eJournals Tribologie und Schmierungstechnik 63/6

Tribologie und Schmierungstechnik
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expert verlag Tübingen
1201
2016
636 Jungk

Tribologische Untersuchung und Bewertung von faserverstärkten Polymeren für die Leichtbauhydraulik

1201
2016
Tim Abraham
Martin Weber
Günter Bräuer
Ricarda Leisner
Marcus Blust
Benoit Lorenz
Albert Albers
Durch die Substitution von metallischen Komponenten durch faserverstärkte Polymere kann das Gewicht hydraulischer Systeme erheblich reduziert werden. Dadurch ergeben sich jedoch neue tribologische Systeme mit unbekanntem tribologischem Verhalten. Um das tribologische Eignungspotential von faserverstärkten Polymeren für den Einsatz im Zylinder-Steuerplatten-Kontakt einer Schrägscheiben-Axialkolbenpumpe bewerten zu können, werden Versuche mit einem Kugel-Scheibe-Tribometer und einem anwendungsnäheren Systemtribometer durchgeführt. Die Versuchsergebnisse belegen das Eignungspotential der faserverstärkten Polymere als Materialsubstitut im Zylinder-Steuerplatten-Kontakt und zeigen weiterführende Untersuchungsfelder zur Endqualifikation auf.
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12 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 6/ 2016 1 Einleitung Eine große Herausforderung bei der Entwicklung antriebstechnischer Systeme steckt aktuell in der Reduzierung des Energieverbrauchs und in der Verbesserung der CO 2 -Bilanz des Gesamtsystems. Die Integration von hydraulischen Komponenten zur Energierückgewinnung im Antriebsstrang ist eine geeignete Möglichkeit technische Systeme dahingehend zu optimieren. Hier zeigt sich jedoch ein Zielkonflikt, weil das Gewicht hydraulischer Komponenten aktuell noch recht hoch ist. Zur effizienten Realisierung einer hydraulischen Energierückgewinnung im Antriebsstrang ist es somit unabdingbar, das Gewicht hydraulischer Komponenten zu verringern. Ein hierzu geeigneter Ansatz ist die Substitution von metallischen Komponenten durch Komponenten aus faserverstärkten Polymeren. Der Hauptfunktionsträger einer hydraulischen Energierückgewinnung im Antriebsstrang ist eine Schrägscheiben-Axialkolbenpumpe, vgl. Bild 1. Bei der Substitution von metallischen Komponenten durch Komponenten aus faserverstärkten Polymeren ergeben sich im Reibkontakt zwischen dem Zylinder (Bild 1, Nummer 1) und der Steuerplatte (Bild 1, Nummer 2) neue tribologische Kontaktpaarungen mit unbekanntem Reibungs- und Verschleißverhalten. Zur Untersuchung des tribologischen Verhaltens von potentiellen Leichtbauwerkstoffen für die Steuerplatte- Aus Wissenschaft und Forschung * Dipl. Wirt.-Ing Tim Abraham Fraunhofer Institute for Surface Engineering and Thin Films (IST), 38108 Braunschweig Dipl.-Ing. Martin Weber Prof. Dr. rer. nat. Günter Bräuer Ricarda Leisner M.Sc. Markus Blust Dr.-Ing. Benoit Lorentz Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Albert Albers Tribologische Untersuchung und Bewertung von faserverstärkten Polymeren für die Leichtbauhydraulik T. Abraham, M. Weber, G. Bräuer, R. Leisner, M. Blust, B. Lorentz, A. Albers* Eingereicht: 9. 9. 2015 Nach Begutachtung angenommen: 15. 11. 2015 Durch die Substitution von metallischen Komponenten durch faserverstärkte Polymere kann das Gewicht hydraulischer Systeme erheblich reduziert werden. Dadurch ergeben sich jedoch neue tribologische Systeme mit unbekanntem tribologischem Verhalten. Um das tribologische Eignungspotential von faserverstärkten Polymeren für den Einsatz im Zylinder- Steuerplatten-Kontakt einer Schrägscheiben-Axialkolbenpumpe bewerten zu können, werden Versuche mit einem Kugel-Scheibe-Tribometer und einem anwendungsnäheren Systemtribometer durchgeführt. Die Versuchsergebnisse belegen das Eignungspotential der faserverstärkten Polymere als Materialsubstitut im Zylinder-Steuerplatten-Kontakt und zeigen weiterführende Untersuchungsfelder zur Endqualifikation auf. Schlüsselwörter Faserverstärkte Polymere, Hydraulik, Reibung, Tribometrie, Verschleiß, Schmierung By replacing some metallic components of existing hydraulic systems with fiber-reinforced polymers the weight of the hydraulic systems can be drastically reduced. However new tribological systems with unknown wear and friction behavior arise from the substitution. For the analysis of the tribological suitability potential of fiber-reinforced polymers for the use in the contact between cylinder and control plate of an axial piston variable pump, experiments are conducted with a ball-on-disc tribometer and a more detailed application tribometer. The results prove the suitability potential of the fiber-reinforced polymers as a material substitute in the contact between cylinder and control plate and show further investigations for a final qualification. Keywords Fiber-reinforced polymers, hydraulic, friction, tribology, wear, lubrication Kurzfassung Abstract T+S_6_16 17.10.16 17: 01 Seite 12 Zylinder-Paarung wurde am Fraunhofer IST faserverstärktes Polyetheretherketon (PEEK), Polyphtalamid (PPA) und Polyphenylensulfid (PPS) gegen Wälzlagerstahl auf einem Kugel-Scheibe-Tribometer getestet und bewertet. Für eine anwendungsnahe Qualifikation der faserverstärkten Polymere wurden anschließend Versuche am Prüfstand RPR (ReibungsPrüfstand Rotatorisch) [2, 3, 4] des IPEK - Institut für Produktentwicklung durchgeführt. Dieser Prüfstand ermöglicht eine Nachbildung und Untersuchung des tribologischen Kontaktes zwischen einem nachgebildeten Zylinder und einer realen Steuerplatte des Pumpensystems. Neben der Beschreibung der Testmethoden des Fraunhofer IST und des IPEK - Institut für Produktentwicklung und einer Zusammenfassung der jeweiligen wesentlichen Ergebnisse erfolgt in den nachfolgenden Abschnitten auch eine Diskussion der Übertragbarkeit der Ergebnisse der beiden Testmethoden. 2 Stand der Technik Zahlreiche Untersuchungen belegen einen hochgradig komplexen tribochemischen Prozess im Reibkontakt mit Polymeren [5]. Gemäß Bahadur [6] bilden Polymere eine Transferschicht auf der Oberfläche des Gegenkörpers aus, welche eine selbstschmierende Wirkung entfalten können. Die Schichtausbildung und die damit verbundene Reibungsminderung werden von vielen Faktoren beeinflusst. Insbesondere die Oberflächenrauheit des Gegenkörpers ist bei der Transferschichtausbildung von sowohl faserverstärkten als auch unverstärkten Polymeren maßgeblich [7, 8]. Weiterhin nimmt die Schichtausbildung mit zunehmender Flächenpressung [9] und Relativgeschwindigkeit [10] ab und somit der Verschleiß des Polymers zu. Die Komplexität des Reibungs- und Verschleißprozesses nimmt bei Eintritt einer Faserverstärkung in den Tribokontakt zu und verhält sich je nach Polymerwerkstoff Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 6/ 2016 unterschiedlich. Als Einflussfaktoren sind der Faserwerkstoff, die Faserlänge sowie die Faserausrichtung bzw. Faserverteilung [11] zu nennen. Beispielsweise verbessert gemäß Voss [12] eine Kurzfaserverstärkung den Verschleißwiderstand von PEEK, wobei Kohlenstofffasern eine höhere Verschleißminderung bewirken als Glasfasern. Nachteilig sind jedoch der abrasive Verschleiß des Gegenkörpers sowie die ausgebildete Polymer-Transferschicht durch die Faserverstärkung [11]. Die prinzipielle Eignung von Keramiken und Polymeren für die Anwendung in hydraulischen Systemen wird von Donders et. al. [13] diskutiert. Darüber hinaus existieren zahlreiche Arbeiten, die das Potential von keramischen Komponenten [14] und PVD-beschichteten Stahlkomponenten [15, 16] für die Fluidtechnik aufzeigen. Forschungsbedarf zeigt sich somit insbesondere in der Untersuchung des tribologischen Verhaltens von Bauteilen aus Polymer- und Faserverbundwerkstoffen für den Einsatz in hydraulischen Systemen. 3 Versuchsaufbau 3.1 Versuchsmaterialien Zur Reduktion des Schrägscheiben-Axialkolbenpumpengewichts erfolgt eine Substitution des derzeitig metallischen Steuerplattenmaterials durch unterschiedliche faserverstärkte Polymere. Hierdurch ergeben sich neue Werkstoffpaarungen mit unbekannten tribologischen Eigenschaften. Für deren Bewertung sollen die neuen Werkstoffpaarungen geprüft und mit dem tribologischen Verhalten der momentan vorhandenen Werkstoffpaarung (Referenzpaarung) verglichen werden. Aktuell wird die Steuerplatte der Schrägscheiben-Axialkolbenpumpe aus einer Kupferlegierung (REF) und der Zylinder aus dem Kugelgraphitguss EN-GJS-400-15 gefertigt. Die faserverstärkten Polymere müssen den Festigkeits- und Temperaturanforderungen genügen sowie eine Medienbeständigkeit gegen Mineralöle und ein gegenüber dem Referenzwerkstoff mindestens gleichwertiges Verschleiß- und Reibungsverhalten vorweisen. Zur Gewährleistung eines effizienten Produktionsprozesses bei der späteren Bauteilfertigung sollen die faserverstärkten Polymere zudem mittels des Spritzgießverfahrens verarbeitbar sein. Die auf Grundlage dieses Anforderungsprofils erfolgte Materialauswahl ist in Tabelle 1 ersichtlich. 13 Aus Wissenschaft und Forschung Bild 1: Schrägscheiben-Axialkolbenpumpe, Bosch Rexroth Typ A10VNO [1] Tabelle 1: Eigenschaften der Versuchswerkstoffe Werkstoff W1 W2 W3 Matrixwerkstoff PEEK PPS PPA Faserart und %-Gehalt 30% CF 40% GF 50% GF Zugfestigkeit (23 °C) 260 MPa 195 MPa 250 MPa E-Modul 25 GPa 14,7 GPa 18 GPa T+S_6_16 17.10.16 17: 01 Seite 13 14 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 6/ 2016 3.2 Kugel-Scheibe-Tribometerversuche Zur Bewertung der Werkstoffpaarungen dienen Kugel- Scheibe-Tribometerversuche mit rotatorischer Relativbewegung. In Hinblick auf die spätere Applikation der gewichtsoptimierten Schrägscheiben-Axialkolbenmaschine zur Energierückgewinnung in Antriebssystemen sind primär kurze Beschleunigungsphasen zu erwarten. Der Tribokontakt zwischen Steuerplatte und Zylinder durchläuft dabei vermehrt den Grenzreibungszustand, welcher mit einem erhöhten Verschleiß verbunden ist. Dieser Reibungszustand liegt bei einer geringen Rotationsgeschwindigkeit des Zylinders bei gleichzeitig hohem Zylinderraumdruck vor. Der Kugel-Scheibe-Tribometerversuch soll insbesondere das Reibungs- und Verschleißverhalten der Werkstoffpaarungen innerhalb dieses kritischen Belastungsbereichs untersuchen. Eine Anhebung der Prüflast dient zusätzlich einer Zeitraffung der Verschleißvorgänge im Tribometerversuch. Die resultierende Hertz’sche Pressung unter Verwendung einer Kugel als Gegenkörper ermöglicht die Aufbringung der erforderlichen hohen Kontaktnormalspannungen. Die nach Abbild einer Schrägscheiben-Axialkolbenpumpe abgeleiteten Prüfparameter sind in Tabelle 2 zusammengefasst. Für die spätere Auswertung erfolgt eine Mittelwertbildung von drei Tribometerversuchen pro Werkstoffpaarung. 3.3 Versuche Prüfstand RPR Der Prüfstand RPR des IPEK wurde für die realitätsnahe Untersuchung des tribologischen Kontaktes zwischen Steuerplatte und Zylinder einer Axialkolbenpumpe entwickelt und aufgebaut. Eine detaillierte Beschreibung des Prüfstandes erfolgte bereits in [2], [3] und [4]. Aus diesem Grund soll im Zuge der folgenden Erläuterungen lediglich ein grober Überblick über die Funktion des Prüfstandes gegeben werden. Die konstruktive Umsetzung des Prüfstandes RPR ist aus Bild 2 ersichtlich. Die Hauptkomponenten des Prüfstandes sind die Prüfkammer (1) die auf einem Prüftisch (6) angeordnet ist. Die Prüfkammer bietet insgesamt acht Aufnahmen (2 und 3) für die Prüfkörper. Zwei der acht Aufnahmen sind aktuell mit einer Einrichtung zur Messung des Reibmomentes versehen (3). Weitere können nachgerüstet werden. Die Prüfkammer wird durch einen Drehstrommotor (5) über einen Riementrieb (4) angetrieben. In jeder der insgesamt acht Prüfkörperaufnahmen können Prüfkörper in Form von rotationssymmetrischen Scheiben eingelegt werden (Bild 2). Die untere Scheibe 2 rotiert mit der Drehzahl n S während die obere Scheibe 1 feststeht und durch einen Hydraulikzylinder mit definierter Anpresskraft F N auf die untere Scheibe gedrückt wird. Die Prüfkörper befinden sich in einem temperierten Ölbad mit Temperatur T Fluid . Da bis zu acht Prüfkörperpaarungen gleichzeitig getestet werden können, ist eine effiziente statistische Absicherung der Versuchsergebnisse möglich. Mögliche Prüfkörperdurchmesser, Anpresskräfte, Drehzahlen und Temperaturen des Schmiermediums sind an reale Pumpensysteme angelehnt. Wesentliche Unterschiede zwischen dem tribologischen Kontakt im Prüfstand RPR und dem tribologischen Kontakt im realen Schrägscheiben-Axialkolbenpumpensystem bestehen lediglich in der konstanten Anpresskraft F N und in der Art der Schmierung, siehe hierzu [2, 3, 4]. Entsprechend der Prinzipskizze in Bild 2 zeigt Bild 3 die Kontaktgeometrie der feststehenden und Bild 4 die Kontaktgeometrie der rotierenden Prüfkörper, welche bei den Versuchen am Prüfstand RPR zum Einsatz kamen. Die Werkstoffe, geometrischen Abmessungen und Oberflächenbeschaffenheiten der Prüfkörper wurden in Anlehnung an die Referenzbauteile in marktüblichen Pumpensystemen gewählt. Aus fertigungstechnischen Gründen weisen die feststehenden Prüfkörper jedoch gegenüber dem Realbauteil keine Nuten auf. Nach dem Paaren der beiden Prüfkörper entsteht somit ein kreisringförmiger tribologischer Kontakt mit Außendurchmesser von 69,4 mm und Innendurchmesser von 48,6 mm, wie er in Bild 4 angedeutet ist. Die feststehenden Prüfkörper wurden aus EN-GJS-400- 15 gefertigt, vgl. Kapitel 3.1, und deren Kontaktfläche Aus Wissenschaft und Forschung Tabelle 2: Prüfparameter des Kugel-Scheibe- Tribometerversuchs Anpresskraft F N 60 N Relative Geschwindigkeit v 0,2 m/ s Prüfdauer t 60 min Temperatur des Schmiermediums T Fluid 23 ± 1 °C Schmiermedium HLP32 Die verwendeten Prüfkugeln (Ø 9,5mm) sind aus dem Wälzlagerstahl 100Cr6 gefertigt. Die Prüfscheiben aus den faserverstärkten Polymeren sind im Spritzgießverfahren hergestellt. Analog zur aktuellen Steuerplattenfertigung sind die engen Bauteiltoleranzen durch Läppen oder Schleifen einzustellen, wodurch die Faserverstärkung freigelegt wird. Die Prüfscheiben liegen demnach plangeschliffen (1000 Körnung) und mit Ethanol gereinigt vor. Anschließend weisen deren Oberflächen einen arithmetischen Mittenrauheitswert R a in Höhe von 0,15 - 1,4 µm auf. Zur Quantifizierung des Scheibenverschleißes nach den Tribometerversuchen wurden die Verschleißspuren jeweils an sechs Stellen quer zum Spurverlauf taktil mittels eines DektakXT von Bruker vermessen. Anhand des gewonnen Höhentiefenprofils können daraufhin die Materialanhaftungen und -abträge gemittelt und getrennt voneinander als Querschnittsfläche beziffert werden. T+S_6_16 17.10.16 17: 01 Seite 14 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 6/ 2016 geläppt (R a 0,8 µm) und randschichtgehärtet auf 380HV5. Die Kontaktfläche der rotierenden Prüfkörper wurde unabhängig vom Werkstoff ebenfalls dem identischen Läpp-Prozess unterzogen. Bei den Prüfkörpern aus dem Werkstoff REF wurde hierbei ein R a -Wert von 0,2 µm erreicht. Die R a -Werte der Faserverbundwerkstoffe W1, W2 und W3 fallen werkstoffbedingt größer aus und liegen im Bereich von 0,5 - 0,8 µm. Bild 5 zeigt das Versuchsprogramm für den Prüfstand RPR. Entsprechend der Abbildung wurde eine Drehzahlrampe von 0 auf 4000 1/ min in 12 min bei einer konstanten Anpresskraft von 400 N durchlaufen und der Reibmomentverlauf der jeweiligen tribologischen Paarungen gemessen. Anschließend erfolgte die Umrechnung der Reibmomentverläufe mit Hilfe des mittleren Durchmessers des kreisringförmigen tribologischen Kontaktes in Reibwertverläufe. Die Temperatur des Schmiermediums (HLP32 (Fa. Oest), DIN 51524) betrug über die gesamte Versuchsdauer konstant 50 °C. Um eine größtmögliche statistische Absicherung zu erreichen, beinhaltete jede der auf dem Prüfstand RPR durchgeführten Versuchsreihen sechs Versuche unter identischen Randbedingungen. Um eine größtmögliche Anzahl von Messdaten zu erhalten, wurden lediglich die beiden Prüfkörperaufnahmen mit Reibmomentmesssystem mit Prüfkörperpaarungen bestückt, sodass für sechs Versuche insgesamt drei Versuchsläufe erforderlich waren. 4 Ergebnisse und Diskussion - Kugel-Scheibe-Tribometerversuche Die ermittelten Reibungszahlen aus den Kugel-Scheibe- Tribometerversuchen sind in Bild 6a zusammengefasst. W1 weist gegenüber REF eine leicht verbesserte Reibung auf. Demgegenüber resultieren aus dem Reibkontakt mit W2 und W3 höhere Reibungszahlen gegenüber REF. Zudem ist die Standardabweichung von W2 und W3 höher als die von REF und W1, was auf ein inhomogeneres Reibverhalten zwischen den einzelnen Proben zurückzuführen ist. W1 besitzt somit das beste Reibverhalten unter den getesteten Materialien, gefolgt von REF, W2 und W3. 15 Aus Wissenschaft und Forschung Bild 2: Konstruktive Umsetzung des Prüfstandes RPR, Modellbildung / Prinzipskizze Bild 3: Geometrie der feststehenden Prüfkörper Bild 4: Geometrie der rotierenden Prüfkörper Bild 5: Versuchsprogramm Prüfstand RPR T+S_6_16 17.10.16 17: 01 Seite 15 16 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 6/ 2016 Das Verschleißverhalten des Referenzmaterials REF als auch der faserverstärkten Polymere (W1, W2, W3) wird durch einen Materialabtrag bestimmt, welcher in Bild 6b gegenübergestellt ist. Ähnlich dem Reibverhalten weist W1 von allen Materialien den höchsten Verschleißwiderstand auf, gefolgt von REF, W2 und W3. Die geringste Standardabweichung ist bei W2 zu beobachten, wohingegen REF und insbesondere W1 ein vergleichsweise inhomogenes Verschleißverhalten aufzeigen. Der gleichmäßige Materialabtrag auf den Proben von W1 (Bild 7a) sowie W2 (Bild 7b) zeugt von einem abrasiven Verschleiß. Eine Oberflächenzerrüttung ist nicht zu erkennen. In Anbetracht dieser Ergebnisse ist auch im Überlastfall während des Betriebs der gewichtsoptimierten Schrägscheiben-Axialkolbenpumpe kein Materialversagen zu erwarten. Entlang der Verschleißspur von W3 sind partielle Materialausbrüche vorzufinden, vgl. Bild 8a. Gemäß den Reibungszahlverläufen treten diese nach einer Reibdistanz von ca. 300 m auf, wo ein schlagartiger Anstieg der Amplitude zu erkennen ist, vgl. Bild 8b. Das verzögerte Auftreten sowie die Charakteristik dieser Ausbrüche legt eine voranschreitende, lokale Oberflächenzerrüttung als Folge der Lastüberhöhung nahe. Für eine weitergehende Qualifikation von W3 als Substitut für das Steuerscheibenmaterial ist die maximal zulässige Last, bei der kein Materialversagen vorliegt, weiter einzugrenzen. Auf den Prüfkugeln sind Verschleißspuren zu erkennen, welche je nach Polymerwerkstoff unterschiedlich stark ausgeprägt sind, vgl. Bild 9a-c. Auffällig ist der hohe Verschleiß im Reibkontakt mit den glasfaserverstärkten Polymeren W2 und insbesondere W3. In beiden Fällen zeugen tiefe Furchen im metallischen Grundkörper von einem abrasiven Verschleißvorgang. Demgegenüber sind im Reibkontakt mit dem kohlefaserverstärkten W1 nur vereinzelnd abrasive Verschleißspuren vorzufinden. Beim Abrasivverschleiß führt die aufzubringende Aus Wissenschaft und Forschung Bild 6: Gegenüberstellung der Reibungszahlen und des Scheibenverschleißes aus den Kugel-Scheibe-Tribometerversuchen Bild 7: Lichtmikroskopische Aufnahme der Verschleißspur mit zugehöriger Querschnittsvermessung von W1 (a) und W2 (b) T+S_6_16 17.10.16 17: 01 Seite 16 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 6/ 2016 Schneidkraft im Reibkontakt zu einer erhöhten Reibungsenergie. Dieser Zusammenhang zwischen Reibung und Verschleiß korreliert mit den ermittelten Reibungszahlen in Bild 6a und den unterschiedlichen Verschleißausprägungen auf den Prüfkugeln. Gemäß diesen Ergebnissen bedingt eine Glasfaserverstärkung gegenüber einer Kohlefaserverstärkung ein schlechteres Reibungs- und Verschleißverhalten. Um eine fundierte Aussage über die Relation zwischen Gegenkörperverschleiß, Faserverstärkung und Polymerwerkstoff tätigen zu können, sind weitere Untersuchungen erforderlich. Die vorangehende Materialbewertung auf Basis der ermittelten Reibungszahlen korreliert mit dem Verschleißverhalten. W1 weist das beste Reibungs- und Verschleißverhalten auf, gefolgt W2 und W3. Bei der späteren Bauteilauslegung zu berücksichtigen ist der Gegenkörperverschleiß durch die Faserverstärkung. 5 Ergebnisse und Diskussion - Prüfstand RPR In Bild 10 bis Bild 13 sind die in den jeweiligen Versuchen gemessenen Reibungszahlverläufe der einzelnen tribologischen Paarungen aufgetragen. Dargestellt ist für jede Versuchsreihe ebenfalls der aus den einzelnen Versuchsergebnissen berechnete arithmetische Mittelwert. Bei der tribologischen Paarung EN-GJS-400-15 / REF (Bild 10) zeigt sich eine relativ geringe Streuung zwischen den Ergebnissen der jeweiligen Versuche. Darüber hinaus ist der Mittelwert der Reibungszahlverläufe aus den einzelnen Versuchen im Drehzahlbereich zwischen 500 und 1500 1/ min in etwa vergleichbar mit den am Kugel-Scheibe-Tribometer ermittelten Reibungszahlen der tribologischen Paarung mit dem Werkstoff REF (Bild 6a). Der Mittelwertverlauf der Reibungszahlen aus den Versuchen EN-GJS-400-15 / W1 (Bild 11) ist über dem gesamten Drehzahlbereich tendenziell etwas höher als der Mittelwertverlauf der Reibungszahlen aus den Versuchen EN-GJS-400-15 / REF (Bild 10). Darüber hinaus zeigt sich insbesondere im Bereich höherer Drehzahlen eine größere Streuung zwischen den einzelnen Versuchsergebnissen. Der in Bild 12 dargestellte Mittelwertverlauf der Reibungszahlen aus den Versuchen mit EN-GJS-400-15 / W2 17 Aus Wissenschaft und Forschung Bild 8: Lichtmikroskopische und dreidimensionale (a) Aufnahme eines Materialausbruchs auf einer Prüfscheibescheibe aus W3 entstanden während eines Tribometeversuchs (b) Bild 9: Lichtmikroskopische Aufnahmen der Verschleißspuren auf dem metallischen Gegenkörper (100Cr6-Prüfkugel) nach den Tribometerversuchen gegen W1 (a), W2 (b) und W3 (c) T+S_6_16 17.10.16 17: 01 Seite 17 18 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 6/ 2016 ist über dem gesamten Drehzahlbereich wesentlich geringer als der Mittelwertverlauf der tribologischen Paarung EN-GJS-400-15 / REF (Bild 10). Die gemittelten Reibungszahlen der tribologischen Paarung EN-GJS-400-15 / W3 (Bild 13) sind im Drehzahlbereich von 0 bis ca. 2000 1/ min etwas geringer und im Drehzahlbereich von 2000 bis 4000 1/ min etwas größer als die in Bild 6a für die tribologische Paarung mit W3 dargestellte Reibungszahl. Unter Berücksichtigung der Streuung von W3 in Bild 6a lässt sich jedoch sagen, dass der mit dem Prüfstand RPR ermittelte mittlere Reibungszahlverlauf in etwa vergleichbar mit den in den Kugel-Scheibe-Versuchen ermittelten Reibungszahlen für W3 ist. Auffällig ist, dass im Drehzahlbereich von 0 bis 2000 1/ min die einzelnen Versuchsergebnisse sehr stark streuen. Erste Stichprobenversuche mit mehrfacher Wiederholung der Drehzahlrampe zeigten, dass dieses Verhalten wahrscheinlich auf unterschiedliche Einlaufeffekte zurückzuführen ist. 6 Zusammenfassung und Ausblick Die getesteten faserverstärkten Polymere zeigen sowohl in den Kugel-Scheibe-Tribometerversuchen als auch in den Versuchen mit dem Prüfstand RPR ein hohes tribologisches Eignungspotential für den Einsatz im Steuerplatten-Zylinder-Kontakt einer Schrägscheiben-Axialkolbenpumpe. Beide Prüfmethoden bilden unterschiedliche, tribologisch kritische Belastungsbereiche der Schrägscheiben-Axialkolbenpumpe ab. Zusammenfassend zeigt sich, dass trotz der unterschiedlichen Testregime der mit dem Prüfstand RPR ermittelte mittlere Reibungszahlverlauf bei der tribologischen Paarung mit dem Werkstoff REF in bestimmten Drehzahlbereichen vergleichbar mit dem Ergebnis aus den Versuchen mit dem Kugel-Scheibe-Tribometer ist. Der mit dem Prüfstand RPR ermittelte mittlere Reibungszahlverlauf der tribologischen Paarung mit dem Werkstoff W3 ist unter Berücksichtigung der Streuung der Ergeb- Aus Wissenschaft und Forschung Bild 10: Reibungszahlverlauf EN-GJS-400-15 / REF Bild 11: Reibungszahlverlauf EN-GJS-400-15 / W1 Bild 12: Reibungszahlverlauf EN-GJS-400-15 / W2 Bild 13: Reibungszahlverlauf EN-GJS-400-15 / W3 T+S_6_16 17.10.16 17: 01 Seite 18 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 6/ 2016 nisse aus den Versuchen mit dem Kugel-Scheiben- Tribometer mit diesen vergleichbar. Bei den tribologischen Paarungen mit den Werkstoffen W1 und W2 sind die mit den jeweiligen Prüfmethoden ermittelten Reibungszahlen leicht unterschiedlich. Gemäß den Kugel- Scheibe-Tribometerversuchen stellt W1 die beste Alternative zum Werkstoff REF dar. Die anwendungsnäheren RPR-Versuche identifizierten W2 als Alternativwerkstoff mit dem besten Reibverhalten. Die Versuche mit dem Prüfstand RPR zeigen darüber hinaus drehzahlabhängige Effekte. In beiden Versuchsaufbauten auffällig ist das gegenüber REF inhomogenere Reibverhalten der faserverstärkten Polymere. Die nach den Kugel-Scheibe-Tribometerversuchen durchgeführte Verschleißbewertung korreliert mit dem Ranking des Reibverhaltens. W1 weist das beste Verschleißverhalten auf, wobei die deutlich höhere, anliegende Kontaktnormalspannung bei den Versuchen mit REF bei der Bewertung zu berücksichtigen ist. Weiterhin führt der Reibkontakt mit den faserverstärkten Polymeren zu einem abrasiven Verschleiß der Prüfkugel aus dem Wälzlagerstahl 100Cr6. In Anbetracht der Verschleißausprägungen wirkt eine Glasfaserverstärkung abrasiver als eine Kohlenfaserverstärkung. Eine fundierte Aussage über die Relation zwischen Gegenkörperverschleiß, Faserverstärkung und Polymerwerkstoff kann auf Basis der Versuche jedoch noch nicht getätigt werden. Weitergehend sind zur Überprüfung des tribologischen Eignungspotentials der faserverstärkten Polymere als Substitut für das Steuerplattenmaterial Versuche bei größeren Lasten und höheren Fluidtemperaturen mit dem Prüfstand RPR notwendig. Zusätzlich ist das Versuchsprogramm in Bild 5 um weitere Drehzahlrampen zu erweitern, um mögliche Einlaufeffekte besser erkennen zu können. Der beobachtete Verschleiß an den metallischen Prüfkugeln im Reibkontakt mit den faserverstärkten Polymeren ist in weiteren Versuchen näher zu untersuchen. In Hinblick auf die spätere Anwendung sind Maßnahmen zu treffen, um einen Verschleiß des Gegenkörpers zu verhindern. Ein potentieller Lösungsansatz besteht in der Aufbringung einer Hartstoff-Dünnschicht. Hierzu sind Tribometerversuche mit beschichteten Prüfkugeln zur Identifikation potentieller Schichtsysteme durchzuführen. Danksagung Die Autoren danken dem Bundesministerium für Bildung und Forschung für die finanzielle Unterstützung im Rahmen des Forschungsprojekts „LHYDIA - Leichtbauhydraulik im Automobil“ (FKZ: 13X3035H). Literatur [1] Matthies, H. J.; Renius, K. T.: Einführung in die Ölhydraulik. 7. Aufl., Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden, 2012 [2] Albers, A., Blust, M., Lorentz, B., and Burger, W., 2014, “A New Tribological Test Bench for Lightweight Hydraulic Components”, In Proceedings TAE - 19th International Colloquium Tribology - Industrial and Automotive Lubrication 2014, TAE - Technische Akademie Esslingen e.V. 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