eJournals Tribologie und Schmierungstechnik 63/2

Tribologie und Schmierungstechnik
tus
0724-3472
2941-0908
expert verlag Tübingen
0401
2016
632 Jungk

Bainit in Stählen mit hohem Widerstand gegen Abrasivverschleiß

0401
2016
Olaf Hesse
Jens Liefheith
Maik Kunert
Alexej Kapustjan
Michael Brykov
Vasiliy Efremenko
Zwei metastabil-austenitische Stähle (1,2 Gew.-% C, 2 Gew.-% Si) mit unterschiedlichem Mangangehalt (2,5 bzw. 3,5 Gew.-%) wurden bei 250°C isotherm ausgelagert und hinsichtlich der Änderung der Phasenzusammensetzung, der mechanischen Eigenschaften und der Verschleißbeständigkeit charakterisiert. Beide Stähle zeigen eine sehr gute Beständigkeit gegen abrasiven Verschleiß, insbesondere im metastabil-austenitischen aber auch im ausgelagerten Zustand. Ungeachtet der geringen Unterschiede in der chemischen Zusammensetzung der Stähle (1 Gew.-%Mn) zeigten sich deutliche Besonderheiten in der Änderung von Phasenzusammensetzung und Eigenschaften während der isothermen Auslagerung. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass niedriglegierte Stähle mit erhöhtem Kohlenstoffgehalt und Mangananteilen im Bereich von 3 Gew.-% durch die gezielte Einstellung einer Phasenzusammensetzung aus Martensit, Bainit und metastabilem Austenit eine einzigartige Kombination von Festigkeit, Plastizität und Abrasivverschleißfestigkeit erreichen können, die so bei üblichen Werkzeugstählen nicht möglich ist.
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Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 2/ 2016 5 Aus Wissenschaft und Forschung 1 Motivation Niedriglegierte Stähle mit erhöhtem Kohlenstoffgehalt weisen im metastabilen austenitischen Zustand eine sehr hohe Beständigkeit gegen abrasiven Verschleiß auf [1- 5]. Dem praktischen Einsatz dieser Stähle steht derzeit allerdings noch ihre geringe Zähigkeit entgegen. Der Grund für die hohe Verschleißbeständigkeit und die geringe Zähigkeit ist derselbe: Der metastabile Austenit wandelt bei mechanischer Belastung verformungsinduziert in Martensit um. Dieser Martensit ist wegen des hohen Kohlenstoffgehaltes sehr hart. An der Oberfläche des Bauteils bewirkt der harte Martensit eine sehr hohe Abrasivverschleißbeständigkeit. Bildet sich der Martensit im Spannungsfeld eines Risses, so ist er die Ursache für einen sehr spröden Bruchverlauf. Um diesen Konflikt aufzulösen muss einerseits eine ausreichende Menge an metastabilem Austenit im Gefüge verbleiben. Andererseits muss dieser Austenit so im Gefüge angeordnet sein, dass ein spröder Bruch verhindert wird. Eine Lösung für dieses Zielproblem zeigt uns die Natur. Die Schale von Roten Seeohren (Meeresschnecken) be- * Dipl.-Ing. Olaf Hesse, B. Eng. Jens Liefeith, Prof. Dr. Maik Kunert Ernst-Abbe-Hochschule Jena, Fachbereich SciTec, D-07745 Jena M. Sc. Alexej Kapustjan, Prof. Dr. Michael Brykov Nationale Technische Universität Saporischschja, UA-69002 Saporischschja Prof. Vasiliy Efremenko Pryazovskyi State Technical University, UA-87500 Mariupol Bainit in Stählen mit hohem Widerstand gegen Abrasivverschleiß O. Hesse, J. Liefeith, M. Kunert, A. Kapustyan, M. Brykov, V. Efremenko* Eingereicht: 16. 7. 2015 Nach Begutachtung angenommen: 15. 8. 2015 Zwei metastabil-austenitische Stähle (1,2 Gew.-% C, 2 Gew.-% Si) mit unterschiedlichem Mangangehalt (2,5 bzw. 3,5 Gew.-%) wurden bei 250 °C isotherm ausgelagert und hinsichtlich der Änderung der Phasenzusammensetzung, der mechanischen Eigenschaften und der Verschleißbeständigkeit charakterisiert. Beide Stähle zeigen eine sehr gute Beständigkeit gegen abrasiven Verschleiß, insbesondere im metastabil-austenitischen aber auch im ausgelagerten Zustand. Ungeachtet der geringen Unterschiede in der chemischen Zusammensetzung der Stähle (1 Gew.-% Mn) zeigten sich deutliche Besonderheiten in der Änderung von Phasenzusammensetzung und Eigenschaften während der isothermen Auslagerung. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass niedriglegierte Stähle mit erhöhtem Kohlenstoffgehalt und Mangananteilen im Bereich von 3 Gew.-% durch die gezielte Einstellung einer Phasenzusammensetzung aus Martensit, Bainit und metastabilem Austenit eine einzigartige Kombination von Festigkeit, Plastizität und Abrasivverschleißfestigkeit erreichen können, die so bei üblichen Werkzeugstählen nicht möglich ist. Schlüsselwörter abrasiver Verschleiß, Stahl, Austenit, Bainit, Martensit, Verschleißbeständigkeit Two metastable austenitic steels (1.2 wt.% C, 2 wt.% Si) with different manganese content (2,5 and 3,5 wt.%) were tempered isothermally at 250 °C and were characterized with respect to changes in phase composition, mechanical properties and abrasive wear resistance. Both steels exhibit very good resistance to abrasive wear, especially in the metastable austenitic state but also after tempering. Despite of the small differences in the chemical composition of the steels (1 wt.% Mn) distinct features were revealed for the two steels in the change of phase composition and properties during isothermal aging. The results suggest that high carbon low-alloy steels with manganese content of about 3 wt.% can achieve a unique combination of strength, plasticity and abrasive wear resistance by a specific adjustment of the phase composition of martensite, bainite and metastable austenite which is not possible in conventional tool steels. Keywords abrasive wear, steel, austenite, bainite, martensite, wear resistance Kurzfassung Abstract T+S_2_16 05.02.16 14: 23 Seite 5 6 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 2/ 2016 sitzt eine sehr hohe Bruchzähigkeit, obwohl sie zu 95 % aus Calziumcarbonat, einem an sich sehr spröden Material besteht. Die hohe Zähigkeit resultiert aus dem speziellen Aufbau: Das Calciumcarbonat wird in Form dünner Plättchen (< 1 µm) übereinander gestapelt. Zwischen den dünnen Plättchen finden sich dünne Proteinschichten, die eine Art federnde Klebemasse darstellen und für die hohe Zähigkeit sorgen [6]. Auch in der Technik wird dieses Prinzip angewendet. So lässt sich durch eine geeignete Wahl der geometrischen Verhältnisse die Bruchzähigkeit von Metall-Keramik- Laminaten gezielt verbessern [7]. Ein anderes Beispiel stellen die karbidfreien bainitischen Stähle mit geringem bis mittlerem Kohlenstoffgehalt dar. Diese Stähle weisen nach einer isothermen Auslagerung bei Temperaturen im Bereich von 200-300 °C eine sehr gute Kombination von Festigkeit und Zähigkeit auf [8 -11]. Diese gute Eigenschaftskombination ist Folge eines im Submikrometerbereich strukturierten Gefüges, welches aus sehr dünnen, karbidfreien Ferritplatten und dazwischen eingelagertem, stark an Kohlenstoff übersättigtem und somit sehr stabilem Restaustenit besteht. Der stabilisierte Restaustenit verbessert die Duktilität des Stahls [12,13]. Das Ziel dieser Arbeit besteht darin, Phasenzusammensetzung, Gefüge und Eigenschaften von hochkohlenstoffhaltigen niedriglegierten Stählen mit einem Mangangehalt im Bereich von 3 Gew.-% durch geeignete legierungstechnische und Wärmebehandlungsmaßnahmen zu optimieren. 2 Werkstoffe und experimentelle Vorgehensweise Die chemische Zusammensetzung der im Rahmen der Arbeit untersuchten Stähle ist in Tabelle 1 aufgeführt. Im Vergleich zum 120Mn3 der vorherigen Untersuchung [4] wurde der Mangangehalt um ca. 0,5 Gew.-% erhöht bzw. reduziert und ein Si-Gehalt von 2 Gew.-% hinzugefügt. Die Variation des Mn-Gehaltes dient der Einstellung einer unterschiedlichen Austenitstabilität; die Si-Zugabe verhindert bei Gehalten > 1,5 Gew.-% die Bildung von Karbiden bei der isothermen Bainitisierung [14,15]. Die Stähle wurden induktiv erschmolzen, einer Elektroschlackeumschmelzung unterzogen und in eine Kokille mit 100 mm Durchmesser abgegossen. Anschließend erfolgte ein Freiformschmieden auf 60 x 60 x 1000 mm. Die Schmiedestücke wurden abschließend bei 1000 °C für 12 Stunden homogenisierend geglüht und langsam abgekühlt. Für die Untersuchungen wurden die Proben mit den Abmessungen 15 x 15 x 10 mm jeweils aus dem Inneren der Schmiedestücke mittels Nasstrennschleifen entnommen. Die Versuchsproben wurden bei 1000 °C in normaler Atmosphäre austenitisiert, in Wasser mit einer Temperatur von 20 °C abgeschreckt und isotherm bei 250 °C ausgelagert. Für den Stahl 120Mn2,5Si2 wurden zur Untersuchung der Umwandlungskinetik zusätzlich Proben auch bei 200, 270 und 300 °C bainitisiert. Die hergestellten Proben wurden hinsichtlich Gefüge, Phasenzusammensetzung, mechanischer Eigenschaften und Verschleißbeständigkeit gegen Abrasion charakterisiert. Die Untersuchung des Gefüges erfolgte an mit Nital geätzten Proben lichtmikroskopisch (Zeiss Neophot 32) und mit Hilfe der Rasterelektronenmikroskopie (Zeiss Ultra 55). Die Phasenzusammensetzung wurde röntgendiffraktometrisch (Bruker D8 Discover, Cu-Kα- Strahlung) bestimmt und mit Hilfe des nach der Rietveld-Methode arbeitenden Softwaremoduls TOPAS von Bruker quantifiziert. Die Härten wurden nach Vickers (HV 10, Wolpert DIA Testor) gemessen und die mechanischen Eigenschaften im Dreipunkt-Biegeversuch auf einer Universalprüfmaschine TIRATest 2820 ermittelt (Probengeometrie: 5 x 5 x 50 mm). Die Ermittlung der Verschleißbeständigkeit erfolgte unter Zwei-Körper-Abrasiveinwirkung (Pin-on-Drum, siehe [4] für Details). Mit Hilfe der Verschleißtests wurde eine relative Verschleißbeständigkeit der Materialien ermittelt, wobei „1“ der Abrasionsverschleißbeständigkeit von Reineisen entspricht. Proben des Stahls 120Mn3,5Si2 wurden nach Abschrecken von 1000 °C und 8 Tagen Auslagerung bei 250 °C zusätzlich einer Kältebehandlung bei -80 °C bzw. -196 °C unterzogen, um den Einfluss niedriger Temperaturen auf die Eigenschaften des Materials nach Zwischenstufenumwandlung zu untersuchen. 3 Ergebnisse und Diskussion 3.1 Phasenzusammensetzung und mechanische Eigenschaften im metastabil-austenitischen Zustand Phasenzusammensetzung. Die Proben der Versuchsreihe 120Mn3,5Si2 sind nach dem Abschrecken von 1000 °C in 20 °C kaltem Wasser vollständig austenitisch. Das Aus Wissenschaft und Forschung Tabelle 1: Chemische Zusammensetzung der untersuchten Stähle (Gew.-%) Stahl C Mn Si Cr Cu Ni P S 120Mn3.5Si2 1,29 3,51 2,18 0,18 0,05 0,10 0,044 0,005 120Mn2.5Si2 1,22 2,58 2,03 0,16 0,44 0,06 0,029 0,009 T+S_2_16 05.02.16 14: 23 Seite 6 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 2/ 2016 Röntgendiffraktogramm weist neben den Austenitpeaks keine weiteren signifikanten Reflexe auf (Bild 1, untere Kurve). Im Falle der 120Mn2,5Si2-Probe ist neben den Austenitreflexen deutlich auch der (110)-Martensitreflex erkennbar (Bild 1, obere Kurve). Wie die geringe Peakintensität und die lichtmikroskopische Aufnahme der Probe zeigen (Bild 2), ist der Volumenanteil an Abschreckmartensit gering. Eine Rietveld- Analyse des in Bild 1 gezeigten Diffraktogramms der 120Mn2,5Si2-Probe ergab einen Volumenanteil an Martensit von ca. 13 %. Der Unterschied in der Phasenzusammensetzung zwischen den beiden Stählen im Ausgangszustand erklärt sich aus dem um 1 Gew.-% geringeren Mangananteil des 120Mn2,5Si2. Der geringere Mangangehalt bewirkt eine Verringerung der thermodynamischen Stabilität des Austenits und somit eine Erhöhung der Martensitstarttemperatur auf Werte leicht oberhalb von 20 °C. Zur Abschätzung der Martensitstarttemperatur kann das Modell von Koistinen und Marburger verwendet werden [16]. Es stellt den Zusammenhang zwischen martensitisch umgewandeltem Anteil f M und der Unterkühlung unter die Martensitstarttemperatur dar: f M = 1 - exp{-0,011(Ms -Tq)} (1) Der röntgenografisch ermittelte Anteil von 13 % entspricht dabei einer Unterkühlung um ca. 13 K unterhalb Ms, so dass für den 120Mn2,5Si2 eine Martensitstarttemperatur von ca. 33 °C angenommen werden kann. Dieser Wert stellt allerdings nur eine grobe Abschätzung dar, da zum einen der röntgenographisch ermittelte Anteil an Abschreckmartensit mit einem Fehler von ± 2,5 % versehen ist und zum anderen der Einfluss der Austenitkorngröße nicht berücksichtigt wird [17]. Mechanische Eigenschaften. In Bild 3 sind exemplarisch zwei Messkurven der 3-Punkt-Biegeprüfung an den Stählen im abgeschreckten Zustand dargestellt. Im Fall des vollständig austenitischen 120Mn3,5Si2 geht dem Bruch eine sichtbare plastische Verformung voraus. Nach Entstehung des Anrisses im Maximum der Randfaserspannung erfolgt der Rissfortschritt allmählich bei langsamer Entlastung der Prüfmaschine. Der Rissfortschritt wird aber gestoppt, so dass die Probe nach Versuchsende nicht komplett durchgebrochen ist. Im Unterschied dazu bricht die 120Mn2,5Si2-Probe schlagartig und ohne sichtbare plastische Verformung. Der Bruch erfolgt bei einer um ca. ¼ geringeren Randfaserdehnung im Vergleich zum 120Mn3,5Si2. Die starke Diskrepanz zwi- 7 Aus Wissenschaft und Forschung Bild 1: Röntgendiffraktogramme der Stähle 120Mn2,5Si2 und 120Mn3,5Si2 direkt nach Austenitisierung (1000 °C) und Abschrecken in Wasser (20 °C) Bild 3: Spannungs-Dehnungs-Diagramme von 3- Punkt-Biegeversuchen der Stähle 120Mn2,5Si2 und 120Mn3,5Si2 direkt nach Austenitisierung (1000 °C) und Abschrecken in Wasser (20 °C) Bild 2: Lichtmikroskopische Aufnahme des Gefüges der 120Mn2,5Si2-Probe direkt nach Austenitisierung (1000 °C) und Abschrecken in Wasser (20 °C). Die Abbildung bestätigt das Vorliegen von Abschreckmartensit. T+S_2_16 05.02.16 14: 23 Seite 7 8 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 2/ 2016 schen den beiden Stählen im Biegeversuch kann mit der höheren Stabilität des Austenits beim 120Mn3,5Si2 erklärt werden. Zum einen verhindert die höhere Austenitstabilität des 120Mn3,5Si2 die Bildung von Martensit beim Abschrecken nach der Austenitisierung; es liegt ein rein austenitisches Ausgangsgefüge vor. Zum anderen wirkt die höhere Stabilität des Austenits auch der Entstehung von verformungsinduziertem Martensit bei der Rissbildung und -ausbreitung entgegen. Es zeigt sich: Je höher die Stabilität des Austenits, desto besser ist die Duktilität. Anzumerken ist, dass die relative hohe Randfaserdehnung beim 120Mn3,5Si2 nur dann erreicht werden kann, wenn die Probe frei von Anrissen ist. Das Vorhandensein von Rissen führt zu einer Verschiebung der Messkurven in Richtung des 120Mn2,5Si2. 3.2 Phasenzusammensetzung und mechanische Eigenschaften im bainitisierten Zustand Wie in der Motivation dargestellt, soll in dieser Arbeit das Gefüge der Stähle so eingestellt werden, dass einerseits ausreichend Restaustenit für die Gewährleistung einer hohen Verschleißbeständigkeit vorhanden ist, er andererseits aber nicht zu einem Sprödbruchverhalten führt. Dazu wurden Proben der beiden Stähle nach dem Abschrecken von 1000 °C auf 20 °C isotherm bei 250 °C ausgelagert. Für den Stahl 120Mn2,5Si2 wurden zur Untersuchung der Umwandlungskinetik zusätzlich Proben auch bei 200, 270 und 300 °C bainitisiert. Der Umwandlungsfortschritt wurde durch Härtemessungen, röntgendiffraktometrische Phasenanalyse sowie licht- und elektronenmikroskopische Gefügeanalysen nachgewiesen. Im Folgenden werden die Untersuchungsergebnisse für die Stähle 120Mn2,5Si2 und 120Mn3,5Si2 gegenübergestellt. 120Mn2,5Si2. Bild 4 stellt die Änderung der Härte des Stahls 120Mn2,5Si2 in Abhängigkeit von der Auslagerungszeit bei unterschiedlichen Auslagerungstemperaturen dar. Der Startpunkt entspricht dabei jeweils der Härte des Materials direkt nach Austenitisieren (1000 °C) und Abschrecken in Wasser. Für alle Auslagerungstemperaturen ergeben sich deutliche Härtezunahmen. Zwei Aussagen können getroffen werden: 1. Je höher die Auslagerungstemperatur, desto früher erfolgt der Härteanstieg. 2. Je höher die Auslagerungstemperatur, desto geringer ist die erreichbare Maximalhärte. Vor dem Hintergrund der praktischen Anwendung erscheint eine Auslagerungstemperatur von 250 °C für diesen Stahl optimal zu sein. Einerseits ist die notwendige Auslagerungszeit bis zum Erreichen der Maximalhärte im Vergleich zu 200 °C deutlich geringer (2 vs. 16 Tage) und zum anderen ist der erreichbare Härtewert bei 250 °C nur geringfügig kleiner als bei 200 °C (460 HV10 vs. 480 HV10). Eine weitere Erhöhung der Auslagerungstemperatur auf 270 °C führt zu einem weiteren Verlust an Maximalhärte ohne wesentliche Verringerung der Auslagerungszeit. Bei 300 °C beträgt die Maximalhärte nur noch 350 HV10. Während die Probenserien der 200 °C, 250 °C und 270 °C-Auslagerungen eine ähnliche Ausgangshärte von ca. 260 HV10 aufweisen, ist die Ausgangshärte der 300 °C-Probenserie mit 287 HV10 signifikant höher. Der Grund dafür liegt in der bei dieser Probe etwas geringeren Abschrecktemperatur des Wassers (ca. 10 °C). Die geringere Abschrecktemperatur bedingt einen höheren Martensitanteil im Ausgangsgefüge (22 % vs. 13 % entsprechend Gleichung 1) und so eine höhere Härte. Aus Wissenschaft und Forschung Bild 4: Härteänderungen des Stahls 120Mn2,5Si2 während der Auslagerung bei 200, 250, 270 und 300 °C. Für eine bessere Übersichtlichkeit wurde auf die Darstellung der Standardabweichungen verzichtet und sigmoidale Fitlinien zur Orientierung abgebildet. Bild 5: Gefüge des Stahls 120Mn2,5Si2 nach Abschreckung von 1000 °C und zwei Tagen Auslagerung bei 250 °C. T+S_2_16 05.02.16 14: 23 Seite 8 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 2/ 2016 Das Gefüge des 120Mn2,5Si2 nach einer 2-tägigen Auslagerung bei 250 °C ist in Bild 5 dargestellt. Im Gefüge sind neben dem nadeligen Abschreckungsmartensit, erkennbar an der dunkleren Färbung, große Mengen an bainitischem Ferrit zu sehen, welches eine hellgraue Färbung zeigt. Das Röntgendiffraktogramm (Bild 6, obere Kurve) zeigt für diesen Stahl eine Mischung aus Austenit und ferritischer Phase (angelassener Martensit und bainitischer Ferrit). Der Anteil an Restaustenit (helle Bereiche in Bild 5) wurde mittels Rietveld-Analyse bestimmt und beträgt ca. 56 %. Neben den größeren Restaustenitbereichen, die in Bild 5 gut erkennbar sind, liegt Restaustenit in Form sehr dünner und lichtmikroskopisch nicht auflösbarer Schichten zwischen den bainitischen Ferritplatten vor. 120Mn3,5Si2. Der 120Mn3,5Si2 erreicht bei einer Auslagerungstemperatur von 250 °C das Härtemaximum erst nach 4 Tagen, benötigt also die im Vergleich zum 120Mn2,5Si2 doppelte Zeit (siehe Bild 7, untere Kurve). Gleichzeitig ist sowohl die Ausgangshärte (220 HV10 vs. 260 HV10) als auch die erreichte Maximalhärte (300 HV10 vs. 450 HV10) deutlich geringer als beim 120Mn2,5Si2. Der Unterschied in der Ausgangshärte erklärt sich aus der unterschiedlichen Phasenzusammensetzung der Proben nach dem Austenitisieren und Abschrecken. Während der 120Mn3,5Si2 vollständig austenitisch ist (vgl. Bild 1), liegt im 120Mn2,5Si2 ca. 13 % Abschreckmartensit vor, der diesem die höhere Härte im Ausgangszustand verleiht. Die starke Härtezunahme des 120Mn2,5Si2 lässt sich über die Änderung der Phasenzusammensetzung während der Auslagerung erklären. Bild 6 zeigt das Röntgendiffraktogramm einer 120Mn3,5Si2-Probe nach Erreichen des Härtemaximums (Auslagerung bei 250 °C für 8 Tage). Man erkennt, dass im Unterschied zur 120Mn2,5Si2- Probe (250 °C/ 2 Tage) nur ein sehr geringer Anteil an ferritischer Phase (bainitischer Ferrit) vorliegt. Eine Rietveld-Analyse des dargestellten Diffraktogramms ergibt einen Wert von 10 % bainitischem Ferrit. 90 % des Gefüges liegen noch immer im austenitischen Zustand vor. Bild 8 zeigt licht- und rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen einer 120Mn3,5Si-Probe nach 8 Tagen Auslagerung bei 250 °C. Die lichtmikroskopischen Aufnahmen (Bild 8a und b) zeigen eine austenitische Matrix mit homogen verteilten bainitischen Ferritplatten, die Breiten von 0,2 bis 1 µm und Längen von einigen 10 µm aufweisen. Auf den rasterelektronenmikroskopischen Aufnahmen (Bild 8c und d) ist zu erkennen, dass die lichtmikroskopisch erkennbaren Platten eine Feinstruktur aufweisen und aus nahezu parallelen Platten mit Breiten im Bereich von 100 -160 nm aufgebaut sind. Zwischen den fein strukturierten bainitischen Ferritplatten sind allerdings große Restaustenitblöcke mit Durchmessern im Bereich von 2 bis 10 µm zu erkennen. Insgesamt ist die geringere Maximalhärte des 120Mn3,5Si2 9 Aus Wissenschaft und Forschung Bild 7: Härteänderungen des Stahls 120Mn3,5Si2 während der Auslagerung bei 250 °C. Für eine bessere Übersichtlichkeit wurde auf die Darstellung der Standardabweichungen verzichtet und sigmoidale Fitlinien zur Orientierung abgebildet. Zusätzlich wurde für eine bessere Vergleichbarkeit die entsprechende Kurve (250 °C) des 120Mn2,5Si2 aus Bild 4 nochmals mit dargestellt. Bild 6: Röntgendiffraktogramme der Stähle 120Mn2,5Si2 und 120Mn3,5Si2 nach Austenitisierung und Auslagerung bei 250 °C. Die Auslagerungsdauer betrug für die 120Mn2,5Si2-Probe 2 Tage und für die 120Mn3,5Si2-Probe 8 Tage. T+S_2_16 05.02.16 14: 23 Seite 9 10 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 2/ 2016 auf den im Vergleich zum 120Mn2,5Si2 deutlich geringeren umgewandelten Anteil zurück zu führen. Neben den oben diskutierten Unterschieden in Anfangs- und Maximalhärte zeigen die Daten in Bild 7 auch eine höhere Umwandlungsgeschwindigkeit, d. h. eine kürzere Auslagerungszeit bis zum Erreichen der Maximalhärte beim 120Mn2,5Si2. Drei Gründe können hierfür benannt werden. Erstens: Die Stabilität des Austenits ist beim 120Mn3,5Si2 höher als beim 1202,5Si2. Bei gleicher Auslagerungstemperatur ist demzufolge auch die Triebkraft zur Phasenumwandlung geringer. Zweitens: Der 120Mn3,5Si2 liegt nach dem Abschrecken in einem rein austenitischen Zustand vor, der 120Mn2,5Si2 dagegen enthält ca. 13 % Martensit. Die martensitische Umwandlung beim Abschrecken ist mit einer Volumenausdehnung verbunden. Die dadurch entstehenden Druckspannungen im umgebenden Austenit werden zum Teil durch plastische Verformung und Erhöhung der Versetzungsdichte abgebaut. Ein Teil der durch die Ausdehnung bewirkten Spannungen bleibt aber als elastische Dehnung erhalten. Das elastische Dehnungsfeld um die Martensitplatten überlagert sich mit den elastischen Feldern der (neu geschaffenen) Versetzungen und führt zu einer beschleunigten bainitischen Umwandlung des 120Mn2,5Si2 [18,19]. Drittens: Mangan verlangsamt die Ausdiffusion des Kohlenstoffs aus einer bainitischen Ferritplatte in den umgebenden Austenit (partitioning). In [20] wurde gezeigt, dass bei 325 °C die Zeit zur Ausdiffusion aus einer 0,2 µm dicken Ferritplatte bei einem Stahl mit 0,4 % C und 2 % Mn vier Mal kleiner ist im Vergleich zu einem reinen Kohlenstoffstahl mit 0,4 % C. Es ist daher anzunehmen, dass der um 1 % höhere Mn- Anteil des 120Mn3,5Si2 die Ausdiffusion des Kohlenstoffs im Vergleich zum 120Mn2,5Si2 verlangsamt und somit die Gesamtumwandlungsgeschwindigkeit ebenfalls reduziert. 3.3 Verschleißbeständigkeit gegen abrasiven Verschleiß Der primäre Anwendungsbereich der zu entwickelnden Stähle liegt in Verschleißanwendungen mit stark abrasivem Verschleiß (Landwirtschaftsmaschinen, Bergbau, Spezial-Tiefbau). Eine hohe Verschleißbeständigkeit gegen abrasiven Verschleiß ist daher Grundvoraussetzung. Bild 9 zeigt die Ergebnisse der Pin-on-Drum-Verschleißuntersuchungen. Die Abrasivverschleißbeständigkeit ist für alle untersuchten Behandlungszustände auf einem sehr hohen Niveau, mit Ausnahme des 120Mn3,5Si2 (250 °C/ 8 Tage) signifikant über dem des auf Maximal- Aus Wissenschaft und Forschung Bild 8: Licht- (a,b) und rasterelektronenmikroskopische Gefügeaufnahmen (c,d) des Stahls 120Mn3,5Si2 nach Abschreckung von 1000 °C und 8 Tagen Auslagerung bei 250 °C T+S_2_16 05.02.16 14: 23 Seite 10 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 2/ 2016 härte abgeschreckten Stahls C80. Im austenitisierten Zustand weisen beide Stähle die gleiche Beständigkeit gegen Abrasivverschleiß auf. Nach Auslagerung bis zur Maximalhärte zeigen die Varianten des 120Mn2,5Si2 eine leicht bessere Verschleißbeständigkeit als die des 120Mn3,5Si2. Das ist insofern überraschend, da die hohe abrasive Verschleißbeständigkeit der metastabilen austenitischen Stähle mit der mechanisch induzierten martensitischen Umwandlung der oberflächennahen Bereiche erklärt wird [2]. Der Anteil an umwandlungsfähigem Austenit ist im 120Mn3,5Si2 aber auch nach einer Auslagerung bei 250 °C für 8 Tage deutlich größer als in den ausgelagerten Proben des 120Mn2,5Si2. Der Grund für die höhere Verschleißbeständigkeit der 120Mn2,5Si2- Proben kann möglicherweise durch das Gefüge geklärt werden. Während in den 120Mn2,5Si2-Proben nach der Auslagerung neben einem hohen Restaustenitanteil (ca. 56 % bei 250 °C/ 2 Tage) größere Mengen an feinem Bainit im Gefüge vorliegen, ist der Anteil an Bainit im Fall der 120Mn3,5Si2-Probe auch nach der Auslagerung sehr gering (ca. 10 % bei 250 °C/ 8 Tage). Es ist daher zu erwarten, dass der lokale Kohlenstoffgehalt in den austenitischen Bereichen zwischen den bainitischen Ferritplatten beim 120Mn2,5Si2 höher ist als beim 120Mn3,5Si2. Demzufolge muss der bei der mechanischen Umwandlung der 120Mn2,5Si2-Proben entstehende Martensit härter sein als der beim 120Mn3,5Si2. Diese höhere Härte des Martensits erklärt die höhere Verschleißbeständigkeit des 120Mn2,5Si2 im ausgelagerten Zustand. Ein weiteres Argument ist ein feineres Gefüge bei mehrphasigen Materialien: In [22] wurde durch Kombination von legierungstechnischen Maßnahmen und spezieller Wärmebehandlung duktiles Gusseisen mit bainitischmartensitischem Gefüge hergestellt und hinsichtlich der Verschleißbeständigkeit getestet. Es zeigte sich, dass durch die Einstellung dieser Phasenmischung die Verschleißbeständigkeit erhöht werden konnte. Begründet wird das durch das feinere Gefüge des bainitisch-martensitischen Gusseisens. Durch die martensitische Umwandlung werden die Ausgangskörner in kleinere Bereiche geteilt, so dass die nachfolgende bainitische Umwandlung ein feineres Gefüge erzeugen muss. Sehr gute Verschleißbeständigkeiten für hochkohlenstoffhaltige bainitische Stähle wurden u. a. auch in [11] beschrieben. 3.4 Einfluss einer Tieftemperaturbehandlung Während des Einsatzes von Bauteilen aus metastabil-austenitischem Stahl z. B. im Berg- oder Spezial- Tiefbau ist die Einwirkung niedriger Temperaturen nicht auszuschließen. Um den Einfluss niedriger Temperaturen auf die Eigenschaften zu untersuchen, wurden deshalb Proben des Stahls 120Mn3,5Si2 nach Abschrecken von 1000 °C und 8 Tagen Auslagerung bei 250 °C zusätzlich einer Kältebehandlung bei -80 °C/ 4 Stunden bzw. -196 °C/ 15 Minuten unterzogen. Bild 10 zeigt die Röntgendiffraktogramme der so behandelten Stähle. Beide Diffraktogramme zeigen eine 11 Aus Wissenschaft und Forschung Bild 9: Relative Abrasivverschleißbeständigkeit (bezogen auf Reineisen) für die Stähle 120Mn2,5Si2 und 120Mn3,5Si2 nach verschiedenen Wärmebehandlungen. Zum Vergleich wurde auch der Wert eines auf Maximalhärte abgeschreckten und nicht angelassenen Stahls mit 0,8 % C dargestellt. Bild 10: Röntgendiffraktogramme des Stahls 120Mn3,5Si2 nach Abschreckung von 1000 °C, Auslagerung bei 250 °C/ 8 Tage und zusätzlicher Kältebehandlung bei -80 °C/ 4h bzw. -196 °C/ 15 Minuten T+S_2_16 05.02.16 14: 23 Seite 11 12 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 2/ 2016 Mischung aus austenitischen und ferritischen Peaklagen. Der Volumenanteil der ferritischen Phasen (ferritischer Bainit + Martensit) beträgt nach Rietveld-Analyse ca. 16 % für die bei -80 °C und ca. 18 % für die bei -196 °C behandelte Probe. Nach Auslagerung der Proben bei 250 °C für 8 Tage betrug der Anteil der ferritischen Phase ca. 10%. Zur Charakterisierung des Einflusses der Kältebehandlung auf die mechanischen Eigenschaften wurden Drei-Punkt-Biegeprüfungen durchgeführt. Zur besseren Vergleichbarkeit wurde zusätzlich auch eine Probe nach Auslagerung bei 250 °C für 8 Tage untersucht. Die Spannungs-Dehnungs-Kurven der Messungen sind in Bild 11 dargestellt. Durch die Auslagerung bei 250 °C für 8 Tage wurde die Biegefestigkeit von ca. 1000 MPa (Kurve 1) auf ca. 1550 MPa (Kurve 2) erhöht. Die maximale Randfaserdehnung wird durch die Auslagerung nur unwesentlich verringert. Eine Abkühlung des Materials auf Temperaturen bis etwa -80 °C (Kurve 3) ändert am prinzipiellen mechanischen Verhalten der Proben zunächst wenig: Sowohl Randfaserdehnung als auch Biegefestigkeit werden nur geringfügig verschlechtert. Erst die Abkühlung im Flüssigstickstoff (-196 °C) führt zu einer deutlichen Versprödung des Materials (Kurve 4). Die plastische Verformbarkeit der bei -196 °C kältebehandelten Probe ist aber immer noch messbar höher im Vergleich zur 120Mn2,5Si2-Probe im austenitisierten Zustand (vgl. Bild 3). 5 Zusammenfassung Es wurden Untersuchungen zum Einfluss des Mangangehaltes auf die Umwandlungskinetik und die Eigenschaften von zwei unlegierten Stählen mit erhöhtem Kohlenstoffgehalt und hoher Abrasivverschleißbeständigkeit durchgeführt. Es zeigte sich, dass der um 1 Gew.-% höhere Anteil an Mangan die Stabilität des Austensits im 120Mn3,5Si2 so stark erhöht, dass die Eigenschaften dieses Stahls und des 120Mn2,5Si2 sowohl vor als auch nach einer isothermen Auslagerung bei 250 °C sehr unterschiedlich sind. 1. Nach der Austenitisierung bei 1000 °C und dem Abschrecken in 20 °C kaltem Wasser liegt der 120Mn3,5Si2 vollständig austenitisch vor. Das Gefüge des 120Mn2,5Si2 besteht in diesem Zustand aus Austenit und 13 % Martensit. Aufgrund des Martensitanteiles bricht das 120Mn2,5Si2 beim 3-Punkt-Biegeversuch spröd. Im Fall des 120Mn3,5Si2 erfolgt der Bruch dagegen bei einer deutlich höheren Randfaserdehnung und mit deutlich ausgeprägten plastischen Anteilen. 2. Für den 120Mn2,5Si2 wurde gezeigt, dass eine Auslagerungstemperatur von 250 °C den besten Kompromiss zwischen Umwandlungsgeschwindigkeit und umgewandelten Anteil darstellt. 3. Eine isotherme Auslagerung bei 250 °C führt bei beiden Stählen zu einer teilweisen Umwandlung des Austenits in Bainit, was mit einer Erhöhung der Härte verbunden ist. Beim 120Mn2,5Si2 wird die maximale Härte von ca. 450 HV10 nach 2 Tagen erreicht. Die maximale Härte des 120Mn3,5Si2 stellt sich nach 8 Tagen ein. Sie beträgt wegen des geringeren umgewandelten Anteils von 10 % nur ca. 300 HV10. 4. Die Abrasivverschleißbeständigkeit der untersuchten Stähle ist im austenitisierten Zustand am höchsten. Der Verlust an Verschleißbeständigkeit durch die isotherme Auslagerung ist beim 120Mn3,5Si2 höher als beim 120Mn2,5Si2. 5. Eine Kältebehandlung des 120Mn3,5Si2 bis -80 °C bewirkt keine wesentliche Veränderung von Festigkeit und der Verformbarkeit. Eine deutliche Versprödung tritt erst bei Behandlung in Flüssigstickstoff (-196 °C) auf. 6 Ausblick Perspektivisch erscheinen hochkohlenstoffhaltige, unlegierte Stähle mit Legierungsanteilen von ca. 2 % Si und ca. 3 % Mn für Anwendungen mit hohen Anforderung an die abrasive Verschleißbeständigkeit interessant zu sein. Diese Stähle erreichen durch Abschreckung von 1000 °C und anschließender bainitischer Umwandlung Aus Wissenschaft und Forschung Bild 11: Spannungs-Dehnungs-Diagramme von 3- Punkt-Biegeversuchen des Stahls 120Mn3,5Si2 nach unterschiedlichen Behandlungen (siehe Bild für Zuordnung) T+S_2_16 05.02.16 14: 23 Seite 12 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 2/ 2016 eine einzigartige Kombination von Festigkeit, Plastizität und Abrasivverschleißfestigkeit, die so bei üblichen Werkzeugstählen selbst im abgeschreckten Zustand nicht erreichbar ist. Wenn man berücksichtigt, dass übliche Werkzeugstähle zumindest einer Anlassbehandlung bei niedriger Temperatur unterzogen werden, ist ein noch deutlicherer Vorteil des untersuchten Stahls im Vergleich zu solchen Werkzeugstählen bezüglich der Verschleißfestigkeit zu erwarten. Ein anderer Vorteil der betrachteten metastabil austenitischen Stähle besteht in der einfachen Prozessierbarkeit. Während klassische bainitische Stähle ein aufwändiges Equipment für das Abschrecken der Stähle auf Temperaturen oberhalb der Martensitstarttemperatur und das nachfolgende isotherme Bainitisieren benötigen (z. B. Salzbäder), können die hier vorgestellten Stähle einfach auf Raumtemperatur abgeschreckt (Öl, Wasser) und später bei der gewünschten (niedrigen) Temperatur in einfachen Ofenanlagen ausgelagert werden. In folgenden Untersuchungen soll durch Variation der chemischen Zusammensetzung und/ oder der Abschrecktemperatur gezielt ein bestimmter Anteil an Abschreckmartensit im Gefüge eingestellt werden. Dadurch kann zum einen das Gefüge vor der isothermen Auslagerung verfeinert und strukturiert werden, so dass bei der nachfolgenden isothermen Auslagerung ein noch feinerer Bainit entsteht. Zum anderen beschleunigt der Martensit die bainitische Umwandlung beträchtlich. 7 Literatur [1] Schastlivtsev,V. M, Filippov, M. A.: Роль принципа метастабильности аустенита Богачева-Минца при выборе износостойких материалов. Металловедение и термическая обработка металлов, 1: 6-9, 2005. [2] Koval, A.D., Efremenko, V.G., Brykov, M.N., Andrushchenko, M.I., Kulikovskii, R.A., Efremenko, A.V.: Principles for developing grinding media with increased wear resistance. Part 1. Abrasive Wear Resistance of ironbased alloys. Journal of friction and wear, 33: 39-46, 2012. [3] Koval, A.D., Efremenko, V.G., Brykov, M.N., Andrushchenko, M.I., Kulikovskii, R.A., Efremenko, A.V.: Principles for developing grinding media with increased wear resistance. Part. 2. 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