eJournals Tribologie und Schmierungstechnik 63/2

Tribologie und Schmierungstechnik
tus
0724-3472
2941-0908
expert verlag Tübingen
0401
2016
632 Jungk

Chemisch Nickel-Teflon: Verschleissschutz, Reibwertänderung und Korrosionsschutz in Gaskompressoren

0401
2016
Martin Hauptkorn
Josef Brenner
Alexander Grafl
Optimierte Materialauswahl am Kontakt Zylinderlauffläche gegen Kolbenringe erlaubt die Steigerung der Laufzeiten, Erhöhung der Betriebssicherheit und Reduktion der Betriebskosten von Kolbenkompressoren. Da die Verdichtung spezieller oder reiner Gase nicht geschmierte Zylindergruppen erfordert, kann hier durch Beschichtungen der Laufflächen der Verschleißschutz erhöht und die Reibung gesenkt werden. In dieser Arbeit werden die Vorteile von chemisch (stromlos) Nickel-Teflon Schichten an Modellbauteilen ermittelt. Die Verschleißfestigkeit dieser Schichten zeigte sich als gleichwertig oder besser als die typischer Stahloberflächen. Erhöhte Rauheit der Laufflächen begünstigt die Entstehung der Transferschicht der polymeren Kolbenringe und senkt dadurch die Reibzahl. Zusätzliche Ni-P Beschichtung begünstigt das Einlaufverhalten. In geschmierten Kolbenkompressoren ist das Reibverhalten durch das Öl bestimmt, hier zeigte sich durch Beschichtung keine Verbesserung.
tus6320019
Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 2/ 2016 1 Einleitung 1.1 Grundsätzliches Die Funktionalität von Kompressoren zur Gasverdichtung ist neben konstruktiver Auslegung und Materialauswahl massiv von den verwendeten Materialien der einzelnen Komponenten abhängig. 1.2 Leobersdorfer Maschinenfabrik Die Leobersdorfer Maschinenfabrik GmbH ist der führende österreichische Hersteller von Hochdruck-Kolbenverdichter-Systemen, welche im Stammhaus in Leobersdorf entwickelt und produziert werden. LMF-Kolbenkompressoren arbeiten im Druckbereich von 20 bis 700 bar und sind speziell für die Verdichtung von Luft, Erdgas sowie jegliche Art von industriellen und technischen Gasen (Prozessgasen) ausgelegt. Die LMF entwickelt innovative und speziell auf Kundenanforderungen zugeschnittene Produkte. LMF exportiert weltweit mehr als 95 % der Produkte für eine Reihe von Anwendungsbereichen, u.a. für die Produktion und den Transport in der Öl- und Gasindustrie, der Chemie-, Petrochemie- und Kunststoff-Industrie und 19 Aus Wissenschaft und Forschung * Martin Hauptkorn ( † ) Leobersdorfer Maschinenfabrik GmbH & Co. KG (LMF) 2544 Leobersdorf, Österreich Josef Brenner Dipl-Ing. Alexander Grafl AC 2 T research GmbH 2700 Wiener Neustadt, Österreich Chemisch Nickel-Teflon: Verschleissschutz, Reibwertänderung und Korrosionsschutz in Gaskompressoren M. Hauptkorn (†), J. Brenner, A. Grafl* Eingereicht: 17. 7. 2015 Nach Begutachtung angenommen: 29. 8. 2015 Optimierte Materialauswahl am Kontakt Zylinderlauffläche gegen Kolbenringe erlaubt die Steigerung der Laufzeiten, Erhöhung der Betriebssicherheit und Reduktion der Betriebskosten von Kolbenkompressoren. Da die Verdichtung spezieller oder reiner Gase nicht geschmierte Zylindergruppen erfordert, kann hier durch Beschichtungen der Laufflächen der Verschleißschutz erhöht und die Reibung gesenkt werden. In dieser Arbeit werden die Vorteile von chemisch (stromlos) Nickel-Teflon Schichten an Modellbauteilen ermittelt. Die Verschleißfestigkeit dieser Schichten zeigte sich als gleichwertig oder besser als die typischer Stahloberflächen. Erhöhte Rauheit der Laufflächen begünstigt die Entstehung der Transferschicht der polymeren Kolbenringe und senkt dadurch die Reibzahl. Zusätzliche Ni-P Beschichtung begünstigt das Einlaufverhalten. In geschmierten Kolbenkompressoren ist das Reibverhalten durch das Öl bestimmt, hier zeigte sich durch Beschichtung keine Verbesserung. Schlüsselwörter Kolbenverdichter, Zylinderschmierung, chemisch Nickel, Ni-P-Beschichtung, Reibungssenkung In piston compressors, optimized material selection for the contact cylinder surface against piston rings allows increased operation times and reduction of operating costs. Dealing with special or highly pure gases requires a compression chamber without oil lubrication. Here, coatings are intended to reduce wear and friction. This work tries to elaborate advantages of electroless Ni-P-coatings on model contacts. The wear resistance of these coatings shows to be comparable or better than typical steel surfaces. Enhanced roughness of contact surface enhances the formation of transfer layers of the polymeric piston rings, thereby reducing friction. Additional applied Ni-P-coatings improve the run-in behaviour. In lubricated contacts no beneficial effects could be found. Keywords piston compressor, cylinder lubrication, electroless nickel, Ni Pcoating, friction reduction, coatings Kurzfassung Abstract T+S_2_16 05.02.16 14: 23 Seite 19 20 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 2/ 2016 viele mehr. Mit über 60 Jahren Erfahrung im Kompressorenbau bietet LMF ihren Kunden Entwicklung, Konstruktion, Erzeugung, Anlagentests unter Volllast, Installation und Service aus einer Hand. 1.3 Übersicht über Bautypen Prozessgas-Kompressoren (gemäß API 618) Diese Baureihe ist modular aufgebaut, mit Hüben von 90, 120, 150, 180, 250 und 360 mm. Ein bis drei Zylinder sind entweder vertikal (in Reihe), ein bis sechs Zylinder horizontal (Boxeranordnung) oder in V-Anordnung ausgerichtet. Enddrücke von bis zu 250 bar bei ungeschmierten Zylindern oder 700 bar bei geschmierten Zylindern sind möglich. Leistungen zwischen 65 kW (Modell 90) und 1.035 kW (Modell 360) je Zylinder ermöglichen eine Gesamtleistung von bis zu 6.200 kW. Mobile Anlagen für den Einsatz onshore und offshore Mit über 30-jähriger Erfahrung im Bau mobiler Kompressoranlagen für die Öl- und Gasindustrie ist LMF einer der weltweit führenden Anbieter in diesem Marktsegment. Unsere 650 im Einsatz befindlichen Anlagen beweisen täglich ihre Zuverlässigkeit unter schwierigsten Arbeitsbedingungen auch als Kombivarianten Schrauben- und Kolbenverdichter für International führende Betreiber sowohl im Onshore-Bereich als auch im Offshore-Bereich. LMF Erdgas- und Biomethan-Kompressoren sowie schlüsselfertige CNG / CBG - Tankstellen Das LMF-Fertigungsprogramm für CNG-Kompressor Stationen deckt in modularer Bauweise alle marktüblichen Leistungserfordernisse ab: ► Kompressoren im Standard-Saugdruckbereich von 1-50 bar (bis 100 bar auf Anfrage). ► Kompressor-Antriebsleistungen gestaffelt von 30-600 KW. ► Kompressorliefermengen von 80-7.000 Nm 3 / h. Als Neuentwicklung hat LMF vor zwei Jahren eine leckagefreie Kompressor Serie für CNG/ CBG Tankstellen der Type BS 302 D auf den Markt gebracht. Hierbei handelt es sich um eine Verbesserung gegenüber der Vorgängeranlage in dem Bereich der Leckage gegenüber Atmosphäre. Industrielle Applikationen Das Geschäftsfeld „Industrielle Kompressor Systeme“ beschäftigt sich hauptsächlich mit luftgekühlten Hochdruckkompressoren für die Verdichtung von Luft und technischen Gasen. Diese Verdichter werden in Übereinstimmung mit internationalen Standards entwickelt und gefertigt. Der LMF-Kompressor-Baukasten ermöglicht die optimale Lösung für jede spezifische Anwendung - diese sowohl in technischer als auch kommerzieller Hinsicht. Ölfreie Ecopet-Kompressoren Verfügbar sind Kompressoranlagen in V-Anordnung mit Enddrücken bis zu 40 bar in einem Leistungsbereich von bis zu 500 kW. Diese Kompressoren werden größtenteils in der PET-Flaschenproduktion eingesetzt. 1.4 Umfang der aktuellen Forschungsvorhaben Das Ziel der Forschung ist die Weiterentwicklung von Kompressoren und zur Verlängerung deren Laufzeiten, Erhöhung der Betriebssicherheit und Reduktion der Betriebskosten. Die Tribologie deckt hier viele notwendige Fachkompetenzen ab, um die gestellten Aufgaben in einem umfassenden Ansatz erfüllen zu können. 2 Anforderungen an Bauteile und Materialen 2.1 Definition von Anwendungen der Materialien Die beiden Kompressorentypen Kolben- und Schraubenverdichter definieren grundsätzlich zwei verschiedene Anwendungsfelder. Innerhalb dieser kommen je nach Einsatzgebiet unterschiedliche Materialien und Betriebsbedingungen zur Anwendung. Kolbenverdichter sind mehrstufig, wobei in deren Verdichterraum der Kolben - in Abhängigkeit des zu verdichtenden Gases - geschmiert sowie ungeschmiert ausgeführt ist. Bei geschmierten Systemen werden die Öle der Viskositätsklassen VG 100 und VG 150 verwendet. Eine Reduktion der Schmierrate ist hier notwendig, denn die Abscheidung des zugeführten Schmierstoffs ist nicht immer unproblematisch durchzuführen. Dies zu erreichen gibt es unterschiedliche Verfahren. Chemisch Nickel beschichtete Oberflächen mit PTFE Einlagerungen (kurz: chem. Ni-Teflon) sind derzeit im Fokus der Forschung um diese Ziele zu erreichen. Schraubenverdichter oder Vorverdichter sind derzeit kein Thema für eine entsprechende Ni-Teflon Beschichtung im Verdichterraum. Hier werden durchwegs die Öle der Viskositätsklasse ISO VG 68 weiterhin als Schmierstoff verwendet. Konstruktionsbedingt wird das verdichtete Gas ja in weiterer Folge von Kolbenverdichtern höher verdichtet wobei entsprechende Filterelemente vorgeschaltet sind. 2.2 Kriterien der chem. Ni-Teflon Oberflächen Aus den Ansprüchen konnten folgende Kriterien für die Oberflächen definiert werden: Aus Wissenschaft und Forschung T+S_2_16 05.02.16 14: 23 Seite 20 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 2/ 2016 ► Reduzierung der Schmierrate ► Verbesserung des Verschleißschutzes ► Verbesserung des Reibwertes im Verdichterraum ► Korrosionsschutz bei korrosiven Gasmedien ► Gleichmäßige Beschichtung an allen relevanten Stellen des Zylinders und des Verdichterraumes ► Durch Tempern der chem. Ni-Schicht Erreichen eines höheren Härtegrades an der Oberfläche 2.3 Kriterien zur Auswahl von Anforderungen an die Ni-Teflon Oberfläche ► Genaue Kenntnisse der Materialien, die für den chem. Ni-Prozess vorgesehen sind ► Anforderungskriterien die an das Verfahren gestellt werden: • Vorgaben der Schichtstärken, zum Beispiel Korrosionsschutz, Verschleißschutz oder Oberflächenhärte. • Vorgaben der Nachbehandlung wie z. B. Härte der Oberfläche welche durch Tempern zu erreichen ist. • Gleichmäßige Schichtdicken - Verteilung über das gesamte Werkstück ► Anforderungskriterien die an die Beschichtung gestellt werden: • Temperaturbeständigkeit bei üblichen Temperaturen im Verdichterraum • Chemische Beständigkeit gegen Schmierstoffe, Fördermedien und ggf. Kontaminationen • Mechanische Belastbarkeit • Gleiteigenschaften • Hohe Betriebssicherheit und Standzeit ► Verlängerung der Serviceintervalle 3 Beschichtungsprozess 3.1 Verfahrensbeschreibungen von chem. Nickel ► Funktionelle Beschichtung ► Legierungsabscheidung von Nickel und Phosphor ► Legierungsanteile von 1 - 14 % Phosphor ► Sehr breites Spektrum definierter Sicherheitseigenschaften ► Planparallele Abscheidung ► Mitabscheidung von Feststoffen möglich (PTFE) 3.2 Vorbehandlung der Oberflächen Die Oberflächen müssen nach der mechanischen Oberflächenbearbeitung, z. B. Schleifen, Polieren, Strahlen, Entzundern, Rollieren oder Honen, entsprechend mechanisch gereinigt sein. Die chemische Vorbehandlung erfolgt immer im Vorfeld der chem. Ni Abscheidung in der Anlage vor dem eigentlichen chem. Ni Bad. Je nach Verfahren sind diese Schritte Beizen, Spülen, Entfetten, Spülen und Aktivieren. 3.3 Abscheidung Die Abscheidung von chem. Ni-Schichten erfolgt im sogenannten stromlosen Verfahren. Dieses basiert wiederum auf dem Reduktionsverfahren mit Natriumhypophosphit als Reduktionsmittel. Es entsteht eine katalytische Oberfläche, die gegenüber einer elektrolytischen Metallabscheidung beliebige Schichtdicken erlaubt. Die daraus resultierenden physikalischen Eigenschaften z. B. des Verfahren der Fa. Enthone - Enplate Ni 380 Plus sind wie folgt [1]: Nickelgehalt 79 - 87 Gew. % Phosphorgehalt 7 - 9 Gew. % PTFE Polytetrafluoräthylen 4 - 7 Gew. % Dichte 6,3 - 7,1 g/ cm 3 Wärmebelastung max. 280 °C PTFE - Zersetzung ab 340 °C Reibungskoeffizient ASTM D-2714 [2] Trocken < 0,2 Nass < 0,1 Oberflächenrauheit, Ra < 0,5 µm Härte (Mischhärte) Vickers Härte HV Im Abscheidezustand 300 - 500 HV Wärmebehandlung, 4 h bei 260 °C 400 - 450 HV 3.4 Nachbehandlung - Tempern Tempern von hochfesten Stählen nach der galvanischen Abscheidung ist grundsätzlich zu empfehlen, denn durch die Vorbehandlung wie Entfetten oder Beizen wird aus den Prozess-Bädern immer atomarer Wasserstoff abgeschieden, der in die Stahloberfläche eindiffundiert. Im Stahl wandert der atomare Wasserstoff zu Zonen mit hoher Zugspannung an denen er sich anreichert und somit den Materialverbund dadurch schwächt bis zur Entstehung von Mikrorissen. Die dadurch entstandenen Rissspitzen führen zu einer Weiterführung des Risses im Material, das bis zur Belastbarkeitsgrenze hält, jedoch durch die verminderte Tragfähigkeit kommt es bei einer entsprechenden Belastung des Restquerschnittes zu einer Bruchbildung des Materiales, das sich in der Oberfläche des Bruches als Bild eines Sprödbruch darstellt. Im chem. Ni Anwendungsbereich ist die Zielsetzung des Temperns jedoch anders gelagert. 21 Aus Wissenschaft und Forschung T+S_2_16 05.02.16 14: 23 Seite 21 22 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 2/ 2016 Grundsätzlich sind 2 Arten der Wärmebehandlung nach dem chem. Ni-Verfahren zu unterscheiden: 1. Haftungstempern Haftungstempern dient zur Verbesserung der Haftung der chem. Ni Schicht auf den unterschiedlichen Grundmaterialien und erfolgt vorwiegend in den niedrigen Temperaturbereichen wie 120 -220 °C. Diese Anwendung dient vorwiegend zur Qualitätssicherung der abgeschiedenen Schichten. Der dabei zu wählende Temperaturbereich ist jedoch abhängig vom Grundmaterial, das je nach Auslegung und Konstruktion unterschiedlich sein kann. 2. Härtesteigerung der abgeschiedenen Oberflächen durch Tempern Wie bereits in der Verfahrensanleitung beschrieben, lässt sich die Oberfläche von chem. Ni-Verfahren durch das Tempern in der Härte verändern. Daher auch die Angaben der Härte in HV abgeschieden ohne Tempern oder getempert. Der Temperaturbereich liegt jedoch wesentlich höher als beim Haftungstempern, dieser kann je nach Verfahren also Nieder - Mittel- oder Hochphosphor jedoch auch bei Ni-Teflon Schichten bis zu 260 °C betragen wobei es die zusätzliche Möglichkeit der inerten oder oxydativen Atmosphäre während es Tempervorganges im Temperofen gibt. Die dabei veränderte Oberflächenhärte lässt sich dabei je nach Schichtstärke und Temperatur erzielen. 4 Versuche und Ergebnisse 4.1 Charakterisierung der Beschichtungen Die in Bild 1 dargestellten Querschnittbilder im Elektronenmikroskop zeigen den typischen Schichtaufbau der chem. Ni-Teflon Schichten. Im ersten Schritt wird eine relativ dicke Schicht aus chem. Ni-Phosphor abgeschieden. In einem folgenden Schritt wird über diese eine Ni-P Schicht mit dispergierten PTFE-Partikeln abgeschieden. Eine möglichst homogene Verteilung der Partikel ist generell für die Eigenschaften der Beschichtung vorteilhaft. 4.2 Bewertung von Reibung und Verschleiß 4.2.1 Versuchsaufbau Zur Bewertung der Schichten wurden zwei unterschiedliche Testprinzipien angewandt. Einerseits wurden Versuche mit dem Schwing - Reib - Verschleiß (SRV) Tribometer durchgeführt [3]. Hier wurde eine Kontaktpaarung Wälzlagerstahl (AISI 52100, Kugel) gegen die jeweilige Schicht (abgeschieden ebenfalls auf AISI 52100, Platte) gewählt. Die Versuchsbedingungen sowie ein schematischer Aufbau sind in Bild 2 dargestellt. Andererseits wurden Versuche mit einem Zylinder (Stahl oder beschichtet) gegen Kolbenring (Polymer-Compound, Grundwerkstoff PEEK) Paarung mittels eines linear oszillierend Tribometers (Transversal Oszillierenden Testgerät - TOG), Aufbau und Bedingungen siehe ebenfalls Bild 2, durchgeführt. 4.2.2 Verschleißfestigkeit und Reibung im Stahl/ chem. Ni Kontakt Ein Screening verschiedener Beschichtungstechnologien und Parameter im Tribokontakt gegen Stahl wurde mit zwei Beschichtungsserien durchgeführt [3]. Aus Wissenschaft und Forschung 7 2 0 µ m 2 µ m Bild 1: REM einer Diffusionsschicht im Querschliff. Im Detail der Deckschicht (rechts) ist die homogenen Verteilung der PTFE Partikel ersichtlich Bild 2: Prinzipbilder der gewählten Versuchsgeometrien und die Unterschiede der Versuchsparameter; links: SRV; rechts: TOG (oben: Seitenansicht; unten: Draufsicht) T+S_2_16 05.02.16 14: 23 Seite 22 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 2/ 2016 Die erste Serie besteht aus NiP Schichten mit unterschiedlichem Phosphorgehalt vor und nach einem Wärmebehandlungsschritt im Vergleich zu Hartchrom. Die hier erzielten Ergebnisse erlauben die weitere Selektion von Beschichtungen für die Dispersionsschichten (zweite Serie), in der neben unterschiedlichen Ausgangsmaterialien auch Parameter des Beschichtungsprozesses variiert wurden. Die in Bild 3 (Anm.: Die Balken indizieren im stabilen Reibzahlbereich nach dem Einlauf den dokumentierten Maximalwert und Minimalwert der jeweiligen Reibzahlkurve, ihr Betrag ist eine Maßzahl für die Stabilität der Reibzahlkurven.) dargestellten Reibzahlen zeigen keine Reibwertsenkung durch die chem. Ni-Schichten im Vergleich zu Hartchrom, jedoch wird die Reibwertkurve deutlich stabiler (erkennbar an den kleineren Streuungsbalken). In der zweiten Serie wurden unterschiedliche NiP mit PTFE Diffusionsschichten erfasst. Systematisch wurden Parameter aus der galvanischen Abscheidung und der Wärmebehandlung erfasst. Die Einbindung von PTFE in die Schicht bedingt eine deutliche Reibzahlverminderung im Vergleich zu den reinen NiP Schichten. Bis auf einen Ausreißer, der auf einen Wärmebehandlungsfehler zurückzuführen ist, liegen die Reibzahlen auf vergleichbarem Niveau. Aus Bild 4 lässt sich ein deutlicher Effekt auf die Verschleißfestigkeit aufzeigen. Die Dispersionsschicht 4 mit und ohne Wärmebehandlung weist die besten Werte auf. In Bild 4 werden die Verschleißkennwerte und die Reibzahl der Versuche dargestellt. Dieses Mapping visualisiert die tribologische Bewertung der untersuchten Schichten. Es wird schnell erkenntlich, dass ausgewählte chem. Ni-Schichten durchaus vergleichbare Verschleißfestigkeit wie z. B. Hartchrom zeigen, wobei einerseits ein deutlich 23 Aus Wissenschaft und Forschung Bild 3: Gemittelte Reibzahlen der SRV-Versuche gegen Stahl, trocken Bild 4: Darstellung Reibzahl und Verschleiß der Versuchsmuster aus den SRV Versuchen 9 0 10 20 30 0.175 0.375 0.575 0.775 0.975 Mean friction coefficient (-) Mean wear depth (µm) Disp. Schicht 1 Disp. Schicht 1 wb Disp. Schicht 2 0 MTO Disp. Schicht 2 0MTO wb Disp. Schicht 2 - 3 MTO Disp. Schicht 2 - 3 MTO wb Disp. Schicht 3 - 0.4 MTO Disp. Schicht 3 - 0.4 MTO wb Disp. Schicht 3 - 2.7 MTO Disp. Schicht 3 - 2.7 MTO wb Disp. Schicht 4 Disp. Schicht 4 wb Disp. Schicht 5 Disp. Schicht 5 wb 9 0 10 20 30 40 0.175 0.375 0.575 0.775 0.975 Mean friction coefficient (-) Mean wear depth (µm) NiP-Schicht 1 NiP-Schicht 1 wb NiP-Schicht 2 NiP-Schicht 2 wb NiP-Schicht 3 NiP-Schicht 3 wb Hartchrom T+S_2_16 05.02.16 14: 23 Seite 23 24 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 2/ 2016 stabiler Reibzahlverlauf erzielt sowie auch die Reibung generell reduziert werden kann. 4.2.3 Reibungsermittlung bei Realteilversuchen (Paarung Polymer/ Zylinderoberfläche) Die Reibzahlermittlung anhand der Realteilversuche zeigte rasch, vor allem bei ungeschmierten Versuchsbedingungen, dass die Rauheit der Zylinderoberfläche deutlichen Einfleiß auf das Reibverhalten hat. Da beim chem. Ni-Beschichtungsprozess die Grundrauheit des Substrates im Groben erhalten bleibt, konnten Zylinderoberflächen mit unterschiedlicher Rauheit einfach durch mechanisches Bearbeiten hergestellt werden. In Bild 5 sind zwei für die Versuche verwendete Zylinderoberflächen dargestellt. Der aufgebrachte Kreuzschliff mit unterschiedlicher Tiefe resultiert in Rauheitswerten Ra von 0,1 µm und 0,3 µm. Die Verwendung dieser Oberflächen im ölgeschmierten Kontakt zeigt keinen signifikanten Einfluss auf die Reibung (siehe Bild 6). Im ungeschmierten Kontakt hingegen (siehe Bild 7) ist deutlich die langfristige Reibungsreduktion durch die erhöhte Rauheit erkennbar. Aus Wissenschaft und Forschung Bild 6: Reibzahlverlauf der TOG Versuche im geschmierten Fall Bild 7: Reibzahlverlauf der TOG Versuche bei 140 N mit visuellem Bild der Verschleißspur (Polymerübertrag, Transferschicht) im ungeschmierten Fall Ra ~ 0.1 Ra ~ 0.1 Ra ~ 0.3 Ra ~ 0.3 Bild 5: 3D Darstellung der Zylinderoberfläche; links: Ra ~0,1; rechts: Ra ~ 0,3 T+S_2_16 05.02.16 14: 23 Seite 24 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 2/ 2016 Der Einfluss von sowohl Rauheit als auch Beschichtung auf das Reibverhalten ist aus Bild 8 ersichtlich. Erhöhte Rauheit bewirkt langfristig Reibzahlsenkung durch Einlagerung von Polymermaterial am Gegenkörper. Die Ni- P Beschichtung zeigt vergleichbare Reibzahlen im Niveau, jedoch unterschiedliches Einlaufverhalten. 5 Zusammenfassung Chemisch Ni-P-Teflon Schichten können in Gaskompressoren zur Zylinderwandbeschichtung eingesetzt werden. Die Verschleißfestigkeit dieser Schichten kann als gleichwertig oder besser als typische Stahloberflächen angesehen werden. Die chemische Natur der Schichten bringt verbesserte Korrosionsbeständigkeit im Vergleich zu Stahloberflächen mit sich. In geschmierten Kolbenkompressoren ist das Reibverhalten gegenüber den Polymerkolbenringen durch das verwendete Öl bestimmt, hier werden durch Ni-P-Teflon keine Verbesserungen erzielt. In ungeschmierten Anlagen wird die Reibung stark von der Oberflächenrauheit beeinflusst. Hier können Ni-P-Teflon-Beschichtungen zu einem stabilen Reibwertverlauf über Lebensdauer beitragen, wenngleich das Niveau der Reibung nicht deutlich gesenkt werden kann. Danksagung Teile dieser Arbeit wurden aus dem österreichischen CO- MET-Programm (Projekt K2 XTribology, Nr. 824187 und 849109) gefördert und sind im „Exzellenzzentrum für Tribologie“ entstanden. Literatur [1] Enthone Polyclad Technologies [2] ASTM D-2714 [3] Lebersorger T.: Tribologische Charakterisierung von selbstschmierenden Schichten, Diplomarbeit, FH Wr. Neustadt, Wr. Neustadt (A), 2005. 25 Aus Wissenschaft und Forschung Bild 8: Direkter Vergleich der Reibkurven am TOG bei 140 N. Ra ~ 0,2 µm wurde an einer Probe mit NiP- Schicht ermittelt Aktuelle Informationen über die Fachbücher zum Thema „Tribologie“ und über das Gesamtprogramm des expert verlags finden Sie im Internet unter www.expertverlag.de Anzeige T+S_2_16 05.02.16 14: 23 Seite 25 26 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 2/ 2016 1 Problemstellung - Ziel Im Gegensatz zu Tribosystemen, die im Gebiet der Flüssigkeitsreibung arbeiten, besteht bei den zunehmend an Bedeutung gewinnenden Anwendungen im Grenzreibungsgebiet wie z. B. fettgeschmierte Maschinenelemente in Windkraftanlagen, der Aufbereitungstechnik oder der Stahlindustrie hinsichtlich einer optimalen Gestaltung und Dimensionierung ein Wissensdefizit. Das Grenzreibungsgebiet ist häufig durch geringe Gleitwege, niedrige Geschwindigkeiten und instationäre Belastungen gekennzeichnet. Für den störungsfreien Betrieb Aus Wissenschaft und Forschung * Nicole Borgböhmer, CARL BECHEM GMBH, Entwicklung Gleitlacke, 58089 Hagen Dr. Jochen Kurzynski, VDEh-Betriebsforschungsinstitut GmbH, Abt. Prozesstechnik Umform- und Veredelungsanlagen, 40237 Düsseldorf Jörg Keuntje, ThyssenKrupp Steel Europe AG, Technische Dienstleistungen & Energie - Anlagentechnik - Tribotechnik, 47166 Duisburg Christoph Krücken, Eich Rollenlager GmbH, 45525 Hattingen Sebastian Meiß,ThyssenKrupp Steel Europe AG, Rohstahl - Brammenerzeugung Beeckerwerth, 47166 Duisburg Florian Paland, CARL BECHEM GMBH, Leiter Entwicklung Gleitlacke & Leiter tribologisches Prüffeld, 58089 Hagen Optimierung von hochbeanspruchten Gleitkontakten durch den Einsatz innovativer Beschichtungs- und Oberflächenkonzepte N. Borgböhmer, J. Keuntje, J. Kurzynski, C. Krücken, S. Meiß, F. Paland* Eingereicht: 30. 10. 2015 Nach Begutachtung angenommen: 15. 11. 2015 Gleitkontakte im Grenzreibungsgebiet (geringe Gleitwege und -geschwindigkeiten; hohe instationäre Belastungen, aggressive Umgebungsbedingungen) sind in vielfältigen Anwendungen wie z. B. fettgeschmierten Lagerungen in Windkraftanlagen, der Stahlindustrie oder Anlagen der Aufbereitungstechnik anzutreffen. Im Rahmen eines Gemeinschaftsprojektes wurde der Gleitkontakt eines Hybridlagers für Rollen in Stranggießanlagen (Stahl) optimiert. Ziele waren neben der Schaffung der Voraussetzung für eine Lebensdauerschmierung eine Verbesserung des Betriebsverhaltens. Die Untersuchungen erfolgten entsprechend dem Prinzip der tribologischen Prüfkette durch unterschiedliche Modellprüfungen, Bauteilähnliche Prüfungen, Bauteilversuche und eine abschließende Bewertung durch einen Betriebsversuch in einer Stranggießanlage. Getestet wurden unterschiedliche Gleitlacksysteme und alternative Beschichtungssysteme. Mit der Anwendung von PTFE-haltigen Gleitlacksystemen konnte im Vergleich zum geschmierten Referenzsystem (Stahl - Stahl) eine deutliche Verbesserung des tribologischen Verhaltens erreicht werden. Schlüsselwörter Hybridlager, Gleitkontakt, Grenzreibung, Lebensdauerschmierung, Tribologische Prüfung, Stranggießanlage, Beschichtungssysteme, Gleitlack Sliding contacts in the boundary friction area (short sliding paths and low sliding speeds, high unsteady stresses, aggressive ambient conditions) can be found in a number of applications as, for instance, in greaselubricated bearings of wind power plants, the steel industry or in plants of materials preparation technology. The sliding contact of a hybrid bearing for rolls in a continuous steel casting plant was optimized. In addition to the establishing of conditions for lifetime lubrication, it was an objective to improve the operating behavior. The examinations were carried out according to the principle of the tribological testing chain by different model tests, componentrelated tests, component tests and a concluding assessment by a field test in a continuous casting plant. Different lubricant varnish systems and alternative coating systems were examined and tested. In comparison to the lubricated reference system (steel - steel), a significant improvement of the tribological behavior could be achieved by applying lubricant varnish systems containing PTFE. Keywords hybrid bearing, sliding contact, boundary friction, lifetime lubrication, tribological testing, continuous casting plant, coating systems, lubricant varnish Kurzfassung Abstract T+S_2_16 05.02.16 14: 23 Seite 26