Tribologie und Schmierungstechnik
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0724-3472
2941-0908
expert verlag Tübingen
0801
2016
634
JungkSystematische Untersuchung von schmutzbeaufschlagten Wellenabdichtungen
0801
2016
Christian Kaiser
Daniel Frölich
Bernd Sauer
Radial-Wellendichtringe unterliegen im realen Einsatz vielseitigen Belastungen. Neben mechanischen, chemischen und thermischen Belastungen werden Dichtsysteme durch Schmutzbeaufschlagung belastet. In diesem Beitrag werden experimentelle und simulative Untersuchungen aufgezeigt, die den Einfluss einer Schmutzbeaufschlagung auf den Verschleiß der Schutzlippe und Hauptdichtlippe aufzeigen.
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22 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 4/ 2016 1 Einleitung Die Hauptfunktion eines Radial-Wellendichtrings besteht darin das Öl im Ölraum zu behalten und Substanzen (Partikel, Wasser, etc…) von außen aus dem Ölraum fernzuhalten. Verunreinigungen wie z. B. Partikel, können in einer Maschine dafür sorgen, dass beispielsweise Zahnräder, Gleitlager, Wälzlager usw., einem viel höheren Verschleiß unterliegen als in „sauberem“ Öl. Dichtringe die von außen einer hohen Schmutzbeaufschlagung ausgesetzt sind, müssen daher besonders ausgelegt sein bzw. getestet werden um eine ausreichende Dichtfunktion zu gewährleisten. Im Rahmen dieser Arbeit wurden systematische Prüfstandsversuche und Simulationen zur Untersuchung von Radial-Wellendichtringen unter Schmutzeinwirkung von außen durchgeführt. Als Hauptzielgröße der Untersuchungen wurde dabei der Verschleiß an der Dichtkante und an der Schutzlippe analysiert. 2 Prüfstandsaufbau und Versuchsparameter 2.1 Prüfzelle Um eine Dichtung von außen mit Schmutz zu beaufschlagen, musste ein Konzept erarbeitet werden, bei dem die Dichtung gut zugänglich ist. In Bild 1 ist die Konstruktion der neuen Prüfzellen abgebildet. Dieser Aufbau ermöglicht es, die Beaufschlagungseinheit an der vorderen Seite der Prüfzelle zu montieren und die Prüfdichtung mit dem Prüfmedium zu beaufschlagen. Am hinteren Aus Wissenschaft und Forschung * Dipl.-Ing. Christian Kaiser Dipl.-Ing. Daniel Frölich Prof. Dr.-Ing. Bernd Sauer Lehrstuhl für Maschinenelemente und Getriebetechnik (MEGT), TU Kaiserslautern 67663 Kaiserslautern Bild 1: Schnittansicht mit Beaufschlagungseinheit Systematische Untersuchung von schmutzbeaufschlagten Wellenabdichtungen C. Kaiser, D. Frölich, B. Sauer* Eingereicht: 17. 9. 2015 Nach Begutachtung angenommen: 20. 10. 2015 Radial-Wellendichtringe unterliegen im realen Einsatz vielseitigen Belastungen. Neben mechanischen, chemischen und thermischen Belastungen werden Dichtsysteme durch Schmutzbeaufschlagung belastet. In diesem Beitrag werden experimentelle und simulative Untersuchungen aufgezeigt, die den Einfluss einer Schmutzbeaufschlagung auf den Verschleiß der Schutzlippe und Hauptdichtlippe aufzeigen. Schlüsselwörter Radial-Wellendichtring, Schmutzbeaufschlagung, Verschleiß, FE-Simulation Rotary shaft lip seals are exposed to several loads during their service life. The sealing systems have not to resist against mechanical, chemical and thermic loads only. This paper presents experimental and simulative studies, which illustrate the influence of a dust application on the wear of the dust and main lip. Keywords Rotary shaft lip seal, dust application, wear, FEA Kurzfassung Abstract T+S_4_16 02.06.16 12: 26 Seite 22 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 4/ 2016 Ende der Prüfzelle befindet sich eine Sekundärdichtung die zur Aufgabe hat, den Ölraum nach hinten abzudichten. Die Prüfzelle ist auf ein Ölvolumen von ca. 750 ml bei Ölstand auf Höhe Wellenmitte ausgelegt. Die Prüfzelle ist entlüftet und es werden zum Heizen des Versuchsöls Heizpatronen eingesetzt. Die Temperaturerfassung erfolgt über einen PT100-Temperatursensor (nicht abgebildet). Die Beaufschlagungseinheit verfügt über 8 über dem Umfang verteilte Düsen, die so platziert sind, dass das Medium direkt auf den Dichtkontakt der Schutzlippe gefördert wird. Die Düsen haben einen Innendurchmesser von ca. 4 mm. 2.2 Die Beaufschlagungsvarianten Um die Prüfdichtung definiert mit dem Prüfmedium zu beaufschlagen mussten die entsprechenden Aggregate aufgebaut werden. Im Rahmen dieser Arbeit wurde die Prüfsubstanz mit Trägermedium Wasser und Luft an den Dichtkontakt der Schutzlippe herangefördert. In Bild 2 ist der Bürstendosierer dargestellt. Durch die rotierende Bürste wird eine definierte Menge an Partikelsubstanz aus der Füllung entnommen und an den vorbeiströmenden Luftstrom abgegeben. Die Partikelmenge kann dabei über die Vorschubgeschwindigkeit des Dosierkolbens variiert werden. Die Bürstendrehzahl bleibt dabei stets konstant. Über ein Drosselventil kann der Volumenstrom eingestellt und am Volumenstrommesser (Rotameter) abgelesen werden. Der kontaminierte Luftstrom wird anschließend an das Verteilerrohr am Dauerlaufprüfstand angeschlossen und von da aus an die Magnetventile, die einen Radial-Wellendichtring nacheinander beaufschlagen, weitergeleitet (nicht abgebildet in Bild 2). Die zweite Beaufschlagungseinheit stellt ein Schmutzwasseraggregat dar. Dieses besteht aus einem Schmutzwasserbehälter mit einem Fassungsvermögen von 10 l. In diesem Behälter befindet sich ein Rührer welcher mit einem Getriebemotor über ein Riemengetriebe angetrieben wird. Der Rührer soll sicherstellen, dass sich während des Betriebes die Partikelsubstanz nicht am Behälterboden absetzen kann. Das Schmutzwasser wird dann über eine Förderpumpe angesaugt und von da aus über die Verteilereinheit an die Prüfzellen weitergeleitet. 2.3 Versuchsparameter In Tabelle 1 sind sämtliche Randbedingungen der experimentellen Versuche abgebildet. Als Prüfmedium für die Schmutzbeaufschlagung wurde Arizona-Dust verwendet. Ari- 23 Aus Wissenschaft und Forschung Parameter Einstellung RWDR-Werkstoff 72 NBR 902 RWDR-Typ Form AS nach [DIN3761-1] RWDR-Abmessungen Innen-Ø: 80 mm, Außen-Ø: 100 mm, Breite: 12 mm Fett Petamo GHY133N Wellenmaterial 42CrMo4-gehärtet 55 HRC Wellenoberfläche Nach [DIN3760] Versuchsöl Synthetisches FVA-Referenzöl PAO2 Versuchsdauer 5.000 km Reibweg ≈ 232 h Versuchszeit Öltemperatur 70 °C Ölschmierung Öl anstehend bis Wellenmitte Umfangsgeschwindigkeit 6 m/ s Statistik: 6 Versuche pro Parameterkonfiguration Bild 2: Bürstendosierer mit Prinzipskizze Tabelle 1: Versuchsrandbedingungen T+S_4_16 02.06.16 12: 26 Seite 23 24 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 4/ 2016 zona-Dust ist in DIN EN ISO 12103-1 genormt und hat deswegen eine breite Akzeptanz bei Verschmutzungsprüfungen gefunden. Es wurden bei den Untersuchungen Arizona-Test-Dust A2 und A4 verwendet, welche sich in der Partikelgrößenverteilungen unterscheiden (vgl. Bild 3). In Tabelle 2 sind die Einstellungsparameter für die Schmutzbeaufschlagung dargestellt. Bei Wasser als Trägermedium wird zyklisch mit 5 und 30 g/ l Arizona-Dust A2 oder A4 alle 5 h für 10 s dosiert. Bei der intensiveren Beaufschlagung wird das Intervall zwischen zwei Beaufschlagungszyklen halbiert von 5 h auf 2,5 h und die Dosierungsdauer von 10 s auf 30 s erhöht. Der Durchfluss beträgt dabei ca. 3,6 l/ min für jede Prüfzelle. Der mit Luft als Trägermedium durchgeführte Versuch wurde mit A2 durchgeführt bei einem Durchfluss von 6 m 3 / h und mit einer Menge von 0,5 g/ min (ca. 5 g/ m 3 ). Die Dosierung der Beaufschlagung wurde ebenfalls auf 5 h für 10 s eingestellt. Aus Wissenschaft und Forschung Bild 3: gemessene Volumenverteilungssumme Q3 von Arizona-Dust A2 und A4 Bild 4: Simulationsmodell bestehend aus inkrementeller Struktur zur Verschleißsimulation und Kopplung mechanischer und thermischer Simulationsschritte zur Berücksichtigung des temperaturabhängigen Elastomerverhaltens Tabelle 2: Einstellungsparameter für die Schmutzbeaufschlagung T+S_4_16 02.06.16 12: 26 Seite 24 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 4/ 2016 3 Modellaufbau Zur Simulation von schmutzbeaufschlagten Radial-Wellendichtringen wurde ein am MEGT vorhandener Modellierungsansatz erweitert und angepasst. Das Modell ist mit der Programmiersprache Python parametrisch in der FE-Umgebung ABAQUS aufgebaut. Das Ausgangsmodell umfasst eine Kombination von untereinander gekoppelten mechanischen und thermischen Lastschritten zur Simulation von Verschleiß an Dichtlippe und Welle, von Kontakttemperatur und Reibmoment. Die Basis des Simulationsmodells bildet ein in der Softwareumgebung Abaqus FEA entwickeltes vollparametrisches FE-Modell. Dieses bietet über einen inkrementellen Verschleißansatz die Möglichkeit den Materialverlust im Tribokontakt des Dichtrings zu simulieren (vgl. Bild 4). Ausgehend vom Neuzustand werden in einer benutzerdefinierten Anzahl an Zwischenschritten verschiedene mechanische und thermische Simulationsschritte durchlaufen. Ein vom Nutzer zuvor festgelegter Gesamtgleitweg dient als Abbruchkriterium für die Simulation. Dem Nutzer stehen jetzt detaillierte Ergebnisse zum Verschleiß an Dichtlippe und Schutzlippe, zum Verlauf der Kontakttemperatur, zur Verteilung der Temperatur über dem Dichtringquerschnitt und zum Reibmomentverlauf zur Verfügung. Detaillierte Informationen zur Modellstruktur und zum Modellierungsumfang können z. B. folgenden ausgewählten Literaturstellen entnommen werden: [FKJ12], [MFS13], [FMS14a], [FMS14b]. Zur Erweiterung des Modells wurden Änderungen und Ergänzungen durchgeführt, die in folgenden Abschnitten beschrieben werden. 3.1 Anpassung der Geometrie Ein Radial-Wellendichtring mit berührender Schutzlippe wurde in Kunstharz eingegossen und der Querschnitt unter dem Mikroskop vermessen. Daraus wurden die zum modellseitigen Geometrieaufbau benötigten Eingabeparameter ausgewertet. Das Simulationsmodell wurde wie in Bild 5 dargestellt angepasst und um die dargestellte Schutzlippe erweitert. Sowohl auf der Welle als auch im Dichtring wurden die kontaktnahen Bereiche als Vorbereitung auf die Verschleißsimulation sehr fein vernetzt. 3.2 Erweiterung der Verschleißsimulation Der Verschleiß wird in Form einer Verschiebung der Kontaktknoten in Richtung der Kontaktnormale modelliert. Basierend auf dem Verschleißgesetz von Archard werden die pressungsbehafteten Randknoten um den Betrag d verschoben. (3.1) k ist der experimentell ermittelte k-Faktor, p die Pressung und s der Reibweg. Der experimentelle k-Faktor wird dabei über folgende Formel ermittelt: (3.2) Dabei handelt es sich um das Verschleißvolumen W v , um die Radialkraft F r und um den Reibweg s. Der k- Faktor wurde für die Hauptdichtlippe und die Schutzlippe experimentell ermittelt. Dazu wurde das Verschleißvolumen W v durch Multiplikation des gemessenen planimetrischen Verschleißbetrags mit dem Umfang (π∙80 mm) ermittelt. Der k-Faktor liegt für die Hauptdichtlippe im Bereich von ca. 4 - 6 ∙ 10 -6 und für die Schutzlippe im Bereich von ca. 3 -5∙10 -5 . Zwischen den k-Faktoren der Hauptdichtlippe und der Schutzlippe liegt ca. der Faktor 10. Um einen ausreichend großen Materialabtrag simulieren zu können, ohne Spannungen im Inneren des Radial- Wellendichtrings zu erzeugen und mit dem Ziel Verzerrungen im FE-Netz auf ein Minimum zu beschränken wurde in den Kontaktbereichen eine adaptive Vernetzung umgesetzt. 3.3 Erweiterung der Reibmoment- und Kontakttemperatursimulation Die iterative Simulation von Kontakttemperatur und Reibmoment erfolgt mit dem Modell von Engelke [Eng11]. Dieser empirische Ansatz basiert auf einer Vielzahl von Experimenten und unterscheidet einen nichtviskosen und einen viskosen Anteil des Reibmoments: (3.3) μ 0 ist der Grenzreibungskoeffizient, F r die Radialkraft, d der RWDR-Nenndurchmesser, ɳ(ϑ) die temperaturabhängige Schmierstoffviskosität, b die Berührbreite, ∑R p mm 3 ----- N∙km 25 Aus Wissenschaft und Forschung Bild 5: FE-Modell des Dichtrings mit feiner Vernetzung der Kontaktbereiche für Hauptdichtlippe und Schutzlippe 3 3 3 3 T+S_4_16 02.06.16 12: 26 Seite 25 26 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 4/ 2016 ist die Summe der Rauheitsspitzen im Kontakt, die als erste Näherung für die Schmierfilmdicke verwendet wird und n die Wellendrehzahl. Die Formel zur Ermittlung des Reibmoments ist abhängig von der Schmierstoffviskosität und nur für die Hauptlippe entwickelt worden. In diesem Modell wird die Reibmomentberechnung auch für die Berechnung der Schutzlippentemperatur getestet. Dabei ist zu beachten, dass die Kontaktstelle der Schutzlippe fettgeschmiert ist und dementsprechend die Viskosität des Grundöls berücksichtigt werden muss. Inwiefern diese für die Hauptlippe entwickelte Temperaturberechnung für die Schutzlippe angewendet werden kann, wird anhand von experimentellen Reibmomentuntersuchungen analysiert. Ein beispielhaftes Ergebnis in Bild 6 zeigt, dass die reibungsbedingte Temperaturerhöhung durch Schutzlippe und Hauptlippe die Temperaturverteilung im RWDR-Querschnitt beeinflussen. 4 Experimentelle Ergebnisse und Modellvalidierung im Neuzustand Zur Validierung des Modells wurden experimentelle Radialkraft- und Berührbreitenmessungen im Neuzustand bei 20 °C mit Ergebnissen des Simulationsmodells verglichen. Die Ergebnisse der Berührbreitenuntersuchung sind in Bild 7 dargestellt. Die Messung der Berührbreite erfolgte unter dem Mikroskop anhand eines auf eine Plexiglashohlwelle montierten RWDRs. Diese Messung ist bei Raumtemperatur durchgeführt worden. Die Übereinstimmung von Messung und Simulation ist sehr gut. Auch beim Vergleich von gemessener und simulierter Radialkraft zeigt sich eine gute Übereinstimmung (vgl. Bild 8 links). Die größte Abweichung ist beim Radialkraftanteil der Schutzlippe vorhanden. Ein Grund könnte darin zu finden sein, dass die Schutzlippe bei der experimentellen Ermittlung der Radialkraft abgestochen wurde und sich dadurch leicht modifizierte Kontaktbedingungen an der Hauptdichtlippe im Vergleich zur Simulation ergeben. Aus Wissenschaft und Forschung Bild 6: Temperaturverteilung über den RWDR-Querschnitt, reibungsbedingte Kontakttemperaturerhöhung im Bereich von Schutzlippe und Hauptlippe Bild 7: Vergleich von gemessener und simulierter Berührbreite an Hauptlippe und Schutzlippe Bild 8: Links: Vergleich von gemessener und simulierter Radialkraft bei Raumtemperatur für Hauptlippe und Schutzlippe; rechts: Vergleich von gemessener und simulierter Radialkraft bei 70 °C für Hauptlippe und Schutzlippe T+S_4_16 02.06.16 12: 26 Seite 26 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 4/ 2016 Um einen Abgleich auch bei praxisnahen thermischen Bedingungen durchführen zu können, wurden die Radialkraftuntersuchungen bei 70 °C wiederholt. Die Ergebnisse zeigen eine sehr gute Übereinstimmung von Experiment und Simulation (vgl. Bild 8 rechts). Insbesondere der Radialkraftanteil der Schutzlippe hat im Vergleich zur Messung stark abgenommen. Der Radialkraftanteil der Hauptlippe hat sich nicht ganz so stark reduziert, da die Wurmfeder den Steifigkeitsverlust auch bei höheren Temperaturen teilweise kompensiert. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sowohl die simulierte Berührbreite als auch die Radialkraft bei Raumtemperatur und einer Betriebstemperatur von 70 °C sehr gut mit den experimentellen Ergebnissen übereinstimmt. 5 Experimentelle Ergebnisse und Modellvalidierung im gelaufenen Zustand In diesem Kapitel werden die experimentellen und simulierten Ergebnisse gegenüber gestellt. In Bild 9 sind die experimentell und simulativ ermittelten planimetrischen Verschleißbeträge in µm² für die Versuchsparameter (vgl. Kapitel 2.3) dargestellt. Beim experimentell ermittelten Verschleiß der Schutzlippe ist deutlich zu erkennen wie der Verschleiß mit steigender Schmutzbeaufschlagung kontinuierlich zunimmt. Der Verschleiß an der Hauptdichtlippe zeigt dagegen ein ganz anderes Bild. Der Verschleiß bleibt ungefähr gleich unabhängig von der Beaufschlagungsmenge (5 oder 30 g/ l) und der Intensität (5 h/ 10 s oder 2,5 h/ 30 s). Somit scheint die Schutzlippe einen sehr effektiven Schutz für die Hauptdichtlippe und den dahinter befindlichen Ölraum darzustellen. Die Ergebnisse der Simulationen zeigen, dass das entwickelte Simulationsmodell den Verschleiß an der Hauptdichtlippe und der Schutzlippe sehr gut nachbildet. In Bild 10 sind die experimentell und simulativ ermittelte Berührbreite der Hauptdichtlippe und der Schutzlippe abgebildet. Bei der Berührbreite einer Dichtlippe handelt es sich um eine wichtige Größe, die einerseits die Ergebnisse der Verschleißauswertung bestätigen kann und andererseits in die Verlustleistung eingeht. Wie in der Abbildung zu erkennen ist, spiegeln die experimentellen Ergebnisse der Berührbreite die Verschleißergebnisse der beiden Schutzlippen sehr gut wider. Bei der Schutzlippe ist eine ähnliche Entwicklung 27 Aus Wissenschaft und Forschung Bild 9: Oben: Vergleich von experimentellem und simuliertem Verschleiß der Hauptdichtlippe in µm 2 ; unten: Vergleich von experimentellem und simuliertem Verschleiß der Schutzlippe in µm 2 T+S_4_16 02.06.16 12: 26 Seite 27 28 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 4/ 2016 zu erkennen wie beim Verschleiß. Mit steigender Beaufschlagungsmenge und -intensität nimmt die Berührbreite, wie zu erwarten, zu. Bei der Hauptdichtlippe ist es sehr ähnlich, die Berührbreite schwankt wie der Verschleiß in einem recht kleinen Bereich. Die simulierten Ergebnisse stimmen auch hier mit den experimentell ermittelten Werten sehr gut überein. In Bild 11 sind der simulierte Verschleißfortschritt an der Hauptdichtlippe und der Schutzlippe für den Betriebspunkt 5 g/ l A4 dargestellt. Somit lässt sich der Verschleißfortschritt über dem Reibweg verdeutlichen. Am Anfang ist aufgrund des Einlaufverschleißes deutlich zu erkennen, dass die Sprünge des Dichtlippenverschleißes deutlich größer sind als nach der Einlaufphase. Aus Wissenschaft und Forschung Bild 10: Oben: Vergleich von experimenteller und simulierter Berührbreite der Hauptdichtlippe in µm; unten: Vergleich von experimenteller und simulierter Berührbreite der Schutzlippe in µm. Bild 11: Links: Simulierter Verschleißfortschritt an der Hauptdichtlippe; rechts: Simulierter Verschleißfortschritt an der Schutzlippe T+S_4_16 02.06.16 12: 26 Seite 28 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 4/ 2016 6 Zusammenfassung und Ausblick In diesem Beitrag wurden erste Ergebnisse vorgestellt zu experimentellen und simulativen Untersuchungen eines Radial-Wellendichtrings unter Schmutzbeaufschlagung. Es konnte verdeutlicht werden, dass mit steigender Partikelmenge und Erhöhung der Beaufschlagungsintensität der Verschleiß an der Schutzlippe zum Teil deutlich ansteigt. Der Verschleiß an der Hauptdichtlippe scheint unabhängig vom Medium, der Menge und der Intensität konstant zu sein. Die Ergebnisse der Berührbreitenmessung bestätigen nochmal die Ergebnisse der Verschleißauswertung. Es konnte ebenfalls gezeigt werden, dass das entwickelte Simulationsmodell in der Lage ist, den sich einstellenden Verschleiß und die Berührbreite der beiden Dichtkanten ziemlich genau abzubilden. In Zukunft werden weitere Untersuchungen mit weiteren Prüfsubstanzen wie z. B. Quarzsand, Korund, Glaskugeln und Salzwasser (chemisch korrosive Wirkung) durchgeführt. Des Weiteren werden weitere Ergebnisse erwartet zur Partikelmigration, d.h. Untersuchungen des Fetts und des Öls um Aufschluss zu erhalten, in welchen Mengen die Dichtlippen Partikel „durchgelassen“ haben. Danksagung Die Autoren bedanken sich bei der DFG für die freundliche Unterstützung des SFB 926, Teilprojekt C01. Ein ebenso großer Dank geht an die FVA für die tatkräftige Unterstützung im Rahmen des Forschungsvorhabens 551-II „Prüfsystematik Schmutzbeaufschlagung“ (IGF- Vorhaben 18144 N). Literatur [DIN3760] DIN 3760: 1996-09, Radial-Wellendichtringe. [DIN3761-1] DIN 3761 Teil 1: 1984-01, Radial-Wellendichtringe für Kraftfahrzeuge - Begriffe, Maßbuchstaben, zulässige Abweichungen, Radialkraft. [Eng11] ENGELKE, T.: Einfluss der Elastomer-Schmierstoff-Kombination auf das Betriebsverhalten von Radialwellendichtringen. Dissertation, Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover, 2011. [FKJ12] FRÖLICH, D.; KAISER, C.; JENNEWEIN, B.; SAUER, B.: Kopplung von thermischer und mechanischer Simulation zur RWDR Verschleißberechnung. 53. Tribologie-Fachtagung (GfT) 2012, Göttingen. [FMS14a] FRÖLICH, D.; MAGYAR, B.; SAUER, B.: A comprehensive model of wear, friction and contact temperature in radial shaft seals. In: Wear, Volume 311, Issues 1-2, 2014, S. 71-80 [FMS14b] FRÖLICH, D.; MAGYAR, B.; SAUER, B.: Semi-Analytical Model for the Contact Temperature Calculation in Radial Shaft Seals. STLE Annual Meeting 2014, Lake Buena Vista, Florida [MFS13] MAGYAR, B.; FRÖLICH, D.; SAUER, B.: Temperaturberechnung im RWDR-Dichtkontakt. 54. Tribologie-Fachtagung (GfT) 2013, Göttingen. 29 Aus Wissenschaft und Forschung Hier könnte auch IHRE Firmen-Information zu finden sein! Wenn auch Sie die Leser von T + S über Ihre aktuellen Broschüren und Kataloge informieren möchten, empfehlen wir Ihnen, diese Werbemöglichkeit zu nutzen. Für weitere Informationen - wie Gestaltung, Platzierung, Kosten - wenden Sie sich bitte an Frau Sigrid Hackenberg, die Ihnen jederzeit gerne mit Rat und Tat zur Verfügung steht. Telefon (0 71 59) 92 65-13 Telefax (0 71 59) 92 65-20 E-Mail: anzeigen@expertverlag.de Internet: www.expertverlag.de Anzeige T+S_4_16 02.06.16 12: 26 Seite 29