Tribologie und Schmierungstechnik
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0724-3472
2941-0908
expert verlag Tübingen
0401
2016
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JungkBestimmung der Aktivierungsenergie von Fluiden mit Hilfe der Viskositätsmessung
0401
2016
Mario Müller
Die Erhöhung der Effizienz moderner Antriebstechnik kann durch die Minimierung der mechanischen Verluste an den Tribokontaktstellen erfolgen. Ihre sichere Funktion hängt wesentlich von den thermophysikalischen Eigenschaften des verwendeten Schmiermittels ab. Bei gleichzeitig steigender Leistungsdichte werden immer höhere Anforderungen an die Betriebssicherheit des Antriebsstranges bei Betriebsstörungen oder sonstigen unvorhersehbaren Betriebssituationen gestellt. Dies erfordert zudem eine kontinuierliche Erweiterung der zum Einsatz kommenden Berechnungs- und Simulationsverfahren. Da der Entwicklungstrend zu immer höheren Leistungen und Leistungsdichten führt, ist die genauere Berücksichtigung thermophysikalischer Schmierstoffmodelle für die zuverlässige Vorausberechnung des Betriebsverhaltens der Tribokontakte unerlässlich. Eyring hat mit seiner kinetischen Theorie den Grundstein zur Beschreibung der Viskosität über Platzwechselprozesse gelegt. Nach Eyring basiert das Fließen einer Flüssigkeit darauf, dass Teilchen aus der Umgebung in ein bestehendes Loch springen können. Geht man davon aus, dass die innere Reibung durch die Wechselwirkung zwischen den Molekülen bestimmt wird, müssen bestehende Wechselwirkungskräfte aufgehoben und neu gebildet werden. Die dafür benötigte Energie entspricht der Aktivierungsenergie.
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Aus der Praxis für die Praxis 1 Viskositätsänderung durch Temperatur Um den Einfluss der Temperatur auf das Viskositätsverhalten zu ermitteln, wurde die Viskosität mit einem Rotationsviskosimeter im Temperaturbereich von -30 °C bis 120 °C gemessen. Dabei erfolgt die Viskositätsmessung indirekt über eine Reibkraftmessung. Die durch Temperaturänderung im Fluid geänderte innere Reibung und Wechselwirkungskraft, wird durch Messung der Reibkraft oder des Reibmomentes in eine Viskosität umgerechnet. Die Messung des Reibmomentes bei einer definierten Temperatur erfolgt bei unterschiedlichen Drehzahlen. Des Weiteren wird vorausgesetzt, dass die Änderung der Drehzahl zu keinem zusätzlichen Energieeintrag ins System führt. Ausgehend von dem Arrheniusansatz (Gl. 1), dem Diffusionskoeffizienten (Gl. 2) und der Einstein-Relation (Gl. 3) ist die Viskosität formal mit der Gleichung 4 [1] beschreibbar. (1) (2) 42 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 2/ 2016 * Dipl. Ing. Mario Müller Siemens AG, 13629 Berlin Bestimmung der Aktivierungsenergie von Fluiden mit Hilfe der Viskositätsmessung M. Müller* Die Erhöhung der Effizienz moderner Antriebstechnik kann durch die Minimierung der mechanischen Verluste an den Tribokontaktstellen erfolgen. Ihre sichere Funktion hängt wesentlich von den thermophysikalischen Eigenschaften des verwendeten Schmiermittels ab. Bei gleichzeitig steigender Leistungsdichte werden immer höhere Anforderungen an die Betriebssicherheit des Antriebsstranges bei Betriebsstörungen oder sonstigen unvorhersehbaren Betriebssituationen gestellt. Dies erfordert zudem eine kontinuierliche Erweiterung der zum Einsatz kommenden Berechnungs- und Simulationsverfahren. Da der Entwicklungstrend zu immer höheren Leistungen und Leistungsdichten führt, ist die genauere Berücksichtigung thermophysikalischer Schmierstoffmodelle für die zuverlässige Vorausberechnung des Betriebsverhaltens der Tribokontakte unerlässlich. Eyring hat mit seiner kinetischen Theorie den Grundstein zur Beschreibung der Viskosität über Platzwechselprozesse gelegt. Nach Eyring basiert das Fließen einer Flüssigkeit darauf, dass Teilchen aus der Umgebung in ein bestehendes Loch springen können. Geht man davon aus, dass die innere Reibung durch die Wechselwirkung zwischen den Molekülen bestimmt wird, müssen bestehende Wechselwirkungskräfte aufgehoben und neu gebildet werden. Die dafür benötigte Energie entspricht der Aktivierungsenergie. Schlüsselwörter Viskosität, Aktivierungsenergie, thermophysikalische Eigenschaften, Messung, Tribokontakt, Eyring, Platzwechselprozesse Increasing the efficiency of modern drive technology can be carried out by minimizing the mechanical losses at the tribological contacts. The reliable function depends essentially on the thermophysical properties of the lubricant used. At the same time, higher power density ever higher demands are placed on the operational reliability of the drive train in case of malfunctions or other unforeseen operating situations. This also requires a continuous expansion of calculation and simulation methods. As the development trend leads to higher performance and power densities, the detailed account of thermophysical models of lubricants for reliable prediction of the operating performance of tribological contacts is essential. Eyring has placed with his kinetic theory the foundation for describing the viscosity by exchange processes. After Eyring the flow of a fluid based on the fact that particles can jump into an existing hole from the environment. Assuming that the internal friction is determined by the interaction between the molecules, existing interaction forces must be canceled and reformed. The energy required for this corresponds to the activation energy. Keywords viscosity, activation energy, thermophysical properties, measurement, tribological contacts, Eyring, exchange processes Kurzfassung Abstract k=A×e - EA RT D=D 0 ×e - EA RT T+S_2_16 05.02.16 14: 24 Seite 42 Dabei beschreibt die Änderung der Aktivierungsenergie die Energie, die durch Dichteänderung benötigt wird, um ein Molekül von einem bestehenden thermodynamischen Ausgangszustand in einen beliebigen thermodynamischen Gleichgewichtszustand zu überführen. Die charakteristischen Kennwerte der untersuchten Fluide sind in der Tabelle 1 zusammengefasst. In den Bildern 1 und 2 sind die bei Normaldruckbedingungen mit dem Rotationsviskosimeter gemessenen Viskositäten über der Temperatur und in den Bildern 3 und 4 sind die Änderungen der Aktivierungsenergien über dargestellt. Aus der Praxis für die Praxis (3) (4) Ausgehend von der Gleichung 4 und dem linearen Zusammenhang zwischen Dichte und Temperaturänderung (Gl. 5) lässt sich die Änderung der Aktivierungsenergie berechnen zu: (5) (6) Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 2/ 2016 43 Bild 1: Viskosität über der Temperatur Bild 2: Viskosität über der Temperatur Bild 3: Änderung der Aktivierungsenergie Bild 4: Änderung der Aktivierungsenergie Tabelle 1: charakteristische Kennwerte der untersuchten Fluide Bezeichnung Bezeichnung ISO ν 40 °C η 40 °C ρ 40 °C γ’ lang kurz VG [mm 2 / s] [mPas] [kg/ m 3 ] [kg/ m 3 K] Mineralöl 100 MIN 100 100 103,36 89,4 864,91 0,58753 Mineralöl 100 MIN 100 100 92,55 80,7 871,88 0,52464 4%A99 4%A99 Polyalphaolefin 10 PAO 10 68 68,27 56,9 833,43 0,53158 TMP-Ester 10 TMP 10 46 51,58 46,8 907,30 0,60333 Gruppe 3 Grundöl GOE A 22 25,67 21,1 821,86 0,53133 GOE A+friction modifier A FMA 68 69,56 58,5 840,97 0,57206 1/ 3 GOE A und 2/ 3 Ester GOE AE 22 24,03 19,8 824,00 0,41549 GOE AE+friction modifier A ESA 68 59,97 53,7 895,37 0,62569 D= kT 6 a = 0 ×e EA RT = ' × T+ 0 E A = ln 0 ×R× ! - 0 " ' ' R× - 0 = 1 R× T T+S_2_16 05.02.16 14: 24 Seite 43 Aus der Praxis für die Praxis Es wird deutlich, dass bei hohen Temperaturen kleine Änderungen der Aktivierungsenergie auftreten. Somit ist bei hohen Temperaturen die Aktivierungsenergie nahezu konstant. Mit abnehmender Temperatur bzw. zunehmender Dichte nimmt die Aktivierungsenergie zu. Daher ist nicht von einer konstanten Aktivierungsenergie über den gesamten Temperaturbzw. Dichtebereich auszugehen. Die Aktivierungsenergie im Bezugspunkt T 0 ergibt sich durch den Differenzenquotient zweier Messpunkte. Es gilt: (7) Je kleiner die Differenztemperatur zwischen den zwei Messpunkten ist, umso genauer lässt sich die Aktivierungsenergie am Bezugspunkt berechnen. In der Tabelle 2 sind die Aktivierungsenergien E A0 am Bezugspunkt zusammengefasst. Für die absolute Aktivierungsenergie E A gilt dann: (8) In den Bildern 5 und 6 sind die absoluten Aktivierungsenergien über der Dichte und in den Bildern 7 und 8 über der Temperatur dargestellten. Eine Beurteilung hinsichtlich Reibungsverhalten der Fluide muss für den stationären und instationären Betriebszustand getrennt erfolgen. Beim stationären Betriebszustand ist die Höhe der Aktivierungsenergie bei einer 44 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 2/ 2016 Bild 5: absolute Aktivierungsenergie Bild 6: absolute Aktivierungsenergie Bild 7: absolute Aktivierungsenergie Bild 8: absolute Aktivierungsenergie Tabelle 2: Aktivierungsenergie am Bezugspunkt Bezeichnung η 0 [mPas] ρ 0 [kg/ m 3 ] T 0 [K] E A0 [kJ/ mol] MIN 100 7,6047 825,40 380,41 32,907 MIN 100 4%A99 7,5145 836,60 380,41 31,840 PAO 10 7,4330 797,02 381,65 26,223 TMP 10 7,2262 866,72 380,41 24,280 GOE A 3,6124 786,12 380,41 23,297 FMA 7,6424 801,32 382,46 26,436 GOE AE 3,6433 796,03 380,50 22,204 ESA 7,8529 851,96 382,55 24,935 ( ln [ ]) 1 RT = ln ! 1 " -ln ! 0 " 1 RT1 - 1 RT0 E A =E A0 + E A T+S_2_16 05.02.16 14: 24 Seite 44 Aus der Praxis für die Praxis stationären Temperatur relevant. Hier zeigt sich, dass das TMP10, mit Ausnahme der Grundöle, über den gesamten Temperaturbereich die niedrigsten Aktivierungsenergien hat. Um ein Fließen des Fluiden zu bewirken, muss beim TMP10 weniger Energie von außen hinzugefügt werden. Somit kann durch verwenden von TMP10 die Verlustleistung reduziert und der Wirkungsgrad erhöht werden. Um eine Aussage hinsichtlich Reibungsverhalten bei instationären thermischem Betriebszustand machen zu können, muss die Steigung der Aktivierungsenergie an jedem Temperaturpunkt bestimmt werden. 2 Viskositätsänderung durch Druck Die Druckabhängigkeit der Viskosität wird mit einem nicht passivierten Torsionsschwingquarz in einer Hochdruckkolbenmesszelle gemessen, die im Hochdruckautoklaven mit Drücken bis zu 1 GPa beaufschlagt werden kann. Zur Ermittlung der Viskosität werden Resonanzkurven aufgenommen und aus der Verschiebung der Resonanzfrequenz wird die Viskosität berechnet [2]. Die Messzelle zur Bestimmung der druck- und temperaturabhängigen Viskosität besteht aus einem Torsionsschwingquarz, der über 4 Anschlussleitungen frei schwingend gehalten und gleichzeitig kontaktiert wird. Die Viskositätszelle wird am Messkopf adaptiert, wobei die Messpotentiale mittels einer speziellen Hochdruckdurchführung aus dem Innenraum des Autoklaven herausgeführt und mit der externen Auswerteelektronik verbunden werden. Der Schwingquarz besteht aus einem Einkristall, auf dem eine Goldkontaktierungsschicht aufgedampft ist. Mit Hilfe eines Frequenzgenerators können von außen Wechselspannungen beliebiger Frequenz angelegt werden. Der Quarz wird dadurch in eine Torsions- Dreh-Schwingung versetzt, deren frequenzabhängiger Amplitudenverlauf aufgenommen wird. Der angeregte Torsionsschwingquarz schwingt in Analogie zur translatorisch ausgeführten Schwingung eines freien gedämpften Einmassenschwingers mit einer sich in Abhängigkeit von der viskosen Dämpfung d, in diesem Fall von der dynamischen Viskosität η des an der freien Oberfläche anhaftenden Öls, ergebenden Eigenfrequenz f F . Im Vergleich zur druck- und temperaturabhängigen Eigenfrequenz des ungedämpften Torsionsschwingers f L lässt sich aus der Verschiebung der Eigenfrequenz f F infolge der viskosen Dämpfung der viskose bzw. gedämpfte Anteil der Viskosität des Fluides nach Gleichung 9 [2] bestimmen. (9) Die druckabhängige Viskosität wurde bei den vier isothermen Temperaturen 20, 40, 60 und 80 °C gemessen. Die gemessenen Viskositäten sind in den Bildern 9 bis 16 über den Druck dargestellt. Wie erwartet, nimmt die Viskosität mit zunehmendem Druck zu. Insbesondere das PAO 10 zeigt einen ausgeprägten Übergang zwischen degressiven Viskositätsverlauf bei niedrigem Druck hin zum progressiven Viskositätsverlauf bei steigendem Druck. Ebenso ist zu beobachten, dass ab einem fluidabhängigen Druck die gemessene Viskosität nicht weiter ansteigt. Die Gegenüberstellung des Viskositätsverlaufs Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 2/ 2016 45 Bild 9: MIN 100 Bild 10: MIN 100 4%A99 Bild 11: PAO 10 Bild 12: TMP 10 F = Q2 r Q2 f L2 -f F2 2 16 F f F3 × ! 1+ rQ 2LQ " 2 T+S_2_16 05.02.16 14: 24 Seite 45 Aus der Praxis für die Praxis von Grundöl A und FMA bzw. Grundöl AE und ESA zeigt, dass der Friction Modifier maßgeblichen Einfluss auf den gemessenen Viskositätsverlauf hat. So bewirkt der Friction Modifier beim Grundöl A, dass die gemessene Viskosität in einem definierten Druckbereich nicht abnimmt, sondern kontinuierlich ansteigt. Wird im Gegensatz dazu der Friction Modifier zum Grundöl AE hinzugefügt, nimmt die gemessene Viskosität in einem begrenzten Druckbereich erst stark ab, um anschließend wieder anzusteigen. 46 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 2/ 2016 Bild 13: Grundöl A (GOE A) Bild 14: FMA (GOE A+friction modifier) Bild 15: Grundöl AE (GOE AE) Bild 16: ESA (GOE AE+friction modifier) Bild 17: MIN 100 Bild 18: MIN 100 4%A99 Bild 19: PAO 10 Bild 20: TMP 10 T+S_2_16 05.02.16 14: 24 Seite 46 Aus der Praxis für die Praxis In den Bildern 17 bis 24 sind die Viskositäten der isobaren Rotationsviskosimetermessung (RV isobar) und die Viskositäten der isothermen Hochdruckquarzviskosimetermessung (HD-QV isotherm) über der Dichte dargestellt. Hierbei wird deutlich, dass bei gleicher Dichte und somit gleichen mittleren Molekülabstand die gemessenen isothermen HD-Quarzviskositäten immer kleiner sind, als die isobaren Viskositäten des Rotationsviskosimeters. Wird der von Tait [3] in der Gleichung 10 dargestellte Zusammenhang zwischen Dichte und Druck genutzt, kann die Änderung der Aktivierungsenergie entsprechend der Gleichung 14 berechnet werden. (10) (11) (12) (13) (14) mit (15) In den Bildern 25 bis 32 sind die Änderungen der Aktivierungsenergie über der Dichte dargestellt. Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 2/ 2016 47 Bild 25: MIN 100 Bild 26: MIN 100 4%A99 Bild 21: Grundöl A (GOE A) Bild 22: FMA (GOE A+friction modifier) Bild 23: Grundöl AE (GOE AE) Bild 24: ESA (GOE AE+friction modifier) = ' × T+ 0 1ln 1+m×p K0 m T= × ! 1ln 1+m×p K0 m " - 0 ' E A = ln 0 ×R× ! × ! 1ln 1+m×p K0 m " - 0 " ' E A = ln 0 ×R× # p =0 - 0 $ ' E A =ln 0 ×R× T p=0 T p=0 =T 0 -T p=0 T+S_2_16 05.02.16 14: 24 Seite 47 Aus der Praxis für die Praxis Wie schon für die isobaren Viskositätsmessungen zuvor, lässt sich die absolute Aktivierungsenergie der isothermen Viskositätsmessung auch mit der Gleichung 8 bestimmen. In den Bildern 33 bis 40 sind die absoluten Aktivierungsenergien über der Dichte aufgetragen. Man erkennt deutlich, dass mit zunehmender Dichte die Aktivierungsenergie zunimmt und mit zunehmender Temperatur die Aktivierungsenergie bei konstanter Dichte kleiner wird. Des Weiteren ist die Aktivierungsenergie der isobaren RV-Messung immer größer als die Aktivierungs- 48 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 2/ 2016 Bild 27: PAO 10 Bild 28: TMP 10 Bild 29: Grundöl A (GOE A) Bild 30: FMA (GOE A+friction modifier) Bild 31: Grundöl AE (GOE AE) Bild 32: ESA (GOE AE+friction modifier) Bild 33: MIN 100 Bild 34: MIN 100 4%A99 T+S_2_16 05.02.16 14: 24 Seite 48 Aus der Praxis für die Praxis energie der isothermen HD-QV-Messung. Geht man nun davon aus, dass sich in jedem Fluid ein mittlerer Molekülabstand einstellt und die Viskosität durch Platzwechselvorgänge der Moleküle beschrieben wird, so muss jedes Molekül eine definierte Energiebarriere überwinden. In diesem Fall ist die Höhe der Energiebarriere proportional zur Dichte und antiproportional zum mittleren Molekülabstand. Da der mittlere Molekülabstand durch die Temperatur und den von außen anliegenden Druck beeinflusst wird, wird auch die Höhe der Energiebarriere durch Druck und Temperatur beeinflusst. Dabei nimmt die Energiebarriere bei Temperaturzufuhr ab und bei Druckerhöhung zu. Somit wird die Höhe der Energiebarriere durch die thermische und potentielle Energie bestimmt. Unter der Voraussetzung, dass jedes Molekül eine kinetische Energie und somit ein definiertes Energieniveau hat, muss Energie (Aktivierungsenergie) hinzugefügt werden, um die Energiebarriere zu überwinden und einen Platzwechsel zu ermöglichen. Dabei wird die kinetische Energie des Moleküls durch die Temperatur, den Druck und wieviel Energie durch Impulsaustausch von einer bewegten Oberfläche auf das Fluid übertragen wird, beeinflusst. Schematisch ist dies im Bild 41 dargestellt. Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 2/ 2016 49 Bild 35: PAO 10 Bild 36: TMP 10 Bild 37: Grundöl A (GOE A) Bild 38: FMA (GOE A+friction modifier) Bild 39: Grundöl AE (GOE AE) Bild 40: ESA (GOE AE+friction modifier) Bild 41: schematische Darstellung der Aktivierungsenergie T+S_2_16 05.02.16 14: 24 Seite 49 Aus der Praxis für die Praxis Auf Basis dieses Modells ist der Viskositätsverlauf der Hochdruckquarzviskositätsmessung wie folgt beschreibbar. Wird durch Druckerhöhung die Dichte erhöht bzw. der mittlere Molekülabstand verringert, wird die Energiebarriere erhöht. Da aber durch Druckerhöhung auch ein Teil in kinetische Energie umgewandelt wird, werden auch die Moleküle in ein höheres Energieniveau gehoben und es ergibt sich eine resultierende Aktivierungsenergie. Um einen Platzwechsel bei einer definierten Dichte zu ermöglichen, muss diese Energie von außen hinzugefügt 50 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 2/ 2016 Bild 42: Aktivierungsenergie bei 20 °C Bild 43: Aktivierungsenergie bei 20 °C Bild 44: Aktivierungsenergie bei 40 °C Bild 45: Aktivierungsenergie bei 40 °C Bild 46: Aktivierungsenergie bei 60 °C Bild 47: Aktivierungsenergie bei 60 °C Bild 48: Aktivierungsenergie bei 80 °C Bild 49: Aktivierungsenergie bei 80 °C T+S_2_16 05.02.16 14: 24 Seite 50 Aus der Praxis für die Praxis werden. Geht die Viskosität in einen horizontalen Verlauf über, hat die innere Reibung keinen maßgeblichen Einfluss mehr auf die Aktivierungsenergie. Sobald dieser Punkt erreicht ist, basiert die Zunahme der Aktivierungsenergie nur noch auf die Zunahme der Wechselwirkungskräfte. Es ist aber davon auszugehen, dass auch in diesem Bereich die Viskosität weiter leicht ansteigt. Die Abnahme der Viskosität bei Grundöl A und ESA kann z. B. auf eine veränderte Molekülform und einer Verringerung der inneren Reibung oder auf das Anregen einer fluidbezogenen Eigenfrequenz mit dem Schwingquarz zurückzuführen sein. Dabei wird die fluidbezogene Eigenfrequenz durch den mittleren Molekülabstand und der Molekülgeschwindigkeit bestimmt. Für die Beurteilung des Reibungsverhaltens muss zwischen stationären und instationären Betrieb unterschieden werden. Beim stationären Betreib ist die Höhe der Aktivierungsenergie beim Betriebsdruck relevant. In den Bildern 42 bis 49 sind die Aktivierungsenergien über den Druck aufgetragen. Auch hier wird deutlich, dass das TMP10, mit Ausnahme der Grundöle, die niedrigsten Aktivierungsenergien hat. Hinsichtlich instationären Betriebsverhaltens ist es erforderlich, die Steigung der Aktivierungsenergie beim Betriebsdruck zu bewerten. 3 Zusammenfassung Wie erwartet steigt beim Rotationsviskosimeter die dynamische Viskosität aller Fluide mit abnehmender Temperatur an. Es zeigte sich, dass die isotherme druckabhängige Viskosität mit zunehmender Temperatur bei konstanter Dichte abnimmt und kleiner als die isobare temperaturabhängige Viskosität bei gleicher Dichte ist. Ausgehend von der Viskositätsmessung war es möglich die Aktivierungsenergie zu bestimmen. Wird die Aktivierungsenergie über der Dichte aufgetragen, so zeigt sich, dass diese mit zunehmender Dichte ansteigt aber mit zunehmender isothermer Temperatur abfällt. Ebenso ist bei gleicher Dichte die isobare temperaturabhängige Aktivierungsenergie größer, als die isotherme druckabhängige Aktivierungsenergie. Des Weiteren wurde gezeigt, dass die Aktivierungsenergie nicht konstant ist. Nur für hohe Temperaturen, kleine Dichten bzw. große Molekülabstände kann die Aktivierungsenergie als nahezu konstant angenommen werden. Überträgt man diese Erkenntnisse auf das Modell zur Beschreibung der Viskosität, so nimmt mit zunehmender Dichte die zu überwindende Energiebarriere zu. Die kinetische Energie der Moleküle wird aber dadurch beeinflusst, ob es sich um einen isobaren temperaturabhängigen oder um einen isothermen druckabhängigen Prozess handelt. Es wurde auch gezeigt, dass die Aktivierungsenergie und somit auch die Viskosität davon abhängt, wie viel Energie von der mit dem Fluid korrespondierenden Oberfläche auf das Fluid übertragen und wie viel Energie durch Druckerhöhung in kinetische Energie umgewandelt wird. Ebenso wurde gezeigt, dass die Viskosität der isobaren Temperaturänderung stetig zunimmt, die Viskosität der isothermen Druckänderung aber einen fluidabhängigen Grenzwert haben kann. Die Tatsache, dass die Viskosität auch von der mit dem Fluid korrespondierende Oberflächengeschwindigkeit abhängt, geht bislang nur in EHD- Simulationen als Scherratenabhängigkeit der Viskosität ein. Im Gegensatz dazu, wird bei schnelllaufenden Rotoren, wie z. B. Turboladern, die Abnahme der Viskosität bei hohen Oberflächengeschwindigkeiten bislang nicht berücksichtigt. Um das Reibungsverhalten eines Fluiden zu beurteilen, ist es erforderlich zwischen dem stationären und dem instationären Betriebszustand zu unterscheiden. Da das Reibungsverhalten eines realen tribologischen Kontaktes aber auch davon abhängt, wie das Fluid mit der Oberfläche korrespondiert, reicht es nicht aus, nur das Reibungsverhalten des einzelnen Fluiden zu beurteilen. 4 Formelverzeichnis f L Eigenfrequenz des Schwingquarzes in Luft [1/ s] f F Eigenfrequenz des Schwingquarz im Fluid [1/ s] p Druck [N/ m 2 ] r Q Radius des Schwingquarz 6 mm [m] D Diffusionskoeffizient [m 2 / s] D 0 Diffusionskoeffizient am Bezugspunkt [m 2 / s] ΔE A Änderung der Aktivierungsenergie [J/ mol] E A0 Aktivierungsenergie am Bezugspunkt [J/ mol] E A Aktivierungsenergie [J/ mol] L Q Länge des Schwingquarz 70 mm [m] R Universelle Gaskonstante [J/ (mol K)] T Temperatur [K] T 0 Temperatur am Bezugspunkt [K] T p=0 Temperatur bei isothermer Messung [K] η Viskosität [Pa * s] η 0 Viskosität am Bezugspunkt [Pa*s] θ Temperatur [°C] ρ Dichte [kg/ m 3 ] ρ 0 Dichte am Bezugspunkt [kg/ m 3 ] ρ p=0 Dichte bei Normaldruck für T p=0 [kg/ m 3 ] ρ F druck- und temperaturabhängige Dichte des Fluiden [kg/ m 3 ] ρ Q Dichte des Quarz 2642 kg/ m 3 [kg/ m 3 ] Literatur [1] P. W. Atkins, J. de Paula; Kurzlehrbuch Physikalische Chemie 4. Auflage; WILEY-VCH Verlag; S. 502; 2008 [2] Bode, B.: Entwicklung eines Quarzviskosimeters für Messungen bei hohen Drücken, Dissertation TU Clausthal, IRM 1994 [3] A. T. J. Hayward, Compressibility equations for liquids: a comparative study; Brit. J. Appl. Phys. Vol. 18; S. 965- 977; Feb. 1967 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 2/ 2016 51 T+S_2_16 05.02.16 14: 24 Seite 51