Tribologie und Schmierungstechnik
tus
0724-3472
2941-0908
expert verlag Tübingen
0401
2017
642
JungkEntwicklung von Werkzeugbeschichtungen für die Hochtemperatur-Titanumformung
0401
2017
Tim Abraham
Martin Weber
Martin Keunecke
Christian Stein
Günter Bräuer
Im Rahmen dieser Ausarbeitung wurden erste prozesstechnische und tribologische Untersuchungen zur Abscheidung von Wolframcarbidschichten (WC) als Werkzeugbeschichtung für die Hochtemperatur-Titanumformung durchgeführt. Ziel war es die Vorzüge einer Nickelbasislegierung als Hochtemperaturwerkzeugwerkstoff mit den tribologischen Eigenschaften von WC zur Ausbildung von selbstschmierenden Oxiden (z.B. Magnéliphasen) zu vereinen, um den adhäsiven Werkzeugverschleiß zu senken. Hierzu wurden sowohl mit Hilfe eines reaktiven als auch nicht reaktiven Magnetronsputterprozesses WC-Hartstoffschichten auf Nickelbasisproben abgeschieden und mit Chrom, Silizium oder Molybdän modifiziert. Für eine tribologische Bewertung der WC-Hartstoffschichtsystemen wurden Stift-Scheibe-Tribometerversuche in Schutzgasatmosphäre im Temperaturbereich von 750°C bis 950°C gegen TiAl6V4 durchgeführt. Die Untersuchung demonstriert das Potential von Wolframcarbid als Werkzeugbeschichtung zur Vermeidung von Titananhaftungen und zeigt Möglichkeiten zur Verbesserung der Oxidations- und Verschleißbeständigkeit auf Basis der durchgeführten Schichtmodifikationen auf.
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Tribologie + Schmierungstechnik 64. Jahrgang 2/ 2017 1 Einleitung Titanlegierungen sind aufgrund ihrer herausragenden Eigenschaftskombination ein interessanter Werkstoff für hochbeanspruchte Bauteile. Allerdings resultiert aus der hohen Adhäsionsneigung von Titanwerkstoffen ein rapider Verschleiß an Umformwerkzeugen. Anders als bei Reintitan sind für hochbeanspruchbare Titanlegierungen für die umformtechnische Verarbeitung Temperaturen von 750 °C bis 950 °C nötig, um ausreichende Umformgrade für formkomplexe Bauteile erzielen zu können. Diese hohen Umformtemperaturen verstärken zusätzlich die Adhäsionsneigung [1]. Am weitesten verbreitet für die Hochtemperatur-Umformung von Titanlegierungen sind Werkzeuge aus Nickelbasislegierungen [2], welche in Kombination mit Hochtemperaturschmierstoffen eingesetzt werden. Trotz des Schmiermitteleinsatzes genügen die Bauteiloberflächengüte und die Prozessstabilität der Umformoperationen nach kürzester Zeit nicht den Anforderungen. Effiziente Umformtechniken, wie z.B. das Tiefziehen oder die Innenhochdruck-Umformung, werden dadurch stark eingeschränkt. Ein möglicher Lösungsansatz stellt die Applikation einer dünnen Hartstoffschicht auf Wolframcarbid-basis (WC) 13 Aus Wissenschaft und Forschung * Dipl. Wirt.-Ing. Tim Abraham, Dipl.-Ing. Martin Weber, Dr.-Ing. Martin Keunecke, Dr.-Ing. Christian Stein, Dipl. Wirt.-Ing. René Weirauch, B.Sc. Matthias Grahs, Prof. Dr. Günter Bräuer Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik IST, 38108 Braunschweig Entwicklung von Werkzeugbeschichtungen für die Hochtemperatur- Titanumformung T. Abraham, M. Weber, M. Keunecke, C. Stein, R. Weirauch, M. Grahs, G. Bräuer* Eingereicht: 18. 10. 2016 Nach Begutachtung angenommen: 1. 11. 2016 Im Rahmen dieser Ausarbeitung wurden erste prozesstechnische und tribologische Untersuchungen zur Abscheidung von Wolframcarbidschichten (WC) als Werkzeugbeschichtung für die Hochtemperatur-Titanumformung durchgeführt. Ziel war es die Vorzüge einer Nickelbasislegierung als Hochtemperaturwerkzeugwerkstoff mit den tribologischen Eigenschaften von WC zur Ausbildung von selbstschmierenden Oxiden (z. B. Magnéliphasen) zu vereinen, um den adhäsiven Werkzeugverschleiß zu senken. Hierzu wurden sowohl mit Hilfe eines reaktiven als auch nicht reaktiven Magnetronsputterprozesses WC-Hartstoffschichten auf Nickelbasisproben abgeschieden und mit Chrom, Silizium oder Molybdän modifiziert. Für eine tribologische Bewertung der WC-Hartstoffschichtsystemen wurden Stift-Scheibe-Tribometerversuche in Schutzgasatmosphäre im Temperaturbereich von 750 °C bis 950 °C gegen TiAl6V4 durchgeführt. Die Untersuchung demonstriert das Potential von Wolframcarbid als Werkzeugbeschichtung zur Vermeidung von Titananhaftungen und zeigt Möglichkeiten zur Verbesserung der Oxidations- und Verschleißbeständigkeit auf Basis der durchgeführten Schichtmodifikationen auf. Schlüsselwörter Warmumformung, Titan, Dünnschichten, PVD, Tribometer, Schutzgasatmosphäre In this study initial procedural and tribological investigations were conducted to deposit tungsten carbide coatings (WC) as tool coatings for the high-temperature forming of titanium. The main goal was a reduction of the adhesive tool wear by a combination of the advantages of nickel-base alloys as high temperature tool material with the tribological properties of WC to form self-lubricating oxides (e. g. Magnéliphases). The WC coatings were deposited by magnetron sputtering in reactive and non-reactive mode on nickel-base samples. Furthermore, WC coatings were modified by chrome, silicon or molybdenum. For a tribological evaluation of the WC coatings pin-ondisc-tribometer tests were conducted in the temperature range of 750 °C to 950 °C within an inert gas atmosphere against the titanium alloy TiAl6V4. The Investigation demonstrates the potential of WC coatings to reduce titanium adhesions and the possibilities to improve the oxidation and wear resistance of the coating based on a coating modification. Keywords Hot forming, titanium, thin films, PVD, tribometer, inert atmosphere Kurzfassung Abstract T+S_2_17 30.01.17 11: 58 Seite 13 14 Tribologie + Schmierungstechnik 64. Jahrgang 2/ 2017 als Verschleißschutz von Umformwerkzeugen dar. Durch die Oxidation von Wolfram, bilden sich Magnéli-Phasen aus [3, 4], die einen sukzessiven Ausbau von Sauerstoff geordneten Fehlstellenverteilungen und somit Scherstrukturen an der Randschicht beschreiben [5]. Diese Scherstrukturen entfalten eine selbstschmierende Wirkung und können über eine gezielte Tribooxidation für thermisch hochbeanspruchte Gleitpaarung genutzt werden. In der Vergangenheit wurden hierzu bereits Untersuchungen mit wolframhaltigen Hartstoffschichten durchgeführt, die eine tribologische Verbesserung für Hochtemperaturanwendungen nachweisen [6, 7, 8]. Die Ausbildung einer Magnéli-Phase ist bis zu einem kritischen, werkstoffspezifischen Restsauerstoffgehalt gewährleistet, unterhalb dessen die Oxidation und somit die Schmierwirkung ausbleibt und der Verschleiß zunimmt [9]. Demgegenüber ist der maximale Sauerstoffpartialdruck zur Vermeidung einer Verzunderung des Titanbauteils limitiert. Aufgrund dieser Limitierungen ist eine Anpassung des Schichtsystems an die Gasatmosphäre der Hochtemperatur-Titanumformung notwendig. Zur Einstellung der Oxidationsbeständigkeit kann das Schichtsystem mit weiteren Elementen modifiziert werden. Chrom oder Silizium bilden eine dichte, inerte Oxidschicht, welche als Barriereschicht fungiert. Daher werden sie zur Verbesserung der Oxidationsbeständigkeit von Schichtsystemen als Modifikation erfolgreich eingesetzt [10, 11]. Nebst Wolfram zählen Vanadium, Molybdän und Titan zu den Magnéliphasenbildnern. Sie weisen eine niedrigere Einsatztemperatur als Wolfram auf [12]. Die Einsatztemperatur von MoO x -Schichtsystemen ist aufgrund ihrer hohen Flüchtigkeit mit 500 °C am niedrigsten [13, 14]. Unbekannt ist, ob der Zusatz von Molybdän die Oxidationsempfindlichkeit einer WC-Hartstoffschicht ansteigen lässt und somit der Einsatzbereich hin zu einem niedrigeren Sauerstoffgehalt verschoben werden kann. Gegenstand dieser Arbeit sind erste prozesstechnische und tribologische Untersuchungen zur Abscheidung und Modifikation von WC-Hartstoffschichten auf Nickelbasiswerkstoffen. Hierzu werden reine sowie mit Chrom, Silizium oder Molydbän modifizierte WC-Hartstoffschichten mittels eines reinen und reaktiven Magnetronsputterprozesses abgeschieden. Anschließende Pin-on- Disc-Tribometertests im tribologischen Belastungsregime der Hochtemperatur-Titanumformung geben Aufschluss über die Eignung der abgeschiedenen WC-haltigen Hartstoffschichten zur Senkung des adhäsiven Verschleißes im Reibkontakt mit Titan und zeigen Optimierungsansätze für weiterführende Entwicklungsarbeiten auf. 2 Versuchsaufbau 2.1 Schichtabscheidung Die Abscheidung der wolframcarbid-haltigen Dünnschichtsysteme erfolgte mit Hilfe des Magnetronsputterns unter Verwendung von Argon als Intertgas sowohl mit als auch ohne Einsatz eines Reaktivgases. Der Prozessdruck betrug ca. 0,4 Pa und die Targetleistung ca. 3000 W. Als Testsubstrate dienten Scheiben mit einem Durchmesser von 35 mm und einer Dicke von 4 mm aus der Nickelbasislegierung Inconel 718. Zur Einstellung einer definiert glatten Substratoberfläche wurden die Scheiben mit einer 3 µm Diamantsuspension poliert und wiesen einen arithmetischen Mittenrauwert (Ra) von 0,01 µm auf. Zu Beginn des Beschichtungsprozesses wurden die Substrate mittels Argon-Ionenätzens gereinigt. Für die Abscheidung ohne Reaktivgaseinsatz lag das Beschichtungsmaterial direkt als Targetmaterial in Form von WC-Co mit einem Co-Gehalt von 6 gew.-% vor. Demgegenüber wurde bei der reaktiven Prozessführung ein reines Wolfram-Target in Kombination mit Acetylen als Reaktivgas verwendet. Zur Modifikation der WC-Schichtsysteme mit den Elementen Chrom, Silizium und Molybdän wurde ein entsprechendes Target im jeweiligen Beschichtungsprozess hinzugefügt. Im Falle der reaktiven Prozessführung führt der Einsatz eines Reaktivgases auch zu einer Carbidisierung der Modifikationselemente. Die chemische Zusammensetzung Aus Wissenschaft und Forschung Tabelle 1: Chemische Zusammensetzung der WC-haltigen Schichten gemäß EPMA-Analyse Schichtbezeichnung W C Co Cr Si Mo Rest [at.-%] [at.-%] [at.-%] [at.-%] [at.-%] [at.-%] [at.-%] WC-Co 45,6 47,1 5,1 <0,1 <0,1 <0,1 2,2 WC-Co / Cr 28,3 31,0 3,6 35,3 <0,1 <0,1 1,8 WC-Co / Si 28,0 25,9 4,2 <0,1 40,0 <0,1 1,9 WC-Co / Mo 26,1 32,2 2,7 <0,1 <0,1 36,6 2,4 WC 48,3 49,1 <0,1 <0,1 <0,1 <0,1 2,6 WC / CrC 31,7 37,6 <0,1 28,6 <0,1 <0,1 2,1 WC / SiC 49,4 47,7 <0,1 <0,1 0,3 <0,1 2,6 WC / MoC 33,4 41,3 <0,1 <0,1 <0,1 22,1 3,2 T+S_2_17 30.01.17 11: 58 Seite 14 Tribologie + Schmierungstechnik 64. Jahrgang 2/ 2017 der generierten Schichten wurde mittels einer Elektronenstrahlmikroanalyse (EPMA) bestimmt und ist in Tabelle 1 zusammengefasst. Die Schichtdicke sowie der Schichtverschleiß wurden über das Kalottenschliffverfahren unter Verwendung eines kaloMAX NTII der Firma BAQ GmbH bestimmt [15, 16]. Zur Ermittlung der plastischen Härte sowie des elastischen Eindringmoduls diente ein Fischerscope H100 der Firma Helmut Fischer GmbH, wobei die Härtemessung mit einer Last in Höhe von 30 mN zehnfach durchgeführt und gemittelt wurde. Die Schichtcharakterisierung ist in Tabelle 2 aufgelistet. Die Oberflächenrauheit der Substrate wurde mit Hilfe einer Form Talysurf Series 2 von der Firma Ametek GmbH gemessen. Die Rauheitskennwerte nach den Beschichtungsprozessen entsprachen nahezu der Ausgangsrauheit der Testsubstrate und lagen im Ra-Bereich von 0,01 µm bis 0,03 µm. Die Schichten wiesen eine gute bis ausreichende Haftung für den Einsatz als Werkzeugbeschichtungen auf. 2.2 Tribologische Untersuchung Für die Schichtbewertung wurden rotierende Stift-Scheibe-Tribometerversuche im Belastungsregime der Hochtemperatur-Titanumformung durchgeführt. Die beschichteten Substrate aus Inconel 718 rieben hierzu gegen Pins aus TiAl6V4 (r = 5mm) unter einer Argon- Schutzgasatmosphäre bei 750 °C und 950 °C innerhalb einer speziellen Hochtemperaturkammer, siehe Bild 1. Die Schutzgasatmosphäre wurde über den gesamten Testzeitraum bei einem konstanten Argonfluss beginnend mit der Aufheizphase (45min) bis zur Abkühlung (120 - 160 min) der Testkörper auf 150 °C aufrechterhalten. Während des Versuchsdurchlaufs wurde die Sauerstoffkonzentration innerhalb der Kammer mit Hilfe des Rest- 15 Aus Wissenschaft und Forschung Tabelle 2: Schichtcharakteristiken der WC-haltigen Schichten Schichtbezeichnung Dicke HUpl EIT/ (1-vs 2 ) Verschleiß [µm] [GPa] [GPa] [m 3 m-1N-110-15] WC-Co 2,6 39 339 20,19 WC-Co / Cr 3,82 24 251 26,26 WC-Co / Si 5,45 13 164 21,70 WC-Co / Mo 4,13 35 290 27,66 WC 3,86 32 303 12,81 WC / CrC 4,16 23 255 25,27 WC / SiC 2,99 39 315 15,67 WC / MoC 3,53 37 307 17,87 Bild 1: Versuchsaufbau des Stift-Scheibe-Tribometers für rotierende Hochtemperaturversuche unter Schutzgasatmosphäre T+S_2_17 30.01.17 11: 58 Seite 15 16 Tribologie + Schmierungstechnik 64. Jahrgang 2/ 2017 sauerstoffmessgeräts PRO2 plus der Firma Orbitalservice GmbH gemessen. Zur Einstellung der Versuchstemperatur wurde zunächst die Temperatursteuerung des Thermoelements T Kammer mit der resultierenden Temperatur nahe dem Tribokontakt T Substrat korreliert. Die Einstellung der Temperatur erfolgte daraufhin über das Thermoelement T Kammer . In Tabelle 3 sind die Versuchsparameter zusammengefasst. Vor Beginn der Versuche wurden die Proben unter Verwendung von Ethanol mit einem staubfreien Tuch gereinigt. Zur Bestimmung der Messvarianz erfolgten zwei Versuche mit der WC-Co- und der WC-Schicht für den jeweiligen Parametersatz. Als Grundlage für die tribologische Bewertung der Schichtsysteme wurden ferner Scheiben aus einem WC- und WC-Co-Vollwerkstoff (Co 6 gew.-%) einmalig für beide Parametersätze getestet. Die mit Chrom, Silizium und Molybdän modifizierten Schichtsysteme wurden einmalig mit dem Parametersatz 2 getestet, um die tendenzielle Einflussnahme der Modifikationen auf die tribologischen Eigenschaften zu bestimmen. 3 Ergebnisse und Diskussion 3.1 WC- und WC-Co-Schichten und -vollwerkstoffe Die resultierenden Reibungszahlverläufe aus den Tribometerversuchen mit den WCbzw. WC-Co-Schichten und Vollwerkstoffen sind in Bild 2 unterteilt nach der Versuchstemperatur dargestellt. Während der Versuche betrug der Sauerstoffpartialdruck 1577 ±1350 ppm bei 750 °C und 3386 ±1878 ppm bei 950 °C. Mit Ausnahme von der WC-Co-Schicht liegen die Reibungszahlverläufe der Vollwerkstoffe sowie der WC- Schicht bei beiden Versuchstemperaturen auf nahezu einem Niveau. Das Reibungsniveau der WC-Co-Schicht liegt deutlich unterhalb des Niveaus der anderen Versuche. Auffällig sind die periodischen Schwankungen in allen Reibungszahlverläufen, die innerhalb der Messdauer viermalig auftreten. Diese Zeitabstände entsprechen der Umdrehungszahl des Versuchsaufbaus und deuten auf inhomogene Reibungszustände entlang der Reibspur bzw. Oberflächenzustände auf den Flachproben hin. Die Reibungsamplitude steigt mit der Zeit im Falle der beschichteten Substrate bei 750 °C an. Diese Tendenz lässt eine Zunahme der Inhomoginitäten erkennen. REM- und EDX-Analysen der getesteten WC-Co- und WC-Schichten zeigen eine Oxidation des Wolframs auf. Die Reibspuren sind von abrasiven Verschleiß geprägt und weisen keine Titananhaftungen auf dem oxidierten Wolfram auf, siehe Bild 3. Ferner bildet sich auf den Titan-Pins im Verlaufe der Tribometerversuche eine Transferschicht bestehend aus Wolframoxid aus, siehe Bild 4. Nach der Theorie von Magnéli bilden sich Scherebenen innerhalb des Wolframoxids aus. Die bei der Adhäsionsausbildung wirkenden Scherkräfte führen zur Trennung Aus Wissenschaft und Forschung Tabelle 3: Versuchsparameter zu den rotierenden Pin-on-Disc-Tribometerversuchen Parametersatz Last Geschwindigkeit U/ min Temperatur Argonfluss Distanz [N] [mm/ sek] [-] [°C] [l/ min] [mm] 1 30 4 4 750 10 240 2 30 4 4 950 10 240 Bild 2: Reibungszahlverläufe aus den Pin-on-Disc-Tribometerversuchen der WC- und WC-Co-Schichten und -vollwerkstoffe bei 750 °C (a) und 950 °C (b) a b T+S_2_17 30.01.17 11: 58 Seite 16 Tribologie + Schmierungstechnik 64. Jahrgang 2/ 2017 entlang dieser Scherebenen und zur Ausbildung einer wolframoxidhaltigen Transferschicht. Die beobachteten Verschleißmechanismen entsprechen dieser Theorie, wonach die generierten Schichten in der Lage sind selbstschmierende Magnéli-Phasen im Belastungsregime der Hochtemperatur-Titanumformung auszubilden. In Bild 3b sind blasenförmige Schichtabplatzungen sowie vollständige Schichtdelaminationen zu erkennen, die sowohl bei der WC-Coals auch WC-Schicht auftreten. Eine detaillierte Analyse der Schichtdefekte zeigt eine starke Volumenzunahme des Schichtmaterials aufgrund der Oxidation des Wolframs. Aus dieser Volumenzunahme resultiert eine Druckeigenspannung innerhalb des Schichtsystems, die bei voranschreitender Oxidation oder durch die mechanische Beanspruchung im Tribokontakt zu Ausbrüchen und Delaminationen führt. Unterhalb der Delaminationen sind weiterhin die Wolframschichten zu erkennen, wonach kein vollständiges Schichtversagen vorliegt. REM-Analysen der Oberfläche sowohl von den Schichten als auch Vollwerkstoffen zeigen Unterschiede in der Oberflächenstruktur auf, welche auf ein variierendes Oxidationsverhalten aufgrund geringer Schwankungen des Restsauerstoffgehalts in der Prüfkammer zurückgeführt werden können. Diese Inhomogenitäten führen zu variierenden Reibungszuständen und stellen einen möglichen Erklärungsansatz für die periodischen Reibungszahlverläufe in Bild 2 dar. Die hohe Oxidationsempfindlichkeit ist insbesondere für die tribologischen Eigenschaften der Schichten maßgeblich. Zonen mit unterschiedlich stark ausgeprägten Schichtausbrüchen und -delaminationen führen zu einer Varianz in der Rauheit. Ferner bedarf es nach einer Schichtdelamination einer gewissen Zeit, Temperatur und Sauerstoffkonzentration bis zur Regeneration des Wolframoxids und damit verbunden der Schmierwirkung. Während der Versuche aus Bild 2a lag eine geringe Temperatur und Sauerstoffkonzentration gegenüber den Versuchen aus Bild 2b vor. Die ansteigenden Reibungsamplituden der Schichten in Bild 2a sind möglicherweise auf eine unvollständige Regeneration des Wolframoxids nach einer Schichtdelamination zurückzuführen. Während der Tribometerversuche bildeten sich auf den WC-Co-Schichten dünne Kobaltschichten aus, siehe Bild 5. Die Verschleißcharakteristik der Kobaltschicht lässt auf ein Aufbrechen aufgrund der Volumenzunahme des darunter befindlichen Wolframoxids als auch aufgrund der mechanischen Belastung im Tribokontakt schließen, woraufhin die Kobaltschicht delaminiert. Das darunter befindliche Wolframoxid tritt in den Tribokontakt ein und entfaltet daraufhin die selbstschmierende Wirkung. Am Ende der Tribometerversuche sind Abschnitte der Reibspur weiterhin vollständig mit Kobalt bedeckt und weisen Titananhaftungen auf, was eine Erklärung für den erhöhten Titan-Pinverschleiß im Reibkontakt mit der WC-Co-Schicht darstellt, vgl. Bild 4a und 4b. 17 Aus Wissenschaft und Forschung Bild 3: REM- und EDX-Analyse der Reibspur nach einem Tribometertest bei 950 °C von der WC-Co- (a) und WC-Schicht (b) (EDX-Mapping: orange - Wolfram; grün - Titan) Bild 4: REM- und EDX-Analyse des TiAl6V4-Pinverschleißes nach einem Tribometertest bei 950 °C gegen die WC-Co- (a) und WC-Schicht (b) (EDX-Mapping: orange - Wolfram; grün - Titan) a b a b T+S_2_17 30.01.17 11: 58 Seite 17 18 Tribologie + Schmierungstechnik 64. Jahrgang 2/ 2017 3.2 Modifizierte WC- und WC-Co-Schichtsysteme In Bild 6 sind die gemittelten Reibungszahlen für die reinen und modifizierten WC-Co- und WC-Schichten bei einer Versuchstemperatur von 950 °C gegenübergestellt. Gegenüber der WC-Co-Schicht weist die WC- Schicht eine hohe Varianz auf, was sich mit unterschiedlichen Oxidationsbzw. Oberflächenzustände zwischen den einzelnen WC-Schichtproben begründen lässt. Durch eine Chrommodifikation sinkt die Reibung beider Schichtvarianten und ist insbesondere bei der WC- Schicht mit einem Reibungsabfall von 0,3 stark ausgeprägt. Auch eine Molybdänmodifikation vermag die Reibung beider Schichtvarianten zu verringern, wobei das WC-Co/ Mo-Schichtsystem die geringste Reibung sämtlicher Schichten aufweist. Demgegenüber steigt die Reibung der WC-Co-Schicht durch eine Siliziummodifikation um 0,21 an bzw. führt für die WC- Schicht zu keiner signifikanten Verbesserung. Eine Modifikation der WC-Co- und WC-Schicht mit Chrom oder Silizium erhöht die Adhäsionsneigung und führt zur Ausbildung von Titananhaftungen auf den Reibspuren, siehe Bild 7. Die Chrommodifikation unterdrückt die Ausbildung von Schichtausbrüchen oder -delaminationen sowie die Diffusion von Kobalt an die Oberfläche der WC-Co-Schicht. Demgegenüber treten bei einer geringen Siliziummodifikation, wenn auch vermindert, weiterhin Schichtausbrüche auf, siehe Bild 7d und Tabelle 1. Im Falle einer höher konzentrierten Siliziummodifikation sind keine Schichtausbrüche erkennbar, jedoch kommt es verstärkt zu Schichtdelaminationen, siehe Bild 7c. Die Adhäsionsneigung der Schichten bleibt nach einer Molybdänmodifikation unverändert, was wahrscheinlich auf die Ausbildung von Magnéliphasen zurückzuführen ist. Während der Tribometerversuche steigert das Molybdän allerdings die Schichtoxidation und bildet ein gelbliches nur leicht an der Oberfläche gebundenes Pulver aus, wodurch ein massiver Verschleißanstieg mit Schichtabrasionen bis auf das Grundmaterial zu verzeichnen ist. Wie aus der Untersuchung mit der chrommodifizierten WC-Schicht hervorgeht, sinkt das Reibungsniveau trotz einer erhöhten Adhäsionsneigung aufgrund einer verbesserten Oxidationsbeständigkeit des Wolframs. Dabei entspricht das Reibungsniveau der WC/ CrC-Schicht dem Niveau der WC-Co-Schicht, wo die ausgebildete Kobaltschicht ebenfalls eine Adhäsionsneigung gegenüber Titan aufweist. Wie auch die Chrommodifikation schützt womöglich die während der Aufheizphase gebildete Kobaltschicht das Wolfram vor einer stärkeren Oxidation, woraus weniger Delaminationen der Wolframoxidschicht und somit eine verbesserte Schmierwirkung resultieren. Ein weiterer Erklärungsansatz besteht in einer optimalen Wolframoxidschichtdicke über der sich die tribologischen Eigenschaften von Magnéliphasen sich verschlechtern. 4 Zusammenfassung WC-Co- und WC-Schichten als auch Modifikationen mit Cr, Si und Mo wurden erfolgreich auf Inconel 718 abgeschieden. Die Schichthaftung und mechanischen Eigenschaften der Beschichtungen belegen eine gute Eignung als harte und verschleißfeste Werkzeugbeschichtung. Anschließende Tribometerversuche im Belastungsregime der Hochtemperatur-Titanumformung gaben Aufschluss über das Verschleißverhalten der ge- Aus Wissenschaft und Forschung Bild 6: Gegenüberstellung der gemittelten Reibungszahlen der reinen und modifizierten WC-Co- und WC- Schichten getestet bei 950 °C Bild 5: REM- und EDX-Analyse der WC-Co-Schicht, hier: gebrochene, delaminierte Kobaltschicht mit Ausbrüchen der darunterliegenden WOx- Schicht (EDX-Mapping: orange - Wolfram; grün - Kobalt) T+S_2_17 30.01.17 11: 58 Seite 18 Tribologie + Schmierungstechnik 64. Jahrgang 2/ 2017 nerierten Schichten in einer Schutzgasatmosphäre bei Temperaturen zwischen 750 °C und 950 °C. Folgende Aussagen können über die tribologischen Eigenschaften von WC-Co- und WC-Schichten getroffen werden: • Die WC-Co- und WC-Schichten verhindern die Ausbildung von Titananhaftungen, was auf eine Ausbildung von Magnéliphasen zurückzuführen ist. • Aus der Oxidation von Wolfram resultiert eine starke Volumenzunahme. Die dadurch induzierte Druckeigenspannung kann zu Schichtausbrüchen und -delaminationen führen, welche wiederum zu einer erhöhten Reibung führen können. • Eine ungleichmäßige Sauerstoffverteilung im Tribometer resultiert in einer inhomogenen Oxidation des Wolframs und bedingt somit variierende Reibungs- und Verschleißausprägungen. • Die hohen Versuchstemperaturen begünstigen eine Diffusion des in der WC-Co-Schicht enthaltenen Kobalts an die Oberfläche. Die dabei entstehende dünne Kobaltschicht weist eine Adhäsionsneigung gegenüber Titan auf. Weiterhin wurden die WC-Co- und WC-Schichten mit Chrom, Silizium oder Molybdän modifiziert und getestet. Der Einfluss der Modifikationen auf das tribologische Verhalten in dieser Versuchsreihe kann wie folgt zusammengefasst werden: • Chrom kann als Barriereschicht zur Verbesserung der Oxidationsbeständigkeit und Unterdrückung der Kobaltdiffusionsvorgänge in der WC-Co-Schicht beitragen. Allerdings erhöht Chrom u.U. die Adhäsionsneigung der Schicht gegenüber Titan. • Silizium verbessert die Oxidationsbeständigkeit, kann jedoch bei höherer Konzentration zu einer verstärkten Schichtdelamination führen. Zudem steigt unter diesen Testbedingungen die Adhäsionsneigung gegenüber Titan selbst bei geringer Konzentration stark an. • Die Molybdänmodifikation führt zu einer Senkung des Reibwerts bei einer gleichbleibend niedrigen Adhäsionsneigung zu Titan. Molybdän bildet ein pulverförmiges, leicht an der Oberfläche gebundenes Oxid aus, wodurch sich der Abrasivverschleiß stark erhöhen kann. 19 Aus Wissenschaft und Forschung Bild 7: REM- und EDX-Analyse der Reibspur nach einem Tribometertest bei 950 °C der Schichtsysteme WC-Co/ Cr (a), WC/ CrC (b), WC-Co/ Si (c), WC/ SiC (d), WC-Co/ Mo (e) und WC/ MoC (f) (EDX-Mapping: orange - Wolfram; grün - Titan) T+S_2_17 30.01.17 11: 59 Seite 19 20 Tribologie + Schmierungstechnik 64. Jahrgang 2/ 2017 Weiterführende Untersuchungen werden die Rolle des Schichtaufbaus, der Einzellagendicken und verschiedener Kombinationen von Modifikationselementen hinsichtlich ihres mechanischen, tribologischen und Oxidationsverhaltens thematisieren. Danksagung Das IGF-Vorhaben 18855 BG der Forschungsvereinigung Europäischen Forschungsgesellschaft Dünne Schichten e.V. (EFDS) wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Literatur [1] Kahles J.F., Field M., Eylon D., Froes F.H., 1985, Journal of Metals 37 [2] Behrens B.A., Gastan, E., 2006, Pulverschmieden vorgepresster Grünlinge aus Titan zu endkonturnahen Bauteilen, www.UTFscience.de [3] Magnéli A., 1948, Acta chem. Scand. 2, 501, S. 861 [4] Wriedt H.A., 1989, Bull. 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Technol 163- 164, 546-551 Aus Wissenschaft und Forschung Themenverzeichnisse Tribologie · Schmierungstechnik Konstruktion · Maschinenbau · Tribologie · Verbindungstechnik · Oberflächentechnik · Werkstoffe · Materialbearbeitung · Produktion · Verfahrenstechnik · Qualität Fahrzeug- und Verkehrstechnik Elektrotechnik · Elektronik · Kommunikationstechnik · Sensorik · Mess-, Prüf-, Steuerungs- und Regelungstechnik · EDV-Praxis Im expert verlag erscheinen Fachbücher zu den Gebieten Weiterbildung - Wirtschaftspraxis - EDV-Praxis - Elektrotechnik - Maschinenwesen - Praxis Bau / Umwelt/ Energie sowie berufs- und persönlichkeitsbildende Audio-Cassetten und -CDs (expert audio ) und Software (expert soft ) Bitte fordern Sie unser Verlagsverzeichnis auf CD-ROM an! expert verlag Fachverlag für Wirtschaft & Technik Wankelstraße 13 · D-71272 Renningen Postfach 20 20 · D-71268 Renningen Baupraxis · Gebäudeausrüstung · Bautenschutz · Bauwirtschaft/ Baurecht Umwelt-, Energie- Wassertechnik · Hygiene / Medizintechnik Sicherheitstechnik Wirtschaftspraxis Anzeige Telefon (0 71 59) 92 65-0 Telefax (0 71 59) 92 65-20 E-Mail expert@expertverlag.de Internet www.expertverlag.de T+S_2_17 30.01.17 11: 59 Seite 20
