die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens zu entwickeln. Themen wie die Zukunft des europäischen Strommarktes und die Gewährleistung der Versorgungssicherheit prägen den internationalen Austausch. Zahlreiche englischsprachige Vorträge geben dem internationalen Fachpublikum wichtige Denkanstöße. Ebenso liefern junge Unternehmen frische Impulse. Als Startup-Treffen der Branche werden auf der E-world stets die neuesten Entwicklungen und Trends vorgestellt. Zusätzlich zum Themenbereich Innovation in Halle 4 bietet auch das Vortragsprogramm Startups sowie Herstellern neuer Produkte und Dienstleistungen eine Plattform. Ziel ist es, aktuelle Fragestellungen und deren innovative Lösungen zu diskutieren und neue Geschäftsfelder zu identifizieren. Weitere Informationen: www.e-world-essen.com Seit 20 Jahren Treffpunkt der Entscheider E-world energy & water 2020 vom 11. bis 13. Februar 2020 in Essen © Udo Geisler 11 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum Ortskundige wissen, dass es am Mythenquai, im Zentrum Zürichs, unmittelbar vor dem Sportboothafen Enge das Aquaretum als Fontäne gab. Ein Geschenk der Zürich Versicherungs- Gesellschaft aus Anlass ihres 125-jährigen Jubiläums 1998 an die Bevölkerung der Stadt. Nach 20 Jahren war es an der Zeit, die Technik zu erneuern. Als Bauherrschaft ließ die Zürich Versicherungs-Gesellschaft die Anlage komplett ersetzen, die jetzt geschaffene Attraktion im Austausch mit Fachstellen und Anrainern entwickeln und im ordentlichen Verfahren durch Stadt und Kanton bewilligen. Das so entstandene Wasserspiel ist ein schwimmendes Kunstwerk, das nach dem Willen seiner Schöpfer gerade keine typische Fontäne mehr sein soll. Andres Bosshard, den weit über die Schweiz hinaus bekannten Klangkünstler, zogen die für die Neuinstallation Verantwortlichen von Fischer Architekten beizeiten zu Rate. Der Pulsschlag unseres Planeten Die mit Hilfe von Luft und Licht inszenierte, filigran bewegte Wasser-Skulptur ist bis zu 30 Meter hoch und ändert ihre Gestalt fortwährend, allerdings nicht nur durch Wind und Thermik. Das Auge des Betrachters erkennt Wasser in Bewegung Wahrzeichen Aquaretum auf dem Zürichsee in neuer Gestalt, seismische Signale steuern ein weithin sichtbares Wasserspiel Klaus W. König Eine Fontäne ist besonders eindrucksvoll, wenn der Wind den aufrecht sprühenden Wasserstrahl in Gischt und Sprühnebel zerlegt und vor sich her treibt. Anders in Zürich. Die Attraktion des „Aquaretum“ besteht seit Mai 2019 aus 12 exakt gebogenen Wasserstrahlen, die zusammen ein räumliches Gebilde formen. Dessen Gestalt variiert, durch seismische Impulse belebt. Bild 1: Die Kugeldüsen aus acht Millimeter starkem Edelstahl sind die beständig sichtbaren Elemente. Sie dienen mit 120 Zentimeter Durchmesser als Schwimmkörper für die rund 30 Tonnen schwere Gesamtkonstruktion. © David Fuchs / Metallatelier GmbH 12 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum Bild 3: Entpacken und Reinigen der Kugeldüsen auf dem Zürichsee, während der Schneesturm „Eberhardt“ heranzieht. © David Fuchs / Metallatelier GmbH zunächst die zwölf kugelförmigen Wasserdüsen aus Edelstahl, welche in vier Dreiergruppen - in den Ecken einer quadratischen Fläche von 16 x 16 Meter angeordnet - auf der Seeoberfläche schwimmen. An jeder der zur gemeinsamen Mitte geneigten Düsen bildet sich ein glasklarer Wasserbogen, der ab 10 Meter Höhe allmählich aufzubrechen beginnt. Er behält noch über den Scheitelpunkt hinaus eine stabile Form. Im Herabfallen bilden sich Wasserbögen, welche sich in drei unterschiedlichen Höhen zu Kuppeln verweben und ein räumliches Gewölbe entstehen lassen. Zum Leben erweckt wird das Aquaretum schließlich durch Signale, die in Echtzeit von der äußeren Hülle unseres Planeten Erde empfangen werden. Diese mikroseismischen Boden-Bewegungen haben ihren Ursprung neben lokalen Ereignissen auch im Wellenschlag an den Meeresküsten und in den Tiefdruckgebieten über den Ozeanen. Damit wird die Verwandtschaft des Wassers im Zürichsee zum Wasser anderer Kontinente erlebbar. Konkret bedeutet das, dass Livesignale seismischer Aktivität, aufgezeichnet von der Erdbebenwarte der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH), zunächst lokal aufbereitet werden müssen, bevor sie dem Wasserspiel seinen Rhythmus geben können. Mit Einbruch der Dunkelheit verwandelt sich das Aquaretum in ein Lichtobjekt. Mit Spezialleuchten in den Kugeldüsen phosphoreszieren die laminaren Wasserstrahlen, Glasfasern ähnlich, von innen heraus. Zusätzliche sparsame LED-Scheinwerfer strahlen die höheren Wurfbereiche an und verdeutlichen die Wasserbögen. An Feiertagen und Festtagen wird durch eine spezielle Farbauswahl ein besonderer Akzent gesetzt. Durch Erdbewegung erregte Brunnenchoreografie Die Kugeldüsen aus acht Millimeter starkem Edelstahl sind die beständig sichtbaren Elemente. Sie dienen mit 120 Zentimeter Durchmesser als Schwimmkörper für die etwa 30 Tonnen schwere Gesamtkonstruktion. Um zwölf ständig von Bodenunruhe erregte Wasserstrahlen in ein ausgewogenes Wasserspiel zu bringen, hat die Metallatelier GmbH zunächst ein funktionierendes Modell im Maßstab 1: 10 gebaut. „Mit kompositorischem, choreografischem und steuerungstechnischem Wissen entwickelten wir eine Bewegungsverwandtschaft zwischen den drei Kuppeln, damit sie mit eigenständigen, freien Bewegungen einander folgen, manchmal sich sogar überholen und nur selten untereinander kollidieren. Diese drei Elemente des Aquaretum bilden mit ihrem gemeinsamen Charakter die klare Gesamtgestalt des Wasserspiels“, erklärt Geschäftsführer David Fuchs. Und Mitarbeiter Michael Roggon ergänzt: Bild 2: Wasserspiel Aquaretum: ein erster Testbetrieb vor dem Justieren der Kugeldüsen. © David Fuchs / Metallatelier GmbH 13 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum „Die Modulation des Lichts in der Nacht ist das vierte Element, mit dem wir die auch vorhandenen sehr ruhigen seismischen Impulse zeigen, die Perioden von 1 - 20 Minuten Dauer haben“. Bei laufendem Versuchsbetrieb konnten die Charakteristika der Erdbewegungen erkundet und in den Steuerungscomputer zur Bewegung des Wasserspiels eingespeist werden. Der Programmierer Olaf Matthes setzte die künstlerischen Anforderungen mittels MAX MSP in ein fein justierbares Programm um, welches zwischen Seismometer und der BECKHOFF Industriesteuerung für die Pumpen geschaltet ist. Die vier Wasserstrahlen der untersten Kuppel reagieren am schnellsten. Ihre steigenden und sinkenden Bewegungen folgen der Beschleunigung, welche die aktuelle seismische Kurve charakterisiert. Die mittlere Kuppel interpretiert den gleichen Bewegungsimpuls etwas gemächlicher und verfolgt dessen Geschwindigkeit. Die oberste Kuppel, die dem Aquaretum seine äußere Gestalt gibt, ist die ruhigste. Sie zeigt den Weg des gemessenen Signals. Bei besonderen seismischen Ereignissen erreicht das Wasserspiel eine Höhe von bis zu 30 Metern. Vom Signal zum Wasserstrahl Der Schweizerische Erdbebendienst (SED) sendet das Signal, gemessen auf dem Zürichberg mit einem Breitband-Seismometer, an die ETH Zürich, deren Messstation „ZUR“ sich in der Brunnenkammer am Hafen Enge befindet. Einzig der Frequenzbereich unterscheidet die Daten von einem üblichen Audiostream. Dank der hohen Sensibilität der Messgeräte bewegt sich das Aquaretum auch durch sanfteste Bewegungen der Erde, welche als Bodenunruhe bezeichnet werden. Die Erde ist vergleichbar mit einer riesigen Glocke, schlägt man sie kräftig an, klingt sie bis zur Dauer eines Monats. Zur Belebung des Wasserkunstwerks eignen sich die Frequenzen mit einer Wellenlänge zwischen einer Sekunde und einigen Minuten am besten. Das Programm von Olaf Matthes pegelt das Signal ein, filtert, verstärkt und komprimiert es, und gibt es schließlich in vier Umrechnungen an die BECKHOFF Industriesteuerung aus. Die Bewegungsverwandtschaften und damit auch die Unterschiede in der Bewegungscharakteristik der drei Kuppeln sowie der Beleuchtung entstehen maßgeblich durch diese Umrechnung. Der „ZUR“-Sensor steht in einem etwa vier Meter tiefen Schacht, direkt in der Molasse des Zürichbergs. Am Schachtgrund wurde ein 40 Zentimeter hohes Betonfundament gegossen. Darauf steht die Breitbandstation mit einem „Streckeisen STS2_gen3“-Sensor. Dieser sehr hochwertige Sensor kann feinste Bewegungen in einen weiten Frequenzbereich abbilden. Bis zu einer Wellenlänge mit Periode 120 Sekunden nimmt die Empfindlichkeit des Sensors nur wenig ab. Mit weiter steigender Wellenlänge sinkt die Empfindlichkeit des Sensors. In Abhängigkeit zur seismischen Geräuschkulisse können an einem solchen Sensor bei optimaler Filterung sogar die Erdgezeiten abgebildet werden, was einer Wellenlänge mit Periode von 12 Stunden und 24 Minuten entspricht. Wobei die Amplituden der verwendeten Wellen eher im Mikrometerbereich liegen und die Erdgezeiten Bewegungen im Dezimeterbereich verursachen. Es ist schwer zu sagen, was genau jeweils die Quelle einer Schwingung ist. In dem für die Wasserstrahlen des Aquaretum genutzten Frequenzbereich zwischen 0.5 und 0.005 Hz (also eine Periode von 2 bis 200 Sekunden) spielen Wetter und Wind eine große Rolle. Bei sieben Sekunden liegt der sogenannte „Meeresmikroseismische Peak“ - das sind Ozeanwellen, die auf Küsten treffen. Deren Stärke ändert sich mit dem Wetter. Fernbeben fallen ebenfalls in diesen Bereich. Auch die Oberflächenwellen von manchen Beben aus der Schweiz sollte man mit Perioden von bis zu einigen Sekunden sehen können - und vermutlich Teile des Bahnverkehrs im Tunnel unter der Stadt Zürich. Aus der Sicht des Künstlers Andres Bosshard ist es „eine Stimme aus dem Grund der Stadt Zürich, die in schwimmenden und schwingenden Formen von Wasser und Licht einen Dialog unseres Planeten mit dem Betrachter herstellt“. Seine Idee wurde unter der Leitung von Fischer Architekten durch ein interdisziplinäres Team von Spezialisten an der Schnittstelle von Kunst und Architektur geplant und realisiert. Dipl.-Ing. Klaus W. König Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Bewirtschaftung und Nutzung von Regenwasser, Fachjournalist kwkoenig@koenig-regenwasser.de AUTOR Bild 4: Der Laminarstrahl des Wasserspiels Aquaretum beim Verlassen der Kugeldüse, von innen beleuchtet. © David Fuchs / Metallatelier GmbH 14 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum Die Klimaerwärmung ist vor allem in der Stadt spürbar. Bepflanzte Gerüste und Häuserfassaden helfen in vielfacher Weise, die Aufenthaltsqualität im städtischen Raum zu verbessern. Pflanzen sorgen für einen sommerlichen Wärmeschutz und erhöhen die Luftqualität. Die gefühlte Temperatur ist in der Nähe von Bäumen und Sträuchern deutlich niedriger als auf heißem Asphalt. Der Businesspark FrankenCampus ist eine Projektentwicklung der Nürnberger KIB Gruppe in zentrumsnaher Lage mit bester Infrastruktur. Eigentümerin des Businessparks ist die Kapitalver- Grüne Wände in der Stadt Verbesserte Lebensqualität durch bepflanzte Innenhöfe im Businesspark FrankenCampus in Nürnberg Dirk Peters Begrünte Häuserfassaden und innovative Gerüstideen verbessern das Klein- und Gebäudeklima, bieten Nahrung und Rückzugsräume für Vögel und Insekten und schaffen so ein modernes Verständnis von der Stadt als Lebensraum. Vor dem Hintergrund von zunehmender Nachverdichtung sind nachhaltige Gebäudekonstruktionen und Begrünungsideen heute essenziell für die Stadtplanung. Ein Beispiel dafür ist das Bürogebäude 146 im Businesspark „FrankenCampus“ in Nürnberg. Dieses ist mit einem Rankgerüst zur Begrünung der Innenhöfe ausgestattet und bildet mit dem angrenzenden Greenbuilding Franken- Campus 148 ein ökologisch und ökonomisch nachhaltiges Gebäudeensemble. FrankenCampus. Fotorealistische Darstellung, Änderungen vorbehalten. © KIB Gruppe“ 15 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum waltungsgesellschaft Wealthcap, die mit ihrem Fonds „Immobilien Deutschland- 41“ gezielt in deutsche Wachstumsstädte investiert. Neben dem „Green Building“ FrankenCampus 148, welches für seine energieeffiziente und nachhaltige Bauweise durch die Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e. V. (DGNB) mit „Platin“ ausgezeichnet wurde, stand für die KIB Gruppe auch bei dem Bürogebäude 146 eine zukunftsträchtige und innovative Bauweise im Vordergrund. So werden die nach Westen ausgerichteten Innenhöfe des FrankenCampus 146 durch zwei Stahlkonstruktionen zur Straße hin abgeschirmt. Mit einer Breite von jeweils 19 Metern und einer Höhe von 16 Metern dienen diese als Rankgerüst für Glyzinien. Damit bieten die Höfe mehr als nur eine optische Abtrennung zur Straße. Die Glyzinien absorbieren Lärm und Schadstoffe. Davon profitieren vor allem die Mitarbeiter des IT- Dienstleisters SDV-IT, der das Gebäude seit Januar 2019 nutzt. Sie können ihre Mittagspause im schattigen Innenhof verbringen und so mitten in der Stadt die grüne Idylle genießen, ehe sie sich wieder dem Arbeitsalltag widmen. Die Rankkonstruktionen des FrankenCampus 146 verschönern zudem nicht nur das Stadtbild, sondern bieten Lebensraum für Vögel und Insekten. Auch energetisch steht das Gebäudeensemble gemeinsam mit dem angrenzenden Greenbuilding FrankenCampus 148 für Nachhaltigkeit: Mit einer Kombination aus umwelt- und klimafreundlicher Geothermie und Photovoltaik decken beide Gebäude 90 % ihres Wärmebedarfs mit regenerativen Energien. KIB Gruppe Ostendstraße 153 90482 Nürnberg Kontakt: info@kib-gruppe.de STARKREGEN: 60 l/ m 2 - WER SOLL DAS AUFHALTEN? Kein Problem für Rententionsdächer von OPTIGRÜN! Die Wasser-Retentionsboxen WRB 80F und WRB 85i ermöglichen Gründächer mit besonders hohem Stauvolumen und maximaler Speicherkapazität. Sie halten Regenwasser zurück und geben dank optionaler Ablaufdrossel dieses Wasser kontrolliert wieder ab. Jetzt informieren unter www.optigruen.de Die Hochleistungs- Daten unserer Wasser- Retentionsboxen: WRB 80F • 90 % Stauvolumen • 72 l/ m 2 Speicher • Ablaufdrossel WRB 85i • 95 % Stauvolumen • 80 l/ m 2 Speicher • Ablaufdrossel Optigrün international AG | Tel.: +49 7576 7 72-0 | Fax: +49 7576 7 72-299 | info@optigruen.de 16 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum Viele neue Wohnbauprojekte entstanden und entstehen in Braunschweig, vor allem im westlichen Ringgebiet und am nördlichen Ringgleis ist ein wahrer Bauboom ausgebrochen. Ringgleis heißt die Trasse des ehemaligen Industrie-Ringgleises rings um die Braunschweiger Innenstadt, welche sukzessive zu einem inzwischen höchst beliebten und belebten Fuß- und Radweg mit attraktiver Infrastruktur ausgebaut wurde. Zeitgleich entstanden auf den alten Fabrikflächen links und rechts des Ringgleis- Weges neue Stadtvillen, Einfamilienhäuser und zahlreiche Geschosswohnungsbauten. Mit 14- neuen Wohnstandorten gehört das Ringgleis zum „Treiber“ der Braunschweiger Wohnbauentwicklung. Einer dieser Standorte ist das Wohnquartier Noltemeyer Höfe an der Hildesheimer Straße im westlichen Ringgebiet, bestehend aus sechs Mehrfamilienhäusern mit insgesamt 242-Wohnungen. Sehnsucht nach zentralem Leben im Grünen Das Wohnquartier Noltemeyer Höfe auf einer Gesamtfläche von rund 16 000 m² entstand auf dem Gelände der ehemals ansässigen Paradebeispiel „Retentions-Gründach“ Wohnquartier Noltemeyer Höfe in Braunschweig Roland Appl Wie sieht die Stadtplanung der Zukunft aus? Ökologie und Nachhaltigkeit sind in aller Munde und Stadtplaner und Architekten dürfen ein immer größeres Augenmerk auf die Dächer legen. Welch immenses Potenzial hierin liegt, wird am Beispiel des Wohnquartiers Noltemeyer Höfe in Braunschweig deutlich: Grünflächen, Terrassenflächen, Geh- und Fahrbeläge sind auf 5780 m² angelegt, während darunter Autos in Tiefgaragen verschwinden. Und der Clou ist, dass der Systemaufbau „Retentions-Gründach“ im Fall von Starkregen große Wassermengen speichert und zeitversetzt abfließen lässt. Dazu kommen auf den Gebäudedächern etwa 2500 m² extensive Dachbegrünung kombiniert mit Photovoltaik. Ein Paradebeispiel für urbanes Bauen der Zukunft. Bild 1: Landschaftsplanerisch ist alles möglich: Vielseitige Grün-, Geh- und Fahrbereiche sind geplant auf dem „Retentions- Gründach“ der Tiefgarage. © Schmeing Bau GmbH 17 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum Papierfabrik Noltemeyer und verdankt dieser auch seinen Namen. Die städtebauliche Anordnung der sechs modernen Mehrfamilienhäuser bildet mehrere Höfe, die der Anlage ihren eigenen Charakter verleihen und auch die Sehnsucht der Menschen nach Grünraum erfüllen. Die hellen und hochwertigen Wohnungseinheiten verfügen allesamt über einen Balkon, eine Loggia, eine Terrasse oder eine Dachterrasse und damit über eine enge Verbindung zwischen Innen- und Außenraum. Diese Offenheit steigert den individuellen Wohnkomfort genauso wie die allseitigen bodentiefen Fenster, die den Bewohnern einen freien Blick nach draußen eröffnen und zudem viel Licht garantieren. Außen verschwinden 232 Tiefgaragenstellplätze unsichtbar unter einer Landschaft aus Rasenflächen, Bäumen, Sträuchern, Hecken und Bodendeckern nebst Geh- und Fahrbelägen, welche auch 22 Außenstellplätze inkludieren. Diese Landschaftsplanung oblag IBF Felling beratende Ingenieure Partnerschaft mbB und Grünkonzept Landschaftsarchitekten, Dipl. Ing. Klaus Deppe. Klare Linien und Formen dominieren hier und spiegeln damit den modernen Charakter der gesamten Gebäudearchitektur. Indes spielt neben aller Optik ein ganz anderer, unsichtbarer Nutzen die eigentliche Hauptrolle in Sachen Ökologie und Nachhaltigkeit. Schutz vor Hochwasser inklusive Der technische Clou liegt im verwendeten ZinCo-Systemaufbau auf der gesamten 0°-Tiefgaragendachfläche, denn dieses ist ein „Retentions-Gründach“, das im Falle von Starkregenereignissen große Mengen Regenwasser gezielt speichert und zeitverzögert in die Kanalisation abfließen lässt. Die speziellen Retentionsspacer- Elemente RSX 80 sind gemeinsam mit den präzise regulierbaren Drosselelementen für diese perfekte Technik verantwortlich. Auf der Grundlage einer wurzelfesten Dachabdichtung - aufgebracht im Heißbitumenverfahren - wurde zunächst auf der Gesamtfläche von 5780 m² die stabile Trenn- und Gleitfolie TGF 20 in überlappenden Bahnen sowie das Systemfilter PV als Schutzlage verlegt. Darauf folgten die 0,60 m x 0,60 m großen und 80- mm hohen Retentionsspacer-Elemente RSX 80. Diese bis zu 50 Tonnen/ m² belastbaren und daher auch für Fahrbeläge geeigneten Spacer-Elemente ließen sich über Verbinder untereinander fixieren und damit zu einem flächigen Verbund zusammenschließen. Die objektspezifische Sonderanfertigung von 80 mm Höhe erlaubt ein maximales Anstauvolumen von etwa 76 l/ m². Bezogen auf die Gesamtfläche ergibt sich damit ein errechnetes Anstauvolumen in den Retentionsspacern von sage und schreibe 439 280 Litern Wasser, welches über einen vordefinierten Zeitraum (etwa 24 Stunden) in die Kanalisation abfließt. Eingestellt wird dieser Abflussvolumenstrom über gegeneinander verschiebbare Ringe der Drosselelemente, welche per se auch als Überlauf fungieren. Obenauf ist alles möglich: Beläge und Grünflächen Auf die Retentionsspacer folgte vollflächig das mechanisch hoch belastbare Systemfilter PV und je nach Nutzungsvariante der weitere Systemaufbau. Für die geplanten 2320 m² Begrünung kamen im Mittel 20 bis 30 cm Zincolit Plus als Untersubstrat und 30 cm Systemerde „Dachgarten“ auf die Tiefgarage. Dank des stabilen Unterbaus, der die Abdichtung schützt, war das Befahren der Dachfläche zur Substrataufbringung per Bagger problemlos möglich. Für die gewünschten 790 m² Gehbeläge folgten auf das Systemfilter PV 20 bis 30 cm Sand-Steingemisch als Frostschutzschicht, 20 cm Schottertragschicht in einer Korngröße von 32 mm sowie 5 cm Splitt. Auf dieser Bettung ist ein 8 cm dickes Rechteckpflaster im Verband verlegt. Diese Dimensionierung und Verlegeart wählte man auch für die 1940 m² Fahrbeläge. Der spezielle Fischgrätenverband beugt Pflasterverdrehungen vor, die sonst durch das Befahren von Autos, Abfallentsorger- und Feuerwehr- Fahrzeugen entstehen würden. Darunter befindet sich mit 40 bis 60 cm eine entsprechend höhere Schottertragschicht sowie eine 5- cm hohe Splitt-Bettung. Auf der Feuerwehraufstellfläche sind übrigens Rasengittersteine verlegt. Solche versickerungsaktiven Bild 3: Unter all den Grün- und Belagsflächen der Noltemeyer Höfe befinden sich 5780 m² Retentionsfläche. © ZinCo GmbH Bild 2: Die fertig verlegte Retentionsschicht RSX 80 speichert in ihren Hohlräumen bis zu 76 Liter Regenwasser pro Quadratmeter. © ZinCo GmbH 18 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum Flächen gewährleisten bei Starkregen zügige Oberflächenentwässerung. Vielfältige Pflanzenauswahl Die Gestaltung mit Solitärbäumen, gezielten Sträucherreihen und Strauchpflanzungen inmitten ausgedehnter Rasenflächen, verleiht dem Wohnquartier einen offenen und weiträumigen Ausdruck. Das klare Bild enthält bei näherer Betrachtung eine erlesene Pflanzenvielfalt. So wachsen auf dem Gelände insgesamt 20 verschiedene Baum- und Sträucherarten mit unterschiedlichem Charakter, verschiedenen Blütenfarben und Blühzeiten. Mit Magnolien, Edelflieder, Japanischer Blütenkirsche, Zierapfel und dem Gemeinen Schneeball seien nur einige genannt. Dazu kommen allein fünf verschiedene Ahornarten. Zusammen mit den Bodendeckern Hartriegel und Heckenkirsche ergibt sich ein harmonisch strukturiertes Gesamtbild. Inmitten des Grüns laden Sitzbänke und Spielplatzgeräte Jung und Alt zum Aufenthalt ein. Ergänzende Schrägdachbegrünung Eine bunte Vielfalt von Sedumpflanzen ergänzt auf der Oberseite der Tiefgarageneinfahrt das Bild. Dort befindet sich nämlich eine etwa 8 x 14 m große und 14,3 % geneigte Rampenfläche, welche den ZinCo-Systemaufbau „Schrägdachbegrünung“ mit Floraset FS 75 trägt. Hier folgte auf die Heißbitumenabdichtung zunächst die Bewässerungs- und Schutzmatte BSM 64, das Dränelement Floraset FS 75 aus EPS- Hartschaum, die Systemerde „Steinrosenflur“ und schließlich ganz oben die Sedum-Sprossen- Aussaat. Solar und Grün auf allen Gebäudedächern Die sechs Mehrfamilienhäuser stehen nicht nur inmitten der vielfältig gestalteten Tiefgaragenbegrünung, sondern tragen ihrerseits grüne und nachhaltige Dächer. Wir sprechen von insgesamt 2500 m² Extensivbegrünung in Kombination mit einer 1300- m² großen Photovoltaik- Anlage, was einen echten Synergieeffekt bringt. Die Bepflanzung sorgt nämlich für eine geringere Umgebungstemperatur im Vergleich zu einem bekiesten Dach. Das steigert nachweislich die Leistungsfähigkeit von Photovoltaik-Anlagen und bringt damit ein finanzielles Plus. Ein weiterer Synergieeffekt entstand bereits bei der Montage. Die speziellen Solarbasisplatten SB 200 von ZinCo, welche die Solargrundrahmen SGR zur Aufständerung der Photovoltaik-Module tragen, sind nämlich in den Begrünungsaufbau integriert und werden von dessen Auflast gehalten. Das erübrigt Dachdurchdringungen. Bild 5: 2500 m² Extensivbegrünung sind auf den Gebäudedächern der Noltemeyer Höfe mit Solarflächen kombiniert. © Haltern und Kaufmann GmbH & Co. KG Bild 4: Die ZinCo-Solargrundrahmen SGR wurden auf die Solarbasisplatten im Systemaufbau montiert. © ZinCo GmbH Maßgeschneidertes Energiedatenmanagement Flexible Visualisierung und Bedienung der Wasserversorgung Steuerung und Überwachung des öffentlichen Nahverkehrs Gebäudeautomation www.copadata.com/ smartcity Mehr Infos? Schreiben Sie an: smartcity@copadata.com Microsoft Partner of the Year: 2016 Public Sector: CityNext 2017 Internet of Things (IoT) Winner Realisieren Sie Ihre Smart City mit der Softwareplattform zenon Make your life easier. Urbanes Bauen der Zukunft Das Wohnquartier Noltemeyer Höfe zeigt auf eindrucksvolle Weise, dass gerade Retentionsdächer keine Zukunftsmusik, sondern Notwendigkeit für die Stadtplanung der Zukunft bedeuten. Sie sind in Zeiten zunehmender Starkregenereignisse ein probates Mittel, um die Hochwassergefahr zu reduzieren. Regenwasserrückhalt, in Kombination mit Solaranlagen, grüner Erholungsraum, ökologische Ausgleichsfläche, Verbesserung des Kleinklimas, Staub- und Schadstoffbindung, Schutz der Bausubstanz - es sind unendlich viele Aspekte der Nachhaltigkeit, Bäume / Sträucher: Acer campestre (Feldahorn) Acer campestre „Elsrijk“ (Feldahorn) Acer platanoides (Spitzahorn) Acer pseudoplatanus (Bergahorn) Carpinus betulus (Hainbuche) Acer monspessulanum (Französischer Ahorn) Malus „Everest“ (Zierapfel) Pyrus calleryana „Chanticleer“ (Chinesische Wild-Birne) Prunus serrulata „Shirofugen“ ( Japanische Blütenkirsche) Sorbus aucuparia (Eberesche) Amelanchier lamarckii (Kupferfelsenbirne) Magnolia stellata (Magnolie) Spiraea arguta (Schneespiere) Syringa vulgaris „Marie Legraye“ ( Edelflieder) Vibumun farreri (Gemeiner Schneeball) Corylus pauciflora (Scheinhasel) Carpinus betulus (Hainbuche) Fages sylvativa (Rotbuche) Taxus bacata (Eibe) Ligustum vulgare (Liguster) Bodendecker: Cornus stolonifera kelsey (Hartriegel) Lonicera nitida Maigrün (Heckenkirsche) Sedumarten Rasen: Gebrauchsrasen PFLANZENLISTE ZinCo GmbH Lise-Meitner-Straße 2 72622 Nürtingen info@zinco-greenroof.com www.zinco.de und www.zinco-greenroof.com die auf Dächern möglich sind. Sie alle wollen und müssen genutzt werden, um ökologisch zukunftsorientiert zu bauen. 20 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Infrastruktur Immer mehr Menschen leben in großen Städten. Die Schadstoffbelastung steigt, Ressourcen wie Flächen, Energie und Wasser werden knapper - auch in der Abwasserbehandlung sind neue Lösungen gefragt. Vielversprechend ist vor allem das Konzept der Smart Cities: Durch die intelligente Vernetzung bestehender Infrastrukturen - etwa Anlagen oder Maschinen - werden Daten gewonnen, auf deren Basis sich beispielsweise der Verbrauch der verfügbaren Ressourcen senken lässt. Die vernetzten Komponenten lassen sich mit speziellen Automatisierungslösungen zentral steuern. So können Verbesserungspotenziale aufgezeigt, Prozesse optimiert und Störungen frühzeitig erkannt werden. Daten zu Wasserverbrauch, Wasserdruck und Systemleistung Auch in der Wasserwirtschaft werden zunehmend smarte Technologien eingesetzt, um die flächendeckende Versorgung mit qualitativ hochwertigem Trinkwasser und einen nachhaltigen Verbrauch sicherzustellen. Sensoren erfassen beispielsweise den Wasserverbrauch, Wasserdruck sowie die Systemleistung und machen so herkömmliche Wasserzähler überflüssig. Durch die Einbindung in ein intelligentes Netzwerk (Smart Grid) lassen sich langfristig Aussagen und Prognosen über den Wasserverbrauch machen. Weitere Sensoren identifizieren mögliche Schäden an Rohrleitungen, damit diese frühzeitig behoben werden können. Auch Pumpen, Absperranlagen, Rührwerke oder Wasseraufbereitungssysteme lassen sich software-gestützt überwachen, steuern und vorausschauend warten. Das macht die Instandhaltung des meist weit verzweigten Verteilnetzes aus kilometerlangen Rohrleitungen, weit verteilten Kläranlagen und Pumpstationen einfacher und effizienter. Auf Basis prädiktiver Analyse- und ML-Techniken (Machine Learning) kann der Wasserversorger zudem unerwartete Verbrauchsspitzen zuverlässig vorhersagen und diesen gegensteuern, um Engpässe zu vermeiden. Smarte Technologien tragen damit zur unterbrechungsfreien Wasserversorgung bei und helfen gleichzeitig, Zeit und Kosten einzusparen. Smart und effizient Intelligente Technologien optimieren die Wasserwirtschaft Wasserwirtschaft, Infrastruktur, Leitungsnetze, Wartung, Automatisierung Andreas Zerlett Über ein umfassendes Leitungsnetz versorgen die kommunalen Unternehmen in Deutschland jeden Bürger mit durchschnittlich 121 Litern Trinkwasser pro Tag. Die Abläufe in der Wasserversorgung und -aufbereitung werden zunehmend mithilfe von smarten Technologien optimiert. Auch das Behandeln von Abwasser gewinnt durch automatisierte Leitstellen und eine intelligente Netzsteuerung an Effizienz. © COPA-DATA 21 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Infrastruktur Effizient und sauber: Trinkwasser aus dem Bodensee Ein Beispiel ist die Wasserförderung und -aufbereitung am Bodensee, durch die in Baden-Württemberg täglich vier Millionen Menschen mit Wasser beliefert werden können. Das Seewasser wird aus 60 Meter Tiefe entnommen und mit Pumpen zur Aufbereitungsanlage gefördert. Dort wird es mit Mikrosieb-, Ozon- und Filteranlagen zu einem qualitativ hochwertigen Trinkwasser aufbereitet und in Rohrleitungen bis in den Norden Baden-Württembergs befördert. Um die Wasserversorgung in quantitativer wie qualitativer Hinsicht sicherzustellen, wird Automatisierungssoftware wie zenon von COPA-DATA eingesetzt. Dabei handelt es sich um eine so genannte SCADA- Lösung (Supervisory Control And Data Acquisition) zur Steuerung und Datenerfassung. Übersichtlich: Datenanzeige in Grafiken und Diagrammen zenon ist flexibel einsetzbar und leicht zu bedienen und ermöglicht eine gezielte Steuerung der unterschiedlichen Komponenten sowie Aktualisierungen ohne Anlagenstopp. Mit der Software lassen sich etwa Pegelstände, Pumpwerke oder Schieber, die die Wassermenge in den Hochbehältern begrenzen, visualisieren und kontrollieren. In Trend-Diagrammen können Schwankungen der Wasserverteilung innerhalb eines gesamten Netzwerks übersichtlich angezeigt werden. Damit lassen sich Rückschlüsse auf den laufenden Betrieb ziehen. Unter Umständen weisen Alerts auf die Notwendigkeit eines Eingreifens hin. Darüber hinaus liefert die Automatisierungssoftware eine detaillierte Analyse des Trinkwassers. Ob Chlorgehalt, pH-Wert, Leitfähigkeit oder Trübung des Wassers - die entsprechenden Werte werden in regelmäßigen Abständen aufgezeichnet und übersichtlich im Trend-Diagramm angezeigt. Wartung: Die Techniker haben die ganze Anlage im Blick Intelligente Lösungen ermöglichen zudem eine reibungslose Wartung und Instandhaltung. Dank einer standardisierten Benutzeroberfläche lassen sich Anlagen mobil von einem Tablet-PC oder Smartphone überwachen. Auch bei der Arbeit an einem weit abgelegen Teil der Anlage haben Techniker immer die gesamte Anlage im Blick. Störungen - etwa nach Blitzeinschlägen - werden sofort via E-Mail, SMS oder Textto-Speech-Anruf gemeldet. Dabei gibt die Softwareplattform intelligente Handlungsempfehlungen, wie etwa ein Leck schnell zu lokalisieren und zu beheben ist. Eine vorausschauende Wartung ermöglicht die Predictive-Analytics-Funktion der Software. Damit lassen sich ausfallgefährdete Anlagenteile frühzeitig identifizieren. Plötzlich eintretende Ausfälle im Versorgungsnetz können so vermieden werden. Mithilfe von Turbinen lässt sich aus der Energie des Wassers außerdem Strom erzeugen. Die rückgewonnene Energie kann über Mittelspannungsanlagen ins Netz eingespeist werden. Auch bei solchen zukunftsweisenden Verfahren überwacht und visualisiert zenon wichtige Kenngrößen wie Generatorströme, Spannung, Leistung und Netzfrequenz. Die offene und flexible Softwareplattform lässt sich zudem problemlos an bestehende Gegebenheiten anpassen und in vorhandene Infrastrukturen integrieren. Abwasserentsorgung: Vernetzte Talsperren und Kläranlagen In der Abwasserentsorgung leisten smarte Technologien ebenfalls wertvolle Dienste. Hier geht es in erster Linie darum, workflowgestützte Organisationsprozesse weiterzuentwickeln und Automatisierungssysteme von Talsperren und Klärwerken intelligent zu vernetzen. Durch eine Verknüpfung der Steuerung der Stauräume im Kanalnetz mit der Steuerung der Kläranlage beispielsweise lässt sich die Reinigungsleistung optimieren und so die Belastung des Gewässers reduzieren. Auch beim Überwachen der Kanalisation, der Steuerung der Wasserableitung sowie bei der Wartung und Instandhaltung von Sammel-, Pump-, Absperr- und Reinigungsanlagen werden immer häufiger modulare Automatisierungsplattformen wie zenon eingsetzt. Laut Resolution der Vereinten Nationen sind sauberes Wasser und eine sanitäre Grundversorgung ein Menschenrecht. Ob auf dem Land oder in der Stadt: Mit smarten Technologien lässt sich ein effizientes Wassermanagement und -monitoring und damit eine nachhaltige Trinkwasserversorgung sicherstellen. Andreas Zerlett Sales Excellence Energy & Infrastructure / Smart City Ing. Punzenberger COPA-DATA GmbH Kontakt: smartcity@copadata.de AUTOR 22 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Infrastruktur Gifhorn liegt im Osten Niedersachsens zwischen den Städten Hannover, Braunschweig und Wolfsburg. Im Jahr 1196 erstmals urkundlich erwähnt, leben heute mehr als 42 000 Menschen in der Kreisstadt. Der ortsansässige Wasserverband versorgt Privathäuser, Unternehmen und weitere Einrichtungen der im Umland angesiedelten Gemeinden, was in Summe etwa 180 000 Einwohnerwerte ergibt. In seiner über 80-jährigen Geschichte hat sich der Wasserverband, der mittlerweile mehr als 85 Mitarbeiter beschäftigt, stetig weiterentwickelt. So übernimmt er seit 1995 Von den Vorteilen aktueller Technik profitieren Wasserverband Gifhorn setzt auf eine moderne Pumpensteuerung Wasserwirtschaft, Abwasserbehandlung, Infrastruktur, Pumpensteuerung, Fernwirktechnik, Automatisierung Christoph Westerwelle Die Verantwortlichen des Wasserverbands Gifhorn suchten nach einer einfach bedienbaren Pumpensteuerung für die zugehörigen Abwasserpumpwerke. Die Lösung sollte zudem eine schnelle Fehlerbehebung im Störungsfall ermöglichen. Der Ansatz von ISAB Klitschmar und Phoenix Contact erfüllt genau diese Anforderungen und bietet zusätzliche Funktionen. © Phoenix Contact 23 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Infrastruktur ebenfalls die Abwasserentsorgung seiner Mitglieder. In diesem Geschäftsbereich unterhalten die über 40 Mitarbeiter 399 Pumpwerke, neun Kläranlagen, 43 Klärteichanlagen, 104 Regenrückhaltebecken, 17 Mischwasser-Regenrückhaltebecken sowie ein 1200 Kilometer umfassendes Kanal-, ein 320 Kilometer langes Abwasserdruckleitungs- und ein neun Kilometer aufweisendes Vakuumnetz (Bild 1). Der Betrieb dieser doch recht umfangreichen Infrastruktur kostet den Wasserverband viel Geld. Neben den jährlichen Wartungen und dem Vorhalten eines Bereitschaftsdienstes ist eine zeitgemäße IT-Infrastruktur notwendig, um eine durchgängig zuverlässige Ver- und Entsorgung für die angeschlossenen Verbraucher sicherzustellen. Hinzu kommen Branchenanforderungen, wie das IT-Sicherheitsgesetz oder Energieeffizienzmaßnahmen, die umgesetzt werden müssen. Zusammenfassend bleibt also festzustellen, dass die wasserwirtschaftlichen Betreiber in der heutigen Zeit ein vielfältiges Themenfeld abzudecken haben, wobei ständig neue Technologien Einzug in die Wasserwerke und Kläranlagen halten. Hier stets auf dem aktuellen Stand zu sein, erweist sich als Herausforderung, zumal dies meist parallel zum Tagesgeschäft erfolgen soll. In Anbetracht der geschilderten Situation erscheint es sinnvoll, dass von den in der Wasserwirtschaft genutzten Automatisierungssystemen immer häufiger eine einfache Bedienung, intuitive Parametrierung, schnelle Fehlerbehebung im Störungsfalls sowie durchgängige Diagnose gefordert wird. Nur so bleiben die Systeme für das Betriebspersonal handhabbar. Schneller Überblick über den Betriebszustand Als einer der marktführenden Anbieter für Komponenten und Systeme der elektrischen Verbindungs- und Automatisierungstechnik hat Phoenix Contact die Wasserwirtschaft schon vor über 15 Jahren als innovativen Markt identifiziert. Seitdem ist das Blomberger Unternehmen bestrebt, die Branche mit Produkten und Lösungen für eine nachhaltige Wasserver- und -entsorgung zu bedienen. Bei einer dieser branchenspezifischen Lösungen handelt es sich um eine Pumpensteuerung für Abwasserpumpwerke, die gemeinsam mit der in Wiedemar ansässigen ISAB Klitschmar GmbH entwickelt worden ist. Sie wird seit einiger Zeit beim Wasserverband Gifhorn eingesetzt (Bild 2). Die in Gifhorn verwendeten Pumpensteuerungen stehen in verschiedenen Varianten mit unterschiedlichen Optionen zur Verfügung - beispielsweise als Anbindung an das überlagerte Leitsystem. Die Lösung zeichnet sich jedoch insbesondere durch ihre intuitive Bedienbarkeit aus. Denn bei der Entwicklung der Software für die Pumpensteuerung haben die Partner großen Wert auf eine einfache Handhabung gelegt. So ist jeder Anwender in der Lage, die Pumpstation über das Touch-Display BTP 2070W, das eine Bildschirmdiagonale von sieben Zoll aufweist, zu parametrieren. Die Erstinbetriebnahme lässt sich Bild 1: Beim Wasserverband Gifhorn kümmern sich über 40 Mitarbeiter um die Abwasserentsorgung. © Phoenix Contact Bild 2: Steuerschrank eines Abwasserpumpwerks in einem Wohngebiet des Wasserverbands Gifhorn. © Phoenix Contact 24 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Infrastruktur daher in wenigen Minuten durchführen, wobei keine zusätzliche Software genutzt werden muss. Das TFT-Display übernimmt ferner die Vor-Ort-Visualisierung der Pumpstation, sodass die Wasserverbandsmitarbeiter einen schnellen Überblick über die Betriebszustände der Anlage erhalten. Sie sehen auf der Startseite auf einen Blick, wie das Niveau der Anlage ist, welchen Betriebszustand die Pumpen haben sowie die Anzeige der einzelnen Betriebsstunden. Eine Navigation in der Visualisierung kann somit entfallen (Bild 3). Identische Parametrierung und Bedienung der verschiedenen Hardwareplattformen Als Herzstück der Pumpensteuerung dient das programmierbare Logikrelaissystem PLC logic, das Logik-, Interface- und Feldanschlussebene in einem kompakten, einfach zu verdrahtenden Gerät vereint. Optional lässt sich eine Steuerung aus dem Inline- Baukasten einsetzen, zum Beispiel der ILC 151 GSM/ GPRS. Die Applikationssoftware für beide Varianten der Pumpensteuerung ist nahezu identisch aufgebaut. Handelt es sich um kleine Stand- Alone-Anwendungen ohne Ankopplung an ein überlagertes System, bietet sich PLC logic zur Steuerung an. Das Logikrelaissystem verarbeitet digitale und analoge Eingangssignale sowie Logikfunktionen und Zeitbausteine (Bild 4). Bei komplexen Anlagen, die beispielsweise über das Mobilfunknetz an ein überlagertes Leitsysten angebunden werden sollen, erweist sich eine Inline- Steuerung (ILC) der 100er Leistungsklasse als beste Wahl. Im Gegensatz zu PLC logic kann der ILC neben dem Applikationsprogramm ebenfalls die Kommunikation mit dem Leitsystem übernehmen. Zu diesem Zweck Mit dem Resylive-Portal bietet Phoenix Contact den Betreibern wasserwirtschaftlicher Anlagen eine moderne und wirtschaftliche Möglichkeit, ihr SCADA-System professionell als ausgelagerte Dienstleistung (SaaS) zu betreiben. Alle Aufgaben einer klassischen Lösung - wie Visualisierung, Alarmmanagement, Trenddarstellung, Datenarchivierung und das Berichtswesen - werden abgebildet. Dabei ist es unerheblich, ob es um die Verwendung zur Anlagenautomatisierung oder als Fernwirksystem geht. Resylive enthält sämtliche normativen Schnittstellen, die in der Wasserbranche relevant sind. Die Vorteile eines solchen Ansatzes liegen auf der Hand: keine hohen Anfangsinvestitionen, da die Zahlungen regelmäßig über den gesamten Nutzungszeitraum erfolgen stets redundanter Hard- und Softwareaufbau - auch für kleine und mittelgroße Anwendungen professionelle Datenhaltung integrierte KRITIS-konforme IT-Security IT-Security entspricht immer dem aktuellen Stand der Technik keine Software und Lizenzen auf den Anzeigegeräten erforderlich, weil zur Visualisierung der Informationen lediglich ein Browser ohne Java-Script benötigt wird durch den Wegfall von Software und Lizenzen kann die Lösung auf allen PCs und mobilen Endgeräten eingesetzt werden VORTEILHAFTE AUSLAGERUNG DES SCADA-SYSTEMS Bild 3: Das Touch-Panel WP 2070W zeigt alle betriebsrelevanten Daten der Pumpstation an und gibt dem Betriebspersonal einen Überblick über die einzelnen Betriebszustände. © Phoenix Contact Bild 4: Mit dem Logikrelaissystem PLC logic lassen sich unterschiedliche Anwendungen in der Wasserwirtschaft realisieren. © Phoenix Contact Bild 5: Pumpensteuerung mit dem Inline Controller ILC 151 GSM/ GPRS sowie einer Kombination aus Netzteil und Batterie zur Erhöhung der Verfügbarkeit. © Phoenix Contact Bild 6: Karsten Tornow (links) und Rouven Tober an einem Abwasserpumpwerk des Wasserverbands Gifhorn. © Phoenix Contact 25 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Infrastruktur Funke Kunststoffe GmbH 59071 Hamm-Uentrop www.funkegruppe.de info@funkegruppe.de Tel.: 02388 3071-0 N e u ! • flacher Einbau • Modulbauweise • leichte Handhabung Regenwasser speichern und nutzen statt versickern KS-Bluebox Christoph Westerwelle Leiter des Industriemanagements Infrastruktur Phoenix Contact Deutschland GmbH Kontakt: info@phoenixcontact.de stehen verschiedene Fernwirkprotokolle zur Verfügung. Doch egal welche Hardwareplattform in den einzelnen Abwasserpumpwerken verbaut ist: Die Parametrierung und Bedienung der Pumpensteuerung gestaltet sich für den Betreiber stets identisch. Den Verantwortlichen des Wasserverbands Gifhorn war es darüber hinaus wichtig, dass die Mitarbeiter immer über den aktuellen Stand der einzelnen Pumpwerke informiert sind. Hier stellte sich der SMS-Versand als favorisierter Kommunikationsweg sowohl für Fehlermeldungen als auch Statusinformationen heraus, die in frei zu vergebenden Intervallen versendet werden (Bild 5). Einfache Einbindung in bestehende Systeme Für die Betreiber von Abwasserpumpwerken zeigt sich der Einsatz von Spül- und Saugfahrzeugen als wesentlicher Kostenpunkt. Diese müssen dann ausrücken, wenn sich Fettablagerungen am Rand des Pumpenschachts gebildet haben. Solche Rückstände entstehen, sobald die Pumpe ständig an derselben Stelle abgeschaltet wird. Auf der Grundlage der langjährigen Erfahrungen von ISAB Klitschmar im Bereich von Abwasserpumpwerken sowie des Automatisierungs-Know-hows von Phoenix Contact haben die Partner eine Funktion entwickelt, mit der sich das Auftreten von Fettablagerungen hinauszögern lässt. So können die Kosten für Spül- und Saugeinsätze um rund 30 Prozent reduziert werden. Als weitere hilfreiche Funktion erweist sich der in die Steuerung integrierte Fehlerspeicher. Alle Fehlermeldungen werden dort mit Zeitstempel in der richtigen Reihenfolge abgelegt. Auf diese Weise kann der Betreiber im Störungsfall auf die Fehlerhistorie zurückgreifen. In Summe lassen sich bis zu 1000 Fehlermeldungen dokumentieren. Durch die Verwendung von Standard-Industrieprodukten ist ISAB Klitschmar in der Lage, speziell auf das jeweilige Abwasserpumpwerk zugeschnittene Schaltanlagen zu bauen. Im Vergleich zu geschlossenen Black-Box-Lösungen überzeugt der individuelle Ansatz durch seine flexible Erweiterbarkeit. Ferner können die Schaltanlagen gemäß Kundenanforderung in bestehende Systeme eingebunden werden. Deutliche Erleichterung des Arbeitsalltags Karsten Tornow, Elektromeister beim Wasserverband Gifhorn, stellt abschließend fest: „Als Betreiber der Abwasserpumpwerke erleichtert uns die Pumpensteuerung von ISAB Klitschmar den Arbeitsalltag. Aufgrund der einheitlichen Parametrierung und Bedienung nutzen wir PLC logic in den kleineren Abwasserpumpwerken, während die größeren Pumpwerke mit dem ILC 151 GSM/ GPRS ausgestattet sind“. (Bild 6) Weitere Informationen: www.phoenixcontact.de/ wasser AUTOR 26 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Infrastruktur Skalierbarkeit urbaner Projekte Intelligente Wasserversorgung in Stavanger (Norwegen) und die Herausforderungen bei der Replikation von Smart City-Projekten Smart City, Digitalisierung, Wasserwirtschaft, Projektmanagement Jana Helder, Alexander Schmidt, Johnny Alexander Gunneng Es gibt vielseitige Ansätze und Lösungen, um die Wasserversorgung im urbanen Raum nachhaltiger und intelligenter zu gestalten. Ein Beispiel für eine erfolgreiche Implementierung eines solchen Projekts ist die intelligente Wasserversorgung in Stavanger. InfoTiles, eine junge Firma aus Norwegen und Lösungsanbieter bei diesem Projekt, gewann für ihre innovative Lösung den Smart City Implementation Award auf der Nordic Edge 2018. Trotz erfolgreicher Pilotprojekte stellen Folgeprojekte jedoch häufig eine der größten Herausforderungen dar. Die Gründe hierfür sowie Möglichkeiten, Smart City-Lösungen zukünftig schneller und effizienter zu replizieren, werden im Folgenden aus Unternehmenssicht von InfoTiles und BABLE diskutiert. BABLE ist ein deutsches Start-up, das sich zum Ziel gesetzt hat, die Implementierung und Skalierung von Smart City-Projekten voranzutreiben. Der Smart City-Markt ist ein stetig wachsender Markt. Laut einer Studie von Grand View Research wird der globale Markt für intelligente Städte bis 2025 voraussichtlich einen Umfang von 2,57 Billionen US-Dollar erreichen [1]. © Erich Westendarp auf Pixabay Auch der Wassermarkt ist laut Global Water Intelligence ein stetig wachsender Markt, der bis 2023 auf einen globalen Wert von 914,9 Milliarden US-Dollar ansteigen wird [2]. Die stetig wachsenden Marktpotenziale zeigen die Relevanz von intelligenten Lösungen zur Wasserversorgung im urbanen Raum. Die europäische Investmentbank - der bisher größte Kreditgeber des globalen Wassersektors - hat bisher fast 64 Milliarden Euro in rund 27 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Infrastruktur Supervisory control and data acquisition (SCADA) Systeme sind Systeme zur Überwachung, Kontrolle und Datenerfassung mit Soft- und Hardware-Elementen, die es ermöglichen Prozesse vor Ort oder an entfernten Standorten zu steuern, Echtzeitdaten zu überwachen, zu sammeln und zu verarbeiten, direkt mit Geräten wie Sensoren, Ventilen, Pumpen, Motoren und mehr über die HMI-Software (Human Machine Interface) zu interagieren, und Ereignisse in einer Protokolldatei aufzuzeichnen. SCADA-Systeme können in Organisationen dazu beitragen, die Effizienz zu steigern, Daten für intelligentere Entscheidungen zu verarbeiten und Systemprobleme zu kommunizieren, um Ausfallzeiten zu minimieren [7]. 1400- Projekte investiert [3]. Die steigenden Investitionen (2,4-Milliarden Euro im Jahr 2018 [3]) zeigen die zunehmende Bedeutung der Wassersicherheit für das Wirtschaftswachstum [3]. Die Relevanz intelligenter und ressourcenschonender Wasserversorgung und Abwasserbehandlung steigt stetig - bis 2025 werden rund 800- Millionen Menschen weltweit in Ländern oder Regionen mit absoluter Wasserknappheit leben und zwei Drittel der Weltbevölkerung werden zu diesem Zeitpunkt die Auswirkungen abnehmender Wasserressourcen zu spüren bekommen [3]. Trotzdem nimmt die Anzahl erfolgreich implementierter Projekte nur langsam zu. Am Beispiel eines mit Erfolg umgesetzten Projekts, das sich vor allem mit der für Europa typischen Problematik von alternden Infrastrukturen beschäftigt, werden im Folgenden die Chancen und Hindernisse beschrieben, die die Skalierung solcher Projekte mit sich bringt. Intelligente Lösung für die Wasserversorgung in Stavanger In der norwegischen Gemeinde Stavanger gibt es tausende Sandfänge, die der mechanischen Reinigung des Regenwasserkanalsystems dienen und somit dessen Kapazität aufrechterhalten. Um eine Überfüllung der Sandfänge zu vermeiden, werden diese von der Gemeinde manuell überprüft. Dies ist sehr zeitaufwendig, ressourcenintensiv und führt zu einer Erhöhung des CO 2 - Fußabdrucks der Stadt [4]. Um intelligenter arbeiten zu können sowie eine vorbeugende Wartung zu ermöglichen, wurde in Stavanger ein Projekt für intelligentes Wassermanagement initiiert. Dabei werden Betrieb und Wartung der Wasser- und Abwasserleitungen auf der Basis von Datenanalysen optimiert. Daten aus unterschiedlichen Quellen werden auf der im Rahmen des Projekts implementierten Plattform verknüpft und ausgewertet. Unter den verwendeten Daten befinden sich Sensordaten, Wetterdaten und Daten eines SCADA-Systems, die gestreamt und verarbeitet werden, um die Korrelation zwischen den Datenquellen in Echtzeit darzustellen. Basierend auf Algorithmen kann so vorhergesagt werden, wann und wo die Stadt die Instandhaltung und Entleerung eines Kanalabschnitts durchführen muss. Da es sich in Stavanger um eines der ersten Projekte des jungen Unternehmens InfoTiles [5] handelte, tauchten während der Durchführung zahlreiche Hindernisse und Herausforderungen auf, die es zu überwinden galt. Eine der spannendsten und anspruchsvollsten Herausforderungen bestand darin, dass die zu verwendenden Sensoren von Grund auf neu entwickelt und prototypisch hergestellt werden mussten. Der in diesem Projekt verwendete Sensor Vicotee Aurora Drainage-Sensor [5] wurde von Fredrik Sudmann gebaut, einem Erdölingenieur und IoT-Spezialisten, der für das norwegische IT- Infrastrukturunternehmen Atea arbeitet. Das Funktionsprinzip des Sensors wurde aus dem Wissen um ähnliche Messungen aus Bohrungen in der Offshore-Öl- und Gasindustrie entwickelt. Der Sensor kann verschiedene Elemente wie Sand, Luft, Wasser und Schlamm erkennen. Im Ergebnis war das Pilotprojekt in Stavanger für InfoTiles und die weiteren Projektpartner sehr erfolgreich. Unter anderem gewann das Team dafür den SMA- VARD auf der Nordic Edge 2018 [6]. Ein weiterer Preis wurde vom Morgenstadt Netzwerk in Kooperation mit BABLE vergeben, einem Spinn-off von Fraunhofer, das sich zum Ziel gesetzt hat, die Implementierung und Skalierung von Smart City-Projekten voranzutreiben. Die Lösung für ein intelligentes Wassermanagement wird aktuell in einer weiteren norwegischen Gemeinde, in Skedsmo, implementiert. Zusätzlich werden hier Daten aus dem Auftragsmanagement, hydrologische Modelle und Daten der Wasser- und Abwassersysteme mit eingebunden. Bild 1: Der Vicotee Aurora Drainage Sensor wie er in Stavanger eingesetzt wird [8]. © InfoTiles WAS IST SCADA? 28 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Infrastruktur Skalierung intelligenter Lösungen zur Wasserversorgung und Abwasserbehandlung Aus Sicht der Projektmanager ist das Replizieren von Smart City- Projekten derzeit noch schwierig. Die größte Herausforderung besteht demnach im Stakeholder- Management. Denn alle Akteure müssen sich sowohl dazu bereit erklären, ihre Daten zum Wohle der Gemeinde zu teilen, als auch verschiedene technische Voraussetzungen erfüllen. So war es für die beteiligten Unternehmen bei bisherigen Projekten meist sehr aufwändig, all diese Grundlagen zu schaffen. Bei einem Großprojekt wie etwa in Skedsmo werden typischerweise viele verschiedene Daten von diversen Firmen oder Institutionen erhoben, wie etwa Streamingdaten von SCADA-Systemen (zum Beispiel bereitgestellt von Siemens, ABB, Citect etc.), Daten von IoT-Sensoren (zum Beispiel bereitgestellt von Vicotee, Leapcraft, Decentlab etc.), Daten aus Domain-Systemen, wie beispielsweise Daten zu Infrastrukturen, sowie offene Daten und Informationen bezüglich des täglichen Betriebs und der Wartung in der Gemeinde. Der offene Datenaustausch zwischen den verschiedenen Stakeholdern von Smart City- Projekten ist technisch fast immer möglich, allerdings ist es nicht unproblematisch, Vereinbarungen über die Nutzungs- und Vermarktungsrechte zu treffen. Bei der geringen Erfahrung, die Marktteilnehmer derzeit noch bei Smart City-Projekten haben, versuchen die Partner oft, auf der sicheren Seite zu bleiben und so viel Kontrolle wie möglich zu behalten. Damit begrenzen sie aber auch die Möglichkeiten der Skalierung von Anfang an. Daher ist es wichtig, aus den Erfahrungen anderer bei derartigen Projekten zu lernen. Um einen solchen Erfahrungsaustausch zu ermöglichen, stellt BABLE eine Kommunikationsplattform zur Verfügung. Über diese Plattform teilen die verschiedenen Akteure des Marktes aktuelle Informationen und Erfahrungen zu über 200 in Europa implementierten Projekten [9]. Aus der Beobachtung bei InfoTiles-Projekten ist der Mangel an guten Domain-Datenmodellen als weiterer limitierender Faktor anzuführen, der zu selten angesprochen wird. Mit zunehmender Anzahl von Messungen, Sensoren und Registrierungen aus verschiedenen Quellen wird der Bedarf an praktikablen Modellen zur Aggregation der Daten größer. Es ist essenziell, relevante verwertbare Informationen herauszufiltern und zu vermeiden, dass sie in einem Meer unwichtiger Informationen versinken. Neben den neuesten Analysewerkzeugen sind dazu außerdem Fachwissen und ein tiefes Verständnis der Problematik notwendig. Unter anderem geht es darum zu verstehen, wie sich verschiedene Parameter gegenseitig beeinflussen, wie eine optimale Funktion aussieht, in welcher Weise Störungen Messdaten beeinflussen und welche Überwachungsdichte notwendig ist, um Störungen zu identifizieren und zu lokalisieren. Dies wird durch eine enge Zusammenarbeit über Fachgebiete und verschiedene Stakeholder hinweg erreicht - von der IT (Integration, Streaming, Security und Kommunikation) bis hin zu den Versorgungsunternehmen (Planung und Betrieb). Hierfür besteht Bedarf an guten, effizienten und nutzerfreundlichen Datenmodellen. Diese sind notwendig, um Daten für Innovatoren in ganz Europa allgemein zugänglich zu machen. Für Smart City-Projekte sind Daten der Rohstoff, der veredelt werden muss, um wertvolle und aussagekräftige Erkenntnisse daraus zu gewinnen. Dafür ist eine aktive Unterstützung mithilfe entsprechender Werkzeuge und eine zielgerichtete Moderation erforderlich. Bild 2: Vergabe des SMAVARD auf der Nordic Edge 2018, v.l. Alexander Schmidt (BABLE), Alanus von Radecki (BABLE), Pedja Bihor (InfoTiles), Johnny Alexander Gunneng (Info- Tiles), Christine Sagen Helgø (Bürgermeisterin von Stavanger) [6]. © Marie von Krogh 29 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Infrastruktur Mit interdisziplinärer Zusammenarbeit aller Akteure könnten sich die bevorstehenden Aufgaben lösen lassen. Vor allem Informationen aus bereits implementierten Projekten sowie daraus gewonnene Erfahrungen und Sichtweisen könnten die Umsetzung von Folgeprojekten erleichtern - die offene Plattform von BABLE stellt eine Möglichkeit für einen solchen Austausch dar. Fazit Zusammenarbeit und der Austausch von Wissen über Smart City-Projekte kann beizeiten dabei helfen, Fehler zu vermeiden, gelungene Beispiele können durch frühzeitige Kooperationen auf die speziellen Bedürfnisse und Gegebenheiten einer Stadt angepasst werden. Eine offene und effiziente Kommunikation zwischen den verschiedenen Akteuren des Smart City-Marktes ermöglicht damit einen ersten Schritt hin zu einer erfolgreichen Skalierung von Smart City-Projekten. QUELLEN: [1] Grand View Research. Smart Cities Market Analysis Report By Application (Governance, Buildings, Utilities, Transportation, Healthcare, Environmental Solution), By Region, And Segment Forecasts, 2019 - 2025. 2019. Report-ID: 978-1-68038-270-9. [2] Global Water Intelligence. Market Insight: Global Water Market in 2018. The transition to smarter spending in water & wastewater. 2018. [3] European Investment Bank. Water and wastewater management, 2019. Online: https: / / w w w.eib.org / en/ projects/ sectors/ waterand was te watermanagement/ index.htm. [4] Stavanger Municipality. Smartcity projects. Online: https: / / w w w.stavanger.kommune.no/ samfunnsutvikling/ smartbyens t avanger/ lorawan - - s ensornettverk/ [5] The Explorer. Real-time operating system for cities and utilities, 2018. Online: https: / / www. theexplorer.no/ solutions/ realtime-operating-system-forcities-and-utilities/ . [6] Nordic Edge. Infotiles wins top Prize. The German network Morgenstadt with partner Bable, has awarded cluster member Infotiles with the main prize for innovative solutions. Online: https: / / w w w.nordicedge clus ter.org / post/ infotiles-wins-top-prize. [7] inductive.automation. What is SCADA? 2018. Online: https: / / induc tiveautomation.com/ re sources/ article/ what-is-scada. [8] Vicotee. Aurora Waterlevel 2019. Online: https: / / vicoteed o c u m e n t s . s 3 . e u c e n t r a l -1. a m a z o n a w s . c o m / p u b l i c / d a t asheet s / AUROR A+X DL SN3+ - +Waterlevel.pdf [9] Smart CIty-Projekte, 2019. Online: https: / / www.bable-smartcities.eu/ de/ entdecken/ anwendungsfaelle.html. All you can read Alles zusammen zum Superpreis: Die Papierausgabe in hochwertigem Druck, das ePaper zum Blättern am Bildschirm und auf dem Smartphone, dazu alle bisher erschienenen Ausgaben im elektronischen Archiv - so haben Sie Ihre Fachzeitschrift für den urbanen Wandel immer und überall griffbereit. AboPlus: Print + ePaper + Archiv www.transforming-cities.de/ magazin-abonnieren d im Ihr imm AAbboo www.tra AUTOR*INNEN M. Sc. Jana Helder Fraunhofer Spinn-off BABLE Kontakt: jana@bable-smartcities.eu M. Sc. Johnny Alexander Gunneng InfoTiles Kontakt: johnny.gunneng@infotiles.no M. Sc. Alexander Schmidt Fraunhofer Spinn-off BABLE Kontakt: alex@bable-smartcities.eu 30 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Infrastruktur Herausforderungen der aktuellen Situation Bei der Planung eines effektiven Regenwassermanagements ergeben sich zwei zentrale Herausforderungen: Zum einen die zunehmende Urbanisierung, denn seit 2008 leben auf der Welt mehr Menschen in Städten als auf dem Land. Dies hat hauptsächlich wirtschaftliche Gründe, doch auch das veränderte Klima verstärkt diesen Effekt. Zum anderen der Klimawandel mit einer Häufung extremer Wetterverhältnisse, wie Trockenperioden und Starkregenereignisse. Durch diese ist die Kanalisation oft überlastet und es kommt zu Überflutungen. Ansätze für angepasstes Regenwassermanagement urbaner Bereiche In Deutschland ist mehr als die Hälfte der bebauten Flächen versiegelt. So wird verhindert, dass Regenwasser direkt dem natürlichen Wasserkreislauf wieder zugeführt werden kann. Deshalb müssen versiegelte Flächen reduziert und bei der Schaffung neuer Wohnräume muss auf eine Entsieglung geachtet werden. Besonders in innerstädtischen Bereichen eignen sich zur Entsiegelung Kiesstabilisierungen, Rasenwaben oder auch Gründächer. Denn auf Flachdachflächen können auch größere Mengen Wasser zwischengespeichert werden und verdunsten. Ein weiterer Ansatz liegt im technischen und konstruktiven Schutz gegen Überflutung in Gebäuden und in der Infrastruktur. Für private Hausbesitzer reichen oft schon kleine bauli- Anpassung an den Klimawandel Regenwassermanagement und Gewässerschutz mit ACO Systemlösungen Klimawandel, Versiegelung, Anpassungsstrategien, Regenwasserbewirtschaftung, Wasserhaushalt Olaf Wiechers Starkregenereignisse gehören wie auch länger anhaltende Trockenperioden mittlerweile zur Wetterlage unserer Breitengrade und sind Folgen des fortschreitenden Klimawandels. Können große Niederschlagsmengen im ländlichen Raum vom offenen Boden größtenteils aufgenommen werden und versickern, haben die versiegelten Flächen im urbanen Raum erhebliche Auswirkungen auf die Natur, Menschen, Infrastruktur und Gebäude. So sind beim Wohnungs- und Industriebau, Garten- und Landschaftsbau sowie Straßen- und Wegebau innovative Lösungen gefragt, die ein gesamtheitliches Regenwassermanagement bieten und den schonenden Umgang mit der Ressource Wasser favorisieren. Die Produktanforderungen an ein effektives Regenwassermanagement sind komplex: Regelwerke, Bauvorschriften und DIN-Normen müssen berücksichtigt werden. Es ist daher besonders wichtig, ganzheitliche Konzepte zu schaffen, in denen alle Interessen und Vorschriften einbezogen werden. © ACO 31 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Infrastruktur che Veränderungen an Kellerabgängen, Kellerlichtschächten, Tiefgaragenzufahrten etc. aus, um den Keller vor Überschwemmung zu schützen. Von innen kann der Keller durch - möglichst automatische - Rückstauklappen und Hebeanlagen geschützt werden. Diese verhindern, dass bei Überlastung des Kanalsystems (Rückstau) das Wasser durch die Leitungen zurück ins Gebäude gedrückt wird. Wichtig hierbei ist, dass die Produkte regelmäßig gewartet werden. Das größte Potenzial für ein angepasstes Regenwassermanagement in urbanen Bereichen liegt in der wassersensiblen Stadt- und Freiraumgestaltung. Bei Starkregen ist die Kanalisation oft überlastet, herkömmliche Entwässerungssysteme können die Wassermassen nicht mehr bewältigen. Die Alternative: Anfallendes Niederschlagswasser wird oberflächennah beispielsweise über ACO DRAIN ® Entwässerungsrinnen gesammelt und auf abgesenkte Freiflächen geleitet, die geflutet werden können und so Rückhalte- und Retentionsräume („Zwischenpuffer“) schaffen. Derartige Freiflächen können gleichzeitig auch als architektonisches Gestaltungselement in einer Stadt dienen. Auf diese Weise muss das Wasser idealerweise gar nicht erst in die überlastete Kanalisation eingeleitet werden, weil es vollständig auf diesen Flächen versickern kann. Bei frühzeitiger Planung mit dem Ansatz der oberflächennahen Entwässerung kann komplett auf eine Verrohrung zur Ableitung des Oberflächenwassers verzichtet werden. Ein Beispiel hierfür ist das Konzept der dänischen Architekten von TREDJE NATUR, das vorsieht, Spielplätze in Senken zu bauen und als Überflutungsflächen zu nutzen. Das Argument, dass dadurch eine Gefahr für Kinder bestünde, lässt sich relativ leicht entkräften - bei Starkregen sind diese Flächen nahezu menschenleer. Zusätzlich kann in solchen Fällen eine Einfriedung zum Schutz vorgesehen werden. Auch eine wassersensible Straßengestaltung gilt als hinreichende Option eines angepassten Regenwassermanagements. Eine klassische Straße im urbanen Bereich hat ein Dachprofil mit Straßenabläufen links und rechts. Wird die Neigung zur Straßenmitte umgekehrt und die Entwässerung dort angeordnet, kann Wasser in der Straße zwischengespeichert werden. Pro Meter Straße können dadurch 0,6 bis 1,0 m³ Rückstauvolumen für die Rückhaltung von Regenwasser gewonnen werden. Der Straßenraum bietet somit eins der größten Potenziale für die Zwischenspeicherung von Wasser. Eine weitere Möglichkeit für eine schnelle Aufnahme von Niederschlagswasser auf ganzer Länge einer Straße sind sogenannte Hohlbordrinnen, wie die ACO DRAIN ® KerbDrain. Sie kombiniert als 2-in-1-System Bordstein und Entwässerungsrinne und entwässert linear nicht nur die Straße, sondern sorgt zum Beispiel an Bushaltestellen für den Schutz der ein- und aussteigenden Fahrgäste vor Spritzwasser. Letztlich ist eine regelmäßige Analyse, welche Produkte an Bild 1: Grüne Inseln im urbanen Raum schaffen neue Lebensräume für Pflanzen und Tiere. Vor allem Bäume verbessern die Luftqualität, indem sie die Sauerstoffproduktion fördern, Feinstaub filtern und die Luftfeuchtigkeit erhöhen. © TREDJE NATUR Bild 2: ACO DRAIN ® KerbDrain: 2-in-1-Bordstein und Entwässerung in einem System, aus dauerhaft frost- und tausalzbeständigem Polymerbeton in monolithischer Bauweise. © ACO by Olaf Wiechers 32 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Infrastruktur kritischen Stellen benötigt werden oder verbessert werden können, zwingend notwendig. ACO unterstützt hier nicht nur bei bestehenden Entwässerungssystemen, sondern auch bei der Planung von neuen Erschließungsgebieten, zum Beispiel in Form von hydraulischen Berechnungen. Allgemein lässt sich hierbei sagen, dass sich eine oberflächennahe Entwässerung optimal kontrollieren lässt und deshalb oftmals besser geeignet ist, als das Niederschlagswasser durch Straßenabläufe direkt in den Kanal zu leiten. Alternative Systeme zur Rückhaltung und Schaffung von Retentionsräumen Bei versickerungsfähigem Boden kann das Regenwasser durch Versickerung wieder dem natürlichen Wasserkreislauf zugeführt werden. Bei nicht versickerungsfähigem Boden hingegen muss das Wasser bei Starkregen zwischengespeichert werden. Hierfür bieten sich mehrere Produktlösungen an. Die ACO DRAIN ® Retentionsrinne Qmax ist gleichzeitig Oberflächenentwässerung und Rückhaltung in prinzipieller Form eines Stauraumkanals. Durch die Einlauföffnungen an der Oberfläche wird das Regenwasser gesammelt und bei normaler Niederschlagsmenge in die Kanalisation abgeleitet. Bei Starkregen kommt es durch einen gedrosselten Abgang zum Einstau des Niederschlagswassers zunächst im Hohlraum der Rinne, in dem bis zu 400 Liter pro Meter zurückgehalten werden können. Dieses wird erst nach einigen Stunden gedrosselt an die Kanalisation abgegeben, ohne sie zu überlasten. ACO Qmax ist somit Entwässerung und Rückhaltung in einem und kann durch seine hohe Leistungsfähigkeit ohne Anschlusskanal auskommen. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, das anfallende Regenwasser direkt über den Gehwegbelag abzuleiten und in unterirdischen Blockrigolen an Ort und Stelle zwischenzuspeichern. Mit dem innovativen Projekt „Climate Tile“ (Klimafliese) haben das dänische Architekturbüro TREDJE NATUR, ACO und der Betonhersteller IBF eine Technologie entwickelt, die ein nachhaltiges Regenwassermanagement und einen besseren Umgang mit auftretenden Starkregenfällen ermöglicht. Die Lösung „Klimafliese“ ist ein zusammenhängendes Netzwerk. Dabei handelt es sich um ein anpassungs- und erweiterungsfähiges Plug-andplay-Entwässerungssystem, welches zugleich den Oberflächenbelag des Fußweges bildet. Es besteht aus versickerungsfähigen Betonplatten mit integrierten senkrechten Öffnungen zur Aufnahme des Oberflächenwassers und aus integrierten Rohrleitungen in den Betonplatten zum schnellen Ableiten des anfallenden Wassers sowie einem Blockrigolensystem. In den Kreislauf integriert ist ebenso eine autark funktionierende Messtechnik zur Überwachung der Anlage. Eine wichtige Komponente des Konzepts „Klimafliese“ ist das Rigolensystem „Stormbrixx“. ACO bietet mit dem Blockrigolensystem ACO Stormbrixx SD und HD eine technische Lösung zum unterirdischen Speichern und zur Versickerung von Regenwasser. Für jede Anwendungskategorie kann eine projektorientierte und wirtschaftliche Auslegung der Blockspeicherung oder -versickerung erfolgen. Fazit und Handlungsempfehlungen Die Betrachtung der gegenwärtigen Situation und der vorgestellten Lösungsansätze lässt den Schluss zu, dass bestehende Bauwerke aktiv technisch und konstruktiv verbessert werden können, um sie für Starkregenereignisse zu rüsten. Gleichwohl sind die Chancen einer oberflächennahen Entwässerung sowie alternative Möglichkeiten zur Schaffung von natürlichen oder technischen Retentionsräumen zu nutzen. Dipl.-Ing. Olaf Wiechers ACO Tiefbau Vertrieb GmbH Kontakt: tiefbau@aco.com AUTOR Bild 4: ACO Stormbrixx ist ein modulares Rigolensystem aus Kunststoff, welches zum einen als Blockspeicher für Niederschlagswasser und zum anderen als Blockversickerung von Niederschlagswasser eingesetzt wird. © ACO Bild 3: Die ACO DRAIN ® Schwerlast- und Retentionsrinne Qmax ist eine Kombination aus Entwässerung und Retention. © ACO by Olaf Wiechers 33 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum Show Offene Diskussions- Foren in der Ausstellung mit vielen Experten • 230 Aussteller • Speakers’ Corner • Fachforen www.pmrexpo.de/ fit PMRExpo 2019 Netzwerk sichere Kommunikation 26.—28. Nov. / Koelnmesse Vorträge, interaktive Thementische und Diskussionsrunden mit über 30 Experten • KRITIS Sicherheit • Internet of Life Saving Things • Breitband-Lösungen • Cloud-Lösungen +Fokus: Leitstelle 28. Nov. Summit Sichere Kommunikation 26.—28. Nov. Die Fachtagung speziell für Themen der Energieversorger und Netzbetreiber • Blackout-Schutz • 5G-Anwendungen • 450-MHz • LoRaWAN Symposium Energiewirtschaft 27. Nov. 34 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau Auf die Rekordhitze im Jahr 2018 folgte im Jahr 2019 eine extreme Hitze: Ende Juli 2019 wurden in Deutschland erstmals verbreitet über 40 °C gemessen, in Städten entlang des Nordrheins über 41 °C. Mehrere Tropennächte mit Minimumtemperaturen weit über 20 °C boten kaum Abkühlung, Gebäude und Innenräume heizten sich immer weiter auf, dort wo Menschen sich die meiste Zeit aufhalten. Auf die Extremhitze folgte dann verbreitet Starkregen: zum Beispiel in Berlin, wie schon 2018, wo die Ringbahn unterbrochen war, Tunnel überflutet wurden, und in Ortsteilen der Ausnahmezustand galt. Dabei war in Berlin bereits 2017 ein Jahrhundertregen niedergegangen. Jede Stadt in Deutschland kann vom Starkregen betroffen sein [1: 18], beispielsweise Dortmund 2008, Bremen und Hamburg 2011, Die Schwammstadt als Baustein des klimaresilienten Stadtumbaus Mit klimaangepasstem Bauen zur Überflutungsvorsorge Schwammstadt, Starkregen, Überflutungsvorsorge, Stadtumbau, Klimaangepasstes Bauen Fabian Dosch, Bernhard Fischer Durch den Klimawandel verstärkte Hitzewellen, Trockenheit und Starkregen wirken auf Städte, in denen mehr Menschen in dichterer Bebauung wohnen, leben und arbeiten. Das erfordert ein klimawandelangepasstes Siedlungswassermanagement: die „Schwammstadt“. Bei Starkregen halten Mulden, Überflutungsflächen und grüne Infrastruktur Wasser zurück und geben es verzögert ab. Auf engem Raum der Stadt tragen viele kleine Lösungen dazu bei, oberwie unterirdisch. Trotz guter Beispiele im Stadtumbau erfordert die Überflutungsvorsorge eine breitere Umsetzung durch Stadtentwässerung, Stadtentwicklung, und klimaangepasstem Bauen. Bild 1: Starkregenverteilung 2001-2016 für verschiedene Intensitäts- und Dauerstufen. Quelle: Strategische Behördenallianz an den Klimawandel 2017 [4: 3; 5: 50] 35 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau Bonn 2013, Münster 2014, Simbach oder Braunsbach 2016, Köln 2017, Wuppertal 2018 [2: 46]. Es gibt Anhaltspunkte für eine Zunahme der Intensität konvektiver Ereignisse mit steigender Temperatur [1]. Inwiefern es regionale Unterschiede im Auftreten von Starkregen gibt - also deren Dauer, Intensität und Verbreitung - wird von der Strategischen Behördenallianz Anpassung an den Klimawandel im Rahmen des 2019 gestarteten Projektes „KlamEx - Klassifikation meteorologischer Extremereignisse zur Risikovorsorge gegenüber Starkregen für den Bevölkerungsschutz und die Stadtentwicklung“ erforscht. In einem Vorläuferprojekt „Erstellung einer radargestützten Niederschlagsklimatologie“ wurden unter anderem Überschreitungen der Warnschwellen des Deutschen Wetterdienstes innerhalb der Zeitspanne 2001 bis 2016 ermittelt. So zeigen Karten für Starkregen (zur Definition vgl. Bild 1) für „markantes Wetter“ ein für Berggebiete erhöhtes Auftreten. Doch je extremer die Intensität (Unwetter), desto mehr zerfällt das orographische Muster. Die Extremereignisse für kurzlebige lokale Starkregenereignisse treten in nahezu allen Regionen Deutschlands auf [5]. Wenn also Starkregen überall auftreten können, dann müssen sich Städte und Gemeinden auch überall darauf vorbereiten. Und nicht nur auf Starkregen, auch auf langanhaltende Trockenheit, die zu einem veränderten Wasserregime in Städten führt. Insbesondere die Jahre 2015, 2018 und 2019 waren und sind außergewöhnlich trocken, wie der Dürremonitor Deutschland des UFZ Zentrum für Umweltforschung zeigt. Hitze, Trockenheit und Starkregen machen den Städten zu schaffen. Diese klimawandelverstärkten Witterungsextreme treffen zudem auf nachverdichtete Städte. Zwischen 2005 und 2017 nahm die Bevölkerung der kreisfreien Großstädte um 1,7 Mio. Einwohner bzw. 7,5 % zu, darunter die der Metropolen über 500 000 Einwohner um 11,2 %. Es wurde und wird gebaut, nachverdichtet und versiegelt. Die Siedlungsdichte, definiert als Einwohner je km² Siedlungs- und Verkehrsfläche (SuV), stieg in den kreisfreien Großstädten von 3880 (2000) auf 3929 (2017) Einwohner je km² SuV. Die Folge der verdichteten Bauweisen sind ein Rückgang unversiegelter und wasserdurchlässiger Böden sowie eine höhere Baumasse, die insgesamt eine Vorsorge vor Starkregen und Trockenheit erschweren. Das Schwammstadt-Prinzip Städte sind für Auswirkungen von Wetterextremen besonders anfällig, da diese dort zu immensen materiellen Schäden an Infrastruktur und Gebäuden führen und auch Menschen gefährden können. Gefragt sind Strategien, die den Umgang sowohl mit einem Zuviel als auch mit einem Zuwenig an Wasser - also der Bewältigung von Sturzfluten, Hitze und Trockenheit gleichermaßen adressieren, und sich auf engem Raum in den Städten realisieren lassen. Rein technische Lösungen der Ableitung durch die Siedlungswasserwirtschaft stoßen an ihre Grenzen, denn für größer dimensionierte Regenrückhaltebecken und Entlastungskanäle fehlen oft Geld und Platz. Der Klimawandel erfordert die Strategie einer wassersensiblen Stadtentwicklung, die international als „Sponge City“ [6] zu dt. „Schwammstadt“ beschrieben wird. Hinter diesem Begriff steht das Prinzip, weniger Wasser oberflächlich abzuleiten und in Kanäle zu entsorgen, sondern es stattdessen in der Fläche zu speichern und zu nutzen [4: 5]. Es geht um die dezentrale Rückhaltung von Regenwasser in Versickerungsflächen und -anlagen durch temporäre Speicher wie Mulden und Rigolen, aber auch zeitweilig überflutbaren Plätzen und Verkehrswegen [7] als multifunktional genutzte Retentionsflächen. Sie verzögern den Abfluss in den natürlichen Wasserkreislauf [8] und reduzieren die Gefahr einer Überlastung der Kanalsysteme im Falle von Extremniederschlägen [2; 9]. Wie ein Schwamm sollen Städte und deren Liegenschaften das Wasser aufsaugen und verzögert abgeben können (vgl. Bild 2). Mit einem klimawandelangepassten Siedlungswassermanagement kann ein Großteil über „grüne Elemente“ wie Mulden, Baum-Rigolen, Gründächer und -fassaden verdunstet und geeignete Oberflächenbeläge (vgl. Bild 3) vor Ort versickert werden, was den Abfluss stark reduziert und Schäden an der Infrastruktur verringert. Bild 2: Schwammliegenschaft Quelle: BBSR [4: 46] / Ing. Büro Beck 36 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau Das Schwammstadt-Prinzip kann als Stadtentwicklungs- und Umbauleitbild für das klimawandelangepasste Siedlungswassermanagement über alle Maßstabsebenen von der Stadt über das Quartier bis zur Liegenschaft dienen. Zur Umsetzung ist die Kooperation von Siedlungswasserwirtschaft und Stadtentwicklung zentral, im Neubau wie insbesondere im Stadtumbau. Durch intelligente Begrünung der Speichersysteme und Oberflächen kann der Schwamm in Trockenphasen Wasser abgeben und über Verdunstung des gespeicherten Regenwassers benachbarte Flächen abkühlen. Dazu braucht es mehr grüne Infrastruktur, unversiegelte Böden, Dach- und Fassadengrün, Pocket- oder Mikroparks. Stadtgrün lässt Regenwasser langsamer abfließen (vgl. Bild 4) und mindert die Auswirkungen von Hitzewellen [12]. Maßnahmen und Bausteine einer wassersensiblen Stadtgestaltung betreffen unter anderem stadtplanerische, städtebauliche und wasserbauliche Maßnahmen, aber auch die Grün- und Verkehrsplanung [13, 14, 15], (vgl. Bild 5), in Stadtquartieren wie auch auf der einzelnen Liegenschaft. Bild 3: Abflussvermeidung und -verzögerung durch geeignete Oberflächenbeläge Quelle: BBSR [10: 44] / Ing. Büro Beck Bild 4: Temporäre Überflutungsflächen und versickerungsfähige Böden speichern Wasser zwischen Quelle: Foto und Collage Dosch Bild 5: Bausteine einer wassersensiblen Stadt- und Freiraumgestaltung. Quelle: Stadt Köln, 2016 [15: 29] Sicherung und Schaffung von Retensionsflächen (Teil-) Entsiegelung befestigter Flächen Dezentrale Versickerung und Verdunstung Offene Ableitung von Regenwasser Begrünung von Dachflächen Multifunktionale Nutzung von Verkehrs- und Freiflächen Rückhalt von Abflussspitzen in oder auf Bauwerken Notentwässerung (Ableitung) über Straßen und Wege Reaktivierung ehemaliger Gräben und Fließgewässer 37 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau Zentral neben oberirdischen Maßnahmen sind Tiefbauarbeiten wie Ertüchtigung des Abwassernetzes, Schaffung von größeren Regenwasserrückhalteräumen ober- und unterirdisch etwa in Form von Zisternen, oder Bau von Notwasserwegen (vgl. Bild 6). Wassersensibler Stadtumbau in der Praxis Die Rahmenbedingungen für die Realisierung des Schwammstadt-Prinzips in der kommunalen Planungspraxis bleiben verbesserungswürdig, trotz einer Vielzahl Erkenntnisse, geeigneter Maßnahmen und Fördermöglichkeiten, insbesondere der Städtebauförderung. Gemäß § 136 Absatz 2 Nr. 1 BauGB können schon heute städtebauliche Missstände, deren Behebung durch städtebauliche Sanierungsmaßnahmen erfolgen soll, auch durch Anforderungen der Klimaanpassung begründet werden [11: 73]. Fördervoraussetzung ist die Erstellung eines integrierten Stadtentwicklungskonzeptes, etwa auf Grundlage einer Analyse von Überflutungsgefahren und -risiken. Einheitliche Empfehlungen für Starkregengefahrenkarten fehlen allerdings [2]. Für das Gelingen des wassersensiblen Stadtumbaus sind aber nicht nur Analysen wichtig, auch die fachbereichsübergreifende gute Zusammenarbeit der kommunalen Planer und die Qualität der Planungsprozesse. In einem laufenden Forschungsprojekt zum klimaresilienten Stadtumbau des BBSR stehen erfolgreiche Planungs-, Kooperations- und Kommunikationsprozesse im Fokus [17]. Speziell Stadtumbaugebiete mit historischen und/ oder stark verdichteten Quartieren sind besonders von Wetterextremen wie Hitzetagen und Starkregen betroffen. In acht Fallstudienstädten werden Strategien einer klimaresilienten Stadtentwicklung erörtert. Darunter sind Bausteine einer wassersensiblen Stadtentwicklung im Stadtumbau, zum Beispiel in Berlin: Im Stadtumbaugebiet Green Moabit geht es um ein innovatives Regenwassermanagement für das verdichtete, innerstädtische Mischgebiet. Baumrigolen und Zisternen sollen pilothaft für die Gesamtstadt erprobt und zur Anwendungsreife gebracht werden. Dortmund: Neben den bereits realisierten Umbaumaßnahmen am Phoenix See und Hörder Bach zielt das Klimafolgenanpassungskonzept Stadtteil Hörde unter anderem auf die Hofumgestaltung eines Schulkomplexes mit Regenwasserversickerung, die Neugestaltung eines Stadtplatzes. Esslingen: Das Stadtentwicklungskonzept Hainbachtal zur Sicherung der Kaltluftschneisen wurde mit einer 20jährigen Laufzeit beschlossen. Maßnahmen daraus sehen die Renaturierung, Bachöffnungen und eine stärkere Begrünung vor. Greifswald: Bei der Erarbeitung des Bebauungsplans für ein Stadterweiterungsgebiet geht es um die klimawandelgerechte Bebauung außerhalb von Überflutungsbereichen. Jena: Mit JenKAS, der Jenaer Klimaanpassungsstrategie, besteht eine politisch beschlossene Grundlage für deren Umsetzungsprozess. Das Stadtbaumkonzept liefert fundierte Aussagen für klimaresiliente Straßenbäume und wird unter anderem in der Stadtsanierung angewendet. Mit solchen Bausteinen wassersensibel umgestalteter Bereiche in verschiedenen Orten des Bundesgebiets verbessert sich die Resilienz gegenüber dem Klimawandel, die zudem attraktiv sind und hohe Lebens- und Umweltqualität haben (vgl. Bild-7). Als zentrales Projektergebnis wird eine über www.klimastadtraum.de abrufbare Toolbox „Klimawandelgerechter Stadtumbau“ erstellt, die neben Bild 6: Neubau eines Starkregen-Überlaufs zur Notentwässerung mit Treibgut- Rechen. Foto: Bonn Mehlemer-Bach. © Dosch 2019 Bild 7: Oberirdische Elemente einer wassersensiblen Stadt (Schwammstadt). © BBSR, Dosch 38 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau themenbezogenen Steckbriefen praxisorientierte Anregungen für kommunale Verwaltungen enthält. Darüber hinaus haben viele andere Städte Bausteine eines wassersensiblen Stadtumbaus realisiert [9, 18: Kap.3; 19, 20]. So hat die Stadt Essen bei der Umgestaltung der Neuen Mitte und eines neuen Quartiers am Niederfeldsee oder auch im Krupp-Park verschiedene Elemente einer blau-grünen, also wassergebundenen und durchgrünten Stadtentwicklung im Sinne des Schwammstadt- Prinzips kombiniert. Die Vision der Gründachstrategie Hamburg ist, Neubauten und geeignete Flachdachsanierungen über 100 m² mit grünen Dächern zu versehen. Mindestens 70 % der Neubauten mit Flachdach und geeigneten Flachdachsanierungen sollen begrünt werden. In Bremen geht es unter anderem um die Umsetzung einer Starkregenvorsorge in der Gartenstadt Werdersee, um Pilotprojekte zur Überflutungsvorsorge bei der Kanalerneuerung, um die Ausarbeitung eines Vorgehens zur Institutionalisierung der wassersensiblen Stadtentwicklung [21]. In Wiesbaden werden zwei unterirdisch verlaufende Bäche wieder an die Oberfläche geführt. Im abflusslosen Siedlungsgebiet Adlershof in Treptow- Köpenick, Berlin, wird Regenwasser dezentral von Grundstücken, Plätzen und Straßen in Rasenmulden gesammelt und versickert dort. Regensburg bringt Begrünungsmaßnahmen in die historische Innenstadt. Aspekte der wassersensiblen Stadtentwicklung sind nicht nur in weiteren Großstädten wie Nürnberg, Stuttgart oder Leipzig aktuell, sondern auch in vielen kleineren Kommunen, die beispielsweise über Städtebauförderungsprogramme entsprechende Maßnahmen finanzieren. Klimaangepasstes Bauen (KLIBAU) Beim klimaangepassten Bauen geht es neben dem Objektschutz um Maßnahmen zum Speichern, Versickern und Verdunsten von Wasser auf der (Schwamm-)Liegenschaft (Bild 8). Der Bestand der über 19 Mio. Wohnhäuser und insbesondere in den über 42 Mio. Wohnungen wird von Zeit zu Zeit saniert. Auch die mehr als 100 000 jährlichen Baugenehmigungen im Hochbau richten sich an dem Geschmack ihrer späteren Nutzer aus. Doch werden bei den Planungen neben Themen der kindergerechten Raumaufteilung, einer möglichen Mehrgenerationslösung oder der Barrierefreiheit auch zukünftige Extrembeanspruchungen des Hauses durch die Folgen des Klimawandels ausreichend mit einbezogen? Bezogen auf Gebäude werden Extremwetterereignisse wie Starkregen, extreme Hitze, Sturmböen mit dem Klimawandel häufiger und intensiver auftreten [22]. Gebäude, die heute für eine Lebenszeit von 80 - 100 Jahre errichtet werden und in ihrem Lebenszyklus erst nach 30- 50 Jahren eine grundlegende Sanierung oder Umbau erfahren, sollten eine Konstruktion wählen, die derzeitige und vor allem zukünftig verstärkte Klimawirkungen berücksichtigen. Betrachten wir nach unserer Haut und Kleidung die Gebäudehülle als unsere dritte Haut mit dem Wissen, dass wir uns über 22 Stunden täglich in geschlossenen Räumen zuhause, in Bahnen, Bussen, PKW oder am Arbeitsplatz aufhalten, erhält die Resilienz des Hauses gegen Belastungen durch den Klimawandel eine neue Dimension. Bautechnische Maßnahmen wie verstärkte Wärmedämmung oder Gründächer dienen dem Klimaschutz und der Klimaanpassung. Klimaangepasstes Bauen setzt Bild 8: Klimaangepasste Liegenschaft. Quelle: BBSR 2018 - Klima- und Umweltpotentiale von Gebäuden. Intep, Christoph Wensing. 39 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau Kenntnisse um die Risiken durch die Folgen des Klimawandels auf das Gebäude voraus. Mit dem Angebot GIS-ImmoRisk Naturgefahren hat das BBSR ein Geoinformationssystem zur bundesweiten Risikoabschätzung von zukünftigen Klimafolgen für Immobilien entwickelt [16]. Hochwasser Eine der wesentlichen Planungsleistungen ist die Ertüchtigung des Hauses gegen die „nassen“ Beanspruchungen durch Hochwasser und Starkregen. Bei der Standortwahl sollte bei den öffentlich einsehbaren Hochwasserüberschwemmungskarten, den sogenannten HQ 100 Flächen, die Überflutungsgefahr berücksichtigt werden. Tritt das Hochwasserereignis ein, wird nur zu oft die staatliche Hilfe angefordert. Zwar hat die Gemeinde die Aufgabe des Hochwasserschutzes und im Katastrophenfall werden Feuerwehr und THW den Betroffenen aus ihrer Not helfen. Doch es besteht auch die Pflicht zur Vorsorge gegen Überflutungsgefahren von Privatpersonen (Bild 9). Denn jede Person, die durch Hochwasser betroffen sein kann, ist gesetzlich nach WHG-§-5 Abs. 2 im Rahmen des ihr Möglichen und Zumutbaren verpflichtet, geeignete Vorsorgemaßnahmen zum Schutz vor nachteiligen Hochwasserfolgen und zur Schadensminderung zu treffen. Welche Vorsorgemaßnahmen dies sein können, zeigt die Hochwasserschutzfibel des Bundes exemplarisch auf [3]. Starkregen und Hagel Starkregengefahrenkarten geben einen ersten Hinweis, ob ein Haus in einer Starkregenüberflutungsfläche liegt. Dabei hat das BBSR in einer Studie nachgewiesen, dass es mit baulichen Maßnahmen möglich ist, einen Starkregen über einen gewissen Zeitraum vollständig auf der Liegenschaft zurückzuhalten und damit einen Beitrag zur „Schwammstadt“ zu liefern [4]. Zu prüfen ist, ob Starkregen das Gebäude erreichen und wo er durch Öffnungen in der Gebäudehülle in das Haus eindringen kann. Hinweise hierzu gibt der „Leitfaden Starkregen“ [10] des BBSR mit bautechnischen Empfehlungen zum Objektschutz. Starkregen ist teilweise mit Hagel verbunden. Gesicherte Erkenntnisse dazu, ob Hagel durch die Klimaveränderung häufiger und/ oder mit steigender Intensität auftritt, gibt es derzeit nicht, wenngleich vielfach von der Zunahme und steigenden Gefahr durch Hagel(stürme und -züge) mit großen Hagelkörnern berichtet wird. Bis zum 50-jährlichen Hagel entstehen keine Schäden an Fassade, Dach und daran befestigen Bauteilen wie Solaranlagen. In der Regel ist der Schutz auf Hagelkörner mit 3 cm Durchmesser sinnvoll und einfach umsetzbar, damit keine Schäden an Fassade, Dach und daran befestigten Bauteilen (Solaranlage usw.) auftreten. Größere Hagelkörner können an Dächern, Dachpfannen, Wintergärten und Hausfassaden hohe Schäden anrichten. Um dem zu widerstehen, sind Materialien wie Dachziegel mit hohem Hagelwiderstand zu wählen. Aufgrund größerer Gefährdung in der Schweiz liegen dort detailliertere Untersuchungen, Kategorisierungen und Vorschriften zu hagelgeprüften Bauteilen vor [23]. Sturm Neben den „nassen“ Anforderungen wie Starkregen, Hochwasser und Hagel und den „trockenen“ Anforderungen, wie Hitze und Dürre sind bautechnische Schutzmaßnahmen gegen Sturm und Windböen relevant. Besonders betroffen sind Dachbauteile (bei Steil- und Flachdach), Dachaufbauten (Satellitenschüssel, Antennen, Kamine) und teilweise auch Dachstühle, darüber hinaus Fassaden, Fenster, Rollläden und Außenanlagen. Befinden sich Bäume auf dem Grundstück, sind Baumstürze ein Risikopotenzial. Windextreme werden oberhalb des Alpenraums im Sommer um das 1,5bis 2-fache zunehmen, im Winter regional unterschiedlich um das 2bis 2,5-fache. Ziel ist die Resilienz gegenüber Wind/ Sturm zu erreichen. Dies kann durch Sturmanker, die Verankerung der Dachpfannen, erfolgen. Das Gebäude hält den zu erwartenden Windspitzen (Windzone nach DIN 1055 - 4) bis zum 50-jährlichen Wind schadlos stand. Aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen sind Ereignisse, die seltener als 50 Jahre auftreten (sogenannter Überlastfall) mit extremen Windlasten in den Normen nicht erfasst. Allerdings bestehen durch die bei der statischen Bemessung vorgesehen Sicherheitszuschläge auch bei Überschreitung der Bemessungslasten gewisse Sicherheiten. Bild 9: Überflutungsschutzvorsorge in öffentlicher und privater Zuständigkeit Quelle: BBSR 2018 [4: 11] 40 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau Hitze Durch den Klimawandel ist mit mehr heißen Sommertagen (> 30 °C) und tropischen Nächten (> 20 °C) zu rechnen. Bauteile können sich extrem aufheizen, die in der Folge durch thermische Längenänderungen und dadurch hervorgerufene Spannungen oder Materialerweichung belastet werden. Da Gebäude die wesentliche Schutzfunktion gegenüber Hitze für Mensch und Tier übernehmen, ist die Senkung der Überhitzungsstunden im Innenraum sowie der Oberflächentemperaturen der Gebäudehülle vorzusehen. Dies kann etwa durch Abschattung, helle Materialien, weniger Wärmequellen (Klimaanlagen und anderes) und Nutzung von Verdunstungskühlung durch Wasserflächen oder in Zisternen gespeichertes Regenwasser und Vegetation bei der Gebäudeertüchtigung erfolgen. QUELLEN [1] LAWA Bund-/ Länderarbeitsgemeinschaft Wasser: LAWA-Strategie für ein effektives Starkregenrisikomanagement. Beschlossen auf der 155.LAWA V V. Erfurt, 2018. [2] Kind, C., Kaiser, T., Riese, M., Bubeck, P., Müggenburg, E., Thieken, A., Schüller, L., Fleischmann, R.: Vorsorge gegen Starkregenereignisse und Maßnahmen zur wassersensiblen Stadtentwicklung. Analyse des Standes der Starkregenvorsorge in Deutschland und Ableitung zukünftigen Handlungsbedarfs. Dessau- Roßlau: Umweltbundesamt, 2019. [3] Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI): Hochwasserschutzfibel. Objektschutz und bauliche Vorsorge. 8.Aufl., Berlin, 2019. [4] Bundesinstitut für Bau, Stadt und Raumforschung (BBSR): Leitfaden Starkregen - Objektschutz und bauliche Vorsorge. Bonn, 2018. [5] Winterrath, T. et al.: Erstellung einer radargestützten Niederschlagsklimatologie. Abschlussbericht. Ein Projekt der Strategischen Behördenallianz „Anpassung an den Klimawandel“ von UBA, THW, BBK, BBSR und DWD, 2017. [6] Stokman, A., Deister, L., Dieterle, J.: Internationale Ansätze und Referenzprojekte zu Klimaanpassungsstrategien der Überflutungs- und Trockenheitsvorsorge verschiedener Siedlungstypen im Klimawandel Stuttgart. Expertise im Auftrag des BBSR. Stuttgart, 2013. [7] Benden, J., Broesi, R., Illgen, M., Leinweber, U., Lennartz, G., Scheid, C., Schmitt, T. G.: Multifunktionale Retentionsflächen. Teil 3: Arbeitshilfe für Planung, Umsetzung und Betrieb. Köln, 2017. [8] w w w.tagesschau.de/ inland/ starkregen-staedte schwammstadt-101.html (05.08.2019). [9] Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR): Überflutungs- und Hitzevorsorge durch die Stadtentwicklung. Strategien und Maßnahmen zum Regenwassermanagement gegen urbane Sturzfluten und überhitzte Städte, Bonn, 2015. [10] Bundesinstitut für Bau, Stadt und Raumforschung (BBSR): Starkregeneinflüsse auf die bauliche Infrastruktur. Bonn, 2018. [11] Weißer, B., Becker, D., Othmer, F.: Stärkung der Risikovorsorge gegenüber Starkregen, RaumPlanung 202, 3/ 4 (2019), S. 71-77 [12] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB): Weißbuch Stadtgrün. Berlin, 2017. [13] Deutscher Städtetag: Starkregen und Sturzfluten in Städten. Eine Arbeitshilfe, 2015. [14] Deutscher Städtetag: Anpassung an den Klimawandel. Forderungen, Hinwiese, Anregungen, 2019. [15] Stadtentwässerungsbetriebe (SteB) Köln: Leitfaden für wassersensible Stadt- und Freiraumgestaltung in Köln. Empfehlungen und Hinweise für eine zukunftsträchtige Regenwasserbewirtschaftung und für die Überflutungsvorsorge bei extremen Niederschlagsereignissen, 2016. [16] www.bbsr.bund.de/ BBSR/ DE/ Veroeffentlichungen/ Sonderveroeffentlichungen/ 2019/ gis-immorisk.html [17] w w w . b b s r . b u n d . d e / B B S R / D E / F P / E x W o S t / F o r s c h u n g s f e l d e r / 2 0 1 7 / k l i m a r e s i l i e n t e r stadtumbau/ 01-start.html [18] Deutsches Institut für Urbanistik: Kommunale Überflutungsvorsorge: „Planer im Dialog“, 2018. [19] Stadt Köln: Leitfaden für ein besseres Klima in Köln, 2018. [20] Deister, L., Brenne, F., Stokman, A., Henrichs, M., Jeskulke, M., Hoppe, H., Uhl, M.: Wassersensible Stadt- und Freiraumplanung. Handlungsstrategien und Maßnahmenkonzepte zur Anpassung an Klimatrends und Extremwetter. SAMUWA Publikation, 2016. [21] Bremen: Starkregenvorsorgestrategie/ Projekt KLAS - Bilanz und finale Schritte zur Operationalisierung in Bremen. Bericht der Verwaltung für die Sitzung der Deputation für Umwelt, Bau, Verkehr, Stadtentwicklung, Energie und Landwirtschaft am 21.03.2019. [22] IPCC: Sonderbericht über 1,5 °C globale Erwärmung (SR1.5), 2018. [23] www.hagelregister.ch/ at Dr. Fabian Dosch Referatsleiter Stadt-, Umwelt- und Raumbeobachtung im Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). Kontakt: fabian.dosch@bbr.bund.de Dr.-Ing. Bernhard Fischer Technischer Referent und Projektleiter Referat Bauen und Umwelt Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung- Kontakt: bernhard.fischer@bbr.bund.de AUTOREN www.oeffentliche-infrastruktur.de Bundeskongress Öffentliche Infrastruktur 2019 Infrastruktur in Stadt und Land - gleichwertig, digital, kritisch 03. Dezember 2019, Hotel Adlon Berlin Eine Veranstaltung des 42 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau Wassersensibles Planen und Bauen Die Antwort auf die Herausforderungen des Klimawandels? Klimawandel, Naturgefahren, Hochwasser, Wasserhaushalt, Flächenplanung, Gebäudeplanung Andreas Rimböck In den vergangenen Jahren haben zahlreiche Starkregen- und Hochwasserereignisse die Grenzen technischer Schutzmaßnahmen deutlich vor Augen geführt. Mehr denn je sind Anstrengungen aus vielerlei gesellschaftlichen Bereichen erforderlich, um die Risiken aus Hochwasser zu mindern. Dies kommt auch deutlich in § 5 des Wasserhaushaltsgesetzes zum Ausdruck, nach dem jeder einzelne zu geeigneten Vorsorgemaßnahmen gegen Hochwasser verpflichtet ist. Auf der anderen Seite nehmen aber auch die Dürreperioden zu, so dass eine ausreichende Grundwasser-Neubildung und Maßnahmen zur Milderung starker Temperaturanstiege in unseren Siedlungsräumen mehr und mehr an Bedeutung gewinnen. Die gute Nachricht vorweg: Viele der daraus resultierenden Anforderungen sind mit zielorientiertem und nachhaltigem Planen und Bauen zu erfüllen. Dabei entstehen häufig kostengünstige und konsensfähige Lösungen, die meist sogar noch weitere zusätzliche attraktive Nutzen mit sich bringen, beispielsweise für die Ökologie, die Sozial- und Erholungsfunktion oder ansprechende moderne Gestaltungsmöglichkeiten. © lmaresz auf Pixabay 43 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau „Wassergefahren“ und Informationsquellen Wasser kann in vielerlei Hinsicht eine Gefahrenquelle für unsere Siedlungen und Infrastrukturanlagen darstellen. Neben dem „klassischen“ Bach- und Flusshochwasser können Gefahren aus Starkregen auch weit von Gewässern entfernt auftreten. Hohe Grundwasserstände können mit Hochwasser in Flüssen einhergehen, aber auch davon unabhängig auftreten. Nicht zu vernachlässigen sind auch Gefahren durch Überlastung der Kanalisation. Dem gegenüber stehen die Gefahren aus „zu wenig Wasser“: Dürre, Trockenheit mit Folgen für die Vegetation aber auch für unsere Trink- und Brauchwasserversorgung. Eine verantwortungsvolle Planung muss alle diese Aspekte betrachten und mit einbeziehen. Nur so sind nachhaltige Lösungen erzielbar. Für einige dieser Gefahren gibt es bereits Gefahrenkarten, welche die gefährdeten Flächen und die Gefahrenintensität darstellen. Dies sind selbstverständlich wesentliche Planungsgrundlagen, die unbedingt zu berücksichtigen sind. In Bayern ist eine wichtige Anlaufadresse dafür zum Beispiel der Internetkartendienst „Naturgefahren“ [1]. Allerdings gibt es solche Karten nicht flächendeckend und nicht für alle Gefahrenprozesse. Bei jeder Planung und Bauausführung sollten weitergehende Überlegungen zu möglichen „Wassergefahren“ selbstverständlich sein. Häufig geben schon einfache kritische Betrachtungen des Geländes, der Topographie oder der Straßen- und Siedlungsnamen (zum Beispiel: -au oder -ried) aber auch wasserliebende Pflanzen wertvolle Hinweise auf mögliche Gefahren. Geländesenken oder -mulden sollten konsequenterweise zum Rückhalt von Wasser oder zur Versickerung genutzt werden, mögliche Abflusswege frei gehalten und Bebauung dort vermieden werden. Verschiedene Ebenen der Umsetzung 1. Flächenplanung (Freiflächen-, Landschafts- und Städteplanung, Bebauungsplanung) Wassersensibles Planen beginnt auf der Ebene der Flächenplanung. Erste Priorität sollte natürlich sein, gefährdete Flächen von schadensanfälliger Nutzung freizuhalten. Dies heißt jedoch nicht, dass sie gar nicht genutzt werden können: Vor allem Freiflächen können häufig multifunktional genutzt werden und so zahlreichen Zielen dienen. Gerade Grünanlagen können Kaltluftschneisen, Erholungs- und Begegnungsräume, Lebensraum für Pflanzen und Tiere aber auch Rückhalte-, Speicher- und Versickerungsraum für Niederschlagswasser sein. Aber auch Straßen und Parkplätze können durch entsprechende Querschnittsgestaltung und Höhenlage neben ihrer Hauptfunktion auch als Rückhalteraum für Niederschlagswasser dienen. Mit solchen Mehrfachfunktionen kann wirkungsvoll der Flächenverbrauch begrenzt werden. Bei der Planung von Flächen sind immer die Wechselwirkungen zwischen Stadt- und Straßenentwässerung und Flächennutzung zu berücksichtigen. Das sogenannte „Schwammstadt-Prinzip“ setzt dabei darauf, Überflutungs-, Hitze- und Dürrevorsorge durch Verbesserungen hinsichtlich Aufnahme und Speicherung gemeinsam voranzutreiben [2]. Auch auf der Ebene der Bebauungspläne gibt es mannigfaltige Möglichkeiten, wassersensibel zu planen. Nur beispielhaft seien hier genannt: Anordnung der Gebäude unter Berücksichtigung möglicher „Notabflusswege“ Freihalten von Notentlastungsräumen, Versickerungsflächen oder Rückhalteräumen Vorrang oberirdischer Wasserabführung, zum Beispiel in Rinnen und Mulden, die eher überlastbar sind, als unterirdische Rohrleitungen Höhenlage der Straßen so, dass dort im Falle von Starkregen auch Wasser zurückgehalten werden kann und abfließen kann Bild 1: Unterschiedliche Wassergefahren: Grundwasser, Oberflächenabfluss/ Starkniederschläge, Flusshochwasser. © LfU, 2018 44 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau Bild 3: Verbesserung des Wasserhaushalts, Beispiel Rigole. © Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, Hamburg Bild 4: Verzögerung des Wasserabflusses durch Gründächer; dadurch Kühleffekt und ökologischer Mehrwert. © LfU Bild 2: Multifunktionaler Nutzen des sog. „Schwammstadt- Prinzips“: Hochwasserschutz, Wasserspeicher, Klimaanpassung als Grundlage für nachhaltig lebenswerte Siedlungen. © Grafik: Rimböck Höhenlage der Gebäude leicht über Geländeniveau, damit Niederschlagswasser nicht sofort eindringt, die Barrierefreiheit aber noch gewährleistet werden kann Förderung von Dach- und Fassadenbegrünung mit ihrer positiven Wirkung auf Temperatur und Wasserhaushalt Wirkung von „Leitstrukturen“, wie Mauern, Wällen, Straßen beachten positive versus negative Wirkung auf den Wasserabfluss Umsetzung des sogenannten „Schwammstadt- Prinzips“, also Wasser nicht schnellstmöglich ableiten, sondern in den Siedlungen zurückhalten, versickern und eventuell nutzen für die Grünflächenbewässerung bei Wassermangel Wasserhaushalt Regen z.B. Becken, Sickermulden, Gründächer, multifunktionale Flächen, ... Versickerung Prinzip der „Schwammstadt“ Verdunstung KLIMA- ANPASSUNG Kühlung Beschattung Belüftung Dürrevorsorge Stadtgrün Grafik: Rimböck Rückhalt Speicherung Bewässerung Es sollte zum Standard und zur gängigen Planungspraxis gehören, trotz Bebauung einen natürlichen Wasserhaushalt zu erhalten. Wasser in der Stadt muss gerade in Zeiten des Klimawandels als Ressource verstanden werden, nicht als lästiges Übel. Investitionen in die „grün-blaue Infrastruktur“ sind zudem oft wirtschaftlicher als solche in „graue Infrastruktur“ und bieten vielfältige Mehrwerte für Mensch und Umwelt. Wichtig ist, dass im Rahmen einer „Planungsphase Null“ ein interdisziplinärer Abstimmungsprozess mit allen Beteiligten stattfindet - also mit Wasserwirtschaft, Straßenplanern, Freiflächen- und Landschaftsplanern, Städtebauern, Architekten etc. Dabei sollten alle Aspekte, Randbedingungen und Chancen für eine klimawandelangepasste Siedlungsentwicklung bereits im Vorfeld der Entwurfserstellung diskutiert werden. Wenn die Wasserwirtschaftsverwaltung - wie leider häufig - die schon parzellierten, fertigen Bebauungspläne zur Stellungnahme bekommt, ist es für sinnvolle Lösungen meist zu spät, da kein Raum mehr für notwendige Maßnahmen ist und Umplanungen in der Regel sehr aufwändig sind. 2. Gebäude-, Objekt und Infrastrukturplanung: Zuallererst müssen auf der Ebene der Gebäude- und Objektplanung die Vorgaben der Bebauungspläne berücksichtigt, sowie sinnvoll und zielgerichtet planerisch und konstruktiv umgesetzt werden. Hier ist es besonders wichtig, kritisch und aufmerksam mitzudenken, damit voll funktionsfähige Lösungen entstehen. Wesentlich ist aber auch, dass unterschiedliche Szenarien im Rahmen der Planung berücksichtigt werden zum Beispiel Grundwasser, Flusshochwasser und Starkregen auf der einen, aber auch Hitze und Dürre auf der anderen Seite. Dabei sind auch Bauzustände in Betracht zu ziehen: Wasserdichte Kellergeschosse können - ohne Auflast des darüber liegenden Gebäudes - bei hohen Grundwasserständen aufschwimmen. Ziel einer sorgfältigen Planung muss dabei sein, langfristig wirtschaftliche, funktionsfähige und nachhaltige Gebäude und Infrastruktureinrichtungen zu realisieren, die auch heute schon auf mögliche Klimaveränderungen reagieren und diese ins Konzept einbeziehen. Zudem sind die Anforderungen an „wassersensibles Bauen“ mit anderen Anforderungen bestmöglich abzustimmen. Nicht zuletzt macht es Sinn, schon in der Planung vorausschauend auf der Basis der Planungsüberlegungen gewisse Handlungsanweisungen für mögliche Wassergefahren auszuarbeiten, zum Beispiel bei auftriebsgefährdeten Bauteilen rechtzeitig mit Klarwasser zu fluten, um Totalschäden durch Auf- 45 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau Bild 5: Eindringwege von Wasser in Gebäude. © LfU (2018) schwimmen zu vermeiden, die Schäden aber aufgrund der Flutung mit sauberem anstelle von verunreinigtem (Hoch-)Wasser gleichzeitig aber doch zu begrenzen [3]. Eine eventuelle spätere Sanierungsplanung oder Anpassung bestehender Bausubstanz an Wassergefahren ist in der Regel ungleich komplexer und teurer. Umsetzung in die Realität - Bauausführung Selbstverständlich ist eine sorgfältige Bauausführung der Anpassungsmaßnahmen an Wassergefahren eine ganz wesentliche Voraussetzung für wirkungsvolle Gesamtlösungen. Gerade Abdichtungsmaßnahmen an Gebäuden wirken nur, wenn sie mangelfrei erstellt werden. Hier ist es sinnvoll, die Ausführungsseite möglichst frühzeitig in die Planungen einzubeziehen. Eine kritische Hinterfragung und Betrachtung der Planungen durch die Ausführenden kann Schwierigkeiten in der Umsetzungsphase rechtzeitig aus dem Weg räumen. Eine sorgfältige Wahl der geeigneten Baustoffe und Bauverfahren sollte selbstverständlich sein [4]. Werden im Rahmen von Sanierungen oder Nachrüstungen Lösungen für einzelne Bauteile direkt bei Handwerkern angefragt, sollte eine fundierte Beratung der Bauherren erfolgen. Werden beispielsweise andere Wassereindringwege nicht „abgedichtet“ sind die Ausgaben für die Sanierung der gegenständlichen Abdichtung sinnlos. Ausblick Um alle Fachleute der Baubranche und die Bevölkerung für dieses wichtige Thema zu sensibilisieren, werden die Bayerische Architektenkammer, die Bayerische Ingenieurkammer-Bau, der Bayerische Handwerkstag sowie der Landesverband Bayern der Deutschen Vereinigung für Wasser- und Abfallwirtschaft (DWA) künftig enger zusammenarbeiten. Dazu unterzeichneten deren Spitzenvertreter am 22. Mai 2019 eine gemeinsame Absichtserklärung. Nur wenn alle Beteiligten in allen Ebenen der Planung und des Baus sich des Themas „wassersensibel Bauen“ bewusst sind und ihre Verantwortung auch wahrnehmen, kommen wir mittelfristig zu nachhaltigeren Siedlungen und Infrastrukturanlagen. Hochwasserschutz geht alle an, jeder kann einen Beitrag zur Begrenzung von möglichen Schäden leisten. LITERATUR [1] www.umweltatlas.bayern.de/ naturgefahren [2] BBSR: Überflutungs- und Hitzevorsorge durch die Stadtentwicklung; Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, 2015: https: / / www.bbsr.bund. de/ BBSR / DE / Veroeffentlichungen/ Sonder veroeffentlichungen/ 2015/ DL _UeberflutungHitzeVorsorge.pdf ? _ _blob=publicationFile&v=3 (download am 30.04.2019) [3] LfU: Hochwasser-Eigenvorsorge: Fit für den Ernstfall; Bayerisches Landesamt für Umwelt, 2018: https: / / www.bestellen.bayern.de/ shoplink/ lfu_was_00044. htm (download am 30.04.2019) [4] WBW: Hochwasser-Risiko-Bewusst planen und bauen, 2015: https: / / www.hochwasser.baden-wuerttemberg.de/ documents/ 43970/ 4 4031/ HW- Risikobewusst+planen+und+bauen.pdf (download am 30.04.2019) [5] DWA-Hochwasser-Kompendium: https: / / de.dwa.de/ files/ _media/ content/ 06 _ SERVICE/ Hochwasseraudit/ Publikation_Hochwasserkompendium.pdf AUTOR Dr.-Ing. Andreas Rimböck Stv. Landesverbandsvorsitzender DWA Bayern Leiter Wasserwirtschaftsamt Donauwörth Kontakt: Andreas.Rimboeck@wwa-don.bayern.de 46 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau Klima und Wasser kennen keine Stadtgrenzen Die nötige Anpassung der wasserwirtschaftlichen und städtischen Infrastrukturen an den Klimawandel macht integrales Handeln zwingend erforderlich, denn nur wenn Wasserwirtschaft sowie Stadt- und Freiraumplanung an einem Strang ziehen, sind nachhaltige Lösungen realisierbar - und finanzierbar. Über eine fachbereichsübergreifende Zusammenarbeit können Synergien entstehen, die finanzielle und planerische Spielräume eröffnen [1]. Diese Ziele werden in der Emscherregion seit 2014 mit der Zukunftsinitiative „Wasser in der Stadt von morgen“ verfolgt. Absichtserklärungen der Stadtspitzen, gefolgt von Beschlüssen der politischen Gremien der 16 Emscherstädte, haben den Auftrag zum Handeln gegeben, der über verschiedene Formate (Experten-Netzwerke, Stadtkoordinator*innen, Dezernent*innen-Treffen, Experten-Forum, [1]) befördert wird. Die „Architektur“ der Zusammenarbeit lebt wesentlich vom „Gegenstromverfahren“. Danach können Arbeitsinhalte nicht nur klassisch „topdown“ entstehen, sondern ebenso und (mindestens) gleichwertig auch aus der Arbeitsebene „bottom up“ entwickelt werden, indem Vorschläge für Themen an die Führungsebene gegeben werden, die für die Entwicklung einer integralen Arbeitskultur als wesentlich angesehen werden. So resultiert aus einem Workshops des 2017er Experten-Forums der Auftrag an die Dezernent*innen, die dort entwickelten Ideen und Produkte der Experten-Netzwerke (Bild 1) in den kommunalen Verwaltungen der Region auf den Weg zu bringen. Diese haben den „Ball“ aufgenommen und den Maßnahmenplan 2020+ erarbeitet (siehe Kasten S. 48, [2]). In acht Themenfeldern machen sich einzelne Dezernent*innen als „Themenpaten“ für die Verfolgung verschiedener Ziele stark. Ihre Aufgabe geht dabei insofern über die reine Rückendeckung hinaus, als sie sich für „ihr“ Thema nicht nur innerhalb ihrer Kommune, sondern regionsweit als zuständig für den Erfolg des Anliegens sehen. Die Pat*innen erstellen somit quasi zunächst eine „Blaupause“ für die Maßnahme sowie deren Umsetzung und unterstützen auf Basis ihrer gemachten Erfahrungen im Sinne kollegialer Beratung die Fachkolleg*innen in den anderen Emscherkommunen. Regional abgestimmt für das Klima Für das Thema „Konkrete Vorgehensempfehlungen zum Umgang mit den Auswirkungen des Klimawandels“ hat der Castrop-Rauxeler Pate gemeinsam mit Herne, Herten und Recklinghausen als Kooperationspartner des „Emscherland 2020“ [3] und Unterstützung des Experten-Netzwerks „Klimaanpassung“ eine „Regionale Klimaanpassungsstrategie als Für Grün - für Blau: für die Region Auf dem Weg in eine „Klimaresiliente Region mit internationaler Strahlkraft“ Integrale Wasserwirtschaft, Zukunftsinitiative, Klimaanpassung, Resilienz, Schwammstadt, Wassersensible Stadtentwicklung Michael Werner, Ulrike Raasch, Christian Falk, Guido Geretshauser Spätestens seit dem Dürresommer 2018 ist der Klimawandel auch in Deutschland spürbar - in regional unterschiedlicher Ausprägung: Im hoch urbanisierten altindustriellen Ballungsraum des Ruhrgebiets machen insbesondere lokal häufigere und stärkere Extremwetterereignisse mit Starkniederschlägen einerseits sowie lange Hitzeperioden andererseits den Menschen zu schaffen. Mit der Zukunftsinitiative „Wasser in der Stadt von morgen“ hat die Emscherregion in den letzten fünf Jahren eine Kultur des gemeinsamen Planens und Handelns entwickelt, die im Sinne einer erfolgreichen Klimaanpassung eingesetzt werden soll. Das Ziel ist eine „Klimaresiliente Region mit internationaler Strahlkraft“ durch ein Bündel von Maßnahmen, die sukzessive bis 2040 umgesetzt werden, um Auswirkungen des Klimawandels abzumildern und den Menschen in der Region mit leistungsstarken grün-blauen Infrastrukturen nachhaltig Lebensqualität zu sichern. 47 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau Teil der integrierten Siedlungswasserwirtschaft in der Emscherregion“ [4] entwickelt, in der konkrete Ziele benannt werden, um die durch die Urbanisierung stark verfremdeten Wasserbilanzen in der Region wieder in naturnähere Verhältnisse zu bringen (Bild 3). Die hierin beschriebenen Ziele Erhöhung der Verdunstung und Verringerung des Direktabflusses können über ein Bündel verschiedener, sich ergänzender und situationsbezogen kombinierbarer Maßnahmen wie Dach- und Fassadenbegrünung, Flächenentsiegelung und -bepflanzung, Regenwasserversickerung, -rückhaltung oder -nutzung und ähnliches erreicht werden. Für eine spürbare Klimaanpassung sieht die Strategie der Zukunftsinitiative durch die oben genannten Maßnahmen innerhalb der nächsten 20 Jahre 25 % weniger Regenabfluss im Mischsystem und 10 % mehr Verdunstung als notwendig an. Für die Umsetzung der notwendigen Maßnahmen kann die Region auf zahlreichen bereits realisierten Projekten aus der 2005 ins Leben gerufenen Zukunftsvereinbarung Regenwasser aufsetzen [5]. Diese verfolgte das Ziel einer 15%igen Abflussreduzierung bis 2020; hiervon sind bislang rund zehn Prozentpunkte erreicht. Ebenso wichtig wie die Erfolge in Prozentpunkten sind die in diesen Jahren gewonnenen Erfahrungen über das Machbare - bezüglich der geogenen und siedlungsstrukturellen Voraussetzungen, aber auch in puncto Zusammenarbeit innerhalb der involvierten Verwaltungsbereiche sowie mit den jeweiligen Maßnahmenträgern. Eine weitere elementare Voraussetzung für den Erfolg des Vorhabens ist die politische Legitimation bzw. der Auftrag an die Verwaltung zur Umsetzung entsprechender Maßnahmen. Hierzu haben die Dezernent*innen einiger Städte gemeinsam mit der Emschergenossenschaft eine strategische Handlungskonzeption für den Umgang mit den Auswirkungen des Klimawandels in der Emscherregion entwickelt. Ein Positionspapier, das durch Beschlüsse der jeweiligen Kommunalparlamente in den Em- Bild 2: Typische Wasserbilanz eines unbebauten Kulturlandes (links) und eines urbanen Bereichs (rechts) in der Emscherregion. © EGLV Bild 1: Die Experten- Netzwerke der Zukunftsinitiative, Stand Sommer 2019. © EGLV 48 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau Gemeinsam für eine nachhaltige Stadtentwicklung mit Wasser Unsere Zukunft liegt in lebendigen und lebenswerten Städten mit attraktiven und multifunktionalen grün-blauen Infrastrukturen. Diese gewinnen für die Stadtentwicklung zunehmend an Bedeutung. Bedingt durch den Klimawandel nehmen Starkregenereignisse und Hitzeperioden in ihrer Häufigkeit und Intensität zu. Die Städte stellt dies vor besondere Herausforderungen und eröffnet zugleich Chancen, Stadträume gesundheitsförderlich und nachhaltig zu gestalten. Erforderlich ist ein gemeinsames und zügiges Handeln. 2014 haben wir uns mit der Absichtserklärung zur Zukunftsinitiative „Wasser in der Stadt von morgen“ (ZI) zu einem gemeinsamen Engagement für eine solche nachhaltige Stadtentwicklung bekannt. Seitdem ist vieles erarbeitet und umgesetzt worden. Wir als Planungs-, Bau- und Umweltdezernenten der Emscherkommunen und als technischer Vorstand der Emschergenossenschaft werden dies sichtbar machen und stellen mit dem Maßnahmenplan 2020+ und seinen jährlichen Fortschreibungen weitere Weichen. Der Maßnahmenplan 2020+ enthält aus der Arbeit der Experten-Netzwerke der Zukunftsinitiative konkrete Vorhaben in drei Bereichen: Entwicklung nachhaltiger Zukunftsstrategien Produkte und Dienstleistungen, u.a. für vernetztes und kooperatives Verwaltungshandeln Gestaltung von Plattformen für den Wissens- und Erfahrungsaustausch Als nächste Schritte werden wir: 1. die erarbeitete Strategie zur Dachbegrünung bis Ende 2019 in den Räten unserer Kommunen zur Beschlussfassung bringen. Wir streben ein gemeinsames regionales Vorgehen an und wollen durch gleiche Rahmenbedingungen ein Zeichen gegenüber Eigentümern und Investoren setzen und diese zum Handeln motivieren. Vorbereitend suchen wir den Dialog mit unseren politischen Gremien zu den Anpassungserfordernissen an den Klimawandel. (L. Wilde, Dortmund) 2. die erstellte Arbeitshilfe für Wassersensibilität in der Bauleitplanung bis Ende 2019 in den zuständigen Fachausschüssen aller Kommunen zur Beschlussfassung bringen. Wir wollen mit Blick auf die Bedeutung von Wasser für heutige und künftige Generationen regionsweit gemeinsam handeln und die Arbeitshilfe entsprechend anwenden. (H.J. Best, Essen) 3. eine gesundheitsförderliche Entwicklung unserer Städte über eine integrierte Gesundheits-, Sozial- und Umweltberichterstattung stützen. Wir wollen so dazu beitragen, dass Gebiete mit Mehrfachbelastungen und diesbezügliche Handlungsbedarfen besser identifiziert werden können. Hierzu werden wir in unseren Kommunen über ressortübergreifende Planungsgruppen bis Ende 2020 Vorschläge für ein integriertes Datenmanagement auf Basis eines abgestimmten Indikatorenkatalogs vorlegen und basierend auf einer integrierten Datenanalyse die Erarbeitung sozialräumlicher Strategien und Handlungskonzepte begleiten. Wir werden hierbei nach Möglichkeit das Kooperationsmodul ZUGABE einsetzen. Darüber hinaus werden wir ab sofort unsere Kommunalen Gesundheitskonferenzen nutzen, um noch mehr für den gesundheitlichen Nutzen grüner Infrastruktur zu sensibilisieren und um die Zusammenarbeit der Akteure weiter zu stärken. Beginnend in 2019 wird zunächst auf das Thema „Klimaanpassung“ fokussiert. Wir prüfen, ob hierzu die derzeit individuellen Geschäftsordnungen der Kommunalen Gesundheitskonferenzen weiterzuentwickeln und regional zu standardisieren sind, um auch die planenden Akteure in unseren Verwaltungen verbindlich einzubinden. Weitere Empfehlungen für eine gesundheitsförderliche Stadtentwicklung mit grün-blauer Infrastruktur werden bis Ende 2019 erarbeitet. (S. Lauxen, Oberhausen) 4. die sog. „Phase Null“, d. h. die Konzeptphase von Vorhaben, in unseren Verwaltungen fachbereichsübergreifend durchführen, um integrales Planen von Anfang an sicherzustellen. Wir werden bis Ende 2019 prüfen, zu welchen Themen auch eine Einbindung der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft in die „Phase Null“ sinnhaft ist. Wir unterstützen die Arbeit der Experten-Netzwerke an einer Arbeitshilfe zur Erleichterung der Planung und Umsetzung der Phase Null. (Dr. V. Kreuzer, Gladbeck) MASSNAHMENPLAN 2020+ DER ZUKUNFTSINITIATIVE „WASSER IN DER STADT VON MORGEN“ 49 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau scherkommunen als Aktivität der „Zukunftsinitiative Wasser in der Stadt von morgen“ und als Baustein der kommunalen Aktivitäten zur Umsetzung von Klimaanpassungsmaßnahmen auf den Weg gebracht werden soll, wird als Ergänzung und Erweiterung des Commitments aus 2014 eine größere Verbindlichkeit und Zielrichtung in die Zusammenarbeit bringen. Aktuell ist vorgesehen, ein solches Commitment gemeinsam mit der Emschergenossenschaft noch in diesem Jahr - beispielsweise anlässlich des 5. Expertenforums zur Zukunftsinitiative - öffentlichkeitswirksam zu unterzeichnen. Klimaanpassung - gemeinsam mit dem Land NRW Unter dem von den Dezernent*innen geprägten Titel „Klimaresiliente Region mit internationaler Strahlkraft“ wurden die Ziele der Klimaanpassung im Rahmen der vom Land NRW veranstalteten Ruhrkonferenz beim Themenforum „Grüne Infrastruktur“ am 8. April 2019 vorgestellt. Mit dieser Veranstaltungsreihe hat die Landesregierung in insgesamt 20 Themenforen Ansätze erarbeiten lassen, um die Entwicklung des Reviers zu einer erfolgreichen Metropolregion gemeinsam mit den Akteuren vor Ort voranzutreiben. Neben Mobilität, Digitalisierung oder Fläche und Arbeit wurden auch Klimawandel und Nachhaltigkeit zu zentralen Handlungsfeldern erklärt. Hier fand das Thema einen so überwältigenden Zuspruch, dass es vom Land zu einem von zwei Leitprojekten erklärt wurde. Aus den daran anschließenden Abstimmungen ist eine Kabinettsvorlage entstanden, die für die nächsten zehn Jahre eine Förderung in dreistelliger Millionenhöhe für wasserbezogene Maßnahmen der Klimaanpassung empfiehlt. 16 Kommunen - eine (Dach-)Organisation Der Wunsch bzw. die Erwartung der Dezernent*innen der Emscherregion ist, dass die zugehörigen Aufgaben - die sinnvoller Weise in vielen Belangen für die Emscherregion gebündelt werden 5. immer bei der Neuaufstellung von Integrierten Städtebaulichen Entwicklungskonzepten (ISEK) die Möglichkeiten für eine nachhaltige, lebenswerte Quartiersentwicklung mit Wasser in den Blick nehmen. Hierzu werden wir das Instrument der Phase Null anwenden. Wir werden uns mit den zuständigen Ministerien über Möglichkeiten der vereinfachten Umsetzung integraler Vorhaben ins Benehmen setzen. (M. Harter, Gelsenkirchen) 6. die in 2018 entwickelten konkreten Vorgehensempfehlungen zum Umgang mit den Auswirkungen des Klimawandels als Grundlage für ein gemeinsames regionales Konzept beschließen und in die Umsetzung bringen. Wir haben uns auf die Ziele einer Abkopplung von 25 % der befestigten Fläche in unseren Städten bis 2040 und einer Steigerung der Verdunstungsrate um 10 % ebenfalls bis 2040 verständigt. (M. Werner, Castrop-Rauxel) 7. die Arbeit an der Kommunikationsstrategie vertiefen und bis Mai 2019 eine Maßnahmen- Zusammenstellung vornehmen. Wir setzen auf eine kontinuierliche und zielgruppenorientierte Kommunikation, um die Zukunftsinitiative weiter bekannt zu machen und zur Mitwirkung zu motivieren. In 2019 und 2020 setzen wir den Fokus dabei auf den Nutzen der Zukunftsinitiative für eine erfolgreiche Klimaanpassung. Darüber hinaus werden wir die überregionale Bekanntheit und das Ansehen der Zukunftsinitiative über Fachveröffentlichungen weiter stärken. (Dr. M. Bradtke, Bochum) 8. den Wissenstransfer in der Region und in den Kommunen u. a. über die Experten-Netzwerke und das Experten-Forum der Zukunftsinitiative fortsetzen und beginnend in 2019 mit mindestens einem Stadtforum pro Jahr in allen Emscherkommunen vertiefen. Darüber hinaus werden wir die Politik über jährlich zwei interkommunale „ZI on tour - Veranstaltungen“ einbinden und so die Chancen integraler Projektplanung erlebbar machen. Unsere Erfahrungen stellen wir gerne auch anderen Regionen und Kommunen zur Verfügung. Dazu werden wir den Kontakt mit dem Land NRW über mögliche Wege und geeignete Formate vertiefen und das Land beim Aufbau eines Kompetenzzentrums „Digitale Wasserwirtschaft“ unterstützen (Dr. E. Grün, Emschergenossenschaft) FORTSCHREIBUNG 2019 Bild 3: Experten-Forum der Zukunftsinitiative. © Rupert Oberhäuser / EGLV 50 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau können - in einer zentralen Organisationseinheit integral gemanagt werden. Hierzu gehören zum Beispiel Öffentlichkeitsarbeit, Kommunikation mit verschiedenen Zielgruppen (Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Investoren, Multiplikatoren, Verbände, Bürger*innen etc.), Finanzmanagement ggf. erhältlicher Fördermittel sowie die Beratung und Unterstützung von potenziellen Maßnahmenträgern. Dadurch kann ein einheitlicher planerischer Standard, eine fachliche Spezialisierung und eine kommunen- und bereichsübergreifende Arbeit, wie sie aufgrund der Lage und Struktur von Grün- und Gewässerlandschaften notwendig ist, in der Realisierung aller Vorhaben sichergestellt werden. Da die Emschergenossenschaft im Rahmen der Zukunftsinitiative von Beginn an die Rolle eines „Ermöglichers“ wahrnimmt und eine entsprechend hohe Akzeptanz und Vertrauen bei der Gestaltung lösungsorientierter Arbeitsstrukturen erlangt hat, wünschen die Kommunen hier die Verortung auch dieser Organisations- und Steuerungsaufgaben. Aus der Wahrnehmung der Aufgaben zum Emscherumbau liegen die notwendigen Erfahrungen in der Steuerung von Prozessen und der fachlichen Durchführung komplexer, koordinierter Projekte vor; aus den Arbeiten zur Zukunftsinitiative sind etablierte Vernetzungsstrukturen, gemeinsame „Spielregeln“ der Zusammenarbeit und effiziente Formen der Zusammenarbeit erwachsen, die für die Entwicklung und Umsetzung von Klimaanpassungskonzepten und -maßnahmen im Zusammenhang mit blau-grüner Infrastruktur genutzt werden können. Fazit Die Region hat bereits viel erreicht auf dem Weg zu einer klimaresilienten wassersensiblen Infrastruktur. Neue Formen einer fachbereichs- und städteübergreifenden Zusammenarbeit haben sich etabliert; viele Projekte wurden bereits umgesetzt. Die Bündelung der vorhandenen Ressourcen unter Einbeziehung der Kompetenzen der 16 Städte sowie der Emschergenossenschaft werden im Rahmen der resilienten Klimaanpassung auch weiterhin einen wichtigen Beitrag für die nachhaltige Umsetzung darstellen. Nun gilt es, diesen Weg auszubauen, denn die Klimaveränderung ist allenthalben sichtbar und nimmt an Geschwindigkeit zu. Die notwendigen Veränderungen der Städte und ihrer Infrastrukturen sind dabei aber auch eine enorme Chance, die Region durch ein Mehr von „erlebbarem Wasser und Grün“ lebenswerter zu gestalten und eine klimaresiliente Region mit internationaler Strahlkraft zu entwickeln. LITERATUR [1] Grün, E., Becker, M., Schumacher, R.: Schafft besseres Klima: integrale urbane Wasserwirtschaft, Transforming Cities 1 (2017), S. 40 - 44. [2] Grün, E., Best, H.-J., Spengler, B.: Die Zukunftsinitiative „Wasser in der Stadt von morgen“ - Der Maßnahmenplan 2020+, Korrespondenz Wasser 2019 (12), S. 5. [3] Emschergenossenschaft: Emscherland 2020. Integriertes Handlungskonzept (2016, unveröffentlicht). [4] Werner, M. et al. (Hrsg.): Regionale Klimaanpassungsstrategie als Teil der integrierten Siedlungswasserwirtschaft in der Emscherregion, 2019. [5] Stemplewski, J., Becker, M., Kaiser, M.: Die Zukunftsvereinbarung Regenwasser im Emschergebiet - eine neue Chance für die Weiterentwicklung von Freiräumen und Aufenthaltsqualität im Siedlungsbestand, in: Informationskreis für Raumplanung e. V. (Hrsg.), RaumPlanung 126/ 7, S. 147 - 153. Dipl.-Ing. Michael Werner Vorstand EUV Castrop-Rauxel - AöR - Kontakt: michael.werner@euv-stadtbetrieb.de Dipl.-Ökol. Ulrike Raasch Koordination von Unternehmensthemen/ Gruppe Zukunftsinitiative Emschergenossenschaft Kontakt: raasch.ulrike@eglv.de Dr.-Ing. Christian Falk Technischer Betriebsleiter Stadtentwässerung Dortmund Kontakt: dfalk@stadtdo.de Dipl.-Ing. Bauass. Guido Geretshauser Wasserwirtschaft/ Regenwasserbewirtschaftung Emschergenossenschaft Kontakt: geretshauser.guido@eglv.de AUTOR*INNEN 51 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau Einleitung und Vorgehensweise Flusslandschaften mit ihren Auen und den anliegenden Städten stellen eine attraktive Mischung verschiedener, qualitativ hochwertiger Erholungs- und Freizeitmöglichkeiten dar [1]. Die Lage am Wasser birgt jedoch auch Gefahren, am häufigsten in Form von Hochwasser. Deichanlagen schützen Siedlungen vor Hochwasser und vermindern so das Risiko der Beschädigung von Gebäuden und Infrastruktur. Sie schützen jedoch nur lokal vor Hochwasser und verlagern das Problem weiter flussabwärts [2]. Der Erhalt von Überschwemmungsgebieten und die Rückverlegung von Deichen tragen im großen Maße zum Hochwasserschutz entlang eines gesamten Flusses bei, da ein Fluss bei Hochwasser mehr Raum hat und sich so Höhe und Fließgeschwindigkeit des Hochwassers verringern [3]. Interessenskonflikte zwischen Stadtentwicklung, Hochwas ser schutz, Stadt unter Überflutungsfähige Stadtquartiere als mögliche Antwort auf Siedlungsdruck und Klimawandel Hochwasserschutz, Überschwemmung, Amphibisch, Pfahlbau, Flussraum, Stadtentwicklung Christoph Fleckenstein, Ferdinand Ludwig Überflutungsfähige Stadtquartiere bieten die Möglichkeit, Überschwemmungsgebiete als neue Stadtviertel zu erschließen, ohne dabei die Wirksamkeit des Überschwemmungsgebietes für den Flussraum zu beeinträchtigen. Vorhandene und in der Praxis erprobte Beispiele hochwasserangepasster Bebauung veranschaulichen in Ansätzen, dass dies möglich ist. Die hier vorgestellte Studie entwickelt anhand von Modellentwürfen Konzepte für überflutungsfähige Stadtquartiere, um mögliche Symbioseeffekte zwischen Überschwemmungsgebieten, Hochwasserschutz, Freiraum und Stadtentwicklung aufzuzeigen. Photo by Artiom Vallat on Unsplash 52 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau Landwirtschaft und Naturschutz bezüglich der verfügbaren Flächen entlang von Flüssen gestalten den Erhalt von Überschwemmungsgebieten und die Rückverlegung von Deichen jedoch oft schwierig. Das Bebauungsverbot von Überschwemmungsgebieten durch das W a s s e r h a u s h a l t s g e s e t z (WHG) [4] von 2009 steigert dieses Konfliktpotenzial noch zusätzlich. Eine hochwasserangepasste Bebauung könnte zur Lösung der Interessenskonflikte beitragen. Weltweit gibt es bereits zahlreiche Beispiele, die aufzeigen, wie dies aussehen kann und wie Freiräume in Überschwemmungsgebieten gestaltet und umgesetzt werden können [5]. Die vorliegende Zusammenfassung der Konzeptstudie „Leben mit Wasser - Überflutungsfähige Stadtquartiere“ befasst sich vor diesem Hintergrund mit zwei Kernfragen: Wo befinden sich Potenzialräume für überflutungsfähige Stadtquartiere in Deutschland? Wie können überflutungsfähige Stadtquartiere so entworfen werden, dass qualitativ hochwertige Freiräume entstehen? Diese Fragen wurden anhand von drei Modellentwürfen in drei unterschiedlichen Potenzialräumen untersucht. Überflutungsfähige Stadtquartiere Überflutungsfähige Stadtquartiere sind Siedlungsformen, die darauf ausgelegt sind, Hochwasserereignisse zu tolerieren. Sie ermöglichen die Bebauung von Überschwemmungsgebieten, ohne deren Wirksamkeit für den Flussraum einzuschränken. Hochwasserangepasste Gebäude und Infrastruktur sind dabei ein wesentlicher Aspekt. Hier können schwimmfähige Häuser genannt werden, die sich entweder dauerhaft auf dem Wasser (Schwimmend, Bild 1a) oder in temporär überfluteten Bereichen befinden, wo sie nur im Hochwasserfall aufschwimmen (Amphibisch, Bild 1b). Häuser in aufgeständerter Bauweise („Pfahlbauten“) befinden sich - unabhängig von ihrem Standort - oberhalb des Bemessungshochwassers (Bilder 2a und 2b). Als Warftenhaus werden Gebäude bezeichnet, die über wasserdicht verschließbare Keller und Erdgeschosse verfügen und so dem Eindringen von Wasser widerstehen (Bild 3). Erschlossen werden derartige Gebäude in der Regel über Deiche oder Stege, in denen die Versorgungsleitungen integriert sind. Die Stege können dabei entweder aufgeständert oder schwimmend ausgeführt werden. Aus der Untersuchung realisierter hochwasserangepasster Siedlungen, wie zum Beispiel Waterbuurt in Amsterdam, Plan Tji in Dordrecht, der Hamburger Hafencity oder den amphibischen Häusern in Maasbommel [6] sowie zahlreicher weiterer hochwasserangepasster Gebäude, lässt sich folgern, dass die Kombination verschiedener dieser ans Hochwasser angepassten Gebäudetypen für die Bebauung von Überschwemmungsgebieten empfehlenswert ist. In höheren Lagen und entlang von Deichen kann mit Pfahlbauten (Bilder 2a und 2b) und Warftenhäusern (Bild 3) ein nahtloser Übergang zwischen Deichvorland und -hinterland geschaffen werden. Schwimmende (Bild 1a) oder amphibische Häuser (Bild- 1b) sind in den tieferen Lagen eines Überschwemmungsgebietes besonders geeignet, da sie auch bei großen Pegelunterschieden zwischen Mittelwasser und Hochwasser die Höhendifferenz zwischen dem Erdgeschoss- und dem Freiraumniveau möglichst gering halten. Dies kann als eine notwendige Voraussetzung angesehen werden, damit die Freiräume von den Bewohnern leicht erreicht und damit angenommen und intensiv genutzt werden können. In der Freiraumgestaltung müssen die Hochwasserdynamik des jeweiligen Gewässers und die räumliche Situation berücksichtigt werden. Zu beachten ist beispielsweise, ob eher Winter- oder Sommerhochwässer vorherrschen oder ob sich das Bebauungsgebiet im Deichvorland, in einem Flut- oder einem Fließpolder befindet. In der Pflanzplanung muss dann auf die jeweiligen Standortbedingungen eingegangen werden. So sind in den tieferen Lagen, also den häufig überfluteten Flächen eines Überschwemmungsgebietes, aufgrund ihrer Überflutungstoleranz Arten der Weichholzaue geeignet [7]. In den höheren Lagen sind Arten der Hartholzaue empfehlenswert. Es können aber auch Ziergewächse verwendet werden, da diese seltene Überflutungen und geringe Überflutungstiefen ebenfalls tolerieren [7]. Bei der räumlichen Anordnung von Bäumen muss darauf geachtet werden, dass diese keine Barriere für Treibgut bilden und das Wasser zusätzlich anstauen, bzw. durch den entstehend Druck herausgerissen werden, was in der Folge auch Schäden an Gebäuden und Infrastrukturen verursachen könnte. Bild 1a (oben): Schemaskizze „schwimmendes Haus“. Bild 1 b (unten): Schemaskizze „amphibisches“ Haus“. © Fleckenstein Bild 2a (oben): Schemaskizze „Pfahlbau“ im Wasser Bild 2b (unten): Schemaskizze „Pfahlbau“ an Land © Fleckenstein Bild 3: Schemaskizze „Warftenhaus“. © Fleckenstein 53 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau Entwurfsprinzipien Um auf Überflutungstiefen und -wahrscheinlichkeiten als maßgebende Größe einzugehen, wurden die Freiräume der Modellentwürfe in Garten- und Wasserzonen eingeteilt (Bild 4). Die Wasserzone wird mindestens ein Mal pro Jahr, die Gartenzone hingegen nur ein Mal in zehn Jahren überflutet. In der Gartenzone befindet sich der private Freiraum auf dem Boden, der eng mit dem Wohnraum verknüpft ist. In der Wasserzone wird der private Freiraum auf das Dach verlegt und ist vor Hochwasser geschützt. Aus der oben angesprochenen Kombination verschiedener hochwasserangepasster Bautypologien wurde als Entwurfsleitlinie festgelegt, dass das Erdgeschossniveau maximal zwei Meter über dem Freiraumniveau liegen sollte („Hochparterreprinzip, Bild-5). In der Gartenzone werden hauptsächlich aufgeständerte Bauten und in der Wasserzone schwimmende oder amphibische Häuser verwendet. Außerhalb des direkten Wohnumfeldes wurde das Ziel verfolgt, eine intakte Auenvegetation zu etablieren. Je nach Geländemodellierung und Szenario können die verschiedenen Vegetationszonen einer Aue entstehen und zahlreiche Raumbilder mit verschieden Aufenthaltsqualitäten für den Besucher erzeugen. Die Freiraumnutzung ist hier nur selten eingeschränkt, da der Überflutungsraum die meiste Zeit des Jahres trocken liegt. Der neue Auwald kann dem überflutungsfähigen Stadtquartier und angrenzenden Quartieren als Naherholungsgebiet dienen. Im Überflutungsfall stellt der Freiraum auch eine neue Möglichkeit der Raumerfahrung dar: Wo man sonst zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs war, kann man nun mit dem Boot paddeln und das Quartier aus einem neuen Blickwinkel heraus erkunden (Bilder 6a und 6b) [5]. Potenzialräume und Modellentwürfe Standorte für überflutungsfähige Stadtquartiere in Deutschland mit dem eingangs beschriebenen Konfliktpotenzial wurden durch Überlagerung von Karten der Siedlungsentwicklung (Zeitraum 2008 - 2013 [8] und Prognose 2013 - 2035 [9]) mit Karten von Überflutungsgebieten (HQ100 [10]) und potenzieller Überschwemmungsgebiete anhand der Kartierung von Auen [11, 12] ermittelt. Aus der Überlagerung ergaben sich zunächst drei Potenzialgebiete entlang von Oberrhein, Neckar und Donau (Bild 7). In diesen Gebieten wurden in der Nähe von Großstädten spezifische Potenzialräume identifiziert, die aufgrund ihrer Lage als neues Bauland dienen können und sich gleichzeitig in einem HQ100-Gebiet befinden. Für die Modellentwürfe wurden drei Standorte mit unterschiedlichen räumlichen Situationen (Deichvorland, Fließ- und Flutpolder) und Hochwasserregimen (Winter- und Sommerhochwasser) gewählt. Die ausgewählten Potenzialräume befinden sich in Regensburg an der Donau, Maximiliansau am Rhein und in Heilbronn am Neckar. Der Potenzialraum Regensburg liegt am Nordufer der Donau zwischen Wohnbebauung und Gewerbeflächen und wird durch den Donauradweg von der Donau getrennt. Die Fläche ist als HQ100-Gebiet ausgewiesen, da es an dieser Stelle eine Lücke in Bild 4: Entwurfsprinzip „Garten- und Wasserzone“. © Fleckenstein Abb. 5 Entwurfsprinzp „Hochparterre“ (eigene Darstellung) Bild 6a (oben): Innenhof eines überflutungsfähigen Stadtviertels bei Mittelwasser. Bild 6b (unten): Innenhof bei Sommerhochwasser. © Fleckenstein Bild 5: Entwurfsprinzp „Hochparterre“. © Fleckenstein 54 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau der Deichanlage gibt. Das Szenario des Flutpolders bietet sich aufgrund der rückversetzten Lage, der angrenzenden Bebauung und der Topographie an. Flutpolder werden gezielt und reguliert im Hochwasserfall geflutet, so ist früh absehbar, wann und wie hoch Wasser im Flutpolder eingestaut wird. Zur Realisierung des Flutpolders wird vorgeschlagen, den Donauradweg als Deichanlage auszubauen und die Deichlücke zu schließen. Die neue Deichanlage wird als Deichpark [5] entworfen und umfasst den südlichen Teil des Potenzialraums. Die geplante Bebauung der Fläche begrenzt sich somit auf die gut zu erschließende nördliche Hälfte und ist als eine Kombination von aufgeständerten und amphibischen Häusern angedacht. Diese sind über feste und flexible Stege erschlossen. Trotz Bebauung kann in diesem Modellentwurf der vorhandene urbane Überflutungsraum erhalten werden. In Maximiliansau befindet sich der Potenzialraum zwischen der bestehenden Ortschaft und dem Bild 7: Potenzialgebiete in Deutschland. (Kartengrundlagen [8, 11, 12, 13]) © Fleckenstein Rhein. Der Raum ist vom neuen Rheinleitdeich und vom alten Rheindeich umschlossen. Das Szenario eines Fließpolders bietet sich daher hier an. Fließpolder sind an das Abflussregime des Hauptgewässers angeschlossen und werden als Nebenarm ständig von Wasser durchflossen. In Fließpoldern können daher intakte Auen etabliert werden. Im Hochwasserfall können Tore im Deich, genannt Siele, gezielt geöffnet und geschlossen werden. Dazu wird vorgesehen, einen neuen Nebenarm anzulegen, der den Potenzialraum mit dem Abflussregime des Rheins verbindet. Dreiviertel der Fläche sollen als Auwald und Naherholungsgebiet angelegt werden. Das überflutungsfähige Stadtquartier setzt sich aus einer Kombination von Pfahlbauten, schwimmenden und amphibischen Häusern zusammen. Diese sind durch ein Netzwerk von festen und flexiblen Stegen erschlossen. Bei einem Hochwasser steigen die schwimmenden Häuser mit dem steigenden Pegel an, während die aufgeständerten Häuser auf der gleichen Höhe bleiben (Bilder 6a und 6b). An diesem Entwurf wird aufgezeigt, wie im Rahmen einer Stadtentwicklung nicht nur Überschwemmungsgebiete, sondern auch wichtige Flächen für Auwälder zurückgewonnen werden können. Eine Industriebrache auf der Neckarinsel in Heilbronn bildet den Potenzialraum für den dritten Modellentwurf. Es handelt sich um die Fläche der BUGA 2019, auf der bis 2030 das neue Stadtquartier Neckarbogen entstehen soll. Das Ziel dieses Modellentwurfs ist es, den vorhandenen nicht hochwasserangepassten Masterplan von SINAI und Steidle Architekten [14] in ein überflutungsfähiges Stadtquartier umzuwandeln und so einen alternativen Umgang mit Hochwasser für den Masterplan aufzuzeigen. Der Modellentwurf basiert in seiner städtebaulichen Grundstruktur auf dem vorhandenen Masterplan [14]. Die Topographie der Fläche wird dahingehend verändert, dass die ehemalige Industriebrache als Überschwemmungsgebiet wieder Teil des Flussraumes wird. Für ein überflutungsfähiges Stadtquartier auf der Neckarinsel reicht die Kombination von aufgeständerten und schwimmenden Häusern nicht aus, sodass das Warftenhaus als dritter Bautyp in den Entwurf integriert wurde. Der Einsatz dieser drei Typen ermöglicht es, die Topographie abzusenken und Hafen und See mit dem Abflussregime des Neckars zu verbinden. Die 55 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau Warftenhäuser sind entlang der Hafenpromenade als integraler Bestandteil des Neckardeiches angedacht. Auf der Halbinsel sind aufgeständerte und amphibische Häuser geplant. Diese Anpassungen machen es möglich, eine nicht überflutungsfähige Planung in eine überflutungsfähige umzuwandeln und so verlorene Überschwemmungsgebiete im urbanen Kontext zurückzugewinnen. Schlussbemerkung Überflutungsfähige Stadtquartiere können ein produktiver Bestandteil urbaner Landschaften werden und aktiv zu einer Steigerung der Umwelt- und Lebensqualität sowie zum Hochwasserschutz beitragen. Die konkrete Wirkung lässt sich selbstverständlich erst dann überprüfen, wenn derartige Projekte umgesetzt und messtechnisch begleitet werden. Neben planungsmethodischen, rechtlichen und organisatorischen Voraussetzungen braucht es auch Offenheit und Mut von Planern, Ämtern und Bauherren, um - mehr oder weniger wörtlich - neues Terrain zu betreten. Ein derart weitgehender Eingriff in die Gewässerdynamiken macht es notwendig, amtsübergreifende und interdisziplinäre Kooperationen beispielsweise zwischen Ökologen, Architekten und Wasserbauingenieuren zu etablieren. Dabei ist auch zu diskutieren, inwieweit das vorgestellte Konzept überflutungsfähiger Stadtquartiere im Rahmen des WHG schon zugelassen werden könnte. Jedes Hochwasser bringt Sedimente und Treibgut in das Stadtquartier, entsprechend müssen für Pflege und Unterhalt ebenfalls neue Konzepte entwickelt werden, die präventive und nachsorgenden Maßnahmen enthalten. Die vorgestellte Studie basiert auf der Masterthesis „Leben mit Wasser - Überflutungsfähige Stadtquartiere“ von Christoph Fleckenstein an der Professur für Green Technologies in Landscape Architecture der TU München. LITERATUR [1] Bundesamt für Naturschutz: Ökosystemleistungen von Auen und Fließgewässern, 2016. Online unter: https: / / www.bfn.de/ themen/ gewaesser-und-auenschutz/ oekosystemleistungen-auen.html Zuletzt aufgerufen am 01.03.2018 [2] Bundesamt für Naturschutz: Hochwasserschutz und Flussauen, 2018. Online unter: https: / / www.bfn.de/ themen/ gewaesser-und-auenschutz/ oekosystemleistungen-auen/ hochwasserschutz.html [3] Bundesamt für Naturschutz: Naturverträglicher Hochwasserschutz, 2013. Online unter: https: / / www. bfn.de/ themen/ gewaesser-und-auenschutz/ naturvertraeglicher-hochwasserschutz.html [4] Bundesamt für Justiz: Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz - WHG), §- 78. Bauliche Schutzvorschriften für festgesetzte Überschwemmungsgebiete. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, 2019. Online unter: https: / / www.gesetze-im-internet.de/ whg_2009/ _ _78.html [5] Prominski M., Stirnberg D., Stokmann A., Voermanek H., Zeller, S.: Fluss.Raum.Entwerfen. Planungsstrategien für urbane Fließgewässer, 2012. [6] Rohmer, M.: Floating Houses IJburg, 2011. Online unter: http: / / www.rohmer.nl/ en/ project/ waterwoningenijburg/ [7] Ellenberg, H., Leuschner, C.: Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen. 6. Auflage, Eugen Ulmer KG, Stuttgart, 2010. [8] Bundesamt für Bau-, Stadt- und Raumforschung: Unterschiede zwischen Stadt und Land vergrößern sich, 2015. Online unter: https: / / www.bbsr.bund.de/ BBSR/ DE/ Home/ Topthemen/ wachsend_schrumpfend.html [9] Bundesamt für Bau-, Stadt- und Raumforschung: Veränderung der Bevölkerungszahl 2013 bis 2035, 2015. Online unter: https: / / www.bbsr.bund.de/ BBSR/ DE/ Home/ Topthemen/ Downloads/ Grafiken_wachsend_ schrumpfend.zip? _ _blob=publicationFile&v=1 [10] HQ100-Gebiete in Deutschland, eigene Darstellung basierend auf: Überflutungsszenarien der HWRMRL- DE, Bundesanstalt für Gewässerkunde (2014). Online unter: http: / / geoportal.bafg.de/ mapapps/ resources/ apps/ HWRMRL-DE/ index.html? lang=de [11] Verlust auf Überschwemmungsflächen, Bundesamt für Naturschutz (2009). Online im Internet: https: / / w w w.bfn.de/ fileadmin/ MDB/ documents/ themen/ wasser/ Karte_Verlust_Auen.pdf [12] Zustand der rezenten Flussauen, Bundesamt für Naturschutz, 2009. Online unter: https: / / www.bfn.de/ fileadmin/ MDB/ documents/ themen/ wasser/ Karte_Bewertung_Auen.pdf [13] Überflutungsszenarien der HWRMRL-DE, Bundesanstalt für Gewässerkunde, 2014. Online unter: http: / / geoportal.bafg.de/ mapapps/ resources/ apps/ HWRM- RL-DE/ index.html? lang=de) [14] Faas, H., Mergel, H., Brakenhoff, B.: Stadtausstellung Heilbronn, 2016. Bundesgartenschau Heilbronn 2019 GmbH. Online unter: https: / / www.heilbronn.de/ fileadmin/ daten/ stadtheilbronn/ formulare/ buga/ Stadtausstellung_Neckarbogen.pdf Christoph Fleckenstein, M.-A. Landschaftsarchitektur Kontakt: christoph.fleckenstein@tum.de Prof. Dr.-Ing. Ferdinand Ludwig Professur für Green Technologies in Landscape Architecture Technische Universität München Kontakt: ferdinand.ludwig@tum.de AUTOREN 56 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau Ausgangslage Zur Verbesserung des Stadtklimas und der Aufenthaltsqualität in Städten bedarf es eines Ausbaus urbaner grüner und blauer Infrastrukturen, das heißt: mehr Wasserflächen und mehr grüne Oberflächen, aber auch ein Mehr an aufeinander abgestimmten Maßnahmen und Strategien [1, 2]. Folgende Fragen sind zu stellen: Woher kommt das Wasser für kühle Parks und schattenspendende Bäume? Wie wird es aufbereitet, wo gespeichert? Wie lassen sich Wasserbedarfszyklen mit Wasserangebotszyklen zusammenbringen? Sind neue Formen des städtischen Grüns erforderlich? Wo muss trotz Flächenkonkurrenz auf jeden Fall das Stadtgrün erhalten bleiben, wo und für wen sollte es neu entstehen? Um zu belastbaren Antworten auf diese Fragen zu kommen, bedarf es eines umfassenden Verständnisses sowohl der blauen, wie auch der grünen Infrastrukturen, ihrer Wechselwirkungen untereinander und der Einbindung gesellschaftlicher und institutioneller Zusammenhänge [3]. Eine integrierte Betrachtungsweise ist erforderlich, bei der unterschiedliche fachliche Blickwinkel und verschiedene Akteursperspektiven sowie die Analyse der Abhängigkeiten bzw. Verstärkungseffekte von vornherein betrachtet werden. Im Forschungsprojekt INTERESS-I wird dieser Ansatz seit 2018 verfolgt [4]. Das vom BMBF geförderte Projekt entwickelt und erprobt Strategien zur Stärkung urbaner blau-grüner Infrastrukturen und dient - dank der engen Einbindung der Projektstädte Stuttgart und Frankfurt am Main - dem Wissensaufbau und -transfer für angepasste Handlungsoptionen und -prozesse in Kommunen. Die Firma Helix-Pflanzen unterstützt das von der TU München (Professur für Green Technologies in Landscape Architecture) geleitete Vorhaben als praxisnaher Projektpartner. Die Forschungspartner sind die TU- Kaiserslautern mit dem Fachgebiet Ressourceneffiziente Abwasserbehandlung, das Institut für Landschaftsplanung und Ökologie und das Institut für Siedlungswasserbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaft der Universität Stuttgart und das Frankfurter Institut für sozial-ökologische Forschung. Integrierte Strategien zur Stärkung blau-grüner Infrastrukturen Verbesserung des Stadtklimas und der Aufenthaltsqualität als Maßgabe zukunftsfähiger Stadtentwicklung Blau-grüne Infrastruktur, Gebäudebegrünung, Transdisziplinäre Forschung, Klimaresilienz, Bewässerungsmanagement, Grauwassernutzung Bernd Eisenberg, Friederike Well, Ferdinand Ludwig Die sektorale Betrachtungsweise komplexer Problemlagen behindert in vielen Fällen innovative Lösungen für die nachhaltige Stadtentwicklung. Eine integrierte Betrachtungsweise hingegen, bei der unterschiedliche Blickwinkel und die Analyse der Abhängigkeiten bzw. Verstärkungseffekte betrachtet werden, ermöglichen einen neuen Zugang und damit vielfältigere Lösungsoptionen. Das Projekt INTERESS-I stellt sich dieser Herausforderung am Beispiel der blauen und grünen Infrastrukturen und entwickelt und testet integrierte Strategien. „Mit ihren vielfältigen Funktionen kann die urbane blau-grüne Infrastruktur einen wesentlichen Beitrag für eine nachhaltige Stadtentwicklung leisten und sowohl die Folgen des Klimawandels abmildern als auch für ein attraktives und gesundes Leben in unseren Städten sorgen.“ Resolution der Grünen Berufs- und Fachverbände: https: / / www.galk.de/ startseite/ resolution-urbane-gruen-blaue-infrastruktur. BLAU-GRÜN 57 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau Um von fachbezogenen Betrachtungen zu integrierten Strategien und Entwürfen zu kommen, ist der transdisziplinäre Ansatz, das heißt die Herausarbeitung eines gemeinsamen Verständnisses des Forschungsgegenstands, elementarer Bestandteil des Forschungsprojekts. Transdisziplinarität bedeutet in der Konsequenz, eine angemessene wissenschaftliche Bearbeitung von Problemen der Praxis. Dazu ist es erforderlich, dass wissenschaftliches Wissen und das Wissen aus der Praxis aufeinander bezogen und nach Möglichkeit integriert werden [5]. In einem kontinuierlichen Prozess werden kommunale und gesellschaftliche Anforderungen und wissenschaftliche Fragestellung zusammengeführt und weiterentwickelt. Bild 1 zeigt die Schwerpunktthemen des Projektes, und deren jeweiligen inhaltlichen Fokus. So stehen Speicher- und Behandlungsmethoden, das Wassermanagement sowie alternative Wasserressourcen bei der „blauen Infrastruktur“ im Vordergrund. Der Schwerpunkt „grüne Infrastruktur“ legt unter anderem einen Fokus auf grüne Architekturen und analysiert das gesamte, öffentliche und private urbane Grün als Grundlage für die Abschätzung der klimatischen und gesellschaftlichen Wirkung. Für das Projekt gleichermaßen relevant, jedoch nicht im gleichen Umfang untersucht, sind die Themen Klimaresilienz in Städten und die Erwartungen der Stadtgesellschaft ans Grün. Um beispielsweise Erwartungshaltungen und Ansprüche der Stadtbewohner an urbanes Grün zu erfassen, werden Zukunftswerkstätten in Stuttgart und Frankfurt mit repräsentativ ausgewählten Gruppen durchgeführt. Relevante Fragen, die mit Bürgerinnen und Bürgern diskutiert worden sind: Welche Bedeutung hat das städtische Grün für die Stadtbewohner? Wie werden die Herausforderungen für städtisches Grün vor dem Hintergrund des Klimawandels und der Urbanisierung wahrgenommen? Welche Ideen gibt es in der Bevölkerung für die klimawirksame Verbesserung von Grünstrukturen? Die kommunale Perspektive und die Anforderungen aus der Praxis werden durch die Partner aus den Verwaltungen eingebracht. Das Projekt wiederum arbeitet aktiv mit kommunalen Arbeitsgruppen zu Klimawandelanpassungsstrategien und zur Klimaresilienz zusammen Pilotgebiete als Analyseebene Ein wichtiges Element des Projektes ist der maßstabsübergreifende Ansatz. Blau-grüne Infrastrukturen werden auf gesamtstädtischer, Stadtquar- Bild 1 (oben): Thematische Schwerpunkte des Projektes INTERESS-I. © Eisenberg, Well, Ludwig Bild 2 (unten): Übersicht der Pilotgebiete. © Eisenberg, Well, Ludwig tiers- und Projektebene integriert betrachtet und die Schwerpunktthemen mit ihren Wechselwirkungen und Abhängigkeiten (in unterschiedlicher Intensität) bearbeitet. Das Ergebnis der gesamtstädtischen Analyse ist ein Planungswerkzeug, das Grünflächenbedarfe aufgrund etwa stadtklimatischer Anforderungen mit Bewässerungspotenzialen durch alternative Wasserressourcen in Beziehung setzt. Auf der Stadtteilbzw. Quartiersebene werden beispielhaft vier aktuelle Stadtentwicklungsprojekte in Stuttgart und Frankfurt mit unterschiedlicher Größe und unterschiedlichem Planungsfortschritt untersucht (Bild 2). Dafür wird auf die Informationsbasis der gesamtstädtischen Analyse zurückgegriffen und diese um konkrete ortsbezogene Informationen ergänzt. In allen vier Fällen ist die Vorgabe, bestehendes Grün für vielfältige Nutzungen zu erhalten und neues Grün zu schaffen. Aufgrund des unterschiedlichen Planungsansatzes und -fortschritts, sind die Optionen für eine integrierte Planung jedoch recht verschieden [6]. Die beiden Stadtteilplanungen Rosensteinviertel Stuttgart und Grüne Achse Frankfurt Umweltgerechtigkeit Erwartungen an urbanes Grün Starkregen, Trockenheit Hitzestress (Wasserbedarf) Blaue Infrastruktur Integrierte Strukturen, Konzepte, Entwürfe - Alternative Wasserressourcen Speicher- und Behandlungsmethoden Grüne Architekturen, Bauwerksbegrünung Urbanes Grün, öffentlich und privat Grüne Infrastruktur Stadtgesellschaft Klimaresilienz Wassermanagement Stadtklimatische Wirkung groß klein Auswirkung: Neue Wohnblocks im Bestand Neubau Bestand mittel Größe der Pilotgebiete Diakonissenplatz Stuttgart Innovationsquartier Frankfurt Grüne Achse Frankfurt Rosensteinviertel Stuttgart Fernwirkung Frankfurt: Günthersburgpark, Hauptfriedhof 58 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau Vegetation steht im Vordergrund Klimawirksame Vegetation (Wasserbedarf) Wasserversorgung (Extrem-)Niederschläge Wasseraufkommen Wasserverfügbarkeit Wasserentsorgung Verdunstung (über Vegetation) Bewässerung der Vegetation Wassermanagment im Vordergrund Blau-grüne Infrastruktur - Alternative Wasserressourcen optimierte Klimawirkung Vegetation Bewässerungsbedarf Wasserrückhalt, -speicher Pilotgebiet Fragestellung Lösung Wirkung - Schlüsselaspekt Diakonissenplatz Stuttgart Innovationsquartier Frankfurt Grüne Achse Frankfurt Rosensteinviertel Stuttgart Herangehensweise Integrierte Strukturen, Konzepte, Entwürfe (konkret: die vom Stadtzentrum nordöstlich verlaufende Grüne Achse- XI), bieten mehr Möglichkeiten für integrierte Planungen als die bereits weit vorangeschrittenen Planungen am Diakonissenplatz in Stuttgart bzw. dem Innovationsquartier in Frankfurt. Bild 3 zeigt die Zuordnung der Pilotgebiete in einem Entscheidungstrichter, je offener er ist, desto größer sind die Gestaltungsoptionen. Insbesondere das Rosensteinviertel bietet die Möglichkeit, grundsätzlich an die Fragen einer integrierten blau-grünen Infrastruktur heranzugehen. Grundlage für die Überlegungen wird der erst kürzlich ausgewählte Siegerentwurf des städtebaulichen Wettbewerbs sein. Aber auch die untersuchte Grüne Achse in Frankfurt, die Bestandteil einer Freiraumentwicklungskonzeption für die ganze Stadt ist und neben Bestandsgrünflächen auch Potenzialflächen enthält, bietet sehr unterschiedliche Voraussetzungen für integrierte Konzepte, die den Bestandsumbau mit der Stärkung blau-grüner Infrastrukturen koppeln. Am Diakonissenplatz in Stuttgart wird die ehemalige Verkehrsschule zum Stadtquartierspark weiterentwickelt. Im thermisch belasteten Stuttgarter Westen ist eine auch bei Trockenheit stadtklimatisch wirksame Grünfläche von großer Bedeutung. Dennoch wurde die Bewässerung erst durch Anregung aus dem INTERESS-I Team mit in die Planung einbezogen. Nach langjährigem Vorlauf und einer intensiven Bürgerbeteiligung ist der Planungsstand bereits fortgeschritten, so dass es jetzt in erster Linie darum geht, alternative Wasserressourcen für die Bewässerung aufzuzeigen - sei es Regenwasser von Dächern oder von versiegelten Schulhofflächen oder Duschwasser aus Turnhallen. Ähnlich verhält es sich mit dem Pilotgebiet Innovationsquartier in Frankfurt, das von der ARGE Günthersburghöfe entwickelt wird. Dort werden aufgrund der Vorgabe, das gesamte Niederschlagswasser im Quartier zu belassen, im Sinne einer wasser-sensitiven Freiraumgestaltung Entwürfe für Grünanlagen gesucht, die das Wasser versickern bzw. verdunsten lassen. Im Gegensatz zu den offeneren Pilotgebieten können in diesen beiden daher nur noch teil-integrierte Konzepte zum Tragen kommen, was Bild-4 verdeutlicht. Impulsprojekt und Leitfaden Um Erfahrungen mit blau-grüner Infrastruktur auf Projektebene zu sammeln und um das Thema in der Öffentlichkeit zu platzieren, werden Maßnahmen in sogenannten Impulsprojekten umgesetzt. Das Stuttgarter Impulsprojekt kombiniert prototypisch Regenwasserspeicherung und Grauwasseraufbereitung zur Bewässerung von Bauwerksbegrünungen. Anhand dieser real umgesetzten Maßnahme werden Probleme, Anforderungen und Lösungen für integrierte blau-grüne Infrastruktur verdeutlicht und im Sinne eines offenen Labors der interessierten Öffentlichkeit präsentiert (Bild 5). Das Ziel ist dabei nicht, technische Innovationen hervorzubringen, sondern vielmehr auch im Maßstab 1 : 1 Prozess- und Umsetzungswissen zu generieren und dies zusammen mit den Ergebnissen der gesamtstädtischen Analysen und der Pilotgebietskonzepte in einen Leitfaden für integrierte blau-grüne Projekte einfließen zu lassen. In diesem Leitfaden werden die Ergebnisse des Projektes in verdichteter Form zusammengefasst. Sie werden textlich und grafisch so aufbereitet, dass sie von unterschiedlichen Akteuren (Planer und Ingenieure in den Stadtverwaltungen, externe Planungsbüros, Wohnungsbaugesellschaften und andere) rasch erfasst und auf konkrete Fragestellungen angewendet werden können. Anwender des Leitfadens können die in ihren Projekten Bild 4: Vergleich unterschiedlicher Herangehensweisen. © Eisenberg, Well, Ludwig Bild 3: Entscheidungstrichter. © Eisenberg, Well, Ludwig Entscheidungstrichter Pilotgebiete P R O J E K T V E R L A U F Potential für blau-grüne Strategien Rosensteinviertel Stuttgart Diakonissenplatz, Stuttgart - Innovationsquartier Frankfurt Grüne Achse Frankfurt 59 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau identifizierte Wasserressource mit den gewünschten Grünsystemen und klimatischen Wirkungen abgleichen, um dadurch zu einer möglichst großen Deckung zu kommen bzw. zu identifizieren, welche technischen Einheiten zur sinnvollen Kopplung der blauen und grünen Elemente notwendig sind. Dabei werden auch Aspekte wie zum Beispiel Akteurskonstellationen und Bewohnerbedürfnisse sowie kommunale Planungen und Verfahren einfließen. Im Idealfall können Handlungsoptionen, die gewöhnlich nicht erkannt werden, identifiziert und in konkrete Planungen umgesetzt werden. Fazit Integrierte Strategien zur Stärkung urbaner blaugrüner Infrastrukturen bieten im besonderen Maße die Chance, adäquate Lösungen für die Herausforderungen der Klimawandelanpassung zu liefern. Und das nicht, weil in einer planerischen Abwägung blau und grün höher gewichtet werden als beispielsweise Wohnen oder Arbeiten, sondern weil die Verzahnung von grünen Ansprüchen und blauen Möglichkeiten zu überzeugenderen Lösungen führen kann. Das Projekt INTERESS-I erarbeitet dafür Strategien und stellt sie zur Diskussion. LITERATUR [1] Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung BBSR (Hrsg): Klimaresilienter Stadtumbau. Bilanz und Transfer von StadtKlimaExWoSt, 2017. [2] Steinmetz , H., Wieprecht, S., Bárdossy, A., Dittmer, U., Minke, R., Bendel, D., Schlichtig, B., Fendrich, E., Schlabing, D., Seidel, J., Weber, K.: Anpassungsstrategie an die Folgen des Klimawandels für Baden-Württemberg. Fachgutachten zum Handlungsfeld Wasserhaushalt, 2013. [3] Winker, M., Trapp, J. H., Felmeden, J., Libbe, J., Schramm, E.: Transformation der Wasserinfrastruktur organisieren. Was ist dabei zu beachten? Transforming Cities 4 (2016), S. 49-53. [4] www.interess-i.de [5] Bergmann, M., Jahn, T., Knobloch, T., Krohn, W., Pohl, C., Schramm, E.: Methoden transdisziplinärer Forschung. Ein Überblick mit Anwendungsbeispielen. Frankfurt am Main, 2010. [6] Well, F., Ludwig, F.: Blue-green architecture: A case study analysis considering synergetic effects of water and vegetation” in: Frontiers of Architectural Research. Im Begutachtungsverfahren, 2019. Bild 5. Ansicht und Schnitt Impulsprojekt, im Vordergrund Wasserzisterne und Grauwasseraufbereitung, im Hintergrund Wohncontainer mit unterschiedlicher Bauwerksbergünungen. © Daniel Schönle Architektur und Stadtplanung Dr.-Ing. Bernd Eisenberg Projektleitung INTERESS-I Professur für Green Technologies in Landscape Architecture Technische Universität München Kontakt: bernd.eisenberg@tum.de Friederike Well, M. Sc. Wissenschaftliche Mitarbeiterin Professur für Green Technologies in Landscape Architecture Technische Universität München Kontakt: friederike.well@tum.de Prof. Dr.-Ing. Ferdinand Ludwig Professur für Green Technologies in Landscape Architecture Technische Universität München Kontakt: ferdinand.ludwig@tum.de AUTOR*INNEN Visualisierung Füllstände über Anzeiger/ Schwimmer/ Fahne/ ... Boulderzisterne Bestehende Spontanvegetation Trägerplatte für Referenzmess. in 2.OG Bestehende Spontanvegetation Visualisierung Wasserkreislauf durch Wandgrafik/ Farbe/ Schilder/ .... Wohncontainer Bauzaun 60 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau Cool durch grüne Infrastruktur Die Potenziale des Stadtgrüns zur städtischen Klimawandelanpassung Klimawandel, grüne Infrastruktur, Ökosystemleistung, Stadtbaum, Kühlung, Modellierung Stephan Pauleit, Teresa Zölch, Astrid Reischl, Mohammad Rahman, Thomas Rötzer Grünflächen können die Lebensqualität in Städten verbessern und ihre Klimaresilienz erhöhen. Als „grüne Infrastruktur“ geplant, kommt ihnen daher eine Schlüsselrolle für die Entwicklung zukunftsfähiger Städte zu. Gleichzeitig steht das Grün in Städten durch die bauliche Verdichtung der Innenstädte unter Druck. Wieviel Grün ist erforderlich und wie ist es zu gestalten, um seine vielfältigen ökologischen und sozialen Funktionen erfüllen zu können? Mit diesen Fragen hat sich eine Forschungsgruppe an der TU München in verschiedenen Untersuchungen eingehend beschäftigt. Grün als Lösungsansatz für klimaangepasste Städte? Städtische Lebensräume sind eine wesentliche Ursache des globalen Klimawandels. Etwa 80 % der Treibhausgasemissionen werden Städten zugerechnet. Gleichzeitig werden Städte aber auch immer stärker vom Klimawandel betroffen. Der Meeresspiegelanstieg, zunehmende Flussüberschwemmungen und Wirbelstürme bedrohen viele Städte weltweit. Durch ihre dichte Bebauung, die Hitze speichert, und die hohe Flächenversiegelung wirken sich in Städten auch der Temperaturanstieg sowie die zunehmende Zahl und Stärke von Hitzewellen insbesondere auf die Lebensqualität und Gesundheit der Bevölkerung aus. Betroffen sind vor allem ältere Menschen mit gesundheitlichen Vorbelastungen. Nicht zuletzt führen Starkregen zur Überlastung der Kanalisation mit lokalen Überschwemmungen als Folge. Städtische Grünflächen wie Parkanlagen, Gärten, Straßenbäume und Gewässer können wesentlich zur Lösung dieser Probleme durch die Bereitstellung von sogenannten Ökosystemleistungen wie Verdunstungskühlung, Verschattung, Luftverbesserung und Regenwasserversickerung beitragen. Sie werden daher auch als „grüne Infrastruktur“ bezeichnet, die genauso wichtig für das Funktionieren und die Lebensqualität in Städten ist wie soziale und technische Infrastrukturen. Wie viele Grünflächen werden aber in Städten benötigt? Wie können sie in bereits dicht bebaute Stadtquartiere integriert werden? Und wie müssen sie in der klimaangepassten Stadt der Zukunft aussehen, um die Luft zu kühlen, Regenwasser zurückzuhalten und gleichzeitig für Mensch, Pflanze und Tier attraktive Aufenthalts- und Lebensräume zu schaffen? 61 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau Das Zentrum für Stadtnatur und Klimaanpassung (ZSK, www.zsk.tum.de) an der Technischen Universität München hat mit Förderung durch das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz in mehreren Projekten die Potenziale der grünen Infrastruktur zur Kühlung der Städte untersucht. Sie haben zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse geführt und zeigen den Kommunen Handlungsmöglichkeiten für die Klimawandelanpassung auf. Klimakomfort und Lebensqualität im Stadtquartier der Zukunft Für Stadtplaner ist es trotz der allgemein anerkannten Wirksamkeit von Begrünung schwierig zu entscheiden, welche Option unter welchen lokalen Bedingungen einzusetzen ist, um einen größtmöglichen Nutzen für die Anpassung an den Klimawandel zu erzielen. Das Projekt „Klimaschutz und grüne Infrastruktur in der Stadt“ (2013-2018) des ZSK hat daher untersucht, welche Maßnahme welches Kühlpotenzial in verschiedenen Bebauungssituationen hat: der innerstädtischen Blockbebauung, der Zeilenbebauung und dem historischen Stadtkern [1]. Als Maß für das Kühlpotenzial des Stadtgrüns wurde der thermische Komfort im Außenraum verwendet. Die „Physiologisch Äquivalente Temperatur“, in °C, kurz: PET, fasst die Wirkung der meteorologischen Parameter Lufttemperatur, Wind, Luftfeuchte und Strahlungstemperatur auf den Menschen im Außenraum in einem Wert zusammen und lässt sich in Klassen von thermischem Empfinden untergliedern (18 - 23 °C Behaglichkeit, über 23 °C Wärmebelastung, über 41 °C extreme Wärmebelastung). Die Auswertung erfolgte für einen sommerlichen Hitzetag (maximale Lufttemperatur über 30 °C) um 15 Uhr in 1,4 m Höhe, dem Zentrum des menschlichen Körpers. Berechnet wurde der PET für die verschiedenen Begrünungsszenarien durch das dreidimensionale Mikroklimamodell ENVI-met V4 [2]. Aus Luftbildern und Ortsbegehungen wurde die existierende Vegetation für das aktuelle Begrünungsszenario (Bestand) aller Gebiete erhoben. Zusätzlich dazu wurde ein Null-Szenario untersucht, bei dem alle Vegetation entfernt wurde. Für eine Umsetzung von Begrünungsmaßnahmen in bestehenden, dicht bebauten Siedlungsgebieten eignen sich Bäume wie etwa der Spitzahorn, Dach- und Fassadenbegrünung (extensive Dachbegrünung bzw. bodengebundene Fassadenbegrünung mit wildem Wein). Diese wurden in „realistischen“ Begrünungsszenarien auf technisch und räumlich möglichen und thermisch besonders belasteten Flächen (zum Beispiel stark besonnte Bereiche, Süd-Westfassade), und in „Maximalszenarien“ auf allen verfügbaren Flächen eingesetzt. In den Bestandsszenarien zeigen die Modellierungen durchschnittliche PET-Werte über 41 °C auf, dies entspricht extremem Hitzestress (Bild 1). Die heißesten Bereiche mit Werten bis zu 60 °C PET finden sich in allen Siedlungsstrukturen in den besonnten Bereichen, insbesondere vor Süd-West orientierten Fassaden, die zusätzlich Wärme abstrahlen. Die kühlsten Bereiche sind die verschatteten Flächen, sowohl im Baumals auch im Gebäudeschatten. Hier liegt der PET an einem sommerlichen Hitzetag bei etwa 35 °C. In den Null-Szenarien ohne jegliche Vegetation erhöht sich der Hitzestress Bild 1: Die thermische Situation an einem Hitzetag am Beispiel der Blockbebauung. Die Karten zeigen die thermischen Verhältnisse bei den maximalen Begrünungsszenarien durch Bäume, Dach- und Fassadenbegrünung und Hitzeregulation gegenüber dem Istzustand (s. a. Tabelle 1). © Pauleit et al. Tabelle 1: Durchschnittlicher Wert der physiologisch äquivalenten Temperatur (PET ) an einem Hitzetag um 15 Uhr in 1,4 m Höhe für die Untersuchungsgebiete der Block- und Zeilenbebauung und des historischen Stadtkerns sowie die Kühlwirkung verschiedener Begrünungsszenarien, ausgedrückt als relative Änderung der PET zwischen Bestand und Begrünungsszenario. © Pauleit et al. Blockbebauung Zeilenbebauung Historischer Stadtkern PET im Bestand in °C 41,1 43,3 42,0 PET Reduktion in % durch: Null-Szenario (Entfernung vorh. Vegetation) +4,3 +11,1 +2,7 Bäume (max/ realistisch) -13,0/ -10,3 -18,0/ 0 -17,5/ -10,4 Fassadenbegrünung (max/ realistisch) -10,0/ -5,1 -2,1/ 1,3 -14,0/ -7,3 Dachbegrünung (max/ realistisch) -0,5/ 0 -0,5/ -0,2 -0,9/ -0,1 62 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau erwartungsgemäß weiter, da Verschattungs- und Verdunstungsleistungen der bestehenden Begrünung fehlen. Die vorhandene Vegetation erfüllt also bereits heute eine wichtige Funktion für die Kühlung der Städte, sogar bei geringen Flächenanteilen wie in der Blockbebauung mit 9 % Grünanteil oder dem historischen Stadtkern mit 11 % Grünanteil. Die gezielte Umsetzung der Begrünungsmaßnahmen bewirkt in allen Szenarien eine Verbesserung der thermischen Verhältnisse (Tabelle 1). Ihre Wirkung unterscheidet sich jedoch nach Art der Begrünung und ihrer Quantität in der Umsetzung. Zur Hitzeregulation sind vor allem Verschattung und Verdunstung sowie der Standort des Grüns entscheidend. Besonders geeignet sind Baumpflanzungen, die die verschattete Fläche vergrößern und die Umgebungsluft durch Verdunstung kühlen (vgl. Bild 1 am Beispiel der Blockbebauung). Die physiologisch äquivalente Temperatur würde durch die „realistische“ Begrünung mit Bäumen immerhin um 10 % in der dichten Blockbebauung gesenkt. Auch die Fassadenbegrünung erhöht durch Verdunstung die Luftfeuchtigkeit und kühlt damit. Durch die Verschattung der Gebäudewände sinkt zudem die Wärmerückstrahlung, was die thermische Belastung vermindert. Die Wirkung der Fassadenbegrünung beschränkt sich jedoch auf wenige Meter vor den Fassaden, im Vergleich zu Bäumen, die durch ausladende Kronen einen räumlich größeren Kühleffekt erwirken. Dagegen erbringt die Dachbegrünung eine geringere Kühlleistung. Ihre Wirkung auf den thermischen Komfort im Freiraum (analysiert auf 1,4 m Höhe) beschränkt sich auf die niedrigen Gebäude in den Innenhöfen. Nicht untersucht wurde die Kühlwirkung der Dachbegrünung auf Dachhöhe, zum Beispiel in einem intensiv begrünten Dachgarten. Die Studie belegt, dass Klimaanpassungsmaßnahmen in dicht bebauten Stadtquartieren dringend notwendig sind, um Hitzestress in der Stadt zu verringern. Um die heutigen thermischen Verhältnisse zu bewahren, ist die Erhöhung des Grünflächenanteils von unter 10 % auf mindestens 20 % erforderlich. Dies sollte prioritär durch Baumpflanzungen geschehen, wenngleich auch Fassaden- und Dachbegrünungen effektive Maßnahmen darstellen. Um bestmögliche Kühlwirkungen zu erzielen, sollten Begrünungsmaßnahmen vor allem in stark sonnenexponierten Bereichen umgesetzt werden. Diese prioritären Standorte lassen sich aus den Bestandsszenarien für die Siedlungstypen ableiten. Zusammen bieten die drei Begrünungsformen auch wertvolle Synergiepotenziale zur Förderung von Biodiversität und Freiraumqualität und können Stadtplaner bei der Entwicklung klimaangepasster Quartiere unterstützen. Dazu hat die vorgestellte Studie Entwürfe für die untersuchten Siedlungsstrukturen entwickelt, die die Umsetzung der Begrünungsmaßnahmen in verschiedenen Bereichen der Quartiere vorschlagen. So könnten über eine gezielte Aufwertung der unterschiedlichen Freiräume und eine Reorganisation der Verkehrsflächen unterschiedlichste Räume für vielfältige Bedürfnisse und Nutzungen entstehen: belebte Straßen, begrünte Hinterhöfe Bilder 2a und b: Die Kühlleistung der Linden auf dem gut begrünten Bordeauplatz in München (rechts) liegt um 20 % über den Linden auf dem benachbarten und stark versiegelten Pariser Platz (unten). © Pauleit et al. 63 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau und öffentliche Grünflächen. Im Straßenraum steigern Bäume, Fassadenbegrünung und Tiefbeete als Versickerungsflächen die räumliche und ökologische Qualität. Zwischen der dichten Bebauung entstehen Räume für Fußgänger und Radfahrer. Die Kombination aus Gehölzpflanzungen und begrünten Dächern oder Fassaden schafft in den Höfen Rückzugsorte. Bei der Umsetzung sind die jeweiligen Eigenschaften der Begrünungsarten wie Wuchshöhe, Blattflächendichte und Verdunstungsleistung zu berücksichtigen. Coole Bäume für coole Städte: die Kühlleistung von Bäumen - was passiert bei Klimawandel? In Untersuchungen in München und Würzburg haben wir in den letzten Jahren in umfassenden Messkampagnen das Wachstum und die Kühlleistungen von unterschiedlichen Baumarten auf Stadtplätzen und in Straßenräumen erfasst. Solche Messungen erfordern einen hohen Aufwand, etwa für die Ermittlung des Wasserdurchflusses im Stammholz durch spezielle Sonden oder die Messungen des Dickenwachstums von Bäumen mit elektronischen Dendrometern, die im Genauigkeitsbereich von Mikromilimetern das tägliche Wachsen aber auch das Schrumpfen des Holzes registrieren. Entsprechende Zahlen zu den Wuchs- und Ökosystemleistungen von Stadtbäumen sind bisher selten. Die Ergebnisse zeigen beispielsweise, dass eine etwa sechzig Jahre alte Linde auf einem gut begrünten Platz in München an einem heißen Sommertag die Lufttemperaturen unter der Krone immerhin um etwa 1 °C senken kann, während in der Krone die Temperaturen sogar 3 - 4 °C unter der Umgebungstemperatur liegen (Bild 2). Diese Effekte sind auch der Verdunstung von Wasser durch die Bäume geschuldet, die der Umgebung Energie entzieht und so kühlt. Die genannte Linde verbraucht zwischen 60 und 80 Liter Wasser täglich und ihre maximale Kühlleistung liegt dabei bei 2,3 kWh, entsprechend der Leistungsaufnahme eines Kühlschranks [3]. Besonders durch die Verschattung empfinden Menschen, die sich im Baumschatten aufhalten, die thermischen Verhältnisse als wesentlich angenehmer als im besonnten Straßenraum. Die bereits genannte physiologisch äquivalente Temperatur lag bei den Untersuchungen in Würzburg im Schatten von acht Linden durchschnittlich um 3 °C niedriger als in der Sonne [4]. Linden sind dichtbelaubte Bäume mit starkem Schattenwurf. Darunterliegende Flächen können sich daher tagsüber weniger stark erwärmen als bei der ebenfalls untersuchten Robinie, die eine sehr lichte Krone aufweist (Bild 3). Die beiden Baumarten unterscheiden sich auch markant in Bezug auf die Verdunstung von Wasser. In Würzburg wiesen die Linden im heißen Sommer 2017 eine 4,4-fach höhere Verdunstungsleistung auf [4]. Allerdings hat diese hohe Wasserverdunstung auch ihren Preis, denn Linden können als Baumarten mit zerstreutporigem Holz bei Wassermangel ihren Wasserverbrauch weniger gut regulieren als ringporige Robinien. Letztere vermag ihre Verdunstung und damit ihr Wachstum auch anschließend schneller wieder „hochzufahren“. Die Robinie nutzt damit vorhandenes Wasser wesentlich effektiver für ihr Wachstum [5]. Die Ökosystemleistungen von Stadtbäumen, wie etwa die Abkühlungswirkung durch Beschattung und Verdunstung, sind von vielfältigen äußeren Faktoren abhängig. Eine bayernweite Studie zum Wachstum und den Ökosystemleistungen hat gezeigt, dass insbesondere der Bodenversiegelungsgrad und die Wasserversorgung einen starken Einfluss auf das Wachstum und die Ökosystemleistungen haben [6]. Für die Untersuchung wurden mehr als zweitausend Individuen von vier Baumarten vermessen. In einem neuen Simulationsmodell konnten mit diesen Daten Ökosystemleistungen wie die Kohlenstoffspeicherung und die Verdunstungsleistung berechnet werden. Dabei zeigt sich, dass die Verdunstung je nach Baumart stark schwankt und Kastanien die geringste Verdunstungsleistung über alle Altersklassen zeigen. Eine 80-jährige Kastanie verdunstet bei einem mittleren Versiegelungsgrad demnach etwa 30- m 3 Wasser in der Vegetationsperiode. Dagegen weisen Platanen die höchste Verdunstung mit über Bild 3: Robinien haben einen lichten Schatten. © Pauleit et al. 64 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau 90- m 3 auf. Die Verdunstung von Robinien erhöht sich stetig über das Alter. Auch Winterlinden nehmen im höheren Alter stark in ihrer Leistung zu. Die farbigen Linien in den Graphiken aller Arten geben darüber hinaus an, welchen Einfluss der Versiegelungsgrad des Bodens auf die Verdunstungsleistung hat (Bild-4, oben). Mit einer maximalen Versiegelung von 90 % sinkt die Verdunstung einiger Arten um bis zu 50 % ab. So reagieren insbesondere Platanen und Winterlinden sensibel auf hohe Versiegelungsgrade. Schließlich werden sich Klimaveränderungen auch auf die Bereitstellung von Leistungen von Stadtbäumen auswirken. Exemplarisch wird erneut die Verdunstungsleistung der vier Baumarten Winterlinde, Robinie, Rosskastanie und Platane in Bayern gezeigt (Bild- 4, oben). Für die Simulationen wurden Klimaszenarien des Modells WETTReg für die nahe Zukunft (2026 - 2050) verwendet, die eine Erhöhung der Lufttemperaturen und eine Verschiebung der Niederschlagsmengen mit mehr Niederschlägen im Winterhalbjahr und verminderten Niederschlägen im Sommerhalbjahr voraussagen. Durch diese veränderten Klimabedingungen ändert sich die Verdunstungsleistung der vier Stadtbaumarten geringfügig, zumeist steigt die Verdunstung leicht an. In der Studie wurden auch die Auswirkungen von kleinräumigen Veränderungen wie der Bodenwasserspeicherungskapazität des unmittelbaren Wurzelraums auf das Wachstum und die Ökosystemleistungen berechnet. Insbesondere bei der Winterlinde und der Rosskastanie bedingt ein geringes verfügbares Wasserangebot eine deutliche Reduzierung der Biomasseproduktion. Robinien und Platanen sind hier viel weniger betroffen. Allerdings zeigen alle Arten eine verminderte Verdunstungsleistung bei weniger verfügbarem Wasser, wobei die Robinie am wenigsten sensibel auf Trockenstress reagiert. Perspektiven: die „Grüne Stadt der Zukunft“ Unsere Studien haben gezeigt, dass grüne Infrastruktur in der Lage ist, durch ihre Kühlwirkung der weiteren Verschlechterung der klimatischen Verhältnisse in Städten durch den Klimawandel erfolgreich entgegenzuwirken. Bäume spielen dabei durch ihre Verschattungswirkung und die Verdunstungskühlung eine besondere Rolle. Eine besonders große Herausforderung für die grüne und klimaangepasste Stadt der Zukunft besteht darin, mehr Platz für Stadtgrün und vor allem Bäume in dicht bebauten Innenstadtquartieren zu finden. Wie lässt sich der flächige Baumanteil in solchen Quartieren von knapp 10 % auf über 20 % Bild 4: Verdunstungsleistung (m³/ Jahr) über das Alter (von 0-100 Jahre) von Winterlinden Tilia cordata, Robinien Robinia pseudoacacia, Rosskastanien Aesculus hippocastanum und Platanen Platanus x acerifolia gemessen und modelliert für Bayern gemittelt aus den Ergebnissen für die Städte (Hof, Würzburg, Bayreuth, Nürnberg, München und Kempten) für das derzeitige Klima (1965-2015) (Bild oben) für das zukünftige Klima (2026-2050) (Bild unten) und sandigen Lehm als Bodenart sowie Angabe der Auswirkung von Versiegelung auf die Verdunstung. © Pauleit et al. 65 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau erhöhen? Dies mag als eine fast unlösbare Aufgabe erscheinen. Dabei ist zu bedenken, dass der Bebauungsgrad auch in Innenstädten selten über 50 % der Oberfläche liegt, der Rest sind Straßenräume, Plätze und Innenhöfe. Diese meist versiegelten Flächen werden aber intensiv genutzt, etwa für den Autoverkehr und Parkplätze, als Trassen für unterirdisch verlaufende Kanäle, Strom-, Fiberglas- und Gasleitungen. Mehr Grün in die Stadt zu bringen, bedeutet, Platz zu schaffen, etwa durch neue Mobilitätskonzepte, die zu weniger fahrenden und parkenden Autos in der Stadt führen. Für die Anpassung von Städten durch grüne Infrastruktur sind daher integrierte Planungen und Lösungsansätze zu entwickeln und umzusetzen, die etwa umweltfreundliche Mobilitätskonzepte, Ver- und Entsorgungsinfrastrukturen wie Regenwassermanagement zur lokalen Rückhaltung und Versickerung des Regenwassers mit der grüner Infrastruktur kombinieren. Durch solche Konzepte könnte auch der - wie gezeigt - erhebliche Wasserbedarf der Bäume gesichert werden. Schließlich deuten die Ergebnisse darauf hin, dass das Grün selbst an den Klimawandel angepasst werden muss, besonders durch eine verstärkte Wahl trockenheitsangepasster Baumarten. Insgesamt ist die Vielfalt an Baumarten zu erhöhen, um für die Unwägbarkeiten des Klimawandels und immer häufigere Schädigungen durch Pilze und Insekten gerüstet zu sein. Auch dies ist eine der großen Herausforderungen für die Transformation unserer Städte. Klimasensitive Modelle können bei der Wahl der Baumarten für eine Stadt oder sogar für einen speziellen Standort helfen, Ökosystemleistungen zu quantifizieren. Zudem können künftige Veränderungen des Baumwachstums und der Ökosystemleistungen abgeschätzt und so in die Planung mit einbezogen werden. LITERATUR [1] Zölch T., Maderspacher J., Wamsler C., Pauleit S.,: Using green infrastructure for urban climate-proofing: An evaluation of heat mitigation measures at the microscale. Urban Forestry & Urban Greening 20, 1 (2016), S. 305-316. [2] Bruse, M.: Environmental Modelling Group, ENVI-met. Institute of Geography at University of Mainz, 2015. Retrieved from http: / / envi-met.info/ [3] Rahman, M. A., Moser, A., Rötzer, T., Pauleit, S.: Microclimatic differences and their influence on transpirational cooling of Tilia cordata in two contrasting street canyons in Munich, Germany. Agricultural and Forest Meteorology 232 (2017), S. 443-456. [4] Rahman et al.: Tree cooling effects and human thermal comfort under contrasting species and sites. In Vorbereitung, unveröff. Manuskript. [5] Moser-Reischl A., Rahman M. A., Pauleit S., Pretzsch H., Rötzer T.: Growth patterns and effects of urban micro-climate on two physiologically contrasting urban tree species. Landscape and Urban Planning 183 (2019), S. 88-99. [6] Rötzer, T., Rahman, M. A., Moser-Reischl, A., Pauleit, S., Pretzsch, H.: Process based simulation of tree growth and ecosystem services of urban trees under present and future climate conditions. Science of the Total Environment 676 (2019), S. 651-664. Prof. Dr. Stephan Pauleit Lehrstuhl für Strategie und Management der Landschaftsentwicklung TU München Kontakt: pauleit@tum.de Dr. Teresa Zölch Landeshauptstadt München Referat für Gesundheit und Umwelt Kontakt: teresa.zoelch@muenchen.de Dr. Astrid Reischl Lehrstuhl für Waldwachstumskunde TU München Kontakt: astrid.reischl@tum.de Dr. Mohammad Rahmann Lehrstuhl für Strategie und Management der Landschaftsentwicklung TU München Kontakt: asrafifescu@googlemail.com Prof. Dr. Thomas Rötzer Lehrstuhl für Waldwachstumskunde TU München Kontakt: Thomas.Roetzer@lrz.tu-muenchen.de AUTOR*INNEN 66 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau Urbane Wälder in Leipzig Ein neuer Grünflächentyp Stadtumbau, Grünflächenkonzept, urbaner Wald, Naherholung, Stadtklima Dieter Rink Große Brachflächen, die in Leipzig durch Schrumpfung, Deindustrialisierung und Strukturwandel entstanden waren, wurden nach der Jahrtausendwende im Rahmen der Planungstrategien zum Stadtumbau als Grünflächen ausgewiesen. Im letzten Jahrzehnt wurden so drei neue urbane Wälder angelegt, um ungenutzte Flächen relativ kostengünstig aufzuwerten und damit gleichzeitig das Stadtklima zu verbessern und neuen Freiraum für die Stadtbewohner zu schaffen. Mit Leipzigs dynamischem Wachstum steht der wachsende Bedarf an Bauland allerdings in Konkurrenz zu weiteren Grünflächen. sektor nach der Wende fielen zahlreiche Flächen brach. Um die Jahrtausendwende gab es laut einer Analyse des Umweltforschungszentrums Leipzig knapp 3000 Brachflächen in Leipzig, die zusammengenommen rund 900 Hektar umfassten und etwa 3,5 % der Siedlungsfläche entsprachen - sehr hohe Werte. Für viele, selbst große Flächen von bis zu 20 oder sogar 30 Hektar gab es keine Nachfrage und es war keinerlei Nachnutzung darstellbar. Die Stadt Leipzig startete 2001 den Stadtumbau und verfolgte in ihrer Planung die Strategie „Mehr Grün, weniger Dichte“. Das umfasste die Anlage klassischer und neuer Grünflächen sowie Zwischennutzungen. Dabei wurde auch mit neuen Grünflächenkonzepten experimentiert; so wurden Mitte der 2000er Jahre Bäume auf kleinen innerstädtischen Stadtumbaubrachen gepflanzt. Im Leipziger Osten entstanden der „lichte Hain“ und der „dunkle Wald“, die allerdings Kritik und Proteste hervorriefen: Der Abriss wertvoller Gründerzeithäuser und der Verlust urbaner Qualitäten wurden beklagt. Einige Jahre später entstand die Idee, urbane Wälder auf größeren innerstädtischen Brachflächen anzulegen. Damit werden mehrere Ziele verfolgt: Der Wald soll zur Verbesserung der stadtklimatischen und lufthygienischen Situation beitragen, angrenzende Flächen in Wert setzen, neue Erholungsangebote schaffen sowie zur Erhöhung der Biodiversität beitragen. Weitergehend will man damit eine neue Freiflächenkategorie im Stadtumbau und in der Planung kreieren. Ein Aspekt ist auch die Finanzierung, so ist die Aufforstung von Brachflächen die preiswerteste Begrünung. Zuerst wurde in den Jahren 2007 bis 2008 eine Machbarkeitsstudie durchgeführt, die positive Ergebnisse brachte. Daran schloss sich das Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben (E+E-Vorhaben) Hintergrund Allenthalben liest man in den letzten Jahren von der Inanspruchnahme von Frei- und Grünflächen durch neue Bebauungen in den deutschen Metropolen und Großstädten. In Leipzig ist es demgegenüber in diesem Jahrzehnt zunächst sogar gelungen, die Grünflächen zu erweitern und zwar durch einen neuen Grünflächentyp: urbane Wälder. Den Hintergrund dafür bildete freilich die jahrzehntelange Schrumpfung der Stadt. Infolge der Deindustrialisierung in den 1990er Jahren, der Aufgabe von Militärstandorten und des Strukturwandels im Transport- Bild 1: Potenziale für Grünflächen in Leipzig nach der Schrumpfung. © Stadtplanungsamt Leipzig Karl-Heine-Holz Stadtgärtnerei-Holz Schönauer-Holz 67 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau an, welches das Bundesamt für Naturschutz (BfN) förderte und gemeinsam mit der Stadt Leipzig von 2009 bis 2018 durchführte. Es umfasste die Neuanlage von drei urbanen Wäldern auf innerstädtischen Brachflächen. Drei urbane Wälder Die erste Fläche wurde im Jahr 2010 auf dem Gelände der ehemaligen Stadtgärtnerei in Anger-Crottendorf, einem Stadtteil im Leipziger Osten, angelegt. Die Stadtgärtnerei hatte im Jahr 2005 ihren Betrieb eingestellt, danach war unklar, was mit der Fläche passieren sollte. Die Stadt, der die Fläche gehörte, versuchte das Grundstück zu verkaufen, was aber scheiterte. Danach wurde nach neuen Nutzungskonzepten bzw. -ideen gesucht. Aufgrund ihrer Größe - rund 3,8 Hektar - war sie in den Fokus des Projekts geraten und als mögliche Aufforstungsfläche ausgewählt worden. Dazu musste die Fläche freilich zunächst relativ aufwändig beräumt werden, die Gewächshäuser und festen Bauten wurden abgerissen, den Hauptweg beließ man jedoch als Durchgangsmöglichkeit. Aus der Vornutzung waren auch einige Bäume und Sträucher erhalten, die man in die neue Gestaltung einbezog. Das trifft auch auf einige Betonelemente zu, die jetzt als Sitzmöglichkeiten dienen können. Bei der Aufforstung hat man sich an die alte Nutzung angelehnt und die Flächen parzellenweise aufgeteilt. Die Auswahl der Baumarten und Sträucher wurde intensiv diskutiert, schon früh fiel die Entscheidung für eine Vielfalt von Arten. Bei den Bäumen wurden etwa Eichen, Linden, Mehl- und Elsbeeren, Ebereschen und Nussbäume verwandt, an Sträuchern wurden unter anderem Hasel, Weissdorn, Berberitze und Holunder gepflanzt. Die aufgeforsteten Parzellen wurden zunächst für fünf Jahre eingezäunt. Mit dem Abbau der Zäune im Jahr 2015 erfolgte zugleich die Übergabe der gesamten Fläche an den kommunalen Forstbetrieb - nun sind die Förster dafür zuständig. Um die Anmutung als Wald zu verstärken, wurden drei Hochsitze auf der Fläche installiert. Wenn man sie erklimmt, kann man die Fläche und die Umgebung gut überblicken. Jugendliche hatten die Fläche illegal zwischengenutzt und die alten Gewächshäuser besprüht. Um ihnen ein Angebot zu machen, wurde die Wand eines angrenzenden Hauses vom Graffitiverein gestaltet. Das konnte zwar einzelne Akte des Vandalismus nicht ganz verhindern, im Ganzen befindet sich die Fläche aber in einem guten Zustand, die Bäume sind inzwischen bis zu vier / fünf Meter hoch und die Anmutung als Wald prägt sich zusehends aus. Die zweite Fläche, das Schönauer Holz, wurde drei Jahre später, im Jahr 2013, in der Großwohnsiedlung Grünau am westlichen Stadtrand von Leipzig aufgeforstet. Dieser urbane Wald befindet sich mitten in einem immer noch dicht besiedelten Wohngebiet zwischen den Blöcken. Hier hatte einst einer der größten Plattenbauten der Stadt gestanden, ein langer Elfgeschosser. Er hatte im Volksmund der Grünauer aufgrund seiner Größe und Höhe den Spitznamen „Eiger Nordwand“. Aufgrund der starken Schrumpfung in Grünau von knapp 90 000 Einwohnern Ende der 1980er Jahre bis etwa 45 000 Anfang der 2010er-Jahre, war Grünau zum Schwerpunkt des Stadtumbaus geworden. Der Elfgeschosser an der Neuen Leipziger Straße war schon früh in den Fokus geraten und 2007 mit öffentlichen Mitteln abgerissen worden. Danach wurde Rasen eingesät, der aufgrund des mageren Substrats nur teilweise aufwuchs. Die Fläche wurde von der Bevölkerung kaum genutzt, diente aber als Wegeverbindung zwischen den Blöcken sowie den nahegelegenen Einkaufs- und Dienstleistungsangeboten. Die Stadt hat einen Teil der insgesamt 5,5 Hektar großen Fläche gekauft und ein Gestaltungskonzept für den urbanen Wald Bild 2: Karl-Heine-Holz. © Tobias Hametner Bild 3: Karl-Heine-Holz. © Tobias Hametner 68 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau entwickelt. Hier wurde die Bevölkerung schon von Anfang an in die Anlage und Gestaltung einbezogen. Bei der Aufforstung haben sich Schüler*innen an einer Pflanzaktion von Bäumen beteiligt. Auch hier wurden vorhandene Elemente eingebaut, etwa die vorhandenen Wege und Bäume oder auch einige Betonelemente, die als Sitzmöglichkeiten dienen. Außerdem wurden wieder (zwei) Hochstände errichtet, die mittlerweile zu Wahrzeichen der urbanen Wälder geworden sind. Bei den Baumarten hat man vor allem auf Vogelbeerbaum, Elsbeere und Speierling zurückgegriffen. Auch diese Fläche wurde von der Bevölkerung gut angenommen, wenngleich es auch hier Vandalismus gab, wie beispielsweise Diebstahl von Bäumen oder Besprühen der Schilder. Mittlerweile sind die Bäume zwei bis drei Meter groß und im letzten Jahr wurden die Zäune entfernt und alle Flächen damit zugänglich. Die dritte Fläche, der Bürgerbahnhof Plagwitz, ist westlich am Rand der gründerzeitlichen Bebauung von Leipzig gelegen und mit rund 15 Hektar die größte Fläche. Einer der einst größten Güterbahnhöfe Deutschlands war Anfang der 1990er komplett brachgefallen. Danach gab es nur illegale Zwischennutzungen, Ende der 2000er Jahre geriet das Areal allerdings in den Fokus der Anwohner*innen. 2009 gründete sich die Initiative Bürgerbahnhof Plagwitz (IBBP), die der Fläche auch ihren neuen Namen gab. Seit 2010 veranstaltete die Initiative zum Beispiel „Entdeckungsspaziergänge“ oder „Gleisfrühstücke“ und entwickelte eigene Ideen für die Umwandlung der Brache. Seit 2015 findet auch ein großes Event, das Stadtteilfest „Westbesuch“, auf dem Bürgerbahnhof Plagwitz statt. Das Konzept des urbanen Waldes auf dem ehemaligen Bahngelände ist folglich ein ganz anderes als bei den beiden oben geschilderten urbanen Wäldern. Hier wurden von vornherein verschiedene andere Nutzungen in den Gleis-Grün-Zug Bahnhof Plagwitz integriert, außerdem musste auf Naturschutzbelange Rücksicht genommen werden. Von Anfang an wurden die Gruppen und Initiativen in die Planung und Gestaltung einbezogen, dazu dienten eine Reihe von Workshops und Beteiligungsverfahren. Bemerkenswert ist, dass der vorhandene Sukzessionswald im südlichen Teil der Fläche - rund 4,3 Hektar - in die Gesamtanlage einbezogen wurde und sich weiter selbst überlassen bleibt. Hier befinden sich auch für den Naturschutz wertvolle Standorte, etwa spezielle Arten für sehr trockene Verhältnisse. Erst nach langen und komplizierten Grundstücksverhandlungen konnte die Stadt die Fläche von der Deutschen Bahn kaufen. Sukzessive wurde die gesamte Fläche entwickelt, 2013 wurden am sogenannten „Nordkopf“ ein Boulderfelsen und eine Luftschaukel eingeweiht, im Jahr 2016 zogen ein Bauspielplatz und Pfadfinder ein, ein Jahr später wurden im Obsthain und im Obstgarten die ersten Bäume gepflanzt, die von Quartierbewohnern gepflegt werden. Auf etwa 1,5 Hektar ist ein urbaner Wald mit Eichen entstanden und im Jahr 2019 wurde ein Ballspielfeld eröffnet. An der Finanzierung der verschiedenen Gestaltungen und Projekte auf dem Bürgerbahnhof Plagwitz beteiligten sich auch die Stadt Leipzig, der Freistaat Sachsen und die Europäische Union. Im Unterschied zu den ersten beiden Beispielen wird der Bürgerbahnhof Plagwitz viel intensiver genutzt, zahlreiche Gruppen, Initiativen und Vereine sowie Bürger*innen aus dem umliegenden Quartier haben ihn sich „angeeignet“. Größeren Vandalismus gab es hier bisher nicht. Akzeptanz und Nutzung durch die Bevölkerung Eine im Jahr 2010 durchgeführte (stadt)soziologische Befragung zeigte, dass die Gestaltung von Brachflächen als urbaner Wald von der Bevölkerung grundlegend akzeptiert und positiv wahrgenommen wird. Urbane Wälder werten aus der Sicht der Bevölkerung Brachflächen auf, machen sie nutzbar und bereichern das Stadtbild. Wälder werden generell von der Stadtbevölkerung sehr geschätzt, urbane Wälder werden in den ersten Jahren nach der Anlage allerdings nicht unbedingt als Waldfläche wahrgenommen, mitunter sorgen sie aufgrund ihres Erscheinungsbildes für Irritationen. Insbesondere in den ersten Jahren der Bepflanzung wird die Fläche eher noch mit einer Brache oder „Wildnis“ assoziiert und erst zweitrangig mit einer nutzbaren Grünfläche bzw. einem Wald in Verbindung gebracht. Mit fortschreitendem Wachstum steigt zwar die Akzeptanz für die Fläche und ihre Bepflan- Bild 4: Schönauer-Holz. © Tobias Hametner 69 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau zung, aber ein Waldgefühl stellt sich erst im Laufe der Zeit ein. Das hängt auch mit den relativ kleinen Flächengrößen zusammen. Des Weiteren erschwert die eingeschränkte Nutzbarkeit der urbanen Wälder die Akzeptanz bei der Bevölkerung. Die Einzäunung der Aufforstungsflächen beschränkt die Zugänglichkeit und es fehlt die unmittelbare Erlebbarkeit. Die Anwohner*innen erwarten von einem urbanen Wald Ähnliches wie von klassischen Grünanlagen, am ehesten eine parkähnliche Gestaltung und Ausstattung. Die Teilnehmer*innen der Haushaltsbefragung von 2010 wünschten sich diesbezüglich etwa befestigte Wege, Mülleimer, Bänke bzw. Sitzgelegenheiten sowie Beleuchtung. Im Hinblick auf die Nutzung konnte bei Befragungen 2014 und 2017 festgestellt werden, dass die Flächen in erster Linie von Fußgänger*innen und Radfahrer*innen als Durchgangsmöglichkeiten genutzt werden. Ein Aufenthalt fällt dementsprechend kurz aus, er liegt in der Regel unter 15 Minuten. Weitere Nutzungen sind etwa Joggen oder den Hund ausführen, insbesondere von Familien und Kindern werden die urbanen Wälder intensiver bzw. länger genutzt. Die Nutzungen entsprechen damit den Möglichkeiten der Flächen, denn ein erhöhtes Besucheraufkommen oder aber typische Parkaktivitäten wie Picknicken, Grillen oder Ballspiele wären dem Setting urbaner Wälder weniger angemessen. Die Nutzergruppen sind insbesondere anliegende Bewohner*innen bzw. Menschen aus der näheren Umgebung. Intensivere Formen der Nutzung finden sich dort, wo es weitere Angebote gibt, wie etwa auf dem Bürgerbahnhof Plagwitz, wo es Urban Gardening, einen Bauspielplatz und sogar Gastronomie gibt. Fazit Das Konzept der urbanen Wälder stammt aus der Phase der Reurbanisierung und des Stadtumbaus in den 2000er Jahren. Zu dieser Zeit waren die Auswirkungen der Schrumpfung in Leipzig noch deutlich sichtbar und es wurde für eine Vielzahl innerstädtischer Brachen nach sinnvollen Zwischen- und Nachnutzungen gesucht. Damals war davon auszugehen, dass es in absehbarer Zeit keine Nachfrage oder bauliche Nutzung geben würde. Doch bereits zu Beginn des Projekts „urbane Wälder“ Anfang der 2010er Jahre trat die Stadt in eine Phase des dynamischen Wachstums ein, die bis heute anhält. Diese äußert sich in relativ hohen Wachstumsraten der Bevölkerung (zwei bis drei Prozent jährlich), in gewachsener Flächennachfrage und -inanspruchnahme sowie Nachverdichtung. Bereits vor einigen Jahren musste konstatiert werden, dass einige der Flächen, die in die engere Wahl für einen urbanen Wald gekommen waren, inzwischen bereits beplant und teilweise sogar schon bebaut sind. Damit gibt es - wie es aussieht - derzeit und in naher Zukunft kaum Möglichkeiten für die Realisierung weiterer urbaner Wälder in Leipzig. Urbane Wälder sind bislang ein Begrünungskonzept für schrumpfende bzw. geschrumpfte Städte, wie andere Beispiele aus Halle/ Saale, Eisenhüttenstadt oder Weißwasser zeigen. Sie können damit zunächst als ein Instrument bzw. neue Freiflächenkategorie des Stadtumbaus betrachtet werden. Leipzig verfolgt nunmehr das Konzept der „doppelten Innenentwicklung“, das die Etablierung und Qualifizierung von Grünflächen einschließt, da auch eine wachsende Stadt (zusätzlicher) Freiflächen bedarf. Daher gilt es, ökologische, klimatische sowie Erholungseffekte gegenüber Nutzungen für Wohnen und soziale Infrastrukturen abzuwägen. Urbaner Wald kann durchaus auch eine Option für wachsende Städte sein, im Hinblick auf eine nachhaltige Stadtentwicklung, vor allem die Anpassung an den Klimawandel. Die urbanen Wälder haben in Deutschland bislang ein positives Echo gefunden, zahlreiche Städte haben sich im Projektverlauf und auf der Abschlusskonferenz im Herbst 2018 über dieses neue Grünflächenkonzept informiert. Nun bleibt abzuwarten, ob die urbanen Wälder in anderen deutschen Städten Nachahmung finden, wie dies mit dem Projekt von Anfang an intendiert war. Prof. Dr. Dieter Rink Stellvertretender Departmentleiter Department Stadt- und Umweltsoziologie Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ Kontakt: dieter.rink@ufz.de AUTOR Bild 5: Stadtgärtnerei- Holz. © Tobias Hametner 70 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau Gewerbegebiete im Bestand stehen heute vor einer Vielzahl von Herausforderungen: Eine überlastete und überalterte Verkehrsinfrastruktur, fehlende oder schlechte Anbindungen, unzureichende Erschließung, problematische Stellplatzsituation, Leerstände, Mindernutzungen, Fehlnutzungen, Nachbarschaftskonflikte, Imageprobleme, Verdrängungs- und Abwanderungsprozesse [1]. Unter der Prämisse einer nachhaltigen, ressourcenschonenden Flächennutzung (Stichwort: 30 ha-Ziel [2]) ist die Stärkung und Weiterentwicklung bestehender Gewerbegebiete zu einem wichtigen stadtplanerischen Handlungsfeld geworden [1]. Zumal Entwicklungen in bestehenden Gewerbegebieten - positiv wie negativ - immer in einer direkten Interaktion mit benachbarten Quartieren und Siedlungen stehen. Grün statt Grau? Gewerbegebiete im Bestand Das Forschungsprojekt „Grün statt Grau - Gewerbegebiete im Wandel“ befasst sich seit 2016 mit der nachhaltigen Entwicklung bestehender Gewerbegebiete in seinen drei Modellkommunen Marl (Lenkerbeck), Remscheid (Großhülsberg) und Frankfurt (Seckbach/ Fechenheim-Nord) am Main [3]. Im Projekt stehen drei Handlungsfelder im Fokus: Netzwerkbildung - als Basis für eine von den Unternehmen getragene Weiterentwicklung der Gebiete und zur Stärkung der Gebietsidentität Stärkung der Biodiversität - als Baustein einer nachhaltigen Grün- und Freiflächenentwicklung in Gewerbegebieten Klimaschutz und Klimaanpassung - als Bausteine einer globalen wie lokalen Zukunftssicherung Dabei hat sich das Thema Klimaanpassung - also die Stärkung baulicher und freiräumlicher Strukturen Gewerbegebiete im Wandel Wie Gewerbegebiete in Marl, Remscheid und Frankfurt Biodiversität und Klimaschutz verbinden Anpassungsstrategien an den Klimawandel, Dach- und Fassadenbegrünung, Regenwasserbewirtschaftung Sandra Sieber Gewerbegebiete im Bestand haben aufgrund ihrer hohen Versiegelung, der oft überalterten Infrastruktur und ihrer Bedeutung als Arbeitsstätten eine hohe Verwundbarkeit gegenüber den Auswirkungen der städtischen Überwärmung und zunehmenden Extremwetterlagen. Im Projekt „Grün statt Grau - Gewerbegebiete im Wandel“ arbeiten Kommunen, Unternehmen und Hochschulen gemeinsam daran, Grün- und Freiflächen in Gewerbegebieten zukunftssicher zu machen. Bild 1: Klimawandel und Klimaanpassung im Gewerbe. © S. Sieber, GeWa 2019) 71 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau gegenüber möglichen negativen Veränderungen im Zuge des Klimawandels - als ein wichtiges Querschnittsthema im Projekt erwiesen. Einerseits mobilisiert es Unternehmen zur nachhaltigen Umgestaltung ihrer Gebäude oder Betriebsgelände, andererseits können Maßnahmen zur Klimaanpassung meist auch so realisiert werden, dass sich ein Zugewinn an Biodiversität und Aufenthaltsqualität damit verbindet. Bestehende Gewerbegebiete können durch ihre baulichen und infrastrukturellen Defizite (insbesondere, wenn bereits Trading-Down-Prozesse eingesetzt haben) gegenüber zunehmenden Wetterextremen besonders anfällig sein. Der hohe Versiegelungsgrad führt zu hohen Wärmelasten, die nächtliche Abkühlung ist erschwert. Starkregenereignisse können beispielsweise durch fehlende Versickerungsmöglichkeiten vor Ort schnell zu Schäden an Gebäuden, Betriebsmitteln oder Warenbeständen führen. Oft ist auch das Kanalnetz überlastet, schlimmstenfalls kann es zu einem Rückstau aus dem Kanalnetz in tiefergelegenen Siedlungsteilen kommen (Eindringen von Abwasser in Gebäude). Hallen in Leichtbauweise kühlen nachts zwar schnell wieder aus, können sich im Sommer tagsüber aber auch stark aufheizen. Erhöhter Kühlbedarf und gesundheitliche Probleme für Mitarbeitende können die Folge sein. Für die Modellkommunen im Projekt „Gewerbegebiete im Wandel“ gehen aktuelle Prognosen davon aus, dass sich zum Beispiel die Anzahl der Sommertage (≥ 25- °C) in Frankfurt von etwa 44 Tagen pro Jahr im Referenzzeitraum 1971 bis 2000, um zusätzliche 5 bis 31 Tage (je nach Modellrechnung) in den Jahren 2021 bis 2050 erhöhen kann [4]. Reale Rekorde lieferten die Sommer 2003 mit 96 Sommertagen bzw. 2018 mit 67 Sommertagen bereits bis Ende Juli [5]. Bei den heißen Tagen (≥ 30-°C) wird für Frankfurt eine Zunahme von 2 bis 15 Tagen angenommen (bislang 11) und bei den Tropennächten (≥-20-°C) eine Zunahme von 1 bis 11 Tagen (heute 0,6) [4]. Hier konnten die Sommer 2003 und 2018 mit 31 bzw. 40 heißen Tagen aufwarten, dazu kamen 2018 13 Tropennächte [6]. Zudem gab es 2018 im Rhein- Main-Gebiet eine anhaltende Hitzeperiode (mittleres Tagesmaxima mit 30 °C und mehr) von 18 heißen Tagen in Folge [6]. Die anhaltende Trockenheit 2018 führte dort auch zu einer kritischen Bodentrockenheit [7], sodass das Frankfurter Grünflächenamt zur Mithilfe bei der Bewässerung der Stadtbäume aufrief [8]. Auch die Schwüle-Belastung wird zunehmen, weshalb das Gebiet des Rheingrabens (inklusive Frankfurt) aufgrund seiner hohen Einwohnerzahl und der bereits jetzt schon hohen Temperaturen eine besondere Vulnerabilität gegenüber den Folgen des Klimawandels hat [9]. Die Anpassung an den Klimawandel wird daher alle Stadtteile betreffen, inklusive der Gewerbegebiete. Die Stadt Remscheid im Bergischen Land ist von starken Höhenunterschieden geprägt und hat einen Jahresniederschlag von 1418 mm (Messstation Eschbachtal). Die Anzahl der Starkniederschläge mit mehr als 10 mm Tagesniederschlagssumme liegt im Bergischen Land bei 40 bis 50 Tagen pro Jahr, die Anzahl der Starkniederschläge mit mehr als 30 mm Tagesniederschlagssumme bei 4 bis 5 Tagen. In beiden Kategorien wird eine leichte Zunahme erwartet [10]. Die Stadt Marl wird dagegen von einer möglichen Zunahme der heißen Tage in NRW betroffen sein [11]. All in one? Artenschutz, Klimaschutz und Aufenthaltsqualität Maßnahmen zur Klimaanpassung beziehen sich üblicherweise auf bauliche und technische Maßnahmen [12] oder auch auf Empfehlungen zum Bild 2: Ideen für das Gewerbegebiet Großhülsberg in Remscheid. © Lola Behrendt und Maren Bohn, Wintersemerster 2018/ 19 Bild 3: Ideen für die Begrünung eines Unternehmens im Gewerbegebiet Großhülsberg. © Lola Behrendt und Maren Bohn, Wintersemerster 2018/ 19 72 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau angepassten Verhalten (zum Beispiel ausreichend trinken, gelockerter Kleidungscodex, Anpassung der Arbeitszeiten bei Warnungen vor Hitzewellen [13]). Im Projekt „Gewerbegebiete im Wandel“ wurden dagegen die Potenziale der Gewerbeflächen selbst für die Integration von Maßnahmen zur Klimaanpassung betrachtet. Von den rund 15 im Projekt vorgeschlagenen bzw. angestoßenen Maßnahmen zur nachhaltigen Umgestaltung von Firmengeländen in Marl, Remscheid und Frankfurt leisten die meisten auch einen direkten Beitrag zur Klimaanpassung und zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität für die Mitarbeitenden in den Gebieten. In Marl wurden beispielsweise die Anlage von Rigolen, Dach- und Fassadenbegrünungen, die Einsaat von Wildblumen als Schotterasen, eine Hangbefestigung mit Natursteinen und heimischen Gehölzen, die Anlage eines naturnahen Kleingewässers oder auch die Pflanzung von Laubbäumen zur Begrünung von Parkplatzflächen empfohlen bzw. umgesetzt. Die Firma Baum Zerspanungstechnik wird neben den bereits umgesetzten Maßnahmen (Baumpflanzung, Zaunbegrünung, Pflanzung von insektenfreundlichen Stauden sowie ein Naschgarten mit mehreren Obstgehölzen) zukünftig auch ihre bereits vorhandene Retentionsmulde noch einmal umgestalten. Aus der artenarmen Rasenmulde wird dann ein Feuchtbiotop mit einer Größe von 170- m², bepflanzt unter anderem mit Blutweiderich, Sumpfbaldrian und Wiesenstorchschnabel. Für Melanie Baum, Geschäftsführerin der Firma, war vor allem die Beratung und Unterstützung im Rahmen des Projekts ein Ansporn. Die Wissensvermittlung im Bereich Entsiegelung und Mikroklima war für sie besonders motivierend. In Frankfurt hat sich ob der starken Verdichtung und Versiegelung die Fassadenbegrünung für mehrere Unternehmen als praktikabel erwiesen. Die Carl Friederichs GmbH wird wegen des hohen Bedarfs an befestigten Verkehrsflächen auf dem Betriebsgelände einen Teil der Fassade mit Parthenocissus quinquefolia (Wilder Wein) begrünen. Naturschutz und Gebäude-Konditionierung gehen bei dieser Maßnahme Hand in Hand. Zudem sollen in den nächsten Jahren mehrere versiegelte Flächen entsiegelt und mit heimischen Gehölzen und Stauden bepflanzt werden. Obstgehölze sollen zur optischen und funktionalen Verbesserung des Vorgartenbereichs Bild 4: Ideen für die Einbeziehung der Gewässer im Gewerbegebiet Großhülsberg in Remscheid. © Carina Bölk und Sabine Hesse, Wintersemerster 2018/ 19 Bild 5: Idee für die Gestaltung einer Eingangstafel im Gewerbegebiet Großhülsberg. © Ortin Roth, Jessica & Zacharias, Paloma, Wintersemerster 2018/ 19 73 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau beitragen. Die bestehende Rasenfläche wird in eine extensive Wiese umgewandelt, um Bienen und anderen Insekten einen neuen Lebensraum zu bieten. Passend dazu laufen gerade Gespräche mit einem Imker zur möglichen Aufstellung eines Bienenstocks auf dem Betriebsgelände. Unterstützung bot dem Unternehmen dabei das kommunale Programm „Frankfurt frischt auf“. Das Programm unterstützt die Neuanlage von Dach-, Fassaden- und Hofbegrünung, Maßnahmen zur Verschattung von Gebäuden sowie öffentlich zugängliche Trinkbrunnen auf privaten und gewerblichen Grundstücken als Beitrag zur Verbesserung des Stadtklimas mit 50 % der förderfähigen Kosten bzw. maximal 50 000 Euro pro um vier Stellplätze reduziert. Die Motivation für Kall bestand darin, im Rahmen der verfügbaren Flächen auch einen Beitrag gegen Klimawandel und gegen Insektensterben zu leisten. Auch die Begrünung von rund 1000 m² Dachfläche und mehrerer Fassaden ist perspektivisch geplant (vorbehaltlich einer Förderung). Hier steht für die Firma die Kühlleistung der Dach-und Fassadenbegrünung im Fokus. Aus Sicht der Stadt Remscheid waren Ergebnisse der Thermographie-Befliegung im Sommer 2018 ein großer Motivationsschub für die Unternehmen im Gebiet Großhülsberg. Einzelne Dachflächen kamen bei der Befliegung nachmittags auf bis zu 80 °C, versiegelte bzw. asphaltierte Flächen auf 40 bis 55 °C. Festgehalten in einem Bild vom eigenen Firmengelände wirken diese Zahlen noch einmal ganz anders als abstrakte Werte in einer Infografik. Neben der Beratung von Firmen und der Netzwerkunterstützung vor Ort seitens der Kommunen, veranstaltete das Projekt „Gewerbegebiete im Wan- Liegenschaft [14]. Eine weitere Vorzeigemaßnahme in Frankfurt Seckbach soll die nachhaltige Gestaltung der Außenanlagen von zwei Rechenzentren im Gebiet werden (Fertigstellung nach Ablauf des Projektes). In Remscheid wurden unter anderem eine versickerungsfähige Zufahrt, Dach- und Fassadenbegrünungen, Entsiegelungen, Hecken- und Baumpflanzungen sowie Wildblumeneinsaaten angeregt. Auch zwei Bienenstöcke stehen seit dem Herbst 2018 im Gebiet auf dem Gelände der Firma Somborn Gabelstapler + Ersatzeile. Die Firma Orthopädie Kall hat mit Unterstützung der Stadt Remscheid sechs Laubbäume gepflanzt und dafür die Parkplatzfläche del“ auch mehrere Workshops zum Thema Dach- und Fassadenbegrünung und zwei überregionale Transfertagungen („Nachhaltige Gewerbegebiete - wie Kommunen und Unternehmen zusammenarbeiten“, 19. 10. 2017, Recklinghausen, und „Nachhaltige Stadtentwicklung“, 03. 09. 2019, Essen), bei denen es um den Erfahrungsaustausch bei der Netzwerkbildung und den grünen Potenzialen von Gewerbegebieten ging. „Mach’s mal GRÜN! “ - Studentische Entwürfe Weniger um Beratung als um die Vermittlung von Bildern ging es bei den studentischen Entwürfen zur freiräumlichen Weiterentwicklung in Remscheid und zur Fassadenbegrünung in Marl. Unter dem Motto „Mach’s mal GRÜN! “ befassten sich Studierende der Fakultät für Architektur (RWTH Aachen) am Lehrstuhl für Landschaftsarchitektur mit den beiden Gebieten und ihren Unternehmen [15]. Bild 6: Idee für eine Fassadenbegrünung an der Pfotenakademie im Gewerbegebiet Lenkerbeck in Marl. © Philip Haltrich und Madita Fislake, Sommersemerster 2019, Originalbild: Gröning, Pfotenakademie Ruhrgebiet, 2019 74 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau Für das Gebiet in Remscheid sollten die Studierenden von Oktober 2018 bis Januar 2019 Ideen für die funktionale und gestalterische Weiterentwicklung der Grünstrukturen und einzelner Unternehmensflächen erarbeiten. Dabei erscheint das Gebiet Großhülsberg auf den ersten Blick bereits sehr grün. Dennoch sind viele Flächen versiegelt und die bestehenden Vegetationsflächen erfüllen keine Funktion, sie sind oft nicht einmal mehr repräsentativ, sie „fressen“ nur Zeit und Geld für die Pflege. Die studentischen Entwürfe machen damit Schluss! Wenn schon funktionales Gewerbegebiet, dann auch richtig, mit Vegetationsstrukturen, die etwas leisten, die quasi „richtig mit anpacken“! Für die Studierenden - angehende Architekt*innen - sollten die Entwürfe eine Möglichkeit sein, sich einmal nicht mit den baulichen Optionen zur Energieeinsparung als Beitrag zum Klimaschutz auseinanderzusetzen, sondern eben bewusst mit dem Zusammenspiel von Gebiet, Parzelle, Gebäude und Klima: Welche Leistungsfaktoren stellen vegetative Strukturen bereit und wie können diese in einem Gesamtkonzept aktiviert werden? Dabei hat sich gezeigt, dass für die teilnehmenden Studierenden die Stärkung der Biodiversität, die Anpassung an den Klimawandel und Maßnahmen zur Reduktion des Klimawandels - zumindest als ideelle Ziele - einen sehr hohen Stellenwert haben. Vorbei die Zeiten, als Begrünungen noch mit dem Terminus „Schamgrün“ zur Kaschierung vermeintlich mangelhafter Entwürfe diffamiert wurden („Gute Architektur braucht keine Begrünung“). Das Gewerbegebiet Lenkerbeck in Marl hat ähnlich wie das Gebiet in Remscheid eigentlich eine relativ gute Ausgangslage. Aber genügt das? Nein, denn auch Lenkerbeck will mehr Nachhaltigkeit und ein zukunftsfähiges, starkes, grünes Image als Impulsgeber für eine weitere Entwicklung. Daher wurde im Frühjahr 2019 ein sogenannter „Stegreif“ (ein Schnell-Entwurf) für das Gebiet herausgegeben, wieder am Lehrstuhl für Landschaftsarchitektur der RWTH Aachen. Ziel des Stegreifs war es, eine Strategie zur Etablierung von Fassadenbegrünungen im Gewerbegebiet Marl Lenkerbeck zu entwickeln und Vorschläge für die Fassadenbegrünung eines ausgewählten Firmengebäudes im Gebiet zu erarbeiten. Beim Stegreif sollten die Studierenden anhand der Ausgangslage im Gebiet (Stärken- und Schwächen- Analyse) eine geeignete Lösungsstrategie (Konzeption Gebäudebegrünung) erarbeiten und dabei die eingesetzten Leistungsfaktoren der Gebäudebegrünung herausarbeiten (Begründung des Entwurfs/ Konzepts). Auch Aussagen zur Übertragbarkeit auf andere Gebäude im Gewerbegebiet Marl Lenkerbeck sollten getroffen werden (Verstetigung). Wie in Remscheid, bestand auch in Marl ein großes Interesse der Unternehmen und der neu hinzugekommenen Projektstädte im Forschungsprojekt „Gewerbegebiete im Wandel“ an den studentischen Entwürfen. Dabei wurden die Arbeiten weniger als Bild 8: „Grüner Streifen“ , Idee für eine Dach- und Fassadenbegrünung im Gewerbegebiet Lenkerbeck in Marl. © Mascha Creutz, Trang Nguyen, Elena Zaitchenko, Sommersemerster 2019 Bild 7: Idee für eine Kombination aus Fassadenbegrünung und Retentionsmulde im Gewerbegebiet Lenkerbeck in Marl. © Malte Palmen und Tobias Wilkes, Sommersemerster 2019 75 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau konkrete Planungen, sondern als Ideensammlung und vor allem als bildliche Umsetzung von Ideen begriffen. Hier wird der noch immer große Bedarf an guten Bildern und gelungenen „Best Practice-Beispielen“ sichtbar, gerade wenn es um die gestalterische und funktionale Verbindung von Biodiversität, Klimaanpassung und Aufenthaltsqualität geht. Eine Verbindung, die dort wo (Stadt-)Fläche zur begrenzten und teuren Ressource geworden ist, eigentlich selbstverständlich sein sollte. Die im Herbst 2019 erscheinende Broschüre „Gewerbegebiete im Klimawandel. Leitfaden für Kommunen zur Klimavorsorge/ Klimaanpassung“ möchte einige realisierte „Best Practice-Beispiele“ aus dem Projekt „Gewerbegebiete im Wandel“ vorstellen. Neben den umgesetzten Begrünungsmaßnahmen und deren Beitrag zur Klimaanpassung werden auch die Motivationen der Unternehmen vorgestellt. Wie bei den Architekturstudierenden überraschen die Motive und das Engagement der Unternehmen auf den ersten Blick. Vielleicht kommt hier aber auch nur zusammen, was schon länger zusammengehört: Die Verantwortung für ein zukunftsfähiges, „enkelfähiges“ Unternehmen und das tägliche Agieren mit begrenzten Ressourcen bzw. steigenden Ausgaben wie eben Niederschlags- und Abwassergebühren oder die Kosten der Gebäudekühlung. Dazu kommt das neue Image: Es ist heute auch für Unternehmen salonfähig, wenn nicht gar obligatorisch, sich für Nachhaltigkeit, Klima- und Artenschutz einzusetzen. Das Projekt „Gewerbegebiete im Wandel“, mit seiner Kombination aus Netzwerkarbeit, Beratung, Unterstützung und Förderung hat gezeigt, wie dieses „grüne“ Image sich auch in einer gelungenen Realisation auf dem Firmengelände oder als Zielstellung für ein ganzes Gebiet manifestieren kann. Denn „Grün“ ist nicht gleich „Grün“. QUELLEN [1] Vgl.: ExWoSt, Forschungsfelder, Nachhaltige Weiterentwicklung von Gewerbegebieten, Ausgangslage, https: / / w w w.bbsr.bund.de/ BBSR / DE / FP/ E xWoSt/ Forschungsfelder/ 2014/ Gewerbegebiete/ 01_ Start. html? nn=1134604 (Stand 25.06.2019). [2] Vgl.: BBSR, Das 30-Hektar-Ziel der Nachhaltigkeitsstrategie, https: / / www.bbsr.bund.de/ BBSR/ DE / Raument wicklung / F laechenpolitik / Projek te/ 30HektarZiel/ 30_ha_ziel.html? nn=413036 (Stand 25.06.2019) oder auch: BETONFLUT EINDÄMMEN, Damit Bayern Heimat bleibt, Das Volksbegehren gegen den Flächenfrass, http: / / betonflut-eindaemmen. de/ index.html (Stand 25.06.2019). [3] Gewerbegebiete im Wandel, http: / / gewerbegebieteim-wandel.de/ (Stand 25.06.2019). [4] Früh, B., Koßmann, M., Roos, M. (Hrsg.: Deutscher Wetterdienst): Frankfurt am Main im Klimawandel - Eine Untersuchung zur städtischen Wärmebelastung, Berichte des Deutschen Wetterdienstes 237, Offenbach am Main, 2011, S. 59. [5] Deutscher Wetterdienst (Hrsg.): Vorläufiger Rückblick auf den Sommer 2018 - eine Bilanz extremer Wetterereignisse, Stand: 03.08.2018, S. 2. [6] Deutscher Wetterdienst (Hrsg.): 2018 wärmster Sommer im Norden und Osten Deutschlands, 2018, S. 2 [7] Ebd., S. 4 f. [8] Stadt Frankfurt: Rettet Frankfurts Bäume! Grünflächenamt bittet um Mithilfe beim Bewässern/ Besser einmal richtig viel als täglich eine Kanne, Pressemeldung vom 24.07.2018, https: / / www.frankfurt. de / sixcms / det ail.php? id= 8653& _ f fmpar[ _ id _ in halt]=34171281 (Stand 18.06.2019). [9] Umwelt Bundesamt (Hrsg.): Klimawandel in Deutschland Vulnerabilität und Anpassungsstrategien klimasensitiver Systeme, Forschungsbericht 20141253, UBA-FB 000844, Dessau, 2015, S. 166 bis S. 168. [10] Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Klimawandel und Klimafolgen in Nordrhein-Westfalen - Ergebnisse aus den Monitoringprogrammen 2016LANUV- Fachbericht 74, Recklinghausen 2016, S. 32 ff. [11] bd., S. 20. [12] Vgl. Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) (Hrsg.): Leitfaden Starkregen - Objektschutz und bauliche Vorsorge, Bonn, 2018 sowie Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) (Hrsg.): Starkregeneinflüsse auf die bauliche Infrastruktur, Bonn, 2018. [13] Vgl. Umweltbundesamt (Hrsg.): Klimawandel und Gesundheit - Informationen zu gesundheitlichen Auswirkungen sommerlicher Hitze und Hitzewellen und Tipps zum vorbeugenden Gesundheitsschutz, Dessau-Roßlau, 2008 oder auch Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Referat IG II 7 (Gesundheit und Klimawandel) (Hrsg.): Handlungsempfehlungen für die Erstellung von Hitzeaktionsplänen zum Schutz der menschlichen Gesundheit, Bonn, 2017. [14] Stadt Frankfurt: Frankfurt frischt auf - 50 % Klimabonus - Mehr Grün für besseres Stadtklima, Internetseite zum Projekt, https: / / frankfurt.de/ sixcms/ detail. php? id=2851&_ffmpar%5b_id_inhalt%5d=33495777 (Stand 24.06.2019). [15] Lehrstuhl für Landschaftsarchitektur, Prof. Dr.-Ing. Frank Lohrberg, www.la.rwth-aachen.de. Dipl.-Ing. (FH) Sandra Sieber Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachgebiet Entwerfen+Freiraumplanung an der TU Darmstadt Kontakt: sieber@freiraum.tu-darmstadt.de AUTORIN 76 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau Was ist städtische Akupunktur und was hat sie mit der Transformation von Städten zu tun? Akupunktur ist die traditionelle Praxis der chinesischen Medizin, feine Nadeln an bestimmten Stellen durch die Haut zu führen, um Krankheiten zu heilen, Schmerzen zu lindern oder die Heilung zu fördern [3]. Das Konzept der städtischen oder urbanen Akupunktur knüpft daran an. Mit dem Ziel, die Funktion der Städte zu verbessern, wurde es schon in verschiedenen Teilen der Welt angewendet, hauptsächlich in Südamerika, Australien und einigen nordamerikanischen Städten. Jamie Lerner, Architekt und ehemaliger Bürgermeister von Curitiba, Brasilien, definiert städtische Akupunktur als eine Art Medizin, die auf Städte angewendet werden kann. Er schlägt, ähnlich wie in der traditionellen Medizin, vor, dass eine erfolgreiche Stadtplanung durch kleine Eingriffe, vergleichbar mit Nadelstichen, ausgelöst werden kann, was zu einer gesünderen Umwelt in den Städten führen soll [4]. Daran anknüpfend betrachtet der finnische Architekt Marco Casagrande die Stadt als einen multidimensionalen Organismus oder eine Lebensumwelt, in der bestimmte sensible Ströme innerhalb der gebauten menschlichen Umgebung existieren. Man müsse mit der Lebensumwelt der Stadt in Kontakt sein, um Akupunkturpunkte und die richtigen „Nadeln“ zu identifizieren um damit eine gewünschte Reaktion auszulösen [5]. Die Verfechter dieses Ansatzes versuchen, die „Akupunkturpunkte“ (also bestimmte sensible Orte) zu identifizieren, die Bedeutung für den Stadt-Organismus haben, um dort die „Nadeln“ Urbane Akupunktur Ein Ansatz zur städtischen Grünentwicklung? Grüne Infrastruktur, Ökosystemleistungen, Bürgerbeteiligung, Stadtnatur, Lebensqualität, Planung Jessica Hemingway, Juliane Mathey, Peter Wirth Hinter dem Konzept der städtischen Akupunktur steckt die Idee, mit kleinen gezielten Eingriffen in die Struktur von Städten große Auswirkungen auf deren Entwicklung auszulösen. Lässt sich dieser Ansatz auch auf das Stadtgrün übertragen? Grünflächen in Städten gewinnen zweifellos an Bedeutung. Egal ob es darum geht, den Zugang zu Parks und Spielplätzen zu verbessern oder die Auswirkungen des Klimawandels zu mindern [1, 2], stets werden damit Forderungen verbunden, den Anteil und die Qualität des Grünsystems in den Städten zu erhöhen. Der Wohnungsbedarf der Bevölkerung und das Wirtschaftswachstum machen die Neuausweisung großer Grünflächen aber fast unmöglich. Dagegen sind kleinere Flächen wie Innenhöfe, verlassene Parzellen, Fassaden, Dächer und Straßenränder oft untergenutzt und noch verfügbar. Aber haben sie auch das Potenzial, unsere Städte ökologisch aufzuwerten? Bild 1 (links): Fläche nach Abriss eines Hochhauses im Jahr 2006. © R. Bendner Bild 2 (rechts): Dieselbe Fläche nach Umgestaltung zu einer Rasenfläche mit Wildblumenstreifen im Jahr 2013. © S. Eger 77 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau (spezifische Maßnahmen) anzusetzen, die zur Lösung der jeweiligen Probleme erforderlich sind. In Brisbane (Australien) zum Beispiel haben Planer ungenutzte Räume gesucht, um die soziale Interaktion der Bewohner mit künstlerischen, musikalischen und sportlichen Aktivitäten zu reaktivieren. Dies geschah im Rahmen eines großen Festivals und führte zu langfristigen sozialen Interaktionen, die auch nach Ende des Festivals fortgeführt wurden [6]. In Melbourne (Australien) wurde eine Öko-Akupunktur umgesetzt, um nachhaltigere städtische Wegeverbindungen aufzuwerten. Zu den umgesetzten Maßnahmen zählten die Regenwasserableitung, die Schaffung von Feuchtgebieten und die Anlage von Gemeinschaftsgärten [7]. In allen Fällen wurden die Bewohner der Stadtteile intensiv einbezogen. Bei deren Aktivierung spielten die sozialen Medien eine große Rolle. Wie können solche Erfahrungen mit urbaner Akupunktur bei der Entwicklung von städtischem Grün in Deutschland genutzt werden? Das vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) herausgegebene „Weißbuch Stadtgrün“ zielt darauf ab, politische Impulse zur Unterstützung und Sicherung der sogenannten städtischen grünen Infrastruktur in deutschen Städten zu geben [8]. Darunter wird ein Netzwerk von naturnahen Gebieten und Elementen in Städten verstanden, die so geplant und gepflegt werden, dass sie zusammen eine hohe Qualität der Nutzbarkeit, der biologischen Vielfalt, der Ästhetik und eines breiten Spektrums an ökologischen Leistungen bieten [9]. Jegliche Art von Grünflächen und Gewässern kann Teil dieser städtischen grünen Infrastruktur sein oder werden, unabhängig von Eigentumsform und Entstehung. Versiegelte und bebaute Flächen (graue Infrastruktur) können in grüne Infrastruktur umgewandelt werden. Städtische grüne Infrastruktur kann auf verschiedenen Ebenen geplant und entwickelt werden, von der ganzen Stadt, über einzelne Bezirke bis in die Wohnquartiere hinein. Es wird erwartet, dass die grüne Infrastruktur zu einer besseren Lebensqualität, einer höheren Attraktivität der Städte und einer besseren Bereitstellung von Dienstleistungen beiträgt, die die Bewohner für ihr tägliches Leben benötigen (zum Beispiel Wasser, Energie, Mobilität). Die Gesundheit, das persönliche Wohlbefinden, die Anpassung an den Klimawandel und die biologische Vielfalt sollen gefördert werden. Eine Umsetzung dieser Ziele soll im Rahmen des „Masterplans Stadtnatur“ erfolgen. Dabei geht es auch um die Erprobung neuer Ansätze und um die Entwicklung von Instrumenten für lokale Akteure-[10]. Projekte, die als urbane Akupunktur gesehen werden können, wurden auch in der Vergangenheit schon umgesetzt. Ein Beispiel dafür sind die Neugestaltungsmaßnahmen in Dresden-Prohlis. Hier wurde unter anderem auf der Fläche eines im Zuge des Stadtumbaus Ost abgerissenen Hochhauses (Bild-1) eine Rasenfläche mit einem Wildblumenstreifen angelegt (Bild- 2). Diese kleine Grünfläche trägt zur wohnungsnahen Erholung, zur Klimaanpassung und zur Erhöhung der Biodiversität bei und ist über vorhandene Grünflächen in das städtische Grünsystem eingebunden [11]. Kann das Konzept der urbanen Akupunktur auch in Deutschland genutzt werden, um die Qualität des Stadtgrüns zu verbessern? Wie kann dies erfolgen? Und welche ökologischen Leistungen können damit verbessert werden? SALUTE4CE - ein EU-Projekt zur Verbindung von städtischer Akupunktur und Stadtgrün Das Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR) in Dresden arbeitet seit Kurzem mit dem Institut für die Ökologie von Industriegebieten in Katowice (Polen), weiteren Forschungseinrichtungen sowie den Städten Erfurt (Deutschland), Chorzow (Polen), Alessandria (Italien) und Liptovsky Mikulas (Slowakei) am EU-Projekt „SALUTE4CE“ (2019-2022). Im Rahmen des Projekts, das von der Europäischen Union im Rahmen des Programms Interreg CEN- TRAL EUROPE gefördert wird, geht es um die Verbesserung des Managements kleiner Grünflächen mit Hilfe des Konzepts der urbanen Akupunktur. Zu diesem Zweck wurden in den vier beteiligten Städten jeweils vier kleine Grünflächen ausgewählt. Bedingung war, dass diese Flächen nicht größer als 0,2 Hektar sind. Das entspricht etwa dem Viertel eines Fußballfeldes (Bild- 3). Mit kleinen gezielten Maßnahmen in diesen insgesamt 16 „Akupunkturpunkten“ sollen die biologische Vielfalt erhöht, die Anpassung an den Klimawandel verbessert und die Lebensqualität der Bewohner gefördert werden. Bild 3: Größenvergleich 0,2 Hektar in Relation zu einem Fußballplatz. © J. Hemingway 78 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau Im Einzelnen handelt es sich um derzeit schlecht oder gar nicht genutzte Flächen wie Hinterhöfe, Wegeverbindungen, Brachflächen, Fassaden und Straßensäume. Im konkreten Beispiel der Stadt Erfurt wurden ein Mini-Park, das Freigelände einer Kindertagesstätte, eine Hausfassade sowie der Innenhof eines Plattenbauquartiers ausgewählt. Ideen für die Gestaltung sollen gemeinsam mit den potenziellen Nutzern (Anwohner, Kinder) im Rahmen von öffentlichen Workshops erarbeitet werden. Die Umsetzung soll bis zum Projektende 2022 erfolgen. Weitere geplante Ergebnisse des Projekts werden ein Handbuch und ein Leitfaden zur Erstellung von kommunalen Akupunktur-Konzepten für Praktiker sein. Letzterer wird eine allgemeine Methodik und Kriterien für die Auswahl von geeigneten Flächen und die Umsetzung von Projekten enthalten. Die in den Pilotstudien gewonnenen praktischen Erkenntnisse sollen dazu beitragen, das Wissen über die Aktionsplanung auf lokaler Ebene anhand kleiner Grünflächen zu erweitern, inklusive einer Schrittfolge zur Umwelt-Akupunktur in städtischen Gebieten. Durch die Zusammenarbeit mit Partnern in anderen Ländern können internationale Erfahrungen in den Leitfaden aufgenommen werden. Urbane Akupunktur und potenzielle Beiträge zur städtischen Grünentwicklung Alles in allem scheint die urbane Umweltakupunktur ein großes Potenzial zur Verbesserung der Grünstruktur in unseren Städten zu haben. Aber es gibt bisher nur weniger Belege dafür, wie das Konzept funktioniert, welche Wirkungen erzielt werden können und wie es in traditionelle Systeme der Stadtplanung einbezogen werden kann. Das Projekt SALUTE4CE soll zu dieser Diskussion beitragen, indem es Erfahrungen auswertet, die bei der Umgestaltung ganz konkreter kleiner Grünflächen gemeinsam mit Interessengruppen und Bewohnern gewonnen werden. LITERATUR [1] Endlicher, W., Scherer, D., Büttner, B., Kuttler, W., Mathey, J., Schneider, C.: Stadtnatur fördert gutes Stadtklima. In: Kowarik, I., Bartz, R., Brenck, M. (Hrsg.): Naturkapital Deutschland - TEEB DE. Ökosystemleistungen in der Stadt - Gesundheit in der Stadt - Gesundheit schützen und Lebensqualität erhöhen. Berlin, Leipzig: Technische Universität Berlin, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ, 2016,51-63; https: / / w w w.uf z .de / e xpor t / dat a / g lob al/ 19 0 5 0 8 _T E EB _ DE_Stadtbericht_Langfassung.pdf [letzter Zugriff: 22.07.2019]. [2] Mathey, J., Rößler, S., Lehmann, I., Bräuer, A., Wende, W.: Biodiversität, Klimawandel und Stadtentwicklung - Anforderungen an städtische Grün- und Freiräume. Denkströme Heft 18, (2017), S. 28-43; http: / / w w w.denk stroeme.de/ hef t-18/ s _ 28 - 43 _ matheyroessler-lehmann-braeuer-wende [letzter Zugriff: 22.07.2019]. [3] Merriam Webster Dictionary: https: / / www.merriamwebster.com/ dictionary/ acupuncture. July 1, 2019. [4] Lerner, J.: Urban Acupuncture. Celebrating pinpricks of Change that Enrich City Life. 2016, Washington, Covelo, New York. [5] Casagrande, M.: http: / / casagrandetext.blogspot. com/ 2010/ 04/ laurits-elkjr-marco-casagrande-urban. html, 2010. [6] Houghton, K., Foth, M., Miller, E.: Urban acupuncture: Hybrid social and technological practices for hyperlocal placemaking. 2015, Journal of Urban Technology, 22 (3), S. 3-19. [7] Ryan, C.: Eco-Acupuncture: designing and facilitating pathways for urban transformation, for a resilient low-carbon future. 2012, Journal of Cleaner Production, (50) S. 189-199. [8] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB): Weißbuch Stadtgrün. Grün in der Stadt - Für eine lebenswerte Zukunft, Berlin 2017. [9] Bundesamt für Naturschutz (BfN): Urbane Grüne Infrastruktur: Grundlage für attraktive und zukunftsfähige Städte. Hinweise für die kommunale Praxis, Bonn, 2017. [10] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU): Masterplan Stadtnatur - Maßnahmenprogramm der Bundesregierung für eine lebendige Stadt, Berlin 2019. [11] IÖR: Kleinbiotope - Wissenschaftliche Begleitstudie zum Projekt „Kleinbiotope - Lebensräume für wild lebende Tiere und Pflanzen im Gebiet Soziale Stadt Dresden-Prohlis/ Wohngebiet am Koitschgraben“. Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung, Dresden, 2015. https: / / www.ioer.de/ projekte/ aktuelle-projekte/ kleinbiotope/ [letzter Zugriff: 17.07.2019]. Dr.-Ing. Jessica Hemingway Wissenschaftliche Mitarbeiterin Leibniz Institut für ökologische Raumentwicklung Kontakt: j.hemingway@ioer.de Dr. rer. nat. Juliane Mathey Wissenschaftliche Mitarbeiterin Leibniz Institut für ökologische Raumentwicklung Kontakt: j.mathey@ioer.de Dr. rer. nat. Peter Wirth Projektleiter Leibniz Institut für ökologische Raumentwicklung Kontakt: P.Wirth@ioer.de AUTOR*INNEN All you can read Alles zusammen zum Superpreis: Die Papierausgabe in hochwertigem Druck, das ePaper zum Blättern am Bildschirm und auf dem Smartphone, dazu alle bisher erschienenen Ausgaben im elektronischen Archiv - so haben Sie Ihre Fachzeitschrift für den urbanen Wandel immer und überall griffbereit. AboPlus: Print + ePaper + Archiv www.transforming-cities.de/ magazin-abonnieren Trialog Publishers Verlagsgesellschaft | Baiersbronn | service@trialog.de 80 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRODUKTE + LÖSUNGEN Stadtraum Impressum Transforming Cities erscheint im 4. Jahrgang Herausgeber Eberhard Buhl, M.A. Verlag Trialog Publishers Verlagsgesellschaft Eberhard Buhl | Christine Ziegler Schliffkopfstr. 22, D-72270 Baiersbronn-Buhlbach Tel. +49 7449 91386.36 · Fax +49 7449 91386.37 office@trialog.de · www.trialog.de Redaktionsleitung Dipl.-Ing. arch. Christine Ziegler VDI (verantwortlich) Tel: +49 7449 91386.43 Fax: +49 7449 91386.37 christine.ziegler@transforming-cities.de Anzeigen Tel. +49 7449 91386.46 Fax +49 7449 91386.37 anzeigen@trialog.de Gültige Anzeigenpreisliste Nr. 4 vom 01.01.2019 Vertrieb und Abonnentenservice Tel. +49 7449 91386.39 Fax +49 7449 91386.37 vertrieb@trialog.de Erscheinungsweise Viermal im Jahr Bezugsbedingungen Die Bestellung des Abonnements gilt zunächst für die Dauer des vereinbarten Zeitraumes (Vertragsdauer). Eine Kündigung des Abonnementvertrages ist zum Ende des Berechnungszeitraumes schriftlich möglich. Erfolgt die Kündigung nicht rechtzeitig, verlängert sich der Vertrag und kann dann zum Ende des neuen Berechnungszeitraumes schriftlich gekündigt werden. Bei Nichtlieferung ohne Verschulden des Verlages, bei Arbeitskampf oder in Fällen höherer Gewalt besteht kein Entschädigungsanspruch. Zustellmängel sind dem Verlag unverzüglich zu melden. Es ist untersagt, die Inhalte digital zu vervielfältigen oder an Dritte weiterzugeben, sofern nicht ausdrücklich vereinbart. Bezugsgebühren JahresAbo Print: gedruckte Ausgabe zum Jahresbezugspreis von EUR 120,- (Inland inkl. MwSt., Ausland exkl. MwSt.), zzgl. Versandkosten (Inland EUR 11,90, Ausland EUR 25,-) JahresAbo ePaper: elektronische Web-Ausgabe zum Jahresbezugspreis von EUR 120,- (Inland inkl. MwSt., Ausland exkl. MwSt.), ohne Versandkosten JahresAbo Plus (Print + ePaper): als gedruckte Ausgabe + elektronische Web-Ausgabe + Archiv zum Jahresbezugspreis von EUR 160,- (Inland inkl. MwSt., Ausland exkl. MwSt.), zzgl. Versandkosten (Inland EUR 11,90 , Ausland EUR 25,-) StudiAbo ePaper: elektronische Web-Ausgabe. Reduzierter Jahresbezugspreis von EUR 80,- (Inland inkl. MwSt., Ausland exkl. MwSt.). Eine aktuelle Studienbescheinigung ist Voraussetzung. Einzelheft Print: gedruckte Ausgabe zum Einzelbezugspreis von EUR 35,- (Inland inkl. MwSt., Ausland exkl. MwSt.), zzgl. Versandkosten (Inland EUR 3,-, Ausland EUR 6,50) Einzelausgabe ePaper: elektronische Web- Ausgabe zum Einzelbezugspreis von EUR 35,- (Inland inkl. MwSt., Ausland exkl. MwSt.), ohne Versandkosten Campus- und Firmenlizenzen auf Anfrage Organ | Medienpartnerschaft VDI Verein Deutscher Ingenieure e.V. - Fachbereich Verkehr und Umfeld Druck BWH GmbH, Hannover Herstellung Trialog, Baiersbronn-Buhlbach, www.trialog.de Titelbild © Photo by 小谢 on Unsplash Copyright Vervielfältigungen durch Druck und Schrift sowie auf elektronischem Wege, auch auszugsweise, sind verboten und bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung des Verlages. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Abbildungen übernimmt der Verlag keine Haftung. Eine Publikation der Trialog Publishers Verlagsgesellschaft, Baiersbronn-Buhlbach ISSN 2366-7281 (print) www.trialog.de/ agb Wegen zunehmender Urbanisierung in Deutschland ist die Begrünung von Dächern seit geraumer Zeit kein temporärer Trend mehr. Mit gutem Beispiel vorangeht der Berliner Senat voran und will deshalb Dachbegrünungen aus einem dafür vorgesehenen Fördertopf mit einem Gesamtvolumen von 1,5- Mio.- EUR subventionieren. Momentan berät der Senat über die Implementierung entsprechender Förderrichtlinien. Das „1000 grüne Dächer“-Programm der Berliner ist die richtige Antwort auf die gegenwärtigen, klimatischen Entwicklungen und Zukunftsfragen. Doch wie schaut es bundesweit aus? Laut einer Publikation der Europäischen Föderation der Green Roof Associations aus dem Jahr 2015 gab es 2014 in Deutschland 86 Mio. m² begrünte Dachflächen. Dieselbe Quelle gibt an, dass der Markt für Dachbegrünungen sukzessive wächst. „6 fürs Grün“ für eine klimafreundliche Zukunft Die 6 fürs Grün GmbH hat sich zur Maxime gemacht, weitsichtig mittels neuester Technologien für das Ziel einer klimafreundlicheren Zukunft zu arbeiten. Deshalb bietet das Unternehmen innovative Produkte für die Dachbegrünung an, wie die Wasserspeicher- und Drainageplatte „WE- 60, die Vielseitige“ für alle Arten der Bepflanzung. Mit Biofiltration vermindert sie die Schadstoffbelastung des Abwassers, ebenso wie den CO 2 -, Feinstaub- und Schwermetallanteil in der Luft. Die Vorteile liegen auf der Hand: eine starke Entlastung der Kläranlagen sowie eine bessere Wasser- und Luftqualität. Das Drainage- und Wasserspeicherelement WE 60 besteht aus hochschlagfestem Recycling- Polystyrol und gewährleistet die Drainage gemäß DIN 4095. Es hat ein Füllvolumen von 35 l/ m² und eine Wasserspeicherkapazität von 30,5 l/ m². Des Weiteren ist WE 60 chemisch neutral, beständig gegen Pilz- und Bakterienbefall und verrottungsfest. Die großen Diffusionsöffnungen in den abgesenkten Stegen der Platte sorgen für eine langfristige, ungehinderte Durchlüftung und verbessern das mikrobiologische Klima für alle Arten der Bepflanzung. Das System ist optimal für die Intensivbegrünung auf Dächern mit einer Neigung größer / gleich 0 Grad. Es unterstützt eine umweltgerechte und ressourcenschonende Begrünung. Weitere Informationen: www.6-f-g.de Ressourcenschonende Begrünung Urbane Netze Am 4. Dezember 2019 erscheint die nächste Ausgabe von Transforming Cities mit dem Themenschwerpunkt Digitale Transformation IT-Sicherheit Funknetze Kritische Infrastrukturen Wasserwirtschaft 4.0 Intelligente Stromnetze E-Government Künstliche Intelligenz
