Tribologie und Schmierungstechnik
tus
0724-3472
2941-0908
expert verlag Tübingen
1201
2016
636
JungkWEC-Bildung in der Mischreibung: Rauheits- und Axialschwingungseinfluss
1201
2016
Jörg Loos
Wolfram Kruhöffer
Falk Breutinger
Michael Rupprecht
Wälzlagerversuche im FE8-Prüfgerät sollten klären, inwieweit die Höhe der Rauheit und auch Rauheitsunterschiede zwischen den Wälzpartnern Einfluss auf die WEC-Bildung (White Etching Crack) in der Mischreibung nehmen. Es zeigte sich, dass die WECNeigung mit der Summenrauheit nach dem Lauf zunimmt und der rauere Wälzpartner eine höhere WECNeigung als der glattere besitzt.
Zur Untersuchung des Einflusses einer axialen Schwingung wurde die Welle in einem Wälzlagerprüfstand mittels Servozylinder oszillierend bewegt. Als Prüflager kamen vier Zylinderrollenlager der Type NU207 zum Einsatz. Die axiale Wellen schwingung führte zwar zu WEC-Ausfällen, die Laufzeiten waren aber wesentlich größer als bei einer aufgeprägten kritischen elektrischen Zusatzbeanspruchung oder bei WECVersuchen im FE8-Prüfgerät mit Axiallagern und gleichem Schmierstoff.
Mehrkörper-Simulationsrechnungen (CABA3D®) zeigten, dass sich infolge der Axial schwin gungen nur am Innenring die Gleitreibung merklich erhöht. Dies liefert eine Erklärung für die WEC-Ausfälle am Innenring. Allerdings lag die reibenergetische Zusatzbeanspruchung deutlich unterhalb typischer Werte für Axiallager im FE8-Prüfgerät, was die relativ langen Prüflaufzeiten im Vergleich zu den FE8-Versuchen erklärt.
tus6360027
Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 6/ 2016 Einleitung Beim White Etching Crack - Schaden (WEC), der zu Wälzlager-Frühausfällen [Eva13] führen kann, handelt es sich um einen Ermüdungsmechanismus, der sich nicht mit der klassischen Wälzlager-Lebensdauertheorie berechnen lässt. Dabei kommt es unter der Oberfläche zu Rissnetzwerken an und in weiß anätzenden Phasen, die sowohl in durchals auch einsatzgehärteten Wälzlagern [Bla15] auftreten können [Hol11]. Die weiß anätzenden Phasen (White Etching Area, WEAs) bestehen aus sehr feinkörnigem, kohlenstoffübersättigtem Ferrit oder kubischem Martensit. Sie enthalten keine oder sehr kleine Carbide [Hol11, Hol15] und haben Ihren Ursprung unter der Oberfläche [Eva14]. 27 Aus Wissenschaft und Forschung * Dr.-Ing. Jörg Loos Dr.-Ing. Wolfram Kruhöffer Dr.-Ing. Falk Breutinger Michael Rupprecht Schaeffler Technologies AG & Co. KG 91074 Herzogenaurach WEC-Bildung in der Mischreibung: Rauheits- und Axialschwingungseinfluss J. Loos, W. Kruhöffer, F. Breutinger, M. Rupprecht* Eingereicht: 8. 12. 2015 Nach Begutachtung angenommen: 17. 3. 2016 Wälzlagerversuche im FE8-Prüfgerät sollten klären, inwieweit die Höhe der Rauheit und auch Rauheitsunterschiede zwischen den Wälzpartnern Einfluss auf die WEC-Bildung (White Etching Crack) in der Mischreibung nehmen. Es zeigte sich, dass die WEC- Neigung mit der Summenrauheit nach dem Lauf zunimmt und der rauere Wälzpartner eine höhere WEC- Neigung als der glattere besitzt. Zur Untersuchung des Einflusses einer axialen Schwingung wurde die Welle in einem Wälzlagerprüfstand mittels Servozylinder oszillierend bewegt. Als Prüflager kamen vier Zylinderrollenlager der Type NU207 zum Einsatz. Die axiale Wellenschwingung führte zwar zu WEC-Ausfällen, die Laufzeiten waren aber wesentlich größer als bei einer aufgeprägten kritischen elektrischen Zusatzbeanspruchung oder bei WEC- Versuchen im FE8-Prüfgerät mit Axiallagern und gleichem Schmierstoff. Mehrkörper-Simulationsrechnungen (CABA3D®) zeigten, dass sich infolge der Axialschwingungen nur am Innenring die Gleitreibung merklich erhöht. Dies liefert eine Erklärung für die WEC-Ausfälle am Innenring. Allerdings lag die reibenergetische Zusatzbeanspruchung deutlich unterhalb typischer Werte für Axiallager im FE8-Prüfgerät, was die relativ langen Prüflaufzeiten im Vergleich zu den FE8-Versuchen erklärt. Schlüsselwörter White Etching Crack (WEC), White Structure Flaking (WSF), Wälzlager, Reibung, Schlupf, Rauheit, Wasserstoff, Dynamik, Schwingungen Bearing tests on the FE8-test rig were performed under the mixed friction for clarifying the influence of the roughness and roughness differences between the rolling partners on the White Etching Crack (WEC) formation. A relation between the sum roughness after the test and the WEC lifetime could be found. Moreover, the tests showed, that the rougher friction partner is more WEC-critical than the smoother one. Cylindrical roller bearings (NU207) were tested with axial oscillation of the shaft exerted by a servo cylinder. This kind of dynamic led to WEC failures on the inner ring. However, the running time was greater than in case of critical electrical current passage or WEC tests with thrust bearings in the FE8 test rig. Multi-body simulation (CABA3D®) showed that the sliding friction increases only at the inner ring significantly due to an axial oscillation. This gives an explanation for the WEC failures of the inner ring. The relatively high WEC lifetime could also be explained by the simulations, because the product of pressure and sliding velocity respectively the friction energies due to axial oscillation were much less than typical values for thrust bearings in typical FE8 WEC-tests. Keywords White etching crack (WEC), Brittle Flaking, White Structure Flaking (WSF), rolling bearing, friction, slippage, hydrogen embrittlement, hydrogen, rolling contact fatigue, dynamic, oscillations Kurzfassung Abstract T+S_6_16 17.10.16 17: 01 Seite 27 28 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 6/ 2016 Alle Lagerhersteller sind zwar in wenigen Fällen aber in den verschiedensten Anwendungen mit diesem Frühermüdungsschaden konfrontiert [Ham06, Iso06, Kad13, Ken06, Rue13, Tam96, Shi95, Tan06, Veg10, Szo13]. Der Entstehungsmechanismus ist bis heute nicht abschließend geklärt. Neben einer erhöhten Wasserstoffaufnahme des Stahls im Wälzkontakt, der zur WEC- Bildung führen kann [Rue13, Veg10, Eva13, Ham06], werden aktuell noch weitere WEC-Schädigungsmechanismen wie Spannungsrisskorrosion [Geg11] oder Elektromagnetik [Jak14] in Betracht gezogen. Andere verwendete Begriffe für WEC sind unter anderen WSF (White Structure Flaking), irr-WSF (irregular White Structure Flaking) oder Brittle Flaking. Die Lebensdauer hängt beim WEC-Schaden gegenüber dem klassischen deutlich weniger von der äußeren Last ab, streut wesentlich geringer und wird nicht signifikant von der Stahlreinheit [Loo15d] beeinflusst, auch wenn die ersten Risse an den ungerichteten WEA-Netzwerken möglicherweise von sehr kleinen Einschlüssen (2-15 µm) starten [Eva14]. Während konventionelle niedriglegierte Werkstoffe, unabhängig von der Art der Wärmebehandlung [Bla15, Loo15d] WECfähig sind, verhindern z. B. der hochchromhaltige Spezialstahl Cronidur 30 [Bla15, Loo15d] die WEC-Bildung gänzlich. WEC-anfällige Werkstoffe können auch durch ein Brünieren eine erhöhte Resistenz gegenüber der WEC-Bildung erlangen [Loo15d, Hol11]. Vier WEC-kritische Betriebszustände (Elektro-Statik [Loo15a], Hochges c h w i n d i g k e i t s - M i s c h r e i b u n g [Loo15b], Dynamik [Loo15d], Elektro-Dynamik [Loo15c]) konnten bei der Fa. Schaeffler identifiziert und an Wälzlager-Prüfständen nachgestellt werden. Davon ausgehend und basierend auf Erkenntnissen zur WEC-Bildung infolge Wasserstoffaufnahme wurden mit der „kathodischen WEC-Ermüdung“ [Loo15a] und der „energetischen WEC-Ermüdung“ [Loo15c] zwei Hypothesen zum WEC-Schadensmechanismus abgeleitet. Entsprechend den unterschiedlichen „WEC-Zusatzbeanspruchungen“ ergibt sich ein Einfluss des Schmierstoffs von schadensfördernd bei der kathodischen WEC- Ermüdung [Fra15] bis schadensvermeidend bei der energetischen WEC-Ermüdung. Da die Art der Zusatzbeanspruchung nicht immer vorhersehbar ist, gilt es bei der Schmierstoffauswahl vor allem, soweit wie möglich „schadensfördernde“ Rezepturen zu meiden. Zum Auffinden einer geeigneten WEC-Beanspruchungskenngröße für die durch Reibung induzierten WEC- Schäden wurden in [Loo15b] Wälzlagerversuche mit immer dem gleichen WEC-kritischen Schmierstoff, aber unterschiedlichen Wälzlagertypen durchgeführt. Die WEC-Neigung korrelierte hierbei gut mit der Reibenergie-Akkumulation, die die flächenbezogene Reibenergie, die ein Oberflächenelement bei Überrollung sieht, ins Verhältnis zur Zeit zwischen den Überrollungen setzt. Inwieweit axiale Wellenschwingungen diese WEC- Neigung erhöhen bzw. eine WEC-kritische Form der Dynamik darstellen, wurde nun an Radial-Zylinderrollenlagern experimentell und simulativ untersucht. Des Weiteren wurden die Untersuchungen zum Einfluss der Oberflächenrauheit auf die WEC-Bildung aus [Loo15b] bei Axial-Zylinderrollenlagern vertieft. Einfluss der Rauheit auf die WEC-Bildung Die weiterführenden Versuche zum Einfluss der Oberflächenrauheit auf die WEC-Bildung wurden wie in [Loo15b] wieder auf dem FE8-Prüfgerät der Fa. Schaeffler unter reiner Axiallast durchgeführt (siehe Bild 1). Aus Wissenschaft und Forschung Bild 2: Einfluss der Rauheit auf die WEC-Laufzeit (81212, Öl SG1, ϑ Lager ~ 100 °C) [Loo15b] Bild 1: Prüfgerät FE8 und typisches Prüfergebnis T+S_6_16 17.10.16 17: 01 Seite 28 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 6/ 2016 Als Prüföl kam weiterhin das bekannt WEC-kritische Schaltgetriebeöl, nachfolgend SG1 genannt, zum Einsatz. Jeder Versuchspunkt wurde mit mindestens 4 Lagern abgesichert. Zur Variation der Rauheit wurden die Lagerscheiben und Rollen durch ein aufwändiges Gleitschleifverfahren geglättet. Bild 2 zeigt die Lastspielzahlen der Lagerscheiben bis zum WEC-Ausfall für die Versuche [Loo15b] mit standardrauen gegenüber denen mit stark geglätteten Lagerkomponenten (Scheiben + Rollen). Die WEC- Neigung der komplett geglätteten Lager ist deutlich geringer. Die Höhe der Laufzeitsteigerung ist dabei aber noch abhängig von den Betriebsbedingungen. Bei vergleichsweise geringer WEC-Zusatzbeanspruchung (750 U/ min + 1400 N/ mm 2 ) fällt der Laufzeitgewinn mit ca. Faktor 8 besonders groß aus. Surborg [Sur14] führte eine Rauheitsvariation bei WEC-Versuchen im FE8-Prüfgerät nach VW Werknorm PV1483 über eine Sortierung der Lagerscheiben durch. Obwohl die mögliche Spreizung der Summenrauheit dadurch begrenzt war (Ra Σ,rau / Ra Σ,glatt ≈ 1,7), konnte er einen signifikanten Laufzeitunterschied (N 50,rau / N 50,glatt ≈ 1,8) feststellen, der von der Tendenz gut zu den Versuchen in Bild 2 passt ([Loo15b]: Ra Σ,rau / Ra Σ,glatt ≈ 3; N 50,rau / N 50,glatt ≈ 3,7 bei vergleichbar Bedingung zu VW PV1483 mit 1900 N/ mm 2 und 750 U/ min). Untersuchungen zum Einfluss der Rauheit bei der Oberflächenzerrüttung, auch Graufleckigkeit genannt, zeigen, dass nicht nur eine hohe Rauheit, sondern auch hohe Rauheitsunterschiede zwischen den Wälzpartnern ermüdungsfördernd sein können [SKF11]. Dies wird dadurch erklärt, dass die rauere Oberfläche bei hohem Rauheitsunterschied auf der glatteren Oberfläche Belastungsmikrozyklen „auslöst“, wodurch die glattere Oberfläche ermüdungskritischer wird. Um zu klären, in wieweit dies auch bei WEC-Ermüdung zutrifft, wurden in FE8-Versuchen glatte und raue Lagerkomponenten gezielt miteinander gepaart. Bild 3 vergleicht diese Versuche „rau gegen glatt“ mit den Versuchen aus [Loo15b], die mit Wälzlagern aus gleicher Charge durchgeführt wurden. Es ergibt sich erwartungsgemäß die Tendenz, dass mit geringerer Summenrauheit der Lager im Neuzustand die Anzahl der Überrollungen bis zum WEC-Schaden steigt. Sowohl bei der niedrigeren als auch der höheren Lagerbelastung gibt es aber einen Ausreißer-Versuch, der nicht in die Rangfolge passt. Die Häufigkeit von Rollen- und Scheibenausfällen mit jeweils vier Mal und damit deren Ausfallneigung war in den Versuchen gleich groß. Allerdings fiel bei den Versuchen mit großem Rauheitsunterschied nicht die glattere Lagerkomponente, sondern immer die rauere aus, also konträr zu der Beobachtung bei Graufleckigkeit [SKF11]. Unter der Annahme, dass auch in den WEC- Versuchen die glatteren Lagerkomponenten mehr Mikrozyklen ausgesetzt sind, muss die Glättung die Beanspruchbarkeit der Oberfläche erhöht haben. Auch scheint ein hoher Rauheitsunterschied bei WEC- Ermüdung im Gegensatz zur Graufleckigkeit nicht kritisch zu sein. Bei der Pressung von 1400 N/ mm 2 war die mittlere Laufzeit der Paarungen „raue Scheibe“ gegen „glatte Rollen“ sogar größer als die des komplett geglätteten Lagers. Auch bei der hohen Pressung von 1900 N/ mm 2 erreicht in einem Fall die Paarung „glatt gegen rau“ fast die Laufzeit von „glatt gegen glatt“. Es ist bekannt, dass sich gerade in der Mischreibung die Oberflächen in der Einlaufphase einglätten und damit deren Ermüdungsneigung sich verändert. Diese Einglättung war bei den Prüflagern deutlich unterschiedlich und von Lagerkomponente und Prüfbedingung abhängig. 29 Aus Wissenschaft und Forschung Bild 3: Einfluss der Summenrauheit R aΣ im Neuzustand auf die WEC-Laufzeit (81212, 750 U/ min, Öl: SG1, ϑ Lager ~ 100 °C) T+S_6_16 17.10.16 17: 01 Seite 29 30 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 6/ 2016 Mittels optischer 3D-Oberflächenmesstechnik wurde deshalb die Rauheit am inneren Laufbahnbereich (Teilkreisradius - 2,8 mm) nach dem Lauf vermessen und mit der WEC-Laufzeit korreliert. Wie Bild 4 verdeutlicht, korrelieren die Mittenrauheiten nach dem Lauf deutlich besser mit der WEC-Neigung als die im Neuzustand. Bei beiden Lagerbelastungen nehmen die WEC-Ausfallzeiten mit abnehmender Rauheit zu. Einfluss axialer Wellenschwingungen auf die WEC-Neigung Prüfbedingung Um den Einfluss axialer Wellenschwingungen auf die WEC-Neigung bei Radial-Zylinderrollenlager untersuchen zu können, wurde ein Wälzlagerprüfstand R4NN der Fa. Schaeffler gezielt modifiziert. Bild 5 verdeutlicht das Prüfprinzip. Über einen Servozylinder wird die Prüfwelle in eine axiale Schwingung versetzt. Zur Entkopplung der Linearbewegung des Servozylinders von der Drehbewegung der Prüfwelle musste eine spezielle Kupplung entwickelt werden. Darin ist ein Axial-Rillenkugellager der Type 54205 zur Erreichung einer hohen axialen Steifigkeit bzw. verlustfreien Bewegungsübertragung axial verspannt. Die Drehbewegung wird durch einen Elektromotor auf der dem Servozylinder gegenüberliegenden Seite der Prüfwelle eingeleitet. Die Anbindung erfolgt über eine Klauenkupplung, die eine axiale Relativbewegung zwischen Antriebs- und Prüfwelle nahezu verlustfrei zulässt. Die Schwingamplitude wurde an der Prüfwelle nahe der Klauenkupplung ge- Aus Wissenschaft und Forschung Bild 4: Einfluss der Summen-Rauheit S aΣ nach dem Lauf auf die WEC-Laufzeit (81212, 750 U/ min, Öl: SG1, ϑ Lager ~ 100 °C), * Rauheit nicht bestimmt, geschätzt Bild 5: Modifizierter Radiallagerprüfstand R4NN mit Servozylinder zum Aufprägen einer axialen Wellenschwingung T+S_6_16 17.10.16 17: 01 Seite 30 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 6/ 2016 messen und betrug bei den Versuchen 0,1 mm bei einer Schwingfrequenz von 90 Hz. Geprüft wurden gleichzeitig vier Zylinderrollenlager der Type NU207, die im Prüfstand R4NN näherungsweise gleicher radialer Belastung ausgesetzt sind. Versuchsergebnisse Wie Bild 6 verdeutlicht, konnten mit Hilfe axialer Wellenschwingungen in den Versuchen Schäden am Innenring der Zylinderrollenlager hervorgerufen werden. Wie Schliffe an den ausgefallenen Innenringen belegen, handelte es sich jeweils auch um WEC-Schäden (siehe Bild 6). Auf der anderen Seite kam es aber erst nach relativ langer Prüflaufzeit von über 800 h zu Schäden, was aufgrund begrenzter Prüfkapazität auch der Grund für die relativ schlechte statistische Absicherung ist. Vergleicht man diese Laufzeiten mit der modifizierten Referenz-Lebensdauer L hmr von 850 h bei 800 U/ min bzw. 1475 h bei 350 U/ min, so 31 Aus Wissenschaft und Forschung Bild 6: Ausfallverteilung infolge „Axialdynamik“ sowie Innenringschaden mit WECs unter der Oberfläche (f ax = 90 Hz, Δs axial = 2 · 0,1 mm, 100 °C, SG1, NU207, p Hzmax , IR = 2400 N/ mm 2 ) Bild 7: Einfluss der Art der Zusatzbeanspruchung auf die WEC-Neigung beim Zylinderrollenlager NU207 (siehe auch Loo15a, Loo15b, Loo15c) T+S_6_16 17.10.16 17: 01 Seite 31 32 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 6/ 2016 kann man hier auch nicht von einem eindeutigen Frühausfall bezogen auf die berechnete Lebensdauer sprechen. Wie kritisch axiale Wellenschwingungen als Zusatzbeanspruchung sind, lässt sich bewerten, indem man die Laufzeiten bei „Axialschwingungen“ mit den Laufzeiten bei anderen Zusatzbeanspruchungen wie „Mischreibung“ ohne Axialschwingungen [Loo15a], „Elektrostatik“ [Loo15b] und „Elektrodynamik“ [Loo15c] vergleicht. Dafür wurde am Wälzlagerprüfstand R4NN versucht, jeweils die maximal mögliche Zusatzbeanspruchung einzustellen. Wie Bild 7 verdeutlicht, führen die hier aufgeprägten axialen Schwingungen zwar zu einer erhöhten WEC-Neigung. Die WEC-Neigung ist aber viel geringer als im Falle von kritischen elektrischen Zusatzbeanspruchungen. Auffällig ist außerdem, dass bei elektrischer Zusatzbeanspruchung immer der punktbelastete Außenring trotz deutlich niedrigerer Pressung ausfällt, wogegen bei Axialdynamik oder reiner Mischreibung der Innenring betroffen ist. Da bei der WEC-Bildung Punktlast deutlich kritischer als Umfangslast ist [Loo15a, Loo15b, Loo15c], deutet dies darauf hin, dass bei axialen Wellenschwingungen der Innenring bei Überrollung eine höhere reibenergetische Zusatzbeanspruchung als der Außenring sieht. Um dies zu klären, wurden mit dem Mehrkörper-Simulationsprogramm CABA3D ® der Fa. Schaeffler die reibenergetische Kontaktbeanspruchung ermittelt. Wie Bild 8 verdeutlicht, verursacht die axiale Wellenschwingung fast nur am Innenring hohe Gleitreibung. Die reibenergetische Zusatzbeanspruchung, die maßgeb- Aus Wissenschaft und Forschung Bild 8: Mehrkörper-Simulation des Produktes aus Pressung und Gleitgeschwindigkeit, „pv“-Wert bei axialer Wellenschwingung mit CABA3D ® (NU207, 13,6 kN, Öl: SG1, 100 °C, 800 U/ min, f ax = 90 Hz; ΔS ax = 2 · 0,06 mm) Bild 9: Lastspielzahl N WEC,50 bis zum Auftreten von WECs, Lastspiele = Überrollungszahl unter ermüdungskritischer Pressung (Öl SG1, 100 °C, f LW , IR / f Ü, IR (NU207) ≈ 4/ 14, siehe [Loo15b]) T+S_6_16 17.10.16 17: 01 Seite 32 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 6/ 2016 lich vom Produkt aus Gleitgeschwindigkeit und Pressung abhängt, ist somit am Innenring wesentlich größer als am Außenring, was eine Erklärung für die WECs am Innenring trotz Umfangslast liefert. Der maximale „pv“-Wert beträgt ca. 80 W/ mm 2 , was ungefähr dem Produkt aus maximaler axialer Zylindergeschwindigkeit (34 mm/ s) und maximaler Hertzschen Pressung (2400 N/ mm 2 ) entspricht. Die axiale Wellenschwingung führt somit zu einer aufgezwungenen Gleitgeschwindigkeit, einem „Zwangsschlupf“ am Innenring, ohne zusätzliche Überhöhungen. Der Effekt ist somit vergleichbar mit dem Zwangsschlupf, wie er z. B. in einem Axial-Zylinderrollenlager durch Bohren entsteht. Allerdings ist der Zwangsschlupf bzw. der „pv“-Wert in einem Axial-Zylinderrollenlager wesentlich größer. Der maximale „pv“-Wert bei einer Überrollung beträgt bei typischer WEC-Prüfbedingung (FE8- 25, 81212, F = 60 kN, n = 750 U/ min) ca. 230 W/ mm 2 , wogegen in den Versuchen mit Axialschwingung (F = 13,6 kN, f ax = 90 Hz, Δs ax = 2 · 0,1 mm) der maximale pv-Wert nur 135 W/ mm 2 betrug. Hinzu kommt dann noch, dass der Innenring im Radial-Zylinderrollenlager nicht bei jedem Lastspiel, sondern nur in der Mitte der Lastzone diesen maximalen „pv“-Wert sieht. Der mittlere „pv“-Wert bei einem Lastspiel beträgt ca. 65 W/ mm 2 . Bild 9 erklärt somit dann auch die relativ langen Prüflaufzeiten beim Radial-Zylinderrollenlager gegenüber dem Axial-Zylinderrollenlager. Auch die erhöhte WEC-Neigung durch die überlagerte axiale Wellenschwingung lässt sich durch eine solche reibenergetische Betrachtung gut erklären. Im Zylinderrollenlager ergibt sich gemäß CABA3D ® -Simulation bei 800 U/ min durch Beschleunigung der Rolle in die Lastzone ein „pv“-Peak von ca. 20 W/ mm 2 und durch Schränken der Rollen in der Lastzone „pv“-Werte in der Größenordnung von 5 bis 15 W/ mm 2 . Diese Werte und die daraus resultierende WEC-Neigung sind somit deutlich kleiner als bei überlagerter axialer Wellenschwingung. Zusammenfassung Wälzlagerversuche im FE8-Prüfgerät sollten klären, inwieweit die Höhe der Rauheit und auch Rauheitsunterschiede zwischen den Wälzpartnern Einfluss auf die WEC-Bildung in der Mischreibung nehmen. Die Tendenz aus früheren Versuchen [Loo15b], dass die WEC- Neigung mit der Summenrauheit zunimmt, konnte bestätigt werden. Es zeigte sich allerdings, dass die Summenrauheiten nach dem Lauf besser als die im Neuzustand die WEC-Neigung charakterisieren, was auf die deutlich unterschiedliche Einglättung der Lagerkomponenten während der Versuche zurückzuführen ist. Die bei Graufleckigkeit gemachte Beobachtung [SKF11], dass bei großen Rauheitsunterschieden zwischen den Wälzpartnern die glattere Komponente früher ermüdet, bestätigte sich bei den WEC-Versuchen nicht. Es fiel hingegen immer die rauere Komponente aus. Auch wirkte sich ein großer Rauheitsunterschied zwischen den Wälzpartnern nicht wie bei den Graufleckenuntersuchungen nachteilig aus. Zur Untersuchung des Einflusses einer axialen Wellenschwingung auf die WEC-Bildung wurde die Prüfwelle in einem Wälzlagerprüfstand mittels Servozylinder oszilierend bewegt. Als Prüflager kamen vier Zylinderrollenlager der Type NU207 zum Einsatz. Die axiale Wellenschwingung erhöhte merklich die WEC-Neigung. Sie war aber wesentlich geringer als bei einer aufgeprägten, kritischen elektrischen Zusatzbeanspruchung. Die erhöhte Ausfallneigung des Innenrings infolge Axialschwingungen konnte mittels Mehrkörper-Simulationsrechnungen (CABA3D ® ) erklärt werden. Nur am Innenring kam es zu einer Erhöhung des Produkts aus Gleitgeschwindigkeit und Pressung („pv“-Wert) bzw. der reibenergetischen Zusatzbeanspruchung. Allerdings lagen die pv-Werte bzw. damit auch die Reibenergie-Akkumulation als WEC-Kennzahl am Innenring deutlich unterhalb derjenigen z. B. von Axial-Zylinderrollenlagern unter WEC-kritischer Bedingung. Dies erklärt dann auch die relativ langen Prüflaufzeiten bei Axialschwingung gegenüber WEC-Versuchen im FE8-Prüfgerät mit gleichem Prüföl und Axial-Zylinderrollenlagern. Bezeichnungen ϑ Temperatur β Weibull-Modul κ Viskositätsverhältnis λ Schmierfilmparameter, Verhältnis von Schmierfilmdicke zur Oberflächenrauheit μ Reibwert e a Reibenergie-Akkumulation f LW Frequenz der Überrollungen unter ermüdungskritischer Belastung f Ü Überrollfrequenz f ax Schwingfrequenz der Prüfwelle in axialer Richtung Δs ax Schwingweite bzw. doppelte Schwingamplitude N Lastspielzahl, Überrollungszahl bei ermüdungsrelevanter Pressung > 500 N/ mm 2 N WEC,50 Median der Lastspielzahl bis zum WEC-Ausfall p Pressung p Hz,max maximale Hertzsche Pressung R aΣ Summenrauheit berechnet aus arithmetischer Mittenrauwert R a v Gleitgeschwindigkeit S aΣ Summenrauheit berechnet aus arithmetischer Mittenrauwert S a z WK Wälzkörper-Anzahl 33 Aus Wissenschaft und Forschung T+S_6_16 17.10.16 17: 01 Seite 33 34 Tribologie + Schmierungstechnik 63. Jahrgang 6/ 2016 Literaturverzeichnis [Bla15] Blass, T.; Trojahn, W.; Holweger, W.: WEC Formation in through hardened and case hardened Steel - Influence of retained austenite, Conference for Wind Power Drives, CWD 2015, Conference Proceedings, p. 353-365 [Eva12] Evans, M.-H.: White structure flaking (WSF) in wind turbine gearbox bearings: effects of “butterflies” and white etching cracks (WECs), Material Science and Technology 2012 Vol. 28, No. 1 [Eva13] Evans, M.-H. et al.: Effect of hydrogen on butterfly an white etching crack (WEC) formation under rolling contact fatigue (RCF), Wear (2013) [Eva13] Evans, M.-H.; Richardson, A.D. et al.: Confirming subsurface initiation at non-metallic inclusions as one mechanism for white etching crack (WEC) formation, Tribology International 75 (2014) 87-97 [Fra15] Franke, J.; Surborg, H. et al.: Einfluss des Tribolayers auf Wälzermüdung mit WEC auf dem FE8-Prüfstand, Antriebstechnisches Kolloquium, ATK 2015, S. 165- 175 [Geg11] Gegner, J.; Nierlich, W.: The Bearing Axial Cracks Root Cause Hypothesis of Frictional Surface Crack Initiation and Corrosion Fatigue Driven Crack Growth, Wind Turbine Tribology Seminar, 2011, USA [Ham06] Hamada, H.; Matsubara, Y.: The Influence of Hydrogen on Tension-Compression an Rolling Contact Fatigue Properties of Bearing Steel, NTN Technical Review No. 74 (2006) [Hol11] Holweger, W.; Loos, J.: Beeinflussung der Wälzlagerlebensdauer durch neue Werkstoffphänomene in speziellen Anwendungen, Antriebstechnisches Kolloquium ATK 2011, ISBN 978-3-940565-83-9 [Hol15] Holweger, W.; Jakovics, A. et al.: White Etching Crack Root Cause Investigations, Tribology Transactions, Volume 58, Issue 1, Jan. 2015, pages 59-69 [Iso06] Iso, K.; Yokouchi, A.; Takemura, H.: Research Work of Clarifying the Mechanism of White Structure Flaking an Extending the Life of Bearings, Motion & Control No. 19 (2006), NSK [Jak14] Jakovics, A.; Holweger, W. et al.: Influence of an EM field on Changes in Microstructure of Bearing Steel, International Scientific Colloquium Modelling of Electromagnetic Processing, Hannover, September 2014 [Jui00] Juilfs, G. G.: Das Diffusionsverhalten von Wasserstoff in einem niedriglegierten Stahl unter Berücksichtigung des Verformungsgrades und der Deckschichtbildung in alkalischen Medien, Dissertation Hamburg-Harburg 2000 [Kad13] Kadin, Y.: Modeling of hydrogen transport in rolling contact fatigue conditions, Procedia Engineering 66 (2013) 415-424, SKF [Ken06] Kenichi, I.; Yokouchi, A.: Research work for clarifying the mechanism of white Structure flaking and extending the life of bearings, Motion and Control No. 19 (September 2006) NSK [Koh06] Kohara, M.; Kawamura, T.; Egima, M.: Study on Mechanism of Hydrogen Generation from Lubricants, Tribology Transactions, 49: 53-60, 2006, NTN [Loo15a]Loos J.; Goß, M.; Bergmann, I.: Einfluss von Lagerströmen aus elektrostatischen Aufladungen auf die WEC-Bildung in Wälzlagern, Tribologie und Schmierungstechnik, 62. Jahrgang, 1/ 2015, S. 41-51 [Loo15b]Loos J.; Kruhöffer, W.: Einfluss der Reibbeanspruchung auf die WEC-Bildung in Wälzlagern, Tribologie und Schmierungstechnik, 62.Jahrgang, 4/ 2015, S. 33-43 [Loo15c]Loos, J.; Goß, M.: Einfluss hoher elektrischer Ströme auf die WEC-Bildung in Wälzlagern, Antriebstechnisches Kolloquium, ATK 2015, S. 177-190 [Loo15d]Loos, J.; Blass, T.; Kruhöffer, W.; Franke, J.: Einflüsse auf die WEC-Bildung in Wälzlagern, 11. VDI-Fachtagung Gleit- und Wälzlagerungen 2015, VDI-Berichte Nr. 2257, S. 259-271 [Rue13] Ruellan, A.; Ville, F. et al.: Rolling contact fatigue in Rolling element Bearings for wind turbine: a focus on White Etching Cracks, STLE 68 th Annual Meeting & Exhibition, Detroit 2013, NTN [Sch13] Scherge, M.; Pfeiffer, W. et al.: In situ detection of hydrogen evolution during luibricated sliding contact, World Tribology Congress 2013, Torino, Italy, September 8-13.2013 [Shi95] Shibata, M.; Gotoh, M. et al.: A new type of microstructural change due to rolling contact fatigue on bearings for engine auxiliary devices, Proceedings of the International Tribology Conference, Yokohama 1995, Koyo [SKF11] N. N.: Oberflächenzerrüttung verstehen und vermeiden, evolution.skf.com, #4 2011, S. 26-31 [Sur14] Surborg, H.: Einfluss von Grundölen und Additiven auf die Bildung von WEC in Wälzlagern, Dissertation Uni. Magdeburg 2014 [Szo13] Szost, R. H.; Vegter, H. et al.: Unveiling the nature of hydrogen embrittlement in bearing steels employing a new technique, Scripta Materialia 68 (2013), 467- 470 [Tan06] Tanaka, S.: Pulley Support Bearing for Push-Belt CVTs, Motion & Control No. 19 (2006), NSK [Tan11] Tanimoto, H.; Tanaka, H.; Sugimura, J.: Observation of Hydrogen Permeation into Fresh Bearing Steel Surface by Thermal Desorption Spectroscopy, Tribology Online, 6, 7 (2011) 291-296, [Veg10] Vegter, R. H.; Slycke, J. T.: The Role of Hydrogen on Rolling Contact Fatigue Response of Rolling Element Bearings, Journal of ASTM international, Vol. 7, No. 2, SKF Aus Wissenschaft und Forschung T+S_6_16 17.10.16 17: 01 Seite 34