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URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Klimaresilienz | Klimakrise | Wetterextreme | Starkregen | Schutz | Klimaresilienz | Klimakrise | Wetterextreme | Starkregen | Schutz | Strukturwandel | Soziale Innovationen Strukturwandel | Soziale Innovationen 3 · 2024 Prinzip Prinzip Schwammstadt Schwammstadt expert verlag - Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG deagreez - stock.adobe.com Sie haben bislang durch Ihre Beiträge zum Gelingen unserer Zeitschrift „Transforming Cities“ beigetragen. Seit Januar 2024 erscheint diese Zeitschrift im expert verlag, der seit über 40 Jahren Fachliteratur mit engem Praxisbezug veröffentlicht. Ob Lehrbuch, Fachbuch oder Qualifikationsschrift: wir bieten Ihnen die Möglichkeit, Ihr Buch mit großer Reichweite zu veröffentlichen. Um Ihr Buch optimal zu vertreiben und die Wahrnehmung in der Fachleserschaft zu befördern, veröffentlichen wir Ihr Werk sowohl als gedrucktes Buch wie auch als eBook in den Formaten ePDF, ePub und HTML. Mit unseren plattformübergreifenden Produktionsrichtlinien stellen wir moderne Ausgabeformate für unsere Publikationen sicher. Unsere eLibrary gewährleistet Bibliotheken, Studierenden und Privatpersonen benutzerfreundlichen Zugriff auf erworbene eBooks sowie unsere OpenAccess-Publikationen. Unsere Bücher finden sich in allen wichtigen Hochschulen im D-A-CH-Raum und darüber hinaus. Unser Lektorat unterstützt Sie bei der Umsetzung Ihres Buchvorhabens in allen Phasen von der Planung bis zum Druck. Suchen Sie einen Verlag für Ihr Fachbuch? Sprechen Sie gerne mit uns über Ihr Buchvorhaben: Ulrich Sandten-Ma Fon: +49 (0)7071 97 556 56 | eMail: sandten@verlag.expert U. Sandten-Ma © Lukas Wehner P. Sorg © Lukas Wehner Liebe Leser: innen, bei der Konzeption der Heftthemen macht sich die Redaktion selbstverständlich Gedanken darüber, welche Themen besonders aktuell sind und die Leser: innen direkt in ihrer Arbeits- und Lebenswirklichkeit betreffen. Dennoch sind wir bei diesem Heft besonders erstaunt, wie aktuell das Thema dieser Ausgabe diesen Sommer erscheint. Von Extremwetterlagen und insbesondere von Starkregen waren in den letzten Wochen und Monaten nahezu alle Regionen im D- A-CH-Raum betroffen. Jenseits von Luxusproblemen, wie die gefühlte Unmöglichkeit Outdoor-Aktivitäten sinnvoll mit den Wettervorhersagen zu planen, sind nicht wenige materiell, finanziell und in besonders schlimmen Fällen sogar existenziell betroffen. Überschwemmte Felder, vollgelaufene Keller, Bahnverspätungen und unbefahrbare Straßen sind nur die offensichtlichsten Beispiele. Dass wir im D-A-CH-Raum auch in diesen Situationen noch privilegiert sind, verdeutlichte uns eine Tagung in Bonn, die kürzlich vom Bischöflichen Hilfswerk Misereor und dem German Institute of Development and Sustainability (IDOS) organisiert wurde. Der globale Süden leidet aus geografischen, politischen und wirtschaftlichen Gründen extrem unter den Entwicklungen der Klimakrise. Der große Zuzug an die meist informell gewachsenen Stadtränder stellt ein großes Problem dar und Bedarf Lösungen im Einklang mit den Menschenrechten. Der Blick auf die globalen Entwicklungen darf nicht verlorengehen, auch wenn wir immer öfter selbst betroffen sind. Die Herausforderungen und finanziellen Bedarfe sind enorm und die Klimakrise und ihre Auswirkungen können nur durch globales und lokales Handeln gemindert werden. Selbstverständlich können und müssen neben der weiteren Einsparung von Treibhausgasen auch rationale und pragmatische Anpassungen vor unserer Haustür getroffen werden. Das Prinzip Schwammstadt eröffnet hierauf eine zukunftsgewandte Perspektive, wie mithilfe von vielen Einzelmaßnahmen Städte auf die zunehmenden Regenfälle reagieren können. Es markiert ein Umdenken in der Stadtplanung und der Konzeption von Stadtökosystemen hin zu einer resilienteren Zukunft. Dass nur eine breitgefächerte Perspektive dem gerecht wird, ist offensichtlich; es müssen auch Verwaltungen und innovative Lösungen aus der Industrie miteinbezogen werden. Deshalb sind in diesem Heft viele verschiedene Beiträge zu affinen Themen zusammengetragen. Wir freuen uns weiterhin über die vielen Themen- und Artikelvorschläge. Treten Sie gerne mit uns in Kontakt. Bis dahin wünschen wir Ihnen einen schönen Spätsommer. Prinzip Schwammstadt EDITORIAL 3 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0025 © R. Knippschild © iStock.com/ MTStock Studio © Solideo Dominique Perrault Architecte Adagp Seite 28 Seite 16 Seite 10 © R. Knippschild Seite 28 Seite 16 Seite 10 © Solideo Dominique Perrault Architecte Adagp © iStock.com/ MTStock Studio Strukturwandel 28 Ökologischer Stadtumbau im regionalen Strukturwandel Erfahrungen mit einem partizipativen Ansatz aus Hoyerswerda Constanze Zöllter, Regine Ortlepp, Robert Knippschild, Atiqah Fairuz Binte Md Salleh, J uliane Dziumla, Nora Huxmann, Andreas Kretschmer Soziale Innnovation 34 Soziale Innovationen als Katalysatoren für urbane Transformation Christian Stein, Jens Libbe Weiterbildung 38 Klimaanpassung in der kommunalen Verwaltung stärken Herausforderungen und Wirkungen von Weiterbildung am Beispiel der Stadtverwaltung Dresden Alfred Olfert, Gérard Hutter FORUM Kongress 6 DVGW-Kongress: Anpassungen an die Wetterextreme Interview 8 Nachhaltigkeitswandel: wie das transformative Potenzial von Werten freigesetzt werden kann Olympische Spiele, Paris 2024 10 Olympische Spiele Paris 2024 - territoriale Auswirkungen Praxis + Projekte Virtual Reality 16 Digitale Wege & Reale Ergebnisse Neue virtuelle Wege in der Ausbildung von Führungskräften im Feuerwehrwesen Daniela Heigenhauser, Rebecca Nell interkommunale Zusammenarbeit 22 10 Jahre Zukunftsinitiative Klima.Werk Wie ein interkommunales Netzwerk eine Region blauer und grüner macht Andreas Giga, Ulrike Raasch, Nora Schecke INHALT 3 · 2024 4 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES © klimafarmer © iStock.com/ fotojog © Lena Kunstmann Seite 65 Seite 57 Seite 43 © klimafarmer © iStock.com/ fotojog Seite 65 Seite 57 Thema Prinzip Schwammstadt 43 Blau-Grüne-Infrastruktur am Beispiel des Reallabor Radbahn Der Testbeet-Filter als Forschungskooperation mit der StadtManufaktur Berlin Maximilian Hoor, Natalie Hipp, Grit Bürgow, Anja Steglich, Jochen Zeisel 48 Mammutaufgabe: Klimaangepasster Bestand Synergien nutzen - Öffentliche und private Klimaanpassung zusammen denken Christine Linnartz, Eva Spitzley 54 Landwirtschaftliche und städtische Wasserwiederverwendung in Kommunen Standortbewertung und erste Schritte zur Umsetzung Daniel Kaufman, Axel Dierich 57 Von der Betonschlucht zum Schwamm: Wolkenbruchplan für Städte Gregor Grassl, Philipp Alber 60 Von Regen zu Ressource: Digitale Innovationen in Wohnquartieren Synergien nutzen - Öffentliche und private Klimaanpassung zusammen denken Susanne Liane Buck, Sarah Kaltenegger PRODUKTE + LÖSUNGEN Pflanzenkohle 65 Klimawirksam Boden gut machen: Baumstandorte mit Pflanzenkohle Peter Menke Regenwassermanagement 68 Überflutungsschutz & nachhaltige Bewässerung Intelligentes Regenwassermanagement mit Optigrün Retentionsdächern und der Wasserbilanzsteuerung 70 Extensive Dachbegrünung des Parkhaus Hornschuchpromende in Fürth INHALT 3 · 2024 5 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0026 \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissen schaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissen schaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikations wissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprach wissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Alt philologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissen schaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft karätig besetzte Podiumsrunde unter anderem mit dem Staatssekretär im BMUV, Stefan Tidow, sowie den wasserpolitischen Sprechern von CDU/ CSU, SPD und FDP an. Danach berichtet unter anderem Natalie Wick von der Wasserversorgung Rheinhessen-Pfalz, wie man dort die „Dauerhafte Sicherstellung der öffentlichen Wasserversorgung“ angeht. In einem Impulsreferat geht Tim Bagner vom Deutschen Städtetag der Frage nach, welche Perspektiven sich bei dem Thema „Resiliente Versorgungsinfrastrukturen als kommunale Daueraufgabe“ ergeben. Das Eröffnungspanel am ersten Kongresstag widmet sich der Fragestellung „Klimawandel und öffentliche Wasserversorgung - Was braucht es zur Stärkung der Versorgungssicherheit “. Unter anderem berichtet dort der Vorstandsvorsitzende der Berliner Wasserbetriebe, Prof. Dr. Christoph Donner, über Anpassungen des Wasserkreislaufs in der Hauptstadt. Im nachfolgenden Panel zur nachhaltigen Nutzung der natürlichen Was serres sourcen präsentier t Christoph Schulte, Abteilungsleiter Wasser und Boden beim UBA den aktuellen Stand auf dem Weg zu einem integrierten Wasserinformationsportal. Angesichts dieser Herausforderungen scheint das diesjährige Motto des DVGW-Kongresses gut gewählt: Klarheit schaffen! www.dvgw-kongress.de Die zwölf Monate Juli 2023 bis Juni 2024 waren so niederschlagsreich wie noch keine andere entsprechende Zeitperiode zuvor. Das vermeldete kürzlich der Deutsche Wetterdienst (DWD) in Offenbach. Gemittelt über ganz Deutschland habe die Auswertung der Wetterstationen gezeigt, dass rund 1070 Litern pro Quadratmeter fielen. Das war immerhin ein gutes Drittel mehr als der Mittelwert für Niederschläge, wie er in der üblichen 30-jährigen Referenzperiode 1961 bis 1990 gemessen wurde. Im Hintergrund steht der Klimawandel. Warme Luft kann mehr Wasser speichern. Und entsprechend heftiger und punktueller ist der Niederschlag. Dies ist ein klarer Kontrast zu den Hitzejahren mit viel zu wenig Niederschlägen, die vor allem in den Jahren 2018 bis 2020 und 2022 vorherrschten. Klar ist: Die Wetterextreme nehmen zu. Dabei wird das Klima in Deutschland gleichzeitig wärmer, nasser und variabler. Doch der Wechsel von „trocken“ zu „nass“ in den extremen Ausprägungen verdeutlicht, wie wichtig eine bessere Anpassung an das Extremwetter ist. „Hier sind die Wasserversorgungswirtschaft ebenso wie Politik und Gesellschaft gefordert: etwa mit dem Schutz und der nachhaltigen Nutzung der natürlichen Wasserressourcen, einer an den Klimawandel angepassten resilienten Infrastruktur und einem wasserbewussten Siedlungsbau“, sagt Wolf Merkel. Die Politik müsse schnellstens die rechtlichen, personellen und finanziellen Voraussetzungen für die zukunftsfähige Aufstellung der Branche schaffen. „Und die Gesellschaft muss dem Wasser eine hohe Wertschätzung entgegenbringen“, so der DVGW- Vorstand. Zur Sicherstellung der öffentlichen Wasserversorgung muss die Infrastruktur für den Ausgleich zwischen regionalen Überschuss- und Mangelgebieten ertüchtigt und ausgebaut werden. Viele Städte und Gemeinden haben die Herausforderungen bereits erkannt und sind hier schon aktiv, da Extremereignisse wie Starkregen, Hitze und Trockenheit die Menschen und die Infrastruktur in den Kommunen immer stärker belasten. Das Umweltbundesamt (UBA) verweist hier auf das Leitbild der „Schwammstadt“. Ziel dabei ist es, urbane Räume so zu gestalten, dass sie den Regen speichern, statt ihn sofort über die Kanalisation in die Flüsse abzuführen. Die Niederschläge können so im Wasserkreislauf gehalten und dann wieder genutzt werden, wenn es trocken ist - etwa durch mehr Stadtgrün und offene Böden. Hochkarätig besetzte Podiumsrunde Das Thema einer wasserbewussten Gesellschaft nimmt auch einen wichtigen Part auf dem diesjährigen DVGW-Kongress am 17. und 18. September in Berlin ein. Am zweiten Kongresstag gibt es dazu eine hoch- DVGW-Kongress: Anpassungen an die Wetterextreme Aus der gat | wat wird der DVGW-Kongress: Unter neuem Namen findet der wichtige Branchentreff des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfachs (DVGW) am 17. und 18. September in Berlin statt. Ein großer Themenschwerpunkt ist die resiliente Wasserversorgung angesichts der zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels. 6 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES FORUM Kongress \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissen schaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissen schaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikations wissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprach wissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Alt philologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissen schaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft BUCHTIPP expert verlag - Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany \ Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ info@narr.de \ www.narr.de Edgar Theurer, Amine Stirner, Mohamed Zakzak Barrierefreiheit im öffentlichen Verkehrsraum Grundlagen - Planung - Bauausführung ein Praxishandbuch 1. Auflage 2024, 244 Seiten €[D] 69,80 ISBN 978-3-8169-3552-0 eISBN 978-3-8169-8552-5 Zur Barrierefreiheit im öffentlichen Verkehrsraum existiert ein umfangreiches Gesetzes- und Regelwerk. Verantwortliche sind jedoch häufig unsicher in der Vorgehensweise und Umsetzung. In der Praxis werden die Vorschriften und Gesetze daher nur rudimentär oder falsch angewendet. Gefahren und Einschränkungen für mobilitätseingeschränkte Nutzer: innen werden somit nicht nur nicht beseitigt, sondern durch falsche Umsetzung erst geschaffen. Die Autoren sind in der täglichen Arbeit mit dem Thema befasst, haben den entsprechenden Erfahrungshorizont und praktischen Hintergrund und wollen ihr Wissen weitergeben. Das Buch beschreibt mit vielen Abbildungen und anhand realer, aktueller Beispiele konkrete Probleme, zeigt Lösungen auf und warnt vor Fallstricken. sein, indem man sich an verschiedenen Nachhaltigkeitsinitiativen beteiligt und Transformationen auf verschiedenen Ebenen ermöglicht; iv) ein Ort zu sein, an dem Veränderungen durch Experimente auf dem Campus stattfinden. Sie haben für Ihre Arbeit eine Fördersumme in Höhe von 1,22 Millionen Euro vom Europäischen Forschungsrat erhalten. Ist das gut angelegtes Geld? Diese Art der europäischen Finanzierung bringt den Druck mit sich, sie sinnvoll auszugeben. Ziel ist es, das Geld effektiv einzusetzen, um die Projektziele zu erreichen. Deshalb hat LEVER diese wettbewerbsfähige Finanzierung erhalten. Im Moment ist es noch zu früh, um zu sagen, dass es geschafft ist, aber wir tun unser Bestes, um dieses Ziel zu erreichen. Womit beschäftigen sie sich in Ihrer Forschungsarbeit? Ich habe zwei Hauptschwerpunkte. Einer davon ist, wie man Forschung durchführt, die den Nachhaltigkeitswandel gezielt unterstützt. Mein Interesse gilt der Festigung und Etablierung alternativer Formen der Wissensproduktion wie der transdisziplinären Forschung und der transformativen Nachhaltigkeitswissenschaft. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Aktivierung und Mobilisierung innerer Welten, die ich in der ersten Frage erwähnt habe, insbesondere auf der Frage, wie das transformative Potenzial von Werten freigesetzt werden kann. Mein Fokus liegt also weniger auf der Analyse oder Beschreibung von Werten. Sehr geehrte Frau Professorin Andra-Ioana Horcea-Milcu, Sie sind die Leiterin des Fachgebietes Cultures of Sustainability am Institut für Nachhaltigkeit der Uni Kassel. Wie kam es zur Gründung des Fachgebietes und welche Aufgaben hat Ihr Institut? Die neu gegründete und ebenfalls der Fakultät für Geistes- und Kulturwissenschaften angegliederte Abteilung „Kulturen der Nachhaltigkeit “ am Kassel-Institut unterstützt die Bedeutung der Künste und Geisteswissenschaften für die Nachhaltigkeitstransformation. Bisher konzentrierte sich der Großteil der Nachhaltigkeitsforschung auf externe Realitätsbereiche wie Technologie, Governance, Wohlfahrtssysteme, Verhaltensweisen und Praktiken. Auch wenn wir die Bedeutung dieser Bereiche anerkennen, haben sie doch ihre Grenzen und zeichnen kein ganzheitliches „Bild“ davon, womit wir uns befassen sollten, um einer gerechten und nachhaltigen Zukunft näher zu kommen. Zur Reflexion grundlegender Fragen und normativer Fragen unserer Welt braucht es Philosophie. Innere Dimensionen der Realität wie tief verwurzelte Werte, Weltanschauungen, Bewusstsein und Innerlichkeiten wurden von Mainstream-Nachhaltigkeitsstudien traditionell übersehen. Der kulturelle Bereich (mit seinen Erzählungen, Sprachen und Ästhetiken) vermittelt die Schnittstelle zwischen den sichtbareren und greifbareren Bereichen der Realität und den unsichtbareren und weniger greifbaren Bereichen der Realität, da Kulturen sowohl innerhalb von Individuen als auch in Kollektiven angesiedelt sind. Das Fachgebiet Cultures of Sustainability möchte sich mit diesen weniger prominenten Dimensionen befassen. Die Einheit spiegelt auch eines der zentralen Forschungsprofile der Universität Kassel wider: Kultur neben Technik, Natur und Gesellschaft. Das Fachgebiet „Kulturen der Nachhaltigkeit “ trägt zur vierfachen Mission des Kasseler Instituts bei: i) zur Erforschung und Wissensaustausch von Nachhaltigkeitstransformationen durch Einflussnahme auf damit verbundene akademische Diskurse; ii) über Nachhaltigkeitstransformationen zu lehren, indem die Bildung im Hinblick auf gegenseitiges Lernen und die Gestaltung zukünftiger Akteure des Wandels neu gedacht wird; iii) ein integrativer und kollaborativer Akteur des Wandels zu Nachhaltigkeitswandel: wie das transformative Potenzial von Werten freigesetzt werden kann FORUM Interview 8 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0027 sowie zwischen Menschen und Mehr-als-Menschen führt; diese empathischen Beziehungen sind tatsächlich eine mögliche Definition von Nachhaltigkeit. Vielen Dank für das Interview! Vielen Dank auch Das Interview führte Ulrich Sandten-Ma LEBENSLAUF  2023: Professorin am Kassel Institute for Sustainability (einer der vier Co-Direktoren) und der Fakultät für Geistes- und Kulturwissenschaften, Kassel  2022-2023: Fellow, Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS), Potsdam Mit welchen Methoden arbeiten Sie an Ihren Themen? Ich bin Nachhaltigkeitswissenschaftlerin. Die Nachhaltigkeitswissenschaft (sustainability science) zeichnet sich durch ihr normatives Ziel und ihre kontextuellen Probleme aus und nicht durch einen gemeinsamen Methodensatz, der in bestimmten Disziplinen verankert ist (z. B. Sozialwissenschaften, Verhaltenswissenschaften, Ökologie). Methoden werden je nach Problemstellung pragmatisch ausgewählt und interdisziplinär angewendet. Ebenso wichtig wie die Wahl der Methoden ist die Wahl der Modi der Wissensproduktion und der Ansätze zur Verknüpfung von Wissen mit Handeln. Oftmals passt die transdisziplinäre Art der Wissensproduktion besser zum normativen Ziel der Nachhaltigkeitswissenschaft. Meine Expertise liegt in kollaborativen Techniken, die darauf ausgelegt sind, die transdisziplinäre gemeinsame Schaffung von Wissen zwischen Akademikern und nicht-akademischen Akteuren zu unterstützen. Mit Lever möchte ich die Methoden und Werkzeuge erweitern und systematisieren, die der Nachhaltigkeitswissenschaft in ihrem Bestreben helfen, Veränderungen anzustoßen und Mensch-Natur- Beziehungen zu transformieren, also transformative Werkzeuge zur Verfügung zu stellen. Welchen praktischen Nutzen könnten Ihre Forschungsergebnisse haben? Mein Ansatz besteht darin, mich ein wenig vom Imperativ des „praktischen Nutzens“ zu lösen und stattdessen darüber nachzudenken, was sinnvoll und was weniger sinnvoll ist. Meine Hypothese ist, dass eine gewisse Schulung des Wertebewusstseins zu faireren, gerechteren und einfühlsameren Beziehungen zu sich selbst, innerhalb und zwischen Generationen  2020-2022: Fellow, Marie- Skłodowska-Curie-Stipendium, veranstaltet von der Babeş- Bolyai-Universität, Cluj-Napoca  2019-2020: Postdoktorand am Helsinki Institute of Sustainability Science (HELSUS), Helsinki  2015-2019: Postdoktorand an der Leuphana Universität Lüneburg, Lüneburg  2011-2015: Promotion, Leuphana Universität Lüneburg, Lüneburg  2008-2010: MA, Université Libre de Bruxelles, Brüssel  2004-2008: Lizenzdiplom (4 Jahre), Universität Bukarest, Bukarest Anzeige Als wirkungsvolle Maßnahme gegen die Folgen von Starkregenereignissen haben Sie das Wasser mit diesem funktionalen Systemaufbau als kontrolliertem Zwischenspeicher komfortabel im Griff. Und das versteckt unter einem tollen grünen Dach. Regenwasserbremse für die Kanalisationsnetze in unseren Städten! Wasserrückhalt dank Retentions-Gründach! Tel: 07022 9060-600 www.zinco.de/ systeme/ retentions-gruendach Halle A3 Halle A3 Stand 131 Stand 131 11.-14.09.2024 in Nürnberg 11.-14.09.2024 in Nürnberg FORUM Interview DOI: 10.24053/ TC-2024-0027 9 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES Olympische Spiele Paris 2024 - territoriale Auswirkungen Margarita Sanoudo Die Qualität der Organisation, Anzahl der Medaillen, Wirkungen, raumplanerischen Interventionen sowie das Erbe der Olympischen Städte und deren Nationen wurden immer wieder zum Prüfstein ihrer Entwicklung. Frankreich nimmt die Spiele zum Anlass für eine außergewöhnliche Gesamtstrategie, welche der Stadt und der Nation kulturellen Auftrieb verleiht. Paris wird in städtebaulicher Hinsicht eine weitgehende Regeneration erleben. Nach der Wiedereinführung der Olympischen Spiele im Jahre 1896 in Athen entwickelten sich in den Olympischen Städten allmählich große Sportkomplexe. Die Spiele 1900 in Paris, 1904 in St. Louis und 1908 in London wurden in Konjunktion mit Weltausstellungen entwickelt. Die Spiele in Paris 1924 ergaben die ersten bescheidenen Barackensiedlungen für Athleten. Dann ver wandelten sich diese allmählich in Olympische Dörfer mit ausgebildeter Infrastruktur. Heute stellen Raumplanung und Nachhaltigkeit zentrale Aufgaben dar. Namentlich die Spiele von München 1972 und von Barcelona 1992 dienten als Katalysatoren für großangelegte Transformationen. Und während in Los Angeles, das bereits über die nötige Infrastruktur verfügte, die Spiele 1984 dazu dienten, das Prestige der Stadt zu mehren, stellte Sydney im Jahr 2000 „umweltbezogene Richtlinien“ und eine ökologische Planung am Hauptgelände in Homebush- Bay auf. London 2012 hinterließ eine nach nachhaltigen Überlegungen eloquent gestaltete Entwicklung, band aber soziale und sportliche Aspekte nicht in das Stadtganze ein. Olympische Spiele in Frankreichs Entwicklungspolitik Paris möchte seine Rolle als Protagonist bzw. Kulturwegweiser ei- Bild 1 (oben): Ausschnitt von der Umlaufbahn der Olympischen Spiele 10 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0028 dend ist auch die Frage nach dem Erbe der Spiele als „wesentliche Voraussetzung der Akzeptanz “, wie es der Bericht des „Cours des Comptes“ 2023 definiert. Darüber hinaus könnten die Spiele 2024 und ihre „Legacy“ auch langfristig als Hebel für die politische, wirtschaftliche und soziale Transformation von Paris und Frankreich gedacht sein. Urbane Entwicklung Die Olympischen Sommerspiele finden nun in einer hundertjährigen Schleife erneut in Paris statt. Im Hinblick auf diesen großen Anlass wird nun die französische Metropole in ihrem Erscheinungsbild aktualisiert. Die Interventionen vermögen wirksam zu greifen, um die Stadt ressourcenschonend und positiv zu verändern. Neue Bilder, die bestechen, werden augenfällig. Paris - ursprünglich auf der Île de la Cité mit Kreuzung zwischen einer Nord-Süd-Straße und der fließenden Seine in West-Ost Richtung - als Residenz kapetingischer und karolingischer Könige von Frankreich, entwickelt sich im Mittelalter als wichtiges politisches, wirtschaftliches und kulturelles Zentrum. Gleichzeitig war es wohl die dichtbesiedeltste Stadt Europas und versuchte sich neben Venedig, Florenz, London und Wien als wichtige Stadt und Drehscheibe zwischen Europa, Afrika, Süd-Ost-Asien, Nordamerika und den insularen Kolonien zu etablieren. Dabei vermochte Paris nicht nur seine traditionsreiche Stadtbaukunst zu bewahren, die vom Mittelalter (Bau der Notre Dame, Festung des Louvre und der Bastille) über den Classicisme genannten klassizistischen Barock ( Versailles), den Jugendstil und den Rationalismus bis in die Nachkriegsmoderne reichte, sondern darüber hinaus Entwicklungen zu stimulieren, indem es bei der Erneuerungsstrategie des 1853 von Napoleon III ernannten Präfekten der Region George-Eugène Hausmann vorgelegten Stadterneuerungsprojek tes anset z te. Die traditionelle Morphologie der regionalen Entwicklungspläne und seines bis heute gültigen Städtebauplans einer großzügigen Hauptstadt wurde dank Regulationen, wie einem geometrischen Muster mit städtebaulichem Raster, Boulevards und Parkanlagen, den neuen Bedürfnissen der Öffentlichkeit angepasst. Weiterhin vermochte die Stadt mit einem visionären Programm und intelligenten Interventionen seine Rolle in der Kultur, Politik und Wirtschaft zu aktualisieren. Durch gesamtplanerische Sichtweisen sowie ein offensives und bezüglich den Quartierplanungen detailliertes Vorgehen, das mit stadtplanerischen Überlegungen in den Architekturentwürfen auch den Symbolismus einbezieht, entwickelte Paris in den siebziger und achtziger Jahren unter den damaligen Staatspräsidenten eine strategische Verflechtung von nachhaltiger Struktur. Diese basierte auf der Methode der sogenannten Epoche „Grands Opérations d‘Architecture et d‘Urbanisme“, d. h. es folgen Kulturbauten, die der Kontinuität des nationalen Erbes dienen und mit denen eine Kulturnation für alle Bürger vorhanden ist und in den verschiedenen Pariser Stadtteilen sichtbar wird. Schließlich vermochte es die Stadt ausgehend von der Katalysatorwirkung der Olympia-Nominierung mit bodenökonomischen und ökologischen Ansätzen und gezielten Interventionen eine vorbildliche urbanistische Rolle zu spielen. Sie manifestiert sich in der Requalifizierung durch raumwirksame sozial- und umweltverträgliche sowie tiefgreifende kulturelle und bioklimatische Tätigkeiten: durch Freiraumplanung entstener Metropole mit globalen Status für die Künste, Kultur, Sport und Wissenschaften hervorheben. Es nutzt das Olympische Momentum in seiner sozio-ökonomischen Entwicklung zusammen mit einer bestimmten politischen Stellung und einem passenden kulturellen Ambiente, um diese zu vereinen und als Essenz der „modernen“ Stadt hervorzuheben. Dies zeigt sich folgendermaßen: Während Frankreich sich auf die olympischen Aktivitäten konzentriert und die Stadtentwicklung von Paris subtil vernetzt, setzt es gleichsam auf eine politische Gesamtstrategie und verteilt die Austragungsorte auf attraktive Städte in der französischen Großregion (Fußball in Bordeaux, Lille, Lyon, Nantes, Segeln in Marseille, Schießen in Châteauroux) sowie auf frankophone Orte des einstigen Kolonialreichs (Surfen auf Tahiti). Mit einer gezielten steten Haltung der Kultur gegenüber - Entwicklung setzt man hier als Bereitstellung in einer Weise in einen politischen Rahmen, der bezweckt, diese zu identifizieren und zu fördern - hat Frankreich, das seit 1992 das weltweite führende Reiseziel und die Heimat des internationalen Sports ist, seine Politik zur Ausrichtung der größten Verans taltungen verstärkt. Große Anlässe (z. B. Olympische Winterspiele 1992, Frauenfussballmeisterschaften 1998 und 2019) ergänzen die traditionellen wiederkehrenden internationalen Treffen (z. B. Roland Garros, Tour de France, Tournoi des Six Nations oder neuere, wie der Ultra Mont Blanc Trail). Die Organisation der Olympischen Spiele markiert einen Höhepunkt. Zentral wird nicht nur die Frage nach der guten operativen Durchführung der Spiele sowie der Platz der Nation mit Anzahl der Medaillen als eine natürlich notwendige Grundlage für den Erfolg angesprochen, entschei- FORUM Olympische Spiele, Paris 2024 11 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0028 dination der Arealerreichbarkeit. Abgesehen davon, dass die Nähe der beiden Standorte aus der Ferne als ein einziges Baukonstrukt erscheint, bergen diese Transformationen auch andere, weniger anerkannte Affinitäten. Kaum jemand ist sich bewusst, dass dem Besucher nicht nur die Pariser Kultur vor Augen geführt wird, sondern dass auch der Zustrom der Menschenmassen zu den Spor tereignissen hinzukommt (wie Grölen, Lautsprecher, Abfall). Die Stadtplaner haben beschlossen, die Vereinbarkeit von Kultur und Sportereignis zu durchdenken, um eine unabdingbare Voraussetzung für ein beispielhaftes egalitäres Raummanagement zu schaffen. Bei diesem werden die Funktionen der sportlichen Populärkultur nicht an die Peripherie wie üblich verlagert, sondern mit den prestigeträchtigen Objekten verknüpft. Dazu kommt ein symbolisches Ganzes von seltener Intensität. Übertragen auf den Bereich der Stadtplanung enthält legt, die stets danach strebt, ihre Grenzen mit progressivem Geist und neuen Techniken zu überwinden. Das Besondere dabei liegt nicht nur in der Thematik der gesamtplanerischen Raumbetrachtung mit einer visionären Politik. Die strategische Ortsaufwertung der Ufergelände - es handelte sich dabei um das wichtige Anliegen zwischen dem fließenden Gewässer und den städtischen Nutzgebieten das Gleichgewicht zu wahren - sowie die architektonischen und landschaftsplanerischen Interventionen sind ganz auf vielfältige Urbanität ausgerichtet. Die fünf zehn Ol y mpis chen Wettkampf-Gelände sind als Bestandteile von neu geschaffenen Arealen mit vorhandenen kulturellen Monumenten verflochten worden, deren Standorte Schlüsselpositionen innerhalb der Stadtentwicklung einnehmen. In der Kombination der beiden Projekte besteht ein stärkerer Zusammenhang als bei der einfachen Koorhen Erholungsräume für Kunst und Kultur im Herzen der Stadt entlang der Flussläufe sowie eine Flanierpromenade mit einem Netz von miteinander verbundenen Grünplätzen, Freizeitanlagen für Sport und Spiel, Wasserannehmlichkeiten und Stränden. Wichtig ist außerdem die zusammenhängende verkehrstechnische Infrastruktur, wobei man Wert legte auf eine Modifizierung des bestehenden Verkehrssystems und der Erneuerung der Metrostationen. Außerdem nahm man sich auch einer Klärung des Seine-Wassers sowie des Kampfes gegen die Hitze an. Alle diese Eingriffe wurden unter der Prämisse der Aufhebung der physischen Barrieren vorgenommen. Paris hat aber auch noch andere S chranken über wunden: Es verwandelte die Topographie der Ebene mit der fließenden Seine in eine symbolische Stadtlandschaft. Diese neue Ausrichtung zum Fluss ist präzise auf eine territoriale Entwicklung ausge- Bild 2: Projizierte Perspektive, welche die territoriale und kulturpolitische Entwicklung zwischen Erbe und Vision darstellt. © Solideo Dominique Perrault Architecte Adagp FORUM Olympische Spiele, Paris 2024 12 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0028 zogen sind, konnte das „Village Olympique“ den durch den Fluss blockierten Anschluss an die Stadt und die Verbindung zum Wasser herstellen. Hier entsteht auch die einzige neu gebaute, permanente Anlage für die Wassersportarten als Umweltleistung und gleichzeitig sinnvolle Investition, die auch der Öffentlichkeit zugutekommt. Das Quartier stellt ein Ereignis ohne Beispiel in der Geschichte der Stadt dar. Hinzu kommt der positive Einfluss auf die lange vernachlässigten Gegenden des tertiären Sektors mit den Industrieanlagen an der Seine. Ausgehend von einer kohärenten Fortschreibung von Hausmanns Stadterweiterung bilden hier zeitgenössische Planung mit ursprünglicher Konzeptualisierung und Signaturbauten des Architekten Dominique Perrault und Realisierung von Solideo (Baufirma vom französischen Staat und den olympischen Gemeinden) eine Transition der Region: einen zeitgemäßen städtebaulichen Kontext und ein urbanes Erlebnis von einzigartiger Qualität. Weitsichtige Planung geht über die Olympischen Spiele hinaus, indem Häuser der Athleten für Sozialwohnungsbau eingesetzt werden. Die Verwirklichung oszilliert zwischen der Identität der Stadt mit Respekt zur Geschichte, ihrem Urbanismus und der Inklusion von Kultur und Sport und spiegelt sich in den Quartieren wider. Der hier entstandene Eindruck resultiert aber nicht nur aus der Überformung der Stadt und der eigenwilligen ästhetischen Gestalt des Geländes, sondern zweifellos auch aus der physischen Entfaltung die Triangulation der gehobenen Kultur, der Populärkultur und des Wunsches der Verbindung dieser beiden, eine ganz neue Bedeutung: laut und festlich trägt diese Vereinigung zur urbanen Alchemie von Paris bei. Paris hat aber auch noch weitere Schranken überwunden. Dass die Seine sich im Umkreis von zehn Kilometern um diese Wettkampf- Gelände und um das kompakt und kraftvoll errichtete „Village Olympique“ schlängelt, vermag die Lage aufzuwerten, indem es weite Perspektiven eröffnet. Als Übergang zwischen dem neuen Strandquartier an der Seine am „Département 93“, verteilt auf drei Gemeinden Saint-Quen, Saint-Denis und L‘ Île Saint-Denis, die vom Flusslauf mit seinem einst obsoleten Gewässer durch- Anzeige Qualität ist viel wert Stadt: Dresden Sandsteinkanal Postplatz Inbetriebnahme des Kanals: 1889 Bild: Stadtentwässerung Dresden GmbH Gütesicherung Kanalbau RAL-GZ 961 www.kanalbau.com FORUM Olympische Spiele, Paris 2024 13 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0028 nismus und der territorialen Entwicklung, sowie der Kultur- und Sportpraxis. Entsprechend gibt es vier sukzessive Handlungsketten: 1. Investitionen (Land, Kapital) können in Er trägen umge wandelt werden und die wirtschaftliche Leistungsdynamik steigern (z. B. Arbeit, Produktionsnetzwerke, Wohlstand). 2. Soziale Verteilung einer Vielfalt von Aktivitäten (z. B. ressourcenschonender Transport, Mobilität für die Gesundheit, Sanitärversorgung, Erhöhung der Lebensqualitätskriterien). 3. Eine kulturelle Ambiance der Umwelt (physische Umgebung: Requalifizierung von Stadt- und Landnutzung, Spiel und Sport, Biodiversität für eine geschützte Umwelt). 4. Politische Maßnahmen (zur Einbeziehung von institutioneller, gesellschaftlich-politischer Zusammenarbeit sowie das Bewusstsein guter Governance im Sinne der dezentralen Stärkung) Zusammenfassend: Wie können wir die Hebelwirkung der Olympischen Spiele für die erhoffte multidimensionale Transformation für die Bedürfnisse und Maßstäbe der Zukunft nutzen? Vier Kernherausforderungen stechen heraus: Aufbau des Gemeinschaftsgefühls rund um die Organisation, gemeinsames Framework für das Erbe mit eingebauten interdisziplinären Aktivitäten und deren materiellen und immateriellen Leistungen, zur Realisierung einer kulturellen Innovationspolitik gemäß humaner Nachhaltigkeit, die Erziehung physischen und sportlichen Aktivitäten für einen hochqualitativen Lebensraum und gesunden, modernen Lifestyle, sowie partizipative Governance. Diese Synergie ist ein signifikanter Gewinn und ein Modell Zusätzlich engagiert sich Frankreich weiter politisch, kulturell und sozio-ökonomisch mit Aussicht auf die Winterspiele 2030. Blick in die Zukunft Der Olympismus scheint 2025 am Ende eines Zyklus angelangt zu sein - mit dem Ende der 12-jährigen Präsidentschaft von Thomas Bach beim IOC. Das bietet die Möglichkeit für eine Umorientierung. Die Entwicklung der Organisation der Olympischen Spiele und der Städte spiegeln die Entwicklung unserer globalen Gesellschaft wider. Die Idee ist: Die Schnittstelle zwischen Politik und Praxis kann durch mehr integrative Bewertungsmethoden im Kontext der nachhaltigen Entwicklung für alle Gastgeber- und Kandidatenstädte gestärkt werden. Die Olympischen Spiele müssen als leistungsstarkes Transformationswerk positioniert sein, für die Bedürfnisse und Maßstäbe der individuellen Stadt/ Region/ Staatsrealität im Hinblick auf Attraktivität, Lebensqualität und Image*. Um das zu erreichen und ein zukunftsträchtiges Erbe zu schaffen, muss eine neue Interaktionslogik (Aktivitäten, Partnerschaften, Finanzierung) zusätzlich zur traditionellen Governance für eine Innovationspolitik erfunden werden. Zwei Schlüsselaspekte sind: das Abklären der Chancen und Risiken und die Erstellung der Konditionen in der evolutionären Entwicklungslogik (z. B. politische Spannungen) für eine bessere Beteiligung der Bürgerschaft. Der z weite A spekt ist, die Olympischen Spiele und ihre Ideale als Instrument eines strukturellen urbanen Wandels in den innewohnenden politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und ökologischen Dimensionen der Nachhaltigkeit zu integrieren. Das erwartete Resultat ist: die Stärkung eines reflektierten Urbader Eigenheiten ihrer Topographie. Die Reflexion der nachhaltigen Raumkultur, die Suche nach dem Innovativen und der Mut zum Modernen und Einzigartigen sind an diesem Ort Teil der Politik. Diese wird hier durch zweckmäßige Ordnung und das entsprechende Raumgefüge zur funktionalen Effizienzanforderung, welche Flexibilität und Vielseitigkeit der Installationen nach den Spielen für ein resilientes und gemischt benutztes Territorium mit der durch die Lage am Ufer bedingten Offenheit verbindet. Paris präsentiert eine Ansicht der neuen Ära. Obwohl seine Kandidatur nicht Gegenstand einer kollektiven Debatte und eines vorherigen Referendums war, wie in anderen Demokratien (Boston 2024, Hamburg 2024), bietet sie - angesichts der Bedingungen - eine innovative holistische Perspektive auf die seit 2013 neuen Prinzipien der Governance der Olympischen Spiele gemäß Internationalem Olympischen Committee (IOC) als Reaktion auf eine sich rasant veränderte Welt. Diese mussten sich vielen internen und ex ternen Heraus forderungen stellen (z. B. Autonomie und gute Governance, Regierungskorruption, Symbolik des Kapitalismus, Gigantismus der Veranstaltungen und den damit verbundenen Kosten, Nachhaltigkeit des Planeten, Menschenrechte, Digitalisierung der Gesellschaft, wenige Kandidaturstädte, sinkendes Interesse der Jugend, mehrfache Angriffe auf Ethik und Integrität, Pandemie, Kriege, Fragmentierung der Gesellschaft) in einer Zeit, die komplexer und unsicherer geworden ist. Das Modell identifizierte und förderte hinter den Kulissen der Governance des Olympischen Sports und dessen Auswirkungen das Verständnis für die Olympischen Ideale für die Gesellschaft. FORUM Olympische Spiele, Paris 2024 14 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0028 guter Politik für die Gesellschaft. Darüber hinaus verleiht sie als potenzielle Perspektive einen neuen Impetus in der aktuellen Diskussion über die Zukunft der Spiele und der Olympischen Bewegung, um sie vor den verbundenen Problemen in ihren vielfältigen Dimensionen und Aktionsfeldern zu festigen. Gleichzeitig entwickeln renommierte Experten progressive Ideen für eine neue Organisation, z. B. „Olympische Spiele der vier Jahreszeiten“. Pierre de Coubertin erfand die Olympischen Spiele der Neuzeit, um die Jugend physisch zu ertüchtigen. Die kulturgeschichtliche Botschaft der Olympischen Spiele orientiert sich seit jeher an dem Leitbild des Humanismus: Altius Citius Fortius. Als inklusive, offene Gesellschaft durch Höchstleitung, Selbstperfektion ohne das Anmaßende, die Ehrfurcht den Sieg zu erreichen, zu triumphieren, bleibt ein hochgestecktes Ziel. *Image: Im Sinne des mentalen Bildes oder Idee als Mittel der mentalen Kultur und der internationalen Kommunikation (Oxford English Dictionary) Eingangsabbildung: © Solideo Dominique Perrault Architecte Adagp AUTOR*INNEN Margarita Sanoudo, ETH Zürich Raumplaner + Architekt; Gastdozentin, Beraterin in der Stadtplanung, Publizistin (architektonischer Journalismus), begleitende Expertin des Olympischen Komitees 2004, selbständige Architektin © M I N I ST R Y O F T RAN S P O R T BAD E N-WÜR TT E MB E R G 2 7 - 2 8 N O V E M B E R 2 0 2 4 KAR L S R UH E ( D E ) 2024 ANNUAL CON F E R E NC E Joi n l e aders , pol icyma kers , a nd i nnov ators from around E urope a nd be yond to explore i nnov ati ve sol ution s for s u sta i n abl e mobi l ity at the Annual POL I S Conference 2024 i n K arl sruhe , B aden-Württemberg . Sca n the Q R code ! Anzeige FORUM Olympische Spiele, Paris 2024 15 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0028 Digitale Wege & Reale Ergebnisse Neue virtuelle Wege in der Ausbildung von Führungskräften im Feuerwehrwesen Feuerwehr, Führungsausbildung, Virtual Reality Daniela Heigenhauser, Rebecca Nell Feuerwehren - Ein Schlüsselakteur, wenn es um den Schutz der Bevölkerung geht! Mit Blick auf die zunehmenden Herausforderungen stehen auch Behörden mit Sicherheitsaufgaben (BOS) vor großen Aufgaben. Aber der digitale und technologische Fortschritt bringt auch neue Möglichkeiten für Fach- und Führungskräfte in den Feuerwehren mit sich, wie z. B. Einsatzsituationen oder Ereignisse mithilfe von Virtual Reality (VR)-Ansätzen möglichst realitätsnah abzubilden. Der Artikel stellt Ergebnisse aus dem BMBF-Projekt feir vor, das eine neue Generation von Ausbildungsmethoden für Feuerwehrführungskräfte mittels intelligenter virtueller Realitäten entwickelt. Hintergrund Die Sicherheit und Gefahrenabwehr in Städten ist von essenzieller Bedeutung für die Aufrechterhaltung des öffentlichen Lebens, auch in K risensituationen. In Deutschland ist der Bevölkerungsschutz integraler Bestandteil dieser Bemühungen. Er erstreckt sich über verschiedene Verwaltungsebenen, von der Gemeinde bis zur Bundesebene, und umfasst eine Vielzahl von Aufgaben und Zuständigkeiten [1]. Angesicht der ständig wachsenden urbanen Bevölkerung und der zunehmenden Komplexität städtischer Strukturen gewinnt die Sicherheit von Städten und Gemeinden zunehmend an Bedeutung. Die Feuerwehren spielen hierbei eine zentrale Rolle, da sie nicht nur den Brandschutz gewährleisten, sondern auch in Notfallsituationen und bei der Bewältigung von Katastrophen unterstützen [2]. Mit ihrer flächendeckenden Präsenz und ihrem Engagement sind sie eine der wichtigsten Säulen des Bevölkerungsschutzes. Die Feuerwehren sind bundesweit gleich geregelte Einrichtungen der Gemeinden und kommen in verschiedenen Formen vor, darunter Freiwillige Feuerwehren, freiwillige Feuerwehren mit hauptamtlichen Kräften, Berufsfeuerwehren und Pflichtfeuerwehren. Zudem gibt es etwa 750 Werkfeuerwehren, die auf Betriebsgeländen ähnliche Rechte wie Gemeindefeuer wehren haben. Mit et wa 16 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0029 dert werden. Diese Kompetenzen lassen sich in sechs umfassende Bereiche gliedern. 1. Selbstkompetenzen sind entscheidend für die Wahrnehmung der eigenen Fähigkeiten und die Übernahme von Verantwortung. In der Feuerwehrausbildung werden diese Kompetenzen durch die Entwicklung von Eigeninitiative, Verantwortungsbewusstsein und die Fähigkeit zur konstruktiven Kritik gefördert. Stresskompetenz und ethisches Handeln sind ebenfalls wichtige Aspekte, die in der Ausbildung vermittelt werden, um eine selbstreflektierte Herangehensweise zu fördern. 2. Methodenkompetenzen befähigen Feuerwehrführungskräfte, Probleme systematisch anzugehen und effektive Lösungen zu entwickeln. In der Ausbildung werden diese Kompetenzen durch das Training taktischer Vorgehensweisen, die Planung und Umsetzung von Einsatzstrategien sowie die Führung von Einsätzen entwickelt und geschärft. 3. Sozialkompetenzen sind essenziell für die Interkation und Zusammenarbeit im Team. Feuerwehrführungskräfte müssen in der Lage sein, angemessen zu kommunizieren, Konflikte zu lösen und flexibel auf unterschiedliche soziale Situation zu reagieren. In der Ausbildung wird daher besonderer Wert auf die Förderung von Empathie, Teamarbeit und Konfliktmanagement gelegt. 4. Kommunikative Kompetenzen sind für die effektive Kommunikation im Einsatz unerlässlich. Feuerwehrführungskräfte müssen in der Lage sein, klar und präzise zu kommunizieren und Informationen sowohl verbal als auch nonverbal effektiv zu vermitteln. Die Ausbildung zielt darauf ab, die Einsatzkommunikation zu verbessern und die Fähigkeit zur Zusammenarbeit mit anderen Organisationen und Behörden zu stärken. 5. Führungskompetenzen umfassen das Leiten von Teams, die Organisation von Abläufen und die Bewältigung von Stresssituationen. In der Feuerwehrausbildung werden diese Kompetenzen durch die Vermittlung von Führungsgrundsätzen, die prak tische Anwendung von Führungsstrategien und die Zusammenarbeit mit externen Institutionen gefördert. 6. Fachkompetenzen sind unerlässlich für die Bewältigung fachspezifischer Herausforderungen im Feuerwehrwesen. Feuerwehrführungskräfte müssen über fundiertes Fachwissen verfügen und in der Lage sein, dieses in der Praxis anzuwenden. Die Ausbildung konzentriert sich daher auf die Vermittlung von theoretischem Wissen und praktischen Fertigkeiten im Bereich der Gefahrenabwehr und Einsatzführung. Die Ausbildung in der Feuerwehr unterschiedet sich von herkömmlichen Ausbildungssystemen, da sie sich im Bereich der Erwachsenenbildung befindet. Daher müssen bei der Ausarbeitung von Lehrangeboten besondere Prinzipien wie die Erfahrungsorientierung und Handlungsorientierung berücksichtigt werden. Die Erfahrungsorientierung betont die bereits vorhandenen Lernerfahrung der Teilnehmerinnen, während die Handlungsorientierung das Lernen anhand konkreter Situationen aus dem Berufsalltag fördert [3]. Feuer und Innovation: Neue Lernwege in der Feuerwehrausbildung Aktuelle Lernformate in der Feuerwehrausbildung umfassen u. a. 1,3 Millionen aktiven Einsatzkräften stellen die Feuerwehren die größte Gefahrenabwehreinheit im Bereich der nicht-polizeilichen Gefahrenabwehr dar [2]. Die Gemeinden fungieren als Träger der Feuerwehr, während die Kreise und kreisfreien Städte als Träger der Brandschutzdienststelle, der Leitstelle, des Rettungsdienstes (in den meisten Bundesländern) sowie als untere Katastrophenschutzbehörde agieren [2]. Feuerwehrausbildung und -kompetenzen in Deutschland Die Ausbildung der Feuerwehren ist Ländersache. Es existieren Dienstvorschriften mit teilweise bundesweiter Gültigkeit, die den Rahmen für Ausbildungsinhalte und Organisationen festlegen. Die konkrete Ausgestaltung variiert jedoch von Bundesland zu Bundesland. Die Führungsausbildung wird üblicherweise an den Landesfeuerwehrschulen durchgeführt, aber einige Feuerwehren bieten auch interne Ausbildungen an. Die Lernziele der Feuerwehrausbildung werden nach der FwDV 2 in Ausbildungs-, Grob- und Feinlernziele unterteilt. Das Groblernziel kann dabei der Führungsvorgang sein, der in spezifische Feinziele untergliedert wird. Diese Lernziele sind in den Bereichen kognitive, psychomotorische und affektive Fähigkeiten unterteilt, wobei der Erkenntnisbereich Wissen, Verstehen, Anwenden und Bewerten umfasst, der Handlungsbereich Nachmachen, selbstständiges Handeln, Präzision und automatisiertes Handeln beinhaltet, und der Gefühls-/ Wertebereich die Achtung und Wertschätzung des Lebens und der Umwelt sowie das vorbildhafte Verhalten und die gegenseitige Rücksichtnahme umfasst. Führungskräfte in der Feuerwehr müssen eine Reihe von Kompetenzen vorweisen, die in ihrer Ausbildung entwickelt und geför- PRAXIS + PROJEKTE Virtual Reality 17 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0029 evaluiert die Führungsausbildung, um realitätsnahe Übungen zu optimieren. Dabei werden neue Lehr-Lern-Methoden untersucht, um ganzheitliche und nachhaltige Lernerfolge zu ermöglichen. Die Plattform bietet eine praxisorientierte und wissenschaftlich evaluierte Trainingsmöglichkeit, die gezielt Führungskompetenzen anspricht und den Aus- und Fortbildungsaufwand reduziert. Perspektivisch kann der Ansatz auf den gesamten Bereich der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) übertragen werden, was einen Beitrag zur Verbesserung der Aus- und Weiterbildungslandschaft leistet und kritische Ressourcen der BOS schont, um kritische Infrastrukturen besser zu schützen. Der Aufbau einer virtuellen Übungs- und Ausbildungsplattform für Einsatzkräfte der nichtpolizeilikostengünstig, sicher und realistisch ist. Allerdings sind stringente Evaluierungen von VR-Trainingsmethoden noch selten [6]. feir - Führungsausbildung für Einsatzkräfte mittels intelligenter virtueller Realitäten Das Projekt feir zielt darauf ab, eine neue, individuell angepasste Lernerfahrung zu schaffen, um maßgeschneiderte Übungsszenarien in einer virtuellen Umgebung zu generieren. Diese ermöglichen es Führungskräften, in einer realistischen Umgebung an ihren Kompetenzen zu trainieren und ihren bisherigen Lernerfolg zu verbessern. Durch strukturierte Auswertungen erhalten sie ein schnelles Feedback und können ihre Fähigkeiten entlang der gesamten Einsatzkette verbessern. Das Projekt feir verfolgt einen erfahrungsorientierten Wissenstransfer und Planübungen mit Planspielplatten und Rollenspiele, zum Teil werden hier bereits Virtual Reality ( VR)- Lernumgebungen einge s et z t . Lernende übernehmen die Rolle der Einsatzleitung und lösen Entscheidungsprobleme anhand von Fallbeispielen. In der Regel sind Feedbackgespräche mit den Planübungen verbunden, um den Lernerfolg zu sichern. Ergänzt werden die Planübungen durch Rollenspiele, bei denen mehrere Personen verschiedene Positionen einnehmen. Blended Learning und E-Learning sind ebenfalls verbreitet und bieten flexible Möglichkeiten zur Vermittlung theoretischer Inhalte über Lernplattformen. Die Auswahl der Schulungsmethode kann die Effektivität der Schulung stark beeinflussen [4]. In einer Studie zur Bewertung von Präsenzschulungen für „Zwischenfälle mit gefährlichen Stoffen“ wurde festgestellt, dass die Teilnehmer die Zeit, die für die technischen Aspekte im Zusammenhang mit gefährlichen Stoffen aufgewendet wurde, als unzureichend empfanden. Sie wünschten sich zusätzliche Übungstage mit praktischen Aktivitäten und ein größeres Angebot an Auffrischungsschulungen [4]. Praktische Einsatzübungen gestalten sich jedoch schwierig, und die Anzahl und Vielfalt der Übungen sind begrenzt [5], was die Leistungssteigerung und Evaluation des Lernerfolgs erschwert. Aufgrund der inhärenten Gefahren des Feuerwehreinsatzes kann praktisches Training gefährlich und teuer sein [6]. Im Gegensatz dazu sind Online-Schulungen eine ef fiziente Lernmethode, allerdings mangelt es an Realismus und Interaktion der Nutzenden [7]. Ein weiterer Nachteil ist, dass Feuerwehrleute möglicherweise nicht dazu ermutigt werden, dass Gelernte auch außerhalb der Module anzuwenden. VR bietet eine vielversprechende Lösung, da es Das Projekt feir besteht aus einem Projektkonsortium, welches zwei Forschungseinrichtungen und drei innovative Unternehmen umfasst. Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) forscht gemeinsam mit dem Verbundkoordinator VOMATEC Innovations GmbH sowie den Verbundpartnern. Die VOMATEC Innovations GmbH verfügt über Kompetenzen im Bereich der Hilfsorganisation und Sicherheitsbranche sowie Expertise in der Softwarearchitektur von sicherheitskritischen Lösungen und Anforderungsübertragung von Anwenderkreisen in digitale Lösungen (intelligente Datenanalyse, Datenverknüpfung, und Datendarstellung sowie Schadenslagenbewältigung). Verbundpartner sind die amatik Designagentur, die langjährige Erfahrungen mit der Entwicklung von Virtual Reality- und Augmented Reality-Anwendungen vorweist, wie beispielsweise die Konzeption einer Virtual Reality Zeitreise durch Landtag von Schleswig-Holstein. antwortING Beratende Ingenieure PartGmbB hat unter anderem Erfahrung als Verbundkoordinator des Sicherheitsforschungsprojekts PrimAIR (Rettungsdienst), bei der Entwicklung und Bewertung von neuen Soft- und Hardwarelösungen und dem Transfer von Forschungsergebnissen zu Produkten zum Bevölkerungsschutz. Das Forschungszentrum Informatik (FZI) arbeitet im Bereich der Sicherheitsforschung, Mensch-Technik-Interaktionen, Augmented Reality, Sensorik und künstliche Intelligenz (Aktivitätserkennung, Sensordatenfusion, und -auswertung). Die Northdocks GmbH verfügt neben der Erstellung realistische VR-Szenarien durch Projekte im Werksfeuerwehrbereich auch Kenntnisse zu besonderen Anforderungen von Feuerwehr-Schulungen. FEIR - DAS KONSORTIUM STELLT SICH VOR PRAXIS + PROJEKTE Virtual Reality 18 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0029 Neue virtuelle Wege in der Ausbildung von Führungskräften im Feuerwehrwesen V R - A nwendungen im Bereich der Feuerwehrausbildung bieten eine spannende und innovative Möglichkeit, Einsatzkräfte auf realitätsnahe Weise zu schulen und ihre Fähigkeiten zu verbessern. Diese Anwendungen reichen von simulierten Brandszenarien bis hin zu komplexen Evakuierungsübungen und Führungskommandotraining und ermöglichen es den Feuerwehrleuten, in einer virtuellen Umgebung zu trainieren, die echten Einsatzszenarien ähnelt. Es gibt bereits erste Anwendungen, wie zum Beispiel FwESI (Feuerwehr Einsatz Simulator), in dem ermöglicht wird, virtuell eine Einsatzstelle zu erkunden, basierend auf dem Führungsvorgang nach FwDV 100 [15]. Dabei werden realistische Szenarien in einer virtuellen Umgebung dargestellt. Die Plattform Firefigher VR [16] bietet Grundlagentrainings, Spezialfälle und andere Feuerwehrszenarien in einer VR-Umgebung an. Durch die Nutzung einer VR-Brille können Feuerwehrleute verschiedene Situation des Feuerwehralltags virtuell absolvieren. FLAMECOACH [17] bietet operatives Training für den Umgang mit Handfeuerlöschern sowie die Simulation von Brandereignissen, um Ersthelfende zu schulen. Sie nutzen Geruch- und Wärmesimulationen sowie visuelle und akustische Hinweise. Das Trainingssystem RE-liON [18] ver wendet eine nachgebildete Wasserdüse in einer Mehrbenutzer-VR-Umgebung und erzeugt haptisches Feedback über intelligente Westen. In feir wird eine VR-Lernumgebung entwickelt, die variabel Szenarien produzieren kann und sich speziell auf die Ausbildung von Gruppenführern in der Feuerwehr konzentriert. Die Implementierung dieses Systems soll alltagstauglich sein und als Ergänzung zu den bisherigen Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten betrachtet werden. Dabei sollen die Szenarien möglichst realistisch sein und für die Übenden individuell angepasst werden, um einen idealen Lernfortschritt für jedes Individuum zu ermöglichen. Eine Möglichkeit zur Unterstützung dieses Prozesses könnte eine KIgestützte Evaluation des Lernfortschritts sein. Ein wesentlicher A spekt der erfolgreichen Führungsvorgangs, der in feir vermittelt werden soll, ist die Fähigkeit, einen Überblick über das Geschehen zu erhalten. Der Prozess des Führungs vorgangs beginnt mit der Erkundung des Einsatzortes, gefolgt von der Lagefeststellung und Planung. Selbst nach der Befehlsgebung ist die fortlaufende Lagefeststellung entscheidend. Der Führungsvorgang ist ein wiederkehrender Entscheidungsprozess, der nur mit Unterstützung von Informationen und der Zusammenarbeit aller Einsatzkräfte erfolgreich umgesetzt werden kann. Das Projekt feir orientiert sich an der F euer wehr- Diens t vorschrift 100 [FwDV 100], die den Einsatzführungsvorgang regelt und in verschiedenen Szenarien angewendet wird. Die Ausbildung von Gruppenführern bildet die Grundlage für alle Führungsebenen und ist daher von zentraler Bedeutung. Besonderes Augenmerk wird auf Stressoren gelegt, denen die Einsatzkräfte während des Einsatzes ausgesetzte sind. In herkömmlichen Übungen können diese nur bedingt nachgestellt werden. In der VR-Lernumgebung von feir können verschiedene Stressoren, wie laute Geräusche von Sirenen oder Brandmeldeanlagen, integriert werden, um eine realitätsnahe und stressige Umgebung zu schaffen, in der die Einsatzkräfte lernen können, unter chen Gefahrenabwehr steht im Mittelpunkt des Projektes, wobei Führungskräfte für den Führungsvorgang von Einsatzlagen geschult werden. VR hat sich bereits in verschiedenen Bereichen als effektives Schulungsinstrument bewährt, einschließlich der Vermittlung von Sicherheitsverfahren in Gefahrensituationen [8, 9], der Belastungsschulung von Soldat: innen [10] und als Lehrinstrument in der Fertigungsindustrie [11]. Forschungsergebnisse zeigen, dass VR eine wichtige Rolle in der Bildung spielt, insbesondere wegen seiner Fähigkeit, realistisches und immersives Feedback zu bieten [12]. Die Anwendung von VR im Sicherheits- und Verteidigungsbereich könnte daher erhebliche Vorteile für bestehende Schulungsprogramme aufweisen. Untersuchungen von Al Farsi et al. [13] haben ergeben, dass die Nutzung von VR-Anwendungen in Hochschuleinrichtungen den akademischen Leistungsfaktor erhöht, wobei Interaktivität, Effektivität, Effizient und Benutzerfreundlichkeit als wichtige Faktoren gelten. Die Nutzung von VR-Systemen führt zu einer Verbesserung der Lernleistung und des Innovationspotenzials der Lernenden, während auch positive Einstellungen der Lernenden gegenüber dem Unterricht festgestellt wurden. Im Bereich der Notfallszenarien hat sich VR ebenfalls als wertvolles Instrument erweisen, insbesondere bei der Simulation von Bränden [14]. Diese Simulationen ermöglichen es Feuerwehrleuten, sich auf reale Vorfälle vorzubereiten, sowohl körperlich als auch geistig, und fördern die sichere Brandbekämpfung in einer kontrollierten Umgebung. Die vielfältigen Ziele von Brandsimulationsszenarien reichen von der Schulung von Fachleuten bis zur Vorbereitung auf reale Einsätze [14]. PRAXIS + PROJEKTE Virtual Reality 19 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0029 79(5-6): 3495-515. doi: 10.1007/ s11042-019-08141-8. [13] Al Farsi G, Yusof ABM, Romli A, Tawafak RM, Malik SI, Jabbar J et al. A Review of Virtual Reality Applications in an Educational Domain. Int. J. 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Insbesondere bietet die immersive, partizipatorische und kollaborative Natur von VR-Training eine einzigartige und realistische Qualität, die in anderen Trainingsformen oft nicht gegeben ist [19]. Die Akzeptanz von VR-Trainings nimmt zu, da sie langfristig zu erheblichen Kostenvorteilen führen, denn die Kosten sind nach der Anschaffung der Technik und Software vergleichsweise gering, insbesondere im Vergleich zu den Kosten groß angelegter realen Übungen [20]. Bei risikoreichen Einsätzen in unterschiedlichen und komplexen Umgebungen kann VR potenziell sichere, immersive und kosteneffiziente Trainingsmethoden ermöglichen, um Feuerwehrleute sowohl physisch als auch psychisch auf reale Einsätze vorzubereiten [5]. VR-Pattformen bieten zukunftsweisende Möglichkeiten in der Ausbildung im Bereich Zivile Sicherheit, insbesondere auch in der Feuerwehrausbildung. LITERATUR [1] Geier W. Strukturen, Akteure und Zuständigkeiten des deutschen Bevölkerungsschutzes: Bundeszentrale für politische Bildung; 2021 [Stand: 16.04.2024]. Verfügbar unter: https: / / www.bpb.de/ shop/ zeitschriften/ apuz/ bevoelkerungsschutz-2021/ 327989/ strukturen-akteure-und-zustaendigkeiten-des-deutschen-bevoelkerungsschutzes/ . [2] Golecki P. Aufbau- und Führungsorganisation von Feuerwehr und Katastrophenschutz. In: Kern E-M, Richter G, Müller JC, Voß F-H, Hrsg. EINSATZORGANISATIONEN: Erfolgreiches handeln in hochrisikosituationen. [Place of publication not identified]: GABLER; 2020. S. 281-99. [3] Reich-Claassen J, Hippel A von. Angebotsplanung und -gestaltung. AUTOR*INNEN Daniela Heigenhauser, Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation, Nobelstraße 12, 70569 Stuttgart Rebecca Nell, Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation, Nobelstraße 12, 70569 Stuttgart \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissen schaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissen schaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikations wissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprach wissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Alt philologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissen schaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft PRAXIS + PROJEKTE Virtual Reality 20 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0029 \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissen schaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissen schaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikations wissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprach wissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Alt philologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissen schaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft BUCHTIPP Fritz Dieter Erbslöh Wasserstofftechnologie Technische, wirtschaftliche und politische Aspekte 1. Auflage 2023 310 Seiten €[D] 69,80 ISBN 978-3-8169-3533-9 eISBN 978-3-8169-8533-4 expert verlag - Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ Fax +49 (0)7071 97 97 11 \ info@narr.de \ www.narr.de Zur Umsetzung der Energiewende und Erreichung der Klimaziele werden zunehmend alternative Energieträger benötigt. Dem Wasserstoff kommt hierbei als Energieträger, der CO2-frei oder CO2-arm produziert werden kann, eine Schlüsselrolle zu. Das Buch gibt Einblicke in technische Verfahren zur Herstellung und Speicherung von Wasserstoff und in Verfahren der Energieerzeugung. Es erläutert, welche Rolle diesen Technologien im Rahmen der Energiewende zukommt und welche Anwendungen zukünftig wichtig sein werden. Inhalt Die frühe Geschichte - Technik - Wandler für Wasserstoff - Perspektiven der Anwendung - Wasserstoff und die Energiewende - energiepolitische Weichenstellungen 10 Jahre Zukunftsinitiative Klima.Werk Wie ein interkommunales Netzwerk eine Region blauer und grüner macht Agilität, interkommunale Zusammenarbeit, Klimaresilienz, naturnahe Regenwasserbewirtschaftung, Netzwerk, Schwammstadt, Selbstbeauftragung Andreas Giga, Ulrike Raasch, Nora Schecke Die Zukunftsinitiative Klima.Werk (ZI) ist ein Netzwerk der Emscher-Lippe-Region, das in diesem Jahr 10-jähriges Bestehen feiert. Die Akteure aus kommunalen und regionalen Verwaltungen, Wasserverbänden, Wissenschaft, Politik, Wirtschaft, Wohnungsbau, Industrie und vielen weiteren Bereichen haben sich zum Ziel gesetzt, die Region gemeinsam blauer und grüner und damit klimaresilient zu gestalten. Die ZI wird nicht nur von ihren Akteuren wertgeschätzt, auch national und international besteht großes Interesse, zu erfahren, wie und warum dieses Modell so erfolgreich ist. Einige Antworten hierauf gibt dieser Beitrag. Er zeigt, dass der Erfolg keineswegs projekt- oder zielimmanent ist, und beleuchtet neben einigen Umwegen auch die wichtigsten Erfolgsfaktoren und Prämissen für diese Form der (integralen und agilen, eigenverantwortlichen und selbstbeauftragten) Zusammenarbeit. Der Beitrag folgt der Entwicklung des Netzwerks von ersten stark wasserwirtschaftlich geprägten Appellen über das Aufzeigen von Synergien für städtebauliche oder wirtschaftliche Aspekte bis zur wachsenden Bereitschaft, die Beschäftigung mit der Ressource (Regen-)Wasser und blau-grünen Infrastrukturen in den Städten als elementar für die notwendige Anpassung an den Klimawandel dieser urban geprägten Region mit wechselvoller Geschichte aufzufassen. 22 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0030 Befestigung von Flächen sollten wo möglich die schnelle und vollständige Ableitung von Regenwasser in die Kanalisation ersetzen. Der Appell dieser Jahre war ebenso klar wie einseitig: „Die Emschergenossenschaft baut die Gewässer um. Damit das gut geht, müssen Flächen von der (Misch-)Kanalisation abgekoppelt werden.“ Im Rückblick ist es fast erstaunlich, dass diese wenig inkludierende oder motivierende „Werbung“ bereits Resonanz hatte und erste Maßnahmen zur Abkopplung im Siedlungsbestand - durch Kommunen, aber auch durch private und gewerbliche Immobilieneigentümer: innen, Kirchen und Wohnungsbaugesellschaften - umgesetzt wurden. Mit jedem umgesetzten Projekt wuchsen die Erfahrungen und das Wissen über Chancen und Grenzen des Machbaren. Werbewirksamer als bislang wurden die Vorteile für Maßnahmenträger: innen stärker betont: Geringere Abwassergebühren, ein ansprechendes ( Wohn-)Umfeld, Verbesserung des Kleinklimas, Entlastung der Grundstücksentwässerung - das Bewusstsein für die möglichen Mehrwerte wuchs kontinuierlich und bestärkte die Pioniere und Promotoren der Idee in ihrem Engagement. Seit den 2010er-Jahren bekam dann auch die Anpassung an den Klimawandel einen immer größeren Stellenwert, die die Maßnahmen der naturnahen Regenwasserbewirtschaftung unter dem Begriff der „Schwammstadt“ subsumiert. Warum blieb - gemessen an sonstigen Entwicklungen im Stadtbild - die Verbreitung der naturnahen Regenwasserbewirtschaftung trotzdem hinter den Möglichkeiten zurück? Dazu braucht es einen kurzen Blick in die Strukturen kommunaler Verwaltungen. Die meisten Kommunen haben in den letzten Jahren die Wichtigkeit von Klimaschutz und Klimaanpassung erkannt und den Aufgabenbereich der Klimaschutzbzw. Klimaanpassungsmanager: innen geschaffen. Dabei lassen sich diese Aufgaben nicht über ein einzelnes Amt lösen - für die Umsetzung der als notwendig erkannten Maßnahmen sind weiterhin der Straßenbau, die Immobilienwirtschaft, das Grünflächenamt, der Hochbau etc. zuständig. Eine breite Umsetzung von Maßnahmen ist also nur durch die integrale Betrachtung von Planungen möglich. Sogenannte „Regenwasserbeauftragte“ - in der Regel Mitarbeiter: innen der Tiefbau- oder Umweltämter - sollten in den Kommunen die Umsetzung von Maßnahmen zur Abkopplung koordinieren und als erste Ansprechpartner: innen für die Emschergenossenschaft, aber auch für Bürger: innen und alle anderen Flächeneigentümer: innen in ihren Kommunen fungieren. Eine nahezu unlösbare Aufgabe, fehlte es doch an entsprechenden Legitimationen, Veränderungen konkret einzufordern und durchzusetzen. Das wurde bei den seit den 1990ern stattfindenden jährlichen Treffen der „Regenwasserbeauftragten“ auch zunehmend deutlich. Diese Situation galt es in allen Kommunen der Region aufzulösen. Das Tref fen in 2014 stellte dann einen Wendepunkt dar, der heute als die Geburtsstunde der Zukunftsinitiative angesehen werden kann. Mit der Identifikation von „Stellschrauben“ und aus der Erfahrung über die eigene Wirkmächtigkeit in einem Zusammenschluss von Gleichgesinnten („Leidensgenoss: innen“) bildeten sich erste Arbeitsgruppen - die Vorläufer der heutigen Expertennetzwerke der ZI - mit dem Ziel, konkrete Veränderungen anzustoßen. Zunächst waren es einzelne Treiber aus der Emschergenossenschaft und einigen Kommunen, die mit ihrer Begeisterung und ihrem Einsatz andere angesteckt und mit- Warum die Zukunftsinitiative vor zehn Jahren entsteht: Den Anfang macht ein Ende Die ZI gibt es seit 10 Jahren. Um ihr Entstehen zu begreifen, muss man allerdings deutlich weiter zurückgehen - bis in die 1990er- Jahre. In dieser Zeit begann in der Industrieregion „Emschergebiet “ die Emschergenossenschaft als Flussgebietsbewirtschafterin mit dem Umbau des altindustriellen Emscher-Systems. Mit der Nordwanderung des Bergbaus waren auch die Bergsenkungen weitestgehend abgeschlossen, und die offenen Abwasserableitungen in begradigten Gewässern verloren ihre Notwendigkeit. Bei den Planungen für neue, abwasserfreie Gewässer ging es von Beginn der Planungen an auch um den Wasserhaushalt und die Wasserbilanzen. Durch die großflächige Bebauung ist einerseits die Grundwasserneubildung im Emschergebiet stark verringert, der hohe Versiegelungsgrad andererseits führt zu steilen und großen Abflussspitzen. Eine weitestgehend abgeschlossene Siedlungsentwicklung im größten Teil des Einzugsgebietes, ein Bestandsschutz für bestehende Grundstücksentwässerungen (im Mischsystem) sowie großflächige Polderlandschaften limitierten die Handlungsmöglichkeiten des Wasserwirtschaftsverbandes Emschergenos senschaf t , hier selbst direkt oder indirekt für eine Veränderung im Umgang mit der Ressource Regenwasser zu sorgen. Mit zahlreichen Informationskampagnen, ergänzt durch finanzielle Unterstützung durch den sogenannten „Regenwasserwettbewerb“, wurde in den folgenden Jahren dafür geworben, Regenwasser von der Kanalisation abzukoppeln. Maßnahmen der naturnahen Regenwasserbewirtschaftung wie Versickerung, Dach- oder Fassadenbegrünung, Entsiegelung oder durchlässige PRAXIS + PROJEKTE interkommunale Zusammenarbeit 23 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0030 Hebel zur Umsetzung verschiedener Maßnahmen geschaffen. Bis 2030 können so im Rahmen der Förderrichtline „Klimaresiliente Region mit internationaler Strahlkraft “ (kurz: KRiS) und mit Unterstützung durch die jeweiligen Wasserwirtschaftsverbände rund 250 Mio. EUR in den klimafesten Umbau der Region investiert werden. Aus einer gemeinsamen Aktion der Emscherkommunen wurde ein Unterstützungsangebot für den gesamten Planungsraum des Regionalverbandes Ruhr (RVR), der als Förderkulisse gilt (Bild 1). Seit 2020 gibt es zudem die Serviceorganisation in der Emschergenossenschaft, die als zentraler Ansprechpartner und Kümmerer rund um das Thema Klimafolgenanpassung fungiert. Die Emschergenossenschaft übernimmt als Teil der ZI-Verantwortung in der Region und ermöglicht mittels der Serviceorganisation die kontinuierliche Unterstützung und Weiterentwicklung des Netzwerkes. Gemeinsam mit den Kommunen sichert sie so den Bestand und die Handlungsstärke der ZI. Bild 1: Kommunen im Netzwerk der Zukunftsinitiative Klima.Werk (dunkel hinterlegt) und Fördergebiet der KRiS-Förderung. © Zukunftsinitiative Klima.Werk / EGLV genommen haben, so dass die Zahl der Aktiven schnell wuchs. Aus einem resignierten „man müsste mal“ wurde ein „das starten wir jetzt“, woraus zwei der wichtigsten Leitlinien der Zusammenarbeit werden sollten: „Wenn du willst, dass etwas geschieht, dann nimm es in die Hand“ und „Wenn du es nicht machst, musst du es so nehmen, wie andere es gestalten.“ Wie die Zukunftsinitiative sich entwickelt: Vom Regenwasserwettbewerb zur klimaresilienten Region Diese und weitere Leitlinien für ein gemeinsames Handeln spiegeln sich in den Erfolgen und Meilensteinen des Netzwerks wider. Die 2014 unterzeichnete Absichtserklärung der 16 Städte und Gemeinden des Emschergebietes, der Emschergenossenschaft und des Umweltministeriums des Landes NRW bildete den Start der Zukunftsinitiative Klima.Werk (damals noch „Wasser in der Stadt von morgen“) und stärkte die Zielbilder einer wasserbewussten und nachhaltigen Entwicklung der Region sowie die politische Legitimation für ein integrales, agiles und interkommunales Handeln zur Verbesserung der Klimaresilienz. 2019 bewirkte die Zusammenarbeit in der Zukunftsinitiative die erfolgreiche Einreichung des Projektes „Klimaresiliente Region mit internationaler Strahlkraft “ bei der vom Land NRW veranstalteten Ruhrkonferenz. Das Vorhaben stellt eine regionale Klimaanpassungsinitiative dar, gemeinsam den extremen Auswirkungen von Hitzeperioden und Starkregenereignissen durch eine naturnahe und integrierte Siedlungswasserwirtschaft entgegenzuwirken. Um dies zu erreichen, einigten sich die Emscherkommunen verbindlich auf einheitliche, konkrete Ziele: Bis 2040 sind 25 % der befestigten Flächen von der Mischwasserkanalisation abzukoppeln, um den Abfluss des Regenwassers in die Mischwasserkanalisation zu verringern und den natürlichen Wasserhaushalt zu stärken. Daneben soll auch die Verdunstungsrate um 10 Prozentpunkte gesteigert werden. Mit der Förderung dieses Vorhabens für eine blau-grüne Region wurde durch das Umweltministerium NRW ein finanzieller PRAXIS + PROJEKTE interkommunale Zusammenarbeit 24 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0030 und integrale Zusammenarbeit zu organisieren. Doch wie kann das gelingen? In der Zukunftsinitiative Klima. Werk gibt es in jeder Kommune sogenannte „Stadtkoordinator: innen“. Sie sind als „kommunale Gesichter der ZI“ die Verbindungsstelle nach „innen“ (in ihre Kommune) sowie nach „außen“ (in die ZI). Die Stadtkoordinator: innen kümmern sich u. a. um Trägerschaft der ZI in den eigenen Städten und Verwaltungsspitzen, um die Mitarbeit von Vertreter: innen aus den Kommunen in der Zukunftsinitiative und bringen die integrale, fachbereichsübergreifende Zusammenarbeit und Planung von wassersensiblen Maßnahmen weiter voran. Ihr Engagement ist somit ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Ein kleines Team aus Stadtkoordinator: innen und Mitarbeiter: innen der Serviceorganisation kümmert sich zudem um die direkte Verbindung zwischen Sach- und Führungsebene und sichert den schnellen Informationsaustausch sowie das gegenseitige Verständnis auf eine Strategie und sorgt dafür, dass das Netzwerk in seiner Gesamtheit „auf Kurs bleibt“. Aber warum hat das Netzwerk auch nach 10 Jahren Bestand und wächst mit weiteren Lippekommunen stetig? Ein wichtiger Aspekt dabei ist die Identifikation mit dem Netzwerk. Nur wenn es ein Gemeinschaftsgefühl und eine gemeinsame Handlungsrichtung gibt, ist man bereit, sich aktiv einzubringen. Das wiederum ist die Voraussetzung, auch Verantwortung zu übernehmen und seinen „Teil“ für die Zielerreichung beizutragen. „Wir sprechen im Klima.Werk oft von der ZI-Familie. Das Netzwerk ist so stark, weil gegenseitiges Geben und Nehmen Teil unserer Kultur sind“, findet die Stadtkoordinatorin Henrike Abromeit aus Bottrop. In Netzwerken kann man nichts „anweisen“. Hier sind Freiwilligkeit und das Pull- Prinzip die Basis des Handelns. Diese wiederum entsteht, weil man sich selber persönlich entwickeln und stets seinen Horizont erweitern kann, sein eigenes Netzwerk ausbaut und merkt, dass man gemeinsam mehr erreichen kann als alleine. Um die Kultur und Arbeitsweisen erlebbar zu machen und so zu arbeiten, gibt es in der ZI verschiedene Formate und Werkzeuge. Die Mitarbeit im Klima.Werk fühlt sich für den Stadtkoordinator Frank Restemeyer aus Gladbeck an „wie in einem anderen Betriebssystem“: Die meisten Verwaltungen sind geprägt von hierarchischen Strukturen. Für wiederkehrende Daneben berät die Serviceorganisation zu Fördermöglichkeiten, synchronisiert Einzelinteressen und hilft bei der Entwicklung von Projektideen und Standards sowie der gemeinsamen Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation unter dem Dach der Zukunftsinitiative Klima.Werk. Dies geschieht in einer vertrauensvollen und agilen Kultur der Zusammenarbeit, die Grundlage des gemeinsamen Handelns ist und eine integrale Projektarbeit unterstützt. So sind bereits viele Projekte auf den Weg gebracht und umgesetzt worden (Bild 2), die an früheren Abkopplungsmaßnahmen, die im Rahmen der „Zukunftsvereinbarung Regenwasser“ (als anteilsmäßige Förderung der Emschergenossenschaft) entstanden sind, ansetzen und die integrale Zusammenarbeit weiter professionalisieren. Die Projekte decken die gesamte Palette möglicher Schwammstadtmaßnahmen ab. Insgesamt wurden so in den Städten und Gemeinden der Emscherregion seit Start der gemeinsamen Anstrengungen mehr als 500 ha Fläche abgekoppelt. Bis 2030 sollen diese Erfolge durch die KRiS-Förderung noch weiter ausgebaut werden, um unsere Quartiere zukunftsfähig und lebenswerter aufzustellen. Wie die Zukunftsinitiative funktioniert: Von Formaten bis Arbeitsweisen Oft hören wir: „Wir haben kein Wissensdefizit, sondern ein Umsetzungsdefizit! “ Doch wie kommen wir vom Reden zum Handeln? Anders als in vielen Organisationsformen gibt es in Netzwerken keine vorgegebenen Arbeitsweisen und Strukturen. Sie können passend zu den Aufgaben funktionierende Strukturen und weiterbringende Arbeitsweisen etablieren und diese auch jederzeit anpassen. Für die Umsetzung von Projekten gilt es, Akteure zu gewinnen Bild 2: Multifunktionale Sport- und Freizeitfläche „Am Hausacker“ in Bochum (mit kombinierten Maßnahmen wie Versickerungsmulden, Baumrigolen, Retentionsflächen und Begrünung) © Zukunftsinitiative Klima.Werk / EGLV PRAXIS + PROJEKTE interkommunale Zusammenarbeit 25 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0030 sation nimmt sich der Aufgabe des Scrum Master selbstbeauftragt an, koordiniert die Treffen und kümmert sich um die Zusammenarbeit und Arbeitsfähigkeit im Expertennetzwerk. Mittlerweile wurden so bereits viele Netzwerke ins Leben gerufen, die an unterschiedlichen Produkten gearbeitet haben (oder weiterhin arbeiten) und sich nach Zielerreichung oder auch aufgrund von Anforderungs- oder Zielverschiebungen wieder dynamisch auflösten. Beispielhaft genannt sei das Netzwerk „Wassersensible Gebührengestaltung “, das eine gleichnamige Arbeitshilfe erstellt hat, oder das aktuelle Netzwerk der „Klimamanager: innen“, das Steckbriefe für eine gemeinsame Entwicklung und Bewertung von wassersensiblen Maßnahmen aus der Perspektive von Klimaanpassung und Klimaschutz erarbeitet hat. Ein „Klimapuzzle“ und weitere Materialien zur Umweltbildung und auch Öffentlichkeitsarbeit sind im Netzwerk „Kommunikation“ entstanden. Das Netzwerk „Baumrigolen“ bringt bundesweit Akteure der Wasserwirtschaft zusammen, um die (verfahrens-)technischen Implikationen von Baumrigolen zu eruieren und Lösungen für die integrale Planung und Umsetzung zu entwickeln. Ziel der Expertennetzwerke ist immer auch der interkommunale Wissens- und Erfahrungsaustausch. Dies alles entsteht aus einzelnen „Keimzellen“: Jemand hat eine Idee oder ein Anliegen und es finden sich Menschen, die diese Idee in die Umsetzung bringen. Die monatlich stattfindenden Stadtkoordinator: innentreffen dienen als weiteres Vernetzungs- und Arbeitsformat, in denen regelmäßig nach diesem Prinzip neue Aktivitäten entstehen. In diesen Treffen geht es darum, aktuelle Neuigkeiten und Informationen mit dem Netzwerk zu teilen und in Workshoprunden konkrete Anze diese Veranstaltung, um mich über meine Anliegen oder die aktuelle Fragestellung mit vielen Fachleuten aus anderen Kommunen auszutauschen und gemeinsam zu arbeiten“, stellt Tobias Unterbäumer von der AGG Gelsenkanal fest. Formate wie dieses entwickelten sich aus den Anforderungen des Netzwerks heraus und knüpfen an dessen kooperative und hierarchiefreiere Arbeitsweise an, z. B. an die seit 2014 gegründeten Arbeitsgruppen. Daraus entstanden die heutigen Expertennetzwerke, in denen gemeinsam an der innovativen Weiterentwicklung der Zukunftsinitiative sowie an fachspezifischen Themen und Fragestellungen gearbeitet wird. Die Organisation der Expertennetzwerke basiert auf agilen Prinzipien, die (in teilweise abgewandelter Form) für die vernetzte und flexible Zusammenarbeit im Netzwerk essenziell ist. Ein sich gründendes Netzwerk setzt sich eigeninitiativ zusammen, wobei kommunale Vertreter: innen (typischerweise die Stadtkoordinator: innen oder Dezernent: innen) die Rolle der Product Owner einnehmen, also als Anliegengeber: innen fungieren und die Zielerreichung der „Produkte“ überblicken. Die Serviceorgani- Aufgaben stellt dies eine gute Arbeitsweise dar. Die Klimafolgenanpassung ist jedoch aufgrund ihrer Herausforderungen, der gesetzlichen Rahmenbedingungen und der Vielzahl an Akteuren eine sehr komplexe Aufgabe. Hier braucht es statt Zuständigkeitsdenken und gleichbleibender Handlungsmuster andere, z. B. integrale und neue Herangehens- und Arbeitsweisen. In der ZI gibt es das dafür passende „Betriebssysteme“. Es werden Formate und Arbeitsweisen gemeinsam entwickelt und umgesetzt. Das bringt Trägerschaft und Engagement. Man löst sich dabei von seinem oft „sektoralen“ Denken und trägt zur Lösungsfindung und dem Überwinden von Hürden für die Umsetzung von Maßnahmen bei. Es wird miteinander statt neben- oder sogar gegeneinander gearbeitet. Die Energie des früher häufigen „Kirchturmdenkens“ einzelner Kommunen wird in der ZI in eine gemeinsame Handlungsrichtung gelenkt und genutzt. Ein Format hierfür sind z. B. die jährlich stattfindenden „Expertenforen“ (Bild 3) mit über 350 Teilnehmenden aus Verwaltung und Wissenschaft als große Innovations-, Vernetzung- und Arbeitsplattform. „Ich nut- Bild 3: Zusammenarbeit in Workshops beim Expertenforum 2023 in Duisburg. © Zukunftsinitiative Klima.Werk / EGLV PRAXIS + PROJEKTE interkommunale Zusammenarbeit 26 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0030 eigene Selbstwirksamkeit kann die Schwammregion entstehen. Der Nutzen für den Einzelnen wird schlussendlich ein Nutzen für die gesamte Region. Eingangsabbildung: © Emschergenossenschaft/ Lippeverband gemeinsam besser zu erreichen, macht die ZI mit ihrer „Schlagkraft“ und ihrer Beständigkeit aus. Die Effizienz des Netzwerks lebt davon, dass jeder seinen Beitrag leistet und vom geteilten Wissen profitiert - Arbeitsaufträge werden nicht einfach formuliert und delegiert, sondern gemeinsam auf verschiedene Schultern verteilt. Diese Kultur der Zusammenarbeit ermöglichte die aufgezeigten Erfolge und wird auch in Zukunft eine Schlüsselrolle bei der klimaresilienten Transformation unserer Region einnehmen. Der Nutzen wird mit jeder umgesetzten Klimaanpassungsmaßnahme für die Bürger: innen sicht- und spürbar: Insbesondere die dicht besiedelten und stark versiegelten Quartiere und Räume profitieren von blau-grünen Maßnahmen, durch die die Verdunstung erhöht und die Aufenthaltsqualität gesteigert wird. Die unterschiedlichen Förderprogramme schaffen auch für Privatpersonen Anreize, selbst tätig zu werden (siehe z. B. die Website der ZI Klima.Werk: www.klima-werk.de). Erst durch die Vielzahl an Maßnahmen sowie durch ein gesteigertes Bewusstsein für Nachhaltigkeit und die liegen und Probleme gemeinsam und agil zu bearbeiten. Letztlich ist es genau das, was uns „vom Reden zum Handeln“ bringt, gepaart mit Freude und Zufriedenheit. Die Zukunftsinitiative als Modell: Ein Fazit Nach diesen Prinzipien des gemeinsamen und integralen Handelns und mit dem beschriebenen Bewusstsein, dass wir gemeinsam die Region und unsere verschiedenen Lebens- und Arbeitswelten gestalten können, richtet die Zukunftsinitiative auch zukünftig ihre Kultur, Arbeitsweisen und Grundprämissen der Zusammenarbeit aus. Wichtig dabei ist, dass neue Akteure und Kommunen, die dem Netzwerk beitreten und sich dort engagieren, die agile und vertrauensvolle Kultur der Zusammenarbeit übernehmen und selbst weitertragen. Gerade durch die vertrauensvollen Arbeitsbeziehungen zwischen den Menschen im Netzwerk, das gemeinsame Entwickeln von Projekten, das Erfahren von Erfolgen (und Misserfolgen) entsteht ein gemeinsames Selbstverständnis. Die Überzeugung, das Richtige zu tun und dies AUTOR*INNEN Andreas Giga Leiter der Serviceorganisation der Zukunftsinitiative Klima.Werk bei Emschergenossenschaft/ Lippeverband Kronprinzenstraße 24, 45128 Essen giga.andreas@eglv.de Ulrike Raasch Projektentwicklerin in der Serviceorganisation der Zukunftsinitiative Klima.Werk bei Emschergenossenschaft/ Lippeverband Kronprinzenstraße 24, 45128 Essen raasch.ulrike@eglv.de Nora Schecke Projektentwicklerin in der Serviceorganisation der Zukunftsinitiative Klima.Werk bei Emschergenossenschaft/ Lippeverband Kronprinzenstraße 24, 45128 Essen schecke.nora@eglv.de Anzeige Zunehmender Flächenversiegelung entgegenwirken, Regenwasser regulieren, die Kanalisation entlasten, das Stadtklima verbessern und Aufenthaltsorte zum Wohlfühlen schaffen. Nachhaltige Stadtentwicklung mit Begrünungssystemen vom Marktführer OPTIGRÜN macht’s möglich! Optigrün international AG | optigruen.de PRAXIS + PROJEKTE interkommunale Zusammenarbeit Ökologischer Stadtumbau im regionalen Strukturwandel Erfahrungen mit einem partizipativen Ansatz aus Hoyerswerda Ökologischer Stadtumbau, regionaler Strukturwandel, Partizipation, Klimawandel und Klimaanpassung Constanze Zöllter, Regine Ortlepp, Robert Knippschild, Atiqah Fairuz Binte Md Salleh, Juliane Dziumla, Nora Huxmann, Andreas Kretschmer Hoyerswerda in der sächsischen Lausitz befindet sich im Strukturwandel und hat in der Vergangenheit massive Bevölkerungsverluste hinnehmen müssen. Nun versucht die Stadt in Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Institutionen, entstandene Leerstände und Freiflächen zu nutzen, um unter Mitwirkung der Bevölkerung, Pilotmaßnahmen zum ökologischen Stadtumbau, zum Klimaschutz, zur Klimaanpassung sowie zur Kreislaufwirtschaft umzusetzen. Hoyerswerda: demographische, ökonomische und ökologische Herausforderungen Die große Kreisstadt Hoyerswerda im sächsischen Teil des Lausitzer Braunkohle-Reviers befindet sich seit Jahrzehnten im Wandel. Im 19. und 20. Jahrhundert erlebte die Kleinstadt einen spürbaren Aufschwung, verstärkt durch den Bau des Gaskombinats Schwarze Pumpe ab 1950, was zu einem rasanten Bevölkerungsanstieg auf über 70.000 Menschen und entsprechendem Wohnraumbedarf führte. Daraufhin entstand Hoyerswerda-Neustadt, die weltweit erste Stadt, die für den „Industriellen Wohnungsbau“ geplant und errichtet wurde. Der Verlust von gut bezahlten Industriearbeitsplätzen nach der politischen Wende 1990 führte jedoch zu einem enormen Wegzug von jungen Menschen und Familien. Die Bevölkerungszahl liegt derzeit bei circa 32.000 Menschen (Statistisches Landes- 28 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0031 auf begrenzte Themen reduziert. So begrüßenswert solch wertvolle Initiativen wie beispielsweise der Zero City-Ansatz (Klimaneutralität), der Zero Waste City- Ansatz (Kreislaufwirtschaft), der Edible City-Ansatz (Essbare Stadt) oder die Future City-Initiativen (Zukunftsstadt) auch sind, sie ermöglichen bisher nur Teillösungen. Im Rahmen des Projektes „New- CityConcepts“ wurden in inter- und transdisziplinärer Zusammenarbeit Grundlagen für eine solche Sektoren integrierende Methodik erarbeitet, wie Städte auf innovative und partizipative Weise die komplexen Herausforderungen einer nachhaltigen zukünftigen Entwicklung bewältigen können. Dafür initiierte die Hoyerswerda einen Kooperationsverbund aus Wissenschaft, Wirtschaft und bürgerschaftlichem Engagement, welcher Methoden und Instrumente für eine partizipative Gestaltung eines konkreten Standortes im Sinne eines Reallabors erprobte (Parodi et al. 2016, Schneidewind 2014). Für einen ausgewählten Standort in Hoyerswerda-Neustadt wurden gemeinschaftlich Zukunftsszenarien und Visionen entwickelt, wie eine Revitalisierung und ökologisch angepasste Weiterentwicklung dessen aussehen könnte. Ziel des Projekts war es, insbesondere Formate zu erproben, die aus einer Kooperation von Bürgerschaft, Stadt ver waltung und Wissenschaft entstehen. Die Auswahl eines konkreten Fallgebietes bildete hierfür die Grundlage. Aus drei potenziell geeigneten Standorten wurde vom Kooperationsverbund das in dem Stadtteil Hoyerswerda-Neustadt gelegene Gelände der Schule am Planetarium ausgewählt. Das Schulgebäude (Abb. 1) steht seit einigen Jahren leer, lediglich das Planetarium (Abb. 2) wird durch einen ortsansässigen Verein noch genutzt, allerdings ist der Umzug an einen amt des Freistaates Sachsen 2024) mit einem Altersdurchschnitt von knapp 53 Jahren (Große Kreisstadt Hoyerswerda 2023). Der Bevölkerungsrückgang hat sich dramatisch auf den lokalen Wohnungsmarkt und Handelssektor ausgewirkt sowie zu einer Unterauslas tung der sozialen Infrastrukturen geführt. In den 2000er-Jahren erfolgte daher im Zuge des F örderprogrammes „ Stadtumbau Ost “ ein flächenhafter Rückbau ganzer Quartiere. Dabei wurde insbesondere durch die Entwicklung einer „grünen Mitte” zwischen der Altstadt und Hoyerswerda-Neustadt sowie des „grünen Saums“ an den Stadträndern als Übergang zur Landschaft ein Augenmerk auf eine erhöhte Freiraum- und Lebensqualität gelegt (Große Kreisstadt Hoyerswerda 2008). Mit dem Kohleausstieg bis 2038 steht Hoyerswerda vor neuen Herausforderungen, unter anderem dem Aufbau von neuen Arbeitsplätzen in Zukunftsbranchen sowie der Gestaltung einer sicheren, umwelt verträglichen und wirtschaftlich erfolgreichen Zukunft der Stadt. Projekt: „NewCityConcepts“ Das Projekt „NewCityConcepts“ entwickelte und erprobte in der Stadt Hoyerswerda die Grundlagen für ein Reallabor zu partizipativer Stadtentwicklung als übertragbares Beispiel für einen gelingenden Strukturwandel in den Kohlerevieren. Weltweit werden ganzheitliche Lösungsansätze für eine partizipative und nachhaltige Stadtentwicklung gesucht, erforscht und modellhaft erprobt. In der Bundesrepublik werden dabei bislang Sektorengrenzen kaum überwunden. Herausragende Initiativen zu ökologischen und sozioökonomischen Entwicklungen der Stadt- und Raumplanung sind Bild 1: Fallgebiet mit Schulgebäude (Foto: R. Ortlepp) Bild 2: Planetarium auf dem Schulgelände (Foto: R. Ortlepp) PRAXIS + PROJEKTE Strukturwandel 29 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0031 Beteiligungsformate angeboten, in denen diese diskutiert und weiterentwickelt werden konnten. Ein Erzählcafé dokumentierte die Meinungen der Bürgerschaft über die vorgestellten Zukunftsvisionen. Außerdem bot es die Möglichkeit, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten und zu diskutieren (Abb. 3). Eine Skizzenlounge gestattete eine kreative zeichnerische Auseinandersetzung mit dem Gebiet in der ersten und zweiten Dimension. Mittels Skizzenpapier konnten die Teilnehmenden ihre Ideen in verschiedenen Bereichen der Pläne visualisieren, verändern und auch wieder verwerfen (Abb. 4). Letztlich bot ein Modellbau die Möglichkeit, Ideen für das Gelände auch physisch anhand verschiedener Materialien umzusetzen. Startpunkt waren lediglich zwei A0-Pläne sowie die 3D-Drucke der Schule und des Planetariums und der Baukörper der Sporthalle. Die weitere modellhafte Gestaltung des Geländes oblag den Teilnehmenden der Veranstaltung (Abb. 5). Abbildung 6 zeigt einen Überblick der methodischen Schrittfolge im Laufe des Projekts. Dabei war die mehrstufige Beteiligung der Bürgerschaft entscheidend für den Prozessverlauf. Eine detaillierte Beschreibung der Beteiligungsformate und deren Ergebnisse enthält der Sachbericht des NewCityConcepts-Kooperationsverbundes (NCC-Forschungsverbund 2024). Elemente eines ökologischen Stadtumbaus Ein fachlicher Input zu Beginn des Beteiligungsprozesses war als inhaltliche Grundlage für die Teilnehmenden konzipiert, um neue und innovative Ideen einzubringen und aufzuzeigen, welche Möglichkeiten und Potenziale am Standort bestehen. Neben einer Revitalisierung der brachgefalle- Bild 3: Fallgebiet mit Erzählcafé (Foto: A. F. Binte Md Salleh Bild 4: Skizzenlounge (Foto: R. Knippschild) neuen Standort bereits in Planung. Das Gelände vereint sowohl (teils versiegelte) Freiflächen als auch Gebäude verschiedener Bauarten (Schulgebäude, Planetarium und Turnhalle), die sich für eine pilothafte Erprobung von Maßnahmen zur Klimaanpassung eignen und an denen innovative Konzepte getestet werden könnten. Bei einer ersten öffentlichen Veranstaltung mit Stadtverwaltung, wissenschaftlichen Einrichtungen und Bürgerschaft wurden theoretisch-konzeptionelle Nachnutzungen vorgestellt und dann in einem Vor-Ort-Workshop- Format gemeinschaftlich Ideen und Visionen für die Nachnutzung entwickelt und in einem Thesenpapier zusammengefasst. Dieses diente als Orientierungsrahmen für Studierende der Landschaftsarchitektur, welche im Rahmen eines Studienprojektes drei Visionen für den Standort erarbeiteten. Nach der Präsentation dieser Visionen in einer weiteren öffentlichen Veranstaltung wurden wiederum drei unterschiedliche PRAXIS + PROJEKTE Strukturwandel 30 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0031 Sukzessionsgrün bestünden Möglichkeiten, die Fläche exemplarisch und als Vorbild und Anknüpfungspunkt für das gesamte Stadtgrün zu entwickeln. Auch die soziale Nachhaltigkeitskomponente ist dabei von großer Bedeutung. Die Nutzung der entstehenden Grünräume für konkrete gesundheitsfördernde Projekte wurde exemplarisch dargestellt, die mit einem „Planetengarten“ überdies auf die historische Bedeutung des Ortes anspielt und so eine Anknüpfung an die Geschichte des Ortes sucht (Claßen et al. 2014, Cox et al. 2017). Im Themenfeld Urban Farming wurde insbesondere das Konzept des Vertical Farmings behandelt, da es sich international zunehmend als eine vielversprechende Lösung für die Zukunft der Landwirtschaft und regionaler Lebensmittelerzeugung etabliert. Diese Methode nutzt Ressourcen effizient durch die vertikale Anordnung mehrerer P f lanzebenen oder nutzt vorhandenen Raum in, auf und an Gebäuden. Im Vergleich zu den in Hoyerswerda reichlich vorhandenen Kleingartenflächen könnte man mit Vertical Farming, beispielsweise mit hydroponischen Pflanztürmen auf Dächern, mitten in der Stadt große Erträge erzielen, die kommerziell vertrieben werden können, ohne fruchtbaren Boden zu benötigen (Zareba et al. 2021). Gleichzeitig lassen sich Vertical Farming Konzepte so integrieren, dass Gebäude und umliegende Flächen durch die Begrünung gekühlt werden (Gupta and Mehta 2017). Lokale Lebensmittel könnten so direkt am Standort für die Bürgerschaft angebaut werden. In Transformationsprozessen hin zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft kann Vertical Farming daher eine entscheidende Rolle spielen. Zu den spannenden Optionen neuer und im urbanen sowie ländlichen Umfeld nutzbaren Ernährungssystemen (New Food Systems) gehören auch die inter- und transdisziplinär entstehenden Entwicklungen zur Verknüpfung von Aquakulturs ystemen mit einem gartenbaulichen Pflanzenbau, vorrangig Kräuter, Algen und Microgreens ( Verdegem et al. 2023). Der Schwerpunkt der fachlichen Einführung lag auf der Verdeutlichung, wie relevant Lernorte für diese neuen wasser- und bodensparenden Technologien und Systeme sind, aber auch welcher Handlungsbedarf in der Skalierung besteht, da der Standort selbst keine wirtschaftlich tragfähigen Produktionsgrößen zulässt, aber Bildungs-, Experimentier- und Skalierungsräume bietet. Gleichwohl haben Hoyerswerda und das Umland exzellente Möglichkeiten, dies auch zu wirtschaftlich tragfähigen Unternehmensgründungen oder -ansiedlungen fortzuentwickeln und als nachhaltig regionale Wertschöpfung zu etablieren. nen Fläche spielten insbesondere der Innovationsgehalt blau-grüner Infrastruktur und die Stärkung des Stadtgrüns eine wesentliche Rolle bei den beteiligten Institutionen. So wurde auf verschiedene Funktionen hingewiesen, welche die Fläche sozial, ökologisch und auch ökonomisch für die Stadt Hoyerswerda spielen könnte. Im R a hm e n v on K lima a n passungskonzepten wurde das Schwammstadtkonzept als innovativer Ansatz zur Bewältigung von städtischen Herausforderungen im Zusammenhang mit nachhaltiger Wasserversorgung und -bewirtschaf tung besprochen. Ziel des Konzepts ist es, Wasser in der Fläche zu halten, um die Aus wirkungen von Starkrege nereignissen zu minimieren und die ökologische Nachhaltigkeit grüner Infrastruktur zu fördern. Diese trägt zur Verbesserung des Stadtklimas und zur Abmilderung urbaner Hitzeinseleffekte bei (Ferber et al. 2021, Shao, Ma 2022). An dem Schulstandort könnte das S chwamms t adtkonzept durch eine entsprechende Gestaltung des Schulhofes sowie Maßnahmen an den Gebäuden umgesetzt werden. Grünflächen könnten die Zurückhaltung von Regenwasser ermöglichen, ebenso könnten Dachbegrünungen, je nach Statik der Gebäude, in Erwägung gezogen werden, wobei die Menge des zurückgehaltenen Wassers von der Stärke der Begrünungsschicht abhängt. Zusätzlich wäre eine vertikale Begrünung der Gebäude (Fassadenbegrünung) und des Freiraums (Baumpflanzungen) möglich. Außerdem wurde die Relevanz des Freiraums für die städtische Klimaanpassung in unterschiedlichen Visionen angesprochen. Von einen Klima-Baumhain mit entsprechender Bauweise zur Wasserretention (Stockholmer Modell, vgl. Alvem, Grönjord 2017) bis zu Bild 5: Modellbau (Foto: R. Knippschild) PRAXIS + PROJEKTE Strukturwandel 31 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0031 dass bei Bedarf eine gezielte Ansprache einzelner Einrichtungen im Netzwerk erfolgen kann. Ebenso ermöglicht dies eine höhere Transparenz der Prozesse innerhalb der Stadt und ein kontinuierliches Einbeziehen und adäquates Informieren der Bürgerschaft. Voraussichtlich wird Hoyerswerda weiterhin finanzielle Unterstützung für den Strukturwandel erhalten. Daher ist es wichtig, städtische Projekte im Voraus zu planen, um diese Mittel effektiv nutzen zu können. Ein konkretes Beispiel für eine solche Vorausplanung ist die Summer School im August 2024, bei der Studierende das Gelände der Schule am Planetarium weiter entwickeln sollen. Dies stellt einen ersten Schritt dar, um ein nachhaltiges Nutzungskonzept für den Standort zu erarbeiten. Die einzelnen Empfehlungen für die Handlungsorte und Querschnittsthemen wurden zu einem Gesamtkonzept für den Standort mit der Bezeichnung KlimaCampus zusammengefasst, welcher zukünftig als Projekt in der Strategie LebensEnergie-Stadt Hoyerswerda (https: / / darumwhy.de/ lebensenergiestadt/ ) aufgenommen und fortgeführt werden soll. Die Verbundpartner empfehlen, den KlimaCampus über den begonnenen informellen Planungsprozess weiter zu entwickeln und einen hohen Anspruch an die Qualität und Attraktivität ökologischer und klimaresilienter Revitalisierung des Standortes zu legen. Der KlimaCampus kann als Reallabor und Hub für Bildung, Forschung und praktische Lösungen im Umgang mit dem Klimawandel fungieren. Als Demonstrationsprojekt für nachhaltiges Bauen und Betreiben von Einrichtungen kann aufzuzeigen, wie CO 2 -Emissionen in Städten reduziert, Ressourcen effizient genutzt und die Klimaresilienz verbessert werden. Ein solcher Campus ist nicht nur ein kommen und haben in den Partizipationsprozessen einen regen Austausch zum ökologischem und klimaresilienten Stadtumbau - hier bezogen auf den gewählten Handlungsort - zur Folge gehabt. Die Erprobung der Beteiligungsformate vor Ort hat Wissen um die lokalen Gegebenheiten gestärkt und sollte weiterhin zur stetigen Optimierung von Kommunikations- und Beteiligungsprozessen genutzt werden. Die Vorstellungen der Zivilgesellschaft aufzunehmen und angemessen zu reflektieren ist Erfahrungsgewinn und Grundlage weiterer Schritte bei einer erfolgreichen Etablierung informeller Planungsmethoden in Stadtplanungsprozesse. Eine wichtige Voraussetzung zur Fortentwicklung ist jedoch ein handlungsfähiges Organisationsmodell, das Beteiligungsprozesse strukturiert, koordiniert und die Formate weiter qualifiziert. Dieses würde auch weiterhin die Einbeziehung der wissenschaftlichen Einrichtungen koordinieren, so Diese Palette an möglichen Folgenutzungen wurde aufgezeigt, um den Veranstaltungsteilnehmenden zu ermöglichen, über bisher bekannte Lösungen hinaus zu denken. Alle Inputs wurden mit Best Practice Beispielen hinterlegt, um deren Realisierbarkeit zu verdeutlichen. Erfahrungen und Ausblick Das Projekt hat gezeigt, dass die Bürgerschaft ein hohes Interesse an der Nutzung des Standorts hat. Der starke Ortsbezug bei gleichzeitigem Blick auf andere Best Practice-Beispiele war hilfreich, um anschaulich Diskussionen zu den abstrakten Themen wie Klimaanpassung, blau-grüne Infrastruktur und sozioökologischer Stadtumbau zu führen, aber auch ortsspezifische Lösungen zu verhandeln. Auch die Kooperation von Wissenschaft mit Stadt und Bürgerschaft hat sich bewährt: Lokales und wissenschaftliches E xpertenwissen sind so zusammenge- Bild 6: Prozessablauf im Projekt „NewCity- Concepts“ (eigene Darstellung) PRAXIS + PROJEKTE Strukturwandel 32 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0031 Schneidewind, U. (2014): Urbane Reallabore - ein Blick in die aktuelle Forschungswerkstatt. In: pnd online, 3-2014, S. 1-7. Shao, Y. -T.; Ma, K. S.-K. (2022): Sponge City As A Civil Engineering Solution To Climate Change That Improves Urban Flood Resilience. In: E-Health and Bioengineering Conference (EHB), Romania, S. 1-4. Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen (2024): Bevölkerung des Freistaates Sachsen jeweils am Monatsende ausgewählter Berichtsmonate nach Gemeinden. Online verfügbar: https: / / www.statistik.sachsen.de/ html/ bevoelkerungsstand-einwohner.html [letzter Zugriff: 15. März 2024]. Verdegem, M., Buschmann, A. H., Latt, U. W., Dalsgaard, A. 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Robert Knippschild, Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR), Dresden und Technische Universität Dresden https: / / orcid.org/ 0000-0001-6643-7377 M.A. Atiqah Fairuz Binte Md Salleh, Universität der Vereinten Nationen (UNU-FLORES), Dresden M.A. Juliane Dziumla, Universität der Vereinten Nationen (UNU-FLORES), Dresden https: / / orcid.org/ 0000-0002-1491-0385 Juniorprof. Nora Huxmann, Technische Universität Dresden https: / / orcid.org/ 0009-0007-8088-3817 Andreas Kretschmer, Lausitzer Technologiezentrum GmbH Anzeige funkegruppe.de Infrastruktur braucht Vordenker Funke KS-Bluebox® als Funke KS-Bluebox® als Löschwasserbehälter Löschwasserbehälter Löschwasserbehälter Zukunftsfähige Lösung für Zukunftsfähige Lösung für Zukunftsfähige Lösung für Zukunftsfähige Lösung für eine natureine natureine natureine naturnahe Regenwasserbewirtschaftung nahe Regenwasserbewirtschaftung nahe Regenwasserbewirtschaftung zur Rückhaltung und Speicherung zur Rückhaltung und Speicherung von Löschwasser. 240801_funke_anzeige_ks-bluebox-löschwasser_transforming-cities_105x126_RZ.indd 1 01.08.24 12: 55 PRAXIS + PROJEKTE Strukturwandel 33 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0031 Soziale Innovationen als Katalysatoren für urbane Transformation Soziale Innnovation, Governance, urbane Transformation, nachhaltige Stadtentwicklung, Klimaanpassung, Klimaschutz, Suffizienz Christian Stein, Jens Libbe Die Innovationsfähigkeit von Kommen und kommunalen Verwaltungen ist entscheidend dafür, ob und wie eine Transformation in Richtung einer nachhaltigen Stadtentwicklung bewältigt wird. Der vorliegende Beitrag zeigt anhand von drei Fallbeispielen das Potenzial von sozialen Innovationen für eine Transformation in Richtung nachhaltiger Stadtentwicklung auf. Dabei wird auf drei zentrale Zukunftsherausforderungen von Kommunen eingegangen. Die drei betrachteten Handlungsfelder sind der Klimaschutz, die Klimaanpassung und der Ressourcenverbrauch in Städten. Kommunen und kommunalen Verwaltungen kommt in allen drei Handlungsfeldern eine Schlüsselrolle zu. Zum einen, weil Städte maßgeblich CO2-Emissionen freisetzen und Ressourcen verbrauchen, zum anderen, weil Städte von den Folgen des Klimawandels betroffen sind und sich in lokalen Kontexten die Folgen sozial-ökologischer Probleme maßgeblich manifestieren. Die Transformation hin zu einer nachhaltigen Entwicklung ist daher eng mit urbanen Entwicklungsprozessen und der Generierung innovativer Lösungsansätze verknüpft. Sollen also zentrale Weichenstellungen im Hinblick auf eine Transformation in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung gestellt werden, so kommt der Innovationsfähigkeit von Städten und städtischen Verwaltungen dabei eine Schlüsselrolle zu. Wie die Transformation vor Ort in deutschen Städten und Kommunen gelingen kann, wurde im Rahmen der BMBF-Zukunftsstadtforschung untersucht. 34 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0032 auf individuelle Verhaltensveränderungen beziehen, häufig sind aber kollektive Veränderungsprozesse notwendig, um neue Lösungsansätze für gesellschaftliche Herausforderungen zu entwickeln und umzusetzen. „Soziale Innovationen werden in allen Teilen der Gesellschaft initiiert und von diesen vorangetrieben, einschließlich Einrichtungen des öffentlichen Sektors und Unternehmen, NGOs und anderen Akteuren der Zivilgesellschaft (Butzin & Terstriep, 2018, S. 78). Die Merkmale öffentlicher Verwaltungen, beispielsweise relativ spezialisierte, formale Verfahrensabläufe innerhalb von hierarchischen Strukturen, stehen teilweise in einem Spannungsverhältnis zu den Bedingungen für Innovation (Kegelmann, 2023). Innovationen sind nur bedingt steuerbar und benötigen Freiräume, die teilweise schwer mit Verwaltungshandeln in Einklang zu bringen sind, das auf funktionaler Arbeitsteilung, klaren Zuständigkeiten und Regelorientierung beruht (ebd.). Deshalb wurde im Rahmen der SynVer*Z-Begleitforschung untersucht, welche Ansätze die Zukunftsstadt-Projekte entwickelt und erprobt haben, um soziale Innovationen in Kommunen und kommunalen Verwaltungen zu befördern. Kurzdarstellung der drei BMBF-Zukunftsstadt-Projekte GoingVis - Klimaanpassung in Kleinstädten Das Projekt GoingVis hatte sich zum Ziel gesetzt, gemeinsam mit der Partnerstadt Boizenburg an der Elbe die Resilienz von Kleinstädten gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels, insbesondere Hitze, zu verbessern. Dabei sollte „die Stadtgesellschaft zur kollaborativen Entwicklung von Aktivitäten zur Klimaanpassung“ ermutigt werden (Mitchell et al., 2022). Boizenburg hatte vor Projektbeginn wenig institutionalisierte Anpassungsaktivitäten. Eine entscheidende Innovation, die durch das Projekt entwickelt und umgesetzt wurde, ist die intermediäre Plattform Zukunftsbilder Boizenburg, kurz PLATZ-B. Die Plattform bzw. ihre Koordinatorin, die in der Boizenburger Verwaltung angesiedelt ist, haben das Ziel, organisierte städtische Ak teure und Bürger*innen in Anpassungsprozesse einzubeziehen und zwischen engagierten Bürger*innen und Ver waltung zu vermitteln, um gemeinsam Anpassungsaktivitäten zu entwickeln und umzusetzen ( Jacob et al., 2021). Die Plattform fungiert als ein Entstehungsort für soziale Innovationen, an dem lokales Praxis- und Umsetzungswissen aus Beteiligungsprozessen mit wissenschaftlichem Wissen zu Hitzerisiken und transformativer Anpassung zusammengebracht wurden. Gleichzeitig stellt die Plattform eine wichtige Schnitts t e l l e z w i s c h e n Ve r w a l t u n g und Zivilgesellschaft dar. Verwaltungsprozesse und Gestaltungsmöglichkeiten wurden im Projektverlauf für Bürger*innen v e r s t ä n d l i c h g e m a c h t u n d Ansprechpartner*innen seitens der Zivilgesellschaft in städtische Planungsprozesse eingebunden. EHSS - Suffizienz in der Stadtentwicklung Das Projekt „EHSS: Entwicklungschancen und -hemmnisse einer s u f f i z i e n zor i e nti e r te n S t a d tent wicklung “ hat te zum Ziel, Entscheidungsträger*innen in Kommunen für die Notwendigkeit zu sensibilisieren, „Suffizienzstrategien in ihren Entwicklungsplänen und -vorhaben zu berücksichtigen [und] durch das im Projekt generierte Handlungswissen in die Lage zu versetzen, suffizienzorientierte Stadtentwicklungs- Zukunftsstadt-Forschung In den vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in den vergangenen Jahren durchgeführ ten F ördermaßnahmen „Leitinitiative Zukunftsstadt “ sowie „Nachhaltige Transformation urbaner Räume“ wurde sich im Rahmen von transdisziplinären Projekten verschiedenen Feldern urbaner Transformation angenommen. Ziel war es, gemeinsam mit Wissenschaft und Kommunen neue und innovative Lösungsansätze zu entwickeln und zu erproben. Das BMBF unterstützte Kommunen ganz konkret dabei, den nachhaltigen Wandel konstruktiv und wirksam zu gestalten. Wirksame Nachhaltigkeitsinnovationen wurden vor allem über umsetzungsorientierte Projekte gefördert (BMBF, 2018). Im Rahmen des Synthese- und Vernet zungsprojek t Zukunf tsstadt (SynVer*Z) wurden die 48 Zukunftsstadt-Projekte seit 2017 begleitet, mit dem Ziel, gemeinsam mit den Forschungsprojekten innovative Lösungswege für Städte zu entwickeln und auch zu gehen. Die SynVer*Z-Begleitforschung hat Erfahrungen und Lösungsansätze von Zukunftsstadt-Projekten ausgewertet und die Ergebnisse aufbereitet. Der vorliegende Beitrag stützt sich auf drei vertiefenden Fallstudien (Zukunftsstadt-Projekte), die sich mit den Themenfeldern Klimaanpassung, Klimaschutz und Suffizienz befasst haben. Warum soziale Innovation? Howaldt und Schwarz (2010, S. 89) definieren soziale Innovationen als eine „von bestimmten Akteuren bzw. Akteurskonstellationen ausgehende zielgerichtete Neukonfiguration sozialer Praktiken, die auf eine bessere Problemlösung zielt, als dies auf der Grundlage etablierter Praktiken möglich ist.“ Soziale Innovationen können sich PRAXIS + PROJEKTE Soziale Innnovation 35 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0032 für eine Transformation in Richtung nachhaltiger Stadtentwicklung Akzeptanz zu schaffen und diese demokratisch zu legitimieren. Dabei ist Beteiligung sowohl innerhalb der kommunalen Verwaltung, im Sinne von fachämterübergreifender Zusammenarbeit, als auch zwischen der Verwaltung und anderen gesellschaftlichen Sphären entscheidend. Soziale Innovationen brauchen Experimentierräume, um neue Lösungen auszuprobieren, sowie Handlungs- und Entscheidungsspielräume, um diese umzusetzen. Der Reallabor-Ansatz hat sich in den drei Zukunftsstadt-Projekten als wertvolles Instrument erwiesen, um soziale Innovationen zu befördern und damit urbane Transformationsprozesse voranzutreiben. Das Experimentieren mit Lösungsansätzen, die Erfahrungen, die dabei gesammelt werden, und Lernprozesse, die angestoßen werden, haben sich als wertvoll in den Zukunftsstadt- Projekten herausgestellt. Soziale Innovationen entstehen häufig an der Schnittstelle zwischen kommunaler Verwaltung und anderen gesellschaftlichen Sphären. Die Zukunftsstadt-Projekte zeigen, dass intermediäre Plattformen und der Aufbau neuer Netzwerke zur Zusammenarbeit als Katalysatoren für soziale Innovationen dienen. Dabei sind neue Net z werke wichtig , um Impulse in bestehenden bürokratischen Ver waltungsstrukturen und -verfahren einzubringen. Stabile Verwaltungen sind entscheidend für die Skalierung und Verbreitung von Innovationen, z. B. durch die Vorbereitung politischer Beschlüsse oder die Beantragung von Städtebaufördermitteln. Verwaltungen und Netzwerke erfüllen unterschiedliche Funktionen im Hinblick auf die Entstehung und Inwertsetzung von Innovationen. projekte gemeinsam mit zentralen Stakeholder*innen zu entwickeln und zu realisieren“ (Christ & Sommer, 2016, S. 6). Unter Suffizenz wird dabei „die bewusste Begrenzung des Ressourcenverbrauchs durch soziale und Nutzungs-Innovationen“ verstanden (Böcker et al., 2021). In EHSS wurden anhand des Reallabors „Suffizienzorientierte Entwicklung Hafen-Ost “ Erfolgsbedingungen und Barrieren einer suffizienzorientierten Stadtentwicklung herausgearbeitet und Strategien zu deren Überwindung erprobt. Ziel des Reallabors war die Entwicklung eines Quartiers unter dem Leitbild der Suffizienz, um ressourcenschonende Alltagspraktiken in den Bereichen Wohnen und Mobilität zu ermöglichen. Der Hafen-Ost ist für Flensburg von großer Bedeutung, da das neue Quartier, aufgrund der Größe von ca. 53 ha und der Lage in unmittelbarer Nähe zur Innenstadt, das Stadtbild langfristig prägen wird. In einem mehrstufigen Beteiligungsverfahren wurde Suffizienz als ein innovativer Lösungsansatz für eine nachhaltige Quartiersentwicklung im Hafen- Ost erprobt und Akteur*innen aus Verwaltung, Politik und Stadtgesellschaft für den Ansatz sensibilisiert. KlimaNetze - Vernetzung lokaler Klimaschutzakteure Das Projekt „KlimaNetze: Transformationen im Klima- und Ressourcenschutz durch die Gestaltung von Governanceprozessen“ hatte zum Ziel, Klimaschutzakteure aus Staat (Politik und Verwaltung), Wirtschaft und Zivilgesellschaft in Bielefeld stärker miteinander zu vernetzen, um gemeinsam Handlungspotenziale für den Klimaschutz nutzbar zu machen (Neddermann et al., 2019). Hierzu wurden während des Projektes von Bielefelder*innen zwei Reallabore entwickelt und umgesetzt. Das Forschungsteam hatte den Prozess in Kooperation mit der Verwaltung initiiert und von der Ideenfindung bis zur Umsetzung unterstützend begleitet. In den Reallaboren lag ein besonderer Fokus darauf, soziale Innovationen wie neue partizipative und kooperative Formen der Zusammenarbeit zwischen den Akteur*innen zu erproben und im Hinblick auf Verstetigungen auszuwerten. Die Bielefelder Beteiligten aus Verwaltung, Politik und Stadtgesellschaft waren von den Projektergebnissen so überzeugt, dass sie das KlimaNetze-Projekt in eine dauerhafte Struktur überführen wollten. Hierzu sollte in einem Nachfolgeprojek t (K limaNet ze 2.0), mit dem K limaTriebwerk eine intermediäre Plattform an der Schnittstelle von Verwaltung und Stadtgesellschaft entwickelt werden, die dabei hilft, kollektives Handeln im Klimaschutz zu unterstützten und dadurch mehr Klimaschutz in Bielefeld zu ermöglichen. Dieses Vorhaben ließ sich bisher nicht umsetzen. Erfahrungen und Lösungsansätze aus der SynVer*Z-Begleitforschung Drei Projekte übergreifende Aspekte sollen hier besonders betont werden. Partizipation und die Ko-Produktion von Lösungsans ät zen sind eine w ichtige Triebkraft für Innovation und ein Schlüssel für urbane Transformation. Urbane Transformationen bedürfen der Zusammenarbeit von Akteur*innen aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik, um neue Ideen zu generieren und Akzeptanz für deren Umsetzung zu schaffen. Partizipative Ansätze spielten in allen drei Projekten eine wichtige Rolle. Die Projekte zeigen: Es bedarf partizipativer (Governance-)Ansätze, um PRAXIS + PROJEKTE Soziale Innnovation 36 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0032 LITERATUR [1] BMBF. (2018). Zukunftsstadt. 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Informationen zu den Begleiteten Forschungsprojekten unter: ■ www.nachhaltige-zukunftsstadt. de/ projekte/ projekte-a-bis-z/ goingvis/ ■ www.nachhaltige-zukunftsstadt. de/ projekte/ projekte-a-bis-z/ klimanetze-klimanetze-2-0/ ■ www.nachhaltige-zukunftsstadt. de/ projekte/ projekte-a-bis-z/ ehss/ Eingangsabbildung: © iStock.com/ Svetlana Ivanova Fazit Die drei Projekte verdeutlichen sowohl die Notwendigkeit als auch die Potenziale einer nachhaltigen Stadtentwicklung, die nicht primär technische und bauliche Maßnahmen in den Vordergrund stellen, sondern Ansätze, die durch Fokussierung auf soziale Innovationen eine Transformation in Richtung einer nachhaltigen Stadtentwicklung unterstützen. Dabei zeigen sie in den Handlungsfeldern Klimaanpassung, suffiziente Stadtentwicklung und Klimaschutz Innovationspotenziale auf, die auch in anderen Städten und Projekten nachhaltige Stadtentwicklungsprozesse unterstützen und urbane Transformationsprozesse befördern können. Die Erfahrungen aus den Zukunftsstadt-Projekten illustrieren exemplarisch Lösungsansätze. Die Zukunftsstadt-Forschung zeigt, wo mögliche Hebel für eine nachhaltige urbane Transformation sind und was es dabei zu bedenken gilt. Danksagung Das Verbundvorhabens „Synthese- und Vernetzungsprojekt Zukunftsstadt (SynVer*Z) “ wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) unter dem Förderkennzeichen 01UR1707 gefördert. Die Autoren bedanken sich beim BMBF für dessen Förderung sowie bei den Verbundpartner*innen aus SynVer*Z und den Projekten, die ihr Wissen mit uns geteilt haben. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autoren. Informationen zum Forschungsprojekt Synthese- und Vernetzungsprojekt Zukunftsstadt (SynVer*Z) unter: www.nachhaltige-zukunftsstadt.de. AUTOR*INNEN Christian Stein, Dr., Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Team „Infrastruktur, Digitalisierung und Sicherheit“ Deutsches Institut für Urbanistik (Difu) christian.stein@ecointerfaces.net https: / / orcid.org/ 0000-0002-0564- 9779 Jens Libbe, Dr., Leiter des Forschungsbereichs „Infrastruktur, Wirtschaft und Finanzen“ Deutsches Institut für Urbanistik (Difu) libbe@difu.de (Korrespondierender Autor) https: / / orcid.org/ 0000-0003-3544- 8449 PRAXIS + PROJEKTE Soziale Innnovation 37 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0032 Einleitung - administrative Kapazitäten für bessere Klimaanpassung Eine subs tanzielle A npassung urbaner Räume an die Folgen des Klimawandels (KliWa) erfordert Maßnahmen wie Dach- und Fass adenbegrünungen, die in der Planung komplex und in der Umsetzung wenig oder lediglich pilothaft etabliert sind. Kommunale Ver waltungen stehen vor der Herausforderung, ihre administrativen Kapazitäten weiterzuentwickeln, um das Repertoire an Handlungsoptionen zu erweitern. Dazu gehören zum Beispiel das Fachwissen und die Motivation des Personals oder die interne Vernetzung. Dies gilt umso mehr, da Klimaanpassung (K A) vieler- Klimaanpassung in der kommunalen Verwaltung stärken Herausforderungen und Wirkungen von Weiterbildung am Beispiel der Stadtverwaltung Dresden administrative Kapazitäten, Handlungsfähigkeit, Weiterbildungskonzept, Prozesswissen, Dresden Alfred Olfert, Gérard Hutter Kommunale Verwaltungen spielen eine zentrale Rolle bei der Klimaanpassung. Diese bleibt aber bis heute eine oft unterpriorisierte Aufgabe. Um dennoch eine substanzielle Anpassung zu leisten, müssen administrative Kapazitäten gezielt weiterentwickelt werden. Neben spezifischem Maßnahmen- und Prozesswissen gehören dazu auch zahlreiche weitere Faktoren, die die Handlungsfähigkeit und -motivation der Beschäftigten beeinflussen. Am Beispiel eines Weiterbildungskonzepts der Stadt Dresden wird gezeigt, welche handlungsrelevanten Wirkungen strategische Kommunikation in der Praxis erzielen kann. 38 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0033 als Verwaltungsaufgabe (Olfert und Kaltenberg 2023). Administratives Umfeld der Klimaanpassung in Dresden In einem bundesweiten Vergleich von 104 Städten gilt Dresden als (relativer) Pionier der Klimaanpassung (Otto et al. 2021). Hutter et al. (2024) nennen vier Faktoren für diesen Pionierstatus: ƒ frühe inhaltliche und prozessuale Führung durch das Umweltamt der LHD, ƒ er folgreiche inkrementelle Integration von Klimaanpassungsthemen in Planungsinstrumente, ƒ Bereitstellung von nutzbarem Wissen über lokale Klimawirkungen ( K li W i ) , ermöglicht durch die Beteiligung der LHD an Wissenschaft-Praxis-Kollaborationen, ƒ zunehmende öffentliche Unterstützung der Klimaanpassung auf der Grundlage kollektiver Erfahrungen (z. B. Hitzewellen). Die dahinterliegende Dynamik ging bis vor wenigen Jahren in erster Linie vom Umweltamt aus, das aktuell in einer ressortübergreifenden Zusammenarbeit das Klimaanpassungskonzept für die Stadt Dresden finalisiert. Über die Jahre sind auch Akteure wie das Amt für Stadtplanung und Mobilität sowie das Gesundheitsamt zu immer stärkeren Akteuren der Klimaanpassung geworden, was im aktuellen Integrierten Stadtentwicklungskonzept (März 2023) und dem in Erarbeitung befindlichen Hitzeaktionsplan Ausdruck findet. In einer groß angelegten Umfrage in der LHD konnte eine zunehmende Sensibilisierung der Beschäftigten für KliWa und K A gezeigt werden. Fast 60 % sehen verschiedene KliWi als „wichtig “ oder „eher wichtig “ in ihrer Verwaltungsarbeit an. Zugleich sehen nur 12 % K A im Verwaltungshandeln berücksichtigt. Nur sehr wenige Befragte (18 %) sehen KA als Aufgabe in der Verwaltung mehr oder weniger etabliert. Als wichtige hemmende Faktoren für die Etablierung von K A wurden z. B. das fehlende politische Mandat (69 %), fehlendes Management von Zielen (56 %), fehlendes Wissen (65 %) oder fehlendes Budget (73 %) genannt (zu den Details siehe Olfert und Kaltenberg 2023). Weiterbildung als Mittel zur Bildung spezifischer Kapazitäten in der Stadtverwaltung Die Klimaanpassung erfordert eine Anerkennung des Veränderungsbedarfs in Leitungspositionen und die Integration von K A als Aufgabe in städtische Verfahren auf allen Ebenen. Wie in der Befragung und den Inter views immer wieder betont wurde, entwickelt sich dieses in der LHD jedoch nur langsam. Beobachtet wird eine Veränderungsdynamik, die „bottom-up“ stattfindet. Hier kann eine fokussierte und wirkungsorientier te Kommunika tionsstrategie zur Stärkung von Wissensressourcen und Netzwerken innerhalb der Verwaltung ein erfolgversprechender Ansatz sein, um trotz fehlender „Veränderung von oben“ durch den Aufbau von Wissen, Netzwerken und Routinen die administrativen Kapazitäten zu stärken. Von zentraler Bedeutung für die Entwicklung solcher Kommunikationsstrategien ist das angemessene Verständnis von Perspektiven, Wahrnehmungen, Prioritäten und persönlichen Anliegen der Beschäftigten. Viele Befragten haben Interesse an Weiterbildungen zu verschiedenen Themen explizit bekundet. 164 Beschäftigte haben 309 konkrete Themen für KA-spezifische Schulungen benannt, die folgendermaßen gruppiert werden können: orts unterpriorisiert ist (Otto et al. 2021). Fehlende Wissensgrundlagen und strategische Setzungen, unzureichende Klärung von Prioritäten und die teils mangelnde politische Führung in Sachen „Klimaanpassung “ erschweren den Prozess zur Entwicklung neuer Kompetenzen in öffentlichen Verwaltungen. Der Aufbau von Kapazitäten für den erforderlichen Wandel im administrativen Umgang mit dem Klimawandel ist keineswegs ein „Selbstläufer“. Strategische Kommunikation in gut gestalteten ( „Design“ ) und konsequent umgesetzten Weiterbildungskonzepten bietet allerdings ein großes, bisher nicht genügend genutztes Potenzial, um mit vorhandenen (Personal-)Ressourcen größere Erfolge zu erzielen. Dabei sind Erfolge von Weiterbildungsmaßnahmen in Stadtverwaltungen realistisch, aber keineswegs garantiert. Strategische Kommunikation und aussagekräftige Wirkungsevaluierung entlang von belastbaren Motivationsfaktoren sind wichtige Elemente für die Wirksamkeit von Kommunikation. A m Beispiel des Weiterbildungskonzepts der Stadt Dresden kann gezeigt werden, wie die Wirkungen strategischer Kommunikation differenziert evaluiert werden können. Die für die Evaluation entwickelte niederschwellige Methode basiert auf in der Umweltpsychologie abgesicherten Motivationsfaktoren und ist auf verschiedene Anwendungen effektiv übertragbar (Siedschlag et al. 2023). Wichtige Grundlagen hierfür bilden einerseits eine Beschäftigtenumfrage in der Verwaltung der Landeshauptstadt Dresden (LHD) mit bis zu 901 Mitarbeitenden und andererseits Interviews mit dem Leitungspersonal zu Wahrnehmungen, Präferenzen, Erfolgen, Hindernissen und Bedürfnissen in Bezug auf KA PRAXIS + PROJEKTE Weiterbildung 39 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0033 Unterhalt, Regenwasserrückhalt, Integration von Solaranlagen, Beispiele aus der Praxis 3. Fassade trifft grün - Grün trifft Fassade Lokale Bedarfe für K A, technischer Aufbau und Wirkungen begrünter Fassaden, Grundlagen für Planung und Umsetzung, Kosten/ Nutzen, Pflanzenarten, Unterhalt, Regenwasserrückhalt, Integration von Solaranlagen, Beispiele aus der Praxis 4. Keep cool - Hitzevorsorge am Arbeitsplatz Wirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit; hitzebedingte Symptome, lebensbedrohliche Situationen durch Hitze und Maßnahmen zur Linderung; hitzeangepasstes Verhalten: private Maßnahmen, Hitzeanpassung am Arbeitsplatz; Arbeitsstättenverordnung: Möglichkeiten und Pflichten des Arbeitgebers; Beispiele aus der Stadtverwaltung Die Wirkung von Kommunikation messen Kommunikation erhält ihre Relevanz durch das Entfalten von erwünschten Wirkungen auf die Handlungsfähigkeit und -bereitschaft von Akteuren. Es geht also um die Steigerung der administrativen Kapazität durch effektive Befähigung und Motivation von Akteuren der Stadtverwaltung. Um Effekte zu messen, bedarf es spezifischer Indikatoren, wie sie in der sogenannten „Schutz- Motivationstheorie“ beschrieben und durch die Umweltpsychologie abgesichert sind (van Valkengoed und Steg 2019). Das hier angewandte Evaluationsdesign ist in hohem Maße praktisch orientiert und knüpft an die jüngsten Entwicklungen in der Evaluationsforschung an, insbesondere in Bezug auf Fragen der KA (Siedschlag et al. 2023). Evaluierungsdesign mit Kriterien und ƒ Kommunikation, Kooperation, Beispiele für Maßnahmen und Prozesse (29 % aller Themen), ƒ lokal kontextualisierte Informationen zu KliWi, K A, Synergien mit CC-Minderung, Planungs- und Rechtsrahmen und Finanzierungsmöglichkeiten (21 %), ƒ Gesundheit, Arbeitsbedingungen, Wohlbefinden (20 %), ƒ städtische Grün- und Freiräume (20 %), ƒ Tiefbau und Infrastruktur (10 %), ƒ Verkehrsplanung (2 %). Ausgehend von den beschriebenen Hemmnissen und thematischen Bedarfen wurde ein Qualifizierungskonzept entwickelt (Keydel et al. 2023, S. 2) mit den Zielen: 1. Etablieren von K A als Querschnittsaufgabe in Planungs- und Umsetzungsprozessen, 2. Stärken der Kommunikation und Vernetzung zwischen Abteilungen, 3. Vermitteln von spezifischem Grundlagen- und Handlungswissen zur Gebäudebegrünung, 4. Abbau von Hindernissen durch das Aufzeigen konkreter Beispiele, 5. Bekannt machen von Ansprechpartnern für spezifische Fragen. Die Veranstaltungsreihe wurde im Frühjahr und Sommer 2023 erstmalig realisiert und wird im Jahr 2024 weiterentwickelt und fortgeführt. Sie widmet sich in vier Schulungen vier verschiedenen Themen: 1. Klima im Wandel - Basics für Dresden Grundsät zliche Begrif fs verständnisse und Entwicklungen zum Klimawandel, lokale Wirkungen, konkrete Ansätze für Klimaschutz und Klimaanpassung, verfügbare Wissens- und Planungsgrundlagen 2. Dach trifft grün - Grün trifft Dach Lokale Bedarfe für K A, technischer Aufbau und Wirkungen von Gründächern, Grundlagen für Planung und Umsetzung, Kosten/ Nutzen, Pflanzenarten, Bild 1: Wirkungen Schulung 2 PRAXIS + PROJEKTE Weiterbildung 40 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0033 tionsbeeinflussende Faktoren angesprochen werden können. Ist das nicht gegeben, müsste eine Schulung zunächst hier ansetzen. 2. Auch weiteres Vorwissen ist bedeutend (vgl. Block „individuelles Wissen zu Klimawandel“ ) und kann innerhalb einer Akteursgruppe stark ausgeprägt sein (z. B. Schulung 4). Das gibt Hinweise auf spezifische Desiderate, die gezielt und erfolgreich adressiert werden können (z. B. Schulung 2). 3. Dies vorausgesetzt, können motivationsbeeinflussende Faktoren effektiv angesprochen werden (vgl. Blöcke „Maßnahmenwissen“ und „Motivation zur Annahme des Themas …“ in beiden Schulungen, v. a. Schulung 4). 4. Das Maßnahmenwissen ist eine entscheidende Grundlage für die Handlungsfähigkeit in der Verwaltung. Wissen gehört zu Motivationsfaktoren. Hier ist es separat behandelt und für verschiedene Wirkungs- und Umsetzungsaspekte differenziert. Maßnahmenwissen kann teils schon vor der Kommunikation sehr hoch entwickelt sein (Schulung 2), aber nicht zwingend für alle Faktoren. Differenzierung und gezielte Ansprache sind daher elementar. 5. Stark ausgeprägte Motivation und Wissen können - wenig überraschend - durch Schulungen entsprechend weniger gesteigert werden (vgl. Kriterien der Motivation, beide Schulungen). Der Fokus von Kommunikation sollte sich auf weniger ausgeprägte Faktoren richten. Steigerungen der Bewertung um durchschnittlich eine Stufe kann als realistischer Erfolg angesehen werden. Im Optimalfall sind - von niedrigem T1-Niveau - deutlich größere Steigerungen möglich (Motivation in Schulung 4). Vor und Nachbefrag ungen sollten genutzt werden, um spezifische Bedarfe für die ge- Ergebnissen zu allen vier Schulungen sind im Evaluierungsbericht Olfert et al. (2023) beschrieben. Es folgt einem Mindeststandard für die Evaluation von Kommunikationsmaßnahmen: ƒ theoriegeleitetes Design von Kommunikationsmaßnahmen, ƒ angemessene Berück sichtigung individueller sowie kollektiver Motivationsfaktoren und ƒ ein zweistufiges Evaluationsdesign, das die Datenerhebung vor und nach dem „Kommunikationsereignis“ (Schulung) umfasst (Datenerhebung vor dem Ereignis zum Zeitpunkt 1 ( T1, online) und nach dem Ereignis zum Zeitpunkt 2 (T2, vor Ort). Das jeweilige Ergebnis der Wirkungsmessung ist in den Graphen in Abbildungen 1 und 2 dargestellt. Wirkung versteht sich als Differenz der Messung T1 und T2. Wirkung kann grundsätzlich positiv (T2 über T1) oder negativ (T2 unter T1) sein. Die Signifikanz der Ergebnisse ist insbesondere bei kleinen Stichproben kritisch. Das Signifikanzniveau ist mit 95 % (p=0,05) festgelegt. Schwarze Dreiecke markieren die Ergebnisse, für die in diesem Rahmen eine Signifikanz berechnet wurde. Graue Punkte markieren Ergebnisse unterhalb der statistischen Signifikanz. Ergebnisse der Wirkungsmessung Am Beispiel der Schulungen 2 und 4 wollen wir zeigen, was mithilfe der Wirkungsevaluation für den weiteren Kommunikationsprozess in der LHD zur Klimaanpassung gelernt werden kann (vgl. dazu Bild 1 und Bild 2). 1. Teilnehmende beider Schulungen zeigen ein hohes Maß an Problembewusstsein (vgl. Kriterien-Block „Klimawandelakzeptanz“ ). Dies ist eine Voraussetzung dafür, dass motiva- Bild 2: Wirkungen Schulung 4 PRAXIS + PROJEKTE Weiterbildung 41 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0033 LITERATUR [1] Hutter G, Olfert A, Rössler S (2024) How Dresden became a pioneer of climate-adapted urban development (in German). Politische Ökologie 176: 69-76 [2] Keydel A, Westermann J, Reinfried F, et al (2023) Qualifizierungskonzept für die Kommunalverwaltungen in Dresden und Erfurt im Themenfeld Klimawandel und -anpassung, Bericht M17 im Verbundprojekt HeatResilientCity. Landeshauptstadt Dresden, Umweltamt, Dresden [3] Olfert A, Kaltenberg A (2023) Klimawandel-Governance in der Kommunalverwaltung Dresden - Bestandsaufnahme und Verstetigung. Meilensteinbericht M14 im Vorhaben HeatResilientCity II. Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung, Dresden [4] Olfert A, Keydel A, Reinfried F (2023) Wirksamkeit der Qualifizierungsangebote zur Klimaanpassung in der Stadtverwaltung Dresden, sowie weitere Handlungsbedarfe. Bericht M18 im Verbundprojekt HeatResilientCity II. Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung, Dresden [5] Otto A, Göpfert C, Thieken AH (2021) Are cities prepared for climate change? An analysis of adaptation readiness in 104 German cities. Mitig Adapt Strateg Glob Change 26: . https: / / doi.org/ 10.1007/ s11027-021- 09971-4 [6] Siedschlag D, Kuhlicke C, Köhler S, et al (2023) Risikokommunikation zur Stärkung privater Eigenvorsorge. Abschlussbericht des Vorhabens „Analyse und Anwendung innovativer Instrumente der Steuerung und Kommunikation zur Anpassung an den Klimawandel“. Umweltbundesamt, Dessau-Roßlau [7] van Valkengoed AM, Steg L (2019) Meta-analyses of factors motivating climate change adaptation behaviour. Nature Climate Change 9: 158-163. https: / / doi.org/ 10.1038/ s41558-018-0371-y Eingangsabbildung: © Umweltamt, Landeshauptstadt Dresden wichtig sein, um Innovationen voranzutreiben, z. B. Kontakte, Netzwerke, ein experimentierfreudiges Umfeld oder die Unterstüt zung auf höheren Managementebenen. Auch individuelle Parameter wie die persönliche Problemerfahrung, ein höheres Selbstwirksamkeitsgefühl oder Handlungserfahrung sind möglicherweise bedeutend, konnten durch die Schulungen jedoch nicht adressiert werden. 10. Wissen kann erheblich zum Abbau von Bedenken beitragen. In Schulung 2 wurden konkrete, eine potenzielle Umsetzung hemmenden Bedenken in Bezug auf „Statik im Neubau“ und „Brandschutz“ teils signifikant abgebaut werden. Fazit Der Aufbau von administrativen Kapazitäten ist eine komplexe Aufgabe, die vielfältige Aktivitäten umfasst. Weiterbildungen sind ein unverzichtbares strategisches Instrument zur Stärkung der Klimaanpassung in kommunalen Verwaltungen. Insbesondre zur Etablierung neuartiger Maßnahmen und Prozesse ist eine Kontinuität, Weiterentwicklung und Wiederholung von Kommunikation und fokussierten Schulungen wichtig. Kommunikation kann spürbaren Einfluss auf Faktoren haben, die die Fähigkeit und Motivation von Akteuren bestimmen. Beabsichtigte bzw. wünschenswerte Wirkungen sind aber nicht garantiert. Eine differenzierte Messung von Wirkungen von Kommunikation ist nötig, um Fortschritte und weitere Handlungsbedar fe zu verstehen und auf dieser Grundlage Kommunikationsstrategien zu entwickeln. plante Kommunikation zu ermitteln. 6. T1-Befragungen mit etwas Vorlauf können genutzt werden, um den Fokus der Kommunikation zu justieren. Wie zu sehen ist, kann gezielte Kommunikation jedoch auch bei hohem Vorwissen teils erhebliche Effekte erzielen (beide Schulungen). 7. Erfolge bei der Ansprache von Motivationsfaktoren sind spezifisch (vgl. Wissens- und Motivationsfaktoren in beiden Schulungen) und z. B. abhängig von der Komplexität des Themas, dem Vorwissen, den institutionellen und rechtlichen Bedingungen, der persönlichen Betroffenheit, guten Beispielen etc. - nicht zuletzt aber auch von der Qualität der Kommunikation. Die Wirkungsevaluation ist daher wichtig, um künftige Schulungen thematisch und methodisch gezielt auszurichten. 8. Ansätze mit hoher Spezifik und technischer und rechtlicher Komplexität bilden einen herausfordernden Kommunikationskontext und erfordern hoch fokussierte Schulungsansätze und Kontinuität. Wissenslücken, Umsetzungshemmnisse und ggf. Bedenken können ggf. nicht auf Anhieb abgebaut werden (Schulung 2). 9. Das Kriterium „individuelle Handlungsabsicht “ ist ein zusammenfassendes Kriterium. Wie in beiden Schulungen ersichtlich wird, führen starke Steigerungen bei Motivations- und Wissenskriterien nicht automatisch zu einer starken Steigerung der unmittelbaren Handlungsabsicht. Andere institutionelle Aspekte, die teils nicht durch die Wirkungsevaluation erfasst werden und möglicherweise außerhalb des Einflussbereichs von Schulungen liegen, könnten ebenfalls AUTOR*INNEN Alfred Olfert, Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung, Dresden a.olfert@ioer.de Gérard Hutter, Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung, Dresden g.hutter@ioer.de PRAXIS + PROJEKTE Weiterbildung 42 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0033 Blau-Grüne-Infrastruktur am Beispiel des Reallabor Radbahn Der Testbeet-Filter als Forschungskooperation mit der StadtManufaktur Berlin Reallabore; Blau-Grüne-Infrastruktur; Kreislaufwirtschaft; nachhaltiges Regenwassermanagement; Schwammstadt Maximilian Hoor, Natalie Hipp, Grit Bürgow, Anja Steglich, Jochen Zeisel Der Fachartikel untersucht die praktische Umsetzung von blau-grüner Infrastruktur und Flächenentsiegelung am Beispiel des Reallabor Radbahn in Berlin. Im Fokus steht der Testbeet-Filter, entwickelt mit der StadtManufaktur der TU Berlin, der Regenwasser vom Hochbahnviadukt mithilfe von Sand und Pflanzen reinigt, um die umliegenden Grünflächen zu bewässern. Perspektivische Kostenvorteile sowie Aspekte nachhaltigen Bauens und der Kreislaufwirtschaft werden ebenso diskutiert wie die transdisziplinäre Umsetzung von Schwammstadt-Konzepten und nachhaltigem Wassermanagement in urbanen Räumen. Einleitung und Einbettung in Reallabor Radbahn Die Fläche unter dem Hochbahnviadukt entlang der Berliner U-Bahnlinie 1 liegt größtenteils brach und wird hauptsächlich von parkenden Autos genutzt. Aufgrund von Verschmutzung, Abgasen und Lärm bietet dieser Raum derzeit nur geringe Qualität für Aufenthalt und Nutzung. Unser Projekt Reallabor Radbahn möchte diesen Raum im Zuge der Verkehrswende und nachhaltigen Stadtentwicklung neu gestalten, um eine leisere, saubere, sichere und klimaresiliente Umgebung zu schaffen [1]. Das Reallabor Radbahn hat das Ziel, den städtischen Raum neu zu konzipieren [2]. Ursprünglich als Idee eines neun Kilometer langen überdachten Radwegs präsentiert [3] wird das Konzept nun als Prototyp auf einem Testfeld von einigen hundert Metern in Berlin-Kreuzberg erprobt (siehe Bild 1). Die Idee wurde erstmals 2015 vom Verein paper planes e.V. vorgestellt und seit 2019 als Nationales Projekt des Städtebaus durch Bund und Land Berlin gefördert und gemeinsam mit dem Bezirksamt Friedrichshain- Kreuzberg realisiert. 43 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0034 Bild 1: Das Testfeld unter dem U-Bahn- Viadukt in Berlin- Kreuzberg. Das Ziel des gemeinsam entwickelten Testbeetfilters besteht nun darin, dass auf dem Bahnviadukt anfallende Regenwasser in einen Pflanzen- und Sandfilter zu leiten. Wenn durch eine naturbasierte Filtration eine ausreichende Wasserqualität nachgewiesen wird, könnte das Wasser künftig für Gartenarbeiten unter dem Viadukt genutzt werden. Dies trägt nicht nur zur Entwicklung der blaugrünen Infrastruktur und zur Klimaanpassung bei, sondern birgt auch potenzielle Kostenvorteile und innovative Ansätze für eine lokale Kreislaufwirtschaft und nachhaltige Bauweise. Der vorliegende Artikel zielt darauf ab, diese Aspekte zu beleuchten und zu diskutieren sowie den konkreten Versuchsaufbau und die Methodik des Testbeet-Filters zu erläutern Problembeschreibung im Kontext von Reallaboren und blau-grüner Infrastruktur In der StadtManufaktur Berlin, Reallaborplattform und Kooperationsinitiative der TU Berlin, enstehen innovative Lösungen, Prototypen und Allianzen im Reallaborformat. Wissenschaft und Stadtgesellschaft erarbeiten hier gemeinsam experimentelle und robuste Lösungen für Klimaschutz und Klimaanpassung, sozialen Zusammenhalt, nachhaltige Mobilität und eine Transformation zur Circular City. Als Transfereinrichtung der TU Berlin unterstützt die StadtManufaktur ganz konkret die Organisation, d.h. Aufbau, Begleitforschung, Dokumentation und Evaluation, von Reallaboren und entwickelt kontextspezifische Nachhaltigkeitsprojekte in kollaborativer und experimenteller Form [6, 7]. Urbane Transformationsprozesse in der Metropolregion Berlin-Brandenburg werden so räumlich konkret gefördert und ihre Skalierung wird unterstützt. Wissenschaftliche und praktische Expertise fließen ganz konkret zusammen und generieren und kommunizieren Transformationswissen robust und verständlich. Besondere Herausforderung bei der blau-grünen Reallaborentwicklung entlang der Radbahn ist der Reallaborprozess im Spannungsbogen unterschiedlicher Zeitskalen, räumlicher Maßstäbe und Akteurskonstellationen. Kurzfristig geht es um den Nachweis der Nutzbarmachung des eventuell schadstoffbelasteten Hochbahn-Regenwassers durch einen naturbasierten, dezentralen und zirkulären Technologieansatz als „Testbeetfilter“. Dieser stellt sich der Herausforderung, das „vermeintlich problematische“ Regenwasser als wertvolle Ressource lokal kostengünstig und qualitativ geeignet nutzbar zu machen. Anstatt es weiter teuer und ungenutzt in die zentrale Kanalisation abzuleiten, soll im ersten Schritt und in enger Kollaboration mit Expert: innen und Fachgebieten aus Das Hauptziel des Reallabors Radbahn besteht darin, das Testfeld partizipativ zu gestalten und umzusetzen, wobei nicht nur das Radfahren unter dem Viadukt, sondern auch das Potenzial der umliegenden Freiflächen als Klimaanpassungsmaßnahme im Fokus stehen. Hierzu wurde ein mehrstufiger Beteiligungsprozess mit Bürgerinnen und Bürgern sowie fachlich inter- und transdisziplinären Stakeholdern durchgeführt [4, 5]. Ein wichtiges Ergebnis dieses Prozesses war die Planung großzügiger Grünflächen; etwa zwei Drittel der ehemaligen Parktaschen sollten entsiegelt und neu begrünt werden. Dies führte zu neuen Fragen bezüglich der langfristigen Pflege und Bewässerung des entstehenden Stadtgrüns unter dem Viadukt, mit dem Ziel, beispielhaft für andere öffentliche Bereiche zu dienen. Die grundlegende Idee, einen Radweg mit Aufenthaltsflächen zu verbinden und Entsiegelungen sowie Begrünung zu integrieren, zieht sich durch das gesamte Radbahn-Projekt und zeigt vielfältige Verbindungen zu übergeordneten Themen wie Klimaanpassung und Schwammstadt. Unter dem Leitgedanken des Testfeldes hatten wir außerdem das Ziel, Raum für Forschungsvorhaben zu bieten, die einen Beitrag zur nachhaltigen Anpassung des städtischen Raumes leisten könnten. Das Thema des Testens und Forschens, spiegelt sich in der gesamten Freianlagenplanung wider, von der Gestaltung der Beete bis hin zu den Pflasterbelägen der Aufenthaltsflächen oder den technischen Einbauten. In diesem Zus ammenhang s tellt der Testbeetfilter, der in Kooperation mit der Stadt- Manufaktur der Technischen Universität Berlin und mit Unterstützung des Verfahrenstechnikingenieurs Jochen Zeisel entwickelt wurde, die wissenschaftlichste Ausprägung unseres Reallabor-Testfeldes dar. THEMA Prinzip Schwammstadt 44 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0034 abgestimmt werden. Durch die Kooperation zwischen dem Förderprojekt Reallabor Radbahn und der StadtManufaktur Berlin und den Einbezug von Fachingenieuren konnten letztlich alle Beteiligten für eine Testphase des Filterbeetes gewonnen werden. Gestalterisch fügt sich der Testbeetfilter nun in das Gesamtkonzept des Radbahn Testfelds ein und bildet eine wertvolle Ergänzung des Lehrpfades (siehe Bild 3). In Form von Ausstellungsschildern werden Nutzer: innen auf dem Testfeld über alle hier erforschten Elemente aufgeklärt. Der Testbeetfilter soll damit neben wissenschaftlichen Erkenntnissen auch zur Diskussion über Wasser in der Stadt beitragen. Der Aufbau der Versuchsstation ist bewusst technisch gehalten. Das Filterbeet ist als Testlabor erkennbar konzipiert. Die als Grundbaustein gewählten IBC-Container sind handelsüblich und robust. Platziert auf einer Palettenlage, könnte der Filter nach seiner Nutzung im Rahmen des Reallabors Radbahn auch anderswo eingesetzt werden. Durch die Verkleidung der Palettenschicht sowie einer Truhe können sensiblere Bauteile und technische Ausstattung geschützt werden, bleiben jedoch leicht zugänglich für Wartungszwecke. Das unbehandelte Lärchenholz der Verkleidung findet sich auch im Mobiliar der Radbahn wieder. Der Testbeetfilter ist als geschlossene Anlage aus fünf 1.000 Liter IBC-Behältern konzipiert. Um die Photosynthese und Algenbildung einzudämmen, wurden schwarze, UV-undurchlässige IBC-Behälter ausgewählt. Das Regenwasser aus dem Gleisbett wird im natürlichen Zulauf in zwei Puffertanks gelagert, die einen Überlauf in den Kanal haben. Von dort wird es im Parallelbetrieb auf zwei mit Sand gefüllte IBC-Behälter gepumpt, die oben mit Sumpfpflanzen besetzt sind. In der Sandschicht ist jeweils eine Schicht aus einem Sand/ Pflanzkohle Gemisch eingebaut (siehe Bild 4). So kann das zu filternde Wasser nur oberirdisch verdunsten und nicht in den umliegenden Boden der umwelt- und verfahrenstechnischen Praxis der Nachweis erbracht werden, dass dies funktionieren kann. Im Rahmen des BMBF-Verbundprojektes GartenLeistungen_II [8], bei dem die StadtManufaktur TU Berlin das Teilprojekt „Reallabor Mobile Blau-Grüne Infrastruktur“ [9, 10] in verschiedenen stadträumlichen Kooperationskontexten im Zeitraum zwischen 2022-2024 verstetigt, konnten erste Schwammstadt- Schilfbeete partizipativ gebaut werden und der Testbeetfilter an ein erstes Viadukt-Regenwasserrohr angeschlossen werden (siehe Bild 2). Vorteile von Schilfpflanzen sind, dass diese sehr robust sind, sie tolerieren Wasserstandsschwankungen - so auch längere Trockenphasen - und bedürfen verhältnismäßig wenig Pflege. Da es sich um hochproduktive Pflanzen handelt, ist die Nutzung als nachwachsender Rohstoff (z. B. als Dämm- und Baustoff) im Kontext zirkulären Bauens und Wirtschaftens sehr attraktiv. Der nächste Schritt in diesem Realexperiment ist das gezielte Monitoring von Wasserqualitäten und Performance des Testbeetfilters, gemeinsam mit dem Fachgebiet Umwelt- und Verfahrenstechnik der TU Berlin. Bei erfolgreichem Nachweis des Realexperiments wird ein Upscaling und zugleich der längerfristige Reallaborbetrieb angestrebt. Gemeinsam mit zu testenden und geeigneten Betreibermodellen soll das naturbasiert aufbereitete Regenwasser in erste „Schwammstadt- Pocketparks“ und die bereits angelegten Beete fließen, innovative Betreibermodelle im Kontext urbaner Ökosystemleistungen, regenerativer Rohstoffe und Atmosphäre ausgelotet werden. Testbeet-Filter: Versuchsaufbau, Methodik, Umsetzung und erwartete Ergebnisse In der Umsetzung brachte die Idee des Testbeetfilters einige Herausforderungen mit sich. Eingriffe an dem denkmalgeschützten und für den öffentlichen Nahverkehr genutzten Viadukt mussten intensiv Bild 2: Fotos vom Radbahn-Sommerfest zur Stadtnatur am 09.09.2023 Bild 3: Foto vom Testbeet-Filter auf dem Radbahn-Testfeld THEMA Prinzip Schwammstadt 45 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0034 und Substraten das Problem potenzieller Schadstoffe (PAK, etc.) sowie mehrerer BackUp-Schleifen (Puffertanks, etc.) anzugehen, wird als ökosystemtechnischer Kreislauf-Ansatz favorisiert. In der aktuellen Versuchssituation wird das Wasser weiterhin der Kanalisation zugeführt, bis sichergestellt ist, dass das aufbereitete Wasser eine ausreichende Qualität zur Zuführung ins Grundwasser besitzt. Diskussion: Potenziale und zukünftige Perspektiven für blau-grüne Infrastruktur Erste Ergebnisse zeigen, dass der Testbeet-Filter erfolgreich im Rahmen des Radbahn-Testfeldes integriert wurde und der Versuchsaufbau technisch funktioniert. Zukünftig wird das Monitoring der Wasserqualität und die Bewertung des Testbeetfilters im Fokus stehen. Bei erfolgreichem Nachweis der Wasseraufbereitung könnte das Modell auf andere städtische Bereiche übertragen und erweitert werden. Dafür wären weitere Forschungs- und Reallaborarbeiten notwendig, um ein Upscaling zu erreichen und innovative Betreibermodelle zu entwickeln, die das potenziell schadstoffbelastete Regenwasser auch an anderer Stelle kostengünstig und umweltfreundlich aufbereiten und nutzen. Besonders hier zeigt sich die Wichtigkeit der Kooperation mit der StadtManufaktur. Denn wenn das Projekt Reallabor Radbahn endet, ist die Forschungsarbeit zum Testbeetfilter noch längst nicht abgeschlossen und kann von universitärer Seite weitergeführt werden. Auch wirtschaftlich könnte sich das dezentrale Wassermanagement für die Betreiber lohnen. Die Niederschlagswassergebühr beträgt in Berlin seit Januar 2022 1,809 Cent pro Quadratmeter. Die oberirdische Strecke der U1 von Warschauer Straße bis Gleisdreieck lässt sich überschlägig mit 6 Kilometern annehmen. Bei einer Bauwerksbreite von etwa 7 Metern wären somit rund 42.000 m 2 zu entwässern. Dies entspricht einer Gebühr von fast 76.000 € pro Jahr. Bei durchschnittlich 590 Litern Niederschlag pro Quadratmeter und Jahr würde das Bahnviadukt im Laufe eines Jahres etwa 247.800 Hektoliter sammeln [11]. Das entspricht etwa der Wassermenge von 165.000 Badewannen, die Grünflächen, Sträuchern und Bäumen zugutekommen könnten. Der Testbeetfilter, als oberirdische Station, bietet die Möglichkeit, erforderliche Aufbauten zu erproben und nachzuweisen, wie sich das im Gleisbett anfallende Regenwasser reinigen und nutzen lässt. Das Projekt zeigt, wie transdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Stadtgesellschaft sowie innovative technische Ansätze zur Lösung urbaner Herausforderungen beitragen können. Die enge Kooperation zwischen dem Reallabor Radabfließen. Durch die gezielte Auswahl von Feuchtgebietspflanzen (Makrophyten) wird eine hohe Verdunstungsleistung (bis zu 5x höher im Vergleich zu Rasenflächen) realisiert (siehe u.a. Hirschfeld et al. 2020: 13). So wird im Optimalfall ein Großteil des zu filternden Wassers oberirdisch zirkuliert sowie die darin gelösten Stoffe im Substrat und in der Biomasse umgesetzt und festgelegt. Dieser ökosystemische Wasserkreislauf-Ansatz unterstützt die „lokalen grünen Wasserkühl-Kreisläufe“ und trägt zur lokalen Wolkenbildung (Regenproduktion) und Atmosphäre bei. Zudem wird mit diesen klimawirksamen sog. Makrophyten wie etwa Schilfrohr-, Iris- und Binsenarten das Prinzip der Phytoremediation (pflanzliche Entgiftung) angewendet. Das in erster Linie durch die Mikroorganismen an der Wurzel gereinigte Regenwasser wird am Ende in einer kleinen Hebeanlage gesammelt und von dort in der Anfangsphase des Versuches wieder in den Kanal zurückgepumpt. Wenn im Rahmen der Untersuchungen die Wasserqualität des gereinigten Wassers den Ansprüchen an ein Bewässerungswasser nach DIN genügt, wird das Wasser in einem Vorratstank (IBC Behälter) gepumpt und kann von dort zur Bewässerung der angrenzenden Grünflächen entnommen werden. Sollte die Bewässerungswasserqualität wider Erwarten nicht erreicht werden, wird eine erneute Rezirkulation des Wassers vorgeschlagen, um darüber Verdünnungs- und weitere Reinigungseffekte zu erzielen. Falls das auch nicht qualitativ ausreichend ist, wird das Testbeetfilterwasser klassisch der Kanalisation zugeführt. Anzumerken ist, dass in dem „worst-case-Szenario“ das Problem lediglich verlagert würde. Wie an vielen anderen Stellen der Stadt würden die potenziell problematischen Stoffe im derzeit gängigen „end-of-the-pipe-System“ im Klärwerk landen, wo es ebenso schwierig ist, alle Problemstoffe herauszufiltern. Kurzum: die beschriebene Methode über ein geschlossenes Phytoremediation- System mit geeigneten wasserfilternden Pflanzen Bild 4: Prinzipskizze des Testbeet-Filter THEMA Prinzip Schwammstadt 46 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0034 chengestaltung des Testfeldes. Reallabor Radbahn gUG, Berlin. [6] StadtManufaktur (2024): www.stadtmanufaktur.info. Webseite [7] Steglich, Anja und Grit Bürgow (2023): Von Roof Water- Farm zur StadtManufaktur: Stadtlandschaftliche Klimaanpassung, Ressourcen- und Wasserkreisläufe als Reallabor gestalten und umsetzen! In: Bentlin, F. & Behrend, L. (2023): How2Kiez - Nachhaltige Quartiersentwicklung, Berlin Universities Publishing. [8] Hirschfeld, Jesko, Andrea Baier, Grit Bürgow, Marion De Simone, Jonas Flötotto, Vivien Franck, Andreas Horn, Toni Karge, Lea Kliem, Miriam Kuhlmann, Milena Lang, Benoit Leleu, Felix Lodes, Angela Million, Christa Müller, Joachim Petzold, Gisela Prystav, Catharina Püffel, Viviann Remmel, Juliane Roth, Sebastian Schubert, Sven Stinner, Gregor Weise, Malte Welling (2020): Der Wert urbaner Gärten und Parks: Was Stadtgrün für die Gesellschaft leistet. Berlin. https: / / www.gartenleistungen.de/ publikationen/ (Letzter Zugriff: 02.07.2024): https: / / www.gartenleistungen.de/ publikationen/ fachpublikationen/ #: ~: text=Doku ment%208.6%20MB-,Download,-Barrierefreie%20Version%20der [9] Bürgow, Grit, Andreas Horn und Anja Steglich (2024): Kooperatives Vertikalfarm- und Klimaflächenmanagement. Die BeachFarm 61 im Berliner Gleisdreieckpark. In: Stadt+Grün 1/ 2024 (46-50). Patzer Verlag, Berlin. https: / / stadtundgruen.de/ artikel/ kooperatives-vertikalfarmund-19519 (Letzter Zugriff: 02.07.2024) [10] Bürgow, Grit (2024): Reallabor Mobile Blau-Grüne Infrastruktur (2024): www.gartenleistungen.de/ reallabore/ mobile-blau-grüne-infrastruktur/ . Webseite (Letzter Zugriff: 02.07.2024) [11] Berliner Wasserbetriebe (2024): Regenwassernutzung. Webseite. https: / / www.bwb.de/ de/ regenwassernutzung. php [12] Götze, Susanne und Annika Joerres (2023): Durstiges Land. Wie wir leben wenn das Wasser knapp wird. dtv Verlag, Berlin [13] SenUMVK (2022): Senatsverwaltung Umwelt, Mobilität, Verbraucher-und Klimaschutz. Abteilung I - Integrativer Umweltschutz. Masterplan Wasser, 1. Bericht. Berlin. Eingangsabbildung: © Lena Kunstmann bahn und der StadtManufaktur Berlin hat zur technischen Umsetzung und Unterstützung des Projekts geführt. Herausforderungen bleiben die langfristige Pflege der Grünflächen und die Sicherstellung der Wasserqualität des gefilterten Regenwassers - insbesondere da die Förderung des Projektes Reallabor Radbahn bereits im Herbst 2024 endet. Aus diesem Grund sind unterschiedliche Förder- und Projektlogiken bei der transdisziplinären Zusammenarbeit an Reallaboren zu beachten, damit diese synchronisiert und abgestimmt werden können. Fazit Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Schlüssel für den Erfolg der Reallaborarbeit wahrscheinlich in dem stetigen Pendeln zwischen kurz- und lang fristigen Betreibermodellen, zwischen anspruchsvoller Begleitforschung und einfachen Bewirtschaftungspraktiken der zirkulären Wasser- und Rohstoffproduktion sowie zwischen kleinen und großen Maßstabsprüngen - vom Testbeetfilter hin zur Schwammstadtlandschaft - liegt. Übergreifende Motivation dabei ist das Erproben einer übertragbaren Reallaborpraxis als eine Art Blaupause für die Entwicklung blau-grüner Infrastrukturen, verknüpft mit der nachhaltigen Transformationsgestaltung von Mobilitätsräumen. Dies zielt auf eine klimawirksame lokale Regenwassernutzung durch landschaftliche Schwammstadtgestaltung ab. Dadurch soll ein Upscaling und die Übertragbarkeit von blau-grünen Bausteinen der Schwammstadt- und Kreislaufstadt auf weitere Standorte ermöglicht werden. Auf Berlin bezogen soll ein gangbarer Weg aufgezeigt werden, der prognostizierten Wasserkrise [12, 13] mit einer atmosphärischen, ökosystemförderlichen und klimawirksamen Stadt- und Freiraumgestaltung zu begegnen und damit einen Beitrag zur lokalen Umsetzung von Schwammstadt-Konzepten und nachhaltigem Wasser- und Grünflächenmanagement in urbanen Räumen zu leisten. LITERATUR [1] SenUVK (2021): Senatsverwaltung Umwelt, Verkehr und Klimaschutz. Stadtentwicklungsplan Mobilität und Verkehr Berlin 2030. Maßnahmenkatalog. Berlin. [2] Reallabor Radbahn (2024): www.radbahn.berlin. Webseite [3] paper planes e.V. (2017): Radbahn Berlin. Zukunftsperspektiven für die ökomobile Stadt. JOVIS, Berlin. [4] Domasch, Silke und Maximilian Hoor (2024): Aktivierung - Transparenz - Glaubwürdigkeit. Prozess und Herausforderung der partizipativen Planung des Reallabor Radbahn. PLANERIN 2, S. 58-59. [5] Domasch, Silke, Maximilian Hoor und Jeanette Werner (2023): Reallabor Radbahn - Stadtraum gemeinsam gestalten. Das Bürgerbeteiligungsverfahren zur Freiflä- AUTOR*INNEN Dr. Maximilian Hoor, Reallabor Radbahn gUG, Forster Str. 52, 10999 Berlin max@radbahn.berlin Natalie Hipp, Reallabor Radbahn gUG, Forster Str. 52, 10999 Berlin natalie@radbahn.berlin Dr. Grit Bürgow, StadtManufaktur Berlin, Technische Universität Berlin, Stabsstelle Science and Society (ScSo), Straße des 17. Juni, 10623 Berlin grit.buergow@tu-berlin.de Dr. Anja Steglich, StadtManufaktur Berlin, Technische Universität Berlin, Stabsstelle Science and Society (ScSo), Straße des 17. Juni, 10623 Berlin anja.steglich@tu-berlin.de Jochen Zeisel, IFEU Ingenieurgesellschaft für Energie- und Umwelttechnik mbH, Am spitzen Berg 121, 14476 Potsdam jochenzeisel@gmail.com THEMA Prinzip Schwammstadt 47 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0034 Mammutaufgabe: Klimaangepasster Bestand Synergien nutzen - Öffentliche und private Klimaanpassung zusammen denken Klimaanpassung, Starkregenvorsorge, Partizipation Christine Linnartz, Eva Spitzley Ein Umdenken des Wasserkreislaufes ist durch den Klimawandel unumgänglich: Weg vom Ableiten hin zum Schwammstadtkonzept. Bei Neuplanungen fällt die Umsetzung leichter, die Anpassung des Bestands ist herausfordernd. Urbane Räume sind dicht bebaut und Flächen in städtischer Hand rar. Der Artikel beschreibt einen neuen Ansatz der StEB Köln mit einer GIS-Analyse zielgerichtet Flächen zu identifizieren, die gefährdet sind und Potenzial zur Umgestaltung bieten. Ebenso wird die Bevölkerung gezielt sensibilisiert und motiviert, sich selbst vor Wassergefahren zu schützen und Regenwasser zu nutzen. 1. Wasserbewusste Stadt: Von der Theorie in die Praxis Der Klimawandel ist unbestreitbar in vollem Gange. Die Extreme, wie Starkregen und Dürre-Perioden, bestimmen schon heute unser Leben. Daher ist ein Umdenken des städtischen Wasserkreislaufes unumgänglich. Seit den 1990er Jahren begann ein Paradigmenwechsel in der Wasserwirtschaft weg von der Einleitung hin zum Retentionsprinzip und dem Konzept der Schwammstadt i ii iii . Dabei ist es entscheidend, dass alle Beteiligten involviert und aktiv werden: Nicht nur die städtischen Akteure, sondern auch die Privaten sollen geeignete Maßnahmen ergreifen. Die Flächen in städtischem Besitz sind rar. Private Flächen stellen den Großteil der urbanen Landschaft dar. Während sich die Anforderungen für die Schwammstadt im Neuerschließungsbereich verhältnismäßig einfach umsetzen lassen, trifft ein wasserbewusster Umbau in bestehenden Stadtstrukturen auf viele Herausforderungen und wird in Deutschland aktuell nur wenig umgesetzt. In Köln fährt man versuchsweise zweigleisig: Man konzentriert sich weiter auf die Umgestaltung des städtischen Bestands, aber darüber hinaus wird auch die Bevölkerung in die Klimaanpassung mit einbezogen. Ziel ist, die Stadt möglichst umfassend an die Folgen des Klimawandels anzupassen. 48 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0035 zeitig städtische Flächen im Umkreis zu identifizieren, die sich für einen wasserbewussten Umbau eignen. So sollen Möglichkeiten herausgearbeitet werden, um das Wasser gezielt zu führen und auf geeigneten städtischen Flächen schadlos zwischenzuspeichern. Dies vermindert Überflutungsschäden und birgt bei der Umsetzung von oberflächigen Maßnahmen den Synergieeffekt, das Mikroklima zu verbessern und sommerlicher Hitze entgegenzuwirken. Wenn die örtlichen Gegebenheiten eine oberirdische Rückhaltung nicht zulassen, sind unterirdische Maßnahmen und ggf. die Nutzung des anfallenden Wassers möglich. Liegen keine städtischen Potentialflächen im Umkreis werden zudem Möglichkeiten des (privaten) Objektschutzes erörtert und im Rahmen einer Informationskampagne kommuniziert. Für die Durchführung der Starkregenanalyse werden einerseits Informationen zu der Gefährdung und zu den potenziellen Schäden benötigt. Andererseits sind Daten zu städtischen Flächen sowie deren Funktion relevant. Im ersten Schritt werden Informationen zur Gefährdung und potenziellen Schäden benötigt. Zur Beurteilung der Starkregengefährdung werden die Starkregengefahrenkarten der StEB Köln herangezogen. Sie zeigen die Bereiche, die auf Grund von Tieflagen durch oberirdische Überflutungen bei Starkregen betroffen sind. Andererseits liefern hydraulische Berechnungen nähere Informationen an welchen Schächten je nach Ereignisstärke mit Kanalüberstau zu rechnen ist. Überflutungs-Hot Spots liegen dann vor, wenn ein Bereich sowohl oberals auch unterirdisch bei einem Starkregen ab Starkregenindex 5 (SRI 5) betroffen ist. Für die Priorisierung der identifizierten Überflutungs-Hot Spots ist zusätzlich relevant, mit welchen potenziellen Schäden zu rechnen ist. Daten hierzu liefert ein separat erstellter Schadenslayer, der je nach Wassertiefe und Bebauungsart potenzielle Schadenssummen angibt. Zudem wird die Lage von sensiblen Objekten berücksichtigt. Zur Verifizierung, ob es in der Vergangenheit bereits zu Überflutungen und Schäden kam, werden in einem weiteren Layer („Flutungsmeldungen“, Bild 1 grüne Dreiecke) ortsbezogene Daten gesammelt. Dieser enthält sowohl Informationen zu wasserbezogenen Feuerwehreinsätzen als auch Beschwerdemeldungen zu Überflutungen, die bei den StEB Köln eingegangen sind. Die Betrachtung der aufgeführten Layer führt zur Bildung von örtlichen Clustern mit Überflutungs-Hot Spots. Für diese werden Schutz- und Flächenumgestaltungsmöglichkeiten erörtert. Innerhalb der Cluster werden im Einzugsgebiet der Überflutungsfläche städtische Flächen gesucht, deren aktuelle Nutzung Als erster Handlungsraum dient der Stadtbezirk Rodenkirchen, der sich linksrheinisch im Kölner Süden befindet. Begrenzt wird der Bezirk durch den Rhein im Osten und die Städte Wesseling und Hürth. Südlich der Bundesautobahn 4 befindet sich ein eher dörflich geprägter Bezirk aus sehr heterogenen Stadtteilen hinsichtlich der Bevölkerungsdichte, Altersstruktur und Migrationshintergrund. Die Landschaft ist geprägt von Landwirtschaft auf der einen Seite und Industrie (insbesondere Erdöl verarbeitende Industrie) auf der anderen Seite. Der Stadtbezirk Rodenkirchen hat ungefähr 110.000 Einwohnende, dabei eine Bevölkerungsdichte von 2.050 Einwohnende pro Quadratkilometer. 2. Die Verwaltung als Akteur Die öffentliche Hand mit ihren Gebäuden, Straßen und Parks prägt in vielen Städten das Stadtbild. So auch in Köln. Sie übernimmt nicht nur die Daseinsvorsorge, sondern fungiert in vielen Bereichen auch als Vorbild bzw. Vorreiterin. Dementsprechend ist es sinnvoll, als Verwaltung vorwegzugehen und Klimaanpassungsmaßnahmen umzusetzen. Doch etablierte Prozesse in der Verwaltung fehlen bislang und erschweren so die interdisziplinäre Zusammenarbeit und damit die Umsetzung von Maßnahmen. Um gezielt die entsprechenden Ämter der Stadt Köln ansprechen zu können, haben die StEB Köln (Stadtentwässerungsbetriebe Köln) untersucht welche Flächen sich überhaupt für einen wasserbewussten Umbau eignen. Dabei verstehen sich die StEB Köln als Treiberin der wasserwirtschaftlichen Klimaanpassung und werben nicht nur bei den zuständigen Fachämtern der Stadt Köln, sondern auch bei den Bürger*innen für einen veränderten Umgang mit der Ressource Regenwasser. 3. Ganzheitliches Überflutungskonzept Für den Stadtbezirk Rodenkirchen wird beispielhaft ein auf andere Stadtbezirke übertragbares, ganzheitliches Überflutungskonzept durch die StEB Köln erarbeitet. Dieses betrachtet die Überflutungsgefahren durch Starkregen, Hochwasser und Grundhochwasser und entsprechende Handlungsmöglichkeiten. Es umfasst unter anderem eine GIS-basierte Starkregenanalyse sowie eine gezielte Informationskampagne, die auf die Bevölkerung abzielt. So deckt das örtliche Überflutungskonzept die beiden großen Akteure Verwaltung und Private ab. 4. Starkregenanalyse: Schritt für Schritt Für Starkregenvorsorge werden Flächen benötigt. Ziel der Starkregenanalyse ist es daher, Überflutungs-Hot- Spots bei Starkregen ausfindig zu machen und gleich- THEMA Prinzip Schwammstadt 49 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0035 Regionen ist bekannt, dass Menschen besonders durch ein Schadensereignis motiviert werden, geeignete Maßnahmen zu ergreifen v . Starkregen tritt jedoch viel kleinräumiger und unvorhergesehener auf als Hochwasser, daher ist es besonders hier wichtig, sich vor dem Ereignis ausreichend zu schützen. Darüber hinaus soll der Bevölkerung auch das Konzept der Schwammstadt und insbesondere die sinnvolle Nutzung der Ressource Regenwasser nähergebracht werden. Die Sensibilisierung der Öffentlichkeit hat bei den StEB Köln eine lange Tradition, an die angeknüpft wird: Neben Info-Broschüren und Info-Abenden gibt es auch eine Wanderausstellung, die durch die Kölner Bezirke wandert. Beobachtungen zeigen, dass diese Formate eher das Klientel der alt-eingesessenen, gut situierten Bürger*innen anspricht. Neue Formate müssen also her, um auch die anderen Bevölkerungsgruppen in Rodenkirchen anzusprechen. Um die Formate an die Zielgruppe anzupassen, wurde im ersten Schritt das Projektgebiet hinsichtlich der Demographie und der Bebauungsstruktur analysiert. Insbesondere die Altersstruktur, die verfügbare Wohnfläche pro Kopf und das Verhältnis von Ein- und Mehrfamilienhäusern geben erste Hinweise zur Bevölkerung. Dabei ist aufgefallen, dass es im Projektgebiet Stadtteile mit sehr wohlhabender, aber auch sehr armer Bevölkerung gibt, in der viele Familien und Personen auf engstem Raum zusammenleben. Auch gibt es im Projektgebiet Stadtteile, die typisch vorstädtisch durch überwiegend Einfamilienhäuser gekennzeichnet sind sowie eher urbane Stadtteile mit vielen Mehrfamilienhäusern. es ermöglicht, sie als multifunktionale Fläche zu nutzen (Bild 2, lila Schraffierung). Hierfür wird ein Layer genutzt, der alle ALKIS 1 Informationen dahingehend einstuft, ob sich die Fläche anhand ihrer Nutzung für eine Umgestaltung als multifunktionale Fläche eignen würde. Die Einstufung orientiert sich an den Ergebnissen des Forschungsprojektes MURIEL iv (Multifunktionale Retentionsflächen). Grünflächen, Rad- und Fußwege sowie Parkplätze werden bspw. als nutzbar erfasst und Orte wie Friedhöfe als Ausschluss markiert. Darüber hinaus werden viele Flächen als Einzelfallprüfung eingestuft. Befindet sich eine nutzbare Fläche, die zudem in städtischem Besitz ist, im Umkreis, wird die Umgestaltung dieser Fläche näher betrachtet und eine erste Ideenskizze erarbeitet. Anschließend erfolgt die Kontaktaufnahme zum zuständigen Amt, um das potenzielle Vorhaben zu kommunizieren. Sind die relevanten Ämter den Umgestaltungsideen aufgeschlossen, erfolgt eine vertiefte, technische Planung. Zudem umfasst die Starkregenanalyse die Erörterung von Möglichkeiten des (privaten) Objektschutzes, die im Zuge der Informationskampagne kommuniziert werden. In Rodenkirchen hat sich herausgestellt, dass es auf Grund der starken Flächenkonkurrenz nur vereinzelt städtische Potentialflächen im Umkreis von Überflutungs-Hot Spots gibt. 5. Mobilisierung der Bevölkerung Die Starkregenanalyse hat gezeigt, dass geeignete Flächen nur vereinzelt verfügbar sind. Umso wichtiger ist der private Objektschutz. Für Hochwasser- Bild 1: Cluster anhand der Starkregengefährdung (SRI 5), Kanalüberstau (Punkte) & Flutungsmeldungen (grüne Dreiecke) THEMA Prinzip Schwammstadt 50 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0035 Maßnahmen, die die meisten ‚Personas‘ ansprechen, wurden weiterverfolgt. Für diesen Schritt ist es besonders wichtig, die ‚Personas‘ gut auszuarbeiten, damit es allen Teilnehmenden des Workshops gelingt, sich in die Sichtweise der ‚Persona‘ hineinzuversetzen. Nachdem die Maßnahmen der Politik und ausgewählten Initiativen vorgestellt wurden, wurde die Detailplanung und Produktion der entsprechenden Maßnahmen begonnen. Die geplanten Maßnahmen sind: Bierdeckel: Bierdeckel mit einem auffälligen Design, das Interesse weckt, sollen die Menschen erreichen, die bisher noch nicht für Wassergefahren und Regenwassernutzung sensibilisiert sind. Ziel ist, die Menschen in einem Kontext (z. B. einer Kneipe oder Restaurant) zu erreichen, in denen sie kurz Zeit haben, auf das Thema aufmerksam zu werden. Die Bierdeckel können als Gedankenstütze mitgenommen worden. Darüber hinaus befindet sich auf den Bierdeckeln auch ein QR-Code auf die Projektwebsite. Projektwebsite: Das Projekt wird über eine Projektwebsite begleitet. Hier werden Projekte, gute Vorbilder aus der Bevölkerung, aber auch Termine kommuniziert. Ziel ist, neben der schlichten Information über das Projekt, auch mit Hilfe von guten Beispielen aus der Bevölkerung zum Nachahmen anzuregen: Dadurch, dass gezielt Projekte aus dem Stadtgebiet vorgestellt werden, soll vermittelt werden, dass Klimaanpassung auch in Rodenkirchen möglich ist. Marktstand: Ähnlich wie bei den Bierdeckeln sollen auch bei dieser Maßnahme die Menschen im Alltag auf das Thema aufmerksam gemacht werden. Die StEB Köln haben bereits gute Erfahrungen mit Stän- Als zweiter Schritt wurden aufbauend auf den Analyse-Ergebnissen sogenannte ‚Personas‘ entwickelt. Diese sind überspitzte Darstellungen von typischen Charakteren. Die Methodik kommt aus dem Marketing und der Produktentwicklung, um sich die typischen Kund*innen oder Nutzende des Produkts besser vorstellen zu können. Hierfür wird pro ‚Persona‘ ein Steckbrief entwickelt, der relevante Faktoren abdeckt. Für Rodenkirchen war es neben demographischen Daten auch wie die Person wohnt, welche Werte ihr wichtig sind und wo sie sich in ihrer Freizeit aufhält. Sinn und Zweck war es, sich ein plastisches Bild von den Menschen im Projektgebiet zu machen und ihre Perspektive anzunehmen. Hierfür wurde ein kleines Projektteam aus Kolleg*innen, die im Bereich wohnen oder bereits viel mit der örtlichen Bevölkerung zusammengearbeitet haben (z. B. im Hochwasserschutz) gebildet. Im Nachgang wurden die ‚Personas‘ weiter ausgearbeitet und mit Porträtbildern versehen, um sie möglich plastisch und konkret zu machen. Im dritten Schritt wurden geeignete Kommunikationsmaßnahmen ausgewählt: Hierzu wurden bereits erprobte Maßnahmen recherchiert und an die Kölner Gegebenheiten angepasst. Als Basis wurde hier die Publikation Regen/ / Sicher vi genommen, in der eine Vielzahl an Maßnahmen in Steckbriefen vorgestellt werden. In einem Workshop wurden dann mit dem Projektteam gemeinsam die Maßnahmen ausgewählt: Das Projektteam ist dabei in die Rolle der ‚Personas‘ geschlüpft: Jede*r bekam eine ‚Persona‘ und hat auf dessen Grundlage die Maßnahmen ausgewählt, die die jeweilige ‚Persona‘ am meisten ansprechen. Die Bild 2: Ober- und unterirdische Gefährdung bei Starkregen (SRI 5) & städtische Potentialfläche. THEMA Prinzip Schwammstadt 51 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0035 ausgefallenen Mitteln, die Bevölkerung für Wassergefahren sensibilisiert und sie motiviert, Regenwasser zu nutzen. Das Leitbild der Schwammstadt macht deutlich, dass Entwässerungsbetriebe über die Grenzen der grauen Infrastruktur hinausdenken müssen. Die Bevölkerung muss nicht nur als Kund*in, sondern auch als wichtiger Adressat und „Mitarbeiter*in“ in der Klimaanpassung gesehen werden. Ebenso wechselt die Rolle im Stadtumbau. Während die Entwässerungsbetriebe in der Vergangenheit vergleichsweise spät in die Planung mit einbezogen wurden, agieren sie nun bei der Entwicklung von multifunktionalen Retentionsflächen als Treiberin. Hier sind sie fachlich gefragt eine koordinierende und motivierende Aufgabe zwischen den verschiedenen städtischen Ämtern, aber auch Bürger*innen wahrzunehmen, damit die Schwammstadt keine Vision der Zukunft bleibt. Eingangsabbildung: © iStock.com/ BrianAJackson LITERATUR i Uhl (2023): Wasserbewusste Stadtentwicklung. In Korrespondenz Wasserwirtschaft 2023 (16) Nr. 12 ii DWA (2023): Position Allianz: „Gemeinsam für eine wasserbewusste Stadtentwicklung“ iii LAWA (2021): Auf dem Weg zur wassersensiblen Stadtentwicklung. Positionspapier. LAWA iv Benden, J.; Broesi, R; Illgen, M.; Leinweber, U.; Lennartz, G.; Scheid, C.; Schmitt, T. G.: Multifunktionale Retentionsflächen. Teil 3: Arbeitshilfe für Planung, Umsetzung und Betrieb. MURIEL Publikation (2017) v Grothmann, T: Was motiviert zur Eigenvorsorge? Motivationseffekte von Beteiligungsprozessen in der Klimawandelanpassung. (2017) iv Born, M.; Körner, C.; Löchterfeld, S.; Werg, J.; Grothmann, T.: Erprobung und Evaluierung von Kommunikationsformaten zur Stärkung privater Starkregenvorsorge - Das Projekt Regen/ / Sicher (2021) ENDNOTEN 1 Das amtliche Liegenschaftskatasterinformationssystem (ALKIS) enthält sämtliche graphische Informationen zu Liegenschaften (Flurstücke und Gebäude). den auf Stadt- und Straßenfesten gemacht. Um den Stand noch attraktiver zu machen, gibt es Getränke, wie z. B. Kaffee, oder Eis an heißen Tagen im Tausch gegen eine Idee, wie Regenwassernutzung, insbesondere im privaten Bereich gelingen kann. Veranstaltungen: In zwei bezirksweiten Veranstaltungen (je eine am Anfang und eine am Ende der Projektdauer) soll die Bevölkerung gebündelt dazu motiviert werden, Klimaanpassung als Gemeinschaftsaufgabe zu verstehen und eigene Maßnahmen umzusetzen. Urbane Intervention an Gefahrenpunkten: Die Starkregenanalyse hat ergeben, dass es im Projektgebiet einige Gefahrenpunkte gibt, wo eine bauliche Maßnahme der StEB Köln nicht möglich oder nicht sinnvoll ist. Um hier darauf aufmerksam zu machen, wie wichtig Objektschutz ist, werden in den betroffenen Gebieten urbane Interventionen, wie z. B. Hochwassermarken, angebracht. Auch werden die potenziell betroffenen Haushalte mit Informationsmaterial über die mögliche Gefahr und Schutzmöglichkeiten informiert. 6. Fazit Das dargestellte Vorgehen zeigt einen möglichst umfassenden Ansatz, einen Bezirk an die Folgen des Klimawandels anzupassen. Dabei verfolgen die StEB Köln zwei Ansätze gleichzeitig: 1) Die Identifizierung von Überflutungs-Hot Spots sowie städtische Potentialflächen im Einzugsgebiet, die sich für eine wasserbewusste Umgestaltung eignen. Jedoch zeigt sich anhand der Starkregenanalyse, dass nur selten passende städtische Flächen im Umkreis vorhanden sind. Demnach wird deutlich, dass die Suche nach städtischen Potentialflächen allein nicht ausreichen wird. Die Umgestaltung hin zu einer wasserbewussten Stadt ist eine Gemeinschaftsaufgabe, an der die öffentliche und private Hand mitarbeiten müssen. Dies unterstreicht die Relevanz des zweiten Ansatzes. 2) Eine Informationskampagne, die über die bloße Information hinausgeht und mit kreativen und AUTOR*INNEN Christine Linnartz, M.A. Urbane Kultur, Gesellschaft und Raum, Projektleitung Klimafolgenanpassung, StEB Köln, christine.linnartz@steb-koeln.de Eva Spitzley, M.Sc. Geographie, Projektleitung Klimafolgenanpassung, StEB Köln, eva.spitzley@steb-koeln.de Bild 3: Stand auf einem Stadtfest. Hier können die Bürger*innen ihre Ideen äußern und bekommen als Dankeschön einen Kaffee \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissen schaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissen schaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikations wissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprach wissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Alt philologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissen schaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft THEMA Prinzip Schwammstadt 52 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0035 \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissen schaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissen schaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikations wissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprach wissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Alt philologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissen schaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft BUCHTIPP Manfred Breitbach (Hrsg.) 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis Fachtagung über Planung, Bau, Instandhaltung, Instandsetzung und Betrieb von Trinkwasserbehältern 2023, 187 Seiten €[D] 148,00 ISBN 978-3-8169-3558-2 eISBN 978-3-8169-8558-7 expert verlag - Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ Fax +49 (0)7071 97 97 11 \ info@narr.de \ www.narr.de Das 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis (vormals „Betonbauwerke in der Trinkwasserspeicherung“) an der Technischen Akademie Esslingen beschäftigt sich mit den Themenbereichen der Regelwerke, Trinkwasserhygiene und -aufbereitung sowie Werkstoffkorrosion im Kontakt mit Trinkwasser. Die Fachtagung bietet somit eine aktuelle Plattform zur Vorstellung von Richtlinien, deren Anwendung und Umsetzung. Es werden Bauweisen (Neubau, Teilneubau, Systembehälter), Bauverfahren, Instandsetzungsprinzipien, Auskleidungsprinzipien und marktübliche Werkstoffe und Systeme präsentiert. Das Kolloquium behandelt in rund 25 Plenar- und Fachvorträgen die neuesten Erkenntnisse über Planung, Bau, Instandhaltung, Instandsetzung und Betrieb von Trinkwasserbehältern. Landwirtschaftliche und städtische Wasserwiederverwendung in Kommunen Standortbewertung und erste Schritte zur Umsetzung Trockenperioden, Stadtgrünpflege, Pilotanlage, Machbarkeit, BMBF-Projekt Flexitility Daniel Kaufman, Axel Dierich Trockenperioden beeinträchtigen die Landwirtschaft und Stadtgrünpflege stark. Eine Lösung ist die Wiederverwendung von gereinigtem Abwasser. Im BMBF-Projekt Flexitility wurde eine Pilotanlage zur Klärung praktischer Umsetzungsfragen und des Risikomanagements entwickelt. Der Artikel beleuchtet die Machbarkeit und Umsetzung in Städten, abhängig von Faktoren wie Kläranlagengröße, Wasserqualität, geografischer Lage und Infrastruktur. Er bietet Grundlagen und Anregungen zur Wasserwiederverwendung. Hintergrund Klimawandel und Landwirtschaft Im Zuge des Klimawandels sind Landwirtschaft und Kommunen immer mehr von Trockenheit betroffen. So gab es deutschlandweit gemittelt in den letzten sechs Jahren vier Jahre mit einer geringeren Niederschlagsmenge im Vergleich zum Niederschlagsmittel der Jahre 1961 bis 1990. Dabei waren die Jahresmittelniederschläge 2018 um 25 %, 2022 um 15 %, 2020 um 10 % und 2019 um 7 % geringer als im Referenzzeitraum [1]. Diese Trockenperioden verringern den landwirtschaftlichen Ertrag erheblich. Um den dürrebedingten Ernteausfällen entgegenzuwirken und ausreichende Erträge zu realisieren, müssen Landwirte immer häufiger auf eine Bewässerung ihrer Felder zurückgreifen. Laut der Agrarstrukturerhebung 2016 [2] wurden im Jahr 2015 fast 452.000 ha landwirtschaftlicher Fläche bewässert. Dies macht etwa 2,7 % der gesamten landwirtschaftlichen Fläche in Deutschland aus [2] [3]. Von diesen 452.000 ha wurden etwa 77 % mit Grundwasser, 11 % mit Oberflächenwasser, 11 % aus privaten und öffentlichen Versorgungsnetzten und 1 % aus anderen Quellen bewässert [2]. Es wird angenommen, dass der bewässerte Anteil an der landwirtschaftlichen Fläche in Deutschland steigen wird. Dies birgt bei der jetzigen Wasserherkunftsstruktur Gefährdungen für Grundwasserreserven und Oberflächengewässer. Um den Risiken entgegenzuwirken, müssen alternative Wasserquellen für die landwirtschaftliche Bewässerung erschlossen werden. Eine Möglichkeit hierzu ist die Wiederverwendung von gereinigtem und desinfiziertem Wasser nach dem Ablauf von Kläranlagen. Auch städtische Grünanlagen sind von Trockenheit betroffen. Um diese zu erhalten, bietet sich als alternative Wasserressource für die Bewässerung ebenfalls die Wiederverwendung desinfizierten Kläranlagenablaufs an. 54 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0036 wendungscheck des inter 3 Instituts für Ressourcenmanagement berechnet. Prüfkriterien für städtische Kläranlagen Aus den Erfahrungen des Projektes Flexitility und anderer Fallbeispiele hat inter 3 Prüfkriterien für städtische Kläranlagen entwickelt, mit deren Hilfe Städte und Gemeinden abschätzen können, ob eine WWV für deren Situation im Prinzip möglich ist. Darauf aufbauend können sie sich dann für detailliertere Untersuchungen im Rahmen eines Risikomanagementplans entscheiden. Nachfolgend sind einige zentrale Aspekte der Prüfkriterien zusammengefasst. 1. Bei der Planung der WW V spielt die Größe der Kläranlagen eine entscheidende Rolle für die Effizienz und Wirtschaftlichkeit. Besonders Anlagen der Größenklasse 4 und höher, die für einen höheren Durchfluss ausgelegt sind, profitieren von einer besseren Kosten-Nutzen-Relation. Dies liegt unter anderem daran, dass Desinfektionsanlagen und andere technische Maschinen, die für die Aufbereitung des Wassers erforderlich sind, mit Investitionskosten verbunden sind. Solche Systeme rechnen sich erst bei einem entsprechend hohen Wasserdurchfluss. 2. Die Qualität des zu behandelnden Wassers ist ein weiterer entscheidender Faktor bei der Planung der WWV. Je geringer die Belastung des Kläranlagenablaufs ist, desto leichter und günstiger gestaltet sich der Reinigungsprozess. Relevant ist die Anwesenheit von großen Industriebetrieben oder stark verschmutzenden Unternehmen, die ihr vorgereinigtes Abwasser in die öffentliche Kanalisation einleiten. Also Einleiter, die besondere Gefahren in das Abwasser einbringen, z. B. spezielle Schwermetall- oder Chemikalienbelastungen. Diese erfordern dementsprechend aufwendige Reinigungsverfahren, um die gesetzlichen Qualitätsvorgaben für die Wasserwiederverwendung zu erfüllen. 3. Bei der Planung einer WWV muss der quantitative und qualitative Zustand des Vorfluters, also des Gewässers, in das das gereinigte Abwasser eingeleitet wird, berücksichtigt werden. Durch die WWV wird dem Vorfluter weniger Wasser zugeführt. Dies kann z. B. eine Verringerung von Wasserstand und Abflussmenge zur Folge haben, sodass mögliche Beeinträchtigungen auf Lebensräume im und um das Gewässer untersucht werden sollten, gerade wenn die Kläranlage die Hauptquelle für die Wasserzufuhr des Vorfluters darstellt. 4. Die geografische Lage der Kläranlage ist ein entscheidender Faktor für die Effizienz der WWV aufgrund der kostenträchtigen Transporte des aufbereiteten Wassers zu den Stellen, an denen es Rechtlicher Hintergrund Die ersten internationalen Richtlinien für die landwirtschaftliche Wasserwiederverwendung (WW V ) wurden von der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) im Jahr 1992 festgelegt. Bei dieser Regelung spielten die Vermeidung von gesundheitlichen Risiken für den Menschen und schadhafte Auswirkungen der landwirtschaftlichen WWV auf die Nutzpflanzen und Böden eine herausragende Rolle. [4] Anschließend wurden grundlegend überarbeitete Richtlinien zur WWV für Landwirtschaft und Aquakulturen im Jahr 2006 von der WHO herausgegeben. Auf europäischer Ebene verabschiedete die Europäische Kommission die EU-Verordnung 2020/ 741 im Jahr 2020 mit dem Ziel, die Regelungen für eine landwirtschaftliche Wasserwiederverwendung in der EU zu vereinheitlichen und sie europaweit zu ermöglichen. Damit bildet diese zurzeit die gültige rechtliche Grundlage auch in Deutschland. Diese Verordnung schreibt für jede Anwendung die Erstellung eines Risikomanagementplans vor, um das Risiko von gesundheitlichen Folgen zu minimieren und die verschiedenen Umweltkomponenten zu schützen. Zusätzlich veröffentlichte die EU im Jahr 2022 Leitlinien zur Anwendung der Verordnung 2020/ 741 über Mindestanforderungen an die Wasserwiederverwendung (2022/ C 298/ 01). Forschungsprojekt Flexitility Das BMBF-Forschungsprojekt Flexitility erprobt in einem seiner Teilprojekte die landwirtschaftliche WWV zum Zweck der Tierfutterproduktion. Dazu werden am Standort der Kläranlage Uebigau in Brandenburg praktische Erfahrungen gesammelt. Hauptziele des Projektes sind die Identifikation möglicher Risiken im Gesamtsystem und die Entwicklung konkreter Schutzmaßnahmen, welche in einem Risikomanagementplan zusammengefasst werden. Dieser kann auch als Vorlage für weitere Anwendungsfälle dienen. In der Versuchsregion werden zurzeit kaum landwirtschaftliche Flächen bewässert, sodass zunächst die Frage nach der Wirtschaftlichkeit einer Bewässerung beantwortet werden musste. Mittels Geodaten wurden Flächen im Umkreis von zwei Kilometern um die Kläranlagen des Herzberger Wasser- und Abwasserzweckverbands (HWAZ) räumliche Funktionen zugewiesen. Je nach Wasserbedarf wurden die landwirtschaftlichen Flächen in vier Kategorien eingeteilt und diejenigen Flächen ausgewählt, die bewässerungswürdig sind. Anschließend wurde der Wasserbedarf von verschiedenen potenziell anbaubaren Früchten mithilfe einer intelligenten Verknüpfung von Wetter-, Boden- und Landwirtschaftsdaten durch den Wasserwieder- THEMA Prinzip Schwammstadt 55 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0036 öffentliche Parks nicht in den Öffnungszeiten bzw. in den Nachtstunden bewässert werden, und die hygienischen Analysen der bewässerten Flächen rücken in den Mittelpunkt des Monitorings. Fazit In Deutschland ist in Zukunft mit einem steigenden Bewässerungsbedarf in der Landwirtschaft und bei städtischen Grünflächen zu rechnen. Dabei könnte gereinigtes Wasser aus kommunalen Kläranlagen in betroffenen Regionen eine wichtige und sichere Wasserquelle darstellen. Die hier vorgestellten Prüfkriterien ermöglichen eine erste Einschätzung zur Nutzung dieser Ressourcen für Landwirtschaft und Grünanlagen und tragen zur Lösung dieser Herausforderung bei. Eingangsabbildung: © iStock.com/ Umesh Negi LITERATUR [1] UBA. (2023, June 16). Trockenheit in Deutschland - Fragen und Antworten. Umweltbundesamt. https: / / www. umweltbundesamt.de/ themen/ wasser/ extremereignisseklimawandel/ trockenheit-in-deutschland-fragenantworten#trockenheit-aktuelle-situation [2] StatistischesBundesamt(2017)Land-undForstwirtschaft, Fischerei- BewässerunginlanwirtschaftlichenBetrieben/ Agrarstrukturerhebung. https: / / www.destatis.de/ DE/ Themen/ Branchen-Unternehmen/ Landwirtschaft-Forstwirtschaft-Fischerei/ Landwirtschaftliche-Betriebe/ Publikationen/ Downloads-Landwirtschaftliche-Betriebe/ betriebswirtschaftliche-ausrichtung-standardoutput-2030214169005. xlsx? _ _blob=publicationFile [3] Statistisches Bundesamt (2017). Agrarstrukturerhebung 2016: 9 000 landwirtschaftliche Betriebe Weniger als im Jahr 2013. https: / / www.destatis.de/ DE/ Presse/ Pressemitteilungen/ 2017/ 01/ PD17_026_411.html [4] Pescod, M. B., Wastewater treatment and use in agriculture (1992). Rome; Food and Agriculture Organization of the United Nations. [5] Mohajeri, S.; Kaufman, D.; Kestin, M.: RisikomanagementplanfüreineWasserwiederverwendung.wwtPraxismagazin für Trink- und Abwassermanagement 4/ 2023, S. 30-33. www.umweltwirtschaft.com/ epaper/ umw/ 306/ epaper/ 3002/ 32/ index.html wiederverwendet werden soll. Es ist von Vorteil, wenn die Kläranlage in der Nähe von landwirtschaftlichen Flächen oder anderen Gebieten liegt, die das aufbereitete Wasser benötigen. 5. Die Nutzung vorhandener Infrastruktur kann Effizienz und Kosteneffektivität der WWV erheblich verbessern. Wenn bereits bestehende Systeme wie ein Bewässerungsnetz für die Landwirtschaft vorhanden sind oder größere Bewässerungsfahrzeuge für die Pflege städtischer Grünflächen existieren, können diese Ressourcen ideal integriert werden. In die Umsetzung kommen Nachdem die Entscheidung zur WWV getroffen und ein geeigneter Standort festgelegt wurde, steht die konkrete Umsetzung im Fokus. Wesentliche Schritte sind die Identifikation geeigneter Partner für die Nutzung des aufbereiteten Wassers und die gemeinsame Durchführung einer detaillierten Wirtschaftlichkeitsrechnung. Als Voraussetzungen für den sicheren und effektiven Einsatz des gereinigten Wassers ist die Erstellung eines Risikomanagementplans unerlässlich, der spezifische Vorsorgemaßnahmen und technische Anforderungen definiert, die für den Betrieb der Wasserwiederverwendungssysteme erforderlich sind. Dieser Plan gliedert sich in 11 Key Elements of Risk Management (KRM): 1. Beschreibung des Systems 2. Akteure und Rollen 3. Ermittlung der Gefahren 4. Gefährdete Umweltgegebenheiten und Bevölkerungsgruppen und Expositionswege 5. Bewertungen der Umwelt- und Gesundheitsrisiken 6. Zusätzliche Anforderungen 7. Vorsorgemaßnahmen 8. Qualitätskontrollsysteme 9. Umweltüberwachungssysteme 10. Notfallmanagement 11. Koordinierung Besonders im Fokus steht die Ermittlung und Bewertung der Risiken für die verschiedenen Umweltparameter und die Umsetzung der Vorsorgemaßnahme und des Monitoringsystems. [5] Mit diesen fundierten Unterlagen und einem klaren Konzept wendet man sich an die zuständige Wasserbehörde, um eine Genehmigung für die Wasserwiederverwendung zu beantragen. Für die Bewässerung von Stadtgrün muss ebenfalls ein Risikomanagementplan aufgestellt werden. Hier sind abweichend für die Landwirtschaft besondere Anforderungen und technische Sicherheitsvorkehrungen zu beachten. So sollten beispielsweise AUTOR*INNEN Daniel Kaufman, M.Sc., Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei inter 3 GmbH - Institut für Ressourcenmanagement, Otto-Suhr-Allee 59 10585 Berlin d.kaufman@inter3.de Axel Dierich, Dipl. -Pol., Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei inter 3 GmbH - Institut für Ressourcenmanagement, Otto-Suhr-Allee 59 10585 Berlin dierich@inter3.de THEMA Prinzip Schwammstadt 56 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0036 Von der Betonschlucht zum Schwamm: Wolkenbruchplan für Städte Unwetter, Regenfälle, Wetterextreme, Klimakrise, Starkregen, Schutz Gregor Grassl, Philipp Alber Vollgelaufene Keller, überflutete Straßen und zahlreiche Evakuierungen: Im Juni dieses Jahres haben starke Unwetter und Regenfälle den Städten und Kommunen zugesetzt. Besonders schlimm war es in den Metropolregionen in Süddeutschland: Flüsse traten über die Ufer und verursachten erhebliche Schäden an Gebäuden und Infrastruktur. Solche Wetterextreme werden in den kommenden Jahren aufgrund der Klimakrise immer häufiger auftreten. Städte und Kommunen brauchen daher Klimaanpassungsstrategien, um sich und ihre Bewohner: innen vor Starkregen zu schützen. Städte nur unzureichend geschützt Von einem sogenannten Starkregenereignis warnt der Deutsche Wetterdienst dann, wenn in einer Stunde an einem Ort mehr als 15 bis 25 Liter pro Quadratmeter oder binnen sechs Stunden 20 bis 35 Liter Niederschlag pro Quadratmeter erwartet werden. Solche Wolkenbrüche verfügen über ein enormes Verwüstungspotential. Sie bergen schwer kalkulierbare Überschwemmungsrisiken und können im schlimmsten Fall nicht nur Häuser zum Einsturz bringen, sondern auch Menschenleben gefährden. Gerade in Städten, wo ein Großteil der Flächen versiegelt sind, ist die Kanalisation in der Regel aus Kosten- und Platzgründen nicht auf Starkregenereignisse ausgelegt. Besonders anfällig sind tief liegende Stadtteile und Gebiete in Flussnähe. Alte Rohrleitungen und unzureichende Entwässerungssysteme verschärfen die Situation zusätzlich. Starkregenkarte zeigt Schwachstellen auf Solche potenziellen Risiken zu analysieren, ist der erste Schritt auf dem Weg zur Klimaanpassung. Eine gute 57 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0037 Das zurückgehaltene Niederschlagswasser wird nach Abklingen des Starkregens nach und nach in die Kanalisation abgegeben. Zudem ist es ratsam, an Stelle versiegelnder Materialien wie Asphalt oder Pflastersteine auf wasserdurchlässige Materialien wie Rasengittersteine zu setzen. Welche weiteren Materialien besonders vielversprechend sind, das erforscht das Gelsenkirchener Institut für Unterirdische Infrastruktur. In einem weltweit einmaligen Großversuchsstand für Starkregen testen die Forscher: innen, wie sich unterschiedliche Oberflächenmaterialien auf das Fließverhalten von Wasser auswirken. Die hier gewonnenen Erkenntnisse unterstützen Stadtplaner: innen dabei, die Folgen von Starkregen zu vermindern. Wolkenbruchpläne werten Städte auf Als Vorreiter eines erfolgreichen Starkregenkonzepts gilt die Stadt Kopenhagen. Nachdem die dänische Metropole im Jahr 2011 nach schweren Unwettern mit Überflutungen zu kämpfen hatte, reagierte die dänische Hauptstadt mit einem Cloudburst-Management- Plan. Rund 1,5 Milliarden Euro fließen über einen Zeitraum von 20 Jahren in 300 Einzelprojekte. Der Plan beinhaltet zahlreiche Konversions- und Neubaumaßnahmen. Im Fokus steht dabei nicht nur die Begrenzung der drohenden Überflutungen im Stadtraum, sondern auch die Lösung infrastruktureller Probleme im Zusammenhang mit Mobilität, öffentlichem Raum, Sicherheit und Biodiversität. Grünflächen gegen Starkregen und Hitzeinseln Auch die baden-württembergische Stadt Rastatt hat ein Klimaanpassungskonzept auf den Weg gebracht. Mittels Baumrigolen, Tiefbeeten und Zisternen sowie neuen Retentionsflächen entlang der Flüsse Rhein und Murg schützt sich die Kommune besser vor Hochwasser und speichert gleichzeitig Wasser, das sie während Dürreperioden zur Bewässerung der Grünflächen abrufen kann. Mit über tausend neu gepflanzten Bäumen und Grünfassaden an Gebäuden sorgt die Stadt außerdem für ein besseres Mikroklima. Damit adressiert sie ein weiteres Problem des Klimawandels: Die immer stärkeren und häufiger auftretenden Hitzewellen während der Sommermonate. Städte neigen dazu, sich stärker aufzuheizen als ländliche Gebiete - ein Phänomen, das als urbane Hitzeinsel bekannt ist. Das größte Problem ist auch hier die hohe Versiegelung mit wärmespeichernden Materialien wie Beton, Asphalt oder Glas. Dadurch kommt es zum sogenannten Heat-Island-Effekt. In Städten kann es dann um bis zu 10 Grad wärmer als im Umland sein. Diese Wärme wird tagsüber gespeichert und nachts langsam wieder abgegeben. Tropische Nächte sind die Basis liefern sogenannte Starkregenkarten. Dabei handelt es sich um computergestützte Modelle, die sich auf topografische Gegebenheiten sowie die Leistungsfähigkeit des Kanalnetzes stützen und somit Starkregen- und auch Hochwasserrisiken berechnen können. Zudem müssen die örtlichen Gegebenheiten genau unter die Lupe genommen werden: Wie groß ist das Einzugsgebiet? Welchen Abflussbeiwert hat es und wie hoch ist das Risiko durch versiegelte Flächen? Wie ist der Zustand der Gewässer? Gibt es Retentionsflächen, die Wassermassen auffangen können? Wie dicht ist die Bebauung, sind Notwasserwege vorhanden? Zusätzlich gilt es, bestehende Hochwasserschutzmaßnahmen zu prüfen. Nicht immer lösen die Konzepte ein, was sie versprechen. Ein Beispiel dafür sind Dämme. Sie halten zwar das Wasser fern, drängen aber häufig die Wassermassen so stark zusammen, dass sich die Fließgeschwindigkeit erhöht und eine Flutwelle in einer Gemeinde weiter flussabwärts umso verheerender ausfallen kann. Die Gefahr wird teilweise verlagert auf andere Kommunen. Anstatt Wasser „blind“ weiterzuleiten, empfiehlt sich eine kommunal übergreifende und einzugsgebietsfokussierte Planung des Starkregen- und Hochwasserschutzes. Ein optimaler Schutz lässt sich nur durch gemeinschaftliche Prävention erreichen, an der beispielsweise auch Privathaushalte mit entsprechenden eigenen baulichen Maßnahmen oder Landwirte mit Bewirtschaftungsmaßnahmen mitwirken können. Städte wie Schwämme Bei Immobilien können Eigentümer: innen mit Grünflächen rund um die Gebäude oder auf dem Dach zusätzliche Rückhalteflächen schaffen. So entlasten sie die öffentliche Kanalisation, verzögern den Abfluss und verringern die Abflussspitzen. Darüber hinaus gibt es durchaus kostengünstige Maßnahmen, um Neu- und Bestandsbauten im Notfall vor Überschwemmungen zu schützen. Bewährt haben sich der Einbau von Rückschlagklappen, das Hochziehen von Lichtschächten oder der Einbau von Kellertüren und -fenstern, die dem Wasserdruck standhalten. Was Quartiere und Städte angeht, ist das Kernstück jeder Klimaanpassung die sogenannte blau-grüne Infrastruktur, welche sich gegenüber konventioneller Entwässerungsmethoden neben der Starkregenvorsorge auch positiv auf die Trockenperioden auswirkt. Sie verknüpft Grünflächen, Wassermanagement und ermöglicht auch den strategischen Einsatz moderner Technik. Ein Beispiel dafür sind Parks, die bei gutem Wetter als Erholungs- und Freizeitfläche dienen. Bei Wolkenbrüchen verwandeln sie sich in eine temporäre Wasserfläche. So nehmen sie auf natürlichem Weg große Wassermengen auf - wie ein Schwamm. THEMA Prinzip Schwammstadt 58 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0037 zudem die Möglichkeit, sowohl zu heizen als auch zu kühlen, wodurch ein saisonaler Wärmetransfer ermöglicht wird. Insgesamt bietet die Verbindung von Starkregen- und Hitzeschutz in Städten zahlreiche Synergieeffekte. Klug kombiniert tragen diese Maßnahmenpakete nicht nur zum Schutz vor Wetterextremen bei, sondern verbessern auch die Lebensqualität der Bewohner: innen und schaffen nachhaltigere urbane Räume. Eingangsabbildung: © iStock.com/ fotojog Folge, die Nachttemperaturen unangenehm hoch hält und das belastet die Gesundheit der Bewohner: innen. Besonders ältere Menschen und Kinder sind gefährdet, unter den hohen Temperaturen zu leiden. Helle Oberflächen und Nachtkühlung statt Klimaanlage Neben mehr Grün- und Wasserflächen wirken helle, reflektierende Materialien der Hitze in Städten entgegen. In der Stadtplanung wird dies als Albedo-Effekt bezeichnet. Werden bei der Gestaltung von Straßen und Gehwegen helle Materialien und raue Oberflächen kombiniert, heizen sich die Oberflächen weniger auf. Ganz ohne eine Kühlung des Innenraums geht es in vielen Fällen trotzdem nicht. Was viele nicht wissen: Klimaanlagen senken zwar die Temperatur in Gebäuden, heizen jedoch gleichzeitig durch die Abwärme den Außenraum noch weiter auf. Zudem sind sie enorme Stromfresser. Als Alternative bieten sich Low-Tech-Systeme an, wie etwa der Einsatz massiver Bauteile zur nächtlichen Kühlung durch Außenluft. Beispielsweise können Fußbodenheizungen im Sommer als Kühlboden genutzt werden, und die Aktivierung von Decken als Kühlfläche trägt zur Temperaturregulierung bei. Geothermie bietet AUTOR*INNEN Gregor Grassl ist Associate Partner und Leiter für grüne Stadtentwicklung beim auf Bau und Immobilien spezialisierten Beratungsunternehmen Drees & Sommer SE mit Hauptsitz in Stuttgart. Philipp Alber betreut als Senior Consultant bei Drees & Sommer die Themenfelder wasserbewusste Stadtentwicklung / Schwammstadt und integrierte Regenwasserbewirtschaftung. Die medienübergreifende Publikation Transforming Cities berichtet über Städte im Wandel, über die weltweite Urbanisierung und ihre Auswirkungen. Anspruch ist die ganzheitliche Analyse und Aufbereitung von Kernfaktoren zur aktiven Gestaltung der Stadt von morgen. www.transforming-cities.de Das sind unsere Themen 2024: 1 Kommunale Wärmewende 2 Offene und sichere Städte 3 Prinzip Schwammstadt 4 Transformation urbaner Mobilität Call for Papers 2024 Wir freuen uns über Ihre Beitragsvorschläge. Anzeige THEMA Prinzip Schwammstadt 59 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0037 Von Regen zu Ressource: Digitale Innovationen in Wohnquartieren Synergien nutzen - Öffentliche und private Klimaanpassung zusammen denken Digitalisierung, integrierte Digitalisierung, Wassermanagement, smartes Wassermanagement, Schwammstadt, Trinkwasserversorgung Susanne Liane Buck, Sarah Kaltenegger Zunehmende Extremwetterereignisse in den vergangenen Jahren verdeutlichen, dass Schutz, Wohnen und Lebensqualität untrennbar mit einem guten Wassermanagement einhergehen. Dabei wird oftmals der öffentliche Raum betrachtet, jedoch ist ein Großteil der urbanen Flächen in privater Hand. Wassermanagement in Wohnquartieren kann einen zentralen Beitrag zur Klimaresilienz von Städten leisten. Dabei geht es nicht nur um Wassereinsparungen, sondern um ein smartes, digitales Wassermanagement, welches das Wohnen in der Stadt grüner, lebenswerter und letztlich auch resilienter gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels macht. Steigerung der Resilienz in Wohngebieten Im Juni 2024 hat die globale Durchschnittstemperatur zwölf Monate in Folge die 1,5 Grad-Schwelle überschritten (Boddenberg 2024). Der Klimawandel äußert sich aber nicht nur in Form steigender Temperaturen und Hitzeperioden, sondern führt auch zu einer Zunahme von Starkregenereignissen, die urbane Quartiere zunehmend belasten und deren Bewältigung dringlich machen. Heftige Regenfälle können etwa zur Überlastung der Abwassersysteme führen. Dies kann wiederum Rückstau und Überflutungen begünstigen, was gesundheitliche Risiken durch verunreinigtes Wasser mit sich bringen kann. Einschränkungen des täglichen Lebens umfassen überdies aber auch die Überflutung von Straßen und Gehwegen oder die ausgefallene Stromversorgung. Auch das andere Extrem, Hitze, 60 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0038 ƒ Verbesserter Schutz vulnerabler Verbrauchender z. B. gegenüber Legionellen im Wassersystem ƒ Nachhaltig günstige Wasserversorgung ƒ Qualitätssicherung ƒ Wissensbasierte Modernisierung ƒ Vorsorge gegen Wassererwärmung ƒ Kontinuierliche Wasserverfügbarkeit ƒ Effizientes Wassermanagement ƒ Ressourcenschonung Insgesamt wird mit einer integrierten Digitalisierung der Wasserversorgung eine Resilienzsteigerung angestrebt. Innovationen in bestehenden Wohnquartieren umsetzen Ziel der Einwicklung eines smarten Wassermanagement-Systems im Wohnquartier muss sein, dass dieses den realen Gegebenheiten standhält. Zu den realen Gegebenheiten gehört beispielsweise, dass der größte Anteil der Innovationen für Wohnquartiere den Bestand betreffen. Kurz gesagt: Innovationen im Neubau implementieren ist einfach, da die künftigen Bewohnenden (noch) nicht einbezogen sind, aufwändige Ein- und Umbauten in ihrer Wohnung erdulden müssen und deren Zustimmung eingeholt werden muss. Neubauten bieten zudem Implementierungsmöglichkeiten, welche im Nachhinein nur schwer zu realisieren sind. Der größte Anteil der Wohnimmobilien befindet sich jedoch im Bestand, also in Nutzung von Personen mit verschiedenen Bedürfnissen, Verhaltensweisen und Gewohnheiten. Bei Innovationsvorhaben in Bestandsimmobilien müssen Bewohnende gefragt und einbezogen werden. Ein- und Umbauten im privaten Wohnbereich setzen dabei voraus, dass Bewohnende diese akzeptieren und im Extremfall bereit sind, für eine gewisse Zeit Handwerksarbeiten und Einschränkungen im eigenen Wohnbereich zu dulden oder sogar für einen kurzen Zeitraum auszuziehen. Das Thema Datennutzung für ein smartes Wassermanagement setzt zudem voraus, dass die Menschen im Quartier mitmachen. Für die Nutzung von Verbrauchsdaten einzelner Wohnungen wird beispielsweise die Zustimmung der Bewohnenden benötigt. Wirkungen und Nutzendenverhalten im Reallabor Um echte Verbesserungen zu bewirken, ist es relevant, Innovationen unter realen Bedingungen und Berücksichtigung des tatsächlichen Nutzendenverhaltens im Wohnquartier zu erproben. Nur so lässt sich ein zuverlässiger Beitrag zur Klimaresilienz in urbanen Räumen messen und bewerten. Dabei spielen Themen wie Benutzendenverhalten und -akzeptanz ebenso eine Rolle wie beispielsweise wirtschaftliche beeinflusst die Resilienz städtischer Wohnquartiere. Neben den betonierten Flächen und Gebäuden, die Hitze speichern und die Abkühlung in der Nacht verhindern (städtischer Hitzeinsel-Effekt), erhöhen auch zunehmende Hitzeperioden die Gefahr für Hitzestress (O’Donnell und Thorne 2020; Guerreiro et al. 2018). Städte sowie Besitzende und Betreibende von Wohnquartieren und Gemeinschaftsflächen in urbanen Räumen stehen daher vor der Aufgabe, Immobilien einerseits vor Schaden durch Überschwemmung und Trockenheit zu bewahren und andererseits durch kontinuierliche Instandhaltung und Nutzung innovativer Möglichkeiten aufzuwerten und lebenswert zu gestalten. Ein Konzept, welches hier Abhilfe leisten kann, ist das der Schwammstadt. Dabei werden versiegelte Flächen aufgebrochen und Grünflächen so umgestaltet, das Niederschlag vom Boden aufgenommen werden und versickern kann - die Stadt soll das Wasser aufsaugen, wie ein Schwamm (Schmitt 2024). Dieses wassersensible Stadtentwicklungskonzept soll dazu beitragen, im Siedlungsraum durch Rückhalt, Verdunstung und Versickerung zu einem natürlichen hydrologischen Kreislauf zurückzukehren (Pucher et al. 2022). Innovation mit integrierter Digitalisierung erreichen Die Digitalisierung spielt eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung und Effizienzsteigerung von Schwammstadt-Konzepten. Durch den Einsatz von Sensoren, Datenanalysen und vernetzten Systemen kann das Wassermanagement im Quartier überwacht und gesteuert werden. Sensoren messen kontinuierlich Niederschläge, Wasserstände und Bodenfeuchtigkeit, und die gesammelten Daten werden analysiert, um präzise Vorhersagen und Anpassungen im Wassermanagement zu ermöglichen. In einem Wohnquartier bedeutet dies die nahtlose Vernetzung digitaler Technologien und Prozesse bezogen auf Versorgung, Verbrauch und Entsorgung von Wasser. Ein wichtiger Aspekt ist hier der durchgängige Datenfluss, welcher die Optimierung des Gesamtsystems Wasser im Wohnquartier erlaubt. Eine integrierte Digitalisierung erfordert dabei einen ganzheitlichen Ansatz, welcher alle Bereiche der Wassernutzung im Wohnquartier im Blick hat und innovative Einzellösungen zusammenführt, um sie so kombiniert in ein integriertes Steuerungs- und Managementsystem zu überführen. Auf diese Weise kann ein Innovationssprung des Gesamtsystems hervorgerufen werden. Die Potenziale einer digitalen Trinkwasserversorgung beziehen sich dabei vor allen Dingen auf folgende Bereiche: THEMA Prinzip Schwammstadt 61 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0038 tionen zur Verbesserung der Trinkwasserversorgung plant, umsetzt und unter den Bedingungen eines Reallabors erprobt und auswertet. Ziel des Innovationsprojekts ist es, Akteure des Trinkwasserzyklus zusammenzubringen, um mittels datenbasierter Lösungen die Effizienz des Gesamtsystems zu steigern und die Trinkwasserqualität zu verbessern. Ein wesentlicher Aspekt dabei ist, dass die Innovationspartner von InDigWa den Zyklus der Trinkwasserversorgung abdecken und gemeinsame, ineinandergreifende Innovationsziele der Wasserversorgung verfolgen und erreichen können (siehe Bild 1). Im Netzwerk sind Unternehmen zusammengekommen, welche das Unternehmensziel verfolgen, neuartige, digitale Anwendungen zu erarbeiten und sich in der Lage sehen, innerhalb eines Netzwerks innovative Lösungen gemeinsam hinsichtlich einer integrierten Digitalisierungsstrategie zu erarbeiten. Dazu wollen alle beteiligten Umsetzungspartner ihre innovativen Ideen und unterschiedlichen Datenformate miteinander vernetzen, um eine neue Grundlage für Innovationen und Wertschöpfung zu ermöglichen. Bisherige Wertschöpfungsketten, welche Innovationen aneinanderreihen, sind ausgereizt bzw. müssen unterbrochen werden. Die integrierte Digitalisierung zeigt sich als vielversprechenden, disruptiven Ansatz, um Innovationen und andersartige Wertschöpfungsketten bzw. Netzwerke, welche Mehrwert erzeugen, zu implementieren und zu testen. Für viele Bereiche existieren bereits Einzellösungen, jedoch kein integriertes Gesamtsystem. Um ein smartes System zu erarbeiten, werden deshalb Daten über den gesamten Prozess des Trinkwasserkreislaufs gesammelt und ausgewertet. Durch eine Zusammenführung der Einzelkomponenten wird Erwägungen, Machbarkeit und Beherrschung der Komplexität des Zusammenspiels der unterschiedlichen Stakeholder. Ein vollständiges Bild hinsichtlich Umsetzbarkeit und Nutzen innovativer Wassermanagementansätze im Wohnquartier lässt sich idealerweise im Reallabor erzielen. Unter Reallabor (auch Living Lab) wird eine innovative Form der Zusammenarbeit zwischen Gesellschaft und Wissenschaft verstanden, dessen Ziel es ist, Veränderungen und Innovationen unter realen Bedingungen zu beobachten und zu testen. Dabei werden Veränderungsmaßnahmen und Auswirkungen auf das System (in diesem Fall: System der Wasserversorgung und -nutzung) kontinuierlich beobachtet und ausgewertet. Wichtige Elemente sind dabei die Reflexion des Zusammenspiels zwischen Wissenschaft und Praxis, Intervention und realer Auswirkung sowie der Weiterentwicklung durch Lernen aus Erfahrung und Ergebnisoptimierung (Universität Stuttgart o. J.). Im Mittelpunkt stehen dabei reale Bedingungen und die Erprobung innovativer Lösungen hinsichtlich ihrer Alltagstauglichkeit (ABES o. J.). Ein Reallabor erfordert dabei eine sehr hohe Interdisziplinarität, denn es sollen gleichzeitig verschiedene Faktoren berücksichtigt werden, wie beispielsweise technologische, ökonomische, ökologische, institutionelle und kulturelle Aspekte. Damit bieten Reallabore eine Möglichkeit zur Erfassung der Wirkung von Innovationen unter realen Bedingungen, einer wissenschaftlichen Auswertbarkeit und einer Beobachtbarkeit gesellschaftlicher Veränderungsprozesse. InDigWa ein Anwendungsbeispiel „InDigWa“ steht für die integrierte Digitalisierung der Wasserversorgung. Es bezeichnet ein Projekt der „Fraunhofer-Morgenstadt Initiative“, welches Innova- Bild 1: Stakeholder und Akteure des Trinkwasserzyklus THEMA Prinzip Schwammstadt 62 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0038 Use Case A innerhalb der Gebäude: Use Case A wird innerhalb des Gebäudes exemplarisch in Wohnungen eines Wohnquartiers des Wohnungsunternehmens GEWOBA in Bremen durchgeführt. Dabei sollen konkrete Umgestaltungen und Innovationen eingebaut und erprobt werden: Digitale Instrumente, Innovationsneuheiten der Partner und weitere Technologien. Die innovativen Devices werden von den jeweiligen Partnern zur Verfügung gestellt. Messungen zum Wasserverbrauch, Wassersparduschen, Partizipation durch Clouddaten und ein separater Grau- und Trinkwasserkreislauf innerhalb einer Wohnung sind hierbei die wichtigsten Umsetzungsvorhaben. Der Use Case soll mit Einsatz von digitalen Instrumenten den Beleg erbringen, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher nachhaltig Wasser nutzen bzw. sparsamer damit umgegangen wird. Use Case B außerhalb des Gebäudes: Der Use Case im Außenbereich der Wohnanlage fokussiert sich auf ein smartes, resilientes Regenwasser- und Bewässerungsmanagement. Dafür werden konkrete Umgestaltungen und digitale Installationen aus dem Bereich der Sensorik vorgenommen. Neben dem Einbau von Regenwasserzisternen und der Installation smarter Bewässerungssysteme ist vorgesehen, eine Effizienzsteigerung im Datenfluss erzielt, sodass ein zukunftsfähiges Wassermanagement entsteht. Dabei geht es um eine virtuelle Verknüpfung von Daten und vor allem auch um die Erprobung und Auswertung neuer Lösungen. Die Unternehmenspartner decken sowohl die Bereiche der Wasserver- und -entsorgung ab als auch die Bereiche der Wohnungswirtschaft, des Gebäudemanagements, Armaturen, Wasseraufbereitung, Pumpen, Messtechnik, Sensorik und Digitalisierung (siehe Bild 2). Die Projektidee wurde gemeinsam mit dem Fraunhofer IAO, Fraunhofer ISI und Fraunhofer IGB, im Rahmen der Morgenstadt-Initiativeentwickelt. Dabei treffen Expertisen aus den Bereichen der Zukunfts- und Wasserforschung, des Wassermanagements und aus dem Bereich der Geschäftsmodellanalyse unter Einbeziehung der relevanten Stakeholder im Wasserkreislauf zusammen. Umsetzung von Innovationen im bewohnten Quartier Die Innovationen in InDigWa erfolgen über zwei Use Cases, welche sich auf den Außen- und den Innenbereich eines bestehenden Wohnquartiers beziehen. Bild 2: Innovations- und Umsetzungspartner von InDigWa Bild 3: Durchführung von Use Cases im bewohnten Quartier unter realen Bedingungen THEMA Prinzip Schwammstadt 63 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0038 pean cities. Environmental Research Letters 13. https: / / doi. org/ 10. 1088/ 1748-9326/ aaaad3 O’Donnell, E. C.; Thorne, C. R. (2020). Drivers of future urban flood risk. In: Philosophical Transactions R. Soc. A 578. https: / / doi.org/ 10.1098/ rsta.2019. 0216 Pucher, B.; Ertl, T.; Langergraber, G. (2022). Naturbasierte Systeme in der Siedlungswasserwirtschaft. Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft 11/ 2022. https: / / doi. org/ 10.1007/ s00506- 022-00905-1 Schmitt, G. (2024). Vom Starkregenrisikomanagement zur klimaresilienten Stadt. Urbanes Regenwassermanagement als Beitrag zur Klimaresilienz. Online unter: https: / / bauen-und-wohnen-in-deutschland.de/ wp-content/ uploads/ 2024/ 05/ Studie_Klimaresiliente-Stadt_BDB-Studie2024.pdf Universität Stuttgart (o. J.). Was macht ein Reallabor aus? Unser Reallabor-Verständnis. Online unter: https: / / www. project.uni-stuttgart.de/ reallabore/ reallabore-an-deruniversitaet-stuttgart/ was-macht-ein-reallabor-aus-unser-reallabor-verstaendnis/ Eingangsabbildung: © your123 - stock.adobe.com die Innovationen der einzelnen Partner digital zu verknüpfen, sodass ein nachhaltiges und smartes System entsteht. Ein wichtiger Baustein ist die Erarbeitung eines effizienten Bewässerungssystems, welches zu Einsparungen der Ressource Trinkwasser führen soll. Digitalisierte Wasserversorgung als Zukunftsmodell Das Innovationsnetzwerk InDigWa verfolgt das Ziel, Wohnquartiere durch physikalische Umsetzung und digitale Steuerung lebenswerter, resilienter, sicherer und innovativer zu gestalten. Ein integriertes digitales Wassermanagement ermöglicht es, Wasser effizient zu speichern, nutzen und zu recyceln, wodurch Städte widerstandsfähiger und nachhaltiger werden. Das Konzept der Schwammstadt findet in InDigWa eine praxisnahe Anwendung. Dadurch wird dazu beigetragen, klimaresiliente und zukunftsfähige urbane Räume zu schaffen, die den künftigen Anforderungen gewachsen sind. LITERATUR ABES (o. J.). Reallabore für die Energie- und Wärmewende. Online unter: https: / / abes-online.com/ publikationen/ fachbeitraege/ was-ist-ein-reallabor/ Boddenberg, S. (2024). Globale Erwärmung seit zwölf Monaten in Folge über 1,5 Grad. Online unter: https: / / www. zeit.de/ wissen/ umwelt/ 2024-07/ erderwaermung-zwoelfmonate-1-5-grad-marke Guerreiro, S. B.; Dawson, R. J.; Kilsby, C.; Lewis, E.; Ford, A. (2018). Future heat-waves, droughts and floods. In: Euro- AUTOR*INNEN Susanne Liane Buck, wissenschaftliche Mitarbeiterin, Fraunhofer IAO Stuttgart susanne.buck@iao.fraunhofer.de Sarah Kaltenegger, wissenschaftliche Mitarbeiterin, IAT Universität Stuttgart sarah.kaltenegger@iat.uni-stuttgart.de Christoph Zahrnt Projektverträge Ein Leitfaden für Projektmitarbeiter: innen 1. Au age 2023, 302 Seiten €[D] 34,90 ISBN 978-3-7398-3240-1 eISBN 978-3-7398-8240-6 Bei der Arbeit in Projekten hat man auf verschiedene Weise mit dem Vertragsrecht zu tun. Das Buch unterstützt unter anderem dabei, was bei der Erstellung einer Leistungsbeschreibung aus rechtlicher Sicht beachtet werden sollte. Die Leistungsbeschreibung kann den größten Teil eines Vertragsdokuments ausmachen. Der Autor erklärt zudem, was bei der sachgerechten Projektdurchführung in rechtlicher Hinsicht zu beachten ist. Hier spielt insbesondere die Abnahmeprüfung eine zentrale Rolle. Anzeige THEMA Prinzip Schwammstadt zum Heizen oder zur Elektrizitätsgewinnung einsetzen. „Insgesamt ist der Prozess der Pflanzenkohle- Herstellung exotherm, das heißt, es wird mehr Energie frei als man reinstecken muss“, so Glaser. Der eigentliche Clou aber ergibt sich aus der Nutzung der Pflanzenkohle, der weit über die stabile Fixierung von Kohlenstoff hinausgeht und eine Reihe positiver Effekte auf Ökosystemfunktionen umfasst. Richter: „Wir mischen die Pflanzenkohle in gärtnerische Substrate ein oder bringen sie in Das Europäische Klimagesetz gibt das Ziel vor, die EU bis 2050 klimaneutral zu machen. Deutschland will schon 2045 klimaneutral sein, d. h. bis 2045 sollen nicht mehr Treibhausgase ausgestoßen werden als auch wieder gebunden werden können. Der wichtigste Hebel ist, den Treibhausgasausstoß drastisch zu verringern. Darüber hinaus setzt die EU-Kommission aber auf CCS (carbon capture and sequestration storage), also das Abscheiden und unterirdische Einlagern von klimaschädlichem CO 2 . Die eleganteste Methode zur CO 2 -Fixierung haben Pflanzen entwickelt: Bei der Photosynthese entnehmen sie der Atmosphäre CO 2 und wandeln es in Kohlenstoff (C) und Sauerstoff (O 2 ) um. Den Kohlenstoff nutzen sie für ihr Wachstum und speichern es in ihrer Holz- und Laubmasse. Allerdings ist diese Methode nur befristet wirksam: Wenn das Holz verbrannt wird oder verrottet, wird der darin gespeicherte Kohlenstoff wieder freigesetzt ... „Genau das ist ja unser Problem“, so Ron Richter, Geschäftsführer der klimafarmer GmbH aus Nierstein. „Wir verbrennen seit rund 200 Jahren immer mehr fossile Rohstoffe wie Erdöl, Erdgas und Kohle, deren Energiegehalt aus über Millionen Jahre von Pflanzen fixiertem Kohlenstoff besteht.“ Die klimafarmer gehen den umgekehrten Weg und ihr Wirkstoff, ein nachwachsender Rohstoff, heißt: Pflanzenkohle. Klimaschutz mit Kohle Dr. Bruno Glaser ist Professor für Boden-Biogeochemie am der Universität Halle-Wittenberg und er hat den Begriff „Pflanzenkohle“ geprägt für ein Produkt, das erhebliche Vorteile bei der Anpassung an den Klimawandel und im Klimaschutz bietet. Die Herstellung von Pflanzenkohle erfolgt in einem thermochemischen Prozess (Pyrolyse) unter hohen Temperaturen und - durch Luftabschluss - sauerstoffarmen Bedingungen. Holz, Schnittgut und andere organische Reststoffe werden so in industriellem Maßstab mit relativ geringem Energieeinsatz verkohlt, zudem lässt sich die Abwärme Klimawirksam Boden gut machen: Baumstandorte mit Pflanzenkohle Peter Menke Bild 1: Ron Richter, Geschäftsführer der klimafarmer GmbH. © klimafarmer In Rüsselsheim entsteht das erste Klima- Dach Hessens. Eine halbe Tonne CO 2 ist hier in Form von aktivierter Pflanzenkohle dauerhaft versenkt worden. 65 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0039 als Problem und auch der unterirdisch sehr reduzierte Raum dazu, da immer mehr Infrastruktur unter der Erde verläuft. Kein Zweifel: Wir brauchen die Bäume, um sommerliche Hitzespitzen zu reduzieren, wir brauchen aber auch Versickerungsflächen, um Starkregen aufzufangen, um die wichtige Ressource Wasser zu speichern und sie nicht unnütz und ungebremst der Kanalisation zuzuführen, was indirekt Hochwasserschäden begünstigt. Aber Bäume brauchen eben auch Platz und den richtigen Untergrund, um gesund wurzeln zu können. Alles hängt mit allem zusammen. Das Schwammstadt-Prinzip verspricht hier schnell wirksame und effiziente Hilfe: Es gilt, das Regenwasser zu nutzen, statt es über die Kanalisation abzuführen. „Dafür braucht es so wenig Versiegelung wie möglich und möglichst viel offenen Boden“, so Ron Richter „der dann auch wasseraufnahmefähig sein muss.“ Es geht um jeden Quadratmeter Grün, ob privat, gewerblich oder öffentlich, aber der Platz ist teuer und knapp. Natürliche Standorte sind so gut wie nicht mehr vorhanden, auch wenn es oberirdisch so aussehen mag. Die Flächenkonkurrenz ist immens und deshalb ist die Optimierung der Pflanzstandorte ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Nutzung der grün-blauen Infrastruktur zur Klimaanpassung im urbanen Raum. Pflanzstandorte verbessern Wesentlich für den Anwachserfolg und die weitere Entwicklung von Jungbäumen ist neben ausreichend Pflanzraum vor allem die Bodenqualität am Pflanzort. Vermehrt kommen heute lokale Rohstoffe und Zuschlagsstoffe wie Pflanzenkohle bei der Herstellung von kommunalen Substraten zum Einsatz. Das sehr leichte, dennoch strukturstabile Kohlenstoffgerüst Defizite von Böden auszugleichen. Tatsächlich ist es die Bodenqualität, die maßgeblich bestimmt, was wie gut und wie lange wachsen und gedeihen kann. Dies gilt für die Landwirtschaft, aber auch für jeden privaten Garten, genauso für alle öffentlichen Freiräume, von der Baumscheibe am Straßenrand bis zum Park. Aufgrund des Klimawandels wird das Wetter immer extremer - Hitzeperioden mit anhaltender Trockenheit wechseln sich ab mit Zeiten extremer Niederschläge - diese Extreme abzupuffern sind viele Böden nicht mehr in der Lage. Im Sortiment der klimafarmer für Kommunen, beispielsweise zum Einsatz in Baumgruben, Urban Gardening oder der Dachbegrünung stehen torffreie Erden und Spezialsubstrate zur Verfügung, die, angereichert mit aktivierter Pflanzenkohle, zusätzlich für Bodenluft, Drainage und Wasserspeicher sorgen. Damit lassen sich auch bestehende, technische Substrate auf mineralischer Basis wie Lava und Bims mit wertvollem Bodenleben wie Mykorrhiza und natürlich-pflanzlichen Huminstoffen versorgen“, erläutert Ron Richter. In verdichteten urbanen Gebieten kommt erschwerend hinzu, dass die Flächen immer knapper werden, auf denen pflanzliches Wachstum überhaupt stattfinden kann. Dabei wird der Ruf nach mehr städtischem Grün aus der Bevölkerung immer lauter. Grünflächen und Bäume können Temperaturspitzen durch Verdunstung und Verschattung abmildern. Aber die Herausforderungen für die Städte wachsen auch, weil es immer schwieriger wird, den Lebensbedingungen von Bäumen über die Jahreszeiten hinweg dauerhaft gerecht zu werden. Grün in der Stadt Zu den heißen, trockenen Sommern kommt Bodenverdichtung landwirtschaftlich genutzte Böden und verbessern damit dauerhaft die Bodenqualität und seine Fruchtbarkeit.“ Mit Pflanzenkohle angereicherte Böden können mehr Wasser aufnehmen, besser Nährstoffe speichern, was vor Nitratauswaschung schützt, außerdem werden deutlich weniger Treibhausgase wie Methan oder Lachgas aus dem Boden emittiert. Die Summe dieser Vorteile ist der Grund, warum die Verwendung von Pflanzenkohle messbar zum Klimaschutz beiträgt. Boden gut machen Dass es dem Boden nicht gut geht, kann einem nicht mehr entgehen. Ackerböden sind durch Überbewirtschaftung belastet und in urbanem Gebiet sind die Böden durch Vermischung, Verdichtung, Bauschutt und viele andere Stoffe gestört. Problematisch ist das, weil die Bodenneubildung tausende Jahre dauert und nur unter guten Ausgangsbedingungen funktioniert, wenn förderliche Umweltfaktoren gegeben sind. „Es ist unsere Pflicht, mit der Lebensgrundlage achtsam umzugehen, diese zu schützen und in einem guten Zustand zu erhalten sowie klimaschützend weiterzuentwickeln“, sagt Ron Richter. Sein Unternehmen befasst sich damit, Bild 2: Mit der Pflanzenerde Terra Preta mit aktivierter Pflanzenkohle wird der Boden optimal verbessert, um das Pflanzenwachstum zu fördern, aber auch um gleichzeitig eine CO 2 -Senke zu schaffen. © klimafarmer PRODUKTE + LÖSUNGEN Pflanzenkohle 66 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0039 zu binden und damit urbane Kohlenstoffsenken aufzubauen.“ Aber auch in Privatgärten, in Gefäßen auf Balkonen und Terrassen liegen große Flächenpotenziale, die Beiträge zur Anpassung an den Klimawandel und zum Schutz der Artenvielfalt leisten können und die mit Pflanzenkohle-optimierten Substraten Mehrwert haben. Weitere Informationen und ein Webshop für Klein- und Großverbraucher finden sich auf www.klimafarmer.de. Eingangsabbildung: © klimafarmer bau im Pyrolyseverfahren erzeugten Pflanzenkohle bringen wir den belebten Kohlenstoff rund um den Baum unter die Erde und dort verbleibt es dauerhaft. Das führt zu dem erwünschten Schwammeffekt, versorgt den Baum gleichmäßig mit Feuchtigkeit, begünstigt ein aktives Bodenleben und sorgt für gutes Wachstum.“ So muss in trockenen Perioden weniger gegossen werden, der Pflegeaufwand reduziert sich, die Bäume sind von Anfang an stärker und wachsen auch unter widrigen Witterungsbedingungen leichter. Urbane Kohlenstoffsenke Durch die Verwendung von Pflanzenkohle entsteht dauerhaft eine CO 2 -Senke. Denn durch Karbonisierung von holziger Biomasse wird der Kohlenstoff, den die Pflanze durch ihre Fotosyntheseleistung aufgenommen hat, in sehr stabile Strukturen umgewandelt. Ausgehend vom Kohlenstoffgehalt der Pflanzenkohle und nach Abzug aller mit der Herstellung verbunden Emissionen lässt sich das CO 2 -Äquivalent (CO 2 e) ermitteln. So speichert z. B. eine Tonne Pflanzenkohle aus urbanem Grünschnitt bis zu 2,5 Tonnen CO 2 e. Gleichzeitig bekommen die Bäume eine Grundlage, auf der sie besser gedeihen können. Damit werden sie sogar schneller klimaaktiv, senken Temperaturspitzen, erhöhen die Luftfeuchtigkeit und machen Straßen und Grünflächen für Menschen dauerhaft attraktiver und lebenswerter. Für viele Kommunalverantwortliche ist der „Nebeneffekt “ der dauerhaften Kohlenstoffbindung ein wesentliches Argument für die Verwendung von Pflanzenkohle. Ron Richter: „Es ist eine riesige Aufgabe für uns alle, schnellstmöglich die Klimaneutralität zu erreichen. Das städtische Grün kann hier einen wichtigen Beitrag leisten auch um zusätzliches CO 2 durch ein vitales Grün der Pflanzenkohle dient als Wasser- und Nährstoffspeicher sowie Habitat für bodenaufbauende Mikroorganismen und Bodenpilze. Diese „Belebung“ oder „Aktivierung“ spielt die entscheidende Rolle. „Wir setzen bei der verwendeten Pflanzenkohle auf das sogenannte European Biochar Certificate (EBC), eine Zertifizierung, die die Qualität der Pflanzenkohle sowie deren nachhaltige Herstellung überwacht “, so klimafarmer Ron Richter. Verwendet wird die Qualitätsstufe AgroBio, eine Premium- Qualität, der höchste Standard, den es für gärtnerische Erden gibt. Belebte Pflanzenkohle aktiviert den Boden dauerhaft Bei der „Initialisierung“ handelt es sich um ein Verfahren, bei der die Pflanzenkohle mikrobiell belebt und mit organischen Nährstoffen beladen wird. Dieser geschützte Prozess stellt ein Grundgleichgewicht zwischen Aufnahme und Abgabe von Nährstoffen her und hilft, eine förderliche Mikrobiologie und wertvolle Bodenpilze in der Erde zu etablieren. Ohne diesen Aktivierungsprozess kann es zu einer Nährstofffestlegung in Boden oder im eingesetzten Substrat kommen, was die Pflanze anfänglich hungern lässt. Erste Erdenwerke, Praktiker aus Gartenbau sowie Städte wie Rüsselsheim setzen auf diesen neuen Weg. So wird z. B. in Rüsselsheim das eingesetzte Baumsubstrat mit bis zu 15 Prozent dieser initialisierten Pflanzenkohle von klimafarmer verset z t. Im P f lanzloch muss durch diese Zugabe auch nicht der ganze Boden ausgetauscht werden, sondern nur ein Teil. Auch bei Problemstandorten im urbanen Raum ist diese Initialisierung äußerst wirkungsvoll. Richter erklärt die Wirkungsweise des nachwachsenden Rohstoffs: „Mit der regional aus Pflanzenresten und Schnittgut aus dem Landschafts- Bild 3: Ein wesentlicher Aspekt, der die Pflanzenkohle so wertvoll macht, ist die Speicherung von CO 2 . © klimafarmer PRODUKTE + LÖSUNGEN Pflanzenkohle 67 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0039 rung genutzt und schaffen einen spür- und sichtbaren Mehrwert. Das Regenwassermanagementsystem basiert auf der Vernetzung von Komponenten im Hoch- und Tiefbau. Das auf einem Grundstück anfallende Niederschlagswasser wird gesammelt, sowohl auf Retentionsgründächern als auch vorgereinigt in Zisternen. Mit der Wasserbilanzsteuerung wird das Wasser dann bedarfsgerecht am Objekt verteilt. Dadurch können die Grundfunktionen Überflutungsschutz, dauerhafte Wasserverfügbarkeit für die Vegetation sowie bestmögliche Verdunstungsleistung realisiert werden - nur mit dem Speicherraum, der in jedem Fall erforderlich ist. Eine ideale Lösung für knappen Bauraum und den schonenden Umgang mit Ressourcen. Die intelligente, serverbasierte Steuerung verarbeitet in kurzen Zeitabständen Wettervorhersa- Aufgrund von immer häufiger werdenden Starkregenereignissen führen dichte Bebauung und die zunehmende Versiegelung von Flächen in Ballungszentren immer öfter zu überfluteten Stadtgebieten. Gleichzeitig ist bei langanhaltenden Trockenperioden und Wassermangel eine nachhaltige Bewässerung erforderlich, um für Stadtgrün zu sorgen. OPTIGRÜN und FRÄNKISCHE haben mit der Wasserbilanzsteuerung ein System entwickelt, das für beide Probleme eine zukunftsweisende Lösung bietet. Überflutungsschutzspeicher werden durch die intelligente Steuerung auch zur Wasserspeiche- Überflutungsschutz & nachhaltige Bewässerung Intelligentes Regenwassermanagement mit Optigrün Retentionsdächern und der Wasserbilanzsteuerung Bild 1: Ein Optigrün- Retentionsdach Drossel und die intelligente Ablaufdrossel Smart Flow Control - anhand von Niederschlagsdaten reguliert sie den Wasserstand auf dem Retentionsdach. © Optigrün international AG Bild 2: 3D- Schichtaufbau des Optigrün-Retentionsdach Drossel. © Optigrün international AG 68 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0040 in die Substratschicht transportieren. Das Potential der Begrünung, bemerkens wer te Mengen von Wasser zu verdunsten, kann so optimal genutzt werden. Neben Speicherräumen auf Dachflächen sind im System auch Tiefbaukomponenten eingebunden. Die RigoCollect-Zisterne von FR ÄNKISCHE besteht aus kompakten Speicherblöcken. Durch die modulare Bauweise können so Anlagen zur unterirdischen Regenwasserrückhaltung und -speicherung in individueller Größe und Geometrie realisiert werden. In der Zisterne ist der Pumpenschacht QuadroLift einschließlich der Pumpe und einer Füllstandsmesssonde integriert. Die Wasserbilanz s teuerung ist eine wegweisende Lösung für den Umgang mit Regenwasser, bei der durch die Doppelnutzung von Speicherräumen alle Anforderungen und Ziele erfüllt werden können: Überflutungsschutz, Bewässerung und Wiederherstellung des natürlichen Wasserhaushaltes im urbanen Raum. dukte sind speziell auf den Einsatz mit Regenwasser ausgelegt. Elementarer Bestandteil des Systems ist das Optigrün-Retentionsdach Einleitbeschränkung Drossel. Es ver wandelt versiegelte, bisher häufig ungenutzte Dachflächen in grüne Wasserspeicher. Im Systemaufbau der Dachbegrünung verbergen sich Kunststoffhohlkörper mit speziellen Funktionen. Die Optigrün-Wasser-Retentionsboxen (WRB) haben ein Hohlraumvolumen von bis zu 95 % und schaffen auf gefällelosen Dächern (0°) einen zusammenhängenden, frei durchströmbaren Speicherraum. In den Wasser-Retentionsboxen sind Kapillarbrücken integriert, die angestautes Regenwasser wieder gedaten sowie Messdaten von Sensoren in den Speicherräumen. Basierend auf einer Simulation der angeschlossenen Flächen werden die notwendigen Aktionen ermittelt und automatisch umgeset z t. Mittels der Smar t Flow Control SFC, einer steuerbaren Ablaufdrossel, wird der Wasserstand auf den Retentionsdächern überwacht und reguliert. Eine Pumpe und Ventile sorgen für den Wasserfluss auf Dächer, in Versickerungsanlagen oder falls notwendig in das Kanalnetz. Dies ermöglicht unterschiedliche Funktionen, die auf die objektspezifischen Vorgaben und Ziele zugeschnitten sind: ƒ Auffüllen der Speicherräume von Retentionsdächern bei Trockenheit ƒ Umverteilung von Wasser zwischen den Speicherräumen ƒ Wasserverteilung gemäß einer definierbaren Zielbilanz ƒ Umverteilen und Ablassen von Wasser aus den Speicherräumen vor einem Regenereignis ƒ Automatisierter Winterbetrieb Die Planung und Umsetzung des Systems beruhen auf einem Set von standardisierten Komponenten, die objektspezifisch flexibel eingesetzt und kombiniert werden können. Die robusten Pro- KONTAKT Optigrün international AG Am Birkenstock 15 - 19 72505 Krauchenwies-Göggingen Tel: +49 7576 772-207 www.optigruen.de e.gut@optigruen.de Bild 4: Eine RigoCollect-Zisterne von FRÄNKISCHE beim Einbau. Diese bilden die Tiefbaukomponente bei der Systemlösung Wasserbilanzsteuerung. © Optigrün international AG Bild 3: Das System Wasserbilanzsteuerung als Illustration dargestellt. © Optigrün international AG PRODUKTE + LÖSUNGEN Regenwassermanagement 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES 69 DOI: 10.24053/ TC-2024-0040 Die Gestaltung des Daches dieser offenen Großgarage - ein Max Bögl Systemparkhaus in Stahlverbundbauweise mit ca. 380 Stellplätzen - sollte einfach in der Ausführung, kostengünstig und gleichzeitig attraktiv und pflegeleicht sein. Die Firmengruppe Max Bögl und die Isobautec als ausführender Partner entschieden sich für MobiRoof von Mobilane für die Begrünung des 1.300 qm großen Garagendaches. MobiRoof ist ein System aus vorkultivierten Pflanzkassetten, die einen einfachen und schnellen Aufbau durch ein universelles Kassettensystem garantieren. So dauerte die Begrünung des gesamten Daches im November 2020 auch nur drei Tage. Das Anbringen einer Drainageschicht war nicht nötig. Das Leichtgewicht-Kassettensystem wurde gebrauchsfertigt angeliefert: mit einem Sedummix bepflanzt und mit einem speziellen Substrat für die Drainage und Wasserspeicherung versehen. Die Kassetten ließen sich einfach zusammenstecken. „Neben den vielen Produktvorteilen ist ein ganz entscheidendes Argument für MobiRoof von Mobilane ohne Zweifel, dass die Dachbepflanzung eindeutig zu einer Verbesserung der Luftqualität beiträgt. Das Co 2 wird reduziert und die Feinstaubpartikel werden gebundenim innerstädtischen Raum ist dies unverzichtbar“, so der Bauleiter der Firmengruppe Max Bögl. Interessant ist zudem, dass viele Städte und Gemeinden Zuschüsse für Dachbegrünungen gewähren. Bild: Die perfekte Dachbegrünung: mit gebrauchsfertigen und nachhaltigen Sedumkassetten KONTAKT Mobilane GmbH Seligenstädter Grund 14, 63150 Heusenstamm Tel.: 06104-7896260 info@mobilane.de, www.mobilane.de IMPRESSUM 9. Jahrgang (2024) Verlag expert verlag - Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 72070 Tübingen Tel. +49 7071 97 97 0 info@narr.de www.narr.de Redaktionsleitung Dipl. Phys. Ulrich Sandten-Ma Tel. +49 7071 97 556 56 redaktion@transforming-cities.de Redaktion Patrick Sorg, M.A. Tel. +49 7071 97 556 57 redaktion@transforming-cities.de Korrektorat Dr. Grit Zacharias Anzeigen Ursula Maria Schneider Tel. +49 611 71 60 585 ursula.maria.schneider@t-online.de Gültig ist die Anzeigenpreisliste Nr. 9 vom 01.01.2024 Vertrieb und Abonnentenservice Tel. +49 89 85853 881 abo-service@narr.de Erscheinungsweise 4 x im Jahr Bezugsbedingungen Die Bestellung des Abonnements gilt zunächst für die Dauer des vereinbarten Zeitraumes (Vertragsdauer). Eine Kündigung des Abonnementvertrages ist mit einer Frist von vier Wochen zum Ende des Berechnungszeitraumes schriftlich möglich. Erfolgt die Kündigung nicht rechtzeitig, verlängert sich der Vertrag und kann dann zum Ende des neuen Berechnungszeitraumes schriftlich gekündigt werden. Bei Nichtlieferung ohne Verschulden des Verlages, bei Arbeitskampf oder in Fällen höherer Gewalt besteht kein Entschädigungsanspruch. Zustellmängel sind dem Verlag unverzüglich zu melden. Es ist untersagt, die Inhalte digital zu vervielfältigen oder an Dritte weiterzugeben, sofern nicht ausdrücklich vereinbart. Bezugsgebühren Jahresabonnement print+online Inland: EUR 172,- (inkl. MwSt., zzgl. EUR 12,- Versandkosten) Jahresabonnement print+online Ausland: EUR 172,- (mit UID ohne VAT, zzgl. EUR 25,- Versandkosten) Jahresabonnement eOnly Inland: EUR 160,- (inkl. Mwst., keine Versandkosten) Jahresabonnement eOnly Ausland: EUR 160,- (mit UID ohne VAT, keine Versandkosten) Jahresabonnement print Inland: EUR 132,- (inkl. MwSt., zzgl. EUR 12,- Versandkosten) Jahresabonnement print Ausland: EUR 132,- (mit UID ohne VAT, zzgl. EUR 25,- Versandkosten) Für Jahresabonnements für Privatpersonen gelten reduzierte Preise: Jahresabonnement print Inland EUR 79,00 (inkl. MwSt., zzgl. EUR 12,- Versandkosten) / Jahresabonnement eOnly Inland EUR 95,- (inkl. Mwst., keine Versandkosten) Einzelheft print: EUR 35,- (Inland inkl. MwSt., Ausland exkl. MwSt.), zzgl. Versandkosten Einzelausgabe eAusgabe: EUR 35,- (Inland inkl. MwSt., Ausland exkl. MwSt.), ohne Versandkosten Campus-/ Firmenlizenzen auf Anfrage Medienpartnerschaft VDI Verein Deutscher Ingenieure e. V. - Fachbereich Verkehr und Umwelt Druck Elanders Waiblingen GmbH, Waiblingen Titelbild © iStock.com/ Jasmina007 Copyright Vervielfältigungen durch Druck und Schrift sowie auf elektronischem Wege, auch auszugsweise, sind verboten und bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung des Verlages. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Abbildungen übernimmt der Verlag keine Haftung. ISSN 2366-7281 eISSN 2366-3723 www.narr.de/ agb Extensive Dachbegrünung des Parkhaus Hornschuchpromende in Fürth 70 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0041 Weitere Informationen und Anmeldung unter www.tae.de/ go/ bauwesen Besuchen Sie unsere Seminare, Lehrgänge und Fachtagungen. Geotechnik Verkehrswegebau und Wasserbau Konstruktiver Ingenieurbau Bautenschutz und Bausanierung Umwelt- und Gesundheitsschutz Energieeffizienz Baubetrieb und Baurecht Facility Management Ein Großteil unserer Seminare wird unterstützt durch das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds. Profitieren Sie von der ESF-Fachkursförderung und sichern Sie sich bis zu 70 % Zuschuss auf Ihre Teilnahmegebühr. Alle Infos zur Förderfähigkeit unter www.tae.de/ foerdermoeglichkeiten Bauwesen, Energieeffizienz und Umwelt Bis zu 70 % Zuschuss möglich PROGR AMM IST ONLINE www.dvgw-kongress.de/ 2024 Der DVGW Kongress 2024 17. - 18. 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