Tribologie und Schmierungstechnik
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0724-3472
2941-0908
expert verlag Tübingen
1001
2016
635
JungkTribologisches Verhalten von eisenbasierten Titankarbid verstärkten thermisch gespritzten Schichten
1001
2016
Kirsten Bobzin
Mehmet Öte
Thomas Frederik Linke
Katarzyna Malik
Tim Königstein
WC-Co-Cr und Hartchrom sind etablierte Schichtsysteme für Hydraulikanwendungen, die jedoch Defizite aufweisen, wie z.B. hohe Materialkosten und schlechte Nachbearbeitbarkeit. Aus diesem Grund werden verstärkt eisenbasierte Schichtsysteme als Ersatz diskutiert. Für das in der vorliegenden Ausarbeitung diskutierte Forschungsprojekt wurde dem eisenbasierten Spritzzusatzwerkstoff Titankarbid als Hartphase hinzulegiert, wodurch die Verschleißbeständigkeit der Beschichtung gesteigert werden soll. Die Schichtsysteme wurden mit dem Hochgeschwindigkeitsflammspritzen aufgetragen, einer Verfahrensvariante des Thermischen Spritzens. Anschließend wurden die Schichtsysteme sowohl im Schwing-Verschleiß Tribometer als auch in einem realtitätsnahen Hydraulikprüfstand untersucht. Als Referenz wurden die zwei Werkstoffsysteme WC-Co-Cr und Hartchrom der gleichen Versuchsmethodik unterzogen. Im Vergleich zu den Referenzschichten haben die eisenbasierten Schichtsysteme vergleichbare Ergebnisse geliefert, einzelne Fe/TiC-Beschichtungen waren sogar besser als WC-Co-Cr.
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Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 5/ 2016 Einleitung Die Entwicklung von Verschleißschutzschichten ist eine wichtige und zugleich hoch-komplexe Aufgabe. Die Anwendungsbereiche solcher Beschichtungen werden immer vielfältiger. Bedingt dadruch steigt auch die Variantenvielfalt an Belastungskollektiven, die auf Komponenten wirken. Neben der Variantenvielfalt werden zugleich immer höhere Anforderungen an Werkstoffe gestellt, um Applikationen effizienter und langlebiger zu gestalten. Diesem Trend kann die Oberflächentechnik nur mit gezielter Werkstoff- und Schichtentwicklung folgen, in dem der Fokus auf einen konkrekten Anwendungsfall bzw. ein bestimmtes Belastungskollektiv reduziert wird. Dabei muss zum Teil auf sehr kostspielige Legierungselemente zurückgegriffen werden, um den Anforderungen des Systems gerecht zu werden. Aus ökonmischen und ökologischen Gründen wird über den Ersatz dieser Werkstoffe diskutiert, um die Wettbewerbsfähigkeit weiter sicherzustellen. Ein Lösungsansatz sieht vor, bestehende Verschleißschutzschichten durch eisenbasierte Werkstoffe zu ersetzten, in die Hartphasen eingebettet sind. 19 Aus Wissenschaft und Forschung * Prof. Dr.-Ing. Kirsten Bobzin Mehmet Öte, M.Sc. Dipl.-Ing. Thomas Frederik Linke Dipl.-Chem. Katarzyna Malik Dipl.-Ing. Tim Königstein, M.Sc. Institut für Oberflächentechnik der RWTH Aachen University, 52072, Aachen Tribologisches Verhalten von eisenbasierten Titankarbid verstärkten thermisch gespritzten Schichten K. Bobzin, M. Öte, T. F. Linke, K. Malik, T. Königstein* Eingereicht: 1. 12. 2015 Nach Begutachtung angenommen: 15. 12. 2015 WC-Co-Cr und Hartchrom sind etablierte Schichtsysteme für Hydraulikanwendungen, die jedoch Defizite aufweisen, wie z. B. hohe Materialkosten und schlechte Nachbearbeitbarkeit. Aus diesem Grund werden verstärkt eisenbasierte Schichtsysteme als Ersatz diskutiert. Für das in der vorliegenden Ausarbeitung diskutierte Forschungsprojekt wurde dem eisenbasierten Spritzzusatzwerkstoff Titankarbid als Hartphase hinzulegiert, wodurch die Verschleißbeständigkeit der Beschichtung gesteigert werden soll. Die Schichtsysteme wurden mit dem Hochgeschwindigkeitsflammspritzen aufgetragen, einer Verfahrensvariante des Thermischen Spritzens. Anschließend wurden die Schichtsysteme sowohl im Schwing-Verschleiß Tribometer als auch in einem realtitätsnahen Hydraulikprüfstand untersucht. Als Referenz wurden die zwei Werkstoffsysteme WC-Co-Cr und Hartchrom der gleichen Versuchsmethodik unterzogen. Im Vergleich zu den Referenzschichten haben die eisenbasierten Schichtsysteme vergleichbare Ergebnisse geliefert, einzelne Fe/ TiC-Beschichtungen waren sogar besser als WC-Co-Cr. Schlüsselwörter Hydraulik, Thermisches Spritzen, Eisenbasierte Verschleißschutzschichten Although WC-Co-Cr and hard chorme are established coating systems for hydraulic applications, these coatings have specific disadvantages, especially with regard to material costs and machinability. To overcome these, alternative material concepts, such as iron based carbide reinforced coatings are discussed as possible replacements in order to improve the wear resistance of the coatings. This study focuses on a titanium carbide reinforced iron base matrix material. Therefore the coatings were manufactured by HVOF, a thermal spraying process, and tested in a reciprocating sliding test and in a realistic hydraulic test bench. As reference systems the established coating systems WC-Co-Cr and hard chrome were considered. In comparison to the references the Fe/ TiC coatings generated comparable results, a few Fe/ TiC coatings performed even better than WC-Co-Cr. Keywords tribology, coatings, thermal spraying, iron base material, hard phase reinforcements, hydraulic applications, water based fluids Kurzfassung Abstract T+S_5_16 29.07.16 11: 27 Seite 19 20 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 5/ 2016 Eisenbasierte Beschichtungswerkstoffe sind gegenwärtig Forschungsschwerpunkt für verschiedene Anwendungen mit dem Ziel, bereits bestehende Schichtsysteme, wie z. B. WC-Co-Cr oder Hartchrom, zu ersetzen. Ein industrielles Beispiel sind Hydraulikanwendungen, die je nach Einsatzort nur unter besonderen Auflagen betrieben werden dürfen. Ein Beispiel stellen Anwendungen im Untertagebau dar, wo wegen des Gefahrenpotentials nur mit schwer entflammbaren Arbeitsstoffen gearbeitet werden darf. Diese Arbeitsstoffe weisen einen sehr hohen Wassergehalt auf, der bis zu 80 % betragen kann. Untersuchungen von Jones et al. und Bobzin et al. haben bereits den Einsatz von Titankarbid verstärkten Schichtsystemen (Fe/ TiC) als Ersatz für etablierte Schichtsysteme diskutiert [1, 2]. Dabei zeigte sich ein nahezu identisches Verschleißverhalten zum Referenzwerkstoff Cr 3 C 2 / NiCr. Der Einsatz von Fe/ TiC-Beschichtungen für Hydraulikanwendungen an Orten mit erhöhten Sicherheitsanforderungen stellt auf Grund des vorherschenden Belastungskollektiv neue Anforderungen an das Werkstoffsystem. In dieser Arbeit wird der Fokus auf die Erfassung der tribologischen Eigenschaften von Fe/ TiC-Beschichtungen unter systemrelevanten Bedingungen gelegt. Versuchsdurchführung Ziel dieser Studie ist es, Fe/ TiC-Schichtsysteme herzustellen und diese in tribologischen Tests gegenüber den Referenzmaterialien WC-Co-Cr und Hartchrom zu vergleichen. Hierfür wurden sowohl die Fe/ TiC-Beschichtungen als auch die Referenzschichten auf C45 (1.0503) Substrat hergestellt. Der experimentelle Spritzzusatzwerkstoff für die Fe/ TiC-Beschichtungen wurde von Oerlikon Metco WOKA GmbH (Barchfeld) hergestellt und hinsichtlich Partikelgrößenverteilung und Partikelmorphologie untersucht. Anschließend wurden basierend auf diesen Ergebnissen die Parameter für den Spritzprozess ausgewählt. Als Beschichtungstechnologie wurde die Hochgeschwindigkeitsflammspritzen (HVOF) ausgewählt, eine Verfahrensvariante des Thermischen Spritzens (TS). Bei diesem Verfahren wird ein Gemisch aus flüssigem oder gasförmigen Brennstoff zusammen mit Sauerstoff verbrannt, um die in die Brennkammer zugeführten Pulverpartikel anzuschmelzen. Die angeschmolzenen Partikel werden durch den hohen Volumenstrom in Richtung des Substrats beschleunigt, wo diese auf eine zuvor präparierte Oberfläche treffen und eine Beschichtung bilden. Der mit flüssigem Brennstoff betriebene HVOF-Prozess wird grundsätzlich bei einem überstöchiometrischen Verbrennungsluftverhältnis (λ) betrieben, wohingegen beim gasförmigen Prozess auch unterstöchiometrische Verbrennungen realisiert werden können. Um den Einfluss der Ströchiometrie in die Versuche zu intergrieren, wurden mit beiden Verfahrensvarianten Beschichtungen hergestellt. Im Nachfolgenden werden die Referenzschichten WC-Co-Cr und Hartchrom sowie die drei zu untersuchenden Fe/ TiC-Beschichtung (S1 - S3) beschrieben. Für die Fe/ TiC-Schichten werden zusätzlich alle relevanten Prozessparameter in Tabelle 1 zusammengefasst. • WC-Co-Cr: Hergestellt am Institut für Oberflächentechnik der RWTH Aachen mit dem High-Velocity- Air-Fuel Spraying und dem Anlagentyp AcuKote von der Firma Kermetico (USA) • Hartchrom: Hergestellt von der Firma Pallas Oberflächentechnik GmbH & Co. KG (Würselen) mittels galvanischer Abscheidung • Beschichtung S1 und S2: Hergestellt am Institut für Oberflächentechnik der RWTH Aachen mit dem Anlagentyp K2 von GTV Verschleißschutz GmbH (Luckenbach) • Beschichtung S3: Hergestellt von Rybak + Hofmann rhv-Technik GmbH & Co. KG (Waiblingen) mit dem Anlagentyp DJ2700 von Oerlikon Metco Europe GmbH (Kelsterbach) Aus Wissenschaft und Forschung Tabelle 1: Prozessparameter für Fe/ TiC- Beschichtungen mit HVOF Schichtbezeichnung S1 S2 S3 O2-Flussmenge [l/ min] 870 220 Kraftstoffflussmenge [l/ h] 18 (Kerosin) 20 (Kerosin) 115 (Ethen) Sauerstoffverhältnis 1,4 1,26 0,86 Spritzabstand [mm] 300 260 Robotergeschwindigkeit [mm/ s] 1.000 1.000 Pulverförderrate [g/ min] 29 26 Alle Beschichtungen wurden vor den tribologischen Untersuchungen metallographisch analysiert und die Mikrohärte mit einer Prüflast von 0,3 kg (HV0,3) ermittelt. Des Weiteren wurden Untersuchungen mittels Elektronenstrahlmikroanalyse (ESMA) durchgeführt, um die Elementzusammensetzung und die Verteilung und Einbindung der Hartphasen in der Metallmatrix beurteilen zu können. Die tribologische Untersuchung erfolgte in einem Schwing-Verschleiß-Tribometer (SVT) vom Anlagentyp SVT-1000-P von der Firma Wazau GmbH (Berlin). Um möglichst realitätsnahe Umgebungsbedingungen zu simulieren, wurden die beiden wasserbasierten Hydraulikfluide HFA mit einem Wassergehalt von über 80 % und HFC mit einem Wassergehalt zwischen 35 % und 55 % als Schmierstoff eingesetzt. Als Material für den Gegenkörper wurde das glasfaserverstärkte Polyamid PA 6.6 ausgewählt. Dieses T+S_5_16 29.07.16 11: 27 Seite 20 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 5/ 2016 Material wird als Werkstoff für Dichtungen verwendet und bildet zusammen mit weiteren Dichtungen ein Dichtungspaket in realen Hydrauliksystemen. Der ausgewählte Dichtungstyp ist auf Grund der hohen Härte und der zusätzlichen Faserverstärkung in hohem Maße für den Verschleiß im tribologischen System verantwortlich. Die Prüfdauer für den Test wurde über die Strecke s = 1.000 m definiert. Weitere Größen, die für den Test definiert wurden, sind: der Hub h = 8 mm, die Schwingfrequenz f = 8 Hz, die Temperatur T = 60 °C und die Normalkraft, die vom Gegenkörper auf die beschichtete Probe ausgeübt wird F = 100 N. Zur Auswertung wurden mikroskopische Aufnahmen mit Hilfe des konfokalen Lasermikroskops VK-X 210 der Firma Keyence (Japan) angefertigt. Aus den Aufnahmen kann mittels Profillinienmessung ermittelt werden, wie tief die Verschleißspur auf der Oberfläche ist. Nach Abschluss dieser Modelluntersuchungen wurden vier Schichtsysteme, die die vielversprechendesten Resultate erzielt haben, auf Kolbenstangen aufgetragen, welche anschließend in einem Hydraulikprüfstand am Institut für fluidtechnische Antriebe und Steuerungen der RWTH Aachen geprüft wurden. Hierbei wurden zwei Prüfläufe durchgeführt, einer unter der Verwendung des Hydraulikfluids HFA und einer mit HFC. Die Geschwindigkeit, mit denen die Kolbenstangen verfahren wurden, betrug v = 0,075 m/ s und die Prüftemperatur T = 60 °C. Die Prüfdauer betrug 14 Tage, was einer Laufstrecke von ca. 90 km entspricht. Im Gegensatz zum Modelltest handelt es sich beim Hydraulikprüfstand um ein Dichtungskonzept, in dem mehrere reale Dichtungen verbaut sind, die unterschiedliche Funktionen haben. Nach den Untersuchungen wurden der Gewichtsverlust der Dichtungen, die Verschleißerscheinungen auf der Oberfläche der Kolbenstange sowie vermeintliche Reaktionsprodukte auf der Oberfläche ausgewertet, letzteres mittels Röntgenphotoelektronenspektroskopie (XPS). Pulvercharakterisierung Als Ausgangswerkstoff für die Beschichtungsversuche wurde ein agglomeriert gesintertes Spritzpulver verwendet, siehe Bild 1. Das massenbezogen Verhältnis zwischen den matrixbildenden Elementen und den Hartphasen betrug ca. 2: 1. Der geringe Anteil von Hartphasen ist für Verschleißschutzschichten ungewöhnlich, jedoch konnten für diesen Werkstoff in vorangegangen Untersuchungen sehr gute tribologische Eigenschaften ermittelt werden [1]. Schichtcharakterisierung Für die gespritzten Fe/ TiC-Beschichtungen und für die Referenzschichten wurden zunächst die Härtewerte nach Vickers ermittelt, siehe Bild 2. Aus dem Diagramm ist abzulesen, dass die Referenzschichten höhere Härtewerte besitzten als die Fe/ TiC-Beschichtungen. Dennoch sind die Resultate der Fe/ TiC-Beschichtungen mit Werten zwischen 700 und 750 HV0,3, gemessen am niedrigen Anteil der Hartphasen, als hoch einzustufen. Für die Charakterisierung der Beschichtungen wurden zusätzlich Querschliffe angefertigt, um die Morphologie zu beschreiben. Die Porosität wurde mit Hilfe der Bildanalyse ermittelt. Dabei konnte für die Beschichtung, die mit dem Flüssigbrennstoff betriebenen Verfahren aufgebracht wurden, eine Porositäten unter 2 % gemes- 21 Aus Wissenschaft und Forschung 10 µm 20 µm Bild 1: REM Aufnahmen; Links: Draufsicht agglomeriert gesinterte Pulverpartikel; Rechts: Querschliff der Pulverpartikel Bild 2: Vergleich der Härtewerte zwischen Fe/ TiC- Beschichtungen und den Referenzen 0 250 500 750 1.000 1.250 1.500 Mikrohärte [HV 0,3] S1 λ=1,26 S2 λ=1,4 S3 λ=0,86 WC-Co-Cr Hartchrom Substrat C45 T+S_5_16 29.07.16 11: 27 Seite 21 22 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 5/ 2016 sen werden, was einer dichten Beschichtung entspricht. Des Weiteren wurden ESMA-Analysen an den Fe/ TiC- Beschichtungen durchgeführt. Bei diesem Verfahren wird über Intensitätsmessungen die Häufigkeit von Elementen aus einem zuvor definierten Probenausschnitt ermittelt. Durch die Überlagerung von verschiedenen Messungen ist es somit möglich, Rückschluss auf Verbindungen zu schließen. So lassen sich Titanoxid, Titankarbid, Chromkarbid und die Metallmatrix anschaulich nachweisen, siehe Bild 3. In Bild 4 ist der schematische Aufbau des SVT, die Geometrie des Gegenkörpers und das Arbeitsprinzip des Tribometers dargestellt. Der Gegenkörper, ein tropfenförmiger Pin, wird dabei in den oberen Holm eingespannt. Vom oberen Holm wird, wie im Arbeitsprinzip dargestellt, die Kraft auf den Grundkörper ausgeübt und die Relativbewegung ausgeführt. Aus Bild 5 können die Ergebnisse bezüglich der SVT- Untersuchungen mit dem Schmierstoff HFA in Form von Oberflächenaufnahmen und Profillinienmessungen entnommen werden. Unter diesen Bedingungen zeigt die WC-Co-Cr-Beschichtung, nach dem Substrat, den größten Verschleiß. Alle Fe/ TiC-Beschichtungen und die Hartchrom Schicht haben nahezu horizontal verlaufende Profillinien, was auf eine hohe Verschleißbeständigkeit schließen lässt. Im direkten Vergleich der Fe/ TiC- Beschichtungen untereinander lassen sich minimale Unterschiede erkennen. Die mit dem gasförmigen Brennstoff hergestellte Beschichtung S3 zeigt tendenziell niedrigere Ausschläge in der Messung der Profillinie, was auf eine noch bessere Verschleißbeständigkeit zurückzuführen ist. Im Vergleich der beiden Schmierstoffe fallen vor allem das unbeschichtete Substrat und die WC-Co-Cr- Beschichtung mit unterschiedlichen Ergebnissen auf, vergleiche Bild 5 und Bild 6. Die Verschleißspur des Substrats ist für das HFA Hydraulikfluid tiefer, was durch den höheren Wassergehalt des Schmierstoffs begründet werden kann. Die ausgeprägtere Verschleißspur Aus Wissenschaft und Forschung Bild 3: ESMA-Untersuchungen von Fe/ TiC-Beschichtung S3, λ = 0,86 Bild 4: Links: SVT (schematisch); Mitte: Geometrie des Gegenkörpers; Rechts: Arbeitsprinzip des Tribometers T+S_5_16 29.07.16 11: 27 Seite 22 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 5/ 2016 bei der WC-Co-Cr-Referenzschicht lässt sich ebenfalls auf diese Weise begründen. Hinzu kommt, dass dieses Schichtsystem in Verbindung mit HFA bei den Korrosionsuntersuchungen besonders schlechte Ergebnisse erzielt hat. Es ist nicht auszuschließen, dass sich die tribologischen und korrosiven Effekte überlagern, was wiederum zu einem erhöhten Materialabtrag führen kann. Alle Fe/ TiC-Beschichtungen und die Hartchromschicht zeigen keine Veränderung im Verschleißverhalten in Abhängigkeit vom Schmierstoff. Im Anschluss an den Modelltest wurden ausgewählte Schichtsysteme im Hydraulikprüfstand am Institut für fluidtechnische Antriebe und Steuerungen der RWTH Aachen geprüft. Hierfür wurden die Fe/ TiC-Beschichtungen S2 und S3 und Hartchrom als Referenz ausgewählt. Wie die Auswertung der Untersuchungen aus den Modelltests gezeigt hat, haben die Beschichtungen, die mit dem gasbetriebenen HVOF-Prozess hergestellt wurden, tendenziell bessere Ergebnisse geliefert. Aus diesem Grund wurde neben der Beschichtung S3 mit λ = 0,86 ein zusätzliches Fe/ TiC- Beschichtung mit λ = 1,0 (S4) von der Firma Pallas Oberflächentechnik GmbH & Co. KG hergestellt und im Hydraulikprüfstand untersucht. Alle Werkstoffsysteme wurden auf Kolbenstangen mit den Maßen 600 mm Länge und 40 mm Durchmesser aufgebracht. In Bild 7 ist der Aufbau des Prüfstands schematisch dargestellt. Es können vier Kolbenstangen parallel untersucht werden. Alle Kolbenstangen werden zentral von einem Arbeitszylinder angetrieben. Die Dichtungen, die für den Verschleiß verantwortlich sind, werden in einer entsprechenden Aufnahme verbaut und verhindern, dass das in der Prüfkammer befindliche Hydrauliköl in die Umwelt gelangt. Die Kolbenstangen wurden nach 14-tägiger Laufzeit entnommen und hinsichtlich möglicher Schäden an der Oberfläche untersucht. Dabei konnten keine Schäden ausgemacht werden. Alle Schichtsysteme, insbesondere die neuartigen Fe/ TiC-Schichtsysteme, zeigen jedoch eine gewisse Verfärbung an der Oberfläche, die auf chemische Reaktionen an der Oberfläche zurückzuführen sind, siehe Bild 8. Nach dem Prüflauf wurde die Reaktionsschicht, die sich auf allen Kolbenstangen gebildet hat, exemplarisch an der Kolbenstange S2 in Verbindung mit HFC mittels 23 Aus Wissenschaft und Forschung Bild 5: Ergebnisse der SVT-Untersuchungen; Schmierstoff: HFA; Gegenkörper: glasfaserverstärktes PA 6.6 Bild 6: Ergebnisse der SVT-Untersuchungen; Schmierstoff: HFC; Gegenkörper: glasfaserverstärktes PA6.6 Bild 7: Schematischer Aufbau des Hydraulikprüfstands (Quelle: Institut für fluidtechnische Antriebe und Steuerungen der RWTH Aachen) T+S_5_16 29.07.16 11: 27 Seite 23 24 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 5/ 2016 XPS untersucht. Hier wurde die stärkste Verfärbung festgestellt. Das Ergebnis der Messung ist in Bild 9 dargestellt. Neben den Schichtelementen wurden Elemente nachgewiesen, wie z. B. Zink und Calcium, die höchstwahrscheinlich aus den Additiven des Schmierstoffs stammen und eine Schutzschicht gebildet haben. Daraus lässt sich ableiten, dass die Auswahl des Schmierstoffs zur Fe/ TiC-Beschichtung gut zueinander abgestimmt war. Während der Untersuchungen im Hydraulikprüfstand konnte außerdem die Bildung schwarzer Ablagerungen auf den Kolbenstangen beobachtet werden, die unter der Verwendung von HFA-Hydrauliköl bereits nach einigen Tagen und bei HFC-Hydrauliköl nach ca. einer Woche auftraten. Durch die Bestimmung des Gewichtsverlusts der Dichtungen, gemessen vor und nach der Versuchsdurchführung, konnten die Ablagerungen dem Dichtungsmaterial zugeordnet werden. Der höhere Wassergehalt von HFA sorgt vermutlich für einen höheren Verschleiß der Dichtungen, als bei HFC. Im Vergleich zur Hartchromschicht konnte für die Fe/ TiC-Beschichtungen S2 und S4, bei vergleichbaren Rauheitswerten, unter Verwendung des Hydraulikfluids HFC teilweise eine Verringerung des Verschleißes am Dichtungsmaterialen beobachtet werden. Zusammenfassung und Ausblick In umfangreichen Untersuchungen wurden Fe/ TiC- Beschichtungen in tribologischen Prüfverfahren gegenüber etablierten Schichtsystemen vergleichend getestet. Dabei wurde festgestellt, dass alle Fe/ TiC-Beschichtungen den Modelltest mit nahezu verschleißfreien Ergebnissen abgeschlossen haben und somit identische, teilweise sogar bessere Resultate erzielt haben als die Referenzschichten. Im Hydraulikprüfstand konnte ebenfalls kein Schichtversagen festgestellt werden. Jedoch konnte bei allen Proben ein starker Verschleiß der Dichtungsmaterialien beobachtete werden, der bei den Fe/ TiC-Beschichtungen zum Teil niedriger ausgefallen ist als bei der Hartchromschicht. Des Weiteren konnten chemische Veränderungen der Oberfläche beobachtet werden, die mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Additivierung des Schmierstoffs zusammenhängen und eine Schutzschicht bilden. Die tribologischen Untersuchungen bestätigen das hohe Potential von eisenbasierten Verschleißschutzschichten als Ersatzwerkstoff zu etablierten Schichtsystemen. Danksagung Das IGF-Vorhaben 17701 N/ 1 der Forschungsvereinigung Schweißen und verwandte Verfahren e.V. des DVS, Aachener Straße 172, 40223 Düsseldorf wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Die Autoren bedanken sich an dieser Stelle für die Förderung, die das Forschungsvorhaben ermöglicht hat. Des Weiteren Bedanken sich die Autoren beim Institut für fluidtechnische Antriebe und Steuerungen der RWTH Aachen für die Durchführung der Untersuchungen im Hydraulikprüfstand. Literatur [1] Jones, M., Horlock, A. J., Shipway, P. H., McCartney. D. G., Wood, J. V.: Micro-Structure and Abrasive Wear Behaviour of FeCr-TiC Coatings Deposited by HVOF Spraying of SHS Powders, Wear 249 (2001, pp. 246-253 [2] Bobzin, K., Ernst, F., Richardt, K., Warda, T., Reisel, G.: HVOF-Sprayed TiC-Strengthened Fe-Coatings as Alternative to Conventional Carbide Materials, ITSC 2008, Maastricht Aus Wissenschaft und Forschung Hartchrom S4 gasbetrieben λ = 1 S2 flüssig betrieben λ = 1,26 S3 gasbetrieben λ = 0,86 Bild 8: Kolbenstangen nach Prüflauf: Hydraulikfluid HFC, Temperatur: 60 °C Bild 9: XPS-Messung an Kolbenstange (λ = 1,26) nach dem Hydrauliktest mit HFC T+S_5_16 29.07.16 11: 27 Seite 24
