Tribologie und Schmierungstechnik
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0724-3472
2941-0908
expert verlag Tübingen
1001
2016
635
JungkGezielte Anpassung lokaler Reibungszustände unter Einsatz wolframmodifizierter amorpher Kohlenstoffschichten
1001
2016
Tim Weikert
Stephan Tremmel
Sandro Wartzack
Bei der Herstellung funktionsintegrierter Blechbauteile mithilfe von Umformoperationen der Blechmassivumformung stellen lokal angepasste Reibungszustände eine Möglichkeit zur besseren Ausformung kompliziert geformter Bauteilgeometrien dar. Im Rahmen dieser Untersuchungen wird daher der Einsatz verschiedener Maskierungsverfahren bei der Herstellung typischer Werkzeugbeschichtungen betrachtet, um auf diese Weise tribologisch wirksame Oberflächenbereiche lokal voneinander abzugrenzen. Mithilfe starrer und flexibler Masken werden in definierten Oberflächenbereichen beschichteter Probekörper unterschiedliche funktionale Schichtlagen eines Mehrlagenschichtsystems offengelegt. Hierbei kommen funktionale Schichtlagen aus Chromnitrid (CrN) und verschiedenen Varianten wolframmodifizierter amorpher Kohlenstoffschichten (a-C:H:W) mit unterschiedlichen Reibungszahlen zum Einsatz. Dabei zeigen die durch die Maskierung entstehenden Schichtkantenbereiche Einflüsse der Maskierungsverfahren sowie der eingesetzten Masken. Für maskiert beschichtete Probekörper können in Stift-Scheibe-Versuchen unterschiedliche Reibungszustände identifiziert werden.
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Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 5/ 2016 5 Aus Wissenschaft und Forschung 1 Einleitung Die Forderung nach einer immer größeren Funktionsdichte technischer Systeme bringt konventionelle Umformprozesse zur Herstellung einzelner Systemkomponenten aus Blechwerkstoffen an ihre Grenzen. Vor diesem Hintergrund verknüpft die Blechmassivumformung die Vorzüge der Operationen der Blech- und der Massivumformung und ermöglicht dadurch die Herstellung funktionsintegrierter Blechbauteile in wenigen Prozessschritten [1]. Der hierbei auftretende dreidimensionale Materialfluss stellt zugleich eine große Herausforderung bei der tribologischen Auslegung der Umformwerkzeuge dar. Neben einer hohen Verschleißbeständigkeit, um auch bei den in der Blechmassivumformung üblichen Pressungen von bis zu 2 500 MPa eine hohe Standzeit der Werkzeuge zu gewährleisten, ist insbesondere ein lokal angepasstes Reibungsverhalten in der Wirkzone zwischen Werkzeug und Blechhalbzeug zur gezielten Steuerung des Werkstoffflusses von wesentlicher Bedeutung [2]. Einen möglichen Ansatz zur Erfüllung dieser Anforderungen stellt der Einsatz tribologischer Werkzeugbeschichtungen dar. Zur Reibungsreduzierung finden in * Tim Weikert, M.Sc. Dr.-Ing. Stephan Tremmel Professor Dr.-Ing. Sandro Wartzack FAU Erlangen-Nürnberg Lehrstuhl für Konstruktionstechnik, 91058 Erlangen Gezielte Anpassung lokaler Reibungszustände unter Einsatz wolframmodifizierter amorpher Kohlenstoffschichten T. Weikert, S. Tremmel, S. Wartzack* Eingereicht: 20. 4. 2016 Nach Begutachtung angenommen: 15. 5. 2016 Bei der Herstellung funktionsintegrierter Blechbauteile mithilfe von Umformoperationen der Blechmassivumformung stellen lokal angepasste Reibungszustände eine Möglichkeit zur besseren Ausformung kompliziert geformter Bauteilgeometrien dar. Im Rahmen dieser Untersuchungen wird daher der Einsatz verschiedener Maskierungsverfahren bei der Herstellung typischer Werkzeugbeschichtungen betrachtet, um auf diese Weise tribologisch wirksame Oberflächenbereiche lokal voneinander abzugrenzen. Mithilfe starrer und flexibler Masken werden in definierten Oberflächenbereichen beschichteter Probekörper unterschiedliche funktionale Schichtlagen eines Mehrlagenschichtsystems offengelegt. Hierbei kommen funktionale Schichtlagen aus Chromnitrid (CrN) und verschiedenen Varianten wolframmodifizierter amorpher Kohlenstoffschichten (a-C: H: W) mit unterschiedlichen Reibungszahlen zum Einsatz. Dabei zeigen die durch die Maskierung entstehenden Schichtkantenbereiche Einflüsse der Maskierungsverfahren sowie der eingesetzten Masken. Für maskiert beschichtete Probekörper können in Stift-Scheibe-Versuchen unterschiedliche Reibungszustände identifiziert werden. Schlüsselwörter Lokal angepasste Reibungszustände, amorphe Kohlenstoffschichten, a-C: H: W, Blechmassivumformung, Stift-Scheibe-Versuch, Maskierungsverfahren Locally adapted friction conditions are one possibility to improve forming of sheet metal parts with complex geometries by forming operations of sheet-bulk metal forming. In the present study, rigid and flexible masks are used to reveal functional layers of multilayered coatings and therefore obtain locally different friction conditions. Chrome nitride (CrN) and variants of tungsten-modified amorphous carbon coatings (a-C: H: W) with different coefficients of friction are chosen as functional layers. The investigation of the coating’s edge zones originating from the masking reveals influences of masking procedures and the masks itself. In pin-on-disk test, different friction conditions can be observed for masked coated specimens. Keywords Locally adapted friction, amorphous carbon coatings, a-C: H: W, sheet-bulk metal forming, pin-on-disc test, masking Kurzfassung Abstract T+S_5_16 29.07.16 11: 27 Seite 5 6 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 5/ 2016 vielen technischen Anwendungen amorphe Kohlenstoffschichten schon lange Zeit Verwendung. Die infolge ihrer hohen Härte auch als diamond-like carbon (DLC) [3] bezeichneten tribologischen Schichten werden in der Umformtechnik insbesondere durch metallische Dotierung einsetzbar [4,5]. Vor dem Hintergrund der in der Umformtechnik üblichen hohen Kontaktbeanspruchungen eignen sich insbesondere wolframmodifizierte amorphe Kohlenstoffschichten (a-C: H: W) aufgrund ihrer hohen Belastbarkeit und Wirtschaftlichkeit als Werkzeugbeschichtung [4,5]. Darüber hinaus ist es möglich, das Reibungsverhalten und die mechanischen Eigenschaften dieser Schichten durch die Wahl der Prozessparameter bei der Schichtabscheidung gezielt zu beeinflussen [6]. Zum Schutz stark beanspruchter Werkzeugoberflächen werden in der Umformtechnik verbreitet keramische Hartstoffschichten eingesetzt. Beschichtungen aus Titannitrid (TiN) und Chromnitrid (CrN), als bekannte Vertreter dieser Beschichtungsklasse, zeichnen sich vor allem durch einen hohen Verschleißwiderstand aus [7]. Das Reibungsverhalten dieser Schichten kann, ebenso wie deren mechanische und strukturelle Eigenschaften, durch zusätzliche metallische und carbidische Dotierungen [8] beeinflusst werden. Dadurch werden Hartstoffschichten auch für Anwendungen in der Umformtechnik attraktiv, wenngleich ihr Potential zur Reibungsreduzierung nicht an jenes amorpher Kohlenstoffschichten heranreicht [8]. Um die charakteristischen Vorzüge beider Schichttypen für eine gezielte Steuerung des Werkstoffflusses zu nutzen, besteht die Herausforderung darin, die Schichttypen auf der Wirkfläche des Werkzeugs synergetisch zu kombinieren. Zu diesem Zweck wird der Einsatz verschiedener Maskierungsverfahren untersucht. Ziel ist es, eine Oberfläche zu erzeugen, auf der in unterschiedlichen Bereichen verschiedene funktionale Schichtlagen eines Mehrlagenschichtsystems tribologisch wirksam werden. Als funktionale Schichtlagen werden Schichtlagen aus CrN und a-C: H: W (Schichtsystem Typ A), sowie verschiedene a-C: H: W-Schichtvarianten mit unterschiedlichen Reibungszahlen (Schichtsystem Typ B) gewählt. Untersuchungen der Haftungseigenschaften der resultierenden Schichtsysteme sowie eine Beurteilung der entstehenden Schichtkantenbereiche und des tribologischen Verhaltens geben Aufschluss über die Eignung der eingesetzten Maskierungsverfahren und Schichtsysteme zur gezielten Anpassung lokaler Reibungszustände. 2 Experimentelles 2.1 Probenherstellung und Beschichtungsprozess Als Substrate für die untersuchten Beschichtungs- und Maskierungsversuche dienten runde Flachproben (Ø 60 mm x 5 mm) aus Schnellarbeitsstahl 1.3343, die auf eine Härte von 62 HRC beschichtungsgerecht vergütet wurden. Die polierten Substratoberflächen (R a = 0,015 ± 0,001 µm) wurden vor der Beschichtung in Aceton und Isopropanol, unterstützt durch Ultraschall, gereinigt. Der Beschichtungsprozess erfolgte - bedingt durch die Applikation der Maskierungen - in zwei Teilprozessen, in denen jeweils die beiden funktionalen Schichtlagen des Mehrlagenschichtsystems abgeschieden wurden. Zur Verbesserung der Schichthaftung wurden zu Beginn des ersten Teilprozesses dünne Haftvermittlungs- und Zwischenschichten aus Chrom (Typ A) bzw. aus Chrom und Wolframcarbid (Typ B) durch Lichtbogenverdampfen und Magnetronsputtern abgeschieden. Darauf folgte die Abscheidung einer CrN-Funktionsschicht (Typ A) bzw. der a-C: H: W-Funktionsschichtvariante V01 (Typ B). Als weitere funktionale Schichtlage wurden im zweiten Teilprozess die a-C: H: W-Funktionsschichtvarianten V01 (Typ A) bzw. V02 (Typ B) abgeschieden. Bild 1 zeigt die resultierenden Schichtsysteme sowie die untersuchten Probengeometrien. Die a-C: H: W-Schichtvarianten V01 und V02 wurden mittels reaktiven Magnetronsputterns eines binderfreien WC-Targets in Argon-Ethin-Atmosphäre hergestellt. Die wesentlichen Prozessparameter zur Herstellung der Funktionsschichten können Tabelle 1 entnommen werden. Für die gewählten a-C: H: W-Funktionsschichtvarianten konnten auf Basis von [6] und [9] deutlich unterschiedliche mittlere Reibungszahlen gegen 100Cr6 angenommen werden. Aus Wissenschaft und Forschung Bild 1: Schematische Darstellung der untersuchten Schichtsysteme mit Zuordnung der Schichtlagen zu den Teilprozessen der Schichtherstellung sowie Darstellung der untersuchten Probengeometrie (beispielhaft für Typ B) T+S_5_16 29.07.16 11: 27 Seite 6 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 5/ 2016 Zur Maskierung der Probenoberflächen wurden sowohl vergleichsweise starre Masken aus dünnen Stahlblechen und Folien, als auch flexible Abdeckmittel aus Bornitrid und belichtetem Photoresist eingesetzt. Die Stahlblechmasken (Blechdicke 1 mm) wurden durch Scherschneiden hergestellt, wodurch eine ebene, scharfe Maskenkante erzeugt werden konnte. Die Fixierung der Stahlbleche erfolgte mittels einer Klemmverbindung auf der Probenoberfläche. Als Folien wurden temperaturbeständige Polyimid-Folien (Foliendicke 0,07 mm) mit einem auf Silikon basierenden Klebstoff verwendet, die sich nach der Beschichtung rückstandsfrei wieder entfernen ließen. Die zur Maskierung eingesetzte Suspension aus Bornitrid wurde mehrfach in Form dünner gleichmäßiger Schichten aufgebracht. Hierbei schützten Folien vorübergehend definierte Oberflächenbereiche vor unerwünschter Ablagerung der Suspension. Die sich bildende, geschlossene Schicht aus Bornitrid wurde nach dem Beschichtungsprozess mit Isopropanol wieder entfernt. Bei dem an die Halbleitertechnik angelehnten Maskierungsverfahren mittels eines belichteten Photoresists wurde der Negativresist DET 539.57 der Firma HiTech Photopolymere AG (HTP) verwendet. Die Applikation erfolgte im Tauchbad mit konstanter Tauchgeschwindigkeit, wodurch eine Schichtdicke von circa 10 µm erreicht wurde. Nach der Beschichtung wurde der Photoresist in einer temperierten hochalkalischen Lösung von der Probenoberfläche wieder gelöst. Applikation sowie Entfernung des Photoresists erfolgten durch die Firma HTP. Tabelle 2 fasst die untersuchten Kombinationen aus Maskierungsverfahren und Beschichtungen zusammen. Zur Vergleichbarkeit und Interpretation des tribologischen Verhaltens der maskiert beschichteten Proben wurden unmaskierte Referenzproben der Schichtsysteme Typ A bzw. Typ B hergestellt. 2.2 Charakterisierung Zur Evaluierung der Maskierungsverfahren wurde das tribologische Verhalten der beschichteten Proben im trockenen Kontakt sowie unter Schmierung mit dem Fließpressöl D IONOL ST V 1725-2 gegen 100Cr6 auf einem Stift-Scheibe-Tribometer bei konstanten klimatischen Bedingungen (relative Luftfeuchte 40 ± 5 % bei 23 ± 2 °C) untersucht. Als Gegenkörper dienten gehärtete Stahlkugeln aus 100Cr6 mit einem Durchmesser von 3,969 mm, mit denen bei einer Normalkraft von 10 N zu Versuchsbeginn eine Hertzsche Pressung von 1,9 GPa erreicht werden konnte. Es wurden insgesamt zwei Versuchsläufe je Probe auf unterschiedlichen Reibspurradien bei einer Gleitgeschwindigkeit von 0,03 m/ s durchgeführt. Das Verschleißverhalten innerhalb der unterschiedlich beschichteten Oberflächenbereiche wurde mithilfe lichtmikroskopischer Aufnahmen nach einem Gleitweg von 300 m untersucht. Darüber hinaus wurden die sich durch die Maskierung ergebenden Randbereiche mithilfe topographischer Aufnahmen mit einem Laserrastermikroskop beurteilt. Zur Bewertung der Haftfestigkeit wurden Rockwell-C-Eindrucktests nach DIN EN ISO 26443 durchgeführt und das um den Diamantkegeleindruck entstehende Schadensbild qualitativ lichtmikroskopisch beurteilt. 3 Ergebnisse und Diskussion 3.1 Schichthaftung In Bild 2 sind beispielhaft die aus den Rockwell-C-Eindrucktests resultierenden Schadensbilder der Proben P1 und P4 dargestellt und nach DIN EN ISO 26443 bewertet. Konzentrische Risse (Funktionsschicht CrN) und teilweise adhäsive Schichtablösung (Funktionsschicht V01) deuten auf eine bessere Haftung des Schichtsystem Typ A im Vergleich zu Typ B hin. Das Schichtsystem Typ B zeigt in den Bereichen der Funktionsschicht V01 7 Aus Wissenschaft und Forschung Tabelle 1: Prozessparameter zur Herstellung der Funktionsschichten Schichtbez. U Biasa / V Φ(Ar) b / sccm Φ(C 2 H 2 ) c / sccm Φ(N) d / sccm I Arc (Cr) e / A P Sputter (WC) f / W ν g / °C CrN 50 - - 150 75 - 160 V01 (a-C: H: W) 57 232 40 - - 1358 100 V02 (a-C: H: W) 130 180 7 - - 1200 100 a negative Substratvorspannung; b Argonfluss; c Ethinfluss; d Stickstofffluss; e Kathodenstrom des Cr-Targets; f Kathodenleistung des WC-Targets; g Temperatur Tabelle 2: Untersuchte Kombinationen aus Maskierungsverfahren und Schichtsystemen Proben- Schicht- Maskierungsbezeichnung system verfahren P1 Typ A Stahlblechmasken P2 Typ A Bornitrid Suspension P3 Typ B Photoresist P4 Typ B Folie P5 CrN (Typ A) - P6 V01 (Typ A) - P7 V01 (Typ B) - P8 V02 (Typ B) - T+S_5_16 29.07.16 11: 27 Seite 7 8 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 5/ 2016 vereinzelte und im Bereich V02 vollständige adhäsive Schichtablösungen. Im Vergleich der beiden Schichtsysteme erweist sich das Schichtsystem Typ A somit als toleranter gegenüber der Unterbrechung des Beschichtungsprozesses. 3.2 Schichtkantenbereiche In Abhängigkeit des eingesetzten Maskierungsverfahrens bilden sich unterschiedliche Schichtkantenbereiche aus. Als wesentliche Ursachen hierfür können sowohl Merkmale der Masken als auch Einflüsse des Maskierungsverfahrens identifiziert werden. Bild 3 zeigt mikroskopische Aufnahmen sowie die maßstäblichen Höhenprofile der Schichtkantenbereiche. Die Profile stellen einen arithmetischen Mittelwert von einhundert senkrecht zur Schichtkante verlaufenden Einzelprofilmessungen dar. Infolge ihrer vergleichsweise hohen Blechstärke schirmen die Blechmaskierungen während der Beschichtung schichtbildende Teilchen nahe der Maskenkante ab. Der hieraus resultierende breite Übergangsbereich ist sowohl in der lichtmikroskopischen Aufnahme als auch im Verlauf des Höhenprofils deutlich zu erkennen. Die Schichtkantenbereiche der mithilfe der Bornitrid Suspension maskierten Oberflächen zeigen ein ungleichmäßiges Erscheinungsbild. Als ursächlich hierfür wird die mit der Aushärtung der Suspension verbundene Versprödung der Maskenkante angenommen. Im Verlauf der Profillinie sind zudem leichte Abschattungseffekte durch die Maske in Form einer abgerundeten Schichtkante erkennbar. Mithilfe der Maskierungstechnik des Photoresists konnten klar abgegrenzte Schichtkanten hergestellt werden. Der entsprechende Übergangsbereich weist eine steil ansteigende Profillinie auf. Kantennahe Oberflächenbereiche wurden infolge der geringen Maskendicke nicht verdeckt. Der Einsatz maskierender Folien führt zur Ausbildung definierter und klar abgegrenzter Kantenbereiche. Abschattungseffekte, wie sie insbesondere im Falle der Blechmasken zu beobachten sind, treten infolge der geringen Foliendicken nicht auf. Randnahe Schichtbereiche der zweiten funktionalen Schichtlage verlieren jedoch bei der Entfernung der Folien ihre Haftung, lösen sich aber infolge ausreichender Kohäsion nicht vollständig und verbleiben selbst nach sanfter Reinigung mit Isopropanol und weichem Tuch auf der Oberfläche. Aus Wissenschaft und Forschung Bild 2: Ergebnisse der Rockwell-C-Eindrucktests der funktionalen Schichtbereiche, bewertet nach DIN EN ISO 26443 Bild 3: Mikroskopische Aufnahmen und maßstäbliche Höhenprofile der Schichtkantenbereiche mithilfe von a) Blechmasken, b) Bornitrid Suspension, c) Photoresist und d) Folien maskierter Oberflächen T+S_5_16 29.07.16 11: 27 Seite 8 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 5/ 2016 3.3 Reibung und Verschleiß Die aus den Stift-Scheibe-Untersuchungen resultierenden Reibungszahlverläufe der maskiert beschichteten Probekörper sind in Bild 4 und Bild 5 den Verläufen unmaskierter Referenzproben gegenübergestellt und über der Zyklenzahl aufgetragen. Infolge der horizontalen Unterteilung der Oberflächenbeschichtung übergleitet der Gegenkörper innerhalb eines Zyklus beide unterschiedlich beschichteten Oberflächenbereiche. Wie in Bild 4a,b zu sehen ist, stellt sich für die Referenzen P5 und P6 des Schichtsystems Typ A unter trockenen Bedingungen nach kurzer Einlaufphase ein stationäres Reibungsverhalten ein. Die Reibungszahlen der mit Blechmasken und Bornitrid Suspension maskierten Proben P1 bzw. P2 zeigen über die gesamte Prüfdauer ein alternierendes Verhalten zwischen zwei Verharrungsniveaus hoher (f = 0,7) und niedriger (f = 0,2) Reibungszahlen, die größtenteils gut mit den, von den Referenzen vorgegebenen Reibungsniveaus übereinstimmen. Während die niedrigen Reibungszahlen der Referenz P6 auf die Bildung eines geschlossenen graphitisierten Tribofilms [10] schließen lassen, verzögert die horizontale Unterteilung der Oberflächenbeschichtung der maskierten Proben P1 und P2 die Bildung eines Tribofilms und führt dazu, dass das durch die Referenzprobe vorgegebene untere Reibungsniveau nur näherungsweise erreicht wird. Unter Ölschmierung nähern sich die Reibungszahlverläufe der Referenzen sowie jene der maskierten Proben in einem Bereich von f = 0,07…0,13 einander an, was insbesondere auf eine bessere Trennung der Oberflächen durch den Schmierstoff im Vergleich zu den ungeschmierten Versuchsläufen zurückzuführen ist. Darüber hinaus können Wechselwirkungen der Beschichtungen mit Schmierstoffadditiven nicht ausgeschlossen werden [11]. Dies bedarf einer weitergehenden Untersuchung. Zudem fällt ein systematisch streuender Reibungszahlverlauf der Referenzprobe P5 auf. Für die maskierten Proben P1 und P2 können Reibungszahlverläufe zwischen den von den Referenzen vorgegebenen Reibungsniveaus beobachtet werden, wenngleich jedoch keine alternierenden, von Verhar- 9 Aus Wissenschaft und Forschung Bild 4: Reibungszahlverläufe der maskierten Proben P1 bzw. P2 sowie der Referenzproben P5 bzw. P6 unter trockenen Bedingungen (a, b) und unter Ölschmierung (c, d) Bild 5: Reibungszahlverläufe der maskierten Proben P3 bzw. P4 sowie der Referenzproben P7 bzw. P8 unter trockenen Bedingungen (a, b) und unter Ölschmierung (c, d) T+S_5_16 29.07.16 11: 27 Seite 9 10 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 5/ 2016 rungszuständen geprägten Verläufe zwischen jenen Niveaus. Die Reibungszahlen der Referenzen P7 und P8 des Schichtsystems Typ B zeigen unter trockenen Versuchsbedingungen in Bild 5a,b nach einer Einlaufphase ein ähnliches Reibungsniveau (f = 0,14…0,25). Im Fall von P8 wird der Verlauf von systematischen Schwankungen überlagert. Unterschiede in den Reibungszahlen der Referenzen sind in Übereinstimmung mit [6] und [9] auf Abhängigkeiten vom Ethinfluss bei der Schichtabscheidung zurückzuführen. Die Reibungszahlen der maskiert beschichteten Proben P3 und P4 verlaufen auf einem, den Referenzen ähnlichen Niveau, jedoch ähneln ihre Verläufe dem Verlauf der Referenz P8, wodurch die Identifikation unterschiedlicher Reibungszustände nicht möglich ist. Auch unter Schmierung mit Fließpressöl ist der Reibungszahlverlauf der Referenz P8 von Schwankungen geprägt, deren Intensität während der Laufzeit mehrfach variiert. Aufgrund nicht erkennbarer Schädigungen der Schicht wird als Ursache hierfür die zeitweise Bildung und Trennung von reibungsmindernden Tribofilmen infolge von Reaktionen der Beschichtungen mit Bestandteilen des Schmierstoffs angenommen. Entgegen den Untersuchungen in [6], in denen bei zunehmender Biasspannung bei der Herstellung von a-C: H: W-Schichten eine abnehmende Reibungszahl in geschmierten Stift-Scheibe-Untersuchungen festgestellt werden konnte, zeigt die unter höherer Biasspannung abgeschiedene Referenz P8 über große Teile der Prüfdauer höhere Reibungszahlen, als die Referenz P7. Die Reibungszahlen der maskiert beschichteten Proben P3 und P4 verlaufen in einem Bereich von 0…250 Zyklen zwischen den, von den Referenzen vorgegebenen Reibungsniveaus. Hierbei sind zeitweise stationäre Reibungszustände auf den Reibungsniveaus im Verlauf der Probe P4 zu beobachten. Mit zunehmender Zyklenzahl unterschreiten die Reibungszahlverläufe der Proben P3 und P4 den Verlauf der Referenz P7, während das obere Reibungsniveau nahezu konstant bleibt. Um die Bedeutung der Schichtkantenbereiche auf das Reibungsverhalten maskiert beschichteter Oberflächen zu veranschaulichen, sind in Bild 6 beispielhaft Reibspuren der Proben P1 und P3 im Bereich der Übergänge nach 2 000 Zyklen dargestellt. Trotz guter Haftungseigenschaften und eines sanft ansteigenden Schichtkantenbereichs werden die Übergangsbereiche der Probe P1 deutlich stärker geschädigt als jene der Probe P3. Insbesondere sind Schädigungen der Übergänge von einem höherliegenden zu einem niedrigerliegenden Schichtniveau zu beobachten. Dennoch lassen sich die charakteristischen Reibungsverhalten beider Beschichtungen über große Teile der Prüfdauer lokal voneinander abgrenzen. Während unter Ölschmierung zumindest eine zeitweise Trennung der Reibungszustände mithilfe der Funktionsschichten des Schichtsystems Typ B möglich ist, führen die unter trockenen Bedingungen vermutlich ähnlich stark ausgeprägten Tribomechanismen dazu, dass eine lokale Anpassung der Reibungszustände selbst bei scharfer Abgrenzung der Funktionsschichten nicht möglich ist. 4 Zusammenfassung und Ausblick Im Rahmen dieses Beitrags wurden Kombinationen aus in der Umformtechnik häufig eingesetzten Werkzeugbeschichtungen und während des Beschichtungsprozess angewandter Maskierungsverfahren hinsichtlich ihres tribologischen Verhaltens untersucht. Ziel war es, das tribologische Verhalten einer beschichteten Oberfläche mithilfe verschiedener funktionaler Schichtlagen eines Mehrlagenschichtsystems lokal zu beeinflussen. Als funktionale Schichtlagen wurden Schichtlagen aus CrN und einer Variante einer wolframmodifizierten amorphen Kohlenstoffschicht (a-C: H: W) (Typ A) bzw. Schichtlagen zweier unterschiedlicher a-C: H: W-Varianten (Typ B) gewählt. Die Maskierung der Oberflächen erfolgte mittels starrer (Stahlblechen, Folien) und flexibler (Bornitrid, belichteter Photoresist) Masken. Zur Evaluierung ausgewählter Kombinationen aus Schichtsystemen und Maskierungsverfahren wurden Untersuchungen der Haftfestigkeit und der sich ausbildenden Schichtkantenbereiche sowie des tribologischen Verhaltens in Stift- Scheibe-Versuchen durchgeführt. Hierbei zeigte das Schichtsystem Typ A im Vergleich zu Typ B bessere Haftungseigenschaften. Während sich unter Einsatz von Aus Wissenschaft und Forschung Bild 6: Verschleißerscheinungsbild der Proben P1 (a, b) und P3 (c, d) im Bereich des Schichtübergangs nach den Stift-Scheibe-Versuchen unter trockenen Bedingungen (a, c) bzw. unter Ölschmierung (b, d) T+S_5_16 29.07.16 11: 27 Seite 10 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 5/ 2016 Photoresist und Folien klar abgegrenzte Schichtkanten herstellen ließen, konnten bei den mithilfe von Stahlblechen und Bornitrid maskierten Oberflächen abschattende Effekte der Masken im Bereich der Schichtkante beobachtet werden. Eine Identifikation unterschiedlicher Reibungszustände anhand der Verläufe der Reibungszahlen war unter trockenen Kontaktbedingungen lediglich im Fall der mithilfe von Stahlblechen und Bornitrid maskierten Beschichtungen des Typs A möglich. In den unter Ölschmierung durchgeführten Stift-Scheibe-Versuchsläufen der mithilfe von Folien und Photoresist maskierten Beschichtungen des Schichtsystem Typ B ließen sich unterschiedliche Reibungszustände nur zeitweise voneinander abgrenzen. Um die charakteristischen Reibungszustände unterschiedlicher Beschichtungen zuverlässig voneinander abzugrenzen, bedarf es weiterer Untersuchungen. Eine Möglichkeit stellt der Einsatz von Oberflächenstrukturierungen dar, die je nach Gestalt vor allem im geschmierten flächigen Kontakt eine Minderung bzw. Erhöhung der Reibungszahl ermöglichen. Um bessere Haftungseigenschaften zu erzielen, bedarf es weiterer Entwicklungen des Schichtsystems, etwa die Gestaltung geeigneter Zwischen- und Haftvermittlungsschichten. Zudem erscheint der lokale Abtrag einzelner funktionaler Schichtlagen als alternatives Herstellungsprinzip als vielversprechend. Danksagung Die Autoren danken der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für die Förderung der vorgestellten Arbeit innerhalb des Teilprojekts B4 des Sonderforschungsbereichs/ Transregio 73 „Blechmassivumformung“ (SFB/ TR 73). Weiterhin wird Herrn G. Rabenstein für die Unterstützung bei der Herstellung der Beschichtungen sowie Frau U. Wolf bei den Probencharakterisierungen gedankt. Literatur [1] Merklein, M.; Allwood, J. M.; Behrens, B. 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