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Transforming Cities
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expert verlag Tübingen
0616
2025
10Sonderausgabe
URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Nachhaltige Transformation | Beiträge zur Energiewende | Mobilität | Nachhaltige Transformation | Beiträge zur Energiewende | Mobilität | Finanzierungskonzepte | Wohlbefinden im urbanen Raum Finanzierungskonzepte | Wohlbefinden im urbanen Raum Sonderausgabe · 2025 Urbane Transformation All you can read Alles zusammen zum Superpreis: Die Papierausgabe in hochwertigem Druck, das ePaper zum Blättern am Bildschirm und auf dem Smartphone, dazu alle bisher erschienenen Ausgaben im elektronischen Archiv - so haben Sie Ihre Fachzeitschrift für den urbanen Wandel immer und überall griffbereit. AboPlus: Print + ePaper + Archiv abo@narr.de expert verlag - Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG expert verlag - Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Foto von Jon Tyson auf Unsplash Liebe Leserinnen und Leser, die urbane Transformation beschreibt die tiefgreifenden Veränderungen, die Städte und Metropolregionen im Zuge aktueller politischer, sozialer, ökonomischer, technologischer und ökologischer Entwicklungen durchlaufen. Die Hochschule für Technik Stuttgart (HFT) hat sich zum Ziel gesetzt, die Entwicklungen aktiv mitzugestalten. Das Leitbild der HFT fokussiert die klimagerechte, resiliente und vernetzte Gestaltung der Zukunft und somit Kernthemen der urbanen Transformation. Klimakompetenz bedeutet für uns, den Herausforderungen des Klimawandels mit nachhaltigen Lösungen im Einklang mit den UN-Nachhaltigkeitszielen zu begegnen und dabei ressourcenschonende, aber fortschrittliche Lebensweisen zu ermöglichen. Resilienz steht für die Schaffung widerstandsfähiger Lebensräume durch intelligente Lösungen, die sowohl Umwelt als auch Infrastruktur vor externen Krisen schützen - sei es durch den Klimawandel oder gezielte Bedrohungen wie Cyberangriffe. Vernetzung spiegelt sowohl soziale als auch technische Aktivitäten wider. In Kooperation mit Partnern fördern wir einerseits die Erforschung aktueller Technologien der Digitalisierung und künstlichen Intelligenz sowie andererseits die Untersuchung der Chancen und Herausforderungen in den Bereichen Partizipation, Akzeptanz und Ethik. Zahlreiche Bachelor- und Master-Studiengänge der HFT bereiten Studierende auf zukünftige Herausforderungen der urbanen Transformation vor. Diese umfassen grundlegende Studiengänge der Architektur, Bauphysik, Vermessung, Stadtplanung, Digitalisierung, Wirtschaft und des Bauingenieurwesen ebenso wie spezialisierte Studiengänge zu Themen wie Klima-Engineering, Sustainable Energy Competence, Verkehrsinfrastrukturmanagement oder Smart City Solutions. Das Institut für Angewandte Forschung (IAF) koordiniert die Forschungsaktivitäten der HFT Stuttgart. In der durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Forschungspartnerschaft iCity sowie vielen weiteren Forschungsprojekten mit Unternehmen und kommunalen Einrichtungen stehen Herausforderungen der urbanen Transformation im Mittelpunkt der Untersuchung. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit in und zwischen den beiden anerkannten Forschungsschwerpunkten - „Zukunftsgerechtes Planen, Bauen und Wirtschaften“ sowie „Smarte Technologien, Prozesse und Methoden“ - ist dabei eine Stärke des IAF, denn urbane Transformation ist ohne interdisziplinäre Forschung undenkbar. Das vorliegende Sonderheft stellt einige der aktuellen Forschungsaktivitäten des IAF zur urbanen Transformation vor, während neue Forschungsaktivitäten wie zum „CitiVerse“ bereits in Vorbereitung sind. Professorin Dr. Katja Rade Rektorin Prof. Dr.-Ing. Dieter Uckelmann Wissenschaftlicher Direktor EDITORIAL Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES 1 DOI: 10.24053/ TC-2025-0014 © iStock.com/ mediamasmedia Seite 4 Seite 14 Seite 30 © iStock.com/ vencavolrab © Jan Cremers © iStock.com/ vencavolrab Seite 4 © iStock.com/ mediamasmedia © Jan Cremers Seite 14 Seite 30 Interview Interview von Uta Bronner mit: Holger Haas, Werner Steiner, Volker Coors, Dieter Uckelmann 4 Urbane Transformation in der Metropolregion Stuttgart - Herausforderungen für Wirtschaft, Kommunen und Wissenschaft Nachhaltige Transformation Leben vor der Stadt 10 Transformation der Einfamilienhausgebiete V. Loidl, V. Rehle, C. Simon-Philipp Das „kompakte Hofhaus“ 14 Entwicklung einer neuen Gebäudetypologie J. Cremers, P. Bonfig Nachhaltig Bauen 20 Nachhaltige Sanierung im Bestand - Lehmdecken als zukunftsfähige Lösung K. Nille-Hauf, B. Unger-Bimczok, E. Wente, B. Fitik, J. Schänzlin Fassadenmaterialien 26 Fassadenmaterialien aus Bildanalyse und Photogrammetrie mittels Deep Learning G. Austen, E. Gülch, L. Obrock Beiträge zur Energiewende Energieeffizienzsteigerung 30 Energieeffizienzsteigerung durch bedarfsgerechtes Heizen im öffentlichen Gebäudebereich R. Otto, S. Kreber, M. Haag, D. Uckelmann Wandlüfter 34 Leise Wandlüfter als Bausteine der Energiewende J. Krüger, B. Zeitler INHALT Sonderausgabe · 2025 2 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES Seite 38 © iStock.com/ sanjeri © iStock.com/ Y.Gurevich © iStock.com/ MarianVejcik Seite 60 Seite 71 Seite 60 Seite 71 © iStock.com/ MarianVejcik © iStock.com/ sanjeri © iStock.com/ Y.Gurevich Seite 38 Mobilität Emissionen 38 Die umweltfreundlichsten Emissionen sind die, die nicht entstehen M. Heller, D. Dreher, L. Casey, L.-Gaspers Mobilität von morgen 44 Gemeinsam die Mobilität von morgen gestalten B. Hefner, C. Simon-Philipp Mobilität an Hochschulen 50 Mobilität an Hochschulen nachhaltig gestalten L. Gaspers, D. Dreher, M.-Kochendörfer Smarte Parkraumüberwachung 54 Smarte Parkraumüberwachung S. Kreber, D. Uckelmann Finanzierungskonzepte Finanzierung 60 Welchen Beitrag können Finanzmärkte zur Großen Transformation leisten? A. Schmitt, J. Jörg, B. Sandbaek, T. Popović Wohngebäudeversicherung 64 Wie kann die Wohngebäudeversicherung zur klimaneutralen Transformation von Gebäuden beitragen? M. Gruß-Kilian, J. Jörg, T.-Popović Wärmewende 68 Transformationsfinanzierung für die Wärmewende - Den Kapitalmarkt zur Finanzierung von Wärmenetzen erschließen T. Popović Wohlbefinden im urbanen Raum Wohlbefinden 71 Transdisziplinäre Forschung als Beitrag zur urbanen Resilienz in Stuttgart A. Reber, C. Simon-Philipp Soundscapes 75 Vom Lärm zur Ressource im urbanen Raum M. Marxt, B. Zeitler Luftschadstoffe 79 Geovisualisierung von simulierten Luftschadstoff- Konzentrationen R. Padsala, S. Valger, U. Voss, V. Coors Virtual Reality und Augmented Reality 83 Virtual Reality und Augmented Reality T. Bäumer, S. Huber, C. Simon- Philipp, V. Coors, M. Alfakhori Hybride Partizipation 88 Für eine bürgergetragene Energiewende A. Reber, M. Prajapati, R.-Padsala, C. Simon-Philipp, V. Coors 92 Impressum INHALT Sonderausgabe · 2025 3 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES Urbane Transformation in der Metropolregion Stuttgart Herausforderungen für Wirtschaft, Kommunen und Wissenschaft Klimaschutz, Kreislaufwirtschaft, Mobilitätskonzepte, Energiesysteme, Vernetzung, Digitalisierung, Resilienz Interview mit Holger Haas (Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH), Werner Steiner (Facility Manager der Robert Bosch GmbH Standort Schwieberdingen), Professor Volker Coors (Prorektor Forschung an der Hochschule für Technik Stuttgart und Projektleiter der iCity Forschungspartnerschaft) sowie Professor Dieter Uckelmann (Direktor des Instituts für Angewandte Forschung (IAF) an der HFT Stuttgart). Das Interview wurde von Professorin Uta Bronner (Professorin im Studiengang Wirtschaftspsychologie der HFT Stuttgart) geführt. Uta Bronner: Der Begriff der urbanen Transformation beschreibt eine tiefgreifende strukturelle Veränderung in Städten und auch in urbanen Räumen, die auf ökonomische, soziale, technologische und ökologische Prozesse wirken, die dadurch vorangetrieben werden. Herr Haas, welche besonderen Herausforderungen sehen Sie in der urbanen Transformation für und in Stuttgart? Holger Haas: Ich denke nicht, dass sich die Region Stuttgart besonders von anderen Ballungszentren unterscheidet. Ich bin der Meinung, die Herausforderungen sind sehr ähnlich. Was in der Region Stuttgart eine Besonderheit darstellt, ist die polyzentrische Struktur. Stuttgart besitzt nicht das eine Zentrum und drum herum ist viel Land, sondern es gibt die Stadt Stuttgart und sehr viele Städte mit 50.000 bis 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern inklusive großem ländlichen Raum drum herum. Diese Tatsache ist übrigens gerade mit Blick auf nachhaltige Mobilität nicht gerade hilfreich. Die gute Nachricht ist: Schaffen wir hier Lösungen, schaffen wir auch Lösungen für die vielen Ballungsräume, die es weltweit gibt. Es steckt großes Potenzial darin, das gewonnene Know-how, die Leistungen, Dienstleistungen und Produkte zu verkaufen. Wichtig ist lediglich, dass man das, was man kann, auch zeigt und demonstriert. Nur zu sagen, dass man etwas kann, aber gemacht wird es woanders, das wird nicht funktionieren. Wir stehen vor einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe, die alle betrifft. Im Kern geht es hier um die Frage: Wie leben wir morgen, wie arbeiten wir, wie wohnen wir und wie sieht auch die Welt aus, in der wir leben wollen? Dann liegen die Themen auf der Hand, wie beispielsweise die Transformation der Wirtschaft, der Industrie. Transformation ist in Zeiten der Globalisierung viel tiefgreifender als Strukturwandel. Die Fragen sind, was produzieren wir morgen? Wie kommen wir in Richtung Kreislaufwirtschaft? Wie produzieren wir möglichst wenige Abfälle? Wer sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in 10, 20 Jahren? Die Themen Klimaschutz, Klimaneutralität, auch die Anpassung an den Klimawandel, gerade in den Städten, werden immer wichtiger. Es wird vermutlich keine vernetzten Wohngebiete inklusive Fabriken, in welchen Autos produziert werden, geben. Aber es lassen sich sicherlich Arbeiten, die bisher separiert und getrennt verrichtet wurden, auch dort durchführen, wo Menschen wohnen und umgekehrt. Bisher ist das baurechtlich sehr schwierig, in der Schweiz funktioniert es bereits zum Teil. Ich könnte weitere Beispiele nennen, aber ich denke, die größte Herausforderung in Bezug auf die Transformation ist es, die Menschen mitzunehmen. Die technischen 4 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0015 INTERVIEW Urbane Transformation Volker Coors: Aus Hochschulsicht, aber auch aus iCity-Projektsicht: Die Hochschule für Technik Stuttgart zeichnet sich durch langjährige Forschungserfahrung aus. Wir haben eine lange Tradition in den Bereichen Stadtplanung, Architektur und baubezogenes Ingenieurswesen. Hinzu kommt die Informatik und Vermessung mit Software-Entwicklung, Digitalisierung und Geodatenmanagement. Dies sind alles Themen, die man zur Gestaltung der urbanen Transformation benötigt und die wir in interdisziplinären Teams angehen. Mit dem Bereich „Wirtschaftspsychologie“ haben wir die Akzeptanzforschung mit an Bord. Nicht zuletzt betrachten wir über die Forschung zu sustainable Finance auch die Finanzierung der urbanen Transformation. Auch ich stimme zu: Wir müssen die Menschen mitnehmen, es nützt die schönste Technik nichts, wenn keine Offenheit dafür da ist. Was wir ganz konkret machen können, ist Methoden zu entwickeln, die wir an Fallstudien aus der Realität, also nicht nur im Labor, evaluieren können. Das ist eine klare Stärke der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften. Wir haben in iCity viele Beispiele, beispielsweise im Bereich der Partizipation, bei der wir Mixed Reality-Technologien einsetzen um die Mobilitätswende mit reduziertem Autoverkehr zu untersuchen und die Akzeptanz dahingehend. Das wurde sehr kontrovers diskutiert. Denn nicht jeder sagt: „Super, keine Autos mehr! “ Es gibt auch Menschen, die wollen Autos im Quartier. Mit Visualisierungstechniken, Analysen und Methodenentwicklung können wir dazu beitragen, diese Diskussion zu objektivieren. Das ist neben der starken Technikentwicklung ein entscheidender Punkt. Ich nenne mal als Beispiel unsere Forschung zu urbanen digitalen Zwillingen. Hier haben wir das räumliche Abbild eines Stadtquartiers geschaffen und dann mit Hilfe von Simulationen „Was wäre, wenn …? “-Szenarien durchgespielt. Dadurch werden die Aspekte „Wohnen“ und dessen Auswirkungen auf die Mobilität beleuchtet. Dies kann über digitale Modelle und Simulationen sehr schön betrachtet, prognostiziert, visualisiert und diskutiert werden. Uta Bronner: Herr Uckelmann, als Leiter des Instituts für Angewandte Forschung (IAF): Welche Forschungsschwerpunkte oder auch Kompetenzen gibt es am IAF, die zu der Bewältigung von den Herausforderungen der urbanen Transformation beitragen? Dieter Uckelmann: Wir besitzen zwei anerkannte Forschungsschwerpunkte im IAF. Das sind die For- Fragestellungen sind schwer zu bewerkstelligen, man bekommt sie jedoch immer irgendwie hin. In einer Zeit jedoch, in der viele sagen „Jetzt reicht es aber mit diesen Veränderungen! “ ist die Komponente Mensch mitunter der schwierigste Punkt. Uta Bronner: Für Städte und ihre Industriestandorte spielen die Transformation der Energiesysteme und das Vernetzen der Mobilitätskonzepte eine zentrale Rolle. Herr Steiner, welche konkreten Herausforderungen sehen Sie als Leiter des Facility Managements am Bosch-Standort Schwieberdingen? Werner Steiner: Die Herausforderungen sind uns seit der Energiekrise durchaus bewusst. Vor allem die Frage, wie wir es schaffen können, zuverlässig Energie bereitzustellen, denn dies bedeutet Resilienz für jedes Industrieunternehmen. Der Preis mag in diesem Moment gar nicht die größte Rolle spielen, denn in dem Moment, in dem ein System abbricht, welches mit Energie versorgt wird, ist der Schaden wesentlich höher, als es ein Energiepreis verursachen könnte. So ist das Ziel, durch Versorgungssicherheit zum einen unterbrechungsfrei eine Resilienz zu erzeugen und auf der anderen Seite auch einen Preis zu haben, der international konkurrenzfähig ist. Diese Konkurrenzfähigkeit gleichwohl, um welche Energieart es sich dabei handelt, ist ausschlaggebend, um kontinuierlich am Ball zu bleiben. Nur durch Kontinuität habe ich die Chance, schnell im Markt zu agieren. Hier stimme ich Ihnen zu, Herr Haas, hier muss man die Menschen mitnehmen, denn wir haben aktuell unendlich viele Veränderungen und das wird von den Menschen auch erkannt. Daher schulen wir uns einerseits selbst als Trainer für Resilienzen, aber kaufen diese auch von außen ein und versuchen die Menschen dadurch alle mitzunehmen. Unsere ausgebildeten Bauingenieure, Techniker oder Architekten, die die neue Stadt der Zukunft bauen, müssen sich um ihr Fachthema kümmern. Wir benötigen speziell ausgebildete Menschen, die im Umgang mit Menschen geschult sind, um die Veränderung tatsächlich voranzubringen. Das ist meiner Ansicht nach die größte Herausforderung. Uta Bronner: Herr Coors, wenn Sie als Prorektor Forschung an die HFT Stuttgart denken, was kann die Hochschule zur urbanen Transformation beitragen und welche der Herausforderungen können durch ein Projekt wie iCity gelöst oder behandelt werden? 5 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0015 INTERVIEW Urbane Transformation wie für das normale Leben auch. Darf ich daran erinnern: Als Google eingeführt wurde, wurden Informationen in einer atemberaubenden Geschwindigkeit verteilt. Aktuell sind wir mehr oder weniger in der zweiten Zündstufe. Die Ersten, die das beherrschen, haben meiner Ansicht nach riesengroße Vorteile. Dazu gehören das Erlernen von KI ebenso wie der Umgang mit Sensorik und Aktorik. Das ist die technische Grundlage, um eine lebenswerte Zukunft zu gestalten. Holger Haas: Es geht dabei ums Tun. Werner Steiner: Richtig! Und dazu gehört das passende Mindset - weniger „Vollkasko-Mentalität “, mehr ausprobieren. Holger Haas: Mir kommen da direkt die mit Sensoren ausgestatteten Mülleimer in Herrenberg in den Sinn. Diese senden über LoRaWAN ein Signal, sobald sie voll sind. Diese Technik macht auf einem Rathausplatz vermutlich wenig Sinn, aber für die Mülleimer auf dem Land, für deren Leerung weite Strecken in Kauf genommen werden müssen, bedeutet diese Entwicklung ein echter Vorteil. Von diesen praktischen Beispielen gibt es mittlerweile ganz schön viele. Es muss einfach nur gemacht werden. Es stimmt, wir müssen die Menschen mitnehmen. Und die gewinnen wir mit den Themen, die jeder versteht. Volker Coors: Um noch einmal auf die unternehmenskritischen Anwendungen zurückzukommen: Je stärker wir digitalisieren, desto mehr müssen wir auch auf die Datensicherheit wert legen und achten, jedoch stets in Abhängigkeit zu möglichen Schäden, die entstehen können. Als Beispiel: Wenn ein Mülleimer fälschlicherweise meldet, er sei voll, obwohl er nicht voll ist, ist das nicht schlimm. Dann ist das Team umsonst rausgefahren. Oder er läuft über, weil er voll ist, und dies nicht meldet. Auch das kriegt man irgendwie im Griff. Aber es gibt natürlich gerade im industriellen Umfeld auch ganz kritische Prozesse, deren Störung hohe Schäden verursachen kann. Werner Steiner: Bedarfsgerechte Bereitstellungen sämtlicher Ressourcen! Ob es Energien sind oder andere … Volker Coors: Wir haben in iCity das Projekt Data Security4iCity, was dafür sorgt, dass wir eben auch in Zukunft Datensicherheit gewährleisten können und müssen. In dem Projekt gehen wir davon aus, dass über Quantencomputer die Rechenleistung exponentiell steigen wird und damit bisherige Sicherheitsschungsschwerpunkte „Zukunftsgerechtes Planen, Bauen und Wirtschaften“ und „Smarte Technologien, Prozesse und Methoden.“ Damit decken wir ein sehr breites Spektrum ab. In den Forschungsschwerpunkten haben wir insgesamt elf Kompetenzzentren, welche weiter einzelne Themenschwerpunkte adressieren. Damit erforschen wir die urbane Transformation aus unterschiedlichen Richtungen, sei es von der bauplanerischen Seite, der stadtplanerischen Seite oder von der Seite der digitalen Transformationen. Zudem haben wir entsprechende Querschnittsthemen, wie die eben genannte Akzeptanzforschung, oder auch ethische Themen, die den Menschen in den Mittelpunkt rücken. Uta Bronner: Vermutlich wird die Transformation ohne die Digitalisierung nicht gelingen. Welche Digitalisierungstechnologien werden Ihrer Ansicht nach für die urbane Transformation eine Rolle spielen? Dieter Uckelmann: Ein wichtiger Punkt ist der Umgang mit Daten. Das beschäftigt uns schon seit Jahren. Wir haben verschiedenste Datenquellen, die sich aus unterschiedlichen Systemen speisen, teils über Sensorik, teils über andere Systeme. Die Frage ist weiterhin: Wie gehen wir mit diesen Daten um, denn wir haben nicht nur einen Standard, wir haben Tausende von Standards, aus denen man wählen kann. Bei dem Datenaustausch kommen immer wieder neue Themen auf, wie Interoperabilität, digitale Zwillinge, Data Lakes oder Data Spaces. Ganz häufig geht es einfach nur darum, Daten zusammenzuführen und nutzbar zu machen. Das gelingt beispielsweise durch eine einheitliche Syntax und Semantik, über Dashboards und mit Hilfe von KI. Bisher fokussieren wir Themen wie das Internet der Dinge, Industrie 4.0, Smart Building, Smart City - jetzt ist ein neues Thema aufgekommen, das „Cityverse“ oder „Cityversum“. Hier werden verschiedenste Systeme zu einem zusammenfasst. Beispielsweise ein Metaversum für die Stadt, in dem die Daten zusammenfließen, in dem Stakeholder auf ihre Daten zugreifen können und in denen die Daten nutzergerecht zur Verfügung gestellt werden. Ich denke, das wird ein Thema für die nächsten Jahre sein. Werner Steiner: Meiner Ansicht nach ist der Umgang mit diesen Themen, beispielsweise KI, genau der Richtige. Ich denke, je schneller eine Gesellschaft den Umgang mit dieser Art der Datenaufbereitung und die Möglichkeit, Informationen zu gewinnen, lernt, umso schneller ist sie auch gegenüber allen anderen. Das gilt für die digitalen Zwillinge genauso 6 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0015 INTERVIEW Urbane Transformation #DVGWKON25 JETZT ANMELDEN! l www.dvgw-kongress.de/ 2025 Der DVGW Kongress 2025 in der Bundesstadt Bonn 24. - 25. September 2025 23. September 2025 DVGW-Mitgliederversammlung ein großes Projekt gestartet, ein 3D-Modell inklusive aller Gebäude historisiert für Planungszwecke zur Verfügung zu stellen und zu untersuchen. Hier wird geforscht, nach welchen Kriterien eine Stadt in der Breite wächst und wie man es schaffen kann, dies zu verhindern. In Deutschland haben wir ähnliche Herausforderungen. Uta Bronner: Jetzt gibt es immer mehr junge Menschen, die sich an diesen Themen beteiligen wollen oder gar mitgestalten. Welche Studienangebote gibt es diesbezüglich an der HFT? Dieter Uckelmann: Da haben wir eine ganze Reihe an Angeboten, von den klassischen Studiengängen wie Architektur, Bauphysik, Bauingenieurwesen, Vermessung und Geoinformatik über die vielen neueren Studiengänge, die sich noch spezifischer einigen Themen zuwenden, wie beispielsweise dem Bereich der urbanen Transformation mit dem Studiengang Klimaengineering oder auch dem Masterstudiengang verfahren nicht mehr greifen, weil man sie durch erhöhte Rechenleistung einfacher knacken kann. Uta Bronner: Das ist ja ein Thema, das nicht nur Deutschland betrifft, sondern international wichtig ist. Die Forschung der HFT Stuttgart beschränkt sich deshalb auch nicht nur auf die Metropolregion, und es gibt einige internationale Projekte. Herr Coors, welche Schwerpunkte wollen Sie hier in Zukunft setzen? Volker Coors: Um ein Beispiel im Kontext der Urbanen Transformation zu nennen: Wir arbeiten in iCity mit der japanischen Regierung zusammen, welche vor ähnlichen Herausforderungen steht wie wir. Japan hat das Problem, dass viele Städte in die Breite wachsen und einige wenige sich verdichten. Japan ist zwar groß, jedoch trotzdem eine Insel. Die Entwicklung erfolgt daher auf Kosten der Agrarflächen, was ein großes Problem für die Lebensmittelversorgung darstellt. Die japanische Regierung hat daher Anzeige INTERVIEW Urbane Transformation die Studierenden). Das Engagement der Menschen dort ist enorm und das macht mich sehr zuversichtlich, dass wir auch in den nächsten Generationen immer wieder Menschen finden, die sagen, ich mache hier etwas für uns und mein näheres Umfeld. Und vielleicht auch ein bisschen mehr dazu. Ergänzen Sie das mit dem Wissen, welches wir haben, und wir können dadurch unwahrscheinlich viel für die Gesellschaft leisten. Chancen gibt es ohne Ende, man muss sie nur anpacken. Smart City Solutions. Das gilt auch für den Bereich Digitalisierung. Hier haben wir die Studiengänge Digitalisierung und Informationsmanagement oder auch Digitale Prozesse und Technologien. Volker Coors: Ich denke auch, dass es nicht ein Studiengebiet zur urbanen Transformation gibt und geben wird, sondern dass ich in jedem Studiengang mit meinem Wissen, das ich erlerne, einen Beitrag leisten kann und auch muss. Das Ganze lebt davon, die verschiedenen Disziplinen zusammenzubringen. Uta Bronner: Wenn wir an Stuttgart Jahr 2035 denken - aus Industrie- und Förderperspektive der Region an Sie Herr Haas und Herr Steiner: Wie wird denn der Wirtschaftsstandort 2035 Stuttgart aussehen? Holger Haas: Ich hoffe, dass wir bei den Themen, die wir nun angesprochen haben, nennenswerte Schritte vorangekommen sind. Davon gehe ich jedoch aus und ich denke, dass die Region Stuttgart auch in zehn Jahren eine prosperierende Industrie haben wird. Ich rechne übrigens auch damit, dass dann noch Autos gebaut werden, jedoch mit Sicherheit nicht mehr so viele wie heute. Ich denke, insgesamt wird es vielfältiger. Es werden andere Themen dazukommen, aus den Bereichen Energiewirtschaft, Wasserstoffwirtschaft, Medizintechnik und und und. Es werden neue Felder kommen, in denen wir die Kompetenzen, die uns die Automobilindustrie gebracht hat, anwenden können. Werner Steiner: Dem kann ich mich nur anschließen. Die Herausforderungen sind enorm und das werden wir nur miteinander schaffen. Einzelne Firmen nicht, Firmen ohne die Region nicht, Regionen nicht ohne die Gemeinden, Kreise oder Energieerzeuger. Ich bin hier jedoch sehr zuversichtlich, denn die Regionen haben riesengroße Vorteile, wenn sie regional denken, denn dadurch verlieren sie Abhängigkeit und dadurch kann eine Region extrem wachsen. Gerade im Zusammenhang mit der Digitalisierung können wir Chancen nutzen, indem wir Ressourcen teilen. Beispielsweise ein autonomes Fahrzeug, das vielleicht nicht nur mir alleine gehört, mir aber ständig und dann zur Verfügung steht, sobald ich es brauche. Dadurch benötigen wir weniger Ressourcen insgesamt, können jedoch wesentlich mehr mit ihnen erreichen. Städte werden entlastet und die Akzeptanz der Menschen wird gewonnen. Ich sehe da ganz große Möglichkeiten, positiv mitgestalten zu können. Nehmen wir mal die HFT mit ihrem Block 4 (Aufenthaltsort für AUTOR: INNEN Uta Bronner, Diplom-Psychologin und Volkswirtin, seit 2012 Professorin für Wirtschaftspsychologie an der HFT Stuttgart. uta.bronner@hft-stuttgart.de Volker Coors, seit 2002 Professor für Informatik und Geoinformatik und seit 2023 Prorektor für Forschung und Digitalisierung an der HFT Stuttgart. volker.coors@hft-stuttgart.de Holger Hass, Bereichsleiter Standortentwicklung in der Wirtschaftsförderung holger.haas@region-stuttgart.de(WRS) Werner Steiner, Leiter Facility Management am Standort Schwieberdingen der Robert Bosch GmbH, Partnerschaftssprecher der Industrie im Forschungsprojekt iCity. werner.steiner@de.bosch.com Dieter Uckelmann, Professor für Informationslogistik, seit 2023 wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Angewandte Forschung an der HFT Stuttgart. dieter.uckelmann@hft-stuttgart.de \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissen schaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissen schaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikations wissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprach wissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Alt philologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissen schaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft 8 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0015 INTERVIEW Urbane Transformation \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissen schaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissen schaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikations wissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprach wissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Alt philologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissen schaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft BUCHTIPP Manfred Breitbach (Hrsg.) 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis Fachtagung über Planung, Bau, Instandhaltung, Instandsetzung und Betrieb von Trinkwasserbehältern 2023, 187 Seiten €[D] 148,00 ISBN 978-3-8169-3558-2 eISBN 978-3-8169-8558-7 expert verlag - Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ Fax +49 (0)7071 97 97 11 \ info@narr.de \ www.narr.de Das 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis (vormals „Betonbauwerke in der Trinkwasserspeicherung“) an der Technischen Akademie Esslingen beschäftigt sich mit den Themenbereichen der Regelwerke, Trinkwasserhygiene und -aufbereitung sowie Werkstoffkorrosion im Kontakt mit Trinkwasser. Die Fachtagung bietet somit eine aktuelle Plattform zur Vorstellung von Richtlinien, deren Anwendung und Umsetzung. Es werden Bauweisen (Neubau, Teilneubau, Systembehälter), Bauverfahren, Instandsetzungsprinzipien, Auskleidungsprinzipien und marktübliche Werkstoffe und Systeme präsentiert. Das Kolloquium behandelt in rund 25 Plenar- und Fachvorträgen die neuesten Erkenntnisse über Planung, Bau, Instandhaltung, Instandsetzung und Betrieb von Trinkwasserbehältern. Leben vor der Stadt Ressource Einfamilienhausbestand Nachhaltige Stadtentwicklung, Einfamilienhaus, Quartiersentwicklung, gesellschaftlicher Wandel, Suburbane Transformation, Einfamilienhausgebiete, Zukunft des Wohnens Verena Loidl, Valerie Rehle, Christina Simon-Philipp Das Einfamilienhaus prägt unsere gebaute Umwelt, steht jedoch vor komplexen gesellschaftlichen und städtebaulichen Veränderungen. Das kooperative Lehrforschungsprojekt „Leben vor der Stadt “ der Wüstenrot-Stiftung und der Hochschule für Technik Stuttgart untersuchte, wie bestehende Einfamilienhausgebiete weiterentwickelt werden können und wie der Gebäudetyp neu gedacht und nachhaltig gelebt werden kann. Das Projekt, eine Fortsetzung der 2008 begonnenen Forschungsarbeiten, analysierte bestehende Strukturen und entwickelte neue Perspektiven für die Zukunft des Einfamilienhauses und seiner Siedlungsgebiete (vgl. www.leben-vor-der-stadt.de, siehe Bild 2). Der Bestand an Einfamilienhäusern In Deutschland sind Ein- und Zweifamilienhäuser (EFH) mit ca. 16 Mio. Gebäuden (davon 12,9 Mio. Einfamilienhäuser) ein zentraler Bestandteil des Wohnungsmarktes. Sie repräsentieren etwa 82 % des gesamten Wohngebäudebestands von 19,3 Mio. Gebäuden. Besonders prägnant ist, dass 5,7 Millionen dieser Ein- und Zweifamilienhäuser, also 37 % in den 1950er-1970er Jahren errichtet wurden (vgl. Statista 2025, Zensus 2022). Die Gebäudetypologie Einfamilienhaus etablierte sich als idealtypisches Modell für familienorientiertes und selbstbestimmtes Wohnen (vgl. Simon, 2001; Wüstenrot Stiftung, 2011; Wüstenrot Stiftung, 2016). Das Einfamilienhaus genießt weiterhin als Wohnform, von der man sich am meisten Entfaltungsmöglichkeiten und Selbstbestimmung verspricht, eine hohe Popularität. Jedoch haben sich die städtebau- Bild 1: Oben: Luftbild einer Einfamilienhaussiedlung der 1950er bis 1970er Jahre © Thomas Wolf Bild 2: Ausschnitt Webseite, © Felix Plachtzik, Sebastian Winter 10 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0016 oretischen, fachlichen Kontexten entwickelt werden, finden bisher wenig Eingang in die Planungspraxis und den Alltag des Wohnens. Der Kern des Forschungsansatzes beruhte auf folgenden methodischen Ansatzpunkten: der engen Zusammenarbeit mit Kommunen in der Region Stuttgart, der Einbindung der Bewohner: innen sowie der Studierenden der Hochschule für Technik Stuttgart, die als Forschende vor Ort eine zentrale Rolle spielten. Der Forschungsansatz integrierte sozial- und raumwissenschaftliche Methoden und kombinierte qualitative und quantitative Forschungsmethoden. Dies war notwendig, um sowohl die sozialen Strukturen und Bedürfnisse der Bewohner: innen als auch die baulichen und städtebaulichen Gegebenheiten der Siedlungsgebiete zu erfassen. So wurde ein umfassendes Bild bestehender Siedlungsstrukturen erarbeitet. Ein weiterer wichtiger Aspekt des Projekts war die Zusammenarbeit mit einem internationalen Expert: innennetzwerk (siehe Bild 5), das die Perspektiven auf das Forschungsthema aus unterschiedlichen kulturellen und fachlichen Blickwinkeln erweiterte. lichen Paradigmen erheblich gewandelt. Angesichts der Klimakrise fokussiert sich die Stadtentwicklung zunehmend auf die Umsetzung nachhaltiger, lebenswerterer und ressourcenschonender Stadt- und Quartiersentwicklungskonzepte. Wohn-, Lebens-, und Arbeitsbereiche sollen wieder näher zusammenrücken. Die Stadterneuerung orientiert sich dabei am Konzept der dreifachen Innenentwicklung, das eine integrative Betrachtung von Bebauung, Freiräumen und Mobilität vorsieht. Das Leben im freistehenden Einfamilienhaus in ausgedehnten Siedlungen ist, insbesondere in Ballungsräumen, nicht mehr zeitgemäß und nachhaltig. Die Veränderungspotenziale in den Einfamilienhaussiedlungen sind offensichtlich: In 60 % der Einfamilienhäuser leben heute nur noch ein bis zwei Personen (vgl. Destatis, 2019, 20). Es gibt innere Leerstände, während gleichzeitig die Immobilienpreise stark ansteigen. Nach dem Auszug der Kinder beginnt der sogenannte „Remanenzeffekt“: Die Menschen leben in ihren überdimensionierten Wohneinheiten, auch aufgrund emotionaler Bindungen und mangelnder Alternativen. Die baulichen Strukturen entsprechen dabei häufig nicht den Anforderungen an altersgerechtes Wohnen (siehe Bild 3) und die Pflege des Hauses und Gartens wird zunehmend zur Last. Neben den sozialen Fragen ist das Einfamilienhaus mit problematischen Effekten wie Flächenverbrauch, Ressourcenverschwendung und einer ausgeprägte Autoabhängigkeit verbunden. Der Gebäudesektor ist für 40 % der CO 2 -Emissionen verantwortlich (dena Gebäudereport, 2024). Der Bestand an Einfamilienhäusern trägt daran aufgrund seines überdurchschnittlichen Ressourcenverbrauchs einen erheblichen Anteil. Jährlich werden über 6.000 Hektar Fläche für den Bau neuer Einfamilienhäuser versiegelt (vgl. Destatis, 2023), obwohl der Bestand vielfältige Möglichkeiten für eine zukunftsfähige Entwicklung in sich birgt, die den sozialen und ökologischen Anforderungen unserer Zeit gerecht wird (siehe Bild 4). Ausgangspunkt und Methodik der Forschung Dem Projekt lag die These zugrunde, dass die Transformation des Einfamilienhauses als Wohnform mehr erfordert als die bloße Anwendung von bestehenden Konzepten, planerischen Instrumenten und Strategien. Sie muss innovative Ansätze entwickeln und bestehende Denkstrukturen aufbrechen. Zentral für die Arbeit war die Erkenntnis, dass in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Thema zwar viele gute Konzepte und Handlungsstränge existieren, diese jedoch in der Praxis häufig kaum umgesetzt werden (vgl. Wüstenrot Stiftung, 2012; Wüstenrot Stiftung, 2016). Die Erkenntnisse aus der Forschung, die meist in the- Bild 3: Treppenlift © Thomas Wolf Bild 4: Luftbild einer neuen Einfamilienhaussiedlung © Thomas Wolf NACHHALTIGE TRANSFORMATION Leben vor der Stadt 11 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0016 über die Einzelimmobilie hinaus auf den städtebaulichen Kontext. Die gegenwärtigen monofunktionalen Siedlungen entsprechen nicht mehr den städtebaulichen Anforderungen unserer Zeit. Es braucht eine sukzessive Entwicklung hin zu gemischten Quartieren mit vielfältigen Nutzungen und Infrastrukturen, die gleichwertige Lebensverhältnisse für alle Generationen ermöglichen. Die Quartiere der Zukunft zeichnen sich durch eine differenzierte soziale und funktionale Vielfalt aus. Der Weg dorthin geschieht durch eine behutsame Metamorphose, die gleichzeitig bestehende Qualitäten bewahrt und neue Potenziale erschließt. Die regulative Ebene erweist sich oft als problematisch. Die Gebietskategorien der Baunutzungsverordnung erlauben keine zeitgemäße Entwicklung zu gemischten, lebendigen Quartieren. Einerseits ist es wichtig, zu einer Deregulierung zu kommen, andererseits machen anstehende Herausforderungen - etwa beim Klimaschutz - zusätzliche Regelungen erforderlich. Rechtsexpert: innen plädieren deshalb für eine „transformative Re-Regulierung“, in der die zahlreichen Vorschriften entschlackt werden und zugleich neue Instrumente für eine nachhaltige Entwicklung geschaffen werden. Der Einfamilienhausbestand muss seinen Beitrag zu Klimaschutz und Ressourcenschonung leisten. Energetische Sanierung, Flächenrecycling und klimaangepasste Quartiersentwicklung sind zentrale Hebel für eine nachhaltige Zukunft der Wohngebiete. Diese Transformation basiert auf drei wesentlichen Akteursebenen: Gefragt ist die Kommune als Gestalterin der Rahmenbedingungen, eine neue Umbaukultur in der Architekturpraxis sowie die Bewohner: innen und die Nachbarschaft als eigentliche Trägerin der Veränderung (siehe Bild 7). Die Weiterentwicklung von Einfamilienhausgebieten erfordert eine proaktive kommunale Steuerung zur Gestaltung und Moderation des Wandlungsprozesses. Erfolgversprechend sind Wohnraumagenturen und Beratungsangebote, die Veränderungsprozesse anstoßen und begleiten können. Beispiele wie Möglichkeitsräume für die Nutzung des Bestandes Das Forschungsprojekt „Leben vor der Stadt “ zeigt vielfältige Möglichkeiten der nachhaltigen Entwicklung des Bestandes auf: Diese reichen von der baulichen Anpassung durch Umbau, der Nachverdichtung großer Grundstücke über neue Nutzungskonzepte bis hin zu gemeinschaftsorientierten Wohnprojekten und innovativen Eigentumsmodellen. Im Forschungsprojekt zeigte sich jedoch, dass die praktische Umsetzung von Weiterentwicklungsprozessen noch wenig Eingang in die Stadtentwicklungsprozesse der Kommunen gefunden hat. Das Einfamilienhaus darf nicht nur für die Familienphase konzipiert sein. Stattdessen braucht es flexible Wohnmodelle und Umnutzungsmöglichkeiten, die verschiedene Lebensphasen berücksichtigen und neue Formen des Zusammenlebens ermöglichen. Ein besonderes Potenzial zeigen flexible Grundrissgestaltungen und modulare Nachverdichtungskonzepte. Die Architektur kann zu einem wichtigen Katalysator für den Wandel werden, indem sie zeigt, wie aus überkommenen Strukturen zeitgemäße Lebensräume entstehen können (siehe Bild 6a und 6b). Die Zukunft des Einfamilienhauses liegt in der Öffnung zum Quartier. Gemeinsam genutzte Räume, nachbarschaftliche Netzwerke und neue Eigentumsmodelle können sowohl soziale als auch ökologische Synergieeffekte schaffen. Diese Transformation erfordert eine Perspektivenerweiterung Bild 5: Netzwerktreffen © Valerie Rehle Bild 6a und 6b: Studierendenprojekt zur Nachverdichtung in Fellbach Schmiden © Müller, Sachse, Schlereth, Schulz NACHHALTIGE TRANSFORMATION Leben vor der Stadt 12 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0016 QUELLEN Destatis (2019). Einkommens- und Verbrauchsstichprobe. Wohnverhältnisse privater Haushalte [Sonderheft]. Fachserie 15 Sonderheft 1. Destatis (2023). Statistisches Bundesamt Deutsche Energie-Agentur (2024). dena-Gebäudereport 2024. https: / / www.dena.de/ infocenter/ dena-gebaeudereport-2024/ ). Simon, C. (2001). Suburbane Wohngebiete: Konzepte zur städtebaulichen Qualifizierung des Ein- und Zweifamilienhauses in der Bundesrepublik 1949-1999. [Dissertation] an der Universität Stuttgart. Statista (2025), Zensus (2022). https: / / de.statista.com/ statistik/ daten. Wüstenrot Stiftung (Hrsg.) (2012). Die Zukunft von Einfamilienhausgebieten aus den 1950er bis 1970er Jahren: Handlungsempfehlungen für eine nachhaltige Nutzung. Ludwigsburg. Wüstenrot Stiftung (Hrsg.) (2017). Einfamilienhäuser 50/ 60/ 70. Stadtentwicklung und Revitalisierung. Ludwigsburg. die Göttinger Wohnraumagentur zeigen, wie kommunale Beratungsstrukturen neue Wege eröffnen können. Der Umbau des Bestands funktioniert nicht ohne eine wirtschaftlich tragfähige Grundlage. Hierfür braucht es alternative Eigentumsmodelle, genossenschaftliche Ansätze und zielgerichtete Förderprogramme, die den Umbau des Bestands auch finanziell ermöglichen und sozial gerecht gestalten. Eine nachhaltige Quartiersentwicklung gelingt nur, wenn die Bewohner: innen aktiv mitgenommen werden. Eine transparente Kommunikation, Beratungsangebote und neue Formen der Zusammenarbeit sind wichtig. Das Land Baden-Württemberg entwickelt hierzu beispielsweise bis Ende 2025 neuartige Angebote in Form eines digitalen und analogen „Experimentiermobils“, das neben Information und aufsuchender Beratung weitere Hilfestellungen bietet. Wie wir zur Umsetzung kommen Um die Umsetzung von konkreten Projekten weiter voranzutreiben, ist eine Annäherung von drei Seiten erfolgversprechend: regulativ, baulich-räumlich und sozial: (1) Es sind grundlegende Reformen auf Bundesebene notwendig - etwa beim Baurecht und den Förderstrukturen. (2) Gleichzeitig müssen kommunale Akteure und die Architekturpraxis Umsetzungsimpulse vor Ort setzen. (3) Die Bewohner: innen sind Expert: innen für ihr Lebensumfeld. Funktionierende Nachbarschaften können zum Motor des Wandels werden. Es wird deutlich, dass die Transformation des Einfamilienhausbestands eine vielschichtige Aufgabe der Stadtentwicklung ist, die gelingen kann, wenn verschiedene Akteure zusammenarbeiten. Es sind weitere Forschungen und empirische Untersuchungen geplant, die dazu beitragen sollen, die Potenziale des Bestandes zu heben und dabei gesellschaftlichen Entwicklungen und Bedürfnissen gerecht zu werden. Publikationshinweis: Die in diesem Artikel diskutierten Erkenntnisse sind Teil der Publikation „Leben vor der Stadt - Einfamilienhäuser als Möglichkeitsräume“ der Wüstenrot Stiftung und der Hochschule für Technik Stuttgart (2025). Die Untersuchung beleuchtet den Einfamilienhausbestand als Ressource für eine nachhaltige Stadtentwicklung und zeigt Strategien zur Transformation der Gebiete auf. Neben der Analyse baulicher und sozialer Strukturen werden konkrete Handlungsempfehlungen für Kommunen, Planende und Bewohner: innen formuliert. Ergänzende Informationen und weiterführende Materialien sind auf der Projektwebsite abrufbar: www. leben-vor-der-stadt.de. Bild 7: Exkursion mit Bewohner: innen © Valerie Rehle AUTOR: INNEN Verena Marie Loidl, Stadtforscherin, Promotionsstipendiatin der Robert- Breuning-Stiftung hallo@verenamarieloidl.com http: / / orcid.org/ 0000-0002-4547-0765 Dr. Valerie Rehle, Innenarchitektin und Stadtforscherin, Referentin im Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege mail@valerierehle.de Prof. Dr.-Ing. Christina Simon-Philipp, Architektin und Stadtplanerin, Professorin an der HFT Stuttgart, Leiterin Zentrum für nachhaltige Stadtentwicklung, Schellingstraße 24, 70174 Stuttgart christina.simon@hft-stuttgart.de http: / / orcid.org/ 0000-0001-7174-9295 NACHHALTIGE TRANSFORMATION Leben vor der Stadt 13 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0016 Typ 115-K1-4-1-2,4 Typ 115-K5-4-2-2.5 Typ 120-K1-3-1-1,8 Typ 104-K8-4-2-2.86 Schnitt C-C Typ 120-K2-3-3-1.96 Kompaktes Hofhaus Typologie 1: 1000 Stand: 8. Juli 2019 Typ 115-K1-4-1-2,4 Typ 115-K5-4-2-2.5 Typ 120-K1-3-1-1,8 Typ 104-K8-4-2-2.86 Schnitt C-C Typ 120-K2-3-3-1.96 Kompaktes Hofhaus Typologie 1: 1000 Stand: 8. Juli 2019 Das „kompakte Hofhaus“, Entwicklung einer neuen Gebäudetypologie Forschung anknüpfend an Ziele der Stuttgarter Weißenhofsiedlung von 1927 Kompaktes Hofhaus, Typologie, urbane Dichte, nachhaltiges Bauen, Nachverdichtung, Bauwende, suffiziente Flächennutzung, Lebenszyklusanalyse, Baukonstruktion, Schallschutz, Akustik im Außenrau Jan Cremers und Peter Bonfig Das sog. „kompakte Hofhaus“ wurde als neuartiger Hofhaustyp an der HFT Stuttgart entwickelt und untersucht. Zu Quartieren addiert stellt er den Bewohnern bei geringem Landverbrauch urbane Lebensräume zur Verfügung und kann hohe Dichte, Nutzungsdiversität sowie ein hohes Maß an Privatheit und Wohnqualität in Innenwie Außenräumen miteinander vereinigen, in Neubauwie in Bestandsituationen. Hinsichtlich der Ziele knüpft diese Forschung damit unmittelbar an die Stuttgarter Weißenhofsiedlung von 1927 an. Die Werkbundsiedlung von 1927 am Weißenhof in Stuttgart hatte unter anderem folgende Ziele: Sie sollte Antworten auf die drängenden Wohnprobleme der Zeit geben, insbesondere in Bezug auf bezahlbaren Wohnraum für die wachsende städtische Bevölkerung. Mit modularen, standardisierten Bauformen sollte auf die Anforderungen des Massenwohnungsbaus reagiert werden. Die Siedlung war auch ein Experimentierfeld für neue Lebensweisen. Viele sind der Meinung, dass von den dort realisierten Bei- Schematische Darstellung von Zeilen addierter kompakter Hofhäuser, Grundrissausschnitt und Querschnitt. © Autoren/ HFT Stuttgart 14 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0017 NACHHALTIGE TRANSFORMATION Das „kompakte Hofhaus“ typen i.d.R. nicht erreichbar. Dies zeigt Bild 2 abstrahiert: Frei stehende „extrovertierte“ Gebäudetypen (links) erlauben unter Einhaltung gesetzlicher Abstände trotz hohem Flächenverbrauch kaum Freiflächen mit angemessener Privatsphäre, außer bei sehr großen Grundstücken. Forschung: Hypothese und Lösungsansatz Die Konzeption des „kompakten Hofhauses“ kann einen wertvollen Beitrag leisten, die Wünsche vieler Menschen nach einer privaten und individuellen Wohnform als „Minimalterritorium“ im Eigenbesitz mit Prinzipien der Nachhaltigkeit zu versöhnen (vgl. Kuhn 2021). Hof- oder Atriumbzw. Patiohäuser haben in vielen Kulturen und Klimazonen eine jahrtausendealte Tradition, auch im 20. Jahrhundert wurden weltweit teppichartige Siedlungen mit Hofhaustypen realisiert (Blaser 2005). Heutzutage spielen Hofhäuser bei Neubauvorhaben im Vergleich zu konventionellen Gebäuden, die sich vorwiegend nach außen orientieren, nur eine sehr ungeordnete Rolle. Dennoch findet man vereinzelt Neubauten als einbis spielbauten die Reihen-Hofhäuser von J.J.P Oud diesen Zielen am meisten entsprechen (vgl. Kurz 2006, Bild 1), während andere sie z.T. deutlich verfehlten. Diese vor hundert Jahren aufgeworfenen Fragen beschäftigen uns auch heute und bildeten eine wesentliche Grundlage für ein von der DFG gefördertes Projekt, das von 2017 bis 2024 an der HFT Stuttgart interdisziplinär bearbeitet wurde (Projekt CR 557/ 2- 1/ 2). Ergebnis war der neuartige Gebäudetyp „kompakte Hofhaus“, der sich nach bestimmten Grundregeln mannigfaltig zu komplexen urbanen Quartieren hoher Dichte addieren lässt, und dabei dennoch ein hohes Maß an Privatheit in Innenwie Außenräumen garantiert. Definitionsgemäß wird dies dadurch erreicht, dass nicht einsehbare Höfe / Außenräume als ausschließlich private Nutzflächen in die Gebäudestruktur integriert werden (anstelle von exponierten „Abstandsflächen“ mit geringerem Nutzwert außerhalb des Gebäudes) und über diese Bereiche auch die Belichtung und Belüftung erfolgen kann. Innen- und Außenräume können so zu einem geschützten und eng miteinander verzahnten Lebensraum verschmelzen. Die bisherigen Ergebnisse weisen mit einer umfangreichen Typologie, allgemein gültigen Lösungsstrategien und vielen Einzeluntersuchungen nach, dass dieser Ansatz bereits auf ungewöhnlich kleinen Parzellen (ca. 60 bis 200 m²) unterschiedlicher Proportion mit bis zu fünfgeschossigen Gebäuden für eine oder mehrere Parteien funktioniert. Einige der aus verschiedenen Grundtypen hervorgehenden Varianten eignen sich als „Einfamilienhäuser “ auf eigenem Grund und können so diese Wohnform in einem nachhaltigen urbanen Umfeld hoher Dichte und Heterogenität ermöglichen. Hintergrund Nach Angaben des Statistischen Bundesamts besitzt ein Drittel der Privathaushalte in Deutschland ein Einfamilienhaus, etwa zwei Drittel aller Haushalte sieht im Einfamilienhaus mit Garten im eigenen Besitz die bevorzugte Wohnform (vgl. Streit 2019). Demgegenüber besteht kein ausreichendes Angebot an Grundstücken in guten Lagen. Außerdem bringt die Wohnform des konventionellen Einfamilienhauses - direkt und indirekt - einen überproportional hohen Verbrauch an Ressourcen mit sich: Flächenverbrauch, Materialverbrauch, Energieverbrauch, Erhöhung der Verkehrsströme etc. Mit der geringen urbanen Dichte sind zudem diverse infrastrukturelle Nachteile in der Versorgung verbunden. Letztlich ist die von den meisten Bewohnern angestrebte Privatheit im Innen- und Außenbereich auf kleinen bis durchschnittlichen Grundstücksgrößen - ca. 400 bis 600 m² - mit konventionellen Gebäude- Bild 1: Reihen- Hofhäuser der Stuttgarter Weißenhofsiedung von J.J.P. Oud (1927) © Jan Cremers Bild 2: Frei stehende extrovertierte Gebäudetypen (links), introvertierte „Kompakte Hofhäuser“ (rechts) © Autoren/ HFT Stuttgart NACHHALTIGE TRANSFORMATION Das „kompakte Hofhaus“ 15 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0017 sich für Parzellen von etwa 60 bis 200 m² Größe bei unterschiedlichen Proportionen (1: 1 bis 1: 5). Die dreibis fünfgeschossigen, bezüglich Erschließung, Gründung, Konstruktion und Besitzverhältnisse autarken Gebäude auf eigenem Grund orientieren sich in der Regel an einer Seite zum öffentlichen oder halböffentlichen Raum (z. B. Straßenfront), während sie an drei Seiten (Brandwände) zum Anbauen geschlossen sein können. Je nach Variation des jeweiligen Grundkonzepts kann ein Gebäude ein bis vier Nutzungseinheiten aufnehmen, wobei das Erdgeschoss meist gewerblicher Nutzung und/ oder Nebennutzungen dient, was auch in vielen Fällen eine aufwendige Unterkellerung erspart. Als zentrales Merkmal verfügt jede der Wohneinheiten über mindestens einen privaten, von anderen Parteien oder von der Straße oder Nachbargebäuden nicht einsehbaren Hof als Außenraum, der so privat wie ein Badezimmer ist. Über die geschützten und begrünten Höfe werden Innenräume belichtet und belüftet, Innen- und Außenräume verschmelzen zu einem räumlichen Kontinuum. Kompakte Hofhäuser als nachhaltige Einfamilienhausoption Von den bisher acht Grundkonzepten (K1 bis K8) sind einige auch für „Einfamilienhäuser“ als Bausteine urbaner Quartiere oder Ensembles hoher Dichte geeignet. Die Typen bzw. Grundkonzepte können in ihren Varianten auf unterschiedliche Nutzerwünsche und Lebensformen sowie auf veränderte Anforderungen im Laufe der Nutzungszeit reagieren. Vor allem der Gebrauch des Erdgeschosses kann stark variieren, mit Nebennutzungen wie Abstellen (einschließlich Fahrräder und Kraftfahrzeuge), und kleinen Büros, Läden etc. oder auch teilweise Wohnzwecken dienen. Die individuellen Interpretationen der Konzepte ermöglichen urbane Quartiere hoher Dichte und Heterogenität und damit einhergehend ein besseres Angebot an Dienstleistungen (einschl. ÖPNV) gegenüber typischen monofunktionalen Einfamilienhausgebieten. Ergänzend zu den Höfen auf unterschiedlichen Ebenen (einschl. Dachterrassen) bieten sich zusätzlich Balkone an, die einsehbar zum öffentlichen Raum exponiert sind. Das Konzept des kompakten Hofhauses gibt seinen Bewohner je nach Wetterlage,Tages-/ Nachtzeit und individuellen Vorlieben viele Wahlmöglichkeiten des Aufenthalts in Innenwie Außenräumen, ob geschützt vor Einblicken oder eher den Kontakt zum öffentlichen Leben suchend. Das vielfältige Angebot ermöglicht für verschiedene Wohnformen innerhalb des Hauses gemeinsame Bereiche, aber auch Rückzugsmöglichkeiten. zweigeschossige Wohnhäuser, vor allem im asiatischen Kulturraum, auch entstanden in den letzten Jahren Ensembles und auch größere Siedlungen mit mehrgeschossigen Gebäuden, bei denen Prinzipien von Hofhäusern Anwendung fanden (vgl. Goh 2011). Die Forschungsgruppe hat sich als Ziel gesetzt, den Typus des Hofhauses auf die aktuellen Anforderungen einer nachhaltigen Urbanisierung hin neu zu interpretieren und weiterzuentwickeln. Dabei wurde der Hypothese nachgegangen, dass Hofhäuser ein Potenzial für nachhaltige Quartiere hoher Dichte bei einem gleichzeitig hohen Maß an Privatheit und Wohnwert haben. Damit bieten sie einen möglichen Ausweg aus dem Dilemma konventioneller Typen (Hohe Dichte = wenig Privatheit, v.a. in den Außenräumen). Weiter wurde angenommen, dass auf den Prinzipien und inhärenten Gesetzmäßigkeiten des Hofhauses aufbauend mit einem interdisziplinären und systematischen Ansatz mit aktuellen Werkzeugen eine optimierte Typologie entwickelt werden kann, bei denen die Höfe als private, vor Einblicken geschützte Außenräume nur jeweils einer Partei zugeordnet werden. Die Zielsetzung ist eine Art „Baukasten“ aus „kompakten Hofhäusern“, die sich als „Bausteine“ vielfältig zu urbanen Quartieren hoher Dichte addieren lassen (Bild 3). Das Thema ist somit gleichermaßen in der Architektur wie im Städtebau angesiedelt. Die Methodik zur Entwicklung sowie die Ergebnisse der Typologie einschließlich der Funktionsweise kompakter Hofhäuser wurden breit publiziert (vgl. Cremers 2021, 2024). Die dort vorgestellten acht Grundkonzepte lassen sich variieren und miteinander zu Ensembles bzw. urbanen Quartieren hoher Dichte kombinieren, auch im Bestand. Dieser mehrgeschossige und flächensparende Hofhaustyp ist nach bestimmten Zielvorgaben optimiert und eignet Bild 3: Schematische Darstellung zur Einordnung der Typologie © Autoren/ HFT Stuttgart \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissen schaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissen schaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikations wissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprach wissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Alt philologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissen schaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft 16 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0017 NACHHALTIGE TRANSFORMATION Das „kompakte Hofhaus“ \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissen schaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissen schaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikations wissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprach wissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Alt philologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissen schaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft BUCHTIPP expert verlag - Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany \ Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ info@narr.de \ www.narr.de Edgar Theurer, Amine Stirner, Mohamed Zakzak Barrierefreiheit im öffentlichen Verkehrsraum Grundlagen - Planung - Bauausführung ein Praxishandbuch 1. Auflage 2024, 244 Seiten €[D] 69,80 ISBN 978-3-8169-3552-0 eISBN 978-3-8169-8552-5 Zur Barrierefreiheit im öffentlichen Verkehrsraum existiert ein umfangreiches Gesetzes- und Regelwerk. Verantwortliche sind jedoch häufig unsicher in der Vorgehensweise und Umsetzung. In der Praxis werden die Vorschriften und Gesetze daher nur rudimentär oder falsch angewendet. Gefahren und Einschränkungen für mobilitätseingeschränkte Nutzer: innen werden somit nicht nur nicht beseitigt, sondern durch falsche Umsetzung erst geschaffen. Die Autoren sind in der täglichen Arbeit mit dem Thema befasst, haben den entsprechenden Erfahrungshorizont und praktischen Hintergrund und wollen ihr Wissen weitergeben. Das Buch beschreibt mit vielen Abbildungen und anhand realer, aktueller Beispiele konkrete Probleme, zeigt Lösungen auf und warnt vor Fallstricken. rär vom Nutzer zum öffentlichen Raum öffnen lässt. Die Wohnfläche beträgt 160 m² bzw. ohne integrierte Stellplätze 183 m². Diese wird mit insgesamt 60 m² privatem Außenraum bereichert, zusätzliche Balkone sind zum öffentlichen Raum ausgerichtet. Bildung von urbanen Quartieren Bei der beschriebenen Kombination von Varianten kompakter Hofhäuser nach bestimmten Regeln zu urbanen Quartieren hoher Dichte entstehen wie bei anderen konventionellen Gebäudetypen öffentliche, halböffentliche oder private Außenräume, z. B. als Straßenräume oder Plätze oder Spielflächen für Kinder. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Gebäude für nur eine Partei oder für mehrere entwickelt sind. Mit zusätzlicher gewerblicher Nutzung als Teil der kompakten Hofhäuser oder unabhängig von ihnen kann Heterogenität der Nutzungen erreicht werden. Die Gebäude können direkt auf der Grenze zum öffentlichen Raum liegen oder sie erhalten vorgelagerte Flächen / Grünzonen als Übergang, was auch mit Hofsituationen zum z. B. Straßenraum einhergehen kann. Besondere Herausforderungen und Möglichkeiten bietet der Themenkomplex der Nachverdichtung bzw. der Umbau von bestehenden bebauten Gebieten sehr geringer Dichte in solche mit eher urbanem Charakter und wesentlich höherer Ausnutzung von bereits erschlossenem Baugrund als wertvolle Ressource. In Deutschland sind von etwa 19 Millionen Wohngebäuden knapp 16 Millionen Ein- und Zweifamilienhäuser. Auch in Großstädten wie Berlin und Hamburg machen Einfamilienhäuser mehr als die Hälfte des Bestandes aus. Knapp 31 Prozent aller Haushalte besaßen 2018 in Deutschland ein Einfamilienhaus und nochmals die gleiche Anzahl würde diese Wohnform allen anderen vorziehen (vgl. Streit 2019). Mit steigender Tendenz werden Einfamilienhäuser aus dem Bestand der 1960er- und 1970er-Jahre und somit ihre Grundstücke durch Generationswechsel frei. Meist sind diese Gebäude sanierungsbedürftig, eine Ertüchtigung ist aber unter wirtschaftlichen und auch meist funktionalen Gesichtspunkten oft fragwürdig, sodass immer wieder Abriss und Neubau erwogen werden. Vor diesem Hintergrund stellt der teilweise oder gar komplette Umbau solcher Einfamilienhausgebiete durch kompakte Hofhäuser eine Alternative dar, welche deutlich mehr Menschen das Wohnen im eigenen Haus ermöglichen kann, ohne dass neuer Baugrund erschlossen werden muss. Die Ausnutzung des Baugrunds ließe sich so voraussichtlich bis um den Faktor 4 steigern. Wie sich in den nächsten Jahrzehnten die Bedürfnisse und Erwartungen der Menschen zum Wohnen Bild 4 zeigt ein ausgewähltes Variantenbeispiel im Detail mit folgenden Eckdaten auf Basis des Konzepts 1 („K1“): Grundfläche 121 m², lang gestreckte Proportion von 1: 3, kein Untergeschoss. Abstell- und Technikräume liegen ebenerdig im Erdgeschoss, welches neben Garderobe und Platz für Fahrräder, Kinderwagen etc. optional auch bis zu zwei Kfz-Stellplätze aufnehmen kann. Das Beispiel mit seinem zweigeschossigen zentralen Hofraum verfügt auf der vierten Ebene über einen Dachhof, der an die Straßenfassade grenzt und sich z. B. über bewegliche vertikale Lamellen tempo- Type 121-K1-3-1-2.8, Longitudinal section and floor plans in two use variants, if necessary also responding to the respective orientation. Plot size 6,3 × 19,2 = 121 m². Explanation of coding „121-K1-3-1-2.8“: 121 Plot size (m2) K1 Concept # 3 Number of storeys 1 Number of units 2.8 Ground/ floor ratio (GFZ) 1 5 10 m Innenraum Hofraum privat Luftraum, Aufsicht Erläuterung der Kodierung „121-K1-3-1-2.8“: 121 Grundstücksgröße (m 2 ) K1 Konzept # 3 Anzahl Geschosse 1 Anzahl Nutzungseinheiten 2.8 Geschossflächenzahl (GFZ) Bild 4: Typ 121-K1-3-1-2.8, zentralperspektivische Darstellung im 2. OG mit Blick in den zentralen zweigeschossigen Innenhof. Längsschnitt und Grundrisse in zwei Nutzungsvarianten, ggf. auch auf die jeweilige Orientierung reagierend. Grundstücksgröße 6,3 m × 19,2 m = 121 m². © Autoren/ HFT Stuttgart NACHHALTIGE TRANSFORMATION Das „kompakte Hofhaus“ 18 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0017 Ai Tee Goh, Courtyard Housing in the UK. Potentials for High Density Low Energy Urban Housing, Dissertation, University of Liverpool, 2010, Saarbrücken 2011. Cremers, J.; Bonfig, P.; Offtermatt, D.: Kompakte Hofhäuser, Anleitung zu einem urbanen Gebäudetyp. Triest Verlag Zürich, 2021. Darin Beitrag Gerd Kuhn ab S. 149ff. Cremers, J.; Bonfig, P.; Dehlinger, C.; Offtermatt, D.: Kompakte Hofhäuser, weitere Untersuchungen auf dem Weg in die Realisierung. HFT Stuttgart. 2024 (DOI 10.60663/ HFTor-490) verändern werden, ist nicht vorauszusehen, auch wenn die pandemische Lage vor einigen Jahren schon neue Tendenzen aufgezeigt hat. Die Interpretation von Privatsphäre könnte dabei eine wichtige Rolle spielen. Insofern wird auch das Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft die Art des Wohnens und Bauens beeinflussen und Gebäudetypen mit vergleichbaren Zielsetzungen Vorschub leisten. Auch im Rahmen von Klimaveränderung und Klimaanpassung können Hofräume mit ihrem Potenzial für die Schaffung vorteilhafter mikroklimatischer Bedingungen an Bedeutung gewinnen, vor allem im Vergleich zu Alternativen ähnlich hoher Dichte. LITERATUR Kurz, J.: Die Weissenhofsiedlung: Geschichte und Gegenwart. Hampp Stuttgart. 2006, hier v.a. S. 58ff und 225ff Streit, M.: Trotz Niedrigzinsen: Hausbesitzer bleiben immer noch in der Minderheit, Handelsblatt, 28.12.2019. Blaser, W: Atrium. Lichthöfe seit 5 Jahrtausenden, Basel 1985, und Schramm, H.: Low Rise - High Density. Horizontale Verdichtungsformen im Wohnbau, Wien 2005. AUTOR: INNEN Prof. Dr.-Ing. Jan Cremers, Architekt und Professor für Gebäudetechnologie an der HFT Stuttgart jan.cremers@hft-stuttgart.de https: / / www.hft-stuttgart.de/ p/ jan-cremers ORCID 0000-0002-2777-9849 Dr.-Ing. Peter Bonfig, Architekt und Mitarbeiter im DFG-Forschungsprojekt zum Kompakten Hofhaus Zunehmender Flächenversiegelung entgegenwirken, Regenwasser regulieren, die Kanalisation entlasten, das Stadtklima verbessern und Aufenthaltsorte zum Wohlfühlen schaffen. Nachhaltige Stadtentwicklung mit Begrünungssystemen vom Marktführer OPTIGRÜN macht’s möglich! Optigrün international AG | optigruen.de Anzeige NACHHALTIGE TRANSFORMATION Das „kompakte Hofhaus“ Nachhaltige Sanierung im Bestand - Lehmdecken als zukunftsfähige Lösung Lehmbau, Verbundbau, Bauen im Bestand, Deckensanierung, Nachhaltigkeit, Baulogistik M. Eng. Konstantin Nille-Hauf, Dr. rer. nat. Beatriz Unger-Bimczok, M. Eng. Eric Wente, Prof. Dr.-Ing. Birol Fitik, Prof. Dr.-Ing. habil. Jörg Schänzlin Die Sanierung von Bestandsbauten mit der InDeckLe-Lehmverbunddecke ist eine nachhaltige Alternative zum ressourcenintensiven Neubau. Während Neubauten schnell die CO 2 -Ziele des European Green Deals überschreiten, bietet das Bauen im Bestand eine Lösung, die gleichzeitig den normativen Anforderungen entspricht. Durch Materialien wie Lehm und Holz sowie flexible baubetriebliche Ansätze wird die Lebensdauer bestehender Gebäude verlängert, der Ressourcenverbrauch minimiert und ein wesentlicher Beitrag zum Klimaschutz geleistet. Zusammenfassung Nachhaltiges Bauen im Bestand ist entscheidend für die Zielerreichung des European Green Deals. Das Forschungsprojekt InDeckLe untersucht tragende Deckenkonstruktionen aus Lehm im Verbund mit Holz, Stahl und Stahlbeton. Dabei stehen auch die Anpassungsfähigkeit an die Anforderungen des Bauens im Bestand sowie ökologische Aspekte im Fokus. Der Einsatz von Materialien wie Lehm und Holz zur Ertüchtigung von Bestandgebäuden bietet eine ressourcenschonende Alternative zum Neubau und verlängert zugleich die Lebensdauer historischer Gebäude. 1. Bauen im Bestand 1.1. Die Bedeutung nachhaltiger Bestandssanierung für den Klimaschutz Bestehende Gebäude haben oft höhere Energiebedarfe als Neubauten, da sie schlechtere Dämmeigenschaften aufweisen, was mehr klimaschädliche Emissionen verursacht (BMWK, o.D.). Ersatzneubauten erzeugen jedoch durch ihren hohen Ressourceneinsatz signifikant mehr CO 2 -Emissionen als Sanierungen (siehe Bild 1). Der European Green Deal zielt darauf ab, die EU bis 2050 klimaneutral zu machen. Da Gebäude 40 % des Energieverbrauchs und 36 % der CO 2 -Emissionen in der EU ausmachen, sind Sanierung und Modernisierung des Bestands entscheidend (Europäische Kommission, 2020), (Europäische Kommission, 2019). Initiativen wie die Renovierungswelle sollen die Energieeffizienz und Nachhaltigkeit von Gebäuden verbessern, um den ökologischen Fußabdruck zu minimieren. Um bis 2050 - in Deutschland bis 2045 - einen klimaneutralen Gebäudebestand zu erreichen, dürfen nur minimale Emissionen anfallen, ergänzt durch Maßnahmen wie Carbon Capture and Storage (CCS). Bild 1 zeigt an Beispieldaten der Stadt Zürich, dass unter der Annahme einer maximal zulässigen jah- Bild 1: CO 2 -äquivalente Emissionen einer Stichprobe von Neubau- und Instandsetzungsprojekten bei der Erstellung und dem Betrieb von Bauwerken der Stadt Zürich (Dr. Niko Heeren, 2024, Amt für Hochbauten der Stadt Zürich) 20 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0018 NACHHALTIGE TRANSFORMATION Nachhaltig Bauen 2. Nachhaltigkeitsbewertung der von HBC und HFT entwickelten InDeckLe-Deckenlösung Holz-Lehm-Verbunddecken (HLVD) sind eine nachhaltige Alternative zu Stahlbetondecken, da sie aus natürlichen, regional verfügbaren Materialien bestehen, die mit geringem Energieaufwand verarbeitet werden. Stahlbeton verursacht hohe CO 2 -Emissionen und erfordert intensive Ressourcennut zung , während Lehm durch Wieder verwendbarkeit und geringe graue Energie überzeugt (Bild 3). Holz ergänzt die ökologische Bilanz, da es während des Wachstums CO 2 speichert - ein Kubikmeter Holz bindet etwa 1 Tonne CO 2 (pro: Holz, 2025). Bild 3 zeigt das lebenszyklusbezogene Treibhauspotenzial verschiedener Deckentypen. Die HLVD weist hier das geringste Treibhauspotenzial aus, während Betonflachdecken die schlechteste Bilanz haben. InDeckLe bietet Lösungen für Holzlehm-, Stahllehm- und Betonlehmverbunddecken an. Die Besonderheit dieser Deckenkonstruktionen liegt im mechanischen Verbund zwischen dem Lehm und dem Verbundwerkstoff (Holz, Stahl und Stahlbeton). Dadurch werden die mechanischen Beanspruchungen im Bauteil entsprechend den werkstoffmechanischen Eigenschaften aufgeteilt. Gleichzeitig erhöht sich die Tragfähigkeit der Deckenkonstruktion, wodurch sich der Materialeinsatz gegenüber vergleichbaren Deckenkonstruktionen ohne mechanischen Verbund reduziert. resbezogenen CO 2 -äq-Emission aus Erstellung und Betrieb von Bauwerken von etwa 9 kg CO 2 -äq/ m²a (30 % unter den Effizienzpfad SIA 2040 Zielen von 13 kg CO 2 -äq/ m²a) Instandsetzungsprojekte besser abschneiden als Neubauten (Heeren, 2024). Während diese (blau) den Wert meist überschreiten, erreichen besonders ambitionierte Sanierungen (grün) kombinierte Emissionen unter 9 kg CO 2 -äq/ m²a. Daraus wird deutlich: Bauen im Bestand muss in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen, um die Ziele des European Green Deals zu erreichen und einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. 1.2. Bauen im Bestand im Kontext von Deckenkonstruktionen Normative Hintergründe Die Eurocodes sind einheitliche europäische Standards für die Bemessung und Konstruktion von Bauwerken und wurden 2012 in Deutschland eingeführt. Dabei entfallen 2021 nur 5 % des Wohnungsbestands auf Gebäude, die entsprechend diesen Normen entstanden sind (siehe Bild 2). Ein Viertel des Bestands entstand vor dem Zweiten Weltkrieg. Der Entwurf und die Bemessung von Gebäuden folgten wenigen empirischen Grundsätzen, während sich die Vielfalt der heutigen, häufig analytisch und evidenzbasierten Normungen erst im Laufe der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelte. Die Instandsetzung alter Gebäude erfordert die Anpassungen an aktuelle Normen, um beispielsweise Tragfähigkeit, Gebrauchstauglichkeit, Schall- und Brandschutz sicherzustellen. Vorkriegs- und Nachkriegsbauten verwenden oft materialsparende Deckenkonstruktionen, die heutige Anforderungen kaum erfüllen (Friedrichsen, 2018). So wurden erste Regelungen zum Trittschallschutz erst 1962 durch die DIN 4109-2: 1962 eingeführt, während die Begrenzung von Schwingungen rudimentär erst mit der Einführung der DIN 1052: 1988 und später durch den Eurocode EC5: 2012 umfassend berücksichtigt wurde. Leichtbaukonstruktionen zeigen daher oft erhebliche Mängel, die bei einer heutigen Umnutzung behoben werden müssen. Baubetriebliche Aspekte Sanierungen im Bestand erfordern Bauelemente, die leicht über vorhandene Fenster- oder Türöffnungen transportier- und montierbar sind. Eine kranfreie Logistik kann in vielen Fällen vorteilhaft sein. Besonders in historischen Gebäuden mit schmalen Türöffnungen sind kleinere Paletten mit maximal 60 cm Breite nötig. Bild 2: Verteilung des Wohngebäudebestands in Deutschland nach Baujahr (Stand: 2021) im Kontext der Normenentwicklung von Trittschall- und Schwingungsschutz [HBC Biberach, Nille-Hauf, 2025], basierend auf (RIWIS, 2024) sowie (Hamm, 2012) und (Schnelle, Kurz, 2014) 13% 12% 38% 10% 12% 10% 5% L´ n,w 63dB 63dB 50dB 45dB* DIN 1052: 88 EC5 DIN 1052: 04 Winter/ Hamm/ Richter L´ n,w L´ n,w L´ n,w 53dB *entsp. erhöhtem Schallschutz NACHHALTIGE TRANSFORMATION Nachhaltig Bauen 21 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0018 ƒ Rückbau der Decken: Die Decke über dem Erdgeschoss wird entfernt. Gegebenenfalls ist für das Gebäude eine bauzeitliche, außenliegende Abstützung aufgrund des Wegfalls der Deckenscheibenwirkung vorzusehen (Bild 4, rechts). ƒ Vorbereitung der Wände: Tragende Wände werden für die neue Deckenträger vorbereitet. Bestehende Auflagerpunkte können wiederverwendet oder verfüllt und neue Auflagerdetails entwickelt werden (Bild 5, links). ƒ Einbau der Längsträger: Neue Holzträger werden entweder über Wandöffnungen oder über das Erdgeschoss eingehoben, an neu errichteten Traglastpunkten abgesetzt und mit Baustützen unterstützt (Bild 5, links). ƒ Einsatz eines Leichtbaukrans: Ein Leichtbaukran wird auf den Längsträgern positioniert, um die Materiallogistik effizient zu gestalten. Bauzeitlich werden Holzwerkstoffplatten auf den Längsträgern als Arbeitsebene eingebaut, die dann mit zunehmendem Baufortschritt rückgebaut werden (Bild 5, rechts). ƒ Einbau der Lehmsteine: Lehmsteine werden palettenweise angeliefert, per Außenkran in den Arbeitsbereich transportiert und reihenweise in eine Dünnbettmörtelschicht gesetzt. Je nach Bausituation ist auch eine Zulieferung vom darunterliegenden Stockwerk und ein Aufnehmen der Steine mittels Leichtbaukran umsetzbar (Bild 5, rechts). ƒ Rückbau der Unterstützung: Nach Aktivierung der Lehmsteine übernehmen diese die Lastabtragung und die Baustützen können entfernt werden (Bild 6, links). ƒ Fußbodenaufbau: Der Fußbodenaufbau wird aufgebracht, wahlweise als Trockenfußboden oder in konventioneller Bauweise. Der restliche Innenausbau kann ausgeführt werden (Bild 6, links). 3. Bauablauf einer Deckensanierung: Einsatz der InDeckLe-Lehmdecke im dreistöckigen Fachwerkhaus Am Beispiel eines mehrstöckigen Wohngebäudes mit einer Holzbalkendecke zeigt Bild 4 bis Bild 6 den Bauablauf einer Deckensanierung mit HLVD. Die betriebliche Umnutzung von Wohnräumen im ersten Obergeschoss zu Versammlungsräumen hat in diesem Beispiel eine Erhöhung der Verkehrslast auf die Decke über dem Erdgeschoss zu Folge. Die bestehende Konstruktion genügt somit weder den Tragfähigkeitsnoch den Schwingungs-, den Brandschutz- und den Schallschutzanforderungen, was eine umfassende Ertüchtigung erfordert. Ablauf der Deckensanierung ƒ Entkernung: Das erste Obergeschoss wird entkernt, um die Decke für die Sanierung freizulegen (Bild 4, rechts). 11 22 27 30 36 62 −10 0 10 20 30 40 50 60 Holzlehmverbund Stahllehmverbund Betonlehmverbund Holzbetonverbund Einhängeziegel (Holzträger) Beton achdecke CO 2 −Äquivalent in [kg CO 2 / m 2 ] Herstellung Rückbau Recycling Gesam t Lebenszyklusbezogenes Treibhauspotenial (THP) verschiedener Deckentypen Vergleich Lehmverbunddecken mit gänigen konventionellen Konstruktionen Bild 3: Lebenszyklusbezogenes Treibhauspotential ( THP) verschiedener Deckentypen [kg CO2-Äq./ m2], [HBC Biberach, Nille-Hauf, Knöpfle, 2025], basierend auf (Fernandes, Peixoto, Mateus, & Gerváasio, 2019) sowie (Ökobaudat, 2023) Bild 4: Schematischer Bauablauf beim Bau einer InDeckLe HLVD am Beispiel eines 3-stöckigen Fachwerkhauses mit Balkendecke, Teilbild 1 [Hf T Stuttgart, Unger-Bimczok, 2025; HBC Biberach, Nille-Hauf, 2025] Bild 5: Schematischer Bauablauf beim Bau einer InDeckLe-HLVD am Beispiel eines 3-stöckigen Fachwerkhauses mit Balkendecke, Teilbild 2 [Hf T Stuttgart, Unger-Bimczok, 2025; HBC Biberach, Nille-Hauf, 2025] 22 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0018 NACHHALTIGE TRANSFORMATION Nachhaltig Bauen Dieser Ablauf kombiniert strukturelle Sicherheit mit effizienter Logistik und erfüllt im sanierten Zustand die aktuellen Anforderungen an Tragfähigkeit, Schwingungs-, Schall- und Brandschutz. 4. Fazit Die Sanierung und Modernisierung von Bestandsgebäuden ist essenziell, um die Klimaziele des Bild 6: Schematischer Bauablauf beim Bau einer InDeckLe-HLVD am Beispiel eines 3-stöckigen Fachwerkhauses mit Balkendecke, Teilbild 3 [Hf T Stuttgart, Unger-Bimczok, 2025; HBC Biberach, Nille-Hauf, 2025] European Green Deals zu erreichen. Neubauten überschreiten häufig die zulässigen Emissionsgrenzen, während das Bauen im Bestand eine umwelt- und ressourcenschonende Alternative bietet. Die emissionsarme Bauweise von InDeckLe erfüllt aktuelle Anforderungen an Tragfähigkeit, Schallschutz, Brandschutz und Gebrauchstauglichkeit. Durch flexible Konstruk tionselemente und effiziente Logistik wird eine Sanierung auch unter schwierigen Bedingungen ermöglicht, ohne die Bausubstanz stark zu belasten. Das Beispiel zeig t, dass innovative Lösungen nicht nur die Nutzungsdauer von Gebäuden verlängern, sondern auch Ressourcen schonen und CO 2 - Emissionen reduzieren. Bauen im Bestand muss daher künftig im Fokus der Bauwirtschaft stehen, um nachhaltige und klimafreundliche Herausforderungen zu meistern. Das InDeckLe-Projekt wird gefördert vom Programm für angewandte Nachhaltigkeit der Hochschulen angewandter Wissenschaf t in Baden- Württemberg (PAN-HAW-BW, FEIH_PAN_2684995) des MWK und des EFRE-Fonds. Buchtipp Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany \ Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ info@narr.de \ www.narr.de Nachhaltigkeit ist in aller Munde - das Thema umfasst viele Dimensionen. Dieses Handbuch beinhaltet v.a. Ziele, Klimawandel und die Politikebene. Der Autor spannt in diesem Handbuch den Bogen von den begrif ichen Grundlagen über die wichtigsten weltweiten Vereinbarungen, einer entsprechenden Bestandsaufnahme und Prognosen zur Nachhaltigkeit bis hin zu den konkreten Maßnahmen für eine nachhaltige Welt. Hierbei werden die internationalen Maßnahmen (Vereinte Nationen und Europäische Union) als auch nationale Politik behandelt und bewertet. Das Buch schließt mit einem Ausblick in die ferne Zukunft. Der Autor zielt auf eine grundlegende Sensibilisierung für notwendige Maßnahmen im Rahmen der Nachhaltigkeit ab. Damit können künftige Generationen auf einer ökonomisch, ökologisch und sozial intakten Umwelt aufbauen. Andreas Fieber Handbuch Nachhaltigkeit Ziele, Klimawandel, Politik 1. Au age 2024, 347 Seiten €[D] 34,90 ISBN 978-3-8252-6297-6 eISBN 978-3-8385-6297-1 Anzeige NACHHALTIGE TRANSFORMATION Nachhaltig Bauen Ökobaudat. (2023). Brettschichtholz, Baustahl, Beton C25/ 30, Betonstahl, Mauerziegel. pro: Holz. (2025). Holz verwenden ist aktiver Klimaschutz. Abgerufen am 30. Januar 2025, von https: / / www.proholz.at/ wald-holz-klima/ holz-verwenden-ist-aktiver-klimaschutz SIA2040. (2011). SIA-Effizienzpfad Energie. Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein. LITERATUR Europäische Kommission. (2020). Fokus auf Energieeffizienz in Gebäuden. Europäische Kommission. https: / / commission.europa.eu/ news/ focus-energy-efficiency-buildings-2020-02-17_de RIWIS. (2024). Verteilung des Wohngebäudebestands in Deutschland nach Baujahr (Stand: 2021). Statistische Ämter des Bundes und der Länger. https: / / de.statista.com/ statistik/ daten/ studie/ 1385022/ umfrage/ wohngebaeude-indeutschland-nach-baujahr/ BMWK. (ohne Datum). Wohngebäude: Baujahre 1949-79 haben höchsten Energieverbrauch. Abgerufen am 31. Januar 2025, von https: / / www.bmwk.de/ Redaktion/ DE/ Infografiken/ Energie/ energieverbrauchwohngebaeude.html DIN1052. (2008). DIN 1052: 2008-12 - Entwurf, Berechnung und Bemessung von Holzbauwerken - Allgemeine Bemessungsregeln und Bemessungsregeln für den Hochbau. Beuth Verlag. DIN4109. (1962). DIN 4109: 1962 - Schallschutz im Hochbau - Anforderungen und Nachweise. Beuth Verlag. Fernandes, J., Peixoto, M., Mateus, R., & Gerváasio, H. (2019). Life cycle analysis of environmental impacts of earthen materials in the Portuguese context: Rammed earth and compressed earth blocks. Journal of Cleaner Production, S. 19. Schnelle F., Kurz R. (2014). Schallschutz in Altbauten - Entwicklung der Normung und Sanierung. Stuttgart. https: / / kurzfischer.de/ fileadmin/ Kurz_und_Fischer/ Winnenden_u._ Halle/ News/ 06-Schallschutz_in_ Altbauten.pdf Friedrichsen. (2018). Nachhaltiges Planen, Bauen und Wohnen. Münster: Springer Nature. Hamm, P. (2012). Schwingungen bei Holzdecken - Konstruktionsregeln für die Praxis. 2. Internationales Forum Holzbau, S. 14. Beaune. Heeren, N. (2024). Kreislauffähiges Bauen - Puzzlestück für Netto Null & Strategie Circular Zürich. 11. Fachsymposium: Circular economy im Hochbau, (S. 36). Stuttgart. Kölzer, T. (2022). Nachhaltige und digitale Baukonzepte. Hamburg-Harburg: Springer Nature. Europäische Kommission. (2019). Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Der europäische Grüne Deal. Europäische Union. Abgerufen am 24. März 2025, von https: / / eur-lex.europa. eu/ legal-content/ DE/ TXT/ ? uri=CELEX%3A52019DC0640 AUTOR: INNEN M. Eng. Konstantin Nille-Hauf, Hochschule Biberach, Karlstraße 11, 88400 Biberach nille-hauf@hochschule-bc.de https: / / orcid.org/ 0000-0001-7682-1794 Dr. rer. nat. Beatriz Unger-Bimczok, Hochschule für Technik Stuttgart, Schellingstraße 24, 70174 Stuttgart beatriz.unger-bimczok@hft-stuttgart.de M. Eng. Eric Wente, HFT Stuttgart, Karlstraße 11, 88400 Biberach eric.wente@hft-stuttgart.de https: / / orcid.org/ 0009-0003-2595-2841 Prof. Dr.-Ing. Birol Fitik, Hochschule für Technik Stuttgart, Schellingstraße 24, 70174 Stuttgart birol.fitik@hft-stuttgart.de https: / / orcid.org/ 0000-0003-0693-4317 Prof. Dr.-Ing. habil. Jörg Schänzlin, Hochschule Biberach, Karlstraße 11, 88400 Biberach schaenzlin@hochschule-bc.de https: / / orcid.org/ 0009-0000-6104-6334 \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissen schaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissen schaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikations wissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprach wissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Alt philologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissen schaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft NACHHALTIGE TRANSFORMATION Nachhaltig Bauen 24 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0018 \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissen schaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissen schaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikations wissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprach wissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Alt philologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissen schaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft BUCHTIPP Fritz Dieter Erbslöh Wasserstofftechnologie Technische, wirtschaftliche und politische Aspekte 1. Auflage 2023 310 Seiten €[D] 69,80 ISBN 978-3-8169-3533-9 eISBN 978-3-8169-8533-4 Zur Umsetzung der Energiewende und Erreichung der Klimaziele werden zunehmend alternative Energieträger benötigt. Dem Wasserstoff kommt hierbei als Energieträger, r, r der CO2-frei oder CO2-arm produziert werden kann, eine Schlüsselrolle zu. Das Buch gibt Einblicke in technische Verfahren zur Herst Verfahren zur Herst V ellung und Speicherung von Wasserstoff und in Verfahren der Energi Verfahren der Energi V eerzeugung. Es erläutert, welche Rolle diesen Tech Tech T nologien im Rahmen der Energiewende zukommt und welche Anwendungen zukünftig wichtig sein werden. Inhalt Die frühe Geschichte - Technik - Wandler Technik - Wandler T für Wasserstoff - Perspektiven der Anwendung - Wasserstoff und die Energiewende - energiepolitische Weichenstellungen expert verlag - Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany \ Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany \ Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ info@nar Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ info@nar T r.de \ www.nar r.de \ www.nar r r.de r.de r Fassadenmaterialien aus Bildanalyse und Photogrammetrie mittels Deep Learning Bestimmung von Objektmaterialien durch semantische Segmentierung von RGB- und Multispektralaufnahmen Fassadenmaterialien, Multispektralkamera MicaSense Altum, Semantische Segmentierung, Deep Learning, DeepLabv3+ Gerrit Austen, Eberhard Gülch, Lars Obrock Fassadenmaterialen sollen durch einen kombinierten Einsatz von RGB- und Multispektralsensoren bestimmt werden. Dazu wurde die Erweiterung der semantischen Segmentierung mittels Deep Learning von RGBauf Multispektralbilder erfolgreich gelöst und an Testdaten zur Erkennung von 13 Objektklassen implementiert. Für RGB + NIR + RedEdge + LWIR-Bilder wurde ein neuer 6-Kanal-Inputlayer definiert. Die Validierung des 6-Kanal-Multispektralansatzes für die Erkennung von Objektmaterialien ergab mit 73,0 % für den mIoU-Wert eine deutliche Steigerung gegenüber dem ursprünglichen 3-Kanal-RGB-Ansatz. Aktuelle und vollständige Datenbestände in 3D über Bestandsgebäude gibt es nur sehr vereinzelt und nicht flächendeckend. Je älter die Gebäude sind, umso seltener sind vollständige Pläne (Grundrisse, Schnitte) vorhanden, welche auf dem neuesten Stand sind. Dies erschwert den gesamten Prozess des Gebäudemanagements und betrifft vor allem die Wartung und Instandhaltung der Gebäude. Vorhandene Papierpläne können vielleicht noch als Grundlage für die Digitalisierung und als Vergleichsobjekt verwendet werden, jedoch sind sie häufig veraltet und somit nicht mehr funktional. Da viele Informationen nicht oder nicht aktuell vorhanden sind, müssen diese erstmalig oder neu ermittelt werden, um daraus ein einheitliches 3D- Modell für digitale Auskunftssysteme oder auch 3D- Stadtmodelle generieren zu können. Vor dem Hintergrund von Nachhaltigkeit und Energieeffizienz sind für verschiedene Anwendungen und Maßnahmen neben Informationen zu Innenräumen auch Informationen über Fassaden, etwa die verwendeten Fassadenmaterialien oder den Fassadenzustand, erforderlich. So können z.B. Flächen für vertikale Stadtbegrünungen, potenzielle Solarflächen und Informationen zu dringend notwendigen Sanierungs- oder Modernisierungsmaßnahmen ermittelt werden. Stand der Technik ist die Bestimmung von Fassadenmaterialen und insbesondere des Fassadenzustandes durch visuelle Inaugenscheinnahme durch Experten. Bei unzugänglichen Fassadenbereichen erfolgt dies durch den aufwändigen und kostenintensiven Einsatz von Gerüsten oder Hubsteigern. Bisherige Bilddokumentationen unterstützen den Experten lediglich bei seiner Bewertung, erlauben aber keinen direkten Geo-Bezug. Seit wenigen Jahren sind KI-Ansätze, z. B. Deep Learning basierend auf 2D-Bilddaten, für die Erkennung von Fassadenobjekten, wie z. B. Fenstern und Türen, in Entwicklung (Hensel et al., 2019). Der Objektzustand oder das Objektmaterial spielen nach Kenntnisstand der Autoren jedoch immer noch eine untergeordnete Rolle. Zudem gibt es nach dem Verständnis der Autoren keine Software, die eine Automation zur Material- und Zustandserkennung beinhaltet. An dieser Stelle setzten die durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten iCity-Projekte IQG4iCity und DiaOpt4iCity mit dem Ziel an, neben der 3D-Geometrie, welche mittels Photogrammetrie ermittelt wird, zusätzliche semantische Informationen aus Bildern automatisiert zu generieren. Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0019 26 NACHHALTIGE TRANSFORMATION Fassadenmaterialien Notwendige Vorarbeiten Da die mit der Altum-Kamera von MicaSense erstellten Bilder durch unterschiedliche Objektive erstellt werden (s. Bild 1), müssen die Bilder zunächst aufeinander transformiert werden. Dazu werden übereinstimmende Punkte in den einzelnen Bildern gesucht und durch eine 8-Parameter-Transformation in einen gemeinsamen Referenzrahmen des Bildes transformiert und die Intensitätswerte für die neuen Pixel interpoliert. Semantische Segmentierung mit RGB-Bilddateien mittels Deep Learning In einem früheren Projekt (Obrock & Gülch, 2022) wurde der Fokus auf die Ermittlung von Objekttypen aus RGB(Red Green Blue)-Bildern von Smartphones und Tablets in Innenräumen gerichtet. Diese Objektinformationen wurden anschließend in eine aus Bilddaten abgeleitete Punktwolke projiziert und damit wurde die Basis für eine semantische 3D-Modellierung gelegt. Der entwickelte Ansatz wurde an verschiedenen Büro- und Laborräumen erfolgreich validiert. In den beiden folgenden Projekten IQG4iCity und DiaOpt4iCity, in Kooperation mit dem Vermessungsbüro Schwing Hecht Dr. Neureither, Mosbach, standen Gebäudefassaden im Vordergrund. Der ursprüngliche Ansatz zur semantischen Segmentierung wurde auf Fassadenobjekte adaptiert und zusätzlich um die Ermittlung der Fassadenmaterialien erweitert. Dies erforderte eine weitreichende Modifikation des neuronalen Netzes hin zur Verarbeitung von Multispektraldaten anstelle reiner RGB-Bilder. Dies verlangte den Einsatz einer leistungsfähigen Multispektralkamera anstelle der bisherigen einfacheren RGB-Sensorik. Die gewählte MicaSense-Altum-Kamera stellt neben den drei RGB-Kanälen mit Nahem Infrarot (NIR), RedEdge und LWIR (Long Wave Infrared) drei weitere Multispektralkanäle in hoher Auflösung zur Verfügung. Die MicaSense Altum ist neben terrestrischen Fassadenaufnahmen auch für Fassadenaufnahmen mittels UAV einsetzbar, womit komplette Fassaden, d.h. obere Fassadenbereiche, erfasst und analysiert werden können. Mittels herkömmlicher Methoden, wie der visuellen Inaugenscheinnahme durch Experten, sind entsprechende Informationen über die verwendeten Fassadenmaterialien von Gebäuden in größerer Höhe nur sehr aufwändig zu erheben. Die mit dieser Multispektralkamera erzeugten Bilder dienten nicht nur als Grundlage für die photogrammetrische Punktwolken-Generierung für die 3D-Geometrie, sondern wurden auch für eine weitergehende Untersuchung der Fassadenmaterialien verwendet. Multispektralbilder enthalten gegenüber reinen RGB-Bildern zusätzliche Informationen, welche mit dem menschlichen Auge nicht sichtbar sind, und können so die Bestimmung der Fassadenmaterialien positiv unterstützen. Infrarotkanäle finden standardmäßig Anwendung bei der Erkennung von Begrünung. Zusätzlich bietet der LWIR-Kanal die Möglichkeit, die thermalen Eigenschaften zu untersuchen und damit weitere Informationen über die Eigenschaften der Materialien zu erhalten. Deep Learning Folgende Objektmaterial-Klassen wurden für die weiteren Untersuchungen definiert: Background, Beton, Sandstein, Marmor, Klinker, Naturstein, Verputzt, Holz, Metall, Plastik, Glas, Begrünung, Stoff. Für die Auswertung der bildhaften Sensordaten wurde das Neuronale Netz DeepLabv3+ zur pixelgenauen Segmentierung der vorgenannten Objektmaterial-Klassen in den Bildern verwendet. Anstelle eines Fully Convolutional Networks wurde das im Jahr 2018 erschienene und stark weiterentwickelte DeepLabv3+ (Chen et al., 2018) als Grundlage für das Training verwendet. Dieses baut auf einer Encoder- Decoder-Struktur auf. Zur Feature-Extraktion in der Encoder-Phase setzt es auf die Xception-Architektur und erweitert diese mit Atrous Spatial Pyramid Pooling zur besseren Einbeziehung der erweiterten Nachbarschaft des untersuchten Neurons. Durch Verwendung des Decoders wird die zuvor reduzierte Ausdehnung der Layer, basierend auf aus dem Encoder abgeleiteten Werten, wieder hochskaliert. So ermöglicht dieses Neuronale Netz eine gute Bild 1: Bildaufnahmen (6 Kanäle) der MicaSense-Altum- Kamera an einem Gebäude der HFT Stuttgart Quelle: L. Obrock NACHHALTIGE TRANSFORMATION 27 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0019 Fassadenmaterialien Fassadenmaterialien aus 5-Kanalbildern der Multispektralkamera mittels Deep Learning Aus RGB + NIR- und RedEdge-Bildern wurde anschließend ein neuer 5-Kanal Inputlayer für die semantische Segmentierung mittels des modifizierten DeepLabv3+-Netzes auf Basis echter Multispektralbilder definiert und implementiert (s. Bild 3). Die Validierung ergab einen Wert von 71,5 % mIoU bei den Testdaten und somit eine moderate Steigerung gegenüber dem ursprünglichen Ansatz mit reinen RGB-Bilddaten. Fassadenmaterialien aus 6-Kanalbildern der Multispektralkamera mittels Deep Learning Aus RGB + NIR + RedEdge + LWIR-Bildern wurde abschließend ein neuer 6-Kanal Inputlayer für die semantische Segmentierung definiert und das DeepLabv3+-Netz hierfür zudem entsprechend erweitert. Die Validierung ergab einen etwas besseren Wert von 73,0 % mIoU bei den Testdaten, womit die Erkennung der Objektmaterialien (s. Bild 4) weiter gesteigert werden konnte. Fazit und Ausblick Die vorgestellte neuartige Erweiterung der semantischen Segmentierung auf Multispektralbilder mit 5 bzw. 6 Kanälen konnte erfolgreich implementiert und validiert werden. In den Untersuchungen anhand der Testdaten konnte eine gute Qualität der Segmentierung in Multispektralbildern erzielt werden. Zudem konnte eine Steigerung der Qualität der Segmentierung bei den Testdaten durch Verwendung aller 6 Kanäle nachgewiesen und mit 73,0 % mIoU ein positives Ergebnis erreicht werden. Als Fazit bleibt festzuhalten, dass die zusätzlichen Informationen in den Multispektralbildern einen positiven Beitrag für die Segmentierung in DeepLabv3+ liefern. Wertvolle Fassadeninformationen können aus den Multispektralbildern ermittelt werden. Das Vorhaben schafft damit Grundlagen für die künftige flächendeckende Erhebung und Bereitstellung relevanter Gebäudeinformationen, um im Bedarfsfall entsprechende bauliche Anpassungen und Effizienzsteigerungen vornehmen zu können. QUELLEN Chen, LC., Zhu, Y., Papandreou, G., Schroff, F., Adam, H. (2018). Encoder-Decoder with Atrous Separable Convolution for Semantic Image Segmentation. In: Ferrari, V., Hebert, M., Sminchisescu, C., Weiss, Y. (eds) Computer Vision - ECCV 2018. ECCV 2018. Lecture Notes in Computer Science, vol 11211. Springer, Cham. https: / / doi.org/ 10.1007/ 978-3-030- 01234-2_49 Bild 4: Ergebnisse der 6-kanaligen Segmentierung gemäß definierter Objektklassen Quelle: L. Obrock Bild 3: Ergebnisse der 5-kanaligen Segmentierung gemäß definierter Objektklassen Quelle: L. Obrock Qualität der Segmentierungen und erzeugt präzise Kanten zwischen den unterschiedlichen Bereichen. DeepLabv3+ ist eine Architektur, welche in Benchmarks sehr gute Genauigkeiten erreicht hat. Für die Bewertung diente die verbreitete Metrik mIoU (mean Intersection over Union) als primäres Qualitätsmaß für die Ergebnisse der Segmentierungen. Es bestimmt, wie genau die Segmentierungsmaske (Output) mit der Sollmaske (Ground Truth) übereinstimmt. Ein hoher mIoU-Score weist auf eine höhere Genauigkeit und eine bessere Erkennung hin und schafft Vertrauen in die Leistung des gewählten Ansatzes. Fassadenmaterialien aus RGB-Bildern der Multispektralkamera mittels Deep Learning Unter Verwendung allein der RGB-Kanäle der Bilder wurden zunächst manuell die gesuchten Materialkategorien segmentiert und auf diese Weise sogenannte Ground-Truth-Bilder für das Training des Neuronalen Netzes generiert. In Bild 2 sind beispielhaft zwei Segmentierungsergebnisse für die Fassadenmaterialien aus RGB- Bilddaten auf Basis von 6480 trainierten Bildern mit DeepLabv3+ und einem Ergebniswert von 70 % mIoU zu sehen. Bild 2: Fassadenmaterialien (farbig gemäß Legende) aus RGB- Bilddaten für zwei RGB-Aufnahmeszenen Quelle: L. Obrock 28 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0019 NACHHALTIGE TRANSFORMATION Fassadenmaterialien Hensel, S., Goebbels, S., Kada, M. (2019). Façade reconstruction for textured LOD2 CIT YGML models based on Deep Learning and mixed integer linear programming. ISPRS Annals of the Photogrammetry, Remote Sensing and Spatial Information Sciences, Volume IV-2/ W5, 2019 Obrock, L., Gülch, E. (2022). Deep Learning Methods for Extracting Object Oriented Models of Building Interiors from Images. In Volker Coors, Dirk Pietruschka, Berndt Zeitler (Editors): iCity. Transformative Research for the Livable, Intelligent, and Sustainable City. Research Findings of University of Applied Sciences Stuttgart. Springer, 2022 (Open Access) - DOI https: / / doi.org/ 10.1007/ 978-3-030-92096-8 Prof. Dr. Gerrit Austen, Hochschule für Technik Stuttgart, Schellingstraße 24, 70174 Stuttgart gerrit.austen@hft-stuttgart.de Prof. Dr. Eberhard Gülch, Seniorprofessor Hochschule für Technik Stuttgart eberhard.guelch@hft-stuttgart.de Lars Obrock, M. Eng., topometric GmbH Wilhelm-Zwick-Straße 7, 73035 Göppingen lars.obrock@topometric.de AUTOR: INNEN Sensoren4 NACHHALTIGE TRANSFORMATION Fassadenmaterialien 29 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0019 berechnetem und tatsächlichem Heizenergiebedarf wird als Energy Performance Gap (EPG) bezeichnet, ist jedoch nicht ausschließlich auf das Verhalten der Nutzenden zurückzuführen (Mahdavi et al., 2021). Pionierunternehmen wie Vilisto nutzen selbstlernende Thermostate, die Bewegungs-, Schall- und Lichtdaten per Sensor erfassen, um das Heizverhalten autonom zu optimieren (Vilisto GmbH, o. J.). 2. Methodik Das Projekt UDigiT4iCity untersucht den Einsatz von IoT-Technologien zur Energieeffizienzsteigerung in Städten. Aufbauend auf dem Forschungsprojekt Smart Public Buildings & Infrastructures wurde das Energiemonitoring in öffentlichen Gebäuden als zentraler Anwendungsfall identifiziert (Otto, Guedey, & Uckelmann, 2022). Am Humboldtgymnasium in Solingen wurde hierzu ein IoT-Prototyp getestet, um das Einsparpotenzial durch bedarfsgerechtes Heizen zu evaluieren. Vorangegangene Simulationen prognostizierten Endenergieeinsparungen von 36 % (Otto, Guedey, & Uckelmann, 2023). Das Humboldtgymnasium in Solingen besteht aus vier Gebäuden, der Fokus lag auf dem Altbau von 1976 mit gemischter Nutzung (Lehre, Verwaltung), fünf Heizsträngen nach Etagen und Nutzung und Nord/ Westbis Süd/ Ost- Ausrichtung. Das Energiemonitoring umfasst den Energieverbrauch und die Steuerung der Aktorik. Energieeffizienzsteigerung durch bedarfsgerechtes Heizen im öffentlichen Gebäudebereich IoT, KI, Öffentliche Gebäude, LoRa, Gebäudeeffizienz Robert Otto, Sergej Kreber, Maximilian Haag, Dieter Uckelmann Dieser Fachbeitrag zeigt, wie durch IoT-gestütztes, bedarfsgerechtes Heizen in öffentlichen Gebäuden signifikante Energieeinsparungen erzielt werden können. Ein automatisiertes Scheduling-System analysiert Bewegungsmelderdaten mit Machine-Learning-Algorithmen und prognostiziert Raumbelegungen mit einer 70-95-prozentigen Genauigkeit. Durch diese Daten können Funkheizthermostate Räume effizient in ihren Nutzungsphase bedarfsgerecht ansteuern. In einem Feldversuch wurde der Computerraum einer Schule mit dieser Technik ausgestattet, welche zu einer Energieeinsparung von 63 % geführt hat. Simulationen haben ein Heizenergieeinsparpotenzial von 36 % für das gesamte Schulgebäude ergeben. Skaliert auf weitere öffentliche Gebäude, kann das bedarfsgerechte Heizen massiv zur Heizenergieeinsparung beitragen. 1. Einleitung 1.1 Eine kurze Geschichte des Heizens im Gebäudebestand Der Gebäudesektor verursacht 30 % (Umweltbundesamt, 2024) der CO 2 -Emissionen, wobei 70 % auf Heizwärme entfallen (Statistisches Bundesamt, 2024, 5.05). Trotz eines steigenden Anteils an Wärmepumpen (76 % im Neubau) bleibt der Gebäudebestand weiterhin fossil dominiert (80 % Gasheizungen) (Agora Energiewende, 2016, S. 25-27 & Statistisches Bundesamt, 2024, 15.06.). Der Sanierungsstau ist erheblich: 30 % der Gebäude gehören zur Energieeffizienzklasse D (100-130 kWh/ m²a), 20 % zur Klasse E (130-160 kWh/ m²a), 10 % zur Klasse F (160-200 kWh/ m²a). Während die Sanierungsrate unter 1 % liegt, wären zur Erreichung der Klimaziele bis 2045 4 % notwendig (Behr et al., 2023). 1.2 Effizienzsteigerung von Heizungsanlagen im Gebäudebestand Geringinvasive Optimierungsmaßnahmen bieten großes Potenzial zur Heizenergieeinsparung. Das Projekt BaltBest benennt drei zentrale Maßnahmen: witterungsgeführte Vorlauftemperaturen, Pumpenleistungsoptimierung und smarte Raumtemperatursteuerung. Smarte Thermostate ermöglichen als minimalinvasive Lösung Einsparungen von bis zu 30 % (Shaikh et al., 2014). Diese Differenz zwischen BEITRÄGE ZUR ENERGIEWENDE Energieeffizienzsteigerung 30 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0020 2.3 Aufbau des bedarfsgerechten Heizens Im Feldversuch am Humboldtgymnasium wurde in zwei Heizsträngen je ein Raum mit bedarfsgerechter Heizungssteuerung ausgestattet. Alle Heizkörper erhielten Heizkostenverteiler zur Vergleichbarkeit. Der Messzeitraum umfasst die Heizperiode 2023-2024, die Werte werden im Dashboard visualisiert (vgl. Bild-3). Die Systemstruktur gliedert sich in drei Ebenen: ƒ Hardware → Sensoren & Aktoren zur Datenerfassung ƒ Software → Datenverarbeitung & Steuerungsalgorithmen ƒ Netzwerkinfrastruktur → Kommunikation via LoRaWAN 2.1 Hardware Zur Energieerfassung wurde die bestehende Zählerinfrastruktur ermittelt und an die Datenerfassung angebunden: ƒ Gasverbrauch: Energ ycam 2.0 am Gaszähler (Bild-1, Element e), Datenübertragung via WMBus (Bild 1, Element d) ƒ Wärmemengenmessung: LoRaWAN-Wärmemengenzähler (Elvaco, Bild 1, Element b) ƒ Stromverbrauch: Smart Meter mit Optokoppler- Schnittstelle (KLAX) (Bild-1, Element c) ƒ Datenübertragung: LoRaWAN-Gateway sendet Daten an „The Things Network“ (Bild-1, Element a) Bild 1: Hardware Zählerinfrastruktur Bild 3: Aufbau der System Architektur Bild 4: Raumdaten in Grafana Bild 2: Sensoren und Aktoren Folgende Sensoren und Aktoren finden in den Räumen installiert: ƒ Tektelic Vivid Smart Room Sensor (Bild-2, a): Multisensor, Nutzung des PIR-Bewegungssensors ƒ MClimate Vicky (LoRaWAN-Thermostat) (Bild-2, b): Fernsteuerbar. Manuell übersteuerbar ƒ Dragino LHT52 (Temperaturfühler) (Bild- 2,- c): Referenztemperaturmessung 2.2 Software Die eingesetzte Software ist Open Source. ƒ Datenverarbeitung: T TN verwaltet Sensoren & überträgt Daten via MQTT. NodeRED dekodiert & formatiert Daten für InfluxDB. ƒ Analyse & Steuerung: Python-Modelle berechnen Belegungsprognosen & steuern Aktoren. ƒ Datenvisualisierung: Grafana-Dashboard. Die Raumnutzungsprognose basiert auf den letzten 14 Tagen, ausgewertet nach Wochentag und Uhrzeit. Ein Support Vector Classifier (Scikit-Learn, Python) trainiert die Daten und aktualisiert sie alle zwei Tage. Die Vorhersagegenauigkeit liegt je nach Raumnutzung und Datensatzanpassung bei 70-95 %. 2.3.2 Steuerung der Thermostate Die Thermostatsteuerung kombiniert allgemeine Prozesse mit raumindividuellen Anpassungen. Das MClimate-Vicky-Thermostat passt die Zieltempera- BEITRÄGE ZUR ENERGIEWENDE Energieeffizienzsteigerung 31 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0020 alisierung an neue Nutzungsmuster an und erreicht eine Vorhersagegenauigkeit von 70-95 %. Im Feldversuch konnte im Computerraum R 028 eine Einsparung von 63 % des Nutzenergiebedarfs festgestellt werden. Diese hohe Einsparung ist jedoch raumindividuell bedingt, da: ƒ Nord-/ West-Ausrichtung des Raumes durch hohe interne Lasten ausgeglichen wird ƒ unregelmäßige Nutzung als Fachraum keine durchgehende Beheizung erfordert Für eine generalisierbare Bewertung sind weitere bauphysikalische Faktoren zu berücksichtigen: ƒ interne Wärmeströme zwischen angrenzenden Räumen ƒ Sonneneinstrahlung und deren Einfluss auf den Heizwärmebedarf Trotz dieser Einschränkungen bestätigen die Ergebnisse, dass eine durchschnittliche prognostizierte Endenergieeinsparung von 36 % (Otto, Guedey, & Uckelmann, 2023) realistisch ist und im Einklang mit den Ergebnissen von Shaikh et al. steht. Ein abschließender wissenschaftlicher Nachweis des Einsparpotenzials erfordert jedoch eine detailliertere Untersuchung mehrerer Gebäude mit unterschiedlichen Nutzungsarten sowie eine flächendeckende Ausstattung mit intelligenter Steuerung. Verweis Fördergeber BMBF - FKZ: 13FH91061A LITERATUR [1] Umweltbundesamt. (2024). Energiesparende Gebäude: Gebäude - wichtig für den Klimaschutz. Abgerufen am 15. Januar 2025 von https: / / www.umweltbundesamt.de/ themen/ klima-energie/ energiesparen/ energiesparendegebaeude#gebaude-wichtig-fur-den-klimaschutz [2] Statistisches Bundesamt. (2024, 5. Mai). Zahl der Woche: Neue Entwicklungen in der Energieversorgung von Gebäuden. Abgerufen am 15. Januar 2025 von https: / / www. destatis.de/ DE/ Presse/ Pressemitteilungen/ Zahl-der- Woche/ 2024/ PD24_05_p002.html [3] Agora Energiewende. (2016). Die Wärmewende 2030: Schlüsseltechnologien für eine nahezu klimaneutrale Gebäudeenergieversorgung. Abgerufen von https: / / www.agoraenergiewende.de/ fileadmin/ Projekte/ 2016/ Sektoruebergreifende_EW/ Waermewende-2030_WEB.pdf [4] Statistisches Bundesamt. (2024, 15. Juni). Neue Zahlen zur Wärmeversorgung in Deutschland veröffentlicht. Abgerufen am 15. Januar 2025 von https: / / www.destatis.de/ DE/ Presse/ Pressemitteilungen/ 2024/ 06/ PD24_N025_31_51. html [5] Behr, S. M. et al. (2023). Energetische Sanierung von Gebäuden kann durch Mindeststandards und verbindliche Sanierungsziele beschleunigt werden (DIW Aktuell Nr. 87). Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Abgerufen von https: / / www.diw.de/ de/ diw_01.c.868221. tur dynamisch an die Raumnutzung an, steuert direkt das Ventil und gleicht die Temperatur mit einem externen Fühler ab. Regelprinzipien: ƒ Vorkonditionierung eine Stunde vor Nutzung ƒ Temperaturerhöhung bei Anwesenheit, Absenkung bei Abwesenheit ƒ Automatische Absenkung an Feiertagen und zu Schließzeiten Automatische Einstellungen werden ergänzt durch manuelle Anpassungen bei speziellen Raumbedingungen. 3. Ergebnisse Im Folgenden sind die Ergebnisse der Analyse des Heizstranges für das Gebäude von 1976 aufgelistet. Die Klassenräume haben Flächen von 50-80 m², Büros und Besprechungsräume 20-35 m². Computerraum R 028 (Versuchsraum für bedarfsgerechtes Heizen): ƒ Fläche: 67,6 m² ƒ Ca. 20 PC-Arbeitsplätze (interne Last) ƒ Nutzungsdauer ca. 4-8 h/ Woche ƒ Ausrichtung: Nord/ West, Fensterfront, Außenwand über Eck ƒ Spezifischer Nutzenergieverbrauch: 30,62 kWh/ m²a Heizstrang Altbau 1976: ƒ Nettofläche: 1.119,16 m² ƒ Durchschnittlicher spezifischer Nutzenergieverbrauch: 87,7 kWh/ m²a ƒ Gesamtspezifischer Verbrauch: 84,5 kWh/ m²a ƒ Spezifischer Endenergieverbrauch: 104,3 kWh/ m²a ƒ Verteilungsverluste: ca. 19 % 4. Diskussion & Fazit Dieser Fachbeitrag zeigt, dass bedarfsgerechtes Heizen signifikante Energieeinsparungen im Gebäudebereich ermöglicht. Durch den gezielten Energieeinsatz nach tatsächlichem Bedarf lassen sich erhebliche Reduktionen des Heizwärmeverbrauchs erzielen. Ein effektives Scheduling ist hierfür essenziell, um Nutzungszeiträume zu erfassen und die Temperaturregelung entsprechend anzupassen. Dies kann manuell oder, wie in dieser Studie, automatisiert erfolgen. Grundlage des Systems sind Bewegungsmelderdaten, die durch Machine Learning analysiert werden, um Raumbelegungswahrscheinlichkeiten und Belegungsprofile zu erstellen. Das System passt sich durch kontinuierliche Datenaktu- BEITRÄGE ZUR ENERGIEWENDE Energieeffizienzsteigerung 32 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0020 de/ publikationen/ diw_aktuell/ 2023_0087/ energetische_ sanierung_von_gebaeuden_kann_durch_mindeststandards_und_verbindliche_sanierungsziele_beschleunigt_ werden.html [6] Energieeffizient Wohnen. (n.d.). BaltBest: Einfluss der Betriebsführung auf die Effizienz von Heizungsaltanlagen im Bestand. Abgerufen am 15. Januar 2025, von https: / / www. energieeffizient-wohnen.de/ baltbest [7] Jurkschat, S. et al. (2023). Measurement data-based estimation of the suitability of existing properties for the operation of X to water heat pumps using a seed of 100 multi-family houses and different power shifting approaches. 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Dieter Uckelmann Zentrum für Digitalisierung in Forschung, Lehre & Wirtschaft Hochschule für Technik Stuttgart Schellingstraße 24, 70174 Suttgart dieter.uckelmann@hft-stuttgart.de AUTOR: INNEN BEITRÄGE ZUR ENERGIEWENDE Energieeffizienzsteigerung 33 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0020 Leise Wandlüfter als Bausteine der Energiewende Wie man mit Wandlüftern Wärmeverluste reduziert und der Lärm draußen bleibt Fensterlüftung, Wärmewende, Energieeffizienz, Lärmschutz Jan Krüger, Berndt Zeitler Durch die Wohnraumlüftung über manuelles Öffnen von Fenstern kommt es zu erheblichen Wärmeverlusten in Gebäuden. Gleichzeitig können durch offene Fenster Lärm, Ungeziefer und Einbrecher eindringen. Eine dezentrale automatische Lüftung mit Wärmerückgewinnung stellt einen Gewinn an Komfort und Sicherheit dar und trägt erheblich zur Energieeinsparung bei. Mit dem kompakten Wandeinbau ergeben sich jedoch akustische Herausforderungen für die Schalldämmung und den durch den Ventilator erzeugten Lärm. Diese Studie untersucht die Akustik von Wandlüftern und betrachtet die mögliche Energieeinsparung. 1. Aufbau und Funktion von Wandlüftern mit Wärmerückgewinnung Dezentrale Wandlüfter werden schon länger in Gebäuden benutzt, insbesondere im Bad und in der Küche, um hohe temporäre Spitzenlasten an Feuchte und Geruchsbelästigung schnell abzubauen. Hierbei wird häufig eine höhere Lärmbelastung akzeptiert, da sie nur zeitlich begrenzt auftritt. Im Gegensatz dazu sind moderne Wandlüfter mit Wärmerückgewinnung (WRG) für den dauerhaften Betrieb in Wohn- und Schlafräumen entwickelt, um dort die Feuchtebelastung kontinuierlich zu reduzieren und durchgehend für frische Luft zu sorgen. Der Aufbau verschiedener am Markt erhältlicher Wandlüfter ähnelt sich prinzipiell und ist in Bild 1 exemplarisch dargestellt. Durch den reversiblen Betrieb des Axial-Ventilators kann in einer ersten Phase z. B. warme, verbrauchte Luft aus dem Innenraum nach außen gedrückt werden, was den zur Außenseite hin angeordneten Speicherstein „thermisch auflädt“. In einer zweiten Phase wird die Strömungsrichtung umgekehrt, kalte Außenluft angesaugt und durch den warmen Stein gezogen. Dabei wärmt sich die Außenluft auf und kühlt den Speicherstein wieder ab. Bei einer manuellen Wohnraumlüftung durch das Öffnen von Fenstern sinkt die Schalldämmung stark ab und der Außenlärm kann fast ungehindert eindringen (Locher, Barbara; et. al. , 2018). Für An- Bild 1: Prinzipieller Aufbau eines Wandlüfters mit Wärmerückgewinnung Quelle: www.siegenia.com wohner von verkehrsreichen Straßen ist dadurch eine entspannende Freizeit innerhalb der Wohnung behindert und ein erholsamer Nachtschlaf kaum möglich. Zudem stehen auch Sicherheitsaspekte einer unbeaufsichtigten Lüftung durch gekippte Fenster entgegen. Aufgrund ihrer bauphysikalischen Bedeutung wurden Wandlüfter mit WRG an der HF T bereits im Rahmen von anderen Forschungsprojekten untersucht (Ruff, Drechsler, & Zeitler, 2020) und (Drechsler, Reinhold, Ruff, Schneider, & Zeitler, 2022). Dabei wurde an einzelnen Geräten festgestellt, dass die akustischen Eigenschaften nur bei geringer Lüftungsleistung einen hinreichenden Komfort erreichen. Da inzwischen einige Hersteller am Markt tätig sind, die die Tech- BEITRÄGE ZUR ENERGIEWENDE Wandlüfter 34 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0021 nologie weiterentwickelt haben, wurden in einem laufenden Forschungsprojekt mit Förderung durch Vermögen und Bau Baden-Württemberg vier Modelle von verschiedenen Herstellern (Krüger, Jan, 2024) untersucht. 2. Messaufbau und untersuchte Geräte Die untersuchten Geräte ähneln sich in ihrem grundsätzlichen Aufbau, d.h., alle wesentlichen Komponenten sind in einem Rohr untergebracht und in eine Öffnung in der Fassade eingebracht. Eine Übersicht mit einer farbkodierten Modellbezeichnung und einigen wesentlichen Katalogdaten zeigt Tabelle 1. L WA in dB(A) Wandlüfter-Modell A B C D Min. Zuluft 32,2 28,4 28,1 23,7 Min. Abluft 31,6 26,2 30,1 25,8 Max. Zuluft 57,4 51,3 47,8 49,1 Max. Abluft 52,5 47,3 46,6 46,6 Xxxxxxxxxxxxxxx Wandlüfter-Modell A B C D Min. Außenluftvolumenstrom q V,min / m³/ h 15 14 15 16 Max. Außenluftvolumenstrom q V,max / m³/ h 45 45 42 55 Wärmebereitstellungsgrad η WRG / % 72 75 82 80 Tabelle 1: Übersicht der untersuchten Wandlüfter Tabelle 3: Gemessene Schallleistungspegel LWA der untersuchten Wandlüfter Tabelle 2: Norm-Schallpegeldifferenzen Dn,e,w der untersuchten Wandlüfter 3. Akustische Messergebnisse Die gemessenen Norm-Schallpegeldifferenzen an den Geräten mit offenen Lüftungsklappen sind in Tabelle 2 zusammengefasst. Diese variieren erheblich und liegen zwischen 37 und 51 dB und damit in einem Bereich, der auch für übliche Fenster ab der Schallschutzklasse 3 typisch ist. Bild 2: Aufbau eines Wandlüfters im Fenster-Prüfstand Quelle: HFT-Stuttgart Die Messung der abgestrahlten Schallleistung LWA erfolgte im gleichen Prüfstand in verschiedenen Lüftungsstufen. Zum Vergleich sind in Tabelle 3 die Einzahlwerte für die minimale und maximale Lüfterstufe während der Zuluft- und Abluftphase getrennt aufgeführt. Xxxxxxx Wandlüfter-Modell A B C D D n,e,w in dB 37 40 43 51 4. Vergleich mit normativen Anforderungen Die baurechtlich eingeführten Mindestanforderungen an bauakustische Kenngrößen sind in (DIN 4109-1, 2018) definiert. Erhöhte Anforderungen, wie sie z. B. in (DIN 4109-5, 2020) beschrieben werden, sind zwar baurechtlich nicht eingeführt, werden im Bereich von „Komfort-Wohnungen“ aber erwartet. Für den Schutz der Menschen vor Lärm ist der im Gebäude auftretende Schalldruckpegel L i von entscheidender Bedeutung. Dieser Schalldruckpegel wird aus dem maßgeblichen Außenlärmpegel L a sowie der Schalldämmung der Fassade R′ w,ges abgeleitet. Jegliches zusätzliche in die Fassade eingebrachte Element sollte die resultierende Schalldämmung einer bereits bestehenden Fassade nicht wesentlich absenken. Diese Verschlechterung hängt von der Fläche der Fassade und der vorhandenen Fassaden-Schalldämmung R′ w,ges,oL (ohne Lüfter) und von der Norm-Schallpegeldifferenz des Wandlüfters ab (siehe Abbildung 3). Wenn man annimmt, dass eine Verschlechterung der Fassaden-Schalldämmung von <-2 dB gerade noch akzeptabel wäre, verdeutlicht die Grafik, dass damit die meisten der hier untersuchten Wandlüfter nur bei Fassaden mit geringen akustischen Anforderungen eingesetzt werden können. Hingegen wäre für eine Wohnung in einem höher verkehrslärm-belasteten Gebiet beispielsweise mit L a = 75 dB, für die eine Fassade mindestens ein resul- Die akustischen Eigenschaften wurden in einem Aufbau im Fenster-Prüfstand der HFT normgerecht bestimmt. Hierbei wurde der Fensterausschnitt mit einer gut schalldämmenden Leichtbauwand ausgekleidet (Bild 2: Aufbau eines Wandlüfters im Fenster- Prüfstand Bild 2). BEITRÄGE ZUR ENERGIEWENDE Wandlüfter 35 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0021 5. Lüftung, Feuchteschutz und Energieeinsparung Für die Gesundheit und Lebensqualität der in den Gebäuden wohnenden Menschen sowie zur Regulierung der Luftfeuchtigkeit muss ein regelmäßiger Luftaustausch mit Frischluft aus dem Außenbereich sichergestellt werden. Der Umfang der nötigen Lüftung hängt von vielen Parametern wie z. B. der Wohnfläche und Anzahl der Bewohner sowie ihren Aktivitäten ab und ist in Deutschland in (DIN 1946- 6, 2019) näher beschrieben. Beispielhaft wurde dies in (Krüger, Jan, 2024) für zwei sehr unterschiedliche Nutzungseinheiten (NE) näher betrachtet. Berechnet man nun aus der gemessenen Schallleistung L WA den L AF,max,n der Geräte in den verschiedenen Betriebszuständen ( Tabelle 5), so wird klar, dass in der höchsten Lüftungsstufe kein Gerät die Mindestanforderung einhält. In der niedrigsten Lüftungsstufe hingegen ist für alle Geräte zumindest nachts ein Dauerbetrieb er träglich und für Modell B und D kann sogar von einer hohen akustischen Zufriedenheit ausgegangen werden. Neben dem gemittelten Innen-Schalldruckpegel L i ist der nach (DIN 4109 -1, 2018) maximale Schalldruckpegel L A F,max ,n für die Bewertung der Schallemission des Lüftungsgerätes während des Betriebes die maßgebliche Größe. Er kann nach (Krüger, Jan, 2024) näherungsweise aus dem im Labor gemessenen Schallleistungspegel LWA abgeleitet werden. Da bei allen untersuchten Geräten keine ausgeprägten tempo-rären Spitzen im Schalldruckverlauf vorlagen, kann man weiterhin davon ausgehen, dass L AF,max,n ≈ L AF,n gilt. Die sich damit ergebenden Anforderungen sind in Tabelle 4 zusammengefasst. tierendes Schalldämm-Maß von 45 dB haben sollte, lediglich das Modell D geeignet. Bild 3: Verschlechterung des bewerteten Schalldämm-Maßes ∆R ‘ w,ges in Abhängigkeit des Schalldämm-Maßes der Außenwand bei einer Fassadenfläche von 7,5 m 2 bei den untersuchten Wandlüftern Vorschrift L AF,max,n Anforderung in dB(A) DIN 4109-1 «Mindestanforderung» ≤ 35 DIN 4109-5 «bei Dauergeräuschen nachts» ≤ 30 DEGA 104 EW3 «hohe Zufriedenheit» ≤ 25 Tabelle 4: Anforderungen an den maximalen A-bewerteten Schalldruckpegel in Wohngebäuden Tabelle 6: Berechnete Lüftungsdaten von zwei unterschiedlichen neu erstellten Gebäuden L AF,max,n in dB(A) Wandlüfter-Modell A B C D Min. Zuluft 28,2 24,4 24,1 19,7 Min. Abluft 27,6 22,2 26,1 21,8 Max. Zuluft 53,4 47,3 43,8 45,1 Max. Abluft 48,5 43,3 42,6 42,6 Tabelle 5: Berechnete maximale A-bewertete Schalldruckpegel der untersuchten Wandlüfter Berechnung nach (DIN 1946- 6, 2019) Gleichung (8) 3-Zimmer-Wohnung in Mehrfamilienhaus Freistehendes Einfamilienhaus Wohnfläche A NE [m 2 ] 77 214 Luftvolumenstrom zum Feuchteschutz q V,ges,NE,FL [m 3 / h] 26 33 Luftvolumenstrom für reduzierte Lüftung q V,ges,NE,RL [m 3 / h] 61 116 Luftvolumenstrom für Nennlüftung 88 166 Tabelle 6 enthält die Daten und Ergebnisse der Berechnungen der verschiedenen Luftvolumenströme, die mit den in Tabelle 1 angegebene Außenluftvolumenströmen mit einem Wandlüfter pro Raum nicht direkt erreicht werden. Geht man jedoch davon aus, dass durch zumindest zeitweise geöffnete Türen ein effektiver Luftaustausch innerhalb der Wohneinheit stattfindet, so kann immerhin ein Feuchteschutz nach (DIN 1946-6, 2019) sichergestellt werden. Je nach Belegung und Abwesenheit der Bewohnerinnen und Bewohner dürfte sogar eine reduzierte Lüftung möglich sein. Nicht zuletzt kann zudem durch eine BEITRÄGE ZUR ENERGIEWENDE Wandlüfter 36 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0021 programmierbare zeitliche Steuerung der Wandlüfter, z. B. in einem Schlafzimmer (niedrigste Stufe in der Nacht und höchste Stufe bei Abwesenheit tagsüber), ein akustischer Komfort mit den Vorteilen einer automatischen Lüftung verbunden werden. Um die Energieeinsparung durch die Reduzierung der Lüftungswärmeverluste zu quantifizieren, wurden in Tabelle 7 wesentliche Kenndaten der oben beschriebenen NE für eine angenommene manuelle Fensterlüftung gegenübergestellt. Tabelle 7: Berechnete Daten von zwei unterschiedlichen neu erstellten Gebäuden mit Fensterlüftung Berechnung nach (DIN 1946-6, 2019) Gleichung (8) 3-Zimmer-Wohnung in Mehrfamilienhaus Freistehendes Einfamilienhaus Wohnfläche A [m 2 ] 77 214 Transmissionswärmeverlust Q T [kWh/ a] 2.480 11.053 Lüftungswärmeverlust Q V [kWh/ a] 1.755 8.577 Flächenbezogener jährlicher Lüftungswärmeverlust [kWh/ m 2 a] 23 40 Anteil des Lüftungswärmeverlusts am gesamten Wärmeverlust [%] 41 44 Potenzial zur Reduzierung der Gesamt- Wärmeverluste bei Einsatz einer mechanischen Lüftung mit η WRG ≈ 75 % 31 33 In beiden NE erreicht der Anteil der Nenn-Lüftungswärmeverluste mehr als 40 % an den gesamten Wärmeverlusten. Mit den untersuchten Wandlüftern wird ein Wärmebereitstellungsgrad von ca. η WRG ≈ 75 % selbst nach Abzug des relativ geringen eigenen Strombedarfs erreicht. Dies würde bedeuten, dass durch die mechanische Lüftung mit WRG der nötige Heiz- Energiebedarf um mindestens 30 % verringert werden könnte. 6. Zusammenfassung Die Wärmeverluste durch traditionelle Fensterlüftung in gut gedämmten Wohnungen und Häusern übersteigen 40 % der gesamten Wärmeverluste. Diese Verluste können mit kleinen dezentralen Lüftungsgeräten nicht nur im Neubau, sondern auch in der Sanierung von Bestandsbauten wesentlich verringert und gleichzeitig der Lüftungskomfort verbessert werden. Zudem gelingt zuverlässig der Schutz vor Schimmel und die Sicherheit gegen Einbruch wird ebenfalls verbessert. Die akustischen Defizite beim Eigengeräusch und der Schalldämmung können heute mit modernen Geräten und optimaler Betriebsstrategie in vielen Einsatzfällen bereits auf ein komfortables Niveau gesenkt werden. LITERATUR DIN 1946-6. (2019). Raumlufttechnik - Teil 6: Lüftung von Wohnungen - Allgemeine An-forderungen, Anforderungen an die Auslegung, Ausführung, Inbetriebnahme und Übergabe sowie Instandhaltung. DIN 4109-1. (2018). Schallschutz im Hochbau - Teil 1: Mindestanforderungen. Berlin: Beuth Verlag GmbH. DIN 4109-5. (2020). Schallschutz im Hochbau - Teil 5: Erhöhte Anforderungen. Drechsler, A., Reinhold, S., Ruff, A., Schneider, M., & Zeitler, B. (2022). Airborne Sound Insulation of Sustainable Building Facades. In V. Coors, D. Pietruschka, & B. Zeitler, iCity. Transformative Research for the Livable, Intelligent, and Sustainable City (S. 335-357). Berlin: Springer. Krüger, Jan. (2024). Wand-Pendellüfter - Möglichkeiten und Grenzen bei Schall, Feuchte und Energieeinsparung. Forum Holzbau. Friedrichshafen. Locher, Barbara; et. al. (2018). Differences between Outdoor and Indoor Sound Levels for Open, Tilted, and Closed Windows. International Journal of Environmental Research and Public Health, 149, 15. Ruff, A., Drechsler, A., & Zeitler, B. (2020). Untersuchungen zur Schallleistung und -dämmung eines dezentralen Lüftungsgerätes. DAGA. Hannover. AUTOR: INNEN Dr.-Ing. Jan Krüger Mitarbeiter des Kompetenzzentrums Hochschule für Technik (HFT) Stuttgart „Zentrum für Akustische und Thermische Bauphysik“ (ZFB) Schellingstraße 24, 70174 Stuttgart jan.krueger@hft-stuttgart.de Prof. Dr.-Ing. Berndt Zeitler Sprecher des Kompetenzzentrums Hochschule für Technik (HFT) Stuttgart „Zentrum für Akustische und Thermische Bauphysik“ (ZFB) und Stellvertretender Direktor des Instituts für angewandte Forschung (IAF) Schellingstraße 24, 70174 Stuttgart berndt.zeitler@hft-stuttgart.de BEITRÄGE ZUR ENERGIEWENDE Wandlüfter 37 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0021 „Das Geheimnis der Veränderung besteht darin, deine ganze Energie darauf zu konzentrieren, Neues aufzubauen, statt Altes zu bekämpfen.“ (Sokrates) 3. März 2020. Zentrale eines Automobilherstellers. Alle Mitarbeiter werden darüber informiert, dass ab sofort jede und jeder von zuhause arbeiten muss. Eine Präsenz am Arbeitsplatz wird ausdrücklich untersagt. Ausnahmeregelung gibt es prinzipiell keine. Dauer der Maßnahme ungewiss. So oder ähnlich wurden in vielen Unternehmen aufgrund der Corona-Pandemie Mitarbeiter über neue Reglungen zum Homeoffice informiert. Und sicherlich dachten viele zu diesem Zeitpunkt, dass dies nicht gut gehen könne. Vier Jahre später sind immer noch viele dieser Mitarbeiter im Homeoffice. Die „Muss-Regelung“ wurde vielerorts in eine „Kann- Regelung“ überführt. Was vor vier Jahren als „unmöglich“ erschien, ist heute gelebte Realität. So lag der Anteil von Homeoffice 2018 in Deutschland bei 5,0-%, 2020 bereits bei 14,8 %, 2024 sind bereits 24,1 % aller Beschäftigten zumindest anteilig im Homeoffice (Alipour, 2024). Was bedeutete nun dieser massive Eingriff für die täglichen Pendlerverkehre und was kann daraus abgeleitet werden? Um diese Frage beantworten zu können, wurden die Pendlerströme innerhalb des größten Industrieparks Baden-Württembergs, dem Synergiepark in Stuttgart, untersucht und ausgewertet. Die Forschungsarbeit erfolgte durch das Forschungsprojekt EMO4iCity, ein Teilprojekt des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung Die umweltfreundlichsten Emissionen sind die, die nicht entstehen Verkehrsplanung, Verkehrssteuerung, Homeoffice, Vermeidung, Emissionen Michael Heller, Dennis Dreher, Leo Casey, Lutz Gaspers Am Beispiel von Baden-Württembergs größtem Industriepark wird aufgezeigt, welches Potenzial neue Arbeitsformen für die Verkehrswende beinhalten - in der Reduzierung von Emissionen, aber auch durch neu zu denkende verkehrliche Infrastruktur rund um die Arbeitsstätte. Über mehrere Jahre wurden Pendlerströme erfasst und ausgewertet. Daraus resultiert, welchen Einfluss moderne Arbeitsformen wie z. B. Homeoffice auf Verkehre ausüben und wie diese idealerweise umgesetzt werden können. Validiert wurden die Erkenntnisse durch Befragungen und Abgleich mit Daten unterschiedlichster Erfassungssysteme. geförderten Forschungsprojekts iCity: Intelligente Stadt. Der Synergiepark erstreckt sich auf einer Fläche von ca. 120 ha. 2022 arbeiteten dort ca. 30.000 Beschäftigte. Er verfügt über eine hervorragende verkehrsinfrastrukturelle Anbindung. Zahlreiche Forschungseinrichtungen und viele unterschiedliche Unternehmen inkl. großer globaler Konzerne sind dort angesiedelt (Kral et al., 2021). Der Modal Split der genutzten Verkehrsmittel wies 2022 einen Anteil von 49 % für den motorisierten Individualverkehr (MIV) auf. Fast 50 % der Beschäftigten legten dabei täglich einen Anfahrtsweg von über 40 km zurück (Landeshauptstadt Stuttgart, o.D.). Bild 1: Mobilität zum Synergiepark (Deli et al., 2022) Analyse der Pendlerströme Für einen Untersuchungszeitraum von drei Jahren (2019-2021) wurden anhand von Mobilfunkdaten die Pendlerströme in das Gebiet analysiert, verglichen und abgebildet. Durch die sehr feine zeitliche und räumliche Auflösung der Daten konnte das Gewerbegebiet mit einem hohen Detaillierungsgrad verkehrlich untersucht und beschrieben werden. MOBILITÄT Emissionen 38 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0022 verursacht bei dieser Distanz einen CO 2 -Ausstoß von 19 kg CO 2 pro Tag. Bei 30.000 Beschäftigten mit durchschnittlich 200 AT/ Jahr und einem MIV-Anteil von 49 % ergibt sich bei einer theoretischen Reduktion der Pendlerzahlen um 60 % eine Minderung der Verkehrsleistung um 141.120.000 km/ Jahr. Dies ergibt eine Einsparung von 33.516 Tonnen CO 2 im Jahr. Selbst wenn dieses Potenzial nur zu Hälfte erreicht würde, ergäbe sich noch eine Einsparung von fast 17.000 Tonnen CO 2 im Jahr. Die COVID-19-Pandemie und die dadurch verordneten und freiwilligen Regulierungen bzgl. der individuellen Präsenz von Mitarbeitern führte auch zu einem Umdenken vieler Unternehmen bzgl. der „Vor-Ort-Präsenz“ ihrer Mitarbeiter in fast allen Berufssegmenten. Waren vor der Pandemie Homeoffice-Regelungen überwiegend in wenigen Branchen (Unternehmensorganisation, IT etc.) gängig, so wurden diese nach Pandemiebeginn auf weitere Branchen ausgeweitet. (Brandt, 2020; Eurostat, 2024) Eine Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zeigt auf, dass Home-Office vor allem in von Dienstleistungen geprägten Wirtschaftssegmenten dominiert. Eine Studie des Ifo-Instituts zeigt, dass 56 % der Arbeitsplätze zumindest teilweise ins Homeoffice verlagert werden könnten, und das nicht genutzte Potential wird dabei auf 20-30 % quantifiziert. Auch diese Auswertung bekräftigt die ermittelten Ergebnisse im Rahmen der Pendleruntersuchung (Alipour et al., 2021). So vereinbarten auch viele im Industriepark ansässige Unternehmen betriebliche Regelungen, welche die Arbeit ihrer Beschäftigten außerhalb ihres betrieblichen Arbeitsplatzes ermöglichten. Diese Bild 2: Auswirkungen auf die Pendlerströme während der Corona-Pandemie ( Torenz., 2022) Dabei wurde der Fokus gezielt auf Veränderungen infolge der COVID-19-Pandemie gelegt. Es wurden die Jahre 2020/ 21 mit denen des von COVID-19 unbeeinflussten Jahrs 2019 verglichen. Die Ergebnisse zeigen auf, wie sich Tages- und Wochenganglinien, die absoluten und relativen Zahlen der Einpendler sowie die Quellbeziehungen veränderten. Im Rahmen der Untersuchung wurden die Mobilfunkdaten mit Daten bezüglich der Pendleraufkommen der Stuttgarter Straßenbahnen AG verglichen und dadurch plausibilisiert (Torenz, 2022). Die wesentlichsten Erkenntnisse aus der Analyse der Pendlerströme waren: ƒ Die Pendlerzahlen in den Synergiepark gingen in den Monaten mit hohen COVID-19-Fallzahlen um bis zu 60 % zurück. ƒ Die staatlichen Regularien bzgl. Lock down und Lock down „light “ hatten einen größeren Hebel bzgl. der Reduktion von Pendlerwegen als die tatsächlichen COVID-19-Fallzahlen. ƒ Je größer die Distanz zum Arbeitsort war, desto größer die Bereitschaft der Arbeitnehmer, von zu Hause zu arbeiten. Es lässt sich ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Pendeldistanz und dem Fernbleiben vom untersuchten Gebiet erkennen. ƒ Es ergaben sich keine Veränderungen bezüglich der Hauptverkehrszeiten (HVZ) der Berufspendler. Diese blieben während der Pandemie identisch zu den HVZ vor der Pandemie. Welche Auswirkungen dies auf die Reduktion von CO 2 - Schadstoffen hatte, verdeutlicht diese Rechnung: Die durchschnittlich täglich zurückgelegte Ein- und Auspendlerdistanz zum Synergiepark beträgt 80-km. Der tägliche Verbrauch eines Pkw mit 6 l Benzin E10 MOBILITÄT Emissionen 39 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0022 umfassten in der Regel alle Mitarbeiter, die nicht vor Ort tätig sein mussten. Die Regelungen waren und sind jedoch unterschiedlich hinsichtlich Begrifflichkeit, Umfang, Geltungsbereich, Unfallschutz, Mitarbeitergruppen und weiterer Kriterien. Gemeinsam war ihnen allen, dass nicht eine Zielsetzung der Reduktion des Pendlerverkehres im Fokus stand, sondern dies ein Nebeneffekt war. Ist es nun möglich, verkehrliche Auswirkungen zu prognostizieren? Grundsätzlich ist die Prognostizierbarkeit dabei abhängig von der jeweiligen Homeoffice- Regelung und des betrachteten zeitlichen Rahmens. Je weiter der zeitliche Rahmen gefasst wird, umso höher die Prognosesicherheit. Weiterhin gilt, je starrer die betriebliche Regelung, desto höher die Prognosewahrscheinlichkeit bzgl. Zeit und Menge der Pendler. Optimal sind damit Regelungen, die den tagesgenauen Umfang regeln. Jedoch sind in der Praxis überwiegend schwierig zu prognostizierende Regelungen anzutreffen. Meist handelt es sich um freiwillige Regelungen, die häufig einen auf den Monat bezogenen Anspruch für Homeoffice regeln. Damit können monatsgenau Prognosen erstellt werden, aber eine tagesgenaue Prognose, die wiederum für eine Steuerung notwendig ist bzw. diese prognostizieren könnte, ist damit kaum möglich (D’Agostino & Burkhardt, 2024). Möglichkeiten der Verkehrssteuerung Um auch bei einer weniger starren Regelung das theoretische Potenzial bestmöglich nutzerzentriert zu heben, wurde weiter erforscht, welche Kriterien ausschlaggebend sind, damit Beschäftigte das Homeoffice annehmen. Insbesondere sollten hierbei nicht nur die aus betrieblicher Sicht relevanten Kriterien betrachtet werden, sondern auch verkehrsbezogene Kriterien berücksichtigt werden. Hierdurch soll verdeutlicht werden, inwiefern eine Steuerung von Arbeitszeitmodellen im Sinne einer Verkehrsreduzierung möglich ist und welche Kriterien solch eine Steuerung berücksichtigen muss. Dabei entstand eine Vielzahl von Kriterien, welche übergreifend in neun unterschiedliche Gruppen einzuteilen ist, die sich aber auch überlappen können. Die neun Gruppen sind räumliche, bauliche, verkehrliche, komfortorientierte, ökologische, soziale, betriebliche, wirtschaftliche und rechtliche Kriterien (Schneider, 2023). Wie können nun diese Kriterien genutzt werden, um die An- oder Abwesenheit von Beschäftigten im Untersuchungsgebiet zu erfassen und so zu steuern, dass der durch die Pendlerströme auftretende Verkehr reduziert oder zeitlich entzerrt wird, um Überlastungen des Verkehrsnetzes zu HVZ zu vermeiden? Auch eine Beeinflussung der Verkehrsmittelwahl hin zu klimafreundlichen Verkehrsmitteln ist aus verkehrstechnischer Sicht wünschenswert. Die wissenschaftlich erfassten Grundlagen sollen dabei Nutzern individualisiert zur Verfügung gestellt werden, damit diese selbständig oder im Verbund ihre Anbzw. Abwesenheit intelligent steuern können. Dabei wären auch individuelle Präferenzen zu berücksichtigen. Neben allgemein für alle Nutzer wichtigen Kriterien wie beispielsweise Verkehrsfluss, Verbindungen mit Bus und Bahn usw. sollen im Idealfall dabei auch individualisierte Daten wie Distanz zwischen Bild 3: Kriterien pro Homeoffice (D’Agostino & Burkhardt., 2022) MOBILITÄT Emissionen 40 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0022 Bild 4: Kriterien contra Homeoffice (D’Agostino & Burkhardt., 2022) Wohn- und Arbeitsort, Verkehrsmittelverfügbarkeit oder Wohnsituation in dieser Steuerung abgebildet sein. Im Ergebnis könnte dies über eine App, die eine große Anzahl von unterschiedlichsten Kriterien beinhaltet, bewerkstelligt werden. Die Akzeptanz der App durch die potenziellen Nutzer ist dabei einer der entscheidenden Faktoren. Die Umsetzung einer solchen Steuerung könnte dreistufig erfolgen. Als Basisbaustein könnte durch die Datenpflege durch den Arbeitnehmer eine Prognose der Anwesenheit aller Mitarbeiter aufgezeigt werden. In einem zweiten Schritt würden diese Basisdaten durch die Verknüpfung der verschiedenen Verkehrsmittel (insbesondere des Umweltverbundes) unter Berücksichtigung der jeweiligen Auslastungen erweitert werden. In einem dritten, finalen Schritt würde daraus individualisiert eine Empfehlung zur Homeoffice-Tätigkeit oder, falls Präsenz notwendig ist, eine aus den Kriterien abgeleitete verkehrsmittelübergreifende Routenempfehlung entstehen. Beschäftigtenbefragung Abgerundet wurden die theoretischen Ergebnisse durch eine betriebliche Befragung. Befragt wurden alle Mitarbeiter eines mittelständischen Unternehmens mit der individuellen Möglichkeit zur Homeoffice-Nutzung. Im befragten Unternehmen wurden dabei ca. 30 % des Homeoffice-Potenzials genutzt. Das heißt, an 30 % der Tage, an denen es den Beschäftigten freigestanden hätte, im Homeoffice zu arbeiten, wurde dies getan. Bewertet wurden die Kriterien auf einer fünfstufigen Skala. Je höher die Punktzahl, desto wichtiger das Kriterium. Es zeigten sich dabei signifikante Unterschiede in der Akzeptanz bei „Alter“, „Haushaltsgröße“ und vor allem „Distanz“ bzw. „Fahrtdauer zur Arbeitsstätte“, während Kriterien wie „Hierarchie“ oder „genutztes Verkehrsmittel“ eher eine untergeordnete Rolle spielten. Das wichtigste Kriterium für die Nutzung war bei den Befragten die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Dann folgte die Zeitersparnis durch den Wegfall der An- und Abfahrt zum Arbeitsplatz. Bemerkenswert war, dass auch der Klimaschutz durch den Wegfall der Fahrten eine große Rolle bei der Nutzung von Homeoffice spielte. Als das wichtigstes Kriterium gegen die Nutzung wurde angegeben, dass der Kontakt zu den Kollegen darunter leide. Danach folgte, dass die Anwesenheit für den Vorgesetzten wichtig sei bzw. eine Präsenzkultur im Unternehmen herrsche. Weitere wichtige Gründe, die für die Befragten gegen die Nutzung von Homeoffice angegeben wurden, waren die grundsätzliche Trennung von Arbeitszeit und Freizeit, die erschwerte Zusammenarbeit mit Kollegen und eine wahrgenommene Vereinsamung. Zusätzlich spielen Alter, Haushaltsgröße, Funktion im Unternehmen und ob ein oder mehrere Verkehrsmittel genutzt werden eine große Rolle. Daraus lassen sich Ansätze für eine höhere Akzeptanz bzw. zur Gestaltung innerbetrieblicher Regelungen ableiten, um das vorhandene Potenzial besser auszunutzen oder zu erweitern. MOBILITÄT Emissionen 41 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0022 Fazit Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass durch die Corona-Pandemie und die damit einhergehende fundamentale Veränderung im Denken und Verhalten von Unternehmen, Führungskräften und Mitarbeitern bezüglich der Notwendigkeit einer physischen Präsenz im Unternehmen ein gewaltiges Potenzial zur Verhinderung von durch Verkehr verursachten Schadstoff-Emissionen aufgezeigt wurde. Dieses zu nutzen, hilft den Unternehmen, ihren CO 2 - Fußabdruck zu verbessern, und den Beschäftigten, Beruf und Privatleben besser zu vereinbaren, und kann damit einen erheblichen Beitrag zur Verkehrswende beitragen. Um dieses Potenzial zu heben, braucht es aber flexible, auf die einzelnen Parteien und Personen zugeschnittene Arbeitsmodelle. Darüber hinaus sollte die Erkenntnis, dass gerade Berufspendler, die sehr nahe an ihrem Arbeitsort wohnen, häufig keinen Personenkraftwagen (Pkw) nutzen, bei zukünftigen Planungen vor allem dem Fuß- und Radverkehr eine stärkere Gewichtung zukommen. LITERATUR Alipour, Jean-Victor (2024): ifo Konjunkturumfrage - 4. März 2024. Homeoffice in Deutschland fest verankert. https: / / www.ifo.de/ fakten/ 2024-03-04/ homeoffice-deutschlandfest-verankert (Abgerufen am 10.02.2025) Alipour, Jean-Victor; Falck, Oliver; Follmer, Robert; Gilberg, Reiner, Nolte, Beatrice (2021): Homeoffice im Verlauf der Corona-Pandemie - Themenreport Corona-Datenplattform, Ausgabe Juli 2021, 02. Ifo Institut. https: / / www.bmwk. de/ Redaktion/ DE/ Downloads/ I/ infas-corona-datenplattform-homeoffice.pdf ? _ _blob=publictionFile&v=4 (Abgerufen am 10.02.2025) Brandt, Mathias (2020). So verbreitet ist Home Office in Europa. Statista. https: / / de.statista.com/ infografik/ 21078/ nutzung-von-home-office-in-europa/ (Abgerufen am 10.02.2025) D’Agostino, Marco; Burkhardt, Moritz (2024): Projektbericht Bachelorstudiengang Bauingenieurwesen. Studentische Projektarbeit. Unveröffentlicht. Michael Heller, Dipl.-Betriebsw. FH Akademischer Mitarbeiter HFT Stuttgart michael.heller@hft-stuttgart.de Dennis Dreher, M. Eng. Akademischer Mitarbeiter HFT Stuttgart dennis.dreher@hft-stuttgart.de http: / / orcid.org/ 0009-0004-0230-200X Leo Casey, M. Eng. Akademischer Mitarbeiter HFT Stuttgart leo.casey@hft-stuttgart.de http: / / orcid.org/ 0009-0007-7169-2111 Prof. Dr.-Ing. Lutz Gaspers Professor für Verkehrsplanung und Sprecher MoVe HFT Stuttgart lutz.gaspers@hft-stuttgart.de AUTOR: INNEN Eurostat (2024). Employed persons working from home as a percentage of the total employment, by sex, age and professional status (%). https: / / ec.europa.eu/ eurostat/ databrowser/ product/ page/ LFSA _EHOMP (Abgerufen am 10.02.2025) Kral, Simona; Leitner, David; Nelke, Karl-Friedrich; Schmidt, Fabian; Seemann, Eric; Würz, Maurice (2021): Projektbericht Masterstudiengang Verkehrsinfrastruktumanagement. Studentische Projektarbeit. Unveröffentlicht. Landeshauptstadt Stuttgart (o.D.): Gewerbegebietsmanagement SynergiePark - Gebietskonferenz IV am 2. Juli 2020 im Bürgerhaus Möhringen. https: / / www.stuttgart.de/ medien/ ibs/ Praesentation-4.Gebietskonferenz.pdf Schneider, Julian (2023): Prognose der Verkehrsreduzierung durch den Einsatz einer intelligenten Steuerung von Arbeitszeitmodellen. Masterarbeit. Unveröffentlicht. Torenz, Dominik (2022): Untersuchung der Pendlerströme in das Gewerbegebiet Synergiepark Stuttgart mit Mobilfunkdaten. Masterarbeit. Unveröffentlicht. MOBILITÄT Emissionen 42 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0022 P R OJ E K T M A N A G E M E N T A K T U E L L Die PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL ist eine der führenden Fachpublikationen im Projektmanagement im deutschsprachigen Raum. Die Zeitschrift liefert fundierte Fachinformation für Projektmanager: innen u. a. in Industrie, Bauwesen, Beratungs- und Ingenieurbüros, im Bereich der Softwareentwicklung und im Dienstleistungsgewerbe. Das Themenspektrum reicht von wissenschaftlichen Fachbeiträgen zu Methoden und Techniken des Projektmanagements bis hin zu Praxis- und Erfahrungsberichten aus dem Projektalltag. Neben grundlegenden Orientierungsbeiträgen liefert die Fachzeitschrift auch Beiträge über Techniken und Verfahren des Projektmanagements und berichtet über Projektfallstudien. Sie schlägt so eine Brücke zwischen Theorie und Praxis. Herausgegeben wird das Fachmagazin von der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. unter Mitwirkung der Schweizerischen Gesellschaft für Projektmanagement spm und Projekt Management Austria pma. ISSN 2941-0878  Infos zum Abonnement per eMail unter abo@narr.de Das Jahresabonnement kostet € 67,- (print) bzw. € 242,- (print + online), Vorzugspreis für private Leser: innen € 96,- (print + online), das Einzelheft € 20,- (alle Preise zzgl. Postgebühr). Herausgeber: GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. Unter Mitwirkung von: spm - Swiss Project Management Association und Projekt Management Austria Bau- und Infrastrukturprojekte PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 1 (2025) 1. Au age 2025, ca. 76 Seiten €[D] 20,00 ISBN 978-3-381-13681-0 erscheint fünfmal im Jahr Übersicht über alle Hefte: narr.digital/ journal/ pm Schwerpunktthemen: Ausgabe 1/ 2025 Infrastruktur- und Bauprojekte Ausgabe 2/ 2025 Projektmanagement und Resilienz Ausgabe 3/ 2025 Projektmanagement aus unternehmerischer Perspektive Ausgabe 4/ 2025 Projektmanagement im Gesundheitswesen Ausgabe 5/ 2025 Projekte und Kultur erhebliche Umweltbelastungen und beansprucht überproportional viel Raum. Ein Pkw steht im Durchschnitt 23 Stunden am Tag ungenutzt auf Parkplätzen und benötigt im Stadtverkehr pro beförderte Person deutlich mehr Fläche als Fußgänger: innen, Fahrräder oder Busse, wie in Abbildung 1 dargestellt. (vgl. Allianz pro Schiene e. V., 2021; Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, 2019, S. 5) 1. Herausforderung: Wege zur nachhaltigen Mobilität Mobilität ist weit mehr als die Fortbewegung zwischen zwei Orten. Sie ist Ausdruck von Freiheit, Autonomie und ermöglicht soziale, wirtschaftliche sowie kulturelle Teilhabe. Gleichzeitig stellt sie eine der größten Herausforderungen für eine nachhaltige Entwicklung dar. Der motorisierte Individualverkehr (MIV) verursacht Gemeinsam die Mobilität von morgen gestalten Nachbarschaftlich getragene Initiativen im Quartier Nachhaltige Stadtentwicklung, Mobilitätswende, Reallabor, Experimentierraum, Partizipation, soziale Teilhabe, gesellschaftlicher Wandel, Transdisziplinarität Barbara Hefner, Christina Simon-Philipp Mobilität ist zentral für unser Leben, stellt jedoch auch eine große Herausforderung für die nachhaltige Stadtentwicklung dar. Neben technologischen Entwicklungen erfordert der Weg zur klimaneutralen Stadt auch einen gesellschaftlichen Wandel. Im Reallaborprojekt „MobiQ“ wird an drei Orten untersucht, wie Bürger: innen und lokale Akteur: innen gemeinsam nachhaltige Mobilität gestalten können. Ziel ist es, die Alltagsmobilität zu verändern, gesellschaftliche Teilhabe zu fördern und das Bewusstsein für innovative Mobilitätslösungen sowie alternative Nutzungen des öffentlichen Raums zu stärken. MOBILITÄT Mobilität von morgen 44 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0023 Angesichts des zunehmenden Verkehrsaufkommens (der Kraftfahrzeugbestand zwischen 2008 und 2024 stieg in Deutschland um ca. 23 %) und der fortschreitenden Urbanisierung wird die Entwicklung nachhaltiger Mobilitätsoptionen immer dringlicher (vgl. Bundesministerium für Digitales und Verkehr, 2023, S. 132f.). Wir alle stehen vor der Aufgabe, neue Wege zu finden, um unsere Mobilität so zu gestalten, dass sie nicht nur unsere Bedarfe erfüllt, sondern auch die Anforderungen und Bedürfnisse unserer Umwelt sowie kommender Generationen. Um die Klimaziele im Verkehrssektor zu erreichen, ist ein umfassender Transformationsprozess notwendig. Nachhaltige Mobilität erfordert nicht nur technologische Innovationen, sondern auch einen grundlegenden gesellschaftlichen Wandel. Dieser Wandel muss durch die Entwicklung alternativer Mobilitätskonzepte vorangetrieben werden, die ökologische, ökonomische und soziale Aspekte der Nachhaltigkeit gleichermaßen berücksichtigen. (vgl. Hefner et al., 2024, S. 7f.) 2. MobiQ: Impulsgeber für eine nachhaltige Mobilitätskultur Das vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg geförderte Reallaborprojekt „MobiQ - Nachhaltige Mobilität durch Sharing im Quartier“ widmet sich der Herausforderung, nachhaltige Mobilitätskonzepte im Quartier zu entwickeln. Dabei liegt ein besonderer Fokus darauf, soziale Netzwerke in der lokalen Zivilgesellschaft zu aktivieren und zu fördern. Bild 1: Der Flächenverbrauch pro beförderte Person im Stadtverkehr variiert stark je nach Verkehrsmittel Quelle: Allianz pro Schiene e. V., 2021, Grafik: Hefner et al., 2024, S. 7 Innovativ daran ist der Ansatz, gemeinsam mit Bürger: innen tragfähige Lösungen zu erarbeiten. Ziel des Projekts ist es, Mobilitätsgewohnheiten vor Ort zu verändern und langfristige Transformationen in den Projektquartieren anzustoßen. Um dieses Ziel zu erreichen, entwickelt ein interdisziplinäres Forscher: innenteam der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen- Geislingen (HF WU), der Hochschule für Technik Stuttgart (HF T) sowie des Öko-Instituts e.V. gemeinsam mit Bürger: innen und Praxisakteur: innen innovative Ansätze, die es ermöglichen, die Mobilität im Quartier nachhaltig und gemeinschaftlich zu gestalten und dadurch den Zugang zur gesellschaftlichen Teilhabe zu verbessern. 3. Experimentierräume: Drei unterschiedliche Reallaborstandorte MobiQ basiert auf einem inter- und transdisziplinären Reallaboransatz, der transformative Forschung mit praxisorientierten Experimenten verbindet. Der Experimentierraum ermöglicht es, nachhaltige und nachbarschaftlich organisierte Mobilitätsangebote im lokalen Kontext zu entwickeln, zu erproben und deren gesellschaftlichen Mehrwert erfahrbar zu machen. In den Reallaboren werden Forschung und Praxis eng miteinander verknüpft, um unter realen Bedingungen umfassendes Wissen über die Bedarfe der komplexen Wirklichkeit zu gewinnen und gleichzeitig praktikable Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen zu erarbeiten. Die enge Zusammenarbeit kann dabei die Akzeptanz für die entwickelten und umgesetzten Maßnahmen erheblich steigern. Es soll ein Transformationsprozess initiiert werden, MOBILITÄT Mobilität von morgen 45 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0023 Diese unterschiedlichen sozioökonomischen und städtebaulichen Kontexte werden einbezogen, um vielfältige Erkenntnisse zu gewinnen, die sowohl für Baden-Württemberg als auch für andere Regionen richtungsweisend sein können. 4. Kontextanalyse: Mobilitätsprobleme vor Ort erkennen Für die Entwicklung passgenauer Lösungen ist es notwendig, die spezifischen Gegebenheiten der Reallaborquartiere intensiv zu untersuchen. Im Rahmen einer Bestandsanalyse wurden räumliche, funktionale, gestalterische sowie gesellschaftliche, ökonomische und ökologische Aspekte erfasst und interpretiert. Das MobiQ-Team erfasste außerdem die Aktivitäten der Menschen vor Ort und ihre Fortbewegungsweisen, um potenzielle Konflikte und Störfaktoren wie Barrieren oder Verkehrsengpässe zu identifizieren. Diese umfassende Betrachtung ermöglichte es, sowohl die Stärken als auch die Schwächen der Quartiere zu erkennen und daraus den spezifischen Handlungsbedarf für das jeweilige Reallabor abzuleiten. (vgl. Reicher, 2017, S. 163) 5. Netzwerkanalyse: Stabile Bündnisse aufbauen Um die lokalen Bedingungen für die Akzeptanz nachbarschaftlicher Mobilitätskonzepte zu verstehen, war eine eingehende Auseinandersetzung mit den Menschen und Gruppen vor Ort erforderlich. Es war wichtig, alle relevanten Akteur: innen und vorhandenen Ressourcen zu identifizieren, da deren Unterstützung entscheidend für den Erfolg des Projekts war. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde an jedem Standort ein detailliertes Stakeholder-Mapping durchgeführt. Dieser Prozess führte zur Bildung eines Netzwerks Bild 2: Reallaborstandort Stuttgart-Rot Foto: Hefner der Bürger: innen und lokale Akteur: innen aus verschiedenen Schichten der Gesellschaft für bedarfsgerechte und nachbarschaftlich organisierte Mobilitätsformen sowie eine alternative Nutzung des öffentlichen (Straßen-)Raumes sensibilisiert und aktiviert. Dies soll langfristig zu einer Veränderung ihres Mobilitätsverhaltens und ihrer Nutzungsmuster führen. (vgl. Defila & Di Giulio, 2018, S. 10ff.; Schäpke et al., 2017, S. 3ff.) Das Forscher: innenteam hat im Projektverlauf eine multifunktionale Rolle. Es initiiert und unterstützt die Prozesse, fungiert als neutraler Impulsgeber und begleitet die Entwicklungen durch Beobachtung, Analyse und Evaluation. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse fließen kontinuierlich in den Forschungsprozess ein. Im Rahmen von MobiQ fungieren drei Standorte als Experimentierräume. Diese zeichnen sich durch sehr unterschiedliche verkehrliche, städtebauliche, soziale und ökonomische Rahmenbedingungen aus: ƒ Stuttgart-Rot ist eine Großwohnsiedlung im Bezirk Zuffenhausen, die nach dem Zweiten Weltkrieg errichtet wurde und, wie in Abbildung 2 zu sehen, durch monostrukturierte Zeilenbauten sowie erhebliche Verkehrsbelastungen geprägt ist. (vgl. Fiechtner & Fiechtner, 2020) ƒ Geislingen an der Steige, eine Mittelstadt im Landkreis Göppingen im Südosten der Region Stuttgart, befindet sich in einer ökonomisch herausfordernden Lage mit einer Arbeitslosenquote von 4,3 %. (vgl. Bundesagentur für Arbeit, 2022) ƒ Waldburg, ein staatlich anerkannter Erholungsort im ländlichen Raum des Landkreises Ravensburg, zeichnet sich durch eine weitläufige Siedlungsstruktur und touristische Bedeutung aus. (vgl. Bürgermeisteramt Waldburg, 2021) MOBILITÄT Mobilität von morgen 46 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0023 Bild 3: Analyse der Verbindungen zwischen Akteur: innen zum besseren Verständnis der lokalen Gesellschaft Quelle: Seebacher et al., 2018, S. 155f., Grafik: Hefner et al., 2024, S. 61 aus aktiven Akteur: innen (siehe Abbildung 3), das es ermöglichte, die spezifischen Mobilitätsbedürfnisse der Quartiere zu erfassen und Potenziale für nachhaltige Mobilitätslösungen aufzuzeigen. 6. Bürger: innenwerkstatt: Ideenschmiede der Mobilität Die Prinzipien des Ko-Designs und der Ko-Produktion, die in der Theorie als zentrale Elemente der Reallaborarbeit gelten, wurden im Projekt MobiQ zur gelebten Praxis. Statt für die Menschen vor Ort zu planen, lag der Fokus darauf, gemeinsam mit ihnen Lösungen zu entwickeln. Den Startschuss dafür bildeten die Bürger: innenwerkstätten. Hier entstanden vielfältige Ideen, darunter Einkaufsshuttles, Bürger: innen- und Rufbusse, Fahrgemeinschaften, Mobilitätsstationen sowie die gemeinsame Nutzung privater Fahrzeuge. Auch die Einrichtung von Nachbarschaftsstraßen und das Aufstellen von Stadtmöbeln wurden vorgeschlagen, um Mobilität zu fördern und die Lebensqualität im Quartier zu steigern. Nach der Ideensammlung lag der Fokus darauf, konkrete MOBILITÄT Mobilität von morgen 47 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0023 7. Ideen mit Leben füllen: Experimente gemeinsam wagen In zahlreichen Treffen mit den Arbeitsgruppen wurde die Umsetzung der vielversprechenden Visionen geplant und vorbereitet. Von Anfang an wurde berücksichtigt, dass die Projekte dauerhaft etabliert und bedarfsgerecht erweitert werden können. So entstanden an den drei Standorten insgesamt 13 Pilotprojekte. Im Folgenden wird am Beispiel von Stuttgart-Rot gezeigt, wie der öffentliche Raum neugestaltet und für nachhaltige Mobilität sowie soziale Interaktion genutzt werden kann. Der Stadtteil wird maßgeblich vom Autoverkehr geprägt. Aus diesem Grund wurde ein 110 m langer Abschnitt der Fleiner Straße für den motorisierten Individualverkehr gesperrt und im Rahmen der Stuttgarter Mobilitätswoche 2022 sowie des IBA’27-Festivals 2023 für mehrere Tage mit Aktionen zum Thema nachhaltige Mobilität und sozialer Interaktion bespielt (siehe Abbildung 5). Aktive Mobilitätsangebote wie Laufräder, Pedalos und eine Fahrrad-Rikscha konnten getestet und der Mehrwert einer autofreien Straße durch Neuverteilung des öffentlichen Raums sichtbar werden. Es wurde gezeigt, was in einer lebendigen Gemeinschaft möglich ist, wenn Platz dafür geschaffen wird. Die Straßenintervention wirkte als motivationsfördernde und akzeptanzsteigernde Maßnahme, die die Mobilitätswende unterstützt, und verfügt somit über eine positive Nachhaltigkeitswirkung. Darüber hinaus zeigte die Aktion, dass die Bürger: innen mehr Verkehrsberuhigung sowie sicherere Querungsmöglichkeiten fordern und gleichzeitig bereit Bild 4: Ideenentwicklung im Rahmen der Arbeitsgruppe in Stuttgart-Rot Foto: Rall Umsetzungsschritte zu erarbeiten. Dazu wurden Arbeitsgruppen mit engagierten Bürger: innen gebildet (siehe Abbildung 4), die sich der Verwirklichung der ausgewählten Projektideen widmeten. Bild 5: Temporäre Umgestaltung der Fleiner Straße in Stuttgart-Rot Foto: Hefner MOBILITÄT Mobilität von morgen 48 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0023 sind, sich aktiv für eine Verbesserung der Lebensqualität im Stadtteil einzusetzen. (vgl. Reiche et al., 2024, S. 59f.) Das Projekt-Team arbeitet in der 2. Projektphase gemeinsam mit den Akteur: innen vor Ort daran, die entwickelten Mobilitätslösungen im Rahmen der Internationalen Bauausstellung StadtRegion Stuttgart 2027 durch eine Mobilitätsstation und die Neugestaltung des Straßenraums zu verstetigen. 8. Positive Nachhaltigkeitswirkung durch Partizipation Es ist gelungen, die Mobilitätskonzepte erfolgreich gemeinsam umzusetzen und signifikante Fortschritte in Richtung einer nachhaltigen Veränderung der Mobilitätspraxis bei den Beteiligten zu erzielen. Durch Transformationsprozesse wurden Bürger: innen und lokale Akteur: innen für nachbarschaftliche Mobilitätsformen und eine alternative Nutzung des öffentlichen Raums sensibilisiert. Empirische Akzeptanzuntersuchungen und performative Exploration identifizierten fördernde und hemmende Faktoren für eine nutzer: innengetragene Mobilitätswende. Auch wenn die Ergebnisse kontextspezifisch sind, liegt der Fokus auf Konzepten mit hohem Transferpotenzial für andere Orte. (vgl. Reiche et al., 2024) 9. In 10 Schritten Mobilitätsgestalter: in werden Die Erfahrungen aus drei Jahren Reallaborarbeit wurden im Buch „Mobilität gemeinsam gestalten - In 10 Schritten“ zusammengefasst. Die Veröffentlichung richtet sich vor allem an Menschen und Initiativen, die in ihrem direkten Umfeld aktiv werden möchten, um die Mobilitätswende voranzutreiben. Mit einem praxisorientierten „Werkzeugkasten“ und wissenschaftlich fundierten Anleitungen zeigt es in 10 Schritten, wie nachhaltige Mobilität gemeinsam gestaltet werden kann. (vgl. Hefner et al., 2024) QUELLEN Allianz pro Schiene e. V. (Hrsg.). (2021). Schiene spart Fläche und lässt Natur ihren Raum: Straße beansprucht über zwölfmal so viel Platz pro beförderte Person. https: / / www.allianz-pro-schiene.de/ presse/ pressemitteilungen/ schiene-spart-flaeche-und-laesst-natur-ihren-raum/ . Bundesagentur für Arbeit (Hrsg.). (2022). Neues Jahr bringt übliches Plus bei der Arbeitslosigkeit. https: / / www.arbeitsagentur.de/ vor-ort/ goeppingen/ presse/ 2022-4-neuesjahr-bringt-ubliches-plus-bei-der-arbeitslosigkeit. Bundesministerium für Digitales und Verkehr (Hrsg.). (2023). Verkehr in Zahlen 2023/ 2024: 52. Jahrgang. https: / / bmdv. bund.de/ SharedDocs/ DE/ Anlage/ G/ verkehr-in-zahlen23- 24-pdf. AUTOR: INNEN Barbara Hefner, M. Sc. Akademische Mitarbeiterin am Zentrum für Nachhaltige Stadtentwicklung der Hochschule für Technik Stuttgart barbara.hefner@hft-stuttgart.de http: / / orcid.org/ 0009-0007-4616-5977 Prof. Dr.-Ing. Christina Simon-Philipp Leiterin Zentrum für Nachhaltige Stadtentwicklung der Hochschule für Technik Stuttgart christina.simon@hft-stuttgart.de http: / / orcid.org/ 0000-0001-7174-9295 Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (Hrsg.). (2019). Mobilität in Deutschland - MiD Ergebnisbericht. https: / / www.mobilitaet-in-deutschland.de/ archive/ pdf/ MiD2017_Ergebnisbericht.pdf. Bürgermeisteramt Waldburg (Hrsg.). (2021). Waldburg. https: / / www.gemeinde-waldburg.de/ buerger/ gemeindeleben/ gemeinde-waldburg/ waldburg. Defila, R. & Di Giulio, A. (2018). Reallabore als Quelle für die Methodik transdisziplinären und transformativen Forschens - eine Einführung. In A. Di Giulio & R. Defila (Hrsg.), Transdisziplinär und transformativ forschen (S. 9-35). Springer Fachmedien Wiesbaden. https: / / doi.org/ 10.1007/ 978-3- 658-21530-9_1. Fiechtner, R [Rainer] & Fiechtner, R [Renate]. (2020). Dritte Bauphase der Rotweg von 1949. https: / / stuttgart-rot.info/ historie/ dritte-bauphase. Hefner, B., Bansen, J., Schreiber, J., Simon-Philipp, C., Kesselring, S. & Minnich, L. (2024). Mobilität gemeinsam gestalten: In 10 Schritten (Auflage 1). Reiche, M., Weber, M., Le Corguillé, J., Schreiber, J. & Minnich, L. (2024). Working Paper: Evaluation von Wirkungen und Prozessen in den MobiQ-Reallaboren: Vorgehen und Erkenntnisse. Reicher, C. (2017). Städtebauliches Entwerfen (5. Auflage). Lehrbuch. Springer Vieweg. https: / / doi.org/ 10.1007/ 978- 3-658-19873-2. Schäpke, N., Stelzer, F., Bergmann, M., Singer-Brodowski, M., Wanner, M., Caniglia, G. & Lang, D. J. (2017). Reallabore im Kontext transformativer Forschung. Ansatzpunkte zur Konzeption und Einbettung in den internationalen Forschungsstand. IETSR Discussion papers in Transdisciplinary Sustainability Research, 2017(1). Seebacher, Andreas, Alcántara, Sophia & Quint, Alexandra. (2018). Akteure in Reallaboren - Reallabore als Akteure. In R. Defila & A. Di Giulio (Hrsg.), Transdisziplinär und transformativ forschen: Eine Methodensammlung (1. Auflage 2018, S. 155-159). Springer Fachmedien Wiesbaden. Eingangsabbildung: © HFT Labor Experimenteller Stadtraum Sommersemester 2023 MOBILITÄT Mobilität von morgen 49 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0023 eine große Zahl an zurückgelegten Wegen und birgt ein erhebliches Potenzial zur Optimierung des Mobilitäts- und Verkehrsverhaltens der Hochschulangehörigen und -besucher: innen im Sinne des gesteckten Zieles der Klimaneutralität. Der Startschuss für die erste Projektphase „HFTmobil“ war im September 2018 der Zuschlag für die HFT Stuttgart zur Entwicklung eines Mobilitätskonzeptes für den Campus. Der Ideenwettbewerb war eingebettet in den Strategiedialog Automobilwirtschaft Baden-Württemberg und wurde von Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden- Württemberg (MWK BW) gefördert. Das von der HFT Stuttgart erarbeitete Konzept wurde durch eine Jury bewertet und als Gewinner des Sonderpreises für Originalität ausgezeichnet. Mit dem eingeworbenen Preisgeld wurden erste Elemente des Mobilitätskonzepts umgesetzt und das Kompetenzzentrum für Mobilität und Verkehr (MoVe) gegründet. Ab April 2022 wurde an die Arbeiten im Folgeprojekt „HF Tmobil2.0“ angeknüpft, welches in einem weiteren Ideenwettbewerb „Emissionsfreier Campus: Low Hanging Fruits“ des MWK BW gefördert wurde. Diese Projektphase wurde erfolgreich im Dezember 2024 abgeschlossen. Mit dem aufbauenden Projekt „HF TmobilNext “, welches im Januar 2025 begonnen wurde, steht der Fortführung der Mobilitätsforschung rund um den Campus der HFT Stuttgart nichts entgegen. Das Projekt wird durch das Bundesverkehrsministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) in der Förderlinie „Betriebliches Mobilitätsmanagement“ gefördert. Mobilität an Hochschulen nachhaltig gestalten Ergebnisse und Impulse aus HFTmobil und HFTmobil2.0 Mobilität, Nachhaltigkeit, Verkehrsverhalten, Verkehrswende, Mobilitätswende Lutz Gaspers, Dennis Dreher, Marie Kochendörfer Mit den beiden Forschungsprojekten HFTmobil und HFTmobil2.0 beschreitet die HFT Stuttgart neue Wege in der Mobilitätsforschung. Anhand einer ganzheitlichen Befragung wurde das Mobilitätsverhalten am Campus erfasst. Die erarbeiteten Konzepte beziehen alle Hochschulangehörigen mit ein und schaffen nachhaltige Lösungen für den Weg zum Campus. Ergänzend werden die Ergebnisse dieser Mobilitätsforschung in die Stadtgesellschaft getragen und in gemeinsamen Projekten mit internationalen Partnern länderübergreifende Betrachtungen der Herausforderungen der Verkehrs- und Mobilitätswende beleuchtet. Das Land Baden-Württemberg verfolgt für seine Liegenschaften das Ziel, diese bis 2030 klimaneutral zu gestalten. Dieses Vorhaben ist im „Energie- und Klimaschutzkonzept für Landesliegenschaften 2030“ verankert und betrifft somit auch die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (Ministerium für Finanzen Baden-Württemberg 2023). Ein wichtiges Handlungsfeld auf dem Weg zur Klimaneutralität ist der Verkehrssektor. Deutschlandweit werden etwa 22 % der gesamten Treibhausgasemissionen durch diesen Sektor verursacht. Während in anderen Sektoren seit 1990 ein Rückgang der Emissionen zu verzeichnen ist, sind die Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor sogar um neun Prozentpunkte gestiegen (Umweltbundesamt 2024). Die Entwicklung der Mobilitätsforschung an der HFT Stuttgart Aus diesem Grund spielt die Mobilitäts- und Verkehrsforschung an der Hochschule für Technik Stuttgart (HFT Stuttgart) eine wichtige Rolle bei der Erreichung der politischen Ziele der Verkehrs-, Mobilitäts- und Antriebswende. In ihrer Funktion als Hochschule für Angewandte Wissenschaften ist die HFT Stuttgart täglich das Ziel einer Vielzahl von Wegen. Rund 4.000 Studierende, 125 Professor: innen, 300 Mitarbeiter: innen sowie über 400 Lehrbeauftragte pendeln zur Hochschule. Regelmäßig stattfindende (öffentliche) Veranstaltungen im Rahmen von Forschungsprojekten, Lehr- und Informationsveranstaltungen sowie Ausstellungen generieren zusätzliche Wege als Besucherverkehr. In Summe bedeutet dies MOBILITÄT Mobilität an Hochschulen 50 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0024 Das Mobilitäts- und Verkehrsverhalten der Hochschulangehörigen Die Erfassung des Mobilitäts- und Verkehrsverhaltens der Hochschulangehörigen ist wichtig, weil sie wertvolle Daten liefert, um nachhaltige Mobilitätskonzepte für den Hochschulbetrieb zu entwickeln. Diese Daten helfen, den CO 2 -Fußabdruck der Hochschulen zu bewerten, Bedarfe und Potenziale für umweltfreundliche Verkehrsmittel wie ÖPNV, Fahrrad oder E-Mobilität zu erkennen und Maßnahmen zur Verkehrsvermeidung oder -verlagerung gezielt umzusetzen. Für die Untersuchung des Mobilitätsverhaltens wurden verhaltenshomogene Gruppen gebildet, da die Hochschulangehörigen sehr unterschiedlichen Rahmenbedingungen unterliegen. Für die HFT Stuttgart erfolgte die Einteilung in die Gruppen der Studierenden, der Professor: innen, der Mitarbeiter: innen, Lehrbeauftragten sowie Besucher: innen. Im Rahmen einer umfassenden Untersuchung wurde das Mobilitätsverhalten der Studierenden der HFT Stuttgart analysiert. Hierfür wurde eine Umfrage konzipiert, bei der die Studierenden befragt wurden (Abbildung 1). Der Großteil der Studierenden ist an vier oder mehr Tagen pro Woche an der Hochschule präsent, was die Verkehrsströme stark beeinflusst. Die Entfernung zum Studienort variiert erheblich: Die Mehrheit der Befragten wohnt in Stuttgart und legt eine vergleichsweise kurze Strecke zurück, während etwa 8 % eine Entfernung von mehr als 50 Kilometern bewältigen. Die Wahl des Verkehrsmittels wird dabei vorrangig durch Faktoren wie Zeitersparnis, Kosten, Komfort und Umweltbewusstsein bestimmt. Der Großteil der Studierenden nutzt öffentliche Verkehrsmittel, insbesondere S-Bahn und U-Bahn. Obwohl das Fahrrad im Vergleich zu früheren Befragungen eine zunehmende Tendenz aufweist, wird es derzeit lediglich von etwa 15 % der Studierenden gewählt. Trotz der guten ÖPNV-Anbindung wird der PKW weiterhin von einer geringen Anzahl an Studierenden genutzt, insbesondere für längere Pendelstrecken in Kombination mit Park and Ride. Carsharing-Modelle oder Fahrgemeinschaften sind derzeit hingegen kaum verbreitet. Der Anstieg der Nutzung von Fahrrädern lässt darauf schließen, dass einerseits eine bessere Infrastruktur und andererseits ein wachsendes Umweltbewusstsein diese Entwicklung begünstigen. Dennoch bestehen Hindernisse wie mangelnde Abstellmöglichkeiten oder fehlende Sanitäreinrichtungen, die eine breitere Nutzung erschweren. Ein wesentlicher Aspekt der Mobilitätsuntersuchung ist die Betrachtung von Wegeketten, d.h. die Kombination mehrerer Verkehrsmittel auf dem Weg zur Hochschule. Die Ergebnisse zeigen, dass viele Studierende intermodale Wegeketten nutzen, um effizient und flexibel zur Hochschule zu gelangen. Besonders häufig werden verschiedene ÖV-Angebote sowie Auto und Bahn kombiniert. Ein relevanter Anteil der Befragten legt zudem den ersten oder letzten Wegabschnitt zu Fuß zurück, um den ÖPNV optimal zu ergänzen. Die Wegeketten variieren stark in Abhängigkeit von der Entfernung zum Wohnort und den zur Verfügung stehenden Verkehrsmitteln. Während Studierende aus dem näheren Wohnumfeld häufig nur ein Verkehrsmittel nutzen, sind längere Wege häufig mit zwei oder mehr Verkehrsmitteln verbunden. Dies zeigt, dass eine gute Vernetzung der Verkehrsmittel von entscheidender Bedeutung ist, um die Mobilität der Studierenden effizient und nachhaltig zu gestalten. Bild 1: Vergleichende Darstellung des Modal Splits nach Verkehrsaufkommen der Studierenden und der Mitarbeiter: innen. Bildquelle: HFT Stuttgart, Eisenbarth et. al. 2023 MOBILITÄT Mobilität an Hochschulen 51 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0024 Die Untersuchung zeigt, dass die Mobilitätsentscheidungen der Studierenden von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst werden. Während der öffentliche Verkehr eine zentrale Rolle spielt, bleibt das Auto für einige eine unverzichtbare Option. Die steigende Fahrradnutzung zeigt, dass nachhaltige Verkehrsalternativen zunehmend an Akzeptanz gewinnen. Dennoch gibt es Herausforderungen, insbesondere im Bereich der Infrastruktur und der Anreize für umweltfreundlichere Mobilitätsoptionen. Eine ausgewogene Verkehrsstrategie, die sowohl den ÖPNV stärkt als auch den Rad- und Fußgängerverkehr fördert, kann dazu beitragen, die Mobilität an Hochschulen effizienter und nachhaltiger zu gestalten (Eisenbarth et. al. 2023). Auch bei den Mitarbeiter: innen zeigt sich ein hoher Anteil der Verkehrsmittel des Umweltverbundes am Modal Split. Etwa 57 % nutzen öffentliche Verkehrsmittel und 18 % nutzen das Fahrrad oder gehen zu Fuß. Im Vergleich zum Modal Split der Stadt Stuttgart sind die verbleibenden 25 %, die mit dem MIV anreisen, als gering einzustufen. Auch hier wirken begünstigend die zentrale Lage der HFT sowie bereits eingeführte Angebote wie Job-Tickets, die den ÖPNV attraktiv machen. Ein Vergleich mittels eines simulierten Optimums zeigt, dass die Potenziale für den ÖPNV und die aktiven Mobilitätsformen ausgeschöpft bzw. sogar bereits überschritten sind. Die einzige identifizierte Schwachstelle sind Mitfahrgelegenheiten, die bislang eine geringe Nutzer: innenquote aufweisen. Diese Stellschraube wird im Rahmen des Projektes HFTmobilNext forciert. Der Straßenraum um den Campus Der Campus der HFT Stuttgart liegt zentral um den Stadtgarten verteilt. Zwischen den einzelnen Hoch- Bild 2: Umgestaltung des Straßenraums um den Campus am Tag der Mobilität 2019. Bildquelle: HFT Stuttgart - MoVe schulgebäuden bestehen im Grunde keine weiten Strecken, die Wegebeziehungen werden jedoch durch die Trennungswirkung heute überdimensionierter Straßenquerschnitte beeinträchtigt. In einem Teilprojekt wurde die potenzielle Umgestaltung und Umnutzung einer dieser Straßenquerschnitte betrachtet. Insgesamt sieben Entwürfe, die sinnvolle Nutzungskonzepte, Nachhaltigkeit, aber auch die Erschließung relevanter Einrichtungen umfassten, wurden durch Studierende aus den mobilitäts- und stadtplanungsbezogenen Studiengängen erarbeitet. Die Entwürfe wurden durch ein Gremium bewertet und konnten in einem Verkehrsversuch temporär umgesetzt werden (Abbildung 2). Die konzeptionell begonnenen Arbeiten dieses Teilprojektes werden erfolgreich im durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekt CampusLabor4iCity fortgeführt. Das Wissen der Forscher: innen in die Gesellschaft tragen Durch die Gründung des Kompetenzzentrums für Mobilität und Verkehr (MoVe) wurde die Mobilitätsforschung an der HF T Stuttgart durch weitere Drittmittelprojekte ausgebaut. Beispielhaft seien hier die erarbeitete Expertisen in der Steuerung von Pendlerströmen, der Verkehrsmodellierung oder dem Bereich Verkehrswende genannt. Um dieses Fachwissen auch in die Breite der Stadtgesellschaft zu tragen, wurde im Rahmen der Projekte „HFTmobil“ sowie „HFTmobil2.0“ stets ein Schwerpunkt auf die Öffentlichkeitsarbeit gelegt. So beteiligt sich das MoVe bereits seit 2022 mit einer Ausstellung auf der iMobility - der Landesmesse Stuttgart (Abbildung-3). Neben der Präsentation von Ergebnissen aus den Forschungsprojekten steht dabei auch die grund- MOBILITÄT Mobilität an Hochschulen 52 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0024 auf Online-Formate beschränkte sich die Nutzung jedoch auf wenige Einsätze. Das Fahrzeug wurde im Sommer 2022 zum normalen Transporter rückgebaut und steht als Poolfahrzeug allen Abteilungen der HFT Stuttgart zur Verfügung. In dieser Funktion hat der Transporter inzwischen eine Laufleistung von 10.000 km erbracht. LITERATUR Eisenbarth, Jana; Kreye, Marieke; Mayer, Max (2023): Untersuchung des Mobilitätsverhaltens der Hochschulangehörigen. Interdisziplinäres Projekt Sommersemester 2023 an der HFT Stuttgart, Studiengang Infrastrukturmanagement. Ministerium für Finanzen Baden-Württemberg (2023): Energie- und Klimaschutzkonzept für Landesliegenschaften 2030. Umweltbundesamt (2024): Verkehrssektor auf Kurs bringen: Szenarien zur Treibhausgasneutralität 2045. Bild 3: Ausstellung auf der iMobility 2024. Bildquelle: HFT Stuttgart - MoVe AUTOR: INNEN Prof. Dr.-Ing. Lutz Gaspers Sprecher und Leiter des Kompetenzzentrums für Mobilität und Verkehr MoVe www.hft-stuttgart.de/ move lutz.gaspers@hft-stuttgart.de Dennis Dreher, M. Eng. Teamleitung MoVe und Akademischer Mitarbeiter dennis.dreher@hft-stuttgart.de http: / / orcid.org/ 0009-0004-0230-200X Marie Kochendörfer, B. Eng. Mitarbeiterin MoVe marie.kochendoerfer@hft-stuttgart.de sätzliche Sensibilisierung für das Thema „Mobilität und Verkehr“ sowie für die Auswirkungen auf das Klima im Mittelpunkt. Der hochschuleigene Fuhrpark Zum 1. Januar 2019 traten die ersten Fahrverbote für Dieselfahrzeuge im Stadtgebiet Stuttgart in Kraft. Zu diesem Zeitpunkt verfügte die HFT Stuttgart über einen Transporter mit Verbrenner, der für Exkursionen und Materialtransporte genutzt wurde. Dieser entsprach der Abgasnorm EURO 4 und war somit durch die Fahrverbote direkt betroffen und hätte ausgemustert werden müssen. In einem Pilotprojekt wurde ein Konzept erarbeitet, wie das abgestellte Fahrzeug im Fuhrpark erhalten werden und auf einen elektrischen Antrieb umgerüstet werden kann. Neben der technischen Machbarkeit stand auch die Bedürfnisanalyse der Nutzenden im Fokus des Konzepts. Diese ergab, dass das Fahrzeug zuvor bereits primär innerhalb des Stadtgebiets bzw. innerhalb der Region Stuttgart zum Einsatz kam. Eine Reichweite von etwa 100 km, die für ein umgerüstetes Fahrzeug im Jahr 2019 überdurchschnittlich war, wurde daher als Zielwert festgelegt. Auf Basis dieses Konzeptes erfolgte dann im Sommer 2019 der Umbau des Fahrzeugs mit Unterstützung eines externen Dienstleisters. Hierbei wurden alle Komponenten des Verbrenners entnommen, die nicht mehr gebraucht wurden. Verbaut wurden neben einem Elektromotor mit 30-kW Leistung ein Batteriemanagementsystem sowie eine Batteriekapazität von 30 kWh, die sich im Unterboden des Fahrzeugs befindet. Ergänzend zum elektrischen Umbau sollte das Fahrzeug in einem zweijährigen Pilotversuch als fahrendes Forschungsbzw. Lehrlabor eingesetzt werden. Bedingt durch die Corona-Pandemie und einen zu diesem Zeitpunkt starken Fokus der Lehre MOBILITÄT Mobilität an Hochschulen 53 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0024 Moderne Technologien wie Künstliche Intelligenz, Edge Computing und datenbasierte Analysen bieten neue Möglichkeiten, um die Effizienz und Transparenz in der Nutzung betrieblicher Parkflächen zu verbessern (van der Sant , 2020). KI-gestützte Systeme können beispielsweise in Echtzeit die Belegung von Parkplätzen erfassen, freie Stellplätze anzeigen und dadurch eine gezielte Steuerung des Verkehrsflusses auf dem Werksgelände ermöglichen. Durch die Integration solcher Technologien lassen sich nicht nur Suchzeiten reduzieren und betriebliche Abläufe optimieren, sondern auch ein nachhaltigerer und ressourcenschonender Umgang mit den vorhandenen Stellflächen fördern (PM-Parken, 2024). 1. Vergleich bisheriger Ansätze und kamerabasierter KI-Systeme Traditionelle Ansätze zur Erfassung der Parkplatzbelegung basieren auf Sensortechnologien wie Magnetsensoren, Ultraschallsensoren oder Radar- und Infrarotsystemen. Sie sind häufig nicht präzise genug, kostenintensiv und bieten nur begrenzte Informationen zur Nutzung der Parkflächen. Kamerabasierte KI-Systeme bieten hier eine leistungsfähige Alternative. Durch den Einsatz handelsüblicher Kameras in Kombination mit modernen KI-Modellen können diese Systeme die Parkplatzbelegung in Echtzeit erfassen und dabei eine Vielzahl zusätzlicher Informationen liefern. KI-gestützte Bildverarbeitungssysteme ermöglichen beispielsweise die Erkennung und Kategorisierung unterschied- Smarte Parkraumüberwachung: Innovative KI-gestützte Lösung für effiziente Flächennutzung Smart Parking, Computer Vision, KI-Algorithmen, Parkraumüberwachung, Echtzeitdaten, Verkehrssicherheit Sergej Kreber, Prof. Dr.-Ing. Dieter Uckelmann Eine ineffiziente Nutzung der Parkflächen in industriellen Liegenschaften kann betriebliche Abläufe stören, Emissionen erhöhen und den Verkehrsfluss behindern. Technische Systeme zur Kontrolle der Parkflächen und Steuerung der Belegung können die Auslastung des Parkraums verbessern. Traditionelle, sensorbasierte Systeme weisen jedoch in dynamischen Umgebungen oft eine unzureichende Präzision und Skalierbarkeit auf. KI-gestützte Kamerasysteme bieten die Möglichkeit, die Parkplatzbelegung in Echtzeit genauer zu erfassen und verschiedene Fahrzeugtypen zu unterscheiden. Dies führt zu einer effizienteren Nutzung der Parkflächen und zu einer Optimierung des Parkplatzmanagements, was wiederum die Förderung nachhaltiger Lösungen unterstützt. Die zunehmende Flächenknappheit in Industrie- und Gewerbegebieten stellt Unternehmen vor wachsende Herausforderungen im Bereich des Parkraummanagements ( Haensch & Köster, 2020). Insbesondere auf industriellen Liegenschaften, die täglich von Mitarbeitenden, Lieferfahrzeugen und Besuchenden frequentiert werden, führt eine ineffiziente Nutzung der verfügbaren Stellflächen zu organisatorischen und wirtschaftlichen Nachteilen (Pellenbarg, 2004) (Disy, 2023). Fehlende Parkraumtransparenz kann dazu führen, dass Fahrzeuge unnötige Suchfahrten unternehmen, wodurch nicht nur betriebliche Abläufe gestört, sondern auch zusätzliche Emissionen und Verkehrsbelastungen innerhalb des Werksgeländes verursacht werden (Canzler, 2024). Besonders in Werksarealen mit begrenzten Parkkapazitäten führt dieser Umstand zu Verzögerungen im Betriebsablauf, einer erhöhten Unfallgefahr und einer insgesamt ineffizienten Nutzung der vorhandenen Flächen. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, Stellflächen optimal zu bewirtschaften, um sowohl Mitarbeitenden als auch betrieblich notwendigen Fahrzeugen ausreichend Parkmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen, ohne dabei zusätzliche Flächen versiegeln zu müssen (Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg e.V., 2017). Gleichzeitig wird von Unternehmen erwartet, nachhaltige Lösungen zur Reduzierung von Emissionen und Umweltbelastungen zu implementieren (Bronner, 2016). MOBILITÄT Smarte Parkraumüberwachung 54 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0025 licher Fahrzeugtypen wie Lkw, Transporter, Pkw oder Motorräder. Dadurch kann gezielt analysiert werden, wie Stellflächen von verschiedenen Nutzergruppen - etwa Mitarbeitenden, Lieferdiensten oder Besuchern - in Anspruch genommen werden (PM-Parken, 2024). Darüber hinaus ermöglichen diese Systeme eine datengestützte Analyse von Parkraumnutzung und Auslastung. Unternehmen können so fundierte Entscheidungen zur Gestaltung und Bewirtschaftung ihrer Parkflächen treffen, etwa indem Bereiche für spezielle Fahrzeugklassen reserviert oder temporäre Zufahrtsbeschränkungen eingeführt werden. Durch die automatische Erfassung von Falschparkern oder die Identifikation von Fahrzeugen mit überzogener Parkdauer können zudem Maßnahmen zur Regelkonformität erleichtert und Parkflächen effizienter genutzt werden. 2. Use-Case-Parkplatz Robert Bosch GmbH Schwieberdingen Im Rahmen des Projekts SenSim4iCity wurde eine Untersuchung durchgeführt, die sich mit der effektiven Nutzung von smarten Sensoren in industriellen Liegenschaften befasst. Ein zentraler Punkt der Untersuchung ist der Wunsch des Projektpartners, einen neu ausgebauten Parkplatz optimal auszulasten. Freie Parkplätze sollen den Mitarbeitenden angezeigt werden, um Rundfahrten und unnötige Parkplatzsuchzeiten zu vermeiden. Aufgrund der hohen Kosten und des Aufwands, der mit der Ausstattung jedes einzelnen Parkplatzes mit einem Präsenzsensor verbunden gewesen wäre, wurde jedoch eine kosteneffizientere Lösung auf Basis von Kameratechnologie gewählt. Der Zugang zum Parkplatz erfolgt über eine einzelne Zufahrts- und Ausfahrtstraße. Der Parkplatz ist jedoch in mehrere Sektoren gegliedert, die in der Parkraumbelegungsanalyse differenziert werden sollen. Der Aufbau sieht vor, dass eine Kamera zentral an einem Lichtmast über dem Eingang des Parkplatzes installiert wird. Diese Kamera erfasst das Befahren und das Verlassen des Parkplatzes sowie die spezifischen Sektoren, in denen Fahrzeuge parken. Die Hardware zur Datenerfassung wird im nahegelegenen Gebäude installiert, um eine effiziente Anbindung an das Netzwerk und einen reibungslosen Betrieb zu gewährleisten. In der ersten Projektphase wurde ein Prototyp entwickelt, der an der Hochschule für Technik in einem Testbereich an der Willi-Bleicher-Straße Bau 2 erprobt wurde. Ziel dieses Prototyps war es, die technische Machbarkeit der kamerabasierten Erfassung und Analyse von Parkraumdaten unter realen Bedingungen zu validieren. Dabei wurde untersucht, inwieweit die eingesetzte KI-basierte Bilderkennung in der Lage ist, Fahrzeuge präzise zu detektieren, Stellplatzbelegungen zu erfassen und die gewonnenen Daten in Echtzeit zu verarbeiten. In der zweiten Projektphase soll die Nutzung des Parkplatzes unter realen Bedingungen sowie ein erstes Verständnis für die Gesamtauslastung ermittelt werden. In diesem Zusammenhang werden insbesondere Daten darüber gesammelt, wie oft der Parkplatz belegt ist, zu welchen Tageszeiten und an welchen Wochentagen die Auslastung am höchsten ist. Diese Informationen liefern wertvolle Erkenntnisse für die Optimierung der Parkplatznutzung und helfen dabei, Engpässe und ungenutzte Kapazitäten zu identifizieren. In der dritten Phase des Projekts soll das System um ein Leitsystem erweitert werden, das den Mitarbeitenden in Echtzeit freie Parkplätze in den einzelnen Sektoren anzeigt. Die gewonnenen Auslastungsdaten bilden die Grundlage für die Entwicklung Bild 1: Hardwareaufbau MOBILITÄT Smarte Parkraumüberwachung 55 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0025 Bild 2: In Anlehnung an NVIDIA Metropolis Microservices for Jetson eines visuellen Leitsystems, das den Mitarbeitenden die Parkplatzsuche erleichtert und die Effizienz des Parkraummanagements weiter steigert. Dieses System kann sowohl in Form von Displays am Parkplatz als auch über eine mobile Anwendung zugänglich sein. 3. Aufbau der Systemarchitektur und Funktionsweise Die Entwicklung moderner KI-Systeme setzt eine enge Verbindung zwischen leistungsfähiger Hardware, flexibler Softwarearchitektur und spezialisierten KI-Modellen voraus. Das entwickelte System basiert auf drei zentralen Komponenten: Hardware, Software sowie den KI-Modellen, die für die Videoanalyse und Objekterkennung verantwortlich sind. Die Hardware basiert auf dem NVIDIA Jetson AGX Orin, einer leistungsstarken und energieeffizienten Edge-Computing-Plattform, die speziell für anspruchsvolle KI-Anwendungen konzipiert wurde (Bild 1). Die Plattform unterstützt eine Vielzahl von KI- Frameworks und -Modellen, darunter vortrainierte NVIDIA Foundation Models, YOLOv8 und eigens trainierte Modelle. Dies gewährleistet eine flexible und skalierbare KI-Implementierung (NVIDIA, 2024). Für die Videoerfassung werden netzwerkfähige Überwachungskameras eingesetzt, die das Real-Time Streaming Protocol (RTSP) unterstützen und ONVIF- oder ONVIF-S-kompatibel sind. Die Hardware wird durch eine modulare Microservice-Softwarearchitektur ergänzt, die auf NVIDIA Metropolis Microservices for Jetson basiert (Bild 2). Ein zentraler Vorteil dieser Microservices-Architektur ist die standardisierte Offenheit der Schnittstellen, die die Entwicklung und Integration eigener Microservices in die bestehende Softwarearchitektur ermöglicht (Newman, 2020). So können beispielsweise eigene Analyseverfahren oder eine mehrstufige KI- Pipeline realisiert werden (NVIDIA, 2024), in der:  ein Modell Fahrzeuge erkennt,  ein weiteres Modell Fahrzeugtypen klassifiziert (SUV, Bus, Lkw, Motorrad etc.) und  ein drittes Modell optional das Kennzeichen extrahiert. Die AI-Network-Video-Recorder(AINVR) -Referenzapplikation ermöglicht eine benutzerfreundliche Verwaltung der Kameras, die Anpassung von Analyseparametern sowie den Abruf von Echtzeitdaten. Regionen von Interesse (ROI), Tripwire-Bereiche und Ereignistrigger können genutzt werden, um auf spezifische Bewegungen oder Überschreitungen in vordefinierten Bereichen zu reagieren (Bild 3). MOBILITÄT Smarte Parkraumüberwachung 56 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0025 Bild 3: Testaufbau an der HFT Stuttgart Die entwickelte Plattform bietet Unterstützung für eine verschlüsselte Datenübertragung, gewährleistet den Zugang mittels Passwortschutz und implementiert zusätzliche Maßnahmen zur Verhinderung des unbefugten Zugriffs. Es werden keine Videodaten gespeichert, sondern lediglich Metadaten wie Erkennungsdaten, Ereignistrigger und Zonenüberschreitungen, die für die Analyse und Auswertung erforderlich sind. Der Inference Microservice von NVIDIA ermöglicht die nahtlose Integration verschiedener KI-Modelle zur Objekterkennung und -analyse. Die Foundation- Modelle wurden bereits mit einer umfangreichen Datenmenge trainiert, bieten eine hohe Genauigkeit bei der Objekterkennung und -klassifikation und können bei Bedarf durch Transfer Learning an spezifische Anforderungen angepasst werden (NVIDIA, 2024). 4. Fazit: Kamerabasierte KI-Systeme als zukunftsweisende Lösung Das Parkraummanagement auf industriellen Liegenschaften stellt Unternehmen vor wachsende Herausforderungen, insbesondere in Bezug auf Flächenknappheit und ineffiziente Parkplatznutzung. Traditionelle Sensortechnologien liefern zwar grundlegende Informationen zur Belegung von Parkplätzen, stoßen hinsichtlich Genauigkeit, Flexibilität und Analysefähigkeit jedoch an ihre Grenzen. Kamerabasierte Systeme, unterstützt durch KI-Modelle, bieten hier eine kostengünstige und deutlich leistungsfähigere Lösung. Sie erfassen nicht nur die Belegung in Echtzeit, sondern liefern auch detaillierte Informationen zu Fahrzeugtypen, Parkzeitüberschreitungen und Nutzerverhalten. Diese erweiterten Analysefähigkeiten ermöglichen eine gezielte Optimierung der Parkplatznutzung und eine verbesserte Verkehrssteuerung. Das führt zu einer effizienteren Gestaltung der betrieblichen Abläufe und gleichzeitig zu einer Reduzierung von Emissionen sowie Verkehrsbelastungen. Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Impulsprojekts „SenSim4iCity - Sensoren und Simulation für Energieeffizienz und Umwelt “ am Institut für Angewandte Forschung der Hochschule für Technik Stuttgart in Zusammenarbeit mit der Robert Bosch GmbH am Standort Schwieberdingen als Projektpartner. Das vorgestellte Ergebnis basiert auf den Erkenntnissen aus dem Teilprojekt 2 „Smart Wireless Solutions for Industrial Buildings“. MOBILITÄT Smarte Parkraumüberwachung 57 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0025 LITERATUR Practice-Beispiele. Krefeld: Industrie- und Handelskammer Mittlerer Niederrhein. Bronner, G. (2016). Flächensparen durch Parkhäuser - Erhebung in ausgewählten Gebieten in Baden-Württemberg. Canzler, D. (2024). Parken, der ruhende Verkehr und die Verkehrswene. Berlin. Disy. (23.11.2023). disy-magazin. Dresden, Deutschland. Von https: / / www.disy-magazin.de/ unsere-magazine/ disydresden/ wirtschaft/ wirtschaft/ politik/ parkmanagementfuer-unternehmen-strategien-zur-maximierung-der-effizienz-und-kosteneinsparungen/ 12.12.2024 Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg e.V. (28.07.2017). lnv-bw.de. Von https: / / lnv-bw.de/ gewerbegebiete-flaechensparen-durch-mehrfachnutzung/ 12.12.2024 Newman, S. (2020). Vom Monolithen zu Microservices. Heidelberg: O‘Reilly (dpunkt). NVIDIA. (2024). developer.nvidia.com. 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Dieter Uckelmann Professor für Digitalisierung und Informationsmanagement Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Angewandte Forschung der Hochschule für Technik Stuttgart dieter.uckelmann@hft-stuttgart.de AUTOR: INNEN \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft PM-Parken. (2024). prm-parken.de. Von https: / / www.prmparken.de/ ki-gestuetzte-parkraumbewirtschaftung- 2-0-smarte-technologien-fuer-weniger-stress-beim-parken/ 14.12.2024 van der Sant , F. (2020). „Smartes“ Parkraummanagement: Ein Schlüsselbeitrag zur nachhaltigen urbanen Mobilität. In Smart City - Made in Germany. Wiesbaden: Springer Vieweg. MOBILITÄT Smarte Parkraumüberwachung 58 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0025 \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft BUCHTIPP Markus Palic, Konstantin O. Papailiou, Guntram Schultz Freileitungen und Kabel in Hoch- und Höchstspannungsnetzen kompakt 1. Au age 2023, 256 Seiten €[D] 24,90 ISBN 978-3-381-10481-9 eISBN 978-3-381-10482-6 expert verlag - Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany \ Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ info@narr.de \ www.narr.de Das Buch enthält alle wesentlichen Grundlagen der Freileitungs- und Kabeltechnik im Hoch- und Höchstspannungsbereich in allgemein verständlicher Form. Inhalt Historie und Grundlagen des Hoch- und Höchstspannungsleitungsbaus - Aufbau und Struktur elektrischer Versorgungsnetze - Trassengestaltung - Genehmigungsverfahren und Umweltverträglichkeit - Maste, Leiterseile, Isolatoren und Armaturen - Mastgründung, Mastbau und Seilzug - Kabelkonstruktionen- und Garnituren, gasisolierte Rohrleitungen - Kabel für die Hochspannungs-Gleichstromübertragung - Vergleich der technischen Eigenschaften - Blindleistungsverhalten und übertragbare Leistung - Teilverkabelung - Gesamtkosten-Vergleich - zukünftige Entwicklungen in der Stromübertragung Zielgruppe Einsteiger und Seiteneinsteiger in das Thema Hoch- und Höchstspannungsfreileitungen und -kabel sowie Beteiligte an Plan- und Genehmigungsverfahren. Beschäftigte bei Netzbetreibern, Komponentenherstellern und Dienstleistern, die mit der Netzplanung, der Leitungsplanung, dem Bau von Freileitungen, der Verlegung von Kabeln und mit der Herstellung von Komponenten und Zubehör befasst sind. Mitglieder von Bürgerinitiativen im Rahmen von Leitungsbau-Projekten sowie Angehörige von Parlamenten, Ministerien, Agenturen und Genehmigungsbehörden, die sich mit dem Netzausbau befassen. Welchen Beitrag können Finanzmärkte zur Großen Transformation leisten? Transformationsfinanzierung, Sustainable Finance, Transition plan, CO 2 -Impact-Ansatz, Gebäudetransformation, ESG Andreas Schmitt, Joachim Jörg, Benedikte Sandbaek, Tobias Popović Die Bewältigung des Klimawandels erfordert eine umfassende Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft. Finanzmärkte spielen hierbei eine entscheidende Rolle, indem sie Kapitalströme in nachhaltige Investitionen umlenken. Ein zentraler Bestandteil ist die Transformationsfinanzierung, die Aktivitäten zur Erreichung der Klimaneutralität fördert. Ziel ist, durch innovative Finanzierungsmodelle und möglichst standardisierten Transitionspläne Investitionen mit hohem CO 2 -Reduktionspotenzial im Gebäudebereich zu priorisieren, um so die größtmögliche transformative Wirkung zu erreichen. Dieser Ansatz bietet erhebliche Potenziale zur Beschleunigung der Gebäudetransformation. Wer finanziert die Transformation Die Bewältigung des Klimawandels erfordert eine große Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft (Popovic 2018). Für Deutschland bedeutet das Investitionen in Höhe von rund sechs Billionen Euro bis 2045, um Gebäude, Anlagen und Infrastrukturen klimaneutral zu gestalten (Helmcke et al., 2021). Aktuell investieren Unternehmen etwa 55 Milliarden Euro pro Jahr in die Klimatransformation - ein Betrag, der auf mindestens 120 Milliarden Euro erhöht werden müsste, um die Klimaziele zu erreichen (Abel-Koch et al., 2022). In diesem Kontext spielt die Mobilisierung privaten Kapitals eine entscheidende Rolle, um die finanziellen Lücken zu schließen und eine nachhaltige Transformation zu ermöglichen (Popovic, 2018). Diese wachsende Relevanz von privaten Kapitalflüssen spiegelt sich in der zunehmenden Bedeutung von Sustainable Finance bzw. Nachhaltiger Finanzwirtschaft wider. Doch was bedeutet Sustainable Finance konkret, und wie fügt sich Transformationsfinanzierung als Teilgebiet in diesen Rahmen ein? Transformationsfinanzierung als Teilgebiet von Sustainable Finance Transformationsfinanzierung (engl. Transition Finance) ist ein Teilbereich von Sustainable Finance, der die Umlenkung von Kapitalströmen auf Aktivitäten fördert, die eine nachhaltige Entwicklung auf ökologischer, sozialer und Governance-Ebene (ESG) ermöglichen. Der Schwerpunkt liegt auf Maßnahmen, die nicht nur finanzielle Renditen, sondern auch eine konkrete, messbare transformative Wirkung - etwa zur Erreichung der Klimaneutralität - haben (Popovic, 2018). Ein zentraler Fokus liegt auf Aktivitäten mit direktem Einfluss auf die Erreichung von internationalen und nationalen Nachhaltigkeitszielen, im Sinne der UN Sustainable Development Goals (SDGs) und der EU-Nachhaltigkeitszielen. Für die klimaneutrale Transformation des Gebäudesektors bedeutet dies beispielsweise, dass Sanierungsmaßnahmen mit einem hohem CO 2 -Reduktionspotenzial prioritär finanziert werden sollten. Transformationsfinanzierung zielt dabei auf zwei Hauptbereiche ab: (1) Förderung von Übergangsaktivitäten: Diese Maßnahmen verbessern bestehende wirtschaftliche Tätigkeiten, die derzeit nicht vollständig den ökologischen Standards entsprechen. (2) Ermöglichungsaktivitäten: Diese zielen darauf ab, die Innovation und Infrastruktur zu unterstützen, die notwendig sind, um wirtschaftliche Tätigkeiten nachhaltig zu gestalten (Cesaro, 2023). Diese Unterscheidung ist von zentraler Bedeutung für die zielgerichtete Allokation von (privatem) Kapital. Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen hängt entscheidend von glaubwürdigen Transitionsplänen seitens der Kreditnehmer: innen und 60 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0026 FINANZIERUNGSKONZEPTE Finanzierung Der integrale „CO 2 -Impact“-Ansatz im Forschungsprojekt CREATE Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF ) geförder te Forschungsprojek t CREATE beschäftigt sich mit der Fragestellung, wie Finanzströme umgelenkt werden können, um die Transformation des Gebäudebestands voranzutreiben. Hierbei wurde ein integraler „CO 2 -Impact“-Ansatz entwickelt, der die Klimawirkung von Investitionen systematisch analysiert (Popovic et al. 2024). Als eine zentrale Notwendigkeit für die nachhaltige Transformation des Gebäudebestands wurde im Forschungsprojekt die effizientere Verknüpfung von Sanierungs- und Finanzierungsprozessen identifiziert. Eine systematische Verbindung dieser beiden Bereiche ist essenziell, um die Energieeffizienz und Investitionsempfänger: innen ab, die im Einklang mit dem Pariser Abkommen und den EU-Nachhaltigkeitszielen stehen und dem übergeordneten Ziel der Klimaneutralität folgen. Die größte Hürde für Transformationsfinanzierung ist das Fehlen einheitlicher Standards. Weder existieren klar definierte Transitionstaxonomien noch verlässliche Kennzeichnungsstandards oder CO 2 -Bepreisungssysteme, die eine koordinierte Kapitalumlenkung ermöglichen (Net-Zero Banking Alliance, 2022). Dies kann die Gefahr von Unterinvestitionen in vielversprechende Technologien und Greenwashing mit sich bringen (Baraldi et al., 2022). Daher erscheint es sinnvoll, die geforderten Transitionspläne zügig (soweit wie möglich) zu standardisieren. Dadurch können Sanierungsmaßnahmen klar den Kategorien „Übergangsaktivitäten“ und „Ermöglichungsaktivitäten“ zugeordnet werden, was die Gestaltung und Abstimmung auf verschiedenen Akteurs- und Prozessebenen erleichtert. Exemplarischer Fokus: Finanzierung der Gebäudetransformation Der Gebäudesektor ist für etwa 36 % der energiebedingten Treibhausgasemissionen in der EU verantwortlich und weist ein enormes Potenzial zur Dekarbonisierung (Europäische Kommission 2023) auf. In Deutschland umfasst der Gebäudebestand et wa 19,5 Millionen Wohngebäude, von denen 13 Millionen Einfamilienhäuser sind (Müller-Arnold, 2024). Trotz der Bedeutung dieses Sektors liegt die jährliche Sanierungsrate bei 1,1 % für 2020 bzw. 0,72 % für die Gebäudehülle, während mindestens 1,1-1,7 % erforderlich wären, um die ehrgeizigen Klimaziele zu erreichen (Holm et al., 2023). Die Vielzahl unterschiedlicher Wohngebäudetypen - von Einfamilienhäusern bis hin zu großen Mehrfamilienhäusern - erfordert differenzierte Ansätze bei der Planung und Finanzierung von energetischen Sanierungsmaßnahmen. Privatpersonen besitzen et wa 98 % der bestehenden Einfamilienhäuser und rund 52 % der Wohneinheiten in Gebäuden mit mindestens 13 Wohneinheiten (dena 2025). Diese Gruppe steht vor besonderen Hürden: Sie muss Sanierungsmaßnahmen wählen, die sowohl den gesetzlichen Vorgaben entsprechen als auch finanzierbar sind. Oft fehlen geeignete Finanzierungsinstrumente, was die Umsetzung erheblich verkompliziert bzw. im schlimmsten Fall zu einem Sanierungs-Stillstand führt. Gleichzeitig fehlt es den Finanzinstitutionen an präzisen Nachhaltigkeits- und Gebäudedaten, was die Ent wicklung innovativer Finanzierungsprodukte stark eingeschränkt. Bild 2: Einordung von Transformationsfinanzierung in Anlehnung an Mak & Vinelli (2024) Bild 1: Integraler „CO 2 - Impact“- Ansatz FINANZIERUNGSKONZEPTE Finanzierung 61 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0026 schen Bankberater: in und Kund: in und kann dadurch zur Steigerung der kundenseitigen Akzeptanz sowohl von Sanierungsmaßnahmen als auch der Finanzierungsinstrumente beitragen. Fazit und Ausblick Die Finanzierung der Nachhaltigkeitstransformation ist eine komplexe Aufgabe, die eine enge Zusammenarbeit zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft erfordert. Der integrale „CO 2 -Impact “-Ansatz zeigt, wie Investitionen effizient gelenkt werden können, um maximale Wirkung zu erzielen. Zudem leistet er einen Beitrag zum Innovationsökosystem an der Schnittstelle von Finanz- und Immobilienwirtschaft. Standardisierte Transitionspläne, gezielte Fördermaßnahmen und innovative Finanzierungsmodelle sind essenziell, um die ehrgeizigen Ziele im Gebäudesektor zu erreichen. Hinweis: Das Projekt CREATE wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in der Fördermaßnahme Klimaschutz und Finanzwirtschaft unter dem Förderkennzeichen 01L A2206A gefördert und vom Projektträger DLR e.V. für das BMBF betreut. LITERATUR Abel-Koch, J., Brüggemann, A., Köhler-Geib, F., Kohn, K., Lo, V., Römer, D., Schwartz, M., & Schwarz, M. (2022). KfW-Klimabarometer 2022: Deutsche Unternehmen investieren rund 55 Mrd. EUR in den Klimaschutz - noch zu wenig für das Ziel der Klimaneutralität. https: / / www.kfw.de/ PDF/ Download- Center/ Kon-zernthemen/ Research/ PDF-Dokumente-KfW- Klimabarometer/ KfW-Klimabarometer-2022.pdf Baraldi, D., Chitre, S., & Khaykin, I. (2022). Closing the Investment Gap: Policies to Accelerate the Net-Zero Transition. World Economic Forum. https: / / www3.wefo-rum.org/ docs/ WEF_Closing_the_Invest-ment_Gap_Policies_to_ Accelerate_Transi-tion_Finance_2022.pdf Cesaro, P. (2023, 24. Juli). The untapped links among EU transition finance, climate risks and public funding. E3G. https: / / www.e3g.org/ news/ the-untapped-links-among-eu-transition-finance-climate-risks-and-public-funding Deutsche Energie Agentur (Hrsg.) (dena, 2024). DENA Gebäudereport 2025. Zahlen, Daten, Fakten zum Klimaschutz im Gebäudebestand. https: / / www.dena.de/ fileadmin/ dena/ Publikationen/ PDFs/ 2025/ Gebaeudereport_2025_BF.pdf Europäische Kommission (2023, 07. Dezember). Kommission begrüßt politische Einigung auf neue Vorschriften zur Steigerung der Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden in der gesamten EU [Pressemitteilung]. https: / / ec.europa. eu/ commission/ presscorner/ api/ files/ document/ print/ de/ ip_23_6423/ IP_23_6423_DE.pdf Helmcke, S., Heuss, R., Hieronimus, S. & Engel, H. (2021). Net-Zero Deutschland: Chancen und Herausforderungen auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2045. https: / / www.mckinsey.de/ ~/ media/ mckinsey/ locations/ europe%20and%20middle%20 east/ deutschland/ news/ presse/ 2021/ 21-09-10%20net%20 zero%20deutschland/ mckinsey%20net-zero%20deutschland_oktober%202021.pdf Umweltverträglichkeit von Wohngebäuden deutlich zu verbessern. Die notwendige Verzahnung dieser Prozesse wird durch den integralen „CO 2 -Impact “- Ansatz unterstützt. Ziel ist es, Investitionen mit maximalem CO 2 -Einsparpotenzial zu priorisieren und passgenau Finanzierungsprodukte auszuwählen, die an die Bedürfnisse der jeweiligen Kreditnehmer: innen angepasst sind. Der Ansatz kombiniert: ƒ Lebenszyklusanalyse: Bewertung der direkten und indirekten CO 2 -Emissionen eines Gebäudes. ƒ Unterscheidung von Aktivitäten: Fokussierung auf Übergangs- und Ermöglichungsmaßnahmen. ƒ Quantifizierbare Wirkung: Zielgerichtete Finanzierung, die messbare CO 2 -Reduktionen sicherstellt. ƒ Anreize mit transformativer Wirkung: Verknüpfung der Finanzierungskonditionen sowie des Tilgungszuschusses mit den eingesparten Konditionen gem. ESG-Linked-Logik. Der Ansatz zeigt, wie Maßnahmen bewertet und priorisiert werden können. Dieser wissenschaftlich fundierte Ansatz schafft Transparenz und bietet sowohl Investor: innen als auch Kreditnehmer: innen eine solide Ent s cheidung sgrundlage. Der zeit fehlt es jedoch an einem geeigneten Instrumentarium für Transitionspläne speziell für private Gebäudeeigentümer: innen, obwohl diese ein zentrales Element der Transformationsfinanzierung sind. Ansätze wie individuelle Sanierungsfahrpläne könnten helfen, die Klimaneutralität zu erreichen, erfordern jedoch eine Weiterentwicklung der Instrumente und eine Anpassung der Wirkungsketten an die Umweltziele der EU-Taxonomie. Zudem haben sich die hohen mit dem individuellen Sanierungsfahrplan verbundenen Investitionsvolumina als großes Hemmnis herausgestellt. Daher favorisiert der CO 2 -Impact-Ansatz gemäß dem Prinzip der transformativen Wirkung eine Fokussierung auf bspw. die drei Sanierungsmaßnahmen, die gebäudespezifisch das höchste CO 2 -Reduktionspotenzial aufweisen. Gebäudespezifische Transitionspläne sollten hiermit gekoppelt werden. Sie veranschaulichen plastisch den Status quo des Gebäudes und wie die Sanierungsmaßnahmen dazu beitragen, die CO 2 -Emissionen entlang des Transitionspfads zu senken. Gleichzeitig lassen sich gem. ESG-Linked- Logik die Finanzierungskonditionen der Hausbank- und Förderkredite sowie die Tilgungszuschüsse der Förderkredite hiermit verknüpfen. Die grafische Darstellung dieser Maßnahmen vereinfacht durch Komplexitätsreduktion die Kommunikation zwi- 62 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0026 FINANZIERUNGSKONZEPTE Finanzierung Holm, A., Sprengard, C., Lohr, K., Empl, B. (2023). Klimaziellücke im Gebäudesektor: Untersuchung der Auswirkungen des aktuellen GEG-Kompromisses auf die Treibhausgasemissionen im Gebäudesektor in Deutschland. https: / / www. nabu.de/ imperia/ md/ content/ nabude/ energie/ 240429gebaeude-allianz-klimazielluecke-forschungsbericht-1.pdf Mak, W., & Vinelli, A. (2024). Navigating Transition Finance: An Action List. https: / / doi.org/ 10.56227/ 24.1.5 Müller-Arnold, B. (2024, 9. April). Mangelnde Dämmung, hohe Kosten. Der Spiegel. https: / / www.spiegel.de/ wirtschaft/ energetische-sanierung-kosten-und-zinsenbremsen-den-markt-in-deutschland-aus-a-f374cdb4- 1404-4372-b14b-deb9ba3d6cea Net-Zero Banking Alliance. (2022). 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Geschäftsführer Forschungsmanagement Hochschule für Technik Stuttgart andreas.schmitt@hft-stuttgart.de https: / / orcid.org/ 0000-0003-4974-6770 Joachim Jörg, M. Sc. Akademischer Mitarbeiter Hochschule für Technik Stuttgart joachim.joerg@hft-stuttgart.de https: / / orcid.org/ 0009-0001-8579-8343 Benedikte Sandbaek, M. Sc. Akademische Mitarbeiterin Hochschule für Technik Stuttgart benedikte.sandbaek@hft-stuttgart.de https: / / orcid.org/ 0009-0009-2437-5978 Prof. Dr. Tobias Popović Professor für Corporate & Sustainable Finance, Financial Markets & Services CSR und CO-Sprecher des ZNWM Hochschule für Technik Stuttgart tobias.popovic@hft-stuttgart.de https: / / orcid.org/ 0000-0002-7847-5925 AUTOR: INNEN FINANZIERUNGSKONZEPTE Finanzierung 63 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0026 Wie kann die Wohngebäudeversicherung zur klimaneutralen Transformation von Gebäuden beitragen? Sustainable Insurance, Nachhaltiges Produkt- und Schadenmanagement, Nachhaltige Mehrleistungen Martina Gruß-Kilian, Joachim Jörg, Tobias Popović Wohnimmobilien: Großer Sanierungsbedarf, hohe CO 2 -Emissionen Die spürbaren Auswirkungen des Klimawandels verdeutlichen die Notwendigkeit umfassender Maßnahmen auf regionaler und globaler Ebene. Dies erfordert koordinierte Anstrengungen sowohl auf individueller als auch auf kollektiver Ebene, unter Einbeziehung privater Haushalte, staatlicher Institutionen und wirtschaftlicher Akteure. Dem Gebäudesektor kommt hier eine zentrale Rolle zu, da dieser für nahezu 40-% des gesamten CO 2 -Ausstoßes in Deutschland verantwortlich ist (Dena, 2021). Die energetische Sanierung von Wohngebäuden ist daher von zentraler Bedeutung, da rund 60 % aller Wohngebäude vor Inkrafttreten der ersten Wärmeschutzverordnung (1978) errichtet wurden (Dena, 2023). Hiervon gehören 60 % zu den energieintensivsten Gebäudeklassen G und H (BMWi, 2020). Dieser hohe Anteil an energieintensiven Gebäuden gekoppelt mit einer geringen Sanierungsrate von derzeit deutlich unter 1 % pro Jahr (BuVEG, 2024) trägt erheblich zu den hohen Emissionen des Sektors bei. Versicherungen als Schlüsselakteure der nachhaltigen Transformation Versicherungen spielen eine zentrale Rolle in der klimaneutralen Transformation. Allein 2022 verwalteten deutsche Versicherer Kapitalanlagen von 1.876-Mrd. Euro (GDV, 2023). Durch gezielte nachhaltige Anlagestrategien und aktives Engagement in ihren Portfolios können sie erheblich zur Reduktion von Treibhausgasemissionen beitragen. Ein wesentlicher Hebel der „Sustainable Insurance“, also dem Fachgebiet zur Nachhaltigkeit im Versicherungswesen, findet erst langsam Einzug in die wissenschaftliche, wirtschaftliche und gesellschaftliche Diskussion: Das nachhaltige Produkt- und Schadenmanagement. Das NATIV E - Forschungsprojekt (DBU, A Z: 34710/ 01) entwickelte erstmals ein Bewertungssystem, das die Nachhaltigkeitsleistungen von Sachversicherungen anhand von über 300 Kriterien analysiert. Im Fokus steht die transformative Wirkung, also die Fähigkeit, durch Versicherungsprodukte ökologische, soziale und wirtschaftliche Veränderungen voranzutreiben. Die Ergebnisse zeigen, dass Versicherer nicht nur über Kapitalanlagen, sondern auch durch Zeichnungsrichtlinien, Produktgestaltung, Beratung und Schadenmanagement die Treibhausgasemissionen des Gebäudesektors senken können (Popović et al., 2021). Besonders die Wohngebäudeversicherung (VGV) bietet großes Potenzial: 2023 wurden hier Schäden in Höhe von 8,6 Mrd. Euro reguliert (GDV, 2024). Durch gezielte Anreize für klimafreundliche Sanierungen, die Förderung nachhaltiger Energieinfrastrukturen, präventive Maßnahmen und eine nachhaltigkeitsorientierte Schadenregulierung kann die Versicherungsbranche wesentlich zur Emissionsreduktion beitragen. Forschungsfokus: Förderung von Sanierung und Modernisierung durch Versicherungen Das Forschungsprojekt CREATE (FKZ: 01LA2206A), gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung, untersucht die zentrale Fragestellung: „Wie und mit welchen ‚Offerings‘ (Angeboten, Produkten, Services) können Banken und Versicherungen die größtmögliche transformative Wirkung auf den Gebäudebestand erzielen? “ Ein Forschungsschwerpunkt des Projekts war daher die Förderung der Modernisierung und Sanie- 64 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0027 FINANZIERUNGSKONZEPTE Wohngebäudeversicherung satzbausteine für Photovoltaik- und erneuerbare Energien sowie spezielle Nachhaltigkeits-Bausteine. Über die reine Risikoabsicherung hinaus kann die VGV eine Vielzahl weiterer nachhaltiger Elemente bzw. „Öko-Add-Ons“ enthalten oder bereitstellen, z.B. nachhaltige Kapitalanlage, Spenden, angepasste Versicherungsprämien bei präventiven Maßnahmen. Nachhaltige Mehrleistungen mit CO 2 -einsparender Wirkung Bei fokussierter Betrachtung der nachhaltigen Mehrleistungen sind es insbesondere Merkmale im Zusammenhang mit der Sanierung von Heizungsanlagen sowie der Verbesserung der Dämmung, die eine zentrale Rolle bei der Einsparung von Treibhausgasen (THG) spielen. Darüber hinaus können bauliche Veränderungen nach einem Schadensfall zur Verringerung schädlicher Emissionen beitragen, sei es durch präventive Maßnahmen, und damit Steigerung der Resilienz, oder den Einsatz THG-reduzierter Schadenbehebungsprozesse und umweltfreundlicher Materialien. Im Folgenden ein paar Beispiele. Die Versicherungsklausel „Mehrleistung für behördlich nicht vorgeschriebene energetische Modernisierung“ zielt darauf ab, dass die Versicherung im Schadensfall nicht nur die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands übernimmt, sondern sich auch an den Kosten für die energetische Sanierung beteiligt, die die gesetzlichen Mindestvorgaben übertreffen. So kann beispielsweise anstatt Regulierung eines defekten konventionellen Gas- oder Ölkessels eine Wärmepumpe oder eine Hybridheizung mit Solarkollektoren die Regulierungsempfehlung sein. Als sinnvolle Grundlage gilt das Leistungsmerkmal „Mehrkosten für eine Beratung zur Modernisierung und Sanierung“ bzw. noch spezieller „Beratung durch rung von Ein- und Zweifamilienhäusern innerhalb der Wohngebäudeversicherung. Dazu wurden 34 Premium-Wohngebäudepolicen (10-11/ 2023) analysiert, zwei Umfragen mit Versicherungskund: innen und Versicherern durchgeführt sowie Expert: innen- Interviews ausgewertet. Transformative Produktkomponenten in der Wohngebäudeversicherung Die Untersuchungen zeigen, dass nachhaltige Aspekte in Versicherungstarifen vorrangig durch drei zentrale Elemente im Rahmen der Risikoabsicherung integriert werden: Versicherungsleistungen, Versicherungsgegenstand und Angebot an Zusatzbausteinen (Abb. 1). Im Rahmen der Versicherungsleistungen sind insbesondere die „Mehrleistungen für nachhaltigen Schadenersatz“ relevant. Konkret bedeutet dies, dass Versicherungen im Schadenfall Kosten und Aufwände übernehmen, die über die marktübliche Regulierung „nach gleicher Art und Güte“ hinausgehen und dem Prinzip „Nachhaltig verantwortungsvoller und besserer Art und Güte“ entsprechen. Ein weiterer wesentlicher Beitrag der Versicherungswirtschaft besteht in der Mitversicherung nachhaltiger Technologien (= Versicherungsgegenstand). Konkret also die Absicherung von nicht fest mit dem Wohngebäude verbundenen Geräten und Anlagen im Bereich der erneuerbaren Energien, nachhaltiger Mobilität und zur Energieeinsparung bzw. -speicherung. Zusätzlich kann der Versicherungsschutz über optionale Zusatzbausteine erweitert werden, um nachhaltige Aspekte gezielt abzudecken bzw. bedarfsgerecht zu erweitern. Dazu gehören Elementarschutzbzw. Naturgefahren-Deckungen, Zu- Bild 1: Transformative Produktkomponenten (eigene Darstellung) FINANZIERUNGSKONZEPTE Wohngebäudeversicherung 65 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0027 Danksagung: Die Forschungsergebnisse entstanden mit der Unterstützung von Luca Louis, Anna Schirpke-Theel und Marcus Reichenberg (Greensurance Stiftung gGmbH). LITERATUR Bundesregierung. https: / / www.bmwk.de/ Redaktion/ DE/ Publikationen/ Energie/ langfristige-renovierungsstrategie-derbundesregierung.html BuVEG - Bundesverband energieeffiziente Gebäudehülle e.V. (2024, 25. Oktober). Sanierungsquote 2024: Weiter auf geringem Niveau [Pressemitteilung]. https: / / buveg.de/ pressemeldungen/ sanierungsquote-2024-weiter-auf-geringemniveau/ Dena - Deutsche Energie-Agentur (Hrsg.). (2021). DENA-GEBÄU- DEREPORT 2022. Zahlen, Daten, Fakten. https: / / www.dena. de/ infocenter/ dena-gebaeudereport-2022/ Dena - Deutsche Energie-Agentur (Hrsg.). (2023). DENA-GEBÄU- DEREPOR 2024. Zahlen, Daten, Fakten zum Klimaschutz im Gebäudebestand. https: / / www.dena.de/ infocenter/ denagebaeudereport-2024/ GDV - Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (Hrsg.). (2023). Statistiken zur deutschen Versicherungswirtschaft - Versicherungsbranche insgesamt. https: / / www.gdv.de/ gdv/ statistik/ statistiken-zur-deutschen-versicherungswirtschaft-uebersicht/ brancheinsgesamt#kapitalanlagen GDV - Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (Hrsg.). (2024). Statistiken zur deutschen Versicherungswirtschaft - 74a. Wohngebäudeversicherung: Schäden je Gefahr. https: / / www.gdv.de/ gdv/ statistik/ statistiken-zurdeutschen-versicherungswirtschaft-uebersicht/ schadenund-unfallversicherung/ einzelgefahren-verbundenenwohngebaeudeversicherung-schadenentwicklung-151986 Popović, T., Reichard-Chahine, J., Reichenberg, M., Schirpke, A., Seeberger, A. C. & Wozniak, A. (2021). Sustainable Insurance - Nachhaltiger Konsum am Beispiel von Versicherungsprodukten, -dienstleistungen und -beratung. In W. Wellbrock & D. Ludin (Hrsg.), Nachhaltiger Konsum: Best Practices aus Wissenschaft, Unternehmenspraxis, Gesellschaft, Verwaltung und Politik (S. 917-935). Springer Gabler. https: / / doi.org/ 10.1007/ 978-3-658-33353-9_55 vom BAFA zugelassene Energieberater bzw. qualifizierte baubiologische Berater“. Nach einem größeren Schadensfall müssen Hausbesitzer oft komplexe Entscheidungen treffen. Die Beratung hilft dabei, die besten Lösungen - etwa zur energetischen Sanierung oder zum Einsatz nachhaltiger Materialien - zu finden und gleichzeitig Fördermöglichkeiten zu nutzen. Die Klausel „Mehrleistung für umweltschonende und baubiologische Baumaterialien“ fördert den Einsatz ressourcenschonender, langlebiger und gesundheitlich unbedenklicher Materialien. Diese bestehen oft aus nachwachsenden Rohstoffen oder recycelten Materialien und weisen eine bessere Umweltbilanz als Beton oder Kunststoff auf, insbesondere über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg. Mehrleistungen für Prävention zielen darauf ab, Schäden von vornherein zu vermeiden oder deren Ausmaß zu reduzieren. Sie können vorbeugend (exante) durch Schutzmaßnahmen oder nach einem Schadensfall (ex-post) zur Risikominderung eingesetzt werden. Praxisbeispiele zeigen, dass präventive Maßnahmen die Widerstandsfähigkeit (Resilienz) von Gebäuden deutlich erhöhen. Wasserdruckdichte Kellerfenster und -türen verringern das Risiko von Hochwasserschäden, während ein HKC-Hochwasserpass Gefährdungspotenziale identifiziert und Schutzmaßnahmen empfiehlt. Doch nicht nur klimabedingte Schäden sind relevant: Über 50 % der Schadenleistungen in der Wohngebäudeversicherung entfielen 2023 auf Leitungswasserschäden (GDV, 2024). Hier bieten Sensoren zur Leckerkennung eine wirksame Lösung, indem sie frühzeitig Schäden detektieren und so großen Reparaturaufwand sowie Folgeschäden verhindern. Fazit und Ausblick Die Versicherungsbranche hat das Potenzial, die Klimabilanz von Gebäuden durch nachhaltige Mehrleistungen erheblich zu verbessern. Notwendige Voraussetzung ist jedoch der Anspruch und die Anwendung dieser nachhaltigen Klauseln im Schadensfall. Damit diese Transformationsbemühungen glaubwürdig und wirksam sind, sollten daher nachhaltige Optionen nicht nur in Premium-Tarifen, sondern auch in gängigen Tarifvarianten verfügbar sein. Zudem ist es essenziell, Versicherte im Sinne einer „Bringschuld“ aktiv über nachhaltige Versicherungslösungen zu informieren - sowohl bei Vertragsabschluss als auch im Schadensfall, wo deren Anwendung systematisch gefördert werden sollte. Das CREATE-Projekt setzt hier an und entwickelt praxisorientierte Handlungsempfehlungen, um die Transformation der Versicherungsprodukte weiter voranzutreiben. Martina Gruß-Kilian, Dipl. Kauffr. Greensurance Stiftung gGmbH Kaltenmoserstraße 10, 82362 Weilheim i. OB gruss-kilian@greensurance-stiftung.de www.greensurance-stiftung.de Joachim Jörg, M. Sc. Hochschule für Technik Stuttgart chellingstr. 24, 70174 Stuttgart joachim.joerg@hft-stuttgart.de https: / / orcid.org/ 0009-0001-8579-8343 Prof. Dr. Tobias Popović Hochschule für Technik Stuttgart Schellingstr. 24, 70174 Stuttgart tobias.popovic@hft-stuttgart.de https: / / orcid.org/ 0000-0002-7847-5925 AUTOR: INNEN \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft 66 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0027 FINANZIERUNGSKONZEPTE Wohngebäudeversicherung \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft \ Tourismus \ VWL \ Maschinenbau \ Politikwissenschaft \ Elektrotechnik \ Mathematik & Statistik \ Management \ Altphilologie \ Sport \ Gesundheit \ Romanistik \ Theologie \ Kulturwissenschaften \ Soziologie \ Theaterwissenschaft \ Geschichte \ Spracherwerb \ Philosophie \ Medien- und Kommunikationswissenschaft \ Linguistik \ Literaturgeschichte \ Anglistik \ Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft Bauwesen \ Fremdsprachendidaktik \ DaF \ Germanistik \ Literaturwissenschaft \ Rechtswissenschaft \ Historische Sprachwissenschaft \ Slawistik \ Skandinavistik \ BWL \ Wirtschaft BUCHTIPP expert verlag - Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany \ Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ info@narr.de \ www.narr.de Inmitten zunehmender Urbanisierung und einer weiterhin steigenden Anzahl zugelassener Fahrzeuge wird die Bedeutung von Parkbauten weiter zunehmen. Gleichzeitig streben immer mehr Städte an, autofrei zu werden. Parkbauten können dabei einen bedeutenden Beitrag zur Entlastung des innerstädtischen Verkehrs und der Infrastruktur leisten. Die Art und Weise, wie sie gestaltet und genutzt werden, wurden in den letzten Jahren bereits an die sich ändernden Mobilitäts- und Nachhaltigkeitstrends angepasst. Dieser Prozess ist intensiv fortzusetzen. Konzeption, Technik und Management von Parkbauten nehmen eine Schlüsselrolle ein, um Mobilität zu gestalten, Innenstädte zu entlasten und gleichzeitig Ressourcen ef zienter zu nutzen. Das 11. Kolloquium Parkbauten bietet mit einem breiten Spektrum an planungsorientierten, bautechnischen, baubetrieblichen Vorträgen aus unterschiedlichen Fachbereichen, gehalten von anerkannten Experten, und Austauschmöglichkeiten eine ideale Plattform zur Bewältigung der dabei anstehenden Herausforderungen. Susanne Gieler-Breßmer (Hrsg.) 11. Kolloquium Parkbauten Planung, Gestaltung, Bau, Instandhaltung, Betrieb von Parkhäusern und Tiefgaragen Tagungshandbuch 2024 1. Au age 2024, 295 Seiten €[D] 148,00 ISBN 978-3-381-11821-2 eISBN 978-3-381-11822-9 Transformationsfinanzierung für die Wärmewende - Den Kapitalmarkt zur Finanzierung von Wärmenetzen erschließen Wärmewende, Finanzierung, Sustainable Infrastructure Finance, Große Transformation, Transformationsfinanzierung, Blended Finance Tobias Popović Die Wärmeversorgung von Gebäuden zählt zu den größten CO 2 -Emittenten. Die kommunale Wärmeplanung liefert zwar Ansatzpunkte zur Dekarbonisierung von Gebäuden und Wärmenetzen; angesichts der hohen öffentlichen Defizite und Verschuldungsgrade stellt sich jedoch die Frage der Finanzierung der Wärmewende. Basierend auf Ergebnissen des EU-geförderten Vorhabens REWARDHeat wird aufgezeigt, wie über den Kapitalmarkt Investoren gewonnen und privates Kapital mobilisiert werden kann. Ein besonderer Fokus richtet sich hierbei auf zentrale Finanzierungsplattformen und Blended-Finance- Ansätze. Einleitung Gebäude, v.a. Wohnimmobilien, sind für ca. 30 % der CO 2 -Emissionen in Deutschland verantwortlich. Gleichzeitig ist der Gebäudebereich einer von zwei Sektoren, der in den letzten Jahren regelmäßig die Klimaziele der Bundesregierung verfehlt hat. Hauptursachen für die hohen CO 2 -Emissionen sind der hohe Bedarf an Wärme und Warmwasser, v.a. in Bestandsgebäuden der Baujahre 1950 bis 1979, die zugleich einen hohen Sanierungsrückstand aufweisen. Obgleich der Ausbau der Wärmenetze einen großen Beitrag zur Dekarbonisierung des Gebäudebestands leisten kann, wurden sie sowohl in der öffentlichen Diskussion als auch in der Gestaltung der Förderlandschaft bislang eher vernachlässigt (Popovic at al., 2025; VKU, 2023). Zur Erschließung dieses Dekarbonisierungspotenzials müssten in der EU bis 2050 21.500 neue Fernwärmenetze errichtet sowie bestehende Netze zum Großteil auf CO 2 -arme Energiequellen umgerüstet werden (Danfoss, 2020; Mathiesen et al., 2024; Thamling et al., 2020). Hierzu sind erhebliche Investitionsvolumina notwendig, die im Widerspruch zu den hohen Defiziten und Verschuldungsgraden in den öffentlichen Haushalten stehen. Umso wichtiger ist es daher, den Kapitalmarkt systematisch für die Finanzierung von Wärmenetzen zu erschließen. Hohe Investitionsbedarfe - knappe öffentliche Mittel Kommunale Wärmeplanung trägt bundesweit zunehmend zur Transparenz hinsichtlich der Ausbaupotenziale von Wärmenetzen bei. Allerdings sind zur Realisierung des entsprechenden Ausbaus Investitionsbedarfe von bis zu 150 Mrd. Euro bis 2030 und ca. weitere 400 Mrd. Euro bis 2050 zu erwarten (Popovic et al., 2025). Ursächlich ist hierfür primär der Umstand, dass die Netze vielerorts - im Gegensatz bspw. zu Schweden und Dänemark - vollständig neu installiert werden müssen, es sich in der Mehrheit also um „Greenfield“-Projekte handelt. Da in den letzten Jahren bundesweit die Defizite in den kommunalen Haushalten erheblich gestiegen sind, ist die Finanzierung wichtiger Aufgaben der Daseinsvorsorge, insb. in investitionsintensiven Bereichen, zunehmend in Frage gestellt (Henneke, 2025; von Altenbockum, 2025). Die Spielräume für Zukunftsinvestitionen wie Wärmenetze werden immer kleiner (Bertelsmann Stiftung, 2023; Deutscher Städtetag, 2024). Im bundesweiten Durchschnitt wird bei über der Hälfte der Kommunen der Investitionsrückstand in vielen Bereichen immer größer, da bereits jetzt wichtige Investitionen nicht mehr durchgeführt werden können (Raffer & Scheller, 2024). Insofern stellt 68 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0028 FINANZIERUNGSKONZEPTE Wärmewende die Investitionsrisiken besonders hoch sind, investiert werden muss. Aus Investorensicht führt dies zu einer unattraktiven Rendite-Risiko-Relation, was Wärmenetze - selbst für nachhaltigkeitsorientierte Investoren sowie für Investoren, die infolge des EU- Aktionsplans ihre Investmentportfolien dekarbonisieren müssen - wenig interessant erscheinen lässt. Eine Lösungsmöglichkeit bieten hier Blended-Finance-Ansätze (vgl. Abb. 1), bei denen die öffentliche Hand mit Hilfe von bspw. Bürgschaften und Garantien das Investorenrisiko reduziert, woraus für langfristig orientierte Investoren (z.B. Versicherungen, Investmentfonds, Pensionsfonds) eine verbesserte Rendite-Risiko-Relation resultiert. Ziel dieses „De-Risiking“ ist es, das Investoreninteresse zu steigern und somit Kapital zur Finanzierung von Wärmenetzen zu mobilisieren (Popovic et al., 2024). Um in kurzer Zeit möglichst viel Kapital in die Finanzierung von Wärmenetzen zu lenken, bietet sich die Einrichtung einer zentralen Kapitalmarktplattform auf Bundes- oder Landesebene z.B. nach dem Vorbild der dänischen KommuneKredit an (Popovic et al., 2024). Zur Mobilisierung von „Bürgerkapital“, also Gelder, die von Bürger: innen i.S. von Retailinvestoren zur Verfügung gestellt werden, eignen sich Wärmegenossenschaften ebenso wie European Long-Term Investment Funds (ELTIFs) und Genussscheine zur Stärkung des Eigenkapitals, das Stadtwerke für den Auf- und Ausbau von Wärmenetzen benötigen (Popovic et al., 2025). Wärmegenossenschaften bieten aufgrund des lokalen Bezugs zudem den Vorteil, dass sich die Bürger: innen mit den Projekten vor Ort identifizieren sowie sich aufgrund der demokratischen Governance auch in die Gestaltung der Genossenschaften einbringen können. sich zunehmend die Frage, wie privates Kapital über die Finanzmärkte für den CO 2 -armen Wärmenetzausbau mobilisiert werden kann. Regulatorik mit Optimierungsbedarf Grundsätzlich haben sich die Rahmenbedingungen zur Mobilisierung von Kapital über die Finanzmärkte zu Finanzierung von Wärmenetzen in den letzten Jahren verbessert. Das erste Oberziel des von der EU 2018 verabschiedeten Aktionsplans zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums zielt auf die Umlenkung von Kapitalströmen hin zu nachhaltigen Assets. Was unter „nachhaltig“ zu verstehen ist, definiert die EU-Taxonomie als eines von zehn Maßnahmenpaketen des Aktionsplans (EU Kommission, 2020). Allerdings bedarf es einer deutlich verbesserten Harmonisierung der Finanzmarktregulatorik mit den regulatorischen Vorgaben aus dem Energiebereich (z.B. EED, RED III) sowie mit der CO 2 -Bepreisung (Popovic et al., 2025). Innovative Ansätze im Bereich Sustainable Infrastructure Finance Weit definiert geht Sustainable Infrastructure Finance (SIF) der Frage nach, wie der immense Investitionsbedarf in nachhaltige Infrastrukturen (z.B. (Abfall-)Wasser, Wärmeenergie, digitale Infrastrukturen usw.) finanziert werden kann und welche Investoren die erforderlichen Mittel zu Verfügung stellen können (Popovic, 2022). Wesentlich ist hierbei die Berücksichtigung der phasenspezifischen Risiken entlang des Infrastrukturlebenszyklusses (responsability, 2020). Dies ist insb. für den geplanten Wärmenetzausbau in Deutschland relevant, da hier - anders als bspw. in skandinavischen Ländern - v.a. in Greenfield-Projekte in den frühen Lebenszyklusphasen, in denen Bild 1: Blended Finance - Mobilisierung des Finanzmarkts (Popovic et al., 2014) FINANZIERUNGSKONZEPTE Wärmewende 69 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0028 Popović, T. (2022). Wärmewende in Gebäuden und Infrastruktur - Sustainable Real Estate Finance und Sustainable Infrastructure Finance als Hebel? . H. Rogall. Jahrbuch Nachhaltige Ökonomie 2022/ 23, Im Brennpunkt: Kommunale Wärmewende. Marburg 2022. Popovic, T., Canas da Costa, L. (2020). Financing Sustainable Infrastructures in a Smart Cities’ Context — Innovative Concepts, Solutions and Instruments, in: Planing P., Müller P., Dehdari P. & Bäumer T. (Hrsg.) Innovations for Metropolitan Areas. Berlin/ Heidelberg, https: / / doi.org/ 10.1007/ 978- 3-662-60806-7_18 Popovic, T., Denk, I., Weber. M., Bopp, R. E., Veit, P. (2025): Positionspapier Sustainable Infrastructure Finance - Finanzierung der Wärmewende - Innovative Ansätze für Stuttgart und Baden-Württemberg, Stuttgart, März 2025 Popovic, T., Lygnerud, K, Denk, I., Fransson, N. & Unluturk, B. (2024). Blended finance as a catalyst for accelerating the European heat transition? , Smart Energy, Volume 14, 2024, 100136, ISSN 2666-9552, https: / / doi.org/ 10.1016/ j. segy.2024.100136 Raffer, C., Scheller, H. (2024). KfW-Kommunalpanel 2024, KfW/ difu (Hrsg.) (2024), Frankfurt/ Berlin, Mai 2024, S. 11-16. responsability (2020). Blended Finance für mehr Nachhaltigkeit im Portfolio. https: / / www.responsability.com/ de/ magazin/ blended-finance-fur-mehr-nachhaltigkeit-importfolio Thamling N., Langreder N., Rau, D., Wünsch, M., Maaß, C., Sandrock M., Fuß, G., Möhring P., Purkus, A. & Strodel, N. (2020). Perspektive der Fernwärme 2030 - Maßnahmenprogramm 2030 - Aus- und Umbau städtischer Fernwärme als Beitrag einer sozial-ökologischen Wärmepolitik. Im Auftrag des AGFW | Der Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte und KWK e. V. https: / / www.hamburg-institut.com/ wpcontent/ uploads/ 2021/ 06/ AGFW_Perspektive_der_Fernwaerme_2030_final.pdf VKU - BdeW - Deloitte (2023). Kapital für die Energiewende [Positionspapier]. https: / / www2.deloitte.com/ content/ dam/ Deloitte/ de/ Documents/ sustainability/ Vku-Bdew- Deloitte-Kapital-fuer-die-Energiewende.pdf von Altenbockum, J. (2025). Defizit der Kommunen dramatisch gestiegen, in: FAZ, 10.01.2025, https: / / zeitung.faz.net/ faz/ politik/ 2025-01-10/ 306384e2efd4071f0d4ce1789ad2050f / ? GEPC=s5); Fazit und Ausblick Aufgrund des bestehenden Zeitdrucks sowie der immensen Investitionssummen, die für den Ausbau der Wärmenetze benötigt werden, sollten möglichst viele Finanzierungswege gleichzeitig beschritten werden. Hinsichtlich der Gestaltung der Förderlandschaft erscheint es angebracht, den Ausbau von Wärmenetzen gegenüber der Einzelgebäude übergangsweise zu priorisieren, da so größere Dekarbonisierungsfortschritte im Gebäudebereich zu erwarten sind. Hinweis: Das Projekt REWARDHeat wurde im Rahmen der Fördervereinbarung Nr. 857811 aus dem Forschungs- und Innovationsprogramm „Horizon 2020“ der Europäischen Union finanziert. Die Europäische Kommission haftet nicht für die Nutzung der darin enthaltenen Informationen. LITERATUR Bertelsmann Stiftung (2023). Kommunaler Finanzreport 2023 - Finanzen als Voraussetzung und Hebel integrierter Nachhaltigkeitssteuerung, Gütersloh, September 2023 Danfoss (2020). Klimaschutzpotenzial der Fernwärme mit innovativen Technologien ausschöpfen. https: / / www.danfoss.com/ de-de/ about-danfoss/ news/ dhs/ klimaschutzpotenzial-der-fernwaerme-mit-innovativen-technologienausschoepfen/ , Deutscher Landkreistag (2025). Kommunales Defizit dramatisch gestiegen, 11.01.2025, https: / / www.landkreistag.de/ presseforum/ nachrichten/ 3436-kommunales-defizit-dramatisch-gestiegen Deutscher Städtetag (2024): Stadtfinanzen 2023, Beiträge zur Stadtpolitik 120, Berlin/ Köln 2023 EU Kommission (2020). Renewed sustainable finance strategy and implementation of the action plan on financing sustainable growth, https: / / finance.ec.europa.eu/ publications/ renewed-sustainable-finance-strategy-and-implementation-action-plan-financing-sustainable-growth_en, August 2020 Henneke, H.-G. (2025). Karlsruhe muss endlich für Ordnung sorgen, in: FAZ, Nr. 9, 11.01.2025, S. 8 (sowie https: / / www. faz.net/ aktuell/ politik/ inland/ kommunale-finanzkrisekarlsruhe-sollte-bund-und-laender-in-die-schranken-weisen-110222956.html) KommuneKredit (2025). Providing equal opportunities for local growth, https: / / www.kommunekredit.com/ ; Mathiesen, B. V., Wild, C. & Nielsen, S. (2023). Heat Matters: The Missing Link in REPowerEU. 2030 District Heating Deployment for a long-term Fossil-free Future. Aalborg University Denmark, https: / / vbn.aau.dk/ ws/ portalfiles/ portal/ 603638943/ 20231114_REPower_District_Heating_ HRE5_Final_V2.pdf Prof. Dr. Tobias Popović Professor für Corporate & Sustainable Finance, Financial Markets & Services CSR und Co-Sprecher des ZNWM Hochschule für Technik Stuttgart Schellingstr. 24, 70174 Stuttgart tobias.popovic@hft-stuttgart.de https: / / www.hft-stuttgart.de/ p/ tobiaspopovic https: / / orcid.org/ 0000-0002-7847-5925 AUTOR: INNEN 70 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0028 FINANZIERUNGSKONZEPTE Wärmewende zur Bewältigung von Krisensituationen und Veränderungen als auch die urbane Resilienz unserer Städte zur Schaffung nachhaltiger Rahmenbedingungen (Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, 2021; Bundesministerium für Bau-, Stadt- und Raumforschung, 2021). Urbane Resilienz erfordert innovative Ansätze, die ökologische Stadtplanung mit den Bedürfnissen der Bewohner*innen verknüpfen (Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, 2021). Transdisziplinäre Forschung als Beitrag zur urbanen Resilienz in Stuttgart Subjektives Wohlbefinden und mentale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen im öffentlichen Raum Nachhaltige Stadtentwicklung, subjektives Wohlbefinden, psychische Gesundheit in der Stadt, Reallabor, Partizipation, Kinder und Jugendliche, urbane Lebensqualität Amando Reber, Christina Simon-Philipp Es gibt kaum partizipative Studien zum Zusammenspiel von Stadtraum und Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen (KiJu). Hier setzt das transdisziplinäre Projekt SURe21 an. Das Nordbahnhofviertel steht durch Stuttgart 21 vor städtebaulichen und gesellschaftlichen Herausforderungen: Wie können Bestands- und Neubaugebiet gemeinsam nachhaltig mit Fokus auf menschlichem Wohlbefinden entwickelt werden? Eine Quartiersanalyse im Mixed-Methods-Ansatz (Online-Umfrage, Magnettafelspiel, Interview, Fokusgruppen) erfasste die Wünsche junger Menschen für eine klimagerechte Stadtentwicklung. 1. Relevanz und Fragestellung Im Kontext der Frage, wie wir in Zukunft leben wollen, rücken Nachhaltigkeit, Ökologie und Soziales zunehmend in den Fokus der Stadtentwicklung. Wachsende soziale Ungleichheiten, Klima- und Strukturwandel machen urbane Transformationsprozesse notwendig (Schneidewind, 2019). Die SARS-CoV-2-Pandemie hat zudem gezeigt, wie verwundbar unser Gesellschaftssystem und unsere Städte gegenüber Extremereignissen sind. Daher ist es wichtig, Resilienz zu kultivieren - sowohl die psychologische Resilienz 71 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0029 Kinder und Jugendliche (KiJu) sind eine zentrale Zielgruppe, um Resilienz, Wohlbefinden und gesellschaftliche Teilhabe frühzeitig zu fördern, da sie besonders anfällig für Umwelt- und Klimabelastungen sind (Chen et al., 2014; Su et al., 2011). Studien belegen, dass handlungsorientierte Projekte mit Naturerfahrungen Bildungsprozesse bei KiJu fördern und ihre Bereitschaft erhöhen, zur urbanen Resilienz beizutragen (Gebhard et al., 2022). Dennoch sind sie laut Bundesamt für Naturschutz bisher kaum in Umwelt- und Resilienzstrategien eingebunden (Lampert et al., 2022). Partizipative Projekte bieten hierfür das Potenzial, wichtige Kompetenzen zu vermitteln und eine stärkere Verbindung zur Natur zu schaffen, was langfristig zur nachhaltigen Stadtentwicklung beiträgt (Gansser & Reich, 2023; Ojala et al., 2021). Das transdisziplinäre Forschungsprojekt SURe21 knüpfte hier an, um die Gesundheit, soziale Integration und das Umweltbewusstsein von KiJu zu fördern. Es untersuchte die Verknüpfung von Stadtraum und subjektivem Wohlbefinden. Es wurden jugendgerechte, partizipative Methoden entwickelt, die nicht nur Umweltbewusstsein, Zugehörigkeitsgefühl und Bildungsgerechtigkeit fördern, sondern auch Kommunen bei zukünftigen Projekten unterstützen und gleichzeitig zur Umsetzung der Ziele der Agenda 2030 beitragen können. Als wirksame Strategie wurden zielgruppengerechte, partizipative Formate identifiziert, um herauszufinden, welche Maßnahmen zu blau-grüner Infrastruktur die psychische Resilienz und das subjektive Wohlbefinden von KiJu verbessern können. Dazu wurden qualitative und quantitative Methoden kombiniert und Erkenntnisse aus Stadtplanung, Public Health und Psychologie integriert. Dieser transdisziplinäre Ansatz wurde am Beispiel des Stuttgarter Nordbahnhofviertels untersucht, das durch soziale Herausforderungen und den Gentrifizierungsdruck im Kontext von Stuttgart 21 geprägt ist. Die Daten wurden mit einem ähnlichen Sozialraum „Stöckach/ Stuttgart-Ost “ als Kontrollgebiet verglichen. 2. Studiendesign und Forschungsmethoden SURe21 zielte darauf ab, KiJu für ihre aktive Mitgestaltung im gesellschaftlichen Transformationsprozess hin zu klimagerechten Städten zu sensibilisieren. Ziel war es, partizipative, übertragbare Ansätze zu entwickeln, die KiJu niederschwellig in Stadtplanungsprozesse einbinden. Ortsansässige Institutionen, die an der Sozialraumentwicklung und der Lebenswelt der KiJu beteiligt sind, wurden als Expert*innen einbezogen. SURe21 adressierte folgende Projektziele: 1) Statistische Auswertung; 2) Rekrutierung neuer Kooperationspartnerschaften; 3) Durchführung einer Quartiersanalyse im Mixed-Methods-Ansatz mit folgenden Untersuchungsmethoden: a) Quantitative Online-Kurzbefragung mit 14 Items zur Erfassung von Wünschen und Bedürfnissen junger Menschen für eine klimagerechte, sozial nachhaltige Stadtentwicklung; b) Magnettafelspiel als niederschwellige, spielerische Teilhabemöglichkeit für KiJu, um ihre „Wunsch-Straße“ als Vision für eine Stadt der Zukunft zu gestalten; c) Teilstrukturiertes Interview mit einer Müttergruppe, um deren Eindrücke und Wünsche als Expertinnen für die Belange ihrer Kinder zu erheben; d) Zwei Fokusgruppenbefragungen mit KiJu, um spezifische Informationen zu Lebensumfeld Bild 1: Kurzbefragung und Magnettafelspiel mit KiJu, Foto: Reber 72 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0029 WOHLBEFINDEN IM URBANEN RAUM Wohlbefinden SURe21 wurde in verschiedenen Kontexten vorgestellt. Auffallend war hierbei zunächst eine spürbare Skepsis der angefragten Institutionen, zurückzuführen auf die Vielzahl von Beteiligungsprojekten. Diese waren als wenig niederschwellig und ergebnislos wahrgenommen worden, was zu einer allgemeinen Resignation geführt hatte. 3) Durchführung einer Quartiersanalyse im Mixed-Methods-Ansatz  KiJu verbringen viel Zeit im öffentlichen Raum, der jedoch kaum altersgerechte Freizeitangebote bietet; sie wünschen sich wetterfeste Aufenthaltsmöglichkeiten und robuste Outdoor-Sportmöglichkeiten. Trotz enger Bindung an ihr Viertel erleben sie eine belastende Lebensumgebung, was ihre mentale Gesundheit beeinträchtigt, während Skepsis gegenüber Bürgerbeteiligungsprozessen und ein geringes Naturbewusstsein ihre Handlungsmöglichkeiten einschränken. In einer quantitativen Online-Kurzbefragung (n = 173, Alter 10-22 Jahre; 55 % männlich, 42 % weiblich, 3 % divers) äußerten sich KiJu aus dem Nordbahnhofviertel (n = 41) und Stuttgart (n = 132) zu Freizeitverhalten und Wünschen: Häufigste Aktivitäten waren Sport, Zocken, Rausgehen, Chillen, Jugendhaus und Treffen mit Freund*innen. 70 % wünschten mehr jugendgerechte Orte wie Sportplätze, Grünflächen und Sitzgelegenheiten (54 % Sportplätze/ Sitze, 31 % Grün-/ Wasserflächen). 78 % der KiJu schätzten Naturaufenthalte, 51 % waren sich Umweltproblemen bewusst, und 44 % engagierten sich für Umweltschutz. Das Magnettafelspiel hat aufgezeigt, dass Sitzmöglichkeiten sowie Wasser- und Grünflächen zu und Zugehörigkeitsgefühl, Naturverbundenheit und Umweltschutz sowie der Erfahrung mit Beteiligungsformaten zu erfassen. 3. Erkenntnisse 1) Statistische Auswertung  Die Zielgebiete (Nordbahnhofviertel, Stöckach) weisen eine hohe Bevölkerungsdichte, eine junge, migrantisch geprägte Bevölkerung sowie erhöhte soziale und gesundheitliche Herausforderungen auf. Anhand statistischer Daten der Stadt Stuttgart wurde die soziodemographische Struktur im Untersuchungsgebiet (Nordbahnhof viertel) und im Kontrollgebiet (Stöckach/ Stuttgart- Ost) erfasst. Die Auswahl der Sozialräume konnte validiert werden. Im gesamtstädtischen Vergleich zeichnen sie sich durch eine erhöhte Bevölkerungsdichte und urbane städtebauliche Strukturen aus. Die Einwohner*innen sind jünger als der Stuttgarter Durchschnitt und migrantisch geprägt, der Anteil an ausländischer Bevölkerung ist hoch. Die Einschulungsuntersuchung deutet auf gesundheitliche Defizite bei Kindern hin. Die erhöhte Arbeitslosenquote weist auf gesteigerte Armut in den Betrachtungsgebieten hin. 2) Rekrutierung neuer Kooperationspartnerschaften  Über 20 lokale Partner konnten eingebunden werden, darunter Institutionen wie die Abteilung „Stuttgarter Bildungspartnerschaft BNE“. Diese Partner sollten ihre Expertise zur Lebenswelt der KiJu einbringen und Kontakt zu Zielgruppen herstellen. Bild 2: O-Töne aus den Fokusgruppenbefragungen, © Amando Reber WOHLBEFINDEN IM URBANEN RAUM Wohlbefinden 73 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0029 den häufigsten Wünschen gehören. Autos hingegen wurden nur von 6 % der Befragten in den individuellen „Wunsch-Straßen“ platziert (siehe Bild 1). In einem teilstrukturierten Interview äußerten Mütter aus dem Nordbahnhofviertel Besorgnis über wahrgenommene hohe Kriminalität (Drogen, Gewalt), fehlende Bildungs- und Freizeitangebote sowie deren negative Auswirkungen auf die beruflichen Perspektiven der KiJu. Zudem wurde die unzureichende medizinische Infrastruktur kritisiert. Als Ausgleich zu engen Wohnverhältnissen, seltenen Urlauben und hoher Abgasbelastung in Stuttgart wünschten sie sich mehr Naturerlebnisse, z.- B. Schrebergärten, öffentliche Obstbäume und bepflanzte Innenhöfe. Die Fokusgruppenbefragungen mit KiJu zeigten, dass sie aufgrund beengter Wohnverhältnisse viel Zeit im öffentlichen Raum verbringen, der jedoch kaum altersgerechte Freizeitangebote bietet. Es wurde ein starker Wunsch nach wetterfesten, überdachten Aufenthaltsmöglichkeiten geäußert. Vor allem männliche Teilnehmende wünschten sich robuste, diebstahlsichere Outdoor-Sportmöglichkeiten. Die KiJu fühlten sich ihrem Viertel stark zugehörig, sahen jedoch Kriminalität als Teil ihrer Lebensrealität. Zudem stellten sie einen Zusammenhang zwischen Lebensumfeld und mentaler Gesundheit her. Negative Erfahrungen mit Bürgerbeteiligungen wurden ebenfalls erwähnt. Insgesamt zeigte sich bei den KiJu eine geringe Naturverbundenheit und ein niedriges Vertrauen in ihre Selbstwirksamkeit in Bezug auf Umweltschutz (siehe Bild 2). 4. Fazit und Ausblick Die Daten aller vier Erhebungsmethoden wurden ausgewertet und lassen erste Interpretationen zu. Zu den meistgenannten Wünschen der KiJu gehören mehr überdachte Aufenthalts-/ Sitzmöglichkeiten (24 Nennungen in der Online-Kurzbefragung) und Outdoor-Sportmöglichkeiten (26 Nennungen in der Online - Kurzbefragung ). Beide Wünsche wurden durch die qualitativen Aussagen der Fokusgruppenteilnehmenden untermauert. Eine weitere Idee für eine Inter vention war der Wunsch nach einer Handy- L adestation (3 Nennungen). Hier könnte ein Fahrrad durch Upc ycling zu einem Stromgenerator mit Handyladestation umgerüstet werden. SURe21 kombinierte transdisziplinäre Ansätze und partizipative Prozesse, um ökologische Stadtentwicklung und das Wohlbefinden von KiJu zu fördern. Das Projekt legte den Grundstein für eine nachhaltige Einbindung junger Menschen in urbane Transformationsprozesse, unterstützt durch datenbasierte und übertragbare Methoden. Die in diesem Beitrag vorgestellten Arbeiten wurden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert (Förderkennzeichen: 01EL2311A). Dieses Projekt wurde im Rahmen der „Förderung von Interventionsstudien für gesunde und nachhaltige Lebensbedingungen und Lebensweisen“ finanziert. LITERATUR Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat. (2021). Memorandum „Urbane Resilienz“. Wege zur robusten, adaptiven und zukunftsfähigen Stadt. Bundesministerium für Bau-, Stadt- und Raumforschung (Hrsg.). (2021). Informationen zur Raumentwicklung, 4/ 2020. 4/ 2020. Chen, M., Zhang, H., Liu, W., & Zhang, W. (2014). The Global Pattern of Urbanization and Economic Growth: Evidence from the Last Three Decades. PLoS ONE, 9(8), e103799. https: / / doi.org/ 10.1371/ journal.pone.0103799 Gansser, O. A., & Reich, C. S. (2023). Influence of the New Ecological Paradigm (NEP) and environmental concerns on proenvironmental behavioral intention based on the Theory of Planned Behavior (TPB). Journal of Cleaner Production, 382, 134629. https: / / doi.org/ 10.1016/ j.jclepro.2022.134629 Gebhard, U., Lude, A., Möller, A., & Moormann, A. (Hrsg.). (2022). Naturerfahrung und Bildung. Springer VS, Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH. Lampert, P., Gabriel, A., & Menrad, K. (2022). Naturbewusstsein 2019/ 2020. Bundesamt für Naturschutz. https: / / doi. org/ 10.19217/ brs221 Ojala, M., Cunsolo, A., Ogunbode, C. A., & Middleton, J. (2021). Anxiety, Worry, and Grief in a Time of Environmental and Climate Crisis: A Narrative Review. Annual Review of Environment and Resources, 46(1), 35-58. https: / / doi.org/ 10.1146/ annurev-environ-012220-022716 Schneidewind, U. (with Fischedick, M., Lechtenböhmer, S., Liedtke, C., Thomas, S., Wilts, H., Baedeker, C., Beuermann, C., Schüle, R., & Viebahn, P.). (2019). Die große Transformation: Eine Einführung in die Kunst gesellschaftlichen Wandels (4. Auflage). Fischer Taschenbuch. Su, J. G., Jerrett, M., De Nazelle, A., & Wolch, J. (2011). Does exposure to air pollution in urban parks have socioeconomic, racial or ethnic gradients? Environmental Research, 111(3), 319-328. https: / / doi.org/ 10.1016/ j.envres.2011.01.002 Eingangsabbildung: © Amando Reber Amando Reber, M.Eng Wissenschaftlicher Mitarbeiter / Zentrum für Nachhaltige Stadtentwicklung (ZNS), amando.reber@hft-stutttgart.de, ORCID: 0000-0001-5337-0652; Hochschule für Technik Stuttgart; Schellingstraße 24, 70174 Stuttgart Christina Simon-Philipp, Prof. Dr.-Ing., Leitung Zentrum für Nachhaltige Stadtentwicklung (ZNS), christina.simon@hft-stuttgart.de, ORCID: 0000-0001-7174-9295; Schellingstraße 24, 70174 Stuttgart AUTOR: INNEN 74 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0029 WOHLBEFINDEN IM URBANEN RAUM Wohlbefinden Soundspaces - vom Lärm zur Ressource im urbanen Raum Entwicklung und aktueller Forschungsstand zur akustischen Wahrnehmung in Städten Urbane Akustik, Soundspaces, Lärm, Psychoakustik, Hörversuche, Index Michaela Marxt, Berndt Zeitler Geräusche prägen unsere Wahrnehmung im urbanen Raum. Obwohl seit über 20 Jahren das Thema „Soundscapes“ (wahrnehmungsbezogene Geräuschumgebungen) in den Fokus der Forschung rückt, gelten Stadtgeräusche bis heute überwiegend als Abfallprodukt „Lärm“. Ein tieferes Verständnis für die Wahrnehmung von Soundscapes ermöglicht, Geräusche als Ressourcen zu nutzen. Mit teilstandardisierten Verfahren werden dazu bereits weltweit Befragungen durchgeführt. Parallel wird an der HFT Stuttgart zu „idealen“ Soundscapes öffentlicher Plätze geforscht. In diesem Beitrag werden zentrale Entwicklungen, Methoden und Perspektiven der Soundscape-Forschung vorgestellt. 1. Grundlagen des Soundspace-Ansatzes Der Begriff „Soundscape“ taucht seit den 1960er- Jahren in verschiedenen Forschungsbereichen wie Musik, Akustik und Stadtplanung auf. Mit der internationalen Norm ISO 12913-1: 2014 hat sich die Definition etabliert, wonach Soundscapes die „akustische Umgebung, die durch eine Person oder durch eine Gruppe von Menschen im Kontext wahrgenommen, erfahren und/ oder begriffen wird“ (DIN ISO 12913-1: 2018, S. 7), beschreiben. Damit wird gegenüber Schalldruckpegel-basierten Größen wie LAeq (A-bewerteter äquivalenter Dauerschallpegel) und Lden (Tag-Abend-Nacht-Lärmindex) ein Wahrnehmungskonstrukt adressiert. Die verschiedenen Komponenten von Soundscapes urbaner öffentlicher Plätze sind in Abbildung 1 dargestellt. 75 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0030 Anwendungsfällen, dass erzielte Schalldruckpegel- Reduktionen keine Verbesserungen hinsichtlich der akustischen Wahrnehmung erzielen können (Kang et al., 2016). Da sich nicht an jedem Ort Lärmminderungsmaßnahmen umsetzen lassen, müssen ausreichende Erholungsbereiche mit Ruhezonen in Städten ausgewiesen werden. Entsprechend schreibt die Richtlinie 2002/ 49/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates der Europäischen Union eine obligatorische Lärmaktionsplanung vor, bei der neben konkreten S chut zmaßnahmen auch ruhige Gebiete identifiziert und geschützt werden. Notwendigkeit neuer Beurteilungsgrößen Damit rückt zunehmend in den Fokus, auch positive gesundheitliche Effekte in urbanen Räumen zu untersuchen. Bereits das Bewusstsein über vorhandene Erholungsflächen kann psychologische und physiologische Vorteile mit sich bringen (Kang et al., 2016). Rein akustische Einzahlwerte eignen sich jedoch nicht, um solche Effekte abzubilden. Im Soundscape-Ansatz erfolgt die Bewertung über die Dimensionen „Angenehmheit “ (Wohlbefinden) und „Ereignisreichtum“ (Vielfalt und Dynamik) (Axelsson et al., 2010). Da die Bewertung von Soundscapes von dem jeweiligen Kontext abhängt, kann bisher anhand dieser Dimensionen keine qualitative Einordnung erfolgen. Um dazu geeignete Indizes entwickeln zu können, ist eine umfassende Erhebung subjektiver Daten über standardisierte Verfahren notwendig. Standardisierung von Soundscapes Mit dem Erscheinen der ISO/ TS 12913-2: 2018 wird die empfohlene Vorgehensweise zur Messung von Mehrere Aspekte haben dazu beigetragen, dass Soundscapes in den letzten Jahrzehnten sowohl in der Forschung als auch in praktischen Anwendungen stetig an Bedeutung gewinnen. Wesentliche Faktoren sind die zunehmende Urbanisierung, das wachsende Bewusstsein für Lärmrisiken und die steigenden Anforderungen an die urbane Akustik. Urbanisierung und Lärmbelastung Aus vielfältigen Gründen wie beruflichen Perspektiven, Bildungsangeboten oder Infrastruktur entscheidet sich ein Großteil der Menschen in der EU für ein Leben in Städten. Aktuell leben über 75 % der EU-Bevölkerung in urbanen Gebieten (World Bank, 2024). Damit sind immer mehr Menschen permanent hohen Schalldruckpegeln ausgesetzt. Bewusstsein für Risiken durch Lärm Parallel zu den steigenden Herausforderungen der Urbanisierung nimmt auch die Forschung zu den gesundheitlichen Risiken von Lärmbelastung zu. In diesem Kontext ist der Begriff „Noise Annoyance“ (Lästigkeit von Lärm) weit verbreitet. Die einheitliche Abfrage der Lästigkeit gemäß ISO/ TS 15666: 2021 erleichtert Vergleiche zwischen Forschungsergebnissen und die Verallgemeinerbarkeit von Zusammenhängen. Darüber hinaus werden in großem Umfang physiologische und psychische Folgen von Lärmexposition untersucht. Steigende Anforderungen an die urbane Akustik Ein Großteil der Forschungsergebnisse zu Lärmwirkungen ist in den „Environmental Noise Guidelines“ der World Health Organization 2018 zusammengefasst, die Grenzwerte zur Minimierung gesundheitlicher Risiken empfehlen. Jedoch zeigt sich in einigen Bild 1: Hauptkomponenten von Soundspaces offener, urbaner Plätze. Die Wahrnehmung von Soundscapes hängt im Wesentlichen von den Schallquellen, der Schall- Ausbreitungscharakteristik, dem Hintergrund und Kontext der Nutzer und den Umgebungsbedingungen ab. In Anlehnung an Kang, 2007. 76 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0030 WOHLBEFINDEN IM URBANEN RAUM Soundspaces 3. Soundspace-Qualität auf öffentlichen Plätzen Um Erholungsbereiche in Städten gezielt planen und gestalten zu können, ist ein verlässliches Verständnis ihrer Soundscapes unerlässlich. In der aktuellen Dissertation von Marxt an der Hochschule für Technik Stuttgart wird daher der Fokus auf die Messbarkeit und Prognostizierbarkeit eines Index für die Soundscape-Qualität auf öffentlichen Plätzen gelegt. Eine wissenschaftlich fundierte Grundlage aus Befragungen, Pilotstudien und Expertengesprächen gewährleistet die Validität des Index. Die Datenerhebung knüpft an die acht genormten Attribute an und setzt sich aus Befragungen in Feldstudien (siehe Abbildung 2) und Hörversuchen zusammen. Daraus werden „ideale“ Soundscapes abgeleitet. Auf Basis objektiver Soundscape- Eigenschaften wie Platzgröße, Aktivitäten vor Ort, Lautheit, Schärfe und gemitteltem Schalldruckpegel werden statistische Modelle entwickelt. Ein besseres Verständnis dieser Zusammenhänge ermöglicht es, Geräusche gezielt als Ressource einzusetzen und so das Erleben von Soundscapes auf öffentlichen Plätzen positiv zu transformieren. Acknowledgement. Das diesem Bericht zugrunde liegende Vorhaben wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 03FHP206 gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei der Autorin/ beim Autor. Soundscapes überwiegend angewandt (Aletta & Torresin, 2023). Im Zentrum stehen die acht Attribute „angenehm“, „chaotisch“, „lebendig “, „ereignisarm“, „ruhig “, „störend“, „ereignisreich“ und „eintönig “, die auf einer fünfstufigen Skala, zur Messung der persönlichen Einstellung (Likert-Skala), bewertet werden (DIN ISO/ TS 12913-2: 2020). Diese werden in Feldstudien durch einen Fragebogen erfasst. Vor Ort mit einem Handschallpegelmessgerät aufgenommene Geräuschumgebungen werden in 30-sekündige Sequenzen geschnitten. Die daraus erstellten Hör versuche ermöglichen neben den Feldstudien eine umfangreiche Charakterisierung verschiedener Plätze. Im Rahmen des „Soundscape Indices-SSID“-Projekts (Mitchell et al., 2020) wird eine offene Datenbank zur Verfügung gestellt, in der normgerecht erfasste Soundscapes gesammelt werden. 2. Aktuelle Entwicklungstrends der Forschung In den vergangenen Jahren verzeichnete die Soundscape-Forschung deutliche Fortschritte. So werden im internationalen „Soundscape Attributes Translation Project (SATP)“ (Aletta et al., 2024) die acht zuvor gennannten Attribute in Zusammenarbeit mit weltweiten Forschungsteams in 18 Sprachen übersetzt und validiert. Für internationale Vergleichbarkeit werden dabei Differenzen zwischen Ergebnissen aus Hörversuchen mit den englischsprachigen und den übersetzten Attributen untersucht. Parallel dazu entstehen neue Indizes, um Eigenschaften von Soundscapes in unterschiedlichen Kontexten zu bewerten. Einen vielversprechenden Ansatz lieferten Mitchell et al. 2024 mit den „Soundscape Perception Indices (SPIs)“, die dem bewährten Prinzip von Einzahlwerten für Außenlärm wie LAeq oder Lden folgen. Der jeweilige SPI kann je nach Kontext variieren und damit situationsspezifische Anforderungen abbilden. Hierbei werden Differenzen zwischen „idealen“ Soundscapes und den zu untersuchenden Umgebungen quantifiziert. Diese sind jeweils anhand der acht Attribute charakterisiert. Begleitend gewinnen Prognosemodelle für Indikatoren der Soundscape-Qualität, wie die akustische Behaglichkeit an Bedeutung (Lionello et al., 2020), um zukünftig die Partizipation der Bevölkerung zu reduzieren. Über solche Modelle wird eine Verbindung zwischen wahrnehmungsbezogenen Größen und messbaren kontextbezogenen und (psycho-)akustischen Kennzahlen hergestellt. Signifikante Fortschritte in der Simulation von Geräuschumgebungen (Auralisation) im Außenraum (Goecke et al., 2023) erweitern den Anwendungsrahmen von Prognosemodellen für die Stadtplanung. Bild 2: Soundspace- Feldstudie am Schlossplatz, Stuttgart. Messung der akustischen Umgebung während Probanden den Fragebogen der Feldstudie beantworten. WOHLBEFINDEN IM URBANEN RAUM Soundspaces 77 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0030 LITERATUR Aletta, F. et al. (2024). Soundscape descriptors in eighteen languages: Translation and validation through listening experiments. Applied Acoustics, 224, 110109. https: / / doi.org/ 10.1016/ j. apacoust.2024.110109 Aletta, F. und Torresin, S. (2023). Adoption of ISO/ TS 12913- 2: 2018 Protocols for Data Collection From Individuals in Soundscape Studies: An Overview of the Literature. Current Pollution Reports, 9(4), 710-723. https: / / doi.org/ 10.1007/ s40726-023-00283-6 Axelsson, Ö., Nilsson, M. E. und Berglund, B. (2010). A principal components model of soundscape perception. The Journal of the Acoustical Society of America, 128(5), 2836-2846. https: / / doi.org/ 10.1121/ 1.3493436 DIN ISO 12913-1: 2018-02. Akustik - Soundscape - Teil 1: Definition und Rahmenkonzept. (ISO 12913-1: 2014) DIN ISO/ TS 12913-2: 2020-11. Akustik - Soundscape - Teil 2: Anforderungen an die Datenerhebung und die Dokumentation. (ISO/ TS 12913-2: 2018) Goecke, D. et al. (2023). Noise mapping with psychoacoustic analysis of sound propagation. 29 th International Congress on Sound and Vibration. ISO/ TS 15666. (2021). Acoustics—Assessment of noise annoyance by means of social and socio-acoustic surveys. (ISO/ TS No. 15666; Version 2) Kang, J. (2007). Urban sound environment. Taylor & Francis. ISBN: 978-0-203-00478-4 Kang, J. et al. (2016). Ten questions on the soundscapes of the built environment. Building and Environment, 108, 284-294. https: / / doi.org/ 10.1016/ j.buildenv.2016.08.011 Lionello, M., Aletta, F., & Kang, J. (2020). A systematic review of prediction models for the experience of urban soundscapes. Applied Acoustics, 170, 107479. https: / / doi.org/ 10.1016/ j. apacoust.2020.107479 Mitchell, A. et al. (2024). Soundscape perception indices (SPIs): Developing context-dependent single value scores of multidimensional soundscape perceptual quality. The Journal of the Acoustical Society of America, 156(6), 3694-3706. https: / / doi.org/ 10.1121/ 10.0034417 AUTOR: INNEN Martina Marxt, M. Eng. Doktorandin in der Akustikgruppe im Fachbereich Bauphysik Hochschule für Technik Stuttgart Schellingstr. 24, 70174 Stuttgart michaela.marxt@hft-stuttgart.de https: / / orcid.org/ 0009-0007-5419-8808 Prof. Dr.-Ing. Berndt Zeitler Sprecher des Kompetenzzentrums „Zentrum für Akustische und Thermische Bauphysik“ (ZFB) Stellvertretender Direktor des Instituts für angewandte Forschung (IAF) Hochschule für Technik Stuttgart Schellingstr. 24, 70174 Stuttgart berndt.zeitler@hft-stuttgart.de https: / / orcid.org/ 0000-0002-2818-7650 Mitchell, A. et al. (2020). The Soundscape Indices (SSID) Protocol: A Method for Urban Soundscape Surveys—Questionnaires with Acoustical and Contextual Information. Applied Sciences, 10(7), 2397. https: / / doi.org/ 10.3390/ app10072397 RICHTLINIE 2002/ 49/ EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 25. Juni 2002 über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm, 2002/ 49/ EG § L. 189 (2002). https: / / eur-lex.europa.eu/ legal-content/ DE/ TXT/ PDF/ ? uri=CELEX: 32002L0049 WHO. (2018). Environmental noise guidelines for European Region. WHO Regional Office for Europe. ISBN: 978-92-890- 5356-3 World Bank. (2024). Europäische Union & Eurozone: Urbanisierungsgrad von 2013 bis 2023 [Graph]. In Statista. Zugriff am 20. Januar 2025, von https: / / de.statista.com/ statistik/ daten/ studie/ 249028/ umfrage/ urbanisierung-in-der-europaeischen-union-eu/ Eingangsabbildung: © Quelle, LeChat-Mistral-AI, M. Marxt, B. Zeitler 78 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0030 WOHLBEFINDEN IM URBANEN RAUM Soundspaces Geovisualisierung von simulierten Luftschadstoff-Konzentrationen im urbanen Umfeld Wie 3D-Stadtmodelle komplexe Simulationen (be-)greifbar machen 3D-Modelle, CFD-Simulation, OGC APIs, Geovisualisierung, Luftschadstoffe Rushikesh Padsala, Svetlana Valger, Ursula Voss, Volker Coors Eine verständliche Visualisierung von Umweltdaten ist essenziell für die Stadtplanung, um komplexe Zusammenhänge zu verstehen und fundierte Entscheidungen zu ermöglichen. Das Zusammenspiel von 3D-Stadtmodellen, numerischer Strömungssimulation und Geo-Visualisierung ermöglicht eine interaktive und zugängliche Darstellung, die Planern hilft, nachhaltige Maßnahmen gezielt zu entwickeln und die urbane Lebensqualität zu verbessern. Die Luftqualität in Städten ist ein drängendes Problem, insbesondere bei hohem Verkehrsaufkommen in dicht bebauten Gebieten, in denen enge Straßenschluchten den Luftaustausch erschweren. Schadstoffe sammeln sich in diesen städtischen „Hotspots“ an und können sowohl die Außenals auch die Innenluft verschlechtern. Dies stellt ein erhebliches Gesundheitsrisiko dar. Herkömmliche Methoden zur Überwachung der Luftqualität stoßen hier oft an ihre Grenzen. Zwar liefern Messstationen punktgenaue Daten zu Schadstoffen und Windverhältnissen, doch fehlt ihnen die räumliche Auflösung, um die komplexe Dynamik der Schadstoffausbreitung in Städten vollständig zu erfassen. Satelliten und Fernerkundung bieten eine breitere Perspektive, sind aber nicht in der Lage, lokale Details urbaner Luftströmungen sichtbar zu machen. Numerische Strömungssimulation (Computational Fluid Dynamics, CFD), ermöglicht es, alle physikalischen Größen einer Strömung auf einem räumlichen Gitter zu berechnen. Das zunächst für Ingenieurwissenschaften wie Luft- und Raumfahrttechnik und Fahrzeugtechnik entwickelte Verfahren wird in den letzten Jahren zunehmend in der Simulation urbaner Windverhältnisse eingesetzt (Blocken, 2015). Sein Einsatz wird noch attraktiver, wenn 3D-Stadtmodelle als Datenquelle verwendet werden können. 3D-Stadtmodelle sind auch zunehmend unverzichtbar für Stadtplanung (Schrotter & Hürzeler, 2020). Moderne Städte stehen vor der Herausforderung, ihre Umweltbedingungen besser zu verstehen und zu steuern. Ein spannendes Beispiel dafür ist das Kalasatama Digital Twins Project, das mithilfe von 3D-Stadtmodellen und Simulationen untersucht, wie urbane Windströmungen verlaufen (Ruohomaki et al., 2018). Solche digitalen Zwillinge ermöglichen es, stadtplanerische Entscheidungen fundiert zu bewerten und nachhaltiger zu gestalten. Je mehr die Ergebnisse von CFD aber über spezialisierte Fachkreise hinaus an Bedeutung gewinnen, desto wichtiger wird eine angepasste und verständliche Visualisierung. Doch die Visualisierung der Ergebnisse stellt oft eine Hürde dar - viele Simulationstools erlauben keinen einfachen Export der Daten für externe Anwendungen. Dank neuer Webtechnologien lassen sich Simulationsergebnisse jedoch in interaktiven 3D-Stadtmodellen darstellen. So können Plattformen wie Google Earth, Cesium oder ArcGIS Earth genutzt werden. Viele dieser Visualisierungen finden aber auf größeren Skalen statt und umfassen beispielweise ganze Länder oder Kontinente. Bislang gibt es nur wenige Ansätze für einzelne Stadtviertel. Fortschritte wie das 3D-Tiles-Format oder moderne Web-APIs ermöglichen nun eine effizientere Darstellung komplexer Umweltdaten ohne zusätzliche WOHLBEFINDEN IM URBANEN RAUM Luftschadstoffe 79 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0031 berücksichtigt, während die übrigen Gebäude in der Umgebung in einer vereinfachten Darstellung verwendet wurden. Das so erhaltene Modell wird zunächst mit einem Oberflächengitter versehen und dann wird der Luftraum mit einem räumlichen Gitter gefüllt. Um die Schadstoffemissionen des Verkehrs zu modellieren, wurden entlang der Straße zwei Bereiche mit entsprechenden Einlassrandbedingungen definiert (Bild- 2). Das Rechengebiet muss bei solchen Simulationen generell verhältnismäßig groß gewählt werden, damit die notwendigen künstlichen Ränder die Simulationsergebnisse nicht verfälschen (Bild 3). In Bild 4 ist ein Schnitt durch die mit ANSYS FLUENT simulierte Windströmung bei orthogonaler Anströmung mit Hilfe von Pfeilen, die Windrichtung und -geschwindigkeit angeben, dargestellt. Die Simulation zeigt, dass sich der typische Wirbel ausbildet, der dazu führt, dass die Ablagerung von Schadstoffen auf den beiden Straßenseiten unterschiedlich und an der Anströmung zugewandten Seite stärker ist. Softwareinstallationen. Solche Innovationen helfen, Städte intelligenter zu machen und Entscheidungsträgern eine bessere Grundlage für nachhaltige Stadtplanung zu bieten. Vor diesem Hintergrund wird in dieser Arbeit das Potenzial des Zusammenspiels zwischen 3D-Stadtmodellen, CFD und Geo-Visualisierung untersucht, um die Ausbreitung von Luftschadstoffen in komplexen städtischen Umgebungen zu analysieren. Vom 3D-Stadtmodell zur Simulation Das Zusammenspiel aus Straßen, Gebäuden und anderen Strukturen beeinflusst, wie sich Schadstoffe in engen Straßenschluchten verteilen. Um solche Zusammenhänge zu simulieren, wird die Geometrie von Gebäuden, Straßen und Vegetation benötigt. Ein weit verbreitetes Format für digitale 3D-Stadtmodelle ist CityGML. CityGML-Modelle sind für viele Städte weltweit verfügbar. CityGML kann Gebäude in unterschiedlichen Detaillierungsgraden speichern. Während einfache Modelle nur die Grundform eines Gebäudes enthalten, bieten detailliertere Varianten beispielsweise auch realistische Dachstrukturen. Für die Strömungssimulation müssen diese Stadtmodelle in ein CAD-Format umgewandelt und aufbereitet werden, was bislang noch eine Herausforderung darstellt, denn die Geometrie muss für die CFD-Simulation bestimmte Anforderungen erfüllen (Padsala et al., 2024). Als Gebiet für diese Studie diente die Schlossstraße in der Nähe des Gebäudes 7 der HFT Stuttgart (Bild 1). Der Eingabedatensatz umfasst Gebäudeinformationen im CityGML-Format in unterschiedlichen Detaillierungsgraden. Für die CFD-Simulation wurden die Gebäude in einem Radius von 400 m um Gebäude 7 berücksichtigt. Um die Gebäudeumströmung auf dem Campus gut erfassen zu können, wurden für die Gebäude auf dem Campus die Dachgeometrien Bild 1: Straßenschlucht vor Gebäude 7 der HFT Stuttgart, visualisiert mit einer Web-Anwendung der HFT (HFT Stuttgart, Padsala) Bild 2: Das Berechnungsgitter auf den Gebäudewänden und dem Boden. Rot markiert ist der Bereich, in dem Einlass-Randbedingungen für Verkehrsschadstoffe definiert werden (HFT Stuttgart, Valger) Bild 3: Berechnungsgebiet für die CFD-Simulation mit ausgewähltem Stadtgebiet mit R = 400 m und berücksichtigtem Gelände (HFT Stuttgart, Valger) 80 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0031 WOHLBEFINDEN IM URBANEN RAUM Luftschadstoffe der von Cesium bereitgestellten interaktiven dreidimensionalen Weltkarte, dem sogenannten Webglobus, und ihre genaue Überlagerung mit Gebäude-3D- Kacheln und dem Geländenetz zu gewährleisten. Die erzeugten 3D-Kacheln der CFD-Simulationsergebnisse werden ebenfalls auf dem Geo-Volumes-Datenserver gespeichert und wie oben beschrieben an den Web-Client geliefert. Bild 5 zeigt die webbasierte Visualisierung der Schadstoffkonzentration um Gebäude 7 am Beispiel des CO-Massenanteils. Die CFD-Simulationsergebnisse wurden auch in andere Formate wie GeoJSON, CZML oder zurück nach CSV konvertiert und können mit der OGC Features API auch in anderen Analyse- oder Visualisierungsplattformen genutzt werden. Die Nutzung der OGC API - Features und der OGC API 3D GeoVolumes bieten einen modernen Weg zum Zugriff auf Geodaten über das Web. Sie verwenden einfache, ressourceneffiziente Strukturen, die das Finden, Abrufen, Abfragen und Integrieren von Geodaten wie Punkten, Linien und Polygonen in Webanwendungen leicht machen. Fazit Simulationen liefern quantitative Erkenntnisse über Luftströmungen und die Ausbreitung von Luftschadstoffen. Durch die interaktive webbasierte Visualisierung der Simulationsergebnisse in 3D-Stadtmodelle können Entscheidungsträger besser verstehen, wie sich Faktoren wie Gebäudehöhe, Straßenführung, Vegetation und Verkehrsfluss auf die lokale Luftqualität auswirken. Diese Visualisierung hilft nicht nur bei der Identifizierung von Hotspots der Luftverschmutzung, sondern unterstützt auch die Bewertung städtebaulicher Maßnahmen. Danksagung Die in diesem Beitrag vorgestellten Arbeiten wurden im Rahmen vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Förderprogramm Forschung an Fachhochschulen gefördert. Die CFD-Simulation Geovisualisierung Um die Simulationsergebnisse außerhalb der Simulationssoftware darzustellen, werden die CityGML- Gebäudemodelle, das Gelände und die CFD-Simulationsergebnisse an eine webbasierte 3D-Anwendung übergeben, unter Verwendung von OGC-APIs. Das ursprüngliche CityGML-Gebäudemodell und das Gelände werden in sogenannte 3D-Kacheln und quantisierte Netze umgewandelt und in das Koordinatensystem der für die Darstellung von Geodaten optimierte Cesium WebGL-basierte Rendering Engine transformiert. In Anlehnung an (Santhanavanich et al., 2022) wurden 3D-Kacheln der Gebäude des betrachteten Gebiets auf dem GeoVolumes Datenserver gespeichert und über die an der HFT Stuttgart öffentlich verfügbare Instanz der Open Geospatial Consortium (OGC) 3D GeoVolumes API an den Web- Client geliefert. Die OGC 3D GeoVolumes API definiert eine Standardmethode für die Bereitstellung von und den Zugriff auf 3D-Daten, wie z. B. 3D-Stadtmodelle, im Internet. Die Ergebnisse der CFD-Simulation liegen in Form von CSV-Dateien vor und enthalten skalare Größen wie Luftdruck und die Anteile der vom Verkehr verursachten Luftschadstoffe, sowie vektorielle Größen wie die Windgeschwindigkeit. Zusätzlich werden die Emissionsorte und die Windrichtung unter Verwendung gespeichert. Diese werden in Punktwolken umgewandelt, wobei die simulierten skalaren und vektoriellen Variablen als Attribute der Punktwolke gespeichert werden, und in zwei Transformationsschritten der CityGML-Geometrie überlagert. Nicht zuletzt um Rechenzeit und Speicherplatz zu sparen, werden die Ergebnisse der CFD-Simulation auf den für die Auswertung relevanten Bereich um die Gebäude reduziert. Nach der Filterung werden diese Punktwolken zusammen mit ihren Attributen in sogenannte 3D- Punktwolken-Kacheln konvertiert, um eine korrekte Georeferenzierung der Simulationsergebnisse auf Bild 4: Querschnitt durch das Simulationsergebnis bei orthogonaler Anströmung (grüner Pfeil) (HFT Stuttgart, Valger) Bild 5: Visualisierung des Massenanteils der CO-Konzentration um Gebäude 7 (HFT Stuttgart, Padsala) WOHLBEFINDEN IM URBANEN RAUM Luftschadstoffe 81 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0031 wurde im Projekt SenSim4iCity (Fördernummer 13FH9I09IA) und die Geovisualisierung der Simulationsergebnisse im Projekt UDigiT4iCity (Fördernummer 13FH9I06IA) gefördert. Die Autoren danken ferner dem Land Baden-Württemberg für die Unterstützung durch bwHPC und dem Stadtmessungsamt Landeshauptstadt Stuttgart für die Bereitstellung des 3D-Stadtmodells von Stuttgart. LITERATUR Blocken, B. (2015). Computational Fluid Dynamics for urban physics: Importance, scales, possibilities, limitations and ten tips and tricks towards accurate and reliable simulations. Building and Environment, 91, 219-245. https: / / doi. org/ 10.1016/ j.buildenv.2015.02.015 Padsala, R., Valger, S., Santhanavanich, T., Voss, U., & Coors, V. (2024). Geo-visualisation of Air-Pollutant Dispersion in Complex Urban Environments using 3D City Models: Insights from High-Resolution Street Canyon Simulation - Concept and First Results. The International Archives of the Photogrammetry, Remote Sensing and Spatial Information Sciences, XLVIII-4/ W11-2024, 89-95. https: / / doi.org/ 10.5194/ isprs-archives-XLVIII-4-W11-2024-89-2024 Ruohomaki, T., Airaksinen, E., Huuska, P., Kesaniemi, O., Martikka, M., & Suomisto, J. (2018). Smart City Platform Enabling Digital Twin. 2018 International Conference on Intelligent Systems (IS), 155-161. https: / / doi.org/ 10.1109/ IS.2018.8710517 Santhanavanich, T., Wuerstle, P., Padsala, R., & Coors, V. (2022). Digital 3D city models towards urban data platform using OGC 3D GeoVolumes API. 237-242. https: / / doi.org/ 10.24407/ K XP: 1796036099 Schrotter, G., & Hürzeler, C. (2020). The Digital Twin of the City of Zurich for Urban Planning. PFG - Journal of Photogrammetry, Remote Sensing and Geoinformation Science, 88(1), 99-112. https: / / doi.org/ 10.1007/ s41064-020-00092-2 Rushikesh Padsala Akademischer Mitarbeiter Hochschule für Technik Stuttgart Schellingstr. 24, 70174 Stuttgart rushikesh.padsala@hft-stuttgart.de Dr. Svetlana Valger Akademische Mitarbeiterin Hochschule für Technik Stuttgart Schellingstr. 24, 70174 Stuttgart svetlana.valger@hft-stuttgart.de https: / / orcid.org/ 0000-0003-0923-5861 Prof. Dr. Ursula Voss Professorin für Angewandte Mathematik Hochschule für Technik Stuttgart Schellingstr. 24, 70174 Stuttgart ursula.voss@hft-stuttgart.de Prof. Dr. Volker Coors Professor für Geoinformatik Hochschule für Technik Stuttgart Schellingstr. 24, 70174 Stuttgart volker.coors@hft-stuttgart.de https: / / orcid.org/ 0000-0002-0413-8977 AUTOR: INNEN 82 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0031 WOHLBEFINDEN IM URBANEN RAUM Luftschadstoffe Virtual Reality und Augmented Reality als digitale Partizipationsinstrumente Erkenntnisse aus dem Projekt StreetMoves4iCity zur Reduktion des innerstädtischen Autoverkehrs Nachhaltige Stadtentwicklung, Intelligente Stadt, Mobilitätswende, Partizipation, Akzeptanz, Augmented Reality, Virtual Reality Thomas Bäumer, Stephanie Huber, Christina Simon-Philipp, Volker Coors, Muhammad Alfakhori Die Akzeptanz von Bürger: innen gegenüber Maßnahmen zur Reduzierung des Autoverkehrs ist wichtig, da andernfalls Widerstände auftreten können. Grundsätzlich stehen Bürger: innen solchen Maßnahmen aufgeschlossener gegenüber, wenn diese die Lebensqualität verbessern. Positive Effekte sind jedoch oft schwer vorstellbar, wenn lediglich die Reduzierung des Autoverkehrs thematisiert wird. Das Ziel des Forschungsvorhaben war es, durch (digitale) Interventionen die Vorstellbarkeit der positiven Folgen verkehrsreduzierender Maßnahmen zu fördern und so die Akzeptanz zu steigern. Hintergrund: Mobilität versus Lebensqualität Das zunehmende Verkehrsaufkommen in urbanen Zentren wie Stuttgart belastet nicht nur die Luftqualität und das städtische Klima, sondern beeinträchtigt auch die Aufenthalts- und Lebensqualität der Stadtbewohner: innen. Die derzeitige Verkehrslage wird als wenig zukunftsfähig wahrgenommen, da der Raum für Fußgänger, Radfahrer und öffentliche Plätze oft zu begrenzt ist. In der Leonhardsvorstadt, einem historischen Viertel Stuttgarts, zeigen sich die Herausforderungen, die sich aus einem hohen Anteil des motorisierten Individualverkehrs (MIV ) ergeben, besonders deutlich. Straßen und Plätze, die als Begegnungs- und Aufenthaltsorte genutzt werden könnten, sind oft von Autos blockiert oder dem Durchgangsverkehr vorbehalten. Hier setzte das Forschungsprojekt StreetMoves4iCity an, das von der Hochschule für Technik (HFT) Stuttgart initiiert wurde, um alternative Nutzungskonzepte für den öffentlichen Raum zu entwickeln und deren Akzeptanz durch die Anwendung von Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) zu fördern. Ein interdisziplinäres Forschungsteam der HF T Stuttgart, bestehend aus Expert: innen der Stadtplanung, Geoinformatik, Bauakustik und Wirtschaftspsychologie, untersuchte in mehreren Studien, wie sich alternative Szenarien mit verringertem MIV auf die Lebensqualität und Ak zeptanz der Anwohner: innen auswirken könnten. Ein zentraler Aspekt war, dass verkehrsberuhigende Maßnahmen auf Widerstand stoßen können, wenn ihre Vorteile für die Betroffenen nicht konkret erfahrbar sind (Huber et al., 2020). Die bloße Diskussion über Einschränkungen des Autoverkehrs wird häufig negativ wahrgenommen und löst Bedenken hinsichtlich der eigenen Mobilität und Flexibilität aus. Ein entscheidender Punkt, um diese Bedenken zu überwinden, besteht darin, die positiven Auswirkungen einer Verkehrsreduzierung im Stadtbild sichtbar und erlebbar zu machen (vgl. Wicki & Kaufmann, 2022). Ziel des Projekts war es daher, durch immersive (digitale) Simulationen ein möglichst realistisches Bild der umgestalteten Stadträume zu vermitteln, bevor diese realisiert wurden. Methode: Partizipation durch Mixed Reality StreetMoves4iCity verfolgte einen Ansatz, der digitale und physische Partizipationsmethoden kombinierte. Mit Hilfe von VR- und AR-Technologien konnten Anwohner: innen und Stadtbesucher: innen alterna- WOHLBEFINDEN IM URBANEN RAUM Virtual Reality und Augmented Reality 83 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0032 tive Zukunftsszenarien für die Leonhardsvorstadt erleben und sich direkt in ein umgestaltetes Stadtbild hineinversetzen. Die erlebbaren Szenarien sollten zeigen, wie eine Reduzierung des Verkehrs die Aufenthaltsqualität verbessern könnte. Vor dem Projekt wurde eine räumliche Analyse durchgeführt, die spezifische Bereiche im Quartier identifizierte, die besonders von einer verkehrsberuhigten Umgestaltung profitieren könnten. Der Leonhardsplatz wurde als zentraler Experimentort ausgewählt, da er aufgrund seiner Nähe zu den Hauptverkehrsadern stark von einer verkehrsberuhigten Umgestaltung profitieren würde und gleichzeitig großes Potenzial als urbaner Aufenthaltsort aufweist. Besonders bemerkenswert war, dass dieser Raum trotz seiner geringen Aufenthaltsqualität von Bürger: innen genutzt wurde, etwa durch improvisierte Sitzmöglichkeiten oder Ablageflächen auf Betonelementen. Die entwickelten Szenarien sahen eine Umgestaltung des Platzes vor, um die Aufenthaltsqualität zu Bild 1: Leonhardsplatz in der Leonhardsvorstadt (Foto: privat) erhöhen - durch die Reduzierung von Verkehrsflächen und die Schaffung neuer Aufenthaltsbereiche mit Grünflächen, Bäumen und Sitzgelegenheiten. Umsetzung und Ergebnisse Um die erarbeiteten Szenarien für die Bürger: innen erfahrbar zu machen, wurden VR- und AR-Simulationen entwickelt und in mehreren experimentellen Studien getestet. 1. Studie: Vergleich 2D-Fotos mit VR-360-Grad-Aufnahmen Die erste Studie nutzte das Potenzial eines zeitgleich in Mannheim durchgeführten physischen Verkehrsversuchs. Bestimmte Straßenabschnitte wurden dort umgestaltet - unter anderem mit Parklets und Fahrradabstellflächen. Diese Veränderungen dienten als Grundlage für die Erstellung von 2D-Fotos und 360 - Grad-Aufnahmen. Den Teilnehmenden wurden diese Fotos und Aufnahmen präsentiert, um ihre Akzeptanz der Änderungen zu evaluieren. In der VR-Bedingung erlebten die Teilnehmenden die 360-Grad-Aufnahmen des modifizierten Stadtraums in Mannheim mithilfe einer VR-Brille, die es ihnen ermöglichte, sich „live“ in das alternative Szenario zu versetzen. Die Auswertung zeigte, dass die VR-Darstellung mit 360-Grad-Ansicht eine signifikant höhere Akzeptanz für die Verkehrseinschränkungen erzeugte als die 2D-Darstellung in Form von Fotoaufnahmen. Durch die immersive Erfahrung in VR konnten die Teilnehmenden eine realistischere Vorstellung der möglichen Vorteile entwickeln. 2. Studie: Interaktive VR-Umgebung In einer zweiten Studie nutzte das Forschungsteam ein speziell entwickeltes VR-Szenario für den Leonhardsplatz. Diese virtuelle Nachbildung des Platzes zeigte eine Umgestaltung, bei der Verkehrsflächen zugunsten von Grünbereichen und Sitzmöglichkeiten zurückgebaut wurden. Die Teilnehmenden konnten diese neue Gestaltung in einer interaktiven VR-Umgebung erleben. Diese Interaktivität führte zu einer höheren Immersion und verstärkte den Eindruck, tatsächlich in der zukünftigen Umgebung zu stehen. Die Ergebnisse der Studie zeigten eine positive Veränderung der Einstellung gegenüber der Verkehrsberuhigung, insbesondere hinsichtlich der Reduzierung des ruhenden Autoverkehrs. Dies verdeutlicht, dass interaktive VR-Umgebungen eine effektive Möglichkeit bieten, den Bürger: innen die Vorteile verkehrsberuhigender Maßnahmen näherzubringen. Bild 2: Verkehrsversuch Mannheim (Foto: privat) 84 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0032 WOHLBEFINDEN IM URBANEN RAUM Virtual Reality und Augmented Reality machen. Im Rahmen des Projekts wurde ein Parklet am Leonhardsplatz eingerichtet, das temporär Parkplätze in öffentliche Aufenthaltsflächen umwandelte. Während urbaner Veranstaltungen nutzten Bürger: innen das Parklet als Treffpunkt. Taxifahrende und einige Gewerbetreibende sahen das temporäre Entfernen von Stellflächen jedoch kritisch. Die Akzeptanz der Anwohner: innen gegenüber einer Reduzierung des ruhenden Autoverkehrs stieg durch diese Intervention signifikant. Dies zeigt, dass auch physische Maßnahmen durch ihre unmittelbare Präsenz einen positiven Effekt auf die Akzeptanz von verkehrsberuhigenden Maßnahmen haben können. Zusammenfassende Evaluation Die Ergebnisse der realen und digitalen Interventionen wurden in einer summativen Analyse zusammengeführt. Diese abschließende Bewertung verdeutlicht den Mehrwert von Mixed-Reality-Ansätzen als digitale Partizipationswerkzeuge im Vergleich zu rein physischen Interventionen: VR-Simulationen als immersive Alternative: Die Verwendung von VR, insbesondere unter Einsatz realer 360-Grad-Aufnahmen, erwies sich als sehr 3. Studie: Vergleich AR mit VR Die dritte Studie untersuchte die Wirkung einer ARgestützten Darstellung, die mit dem optimierten System HoloTint bei Tageslicht eine verbesserte Sichtbarkeit ermöglichte. Im Vergleich zur VR-Simulation, die insbesondere in geschlossenen Räumen oder bei niedrigem Umgebungslicht deutliche Vorteile bietet, erlaubt AR eine unmittelbare Überlagerung des realen Stadtraums. Bürger: innen konnten die geplanten Interventionen direkt am Leonhardsplatz erleben. Beide Methoden führten zu einer erhöhten Akzeptanz einer Reduzierung des ruhenden Autoverkehrs. Allerdings zeigte sich, dass VR bei der Darstellung der Reduzierung des fließenden Verkehrs effektiver war. AR-Technologien stellen somit eine vielversprechende Ergänzung zu VR-Simulationen dar, da sie die direkte Erfahrbarkeit im städtischen Raum ermöglichen und dabei spezifische, ortsgebunden Vorteile bieten. 4. Studie: Physische Interventionen Neben den digitalen Szenarien wurden auch physische Interventionen getestet, um die Wirkung verkehrsreduzierender Maßnahmen direkt erfahrbar zu Bild 3: VR-Szenario vom Leonhardsplatz vor und nach Reduzierung des Autoverkehrs (Foto: privat) Bild 4: Einsatz AR- Szenario am Leonhardsplatz (Foto: privat) WOHLBEFINDEN IM URBANEN RAUM Virtual Reality und Augmented Reality 85 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0032 effektiv, um eine hohe Akzeptanz für Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung zu fördern. Die 360-Grad- Videos ermöglichten eine intensive sowie immersive Erfahrung und ließen sich mit relativ geringem technischem Aufwand umsetzen. Diese Technik ist besonders wertvoll für die kommunale Praxis, da bestehende Verkehrsversuche einfach aufgenommen und flexibel wiedergegeben werden können. Interaktive VR ebenfalls überzeugend: Die interaktive VR-Simulation ermöglichte es den Teilnehmenden, den neu gestalteten Leonhardsplatz frei zu erkunden. Diese Methode hatte ebenfalls einen positiven Einfluss auf die Zustimmung zur Reduzierung des Autoverkehrs. Sie ist jedoch mit einem höheren Programmieraufwand verbunden und konnte in den durchgeführten Experimenten noch nicht ihr volles Potenzial entfalten, da die graphische Darstellung qualitativ noch nicht optimal war. AR für ortsgebundene Simulationen: AR-Anwendungen sind weniger flexibel als VR, da sie ortsgebunden sind, bieten jedoch eine direkte und realitätsnahe Überlagerung der städtischen Umgebung. Sie ermöglichen eine einzigartige Veranschaulichung der Szenarien vor Ort. AR eignet sich besonders für Bild 5: Wenig lebendiger Stadtraum (Foto: privat) Bild 6: Parklet als Ort der Kommunikation (Foto: privat) spezifische Standorte, an denen direkte Interventionen im städtischen Raum sinnvoll sind. Die abschließende Evaluation ergab, dass VR-Simulationen einen entscheidenden Vorteil hinsichtlich Flexibilität und Wetterunabhängigkeit bieten, wodurch sie eine zentrale Rolle in zukünftigen Planungsprozessen einnehmen könnten. Besonders die Variante mit den 360-Grad-Aufnahmen zeichnet sich durch ihre Einfachheit und Effektivität aus. Digitale Partizipationswerkzeuge wie Simulationen stellen daher eine sinnvolle Alternative oder Ergänzung zu physischen Interventionen wie Parklets dar, um den Bürger: innen stadtplanerische Veränderungen näherzubringen. Potenziale und Empfehlungen Die Ergebnisse des Projekts StreetMoves4iCity zeigen, dass digitale Partizipationswerkzeuge das Potenzial haben, die Akzeptanz für verkehrsberuhigende Maßnahmen zu steigern. Dies ist besonders relevant für Städte und Kommunen, die bei der Umsetzung von Mobilitätswende-Projekten häufig auf Widerstand stoßen. VR- und AR-Technologien ermöglichen es, Bürger: innen frühzeitig in Planungsprozesse einzubinden und ihre Vorstellungen sowie Wünsche in die Gestaltung des Stadtraums zu integrieren. Insbesondere VR-Tools sind für die Praxis wertvoll, da sie flexibel einsetzbar und gut anpassbar sind. Die Möglichkeit, virtuelle Umgebungen mit Gamification- Elementen zu gestalten, kann zudem die Attraktivität und Motivation zur Teilnahme erhöhen. AR bietet die Chance, Interventionen direkt vor Ort erlebbar zu machen. In Kombination mit temporären physischen Interventionen entsteht so eine ganzheitliche Erfahrungswelt. Eine Empfehlung für Praktiker: innen in Städten und Kommunen lautet daher, digitale Partizipationsmethoden als festen Bestandteil in die Stadtplanung zu integrieren. Der Vorteil, dass Bürger: innen durch immersive Erlebnisse eine realistische Vorstellung der Veränderungen erhalten, kann Widerstände abbauen und die Unterstützung für stadtplanerische Maßnahmen erhöhen. Zudem erlaubt die Flexibilität der eingesetzten Technologien eine unkomplizierte Anpassung an verschiedene stadträumliche Kontexte und Bedürfnisse. Hinweis Das Projekt StreetMoves4iCity wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in der Fördermaßnahme „FH-Impuls: Starke Fachhochschulen - Impuls für die Region unter dem Förderkennzeichen FH9I07IA“ gefördert und vom Projektträger VDI Technologiezentrum GmbH für das BMBF betreut. 86 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0032 WOHLBEFINDEN IM URBANEN RAUM Virtual Reality und Augmented Reality Prof. Dr. Thomas Bäumer Professor für Wirtschaftspsychologie an der HFT Stuttgart thomas.baeumer@hft-stuttgart.de Prof. Dr. Stephanie Huber Professorin für Wirtschaftspsychologie an der HFT Stuttgart stephanie.huber@hft-stuttgart.de Prof. Dr. Christina Simon-Philipp Professorin für Städtebau und Stadtplanung an der HFT Stuttgart christina.simon@hft-stuttgart.de Prof. Dr. Volker Coors Professor für Geoinformatik an der HFT Stuttgart volker.coors@hft-stuttgart.de M.Sc. Muhammad Alfakhori Akademischer Mitarbeiter an der HFT Stuttgart muhammad.alfakhori@hft-stuttgart.de AUTOR: INNEN Danksagung Wir möchten uns bei den folgenden Personen bedanken, die maßgeblich an der Realisierung der beschriebenen Studien beteiligt waren: Joshua Klein, Jan-Timo Ort, Tobias Reulein, Jasmina Rückle und Jan Silberer. ENDNOTE 1 Ein ausführlicher Projektbericht inklusive detaillierter Ergebnisse der hier berichteten Studien aus dem Projekt liegt ebenfalls vor (Simon-Philipp et al., 2024). LITERATUR Huber, R. A., Wicki, M. L. & Bernauer, T. (2020). Public support for environmental policy depends on beliefs concerning effectiveness, intrusiveness, and fairness. Environmental Politics, 29(4), 649-673. https: / / doi.org/ 10.1080/ 09644016 .2019.1629171 Wicki, M. & Kaufmann, D. (2022). Accepting and resisting densification: The importance of project-related factors and the contextualizing role of neighbourhoods. Landscape and Urban Planning, 220, 104350. https: / / doi.org/ 10.1016/ j.landurbplan.2021.104350 WOHLBEFINDEN IM URBANEN RAUM Virtual Reality und Augmented Reality 87 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0032 Hybride Partizipation für eine bürgergetragene Energiewende Nutzung urbaner digitaler Zwillinge für Positive Energy Districts (PEDs) Urbane Transformation, Flexibilisierung der Energieversorgung, hybride Partizipation, Urban Digital Twins, Simulationen von PEDs Amando Reber, Meera Prajapati, Rushikesh Padsala, Christina Simon-Philipp, Volker Coors Es gibt kaum Beispiele für eine bürgergetragene urbane Energiewende zu Positive Energy Districts (PEDs). Trotz verfügbarer Energiesimulationstools bleibt die Anpassung an PEDs für Kommunen schwierig, was das EU-Ziel von 100 PEDs bis 2025 hemmt. DigiTwins4PEDs schließt diese Lücke durch innovative Forschung und partizipative Prozesse, bei denen Bürger*innen und Interessengruppen in Co-Design, Co- Creation und Co-Learning einbezogen werden. Hybride Partizipation und Urban Digital Twins (UDT) fördern Beteiligung und ermöglichen Bürger*innen, die lokale Energiewende aktiv mitzugestalten. Urbane Energiewende: Auf dem Weg zu PEDs Die Transformation von Städten erfordert innovative Ansätze für eine nachhaltige Energiewende. Positive Energy Districts (PEDs) sollen nicht nur Energie sparen, sondern auch Überschüsse erzeugen. Ihre Umsetzung erfordert technische Lösungen, urbane Energiesimulationen und die Einbindung aller gesellschaftlichen Akteur*innen. Reallabore bewähren sich zunehmend, um Stadtraum partizipativ zu erforschen. Dabei können digitale Stadtmodelle (Urban Digital Twins, kurz: UDT) unterstützen. Diese Kombination schafft neue Dimensionen der hybriden Partizipation, die eine intensivere Einbindung der Bürger*innen in Stadtentwicklungsprozesse ermöglichen. 88 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0033 WOHLBEFINDEN IM URBANEN RAUM Hybride Partizipation al., 2024). Reallabore aktivieren urbane Ressourcen und tragen durch quartiersbezogene Ansätze wesentlich zu resilienter Stadtentwicklung bei, indem sie soziale und ökologische Ziele in experimentellen Prozessen verankern (Petrescu et al., 2022; Ziehl, 2021). Durch Co-Design-Prozesse entstehen langfristige Partnerschaften zwischen Wissenschaft, Stadtverwaltung und Stadt-gesellschaft (Zingraff- Hamed et al., 2020). Co-Design, Co-Creation und Co-Learning in DigiTwins4PEDs DigiTwins4PEDs nutzt den vorgestellten Ansatz der hybriden Partizipation unter Verwendung eines UDTs, der in Reallaborformaten umgesetzt wird. Stakeholder und Bürger*innen sind Teil des Co-Design-, Co-Creation- und Co-Learning-Prozesses, in dem die Forschungserkenntnisse entwickelt, bewertet und iterativ angepasst werden. Um den partizipativen Prozess zu unterstützen, werden neue Tools und Methoden unter Verwendung von UDTs entwickelt und angepasst, die es Bürger*innen ermöglichen, die lokale Energiewende auf Nachbarschaftsebene voranzutreiben und fundiertere Entscheidungen zu treffen. Hybride Partizipation Hybride Partizipationsformate, die digitale und analoge Methoden kombinieren, haben sich als vielversprechender Ansatz zur Förderung eines inklusiven und effektiven Engagements der Gemeinschaft erwiesen, indem sie Top-down- und Bottom-up- Ansätze kombinieren (Staffans et al., 2020). Digitale Methoden machen das Engagement für ein breiteres Publikum zugänglicher, während analoge Methoden wichtig sind, um Gruppen mit begrenzten digitalen Kenntnissen oder Zugang zu erreichen und durch persönliche Interaktion Inklusion zu gewährleisten (Unger & Lee, 2023). Hybride Formate nutzen die Stärken beider Ansätze, indem sie Veranstaltungen vor Ort mit Online-Interaktionen verbinden, um „erweiterte urbane Räume“ für Beteiligung, Wissensaustausch und gemeinschaftliche Planung zu schaffen - und so flexible Lösungen für städtische Herausforderungen zu entwickeln. In einer von der HFT Stuttgart entwickelten digitalen 3D-Beteiligungsplattform wurde die Anwendung von UDT in realen Szenarien erprobt (Würstle et al., 2021). Darauf aufbauend soll eine UDT-Plattform für PEDs entstehen, die Informationsaustausch und Mitgestaltung ermöglicht. Durch webbasierte Anwendungen mit CityGML-3D-Stadtmodellen können Energiebedarfsimulationen visualisiert werden, um Bürger: innen interaktive Einblicke und fundierte Entscheidungen zu bieten. Urbane Digitale Zwillinge (UDT) UDTs sind essenziell für urbane Herausforderungen, da sie datengestützte Planung, Partizipation und Integration fördern. Sie dienen als visuelle Schnittstelle, die Informationen des urbanen Raums integriert - von statischen, physischen Objekten bis hin zu dynamischen, urbanen Prozessen. 3D-Stadtmodelle wie z.B. CityGML dienen als Basis für UDTs, integrieren Simulationen und fördern partizipative Entscheidungen für eine bürgergeführte Energiewende, indem sie Wärme- und Strombedarf erfassen, Sanierungsszenarien bewerten und PV-Potenziale analysieren (Eicker et al., 2018). Urbane Reallabore (ULL) Urbane Reallabore bieten dynamische Testumgebungen für hybride Partizipationsansätze (Afacan, 2023). Als Plattformen für Co-Design und Co-Creation schaffen urbane Reallabore Experimentierräume, die Städte bei der Bewältigung aktueller und zukünftiger Herausforderungen unterstützen (Frantzeskaki et al., 2018), soziale Interaktionen und bürgerliches Engagement stärken und damit den transformativen Wandel unterstützen (Robazza et Abb. 1: Im Nordbahnhofviertel leben rund 5.500 Menschen. Das Quartier ist durch einen hohen Anteil an Bewohner*innen mit Migrationshintergrund, Gentrifizierungsdruck und eine dichte Bebauung auf engem Raum im Stuttgarter Talkessel gekennzeichnet, Foto: Reber WOHLBEFINDEN IM URBANEN RAUM Hybride Partizipation 89 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0033 Im Rahmen eines hybriden Partizipationsprozesses im Reallabor-Setting können Kinder und Jugendliche, Mieter*innen und Eigentümer*innen in temporäre, zielgruppenspezifische Interventionen eingebunden werden. Eine interaktive Plattform untersucht, wie UDTs die Energiewende unterstützen und welche Einsparpotenziale durch Verhaltensänderungen möglich sind. Drei baulich-räumliche Interventionen adressieren 1) Aktivierung zur Energiewende, 2) flexiblen Energieverbrauch und 3) PED-Konzepte. Schwerpunkte sind Produktion (PV, Wärmepumpen), Nachfrage (Effizienzmaßnahmen) und Flexibilisierung (z. B. Vehicle-to-Grid, Laststeuerung). Fazit und Ausblick In einem nächsten Schritt wird das Reallabor-Framework implementiert und in fallstudienspezifischen Reallaborkonzepten erprobt. DigiTwins4PEDs soll dazu beitragen, die Realisierung von PEDs voranzutreiben und die Herausforderungen flexibler Energienutzung zu bewältigen. Die Simulations- und Modellierungstools werden im Rahmen von Reallaboren in einem hybriden Partizipationsprozess erprobt und ermöglichen durch Co-Design und Co- Creation eine bürgergetragene Energiewende hin zu PEDs. Die in diesem Beitrag vorgestellten Arbeiten wurden vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klima-schutz (BMWK ) gefördert (Förderkennzeichen: 03EN3081A). Dieses Projekt wurde von den Partnern der DUT-Partnerschaft (https: / / dutpartnership.eu/ ) im Rahmen des Joint Call 2022 finanziert. Als solches erhielt dieses Projekt Fördermittel aus dem EU-Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon Europe unter der Fördervereinbarung Nr. 101069506. Um eine bestmögliche Beteiligung zu erreichen und Akzeptanz und Bewusstsein für die Energiewende hin zu PEDs zu schaffen, werden hybride Partizipationsformate genutzt. Dazu werden in vier Fallstudien in Europa Reallabore mit verschiedenen Schwerpunkten umgesetzt: Das Nordbahnhofviertel (Stuttgart, Deutschland) steht im Zuge von Stuttgart 21 vor städtebaulichen, sozialen und gesellschaftlichen Herausforderungen. Es stellt sich die Frage, wie die bestehenden und neuen Quartiere gemeinsam nachhaltig entwickelt werden können und wie die Lebensgrundlagen und das Wohlergehen der heutigen und zukünftigen Bewohner im Rahmen von PEDs berücksichtigt werden können. Im „Grätzl 20+2“ (Wien, Österreich) wird die Umstellung des gasbasierten Energiesystems auf erneuerbare Quellen untersucht, einschließlich der Auswirkungen auf Strom- und Wärmelastmanagement sowie Spitzenlasten. In Prinsenland und Feijenoord (Rotterdam, Niederlande) stehen innovative Kühlkonzepte im Fokus, um den steigenden Energiebedarf durch Photovoltaik und Speicherlösungen zu decken, ohne das Stromnetz zu überlasten. Kleczków (Wroclaw, Polen) erfordert flexible energetische Lösungen für eine heterogene Bebauung mit historischen Mietshäusern, Neubauten und veralteter Infrastruktur. Baulich-räumliche Interventionen in einem fallstudienübergreifenden Reallabor-Framework Die Umsetzung von PEDs ist herausfordernd, da sich nicht alle Fallstudiengebiete aufgrund ihrer spezifischen Merkmale leicht in PEDs umwandeln lassen. Daher liegt der Fokus darauf, Effizienz und Eigenverbrauch zu steigern, Verbraucherinnen zu Prosumenten zu machen und relevante Maßnahmen für Endnutzerinnen zu identifizieren. Abb. 2: Fallstudienübergreifendes Reallabor-Framework, © Amando Reber 90 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0033 WOHLBEFINDEN IM URBANEN RAUM Hybride Partizipation ence at Gangeviertel in Hamburg. RAUMFORSCHUNG UND RAUMORDNUNG-SPATIAL RESEARCH AND PLANNING, 79(4), 396-410. https: / / doi.org/ 10.14512/ rur.69 Zingraff-Hamed, A., Huesker, F., Lupp, G., Begg, C., Huang, J., Oen, A., Vojinovic, Z., Kuhlicke, C., & Pauleit, S. (2020). Stakeholder Mapping to Co-Create Nature-Based Solutions: Who Is on Board? 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Jahrgang, Sonderausgabe (2025) Verlag expert verlag - Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 72070 Tübingen Tel. +49 7071 97 97 0 info@narr.de www.narr.de Redaktionsleitung Dipl. Phys. Ulrich Sandten-Ma Tel. +49 7071 97 556 56 redaktion@transforming-cities.de Redaktion Patrick Sorg, M.A. Tel. +49 7071 97 556 57 redaktion@transforming-cities.de Projektkoordination Lisa Bittmann / HFT Stuttgart Korrektorat Dr. Sandra Hohmann Anzeigen Stefanie Richter Tel. +49 (0)171 203 46 63 richter@narr.de Vertrieb und Abonnentenservice Tel. +49 89 85853 881 abo-service@narr.de Bezugsgebühren für Abonnement der regulären Ausgabe (4 x jährlich) Jahresabonnement Inland: print EUR 86,00 / eJournal EUR 103,00 Einzelheft print: EUR 39,00 Jahresabonnement Bibliotheken/ Firmen Inland: print EUR 140,00 Campus-/ Firmenlizenzen eJournal auf Anfrage Alle Preise inkl. Mehrwertsteuer und zuzüglich Versandkosten. Medienpartnerschaft VDI Verein Deutscher Ingenieure e. V. - Fachbereich Verkehr und Umwelt Druck Elanders Waiblingen GmbH, Waiblingen Titelbild © Barbara Hefner / HFT Stuttgart Copyright Vervielfältigungen durch Druck und Schrift sowie auf elektronischem Wege, auch auszugsweise, sind verboten und bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung des Verlages. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Abbildungen übernimmt der Verlag keine Haftung. ISSN 2366-7281 eISSN 2366-3723 www.narr.de/ agb Anzeige SPRACH- UND LITERATURWISSENSCHAFT 2 5 www.narr.digital Wissenschaftliches Publizieren bedeutet die eigenen Forschungsergebnisse sichtbar machen. Unsere eLibrary bietet Ihnen neben den regulären ePublikationen auch Zugriff auf alle unsere Open Access- Publikationen! Unsere etablierten Zeitschriften stehen nach einem Embargo von höchstens zwei Jahren Open Access. Für Buchpublikationen ermöglichen wir unseren Autor: innen diese Form des Publizierens entweder von Anfang an über den goldenen Weg oder nachträglich für bereits erschienene Werke über den grünen Weg. vernarrt in Open Access expert verlag - Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG deagreez - stock.adobe.com Sie haben bislang durch Ihre Beiträge zum Gelingen unserer Zeitschrift „Transforming Cities“ beigetragen. Seit Januar 2024 erscheint diese Zeitschrift im expert verlag, der seit über 40 Jahren Fachliteratur mit engem Praxisbezug veröffentlicht. Ob Lehrbuch, Fachbuch oder Qualifikationsschrift: wir bieten Ihnen die Möglichkeit, Ihr Buch mit großer Reichweite zu veröffentlichen. Um Ihr Buch optimal zu vertreiben und die Wahrnehmung in der Fachleserschaft zu befördern, veröffentlichen wir Ihr Werk sowohl als gedrucktes Buch wie auch als eBook in den Formaten ePDF, ePub und HTML. Mit unseren plattformübergreifenden Produktionsrichtlinien stellen wir moderne Ausgabeformate für unsere Publikationen sicher. Unsere eLibrary gewährleistet Bibliotheken, Studierenden und Privatpersonen benutzerfreundlichen Zugriff auf erworbene eBooks sowie unsere OpenAccess-Publikationen. Unsere Bücher finden sich in allen wichtigen Hochschulen im D-A-CH-Raum und darüber hinaus. Unser Lektorat unterstützt Sie bei der Umsetzung Ihres Buchvorhabens in allen Phasen von der Planung bis zum Druck. Suchen Sie einen Verlag für Ihr Fachbuch? Sprechen Sie gerne mit uns über Ihr Buchvorhaben: Ulrich Sandten-Ma Fon: +49 (0)7071 97 556 56 | eMail: sandten@verlag.expert Besuchen Sie unsere Seminare, Lehrgänge und Fachtagungen. 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